SMARTE WELTEN - orange Das Forschungsmagazin der Fachhochschule Dortmund 0120
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FORSCHUNGSSTRUKTUR an der LIEBE LESERINNEN UND LESER, FACHHOCHSCHULE DORTMUND die Fachhochschule Dortmund entwickelt sich ständig weiter. Im Jahr 2019 wurde ein neues Rektoratsteam mit veränderten Zuständigkeiten gewählt. Seit 1. Juli 2019 verantwortet Volker Helm das Thema Forschung, Entwicklung und Transfer. Andrea Kienle übernahm zur gleichen Zeit das neu geschaffene Prorektorat für Digitalisierung. Mit der Einrichtung des Prorektorats für Digitalisierung zeigt das Rektorat, dass es sich der besonderen Bedeutung dieses Themas annimmt und es systematisch weiterentwickeln wird. In den Zeiten dieses Übergangs freuen wir uns, Sie gemeinsam in die neue Ausgabe der Orange einführen zu dürfen. Der Titel der diesjährigen Ausgabe lautet „Smarte Welten“. Mit dem Begriff „smart“ wird in der Regel eine neue Stufe der gesellschaftlichen und industriellen Entwicklung verbunden. Als „smarte Welten“ werden ganzheitliche Entwicklungskonzepte bezeichnet, die die Möglichkeiten der Digitalisierung und die damit zur Verfügung stehenden enormen Datenmengen intelligent nutzen, um Lebens- und Arbeitswelten effizi- Drei Profillinien enter, technologisch fortschrittlicher, ökologisch nachhaltiger sowie sozialer zu gestalten. ▸ Intelligente Informations- und Von der freien Zugänglichkeit der Daten und deren immensen Vernetzung Kommunikationssysteme (IIKS) werden zum einen umwälzende Innovationsschübe in Wirtschaft und ▸ E ffizienztechnologien (EFF-TEC) Gesellschaft erwartet. Zum anderen befürchten Kritiker, die vollständige ▸ G esellschaftlicher Wandel: Soziale Berechenbarkeit könne zu Kontrolle, Abhängigkeit und Unselbstständig- und Ökonomische Innovationen (SÖI) keit der Menschen führen. Breiter gefasst schließt der Begriff „smarte Welten“ auch nicht-technische Innovationen ein, die zu einem besseren und nachhaltigeren Leben beitragen. Dazu gehören z. B. Konzepte zur Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern. Häufig sind es aber auch tech- Forschungsschwerpunkte nische Neuerungen, die Impulse für soziale Innovationen setzen. Die Fachhochschule Dortmund beteiligt sich mit ihrer Forschung an der zukunftsorientierten ▸ Biomedizintechnik (BMT) Gestaltung der „smarten Welten“ in ihren unterschiedlichen Dimensionen, die in den Beiträgen ▸ Medizinische Informatik (MI) dieser Ausgabe vorgestellt werden. Einen Schwerpunkt bildet der Bereich smarte Energie ▸ M obile Business – Mobile Systems (MB – MS) und Produktion, in dem sich unsere Forscherinnen und Forscher Themen wie Smart Home, ▸ Intelligent Business Information Systems (iBIS) cyberphysischen Testsystemen oder der Simulation und Optimierung dezentraler Speicher- ▸ Computersimulation im Maschinenbau (CSiM) lösungen widmen. Ein weiteres Thema, smarte Welten und Mobilität, wird in diesem Heft aus unterschiedlichen Perspektiven der Informatik und der angewandten Sozialwissenschaften beleuchtet. Die Betrachtung der smarten Welten in ihrer Bedeutung für die Gesundheit sowie im Bereich der Gestaltung rundet den Blick auf das breite Spektrum der Arbeiten unserer Institute/ Forscherinnen und Forscher ab. Kompetenzplattformen Die Kolleginnen und Kollegen in TraFo (in der Transferstelle und im Dez.I.3, Forschung, Drittmittel, Steuern) haben auch in diesem Jahr wieder außergewöhnliche Arbeit geleistet. Mit dem Antrag „StartUpLab@FH“ sowie ihrer Beteiligung am „Exzellenz Start-up Center.NRW“ hat die Transfer- ▸ Institut für die Digitalisierung von Arbeits- stelle die Strukturen für ein nachhaltig umfangreicheres und besseres Angebot im Bereich Exis- und Lebenswelten (IDiAL) tenzgründung an unserer Fachhochschule geschaffen. Des Weiteren konnte durch die Einführung ▸ Kompetenzplattform Kommunikations- des neuen ERP-Systems MACH die Verwaltung der Drittmittel zukunftsfest gemacht werden. technik und angewandte Signalverarbeitung Nordrhein-Westfalen (Communications and Dem gesamten TraFo-Team gebührt daher unser besonderer Dank! Insbesondere deshalb, Applied Signal Processing, CAS NRW) weil bei allen Neuerungen das Tagesgeschäft nie gelitten hat. Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen und interessante Erkenntnisse bei der Lektüre. Herzlichst ▴Entwicklung Prof. Dr. Volker Helm Prorektor für Forschung, und Transfer ▴Digitalisierung Prof. Dr. Andrea Kienle Prorektorin für
INHALT Impressum Orange Forschungsmagazin der Fachhochschule Dortmund Smarte Welten Herausgeber Der Rektor der Fachhochschule in der Mobilität Prof. Dr. Wilhelm Schwick Redaktion Jürgen Andrae (Ltg.) 22 Autonomes Fahren geht nicht Smart Business Barbara Bierfreund Anschrift der Redaktion: von selbst Fachhochschule Dortmund, Dezernat II – Hochschulkommunikation 28 Gemeinsam im Auto: Auch die 50 Partner in Wissenschaft Sonnenstraße 96 Chemie muss stimmen und Wirtschaft 44139 Dortmund T +49 231 9112-9117 F +49 231 9112-9335 andrae@fh-dortmund.de www.fh-dortmund.de Mitarbeit an dieser Ausgabe Dirk Berger, Smarte Welten Sven Dröge, Dr. Katja Engel, in der Gesundheit Katja Kilimann, Christoph Klemp, Smarte Welten Honke Rambow, Michael Schmitz 32 Algorithmen als Arzthelfer in der Kultur Gestaltung goldmarie design Fotos 38 Roboter machen die Rettung greenbutterfly/ sicherer 44 Das Museum ohne Wände Shutterstock.com (Titel), Chea01/Shutterstock.com Smarte Welten (S. 65–69), LightField Studios/ Shutterstock.com (S. 70) in Energie/ Druck Produktion Koffler DruckManagement, Dortmund ISSN 1862-4642 06 Das Haus als Freund 12 Ein Stresstest für Stromnetze 18 Ein Test für smarte Innovationen Forschung in Kürze 56 Ausgewählte Forschungs- projekte der Fachhochschule Dortmund Veröffentlichungen 65 Bücher von Autoren der Fachhochschule Dortmund (Auswahl)
Inhaltsverzeichnis Smarte Welten in Energie/Produktion 6 7 FH-Projekt leuchtet Möglichkeiten des Smart Home aus Ist es kalt, macht der Mensch die Heizung an, Dunkelheit verscheucht er durch das durch einen elektrischen Schlüssel, einen Code ermöglichen, nur einmal ins Haus zu DAS HAUS ALS FREUND Betätigen eines Lichtschalters, Einbrecher kommen. Das System erkennt ihn in dem hält er sich mit einem Schloss fern. Zu Moment, in dem er vor der Tür steht“, so der warm, zu dunkel, zu unsicher: Immer re- Wissenschaftler. Alles werde dokumentiert, agiert er auf Raumbedingungen. Das Team natürlich auch, wer der Bote ist. „Das haben um Prof. Dr. Ingo Kunold vom Fachbereich wir bereits im Labor realisiert.“ Ist ein Not- Informationstechnik der Fachhochschule fall passiert und die Polizei, die Feuerwehr Dortmund versucht nun gewissermaßen oder der Krankenwagen sind vorgefahren, die Umkehrung. Wie wäre es, wenn der geht – falls keiner zu öffnen mehr in der Smart Living Haus und Wohnung sind Inbegriffe einer Umgebung, die man sich schafft, um es warm, Raum die Gewohnheiten seiner Bewohner Lage ist – die Tür auf. Was in Notfällen das sicher und möglichst komfortabel zu haben. Die Ansprüche daran haben sich im Laufe erlernt und vorausschauend agiert? Die Aufbrechen erspare. Das „Smart Home“ Der Smart-Living-Markt gewinnt der Jahrhunderte geändert, die technischen Möglichkeiten zumal. Antwort vorweg – sicherlich smart. könne auch der städtischen Müllabfuhr mel- gegenwärtig enorm an Bedeu- den, dass der Mülleimer voll ist. „Das kann tung. Besonders für deutsche „SENSE – Semantisches, interoperables man nutzen, um Fahrtrouten zu optimieren.“ Unternehmen wird ein hoher Smart Home“ ist das auf drei Jahre ange- In einer smarten Stadt. Anteil am weltweiten Marktvolu- ▾ Im Smart Home (hier ein Modell im SENSE- Labor) sollen den Menschen in Zukunft eine Menge haushaltstypischer Pflichten abgenommen werden. Foto: Berger legte Forschungsprojekt überschrieben, men, mit rasant steigendendem Marktwachstum, prognostiziert. das die FH gemeinsam mit den Partnern So gehen Studien je nach Ab- Deutsches Forschungszentrum für Künstli- Bewegungsmuster der Bewohner grenzung für das Jahr 2021 von che Intelligenz (DFKI), der Forschungsverei- können hinterlegt werden einem weltweiten Marktvolumen nigung Elektrotechnik beim Zentralverband zwischen 19 und 30 Milliarden Euro aus. Das Marktvolumen in Elektrotechnik- und Elektroindustrie sowie Bewegungsmuster von Senioren können Deutschland wird im Jahr 2021 dem Start-up IoT connctd angeht und das hinterlegt werden. Wenn irgendetwas Un- voraussichtlich 4,14 Milliarden vom Bundeswirtschaftsministerium geför- gewohntes auffällt, zum Beispiel morgens Euro erreichen. dert wird. Das „Gebäude als Service“ sei zur Frühstückszeit kein Strom verbraucht dabei die Leitidee, so Kunold. Ein Service, der sämtliche das Wohlbefinden des Be- wohners tangierende Faktoren mit einbe- zieht. „Unsere Idee ist dabei, ein digitales Abbild zu schaffen, möglichst alle Daten zu erfassen und sie in eine Datenbank einfließen zu lassen“, so der Wissenschaft- ler. Die Grundlage für ein solch komplexes technisches Vorhaben ist die Ausstattung des Gebäudes, der Wohnung mit Sensoren, die in der Lage sind, miteinander zu kom- munizieren, aufeinander zu reagieren, im besten Sinne zum Wohle des Bewohners zusammenzuarbeiten. „Gewerkeübergrei- fend“, sagt er dazu. Voller Mülleimer? Die Müllabfuhr kommt automatisch Beispiele: eine Lüftung, die merkt, dass im Raum die CO2-Konzentration in der Atemluft zwar hoch ist, es aber trotzdem gesünder ist, das Fenster geschlossen zu halten, weil der Feinstaubgehalt draußen gerade noch ungesünder ist. Fenster, Jalousien, Roll- läden, die auf den aktuellen Wetterbericht reagieren, sich entsprechend öffnen oder schließen. Ein Paketbote, der bei Abwesen- heit des Adressaten die Erlaubnis bekommt, das Päckchen auf der Treppe abzulegen, um dem Empfänger den Gang zum Postamt zu ersparen. „Wir können es dem Boten ▴ Grafik: SENSE
Inhaltsverzeichnis Smarte Welten in Energie/Produktion 8 9 SENSE wird, „kann beim Pflegedienst eine Meldung eingehen. Der Raum sagt gewis- Wer auf Daten zugreifen möchte, muss sich identifizieren Anwendungs- sermaßen voraus, wann ich ihn nutzen entwicklung SENSE ist die Abkürzung für möchte und stellt sich bereits vor meinem Kinoszenario gefällig? Der Cineast kommt Innovative Services „Semantisches, interoperables Betreten darauf ein“, sagt Kunold, „die in sein Filmzimmer, die Popcorn-Maschine mit Gebäudeauto- Smart Home“. Das Projekt SENSE mationen, Heizung springt an, wenn ich mich in ihm springt an, die Jalousien senken sich ab, begreift das Gebäude mit Anwendungen seinen vielfältigen Gewerken aufhalte, und sie geht mit der Temperatur das Licht wird gedimmt, und der Film be- Wissenschaft Lab-Management übergreifend als Zentrum von wieder runter, wenn ich hinausgehe.“ ginnt. „Man muss das einmal definieren, KI, Semantik, autonome Arbeitsgruppen, Smart Living. Ziel von SENSE und der Prozess wird in Gang gesetzt.“ Funktionen, intelligente Ontologieentwicklung, ist es, das Gebäude in dieser Noch ein Beispiel: Das Haus erkennt, wenn So weit die Forschungsziele. Der Informa- Datenaggregation, neue Hackatons, Work- Vielfalt für Anwendungen und der Bewohner mit einem Elektromobil von tionswissenschaftler legt Wert auf die Nutzungsszenarien shops, Support Anwendungsentwickler umfas- Semantic send nutzbar zu machen. Das der Arbeit zurückkommt. Das Garagentor Feststellung, dass mit der automatischen Gebäude wird zur Basis aller öffnet sich, gleichzeitig springt die Espres- Erhebung von Messwerten durch Sensoren Dienste im Kontext von Smart Home/Building/City-Diensten. somaschine an – ganz den Gewohnheiten des Nutzers entsprechend. Der Wagen nicht auch automatisch die Freigabe per- sönlicher Daten ins Internet einhergeht. Building Lab Das „Gebäude als Service“ ist stoppt neben der Ladestation, ein Sensor Es würden zwar riesige Mengen Daten Technologie- dabei die Leitidee. Hersteller Integratoren/ und Anwendungsentwickler erkennt das und schaltet auf Batterieladen. erhoben, das Smart Home habe allerdings entwickler Handwerk werden in das Projekt eingebun- Technik, die aus dem Verhalten der Nutzer ein eigenes kleines Rechnersystem. Systemarchitekturen, IT-Sicherheit, Update- den, um im Semantic Building lernt, die weiß, ob es gerade günstiger ist, „Es bleibt alles zuhause“, meint Kunold, Basisservices, Referenz- Mechanismen, Lab innovative Technologien implementierungen, den Strom zum Aufladen des E-Mobils „das hat mit dem Internet nichts zu tun.“ sichere Designs Datenschutz zu testen und neue Servicekon- aus der Photovoltaikanlage auf dem Dach Das System könne sich allerdings Informa- zepte zu entwerfen – über die Hardware- bisherigen Technologiegren- zu ziehen oder besser nicht, weil gerade tionen aus dem Internet holen. Wer auf hersteller zen hinweg. nicht genügend hauseigene Energie vor- die Daten zugreife, müsse sich eindeutig Sensorik/Aktorik, handen ist. identifizieren. Geräte ▴ Prof. Dr. Ingo Kunold im SENSE- Testlabor Foto: Berger Autonomes, KI-gesteuertes Smart Home als Kernelement eines digitalisierten Lebensumfeldes Die Fähigkeit von Geräten und Software unterschiedlicher Hersteller, untereinan- sinniert er, dann bliebe ihnen allenfalls noch die Möglichkeit, den großen Unter- Semantic der Informationen auszutauschen und nehmen zuzuarbeiten. Building Lab gemeinsam zu nutzen, setze natürlich SENSE Use Cases voraus, dass – um bei den Beispielen zu Wesentlicher Bestandteil bleiben – der Heizungshersteller mit dem Spezialwissen muss des Projekts SENSE ist die SENSE Fachmann für Sicherheitssoftware zusam- zusammengeführt werden Einrichtung eines offenen und Komfort Assistenz Energie Sicherheit Supported menarbeiten müsse. Der eine kann Heizung, dauerhaft betriebenen Seman- Use Cases Vorbereitung maschinelles Lernen und Analytics Innovative User Interfaces der andere Raumluft, der dritte Anbieter Der 1. SENSE-Workshop im vergangenen tic Building Lab als hersteller- neutrale, vorwettbewerbliche baut die sichere Tür mit der elektronischen Mai in Berlin habe jedoch Anlass zur Hoff- und Services Laborumgebung. Das Lab Sperre. „Wie weit sie das tun, muss man nung gegeben, so Kunold. Damals waren bietet den notwendigen Raum Zusammenspiel autonomer Teilsysteme Zustandsverwaltung sehen“, stellt Prof. Dr. Ingo Kunold fest. 70 Gäste aus 50 Unternehmen, Instituten für praktische Arbeiten zu Jeder Anbieter habe das Bedürfnis, seine und Verbänden zusammengekommen, um wechselnden Themengebieten Entwicklung weitestgehend zu schützen. den Grundstein für gemeinsame Labor- und in unterschiedlicher fach- SENSE IT-Security und Datenschutz Open Data und Datenaggregation Was selbstverständlich in Ordnung sei. projekte zu legen. Denn das ist die Voraus- licher Zusammensetzung. Es ist ein offener Ort für den fach- Technologien Doch Zusammenarbeit ohne Schnittstellen setzung: dass all die Entwickler ihr Spezial- lichen Austausch und für die sei nicht möglich, eine gewisse Offenheit, wissen vertrauensvoll zusammenführen. und Services Developer-Tools und Cloud-Services Referenzarchitektur(en) Diskussion mit verschiedenen „Gebäude-as-a-Service“, ein Vertrauen müsse man voraussetzen, Das zu moderieren dürfte die Hauptaufgabe Stakeholdern. Die praktischen um diese „Mehrwertangebote rund um das sein. Prof. Dr. Ingo Kunold weiß: „Das ist Arbeiten umfassen zunächst Tools, semantische Inter- Universelle Abstraktion/Interoperabilität (W3C – Web of Things) und semantische Beschreibung die vier großen Anwendungs- operabilität, Ontologien vernetzte Gebäude“ realisieren zu können. nicht ganz einfach …“ gebiete Energie, Komfort, Große Internetunternehmen wie Google Sicherheit und Assistenz. oder Amazon trieben derartige Entwicklun- Was alles möglich ist, definiert die For- Weiter werden im Labor die Bestehende Systemwelten gen ebenfalls voran. Die in diesen Berei- schung. Und ob es als „Produkt“ flächen- Themen Semantik, Interopera- chen forschenden Firmen in Deutschland deckend zum Einsatz kommt, bestimmt bilität zwischen Technologien, Ontologien, System- und Sensoren, Aktoren, Geräte indes seien eher klein strukturiert. Kunold immer noch der Markt. Nicht ganz unwichtig Dienstverhalten, Benutzerver- macht daher einen gewissen Druck zur Zu- also ist, zu welchem Preis die Ausstattung waltung, IT-Sicherheit sowie sammenarbeit aus. „Sonst werden viele der eines „Smart Home“ wohl zu haben wäre. Open-Data-Modelle bedient. ▴ Das semantische, interoperable Smart Home SENSE im Überblick. Unternehmen nicht zukunftsfähig bleiben“, „Für um die 10.000 Euro“, schätzt Kunold.
Inhaltsverzeichnis Smarte Welten in Energie/Produktion 10 11 Zur Person „KUNDENBEDÜRFNISSE Vermarktung der eigenen Produkte ein. Interoperabilität zwischen den einzelnen Produkten und Gewerken – auch über Konzern- SIND ENTSCHEIDEND“ grenzen hinweg – jedoch sorgt dafür, dass dem Kundenwunsch nach freier Auswahl seiner Produkte im Markt Rechnung getragen wird und er sich nicht beim Kauf eines Produktes gleichermaßen auf die anderen Produkte festlegen muss. Michael Laskowski ist Leiter Förderprojekte bei innogy in Essen. Wie groß ist die Gefahr, dass auf diesem Gebiet die schnellen, finanzstarken Konzerne wie Amazon, Google, Facebook etc. den Mittelstand abhängen? Und wie kann der sich schützen? Grundsätzlich ist das Interesse der großen Konzerne sehr groß, in Orange: Wie kam es zu einer Zusammenarbeit zwischen Domänen wie Smart Home einzusteigen. Mit z. B. Alexa von Amazon Prof. Dr. Ingo Kunold innogy (zuvor RWE Deutschland AG) und der Fachhochschule kann man gut sehen, wie große Konzerne den Weg in das Wohnzim- Dortmund und wie gestaltet sie sich? Michael Laskowski: Es mer finden. Sie gehen dabei einen anderen Weg als die klassischen Ingo Kunold erhielt 1992 den Ruf an die Fachhoch- gibt zwischen innogy SE und der Fachhochschule Dortmund eine Smart-Home-Anbieter. Sie argumentieren nicht mit Technik, sondern schule Dortmund und vertritt dort das Lehrgebiet lange Tradition. Durch viele gemeinsame Projekte wie z. B. E-DeMa mit Lifestyle und Design und stellen die technischen Parameter in Kommunikationssysteme und -netze. Er leitet seit (www.e-dema.de) konnten sich beide Partner in ihren jeweiligen den Hintergrund. Durch die ständige Kommunikation der Kompo- der Gründung im Jahr 2001 das Institut für Kommuni- Domänen gut weiterentwickeln. Viele Erkenntnisse aus gemeinsa- nenten mit dem Internet erfahren sie neben den vom Kunden ausge- kationstechnik sowie seit 1995 den gleichnamigen men Projekten sind heute State of the Art und werden in teilweise lösten Steuerkommandos noch weitere Details zum Kundenverhal- Forschungsschwerpunkt und ist seit 2003 Sprecher gemeinsam durchgeführten Lehrveranstaltungen den Studieren- ten. Hier steht das Sammeln von Kundendaten im Vordergrund und der von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen den vermittelt. gehört zum vollständigen Geschäftsmodell der Internetgiganten. eingerichteten Kompetenzplattform Kommunika- ▴ SENSE-Testmodell für die Ladesteuerung im Bereich Elektromobilität Foto: Berger tionstechnik und Angewandte Signalverarbeitung Hat das Smart Home das Zeug dazu, ein Massenmarkt zu Wie beurteilen Sie den Stand der Forschung anderenorts? NRW. Schwerpunkte seiner Arbeiten in Forschung werden, und wie überzeugt man die zunehmende Anzahl von Oder wie viel Zeit kann man sich bis zur Marktreife noch und Entwicklung sind Analyse- und Synthesever- Bürgern, die einem Zuviel an Technik kritisch gegenüber- geben, um vorne mit dabei zu sein? Diese Frage ist schwer zu fahren in der digitalen Signalverarbeitung, NGN- stehen? Erste Ansätze zu Smart Home gibt es bereits seit Mitte beantworten, da mir der Einblick in die Entwicklungslabore der Semantische Angesichts der Kosten eines Hausbaus eine Größenordnung, die nicht besonders Kommunikationssysteme und Energieinformations- systeme. Aktuell stehen Themen der semantischen der 90er Jahre. Das zeigt, dass alle Protagonisten bei diesem Thema einen langen Atem haben müssen. Entscheidend sind die Wettbewerber fehlt. Der Wettkampf um die Smart-Home-Kunden hat längst begonnen. Dabei stellt Interoperabilität den Königs- Interoperabilität hoch erscheint. Es wird immer Menschen Beschreibung von Zustandsdaten als Datenbasis Marktreife und der tatsächliche Mehrwert des Kunden durch ein weg dar, wenn es um die Beantwortung der Kundenfrage geht, geben, die so etwas nicht als Fortschritt für KI-Systeme in Smart-Home- und Smart-Buil- „intelligentes“ Zuhause. Die Argumentationskette eines Smart- inwieweit die Systeme miteinander interagieren. empfinden. Aber auch viele, die diese ding-Systemen sowie deren Systemarchitektur in Home-Nutzers sieht völlig anders aus als die eines Entwicklers. Semantische Interoperabilität ermöglicht digitale und hybride Entwicklung, die eigenen vier Wände zum einer verteilten Sensor-Aktor-Umgebung im Vor- Der Kunde kauft ein Smart-Home-Produkt erst dann, wenn er für Mehrwertangebote rund um Partner zu machen, als technischen Kom- dergrund. Als Projektleiter führte er mehrere For- sich einen Mehrwert sieht, der sein tägliches Leben vereinfacht, das vernetzte Gebäude und die fort zu schätzen wissen. schungs- und Lehrprojekte auf nationaler und eu- den Komfort steigert oder die Sicherheit erhöht. Somit ist es für Prof. Dr.-Ing. Integration von Gebäuden in ropäischer Ebene in den vorgenannten Bereichen die Verbreitung von Smart Home hin in einen Massenmarkt von Michael Laskowski übergeordnete, digitale Struk- turen wie Smart Cities, Smart ▴ Dirk Berger in Zusammenarbeit mit Industriepartnern durch, großer Bedeutung, die Bedürfnisse der Kunden zu treffen! Grids etc. Schützenswerte wobei der Schwerpunkt der Arbeiten aktuell bei Studium: Elektrotechnik an Interessen der Nutzer, steigende verschiedenen Anwendungsfeldern wie Komfort, Wenn wir die Elektromobilität als aufkeimenden und irgend- der Ruhr-Universität Bochum; Anforderungen an IT-Security, Assistenz und Energiemanagement liegt. In der wann großen Wirtschaftszweig sehen und der Bereich Smart Promotion zum Dr.-Ing. Systemperformance sowie die akademischen Selbstverwaltung der Fachhoch- Home hinzukäme – wie bereitet sich ein Energielieferant wie Beruf: 1990 startete er seine Gestaltung von flexiblen Zu- schule Dortmund war er als Prorektor für Forschung innogy darauf vor? Die beiden Produktlinien, Elektromobilität berufliche Laufbahn 1991 bei griffsrechten auf die Gebäude- und Nutzerdaten stehen dabei und Entwicklung sowie als Dekan des Fachbereichs und Smart Home, werden bei innogy getrennt entwickelt und der RWE Energie AG in Essen. im Mittelpunkt. Informations- und Elektrotechnik (IET) tätig. Er ist vermarktet. Sollte es Schnittstellen zwischen beiden Produkt- Neben seiner beruflichen Tätig- Vorsitzender der Akkreditierungskommission und linien geben, was zu erwarten ist, werden sich beide Systeme keit absolvierte er das Zusatz- Studiengangsleiter für den Masterstudiengang über ein semantisches, interoperables Protokoll verzahnen und studium „Energie- und Umwelt- Informationstechnik sowie Koordinator für Inter- so „gewerkeübergreifend“ agieren. management“ an der TU Berlin. nationales des Fachbereichs Informationstechnik. Nach mehreren Geschäftsfüh- Im Jahr 2013 wurde er zum Direktor der Ruhr Mas- Könnte sich ein Konzern wie innogy in einer Vermittlerposi- rungsfunktionen und leiten- Gefördert durch ter School of Applied Engineering berufen, die die Masterstudienangebote der Fachhochschulen im tion sehen, wenn es darum geht, die verschiedenen Entwick- lungen der Gewerke zu einer Leistung zusammenzufassen? den Positionen im Energie- und Telekommunikationsbereich innerhalb des RWE-Konzerns ist er heute Leiter Förderprojekte bei innogy. Im Rahmen sei- Ruhrgebiet koordiniert. Ingo Kunold ist auf der Lan- Prof. Dr. Kunold sprach ja davon, dass erst einmal jeder ver- ner Lehrtätigkeiten wurde er 2006 von der Fachhochschule Dortmund zum des- und der nationalen Ebene als Fach- und Haupt- sucht, sein Produkt zu schützen – was einer Zusammenarbeit Honorarprofessor ernannt. gutachter im Bereich der Kommunikationstech- widerspräche. Für einen Konzern wie innogy ist es wichtig, dass Arbeitsschwerpunkte: Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der Infor- nik und Signalverarbeitung tätig. Er ist seit 1982 man seinen Kunden Produkte anbieten kann, die miteinander mations- und Kommunikationstechnik (IKT) für Smart Grids. Derzeit be- Projektleitung: Prof. Dr. Ingo Kunold Mitglied im VDE und im IEEE, dem Institute of Elec- kooperieren, wo es Sinn macht. Aktuell gibt es unterschiedliche schäftigt sich Laskowski u. a. mit der Digitalisierung des Verteilnetzes, Fachbereich: Informationstechnik trical and Electronics Engineers, einem weltweiten Smart-Home-Systeme im Markt, eines davon kommt von innogy. der Weiterentwicklung von Analysen von Netzdaten auf der Basis von Big Forschungsprogramm: strategische Technologie- Berufsverband von Ingenieuren. Da ausschließlich die Wünsche des Kunden im Vordergrund Data sowie mit der Steuerung von Einspeisern und Lasten kleinerer und intervie projekte – Entwicklung konvergente IKT Laufzeit: 11/2018–10/2021 stehen, ist eine Abschottung nicht sinnvoll und grenzt eher die mittlerer Leistungsklasse im Zuge des Smart-Meter-Rollouts.
Inhaltsverzeichnis Smarte Welten in Energie/Produktion 12 13 sagt Christoph Engels. Energie wird nicht mehr nur top-down, über Hoch-, Mittel- und Niederspannungsnetze nach unten zum Verbraucher befördert, sondern umgekehrt speisen Kleinerzeuger Energie von unten in die Netze ein. Diese sind dadurch volatiler, unberechenbarer geworden, Schwankungen sind auf der Tagesordnung. Hohe Einspeisung durch Starkwind belastet Sorgt Starkwind oder Sonnenstrahlung für hohe Einspeisung und wird andererseits wenig Strom abgenommen, besteht die Gefahr, dass das Netz durch Überlastung zerstört wird. „Die Betreiber müssen ihre Windräder abschalten, bekommen trotz- Energiewende dem Geld als Kompensation“, sagt Engels. Ein Extrembeispiel für einen negativen Das Reaktorunglück im Strompreis: Man hält einen „Tauchsieder“ japanischen Fukushima am ins Wasser und wird als Prosumer (der 11. März 2011 war der Auslöser Strom erzeugt und auch abnimmt) dafür eines bemerkenswert schnell vollzogenen Politikwandels: auch noch bezahlt. Für das andere Extrem, Nach Erdbeben und einer wenig erneuerbare Energien (EE) und nachfolgenden, gewaltigen starke Last wie bei Dunkelflauten im Winter, Flutwelle kam es in mehreren müssen Reservekapazitäten vorgehalten Reaktoren zur Kernschmelze, werden. Das sind in der Regel konventio- große Mengen Radioaktivität wurden freigesetzt. Nur drei nelle Kraftwerke oder es wird Atomstrom Tage später beschloss die aus dem Ausland zugeschaltet. damalige Bundesregierung ein dreimonatiges Atommoratori- um unwd am 6. Juni 2011 den Stundenscharfe Simulation Ausstieg aus der Atomenergie ▴ Die Einspeisung von erneuerbaren Energien, zum Beispiel aus Windkraft, stellt für die deutschen Stromnetze eine große Herausforderung dar. Montage: DL für das ganze Jahr bis zum Jahr 2022. Die energiepolitische Kehrt- wende, verbunden mit dem Hier kommt Agent.GridPlan ins Spiel. An mittelfristigen Verzicht auf den Stromnetzen hängen zig Akteure, Ver- fossile Brennstoffe (Kohle, Öl, Ziel: sicherer Betrieb der Netz-Infrastruktur Agent.GridPlan, ein gemeinsames For- schungsprojekt von TU Dortmund und Fach- braucher, dezentrale und konventionelle Erzeuger, die Betreiber, der Markt – und Erdgas) und der verstärkten Nutzung erneuerbarer Energien (Windkraft, Wasserkraft, So- EIN STRESSTEST FÜR hochschule Dortmund, ist „eine agenten- nicht zuletzt müssen auch die sich stetig larenergie, Bioenergie), bringt basierte Simulation für einen ganzheitlichen ändernden politischen Rahmenbedingun- das deutsche Stromnetz an Planungsprozess mit einer optimierten gen berücksichtigt werden. „Wir berechnen die Grenze der Belastbarkeit. Handlungsempfehlung unter Berücksich- für rund 50.000 Agenten, welche Auswir- Geographisch verschieben STROMNETZE sich die Punkte, an denen tigung der Altersstruktur der bestehenden kungen auf Grund ihres Verhaltens sich auf Strom ins Hochspannungsnetz Betriebsmittel“, sprich elektrischer Ver- ein Stromnetz ergeben, und zwar stunden- eingespeist wird: Strom aus teilnetze. Hinter dem wissenschaftlichen scharf auf bis zu 8.760 Stunden im Jahr“, Windenergie muss aus dem Vokabular verbirgt sich, verkürzt gesagt, sagt der FH-Wissenschaftler. windreichen Norden bis in den ein intelligenter Stresstest für Stromnetze, Süden Deutschlands transpor- tiert werden, bisher lieferten der seinen Betreibern wichtige Informatio- Kohle- und Atomkraftwerke nen für die Zukunft liefern soll. Divergente Szenarien einen großen Teil. Gleichzeitig Ein Netz mit 50.000 Agenten: Was sich liest wie aus einem Spionagethriller entnommen, wird von „unten“ regenerative ist in Wirklichkeit ein Forschungsprojekt, das den sicheren Betrieb von elektrischen Nun sind Prognosen schwierig, „beson- Energie von Kleinerzeugern Versorgungsnetzen in einem immer komplexer werdenden Umfeld gewährleisten Netze sind unberechenbarer geworden ders wenn sie die Zukunft betreffen“ (soll ins Hochspannungsnetz eingespeist. Der Ausbau des soll. Ziel von Agent.GridPlan: „Vorauszusagen, wann ein Netz Probleme bekommt Mark Twain gesagt haben). Die besondere Stromnetzes wird sich nach und zu versuchen, es durch vorausschauende Netzverstärkung oder -flexibilisierung „Unsere Stromnetze hängen seit der Energie- Herausforderung an die Wissenschaftler Schätzungen bis 2022 auf zu heilen“, sagt Prof. Dr. Christoph Engels vom Fachbereich Informatik der Fach- wende an dezentralen Erzeugern erneuerbarer von Agent.GridPlan: Sie müssen, bei zahlrei- 20 Milliarden Euro belaufen. hochschule Dortmund. Energien, mit dramatischer Auswirkung“, chen Unwägbarkeiten wie der Entwicklung
Inhaltsverzeichnis Smarte Welten in Energie/Produktion 14 15 viele Verbraucher die Lage nutzen, die kann zum Beispiel auf einer Luftaufnahme Last steigt. Ist er teuer, entscheiden sich eines Ortes das Stromnetz mit allen Span- Prosumer, ihren erzeugten Strom selbst nungsebenen und Abhängigkeiten abge- zu nutzen. bildet werden. „Liegen die entsprechenden Netzdaten vor, können Sie diese Visuali- sierungsmöglichkeit auf jede Gemeinde FH-Team visualisiert Datenmenge anwenden“, sagt Engels. Das FH-Team um Prof. Engels ist zuständig für die Visualisierung von Agent.GridPlan, Erkenntnisse über die Robustheit dabei müssen enorme Datenmengen ver- der Infrastruktur arbeitet werden. „Unser Thema ist Volume und Velocity, Datenumfang und Geschwin- Und wem nutzt Agent.GridPlan? „Wir als digkeit“, sagt der Experte für Systems Fachhochschule sind zu der Erkenntnis Engineering, Embedded Systems und gekommen, dass Geo Analytics heute einen Business Intelligence. Die Informatiker hohen Mehrwert für Anwender liefert und haben eine moderne große Datenbanktech- Planern von Stromnetzen und Assetmana- nologie aufgesetzt und bedienen sich bei gern einen modernen Zugang zu Netzdaten der Visualisierung der Daten des speziellen erlaubt“, resümiert Christoph Engels. Für Tools Geo Analytics. Vereinfacht gesagt, Betreiber wie die am Projekt beteiligte handelt es sich bei dieser webbasierten Westnetz GmbH dürfte sich Agent.GridPlan Oberfläche um die Integration räumlicher auf lange Sicht in harter Münze auszahlen. Informationen in die Datenanalyse. So „Sie bekommen wichtige Erkenntnisse über ▴ Die Arbeitspakete, grafisch dargestellt, die die Forscher von Fachhochschule und TU Dortmund zu bewältigen hatten Bild: TU Dortmund der Zahl der Anlagen zur Erzeugung von vativer Netzteilnehmer, Abhängigkeiten erneuerbarer Energie und der Zahl intelli- von Hoch-, Mittel- und Niederspannungs- genter Betriebsmittel wie Smart Meter, der netzen werden berücksichtigt, ebenso wie Prosumer Einspeisung von erneuerbarer Energie oder der handelnden Politik, die immer wieder kritische Netzzustände (Ausfallanalyse n-1). „Wenn ein Wolkenband einen Solarzellen- andere Rahmenbedingungen schafft, die park verdunkelt oder ein Kraftwerk ausfällt, Der Begriff setzt sich zusammen Zukunft eines Stromnetzes auf allen Span- verändert sich die Belastung des Netzes. aus den englischen Wörtern nungsebenen voraussagen. „Das ist natür- Bidirektionalität, die Einspeisung von „producer“ und „consumer“, lich unmöglich“, sagt Christoph Engels. Strom von ‚unten‘ ins Netz, erhöht die meint also Menschen, die ein bestimmtes Gut sowohl produ- Stattdessen entwickeln die Forscher vom Komplexität“, sagt Engels. zieren als auch konsumieren. Institut ie3 der TU Dortmund divergente Auf dem Energiemarkt überwin- Szenarien, um für alle Eventualitäten den sie die klassische Trennung gerüstet zu sein. „Invest zeitigt jahrzehntelange in Erzeuger und Verbraucher: Auswirkungen“ Besitzer einer Solaranlage auf dem Dach, einer Kleinwindkraft- anlage oder eines Blockheiz- Sieben Arbeitspakete In Arbeitspaket 3 werden Ansätze erar- kraftwerks nutzen den dort beitet, aus denen Netzbetreiber Schlüsse erzeugten Ökostrom selbst. Für Betreiber sind solche Informationen für ihr Assetmanagement ziehen können. Wird im Haushalt gerade keine enorm wichtig für künftige Investitionen ins Wie alt ist mein Netz und seine Anlagen, Energie benötigt, speisen sie den überschüssigen Strom ins Netz. In sieben Arbeitspaketen von Agent. in welchem Zustand? Was muss ich tun, um Netz ein. Damit spielen Öko- GridPlan werden die Anforderungen der zukünftigen Anforderungen gerecht werden stromerzeuger zunehmend eine praktischen Verteilnetzplanung ermittelt. zu können? Ersetze ich das Netz 1:1 oder Rolle bei der Energiewende. Bei Ein Szenario beschreibt dabei den Zuwachs knüpfe ich es größer? „Ein Invest ins Netz bedecktem Himmel muss der an EE-Anlagen sowie die Entwicklung der zeitigt jahrzehntelange Auswirkungen“, Solaranlagenbetreiber seinen Strom wie üblich vom Markt Last. Arbeitspaket 2 beschreibt die zeit- sagt der Informatiker. Im Arbeitspaket 4 beziehen. reihenbasierte Agentenmodellierung und untersucht das Nutzungsverhalten inno- werden die Marktrückwirkungen nachge- bildet. Ist Strom preisgünstig, werden ▴ Die Visualisierung von Netzdaten einer Kommune war eine der Aufgaben des Teams um Prof. Dr. Christoph Engels vom FB Informatik. Bild: Fachhochschule Dortmund
Inhaltsverzeichnis Smarte Welten in Energie/Produktion 16 17 Zur Person „TEAMWORK: Orange: Herr Kittl, was verbirgt sich hinter dem Institut ie3 der TU Dortmund? Chris Kittl: Der Name des Instituts spiegelt unsere drei inhaltlichen Schwerpunkte HÜRDENLOSER Energiesysteme, Energieeffizienz und Energiewirtschaft, kurz ie3, wider. Am Institut arbeiten rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in sechs Forschungsgruppen an AUSTAUSCH MIT den verschiedenen Aspekten des Energiesystems. Wir versuchen, unsere Expertise breit zu streuen, und richten unsere Forschung an den Anforderungen der Praxis DER FH“ aus – von der Simulation bis ins Labor. Prof. Christian Rehtanz, Johannes Hiry und ich haben die Konsortialführung in Agent.GridPlan, also die partnerübergreifende Koordination, übernommen. Beim Projekt Agent.GridPlan Wie ist das Projekt Agent.GridPlan entstanden? Wir haben bereits zwei inhalt- profitierten die Forscher von lich ähnliche Vorläuferprojekte bearbeitet, Agent.Netz und IO.Netz, die gute Vor- Prof. Dr. Christoph Engels Fachhochschule und TU Dort- arbeit geliefert haben. Prof. Rehtanz legt großen Wert darauf, unsere bisherigen mund gegenseitig von Ideen. Ergebnisse zu etwas Größerem zusammenzufügen – wir wollten also sehen, ob Studium: bis 1991 Informatik (Nebenfächer E-Technik aus beidem nicht noch etwas Besseres entsteht. Agent.GridPlan ist im März 2016 und BWL) an der Universität Dortmund, 1991 Diplom gestartet, im Mai 2019 ist die Bearbeitungsphase ausgelaufen. Zurzeit verfassen an der Uni Dortmund und am Institut für Neuroinfor- die beteiligten Projektpartner den Abschlussbericht. Durch umfangreiche Mittel matik der Ruhr-Uni-Bochum des Europäischen Fonds für Regionalentwicklung EFRE konnten wir über die Pro- Beruf: 1991–1995 wissenschaftlicher Mitarbeiter am jektlaufzeit drei feste Stellen und wissenschaftliche Hilfskräfte finanzieren sowie Institut für Neuroinformatik im Bereich Neuroinforma- Simulationshardware anschaffen. Insgesamt sind wir sehr zufrieden. tik, autonome mobile Roboter und Kfz-Steuerungen; 1995–1999 Leiter des Bereichs Business Intelligence, Welche Aufgaben hat das ie3 im Projekt übernommen? Agent.GridPlan bewegt ZN GmbH; 1999 MBO des Bereiches Business Intelli- sich an der Schnittstelle zwischen energietechnischen, wirtschaftlichen und gence; 1999–2003 Vorstand der Thinking Networks Informatikproblemen. Die Fachhochschule Dortmund hat neben anderen den AG Aachen, Leitung der OLAP-Datenbankentwicklung, Informatikteil bewältigt, das ie3 eher die ingenieurwissenschaftliche Seite des Executive Sales; 1999–2004 Geschäftsführer der Projektes. Die Zusammenarbeit mit der FH hat übrigens sehr gut funktioniert. Wir Thinking Networks SI, Entwicklung, Vertrieb und Be- hatten einen hürdenlosen Austausch von Informationen und haben gegenseitig ▴ Zahlreiche Faktoren machen die Stromnetze volatiler, d. h. unberechenbarer. Grafik: TU Dortmund ratung für Data-Mining- und Prognosesysteme; 2004 von Ideen profitiert – wir vor allem von den Erfahrungen im Softwaredesign und Überführung der Thinking Networks SI GmbH in die in der Programmierung. Uns beschäftigte die Frage: Wie können wir Stromnetze, NuTechSolutions GmbH, Dortmund; 2004–2009 Bera- unter Berücksichtigung der Randbedingungen, u. a. der Einspeisung von erneuer- ter der NuTech Solutions; 2008 bis heute Berater der baren Energien und der Entwicklung der E-Mobilität, zielgerichtet ausbauen? Vor ITC GmbH, Kriftel; 2004 bis heute Dozent am IT-Center welchen Herausforderungen steht das Netz in Zukunft und welche Möglichkeiten Smart Meter die Robustheit ihrer Netze und mögliche Dortmund; 2004 bis heute Professor im Fachbereich Chris Kittl zur Beeinflussung habe ich dann, über die ich heute noch nicht verfüge? Ich kann Engpässe bei unsicherer Ausgangslage und Informatik der Fachhochschule Dortmund zum Beispiel E-Mobil-Besitzern über den Strompreis – teurer/billiger – anbieten, können die Planung ihrer Stromnetze über Mitgliedschaft: 2002–2005 Mitglied des Project Chris Kittl (M. Sc. Elektro- und Informationstechnik) ihre Autos zu einem bestimmten Zeitpunkt zu laden, und voraussagen, welche Ein Smart Meter ist ein digita- ler, mitdenkender Zähler, der alle Spannungsebenen verbessern.“ Management Board im EU-Projekt SEWASIE ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand Rückwirkungen diese Maßnahme auf das Netz hat. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, alle Informationen über den von Prof. Christian Rehtanz am Institut ie3 der TU mit Agent.GridPlan ein Simulationswerkzeug zu entwickeln, in dem diese und Stromverbrauch eines Haus- Das nächste Forschungsprojekt der FH- Fachbereich Informatik Dortmund und mit Johannes Hiry Projektleiter von künftige Entwicklungen flexibel berücksichtigt werden können. halts sammeln und in Echtzeit Informatiker hat übrigens wieder etwas mit T +49 231 9112-6777 Agent.GridPlan. an das Energieversorgungsun- Elektrizität und ihrem praktischen Nutzen christoph.engels@fh-dortmund.de Ist Ihnen das gelungen? Grundsätzlich ist uns das gelungen, aber fertig ist ternehmen (EVU) weiterleiten kann. EVUs könnten anhand zu tun: NOVAgent erforscht die Dimensio- ein solches Werkzeug nie. Wir werden es auch weiterentwickeln, damit es dieser genauen Verbrauchsda- nierung und Positionierung der Ladeinfra- flexibler und noch besser für die Anwender in der Praxis ist. So werden wir im ten rechtzeitig mit Netz- und struktur für E-Mobile. Folgeprojekt NOVAgent, wieder zusammen mit Prof. Christoph Engels von der Ressourcensteuerungen Gefördert durch Fachhochschule Dortmund, beim Aspekt „Wie kann ich E-Mobilität beeinflussen?“ reagieren. Dem Verbraucher teilt ein Smart Meter mit, wie ▴ Michael Schmitz genauer hinschauen. viel Strom genau er zu welcher Zeit bezieht und detektiert Welche Rolle spielt und welchen Nutzen hat Agent.GridPlan für den Strom- Stromschlucker im Haushalt. netzbetreiber Westnetz, einen Ihrer Projektpartner? Für uns sind vor allem die Verbraucher können also ihr theoretischen Grundlagen interessant, somit ist die Rückkoppelung zur Praxis Nutzungsverhalten dement- wichtig und die Bestätigung, dass wir die richtigen Wege einschlagen. Westnetz sprechend anpassen und Energie sparen. Smart Meter hat uns Modelldaten zur Verfügung gestellt, um Simulationen in realer Umgebung können aber auch Informa- ausprobieren zu können. Westnetz war kontinuierlich in den Forschungsprozess tionen erhalten, etwa wann eingebunden und konnte von unseren Erkenntnissen profitieren. Agent.GridPlan der Strom am günstigsten ist. bietet Westnetz die Möglichkeit, auf einer abstrakteren Ebene seine Netzplanung Ein Smart Grid (intelligentes Projektleitung: Prof. Dr. Christoph Engels zu bewerten, seine Netze zu gestalten, Probleme besser zu erkennen und früh- Stromnetz), in dem viele mit- Fachbereich: Informatik einander kommunizieren, ist zeitig zu lösen. Förderprogramm: Leitmarkt aber noch Vision. intervie „EnergieUmweltwirtschaft.NRW“ Laufzeit: 05/2019–04/2022
Inhaltsverzeichnis Smarte Welten in Energie/Produktion 18 19 Möglich wird das durch „Embedded Sys- am Markt bereits gibt, testen Baugruppen tems“ (EMS), auf einer Leiterkarte aufgebaute umfassend bzgl. Funktionalität und Ferti- mikroprozessorbasierte, digital-analoge gungsqualität. Das CPTS, das in Dortmund Baugruppen, die den Zugang zum Internet entwickelt wird, wird das nicht leisten. herstellen und die Funktionen im Gerät steu- Es nutzt den im Produkt vorhandenen Pro- ern. Jedes EMS beinhaltet, kaum sichtbar, zessor, um mit bestimmten funktionalen einen Kleinstcomputer. Auf Grund der zent- Prüfschritten die Testabdeckung möglichst Internet Of ralen Stellung dieser Bauteile legt ein Fehler hochzutreiben. Deshalb wäre auch die an dieser Stelle meist die gesamte Funktio- Anwendung für kritische Systeme, etwa Things (IoT) nalität des jeweiligen Gerätes lahm. Da es Alarmanlagen, die einer Zertifizierung sich um komplexe Baugruppen mit Lötstellen durch Versicherer unterliegen, Medizinge- Als Mark Weiser 1991 in seinem und Anschlüssen handelt, sind Fehler in der räte oder Rüstungsgüter, ausgeschlossen. Aufsatz „The Computer For The Produktion nicht auszuschließen. Ein Em- 21st Century“ von „Ubiquitous bedded System muss vor dem finalen Einbau Computing“ sprach, war das noch eine Vision. Heute ist die in die Waschmaschine oder den Kühlschrank CPTS dient der Datensicherheit Vernetzung der Dinge durch umfassend getestet werden. das Internet längst Realität. Das CPTS, das Prof. Schulz und Prof. Sowohl was die Kommunikati- Sachweh entwickeln, besteht im Wesent- on des Menschen mit einem Interessant bei geringen Stückzahlen lichen aus zwei Elementen: einer Core- Gegenstand angeht als auch die Kommunikation der Gegen- Unit, also einem Hardwaregerät, das die stände untereinander. Smarte Hier setzen die Forschungen an der FH physische Verbindung zur zu testenden Haustechnik wird sich in den Dortmund an. Prof. Dr. Peter Schulz für die Baugruppe, dem „Device under Test“ (DuT), nächsten Jahren immer mehr Elektrotechnik und Prof. Dr. Sabine Sachweh mittels Steckern herstellt und gleichzeitig durchsetzen, der Kühlschrank, für die Informatik entwickeln gemeinsam den Zugang zum Internet und dem zweiten der Einkaufslisten auf das Handy schickt, bleibt vielleicht mit Partnern aus der Industrie ein Cyber Element, einer Cloud, herstellt. In dieser die nette Spielerei für solvente Physical Test System, kurz CPTS, genau Cloud ist eine Bibliothek von Testfällen hin- Technikfreaks, das ist abzu- für diesen Anwendungsbereich. Natürlich terlegt und werden alle Tests protokolliert. warten. Manche Bereiche des ▴ Die Zukunft ist smart. Das CPTS sorgt dafür, dass alles auch funktioniert. Foto: Pixaline/pixabay werden schon heute Baugruppen am Ende Aus der Cloud wird dann eine Software in Internets der Dinge sind aber schon längst alltäglich: Dazu der Produktion getestet. Dort, wo sehr den Mikrocontroller des DuT injiziert, die zählt zum Beispiel die Paket- große Stückzahlen produziert werden, wie zusammen mit der Core-Unit Prozesse stimu- verfolgung, die ohne Internet etwa bei Thermostaten oder Lichtschal- liert und dann die Auswirkungen dieser gar nicht vorstellbar ist und Entwicklung vor allem für mittelständische Unternehmen interessant tern, kommen eigens für die entsprechen- den Baugruppen entwickelte Prüfgeräte Stimulation an den Ausgängen, wiederum mit der Core-Unit, misst. deren weitere Automatisierung nur eine Frage der Zeit ist. Auch EIN TEST FÜR SMARTE oder universelle automatische Testsys- Umweltmessstationen übermit- teln ihre Daten an die zentralen teme (ATE) mit In-Circuit-Testmöglichkei- Datenclouds werden im alltäglichen Ver- Auswertungsstellen. Jede Wet- ten zum Einsatz. Schwieriger wird es bei ständnis heute oft als Inbegriff der Sicher- tervorhersage entsteht somit mittelständischen Unternehmen, die nur heitslücke oder Sinnbild der „Datenkrake“ INNOVATIONEN letztlich auch im IoT. geringe Stückzahlen, zwischen 1.000 und angesehen. Deshalb ist es umso interes- 10.000 pro Jahr, produzieren. Hier lohnt santer, dass im Konzept des CPTS gerade sich die Entwicklung eines spezifischen die Verbindung einer spezialisierten Cloud Prüfgerätes nicht, genauso wenig wie die mit einem Hardwaregerät der Sicherheit Anschaffung eines der bestehenden flexi- dient. „Ähnliche Testverfahren werden heu- blen, aber sehr teuren ATE-Systeme, die es te von kleineren Herstellern mithilfe eines auf dem Markt gibt. PCs realisiert“, erklärt Schulz, „der PC ist Embedded Systems sind der Kern der smarten Welt. In der Produktion müssen diese aber eine sehr offene Architektur, die Zu- Baugruppen auf ihre Funktion getestet werden. Mit einem neuen System wollen die Für diese kleineren Firmen wird das CPTS, griff auf den Aufbau der Tests erlaubt. Von Informatikerin Prof. Dr. Sabine Sachweh und der Elektroingenieur Prof. Dr. Peter das an der FH Dortmund entwickelt wird, den Verfahren kann dann auf die Funktions- Schulz diese Tests erschwinglicher und sicherer machen. interessant. Prof. Dr. Peter Schulz bezeich- weise des DuT zurückgeschlossen werden.“ net es bewusst als „neuartig, aber nicht Das birgt die Gefahr der Kopie, insbeson- revolutionär“. Einerseits kombiniert das dere weil die Fertigung der Baugruppen Bei der umfassenden Renovierung eines aus per App Kaffee kochen? Im Supermarkt System Technologien, die bereits beim oftmals im Ausland stattfindet. Das CPTS Hauses oder einer Wohnung empfehlen den Kühlschrank fragen, ob noch genügend Testen in Anwendung sind, andererseits schützt das Know-how des Herstellers auf Handwerker heute gerne den Einbau von Milch da ist? Die Technologie ist längst entsteht aber in dieser Kombination ein zwei Arten: zum einen, weil die Testverfah- vernetzter Technik, wie über das Internet erfunden. Das „Internet of Things“ – abge- sicheres System, das preislich deutlich unter ren in der gesicherten Cloud abgelegt sind, steuerbaren Schaltern, Alarmanlagen, Vi- kürzt IoT – oder zu Deutsch „Internet der den am Markt vertretenen Geräten liegt. zum anderen, weil jeder Test in der Cloud deokameras, Rollläden und Thermostaten. Dinge“ ist Realität. Manches erscheint wie „Natürlich bedeutet das, dass wir beim wiederum protokolliert wird und der Her- Auch andere Geräte sind „smart“, wie es die Industrie gern nennt. Morgens vom Bett eine nette Spielerei, vieles ist bereits ganz selbstverständlich – oder wird es bald sein. Testen Kompromisse eingehen müssen“, erklärt Schulz. In-Circuit-Geräte, wie es sie steller immer weiß, wie viele Baugruppen tatsächlich die Produktion verlassen. ▴ Auch Kaffeemaschinen gehen online. Foto: Alexas_Fotos/pixabay
Inhaltsverzeichnis Smarte Welten in Energie/Produktion 20 21 Embedded Synchrone Prozesse in Echtzeit simulieren Aufgaben parallel abarbeiten. Das bedeutet, dass beispielsweise mehrere Sensoren tat- „DAS SYSTEM MUSS Steuerung aus dem Gerät wieder ausbauen muss und uns zur Überprüfung zuschickt. Wir testen dann das System hier auf seine Systems ALS PLUG-AND-PLAY sächlich in Echtzeit simuliert werden können. Funktion. Und dann stellen wir womöglich fest, dass die Steue- Eine weitere Idee der Entwicklung dient rungseinheit völlig o. k. ist. Dass die Störung also durch fehlerhaf- FUNKTIONIEREN“ ebenfalls vor allem der Kostensenkung. Auf die Frage, wie das CPTS unser Leben ten Einbau oder eine falsche Konfiguration verursacht wurde. Sie regeln längst unser ganzes Leben: Im Haushalt finden sich „Manche Tests“, so Schulz, „erfordern die besser macht, lächelt Professor Dr. Schulz: Embedded Systems in nahezu Einbeziehung realer Komponenten des „Ihr persönliches Leben wird es wohl nur Und wie kann dieser Ablauf verbessert werden? Wir hatten jedem elektrischen Gerät. Sie Endgerätes, etwa Sensoren oder Motoren.“ verändern, wenn Sie vorhaben, ein Start-up- schon vor einiger Zeit die Idee, dass ein Device gut wäre, das wir steuern die Funktionen von Das verteuert die Tests erheblich. Das CPTS Unternehmen zu gründen, das im Bereich des Bei der Entwicklung des CPTS ist Dr. Christian dem Kunden an die Hand geben können, um die Steuerungs- Waschmaschinen und Kaffee- soll die Funktion dieser Bauteile simulieren. Internets der Dinge tätig ist.“ Da ist er etwas Hensen von der ostwestfälischen Firma einheit zu testen, wenn sie bereits im Gerät verbaut ist. Damit maschinen, Lüftungen und Die Idee, die das möglich macht, sind FPGAs, zu zurückhaltend. Die Entwicklung eines Contech für die Anwenderseite zuständig. wäre der Ausbau der Steuerungseinheit hinfällig und der Kunde CD-Playern, Herden, Fernse- hern und Telefonen. Fast immer programmierbare Hardwareschaltungen. In sicheren und kostengünstigen Testverfahrens könnte direkt vor Ort auf Fehlersuche gehen. Wir haben dieses wenn umgangssprachlich von der Wissenschaft sind diese Bauteile schon für mikroprozessorbasierte digital-analoge Gerät, das wir uns vorstellten, damals „Test-Mouse“ genannt. „Elektronik“ gesprochen wird, länger für Testverfahren das Mittel der Wahl, Baugruppen kann die Marktreife von Innova- Dr. Christian Hensen Und dann dachten wir uns: Wenn es so ein Gerät gäbe, dann steckt ein Embedded System in der industriellen Prüftechnik werden sie tionen beschleunigen, den Wirtschaftsstand- könnten wir es auch direkt für die Tests am Abschluss unserer dahinter. Als „Minicomputer“ könnten sie bezeichnet wer- aber gerade erst heiß diskutiert. Im Unter- ort und Unternehmergeist befördern. Daran Studium: Elektrotechnik an der eigenen Produktion einsetzen. den, was es technisch jedoch schied zum Prozessor, der seriell komplexe sollte man denken, wenn man demnächst mit Universität Paderborn nicht wirklich trifft. Prozessor, Prozesse nacheinander abarbeitet, können seiner Waschmaschine kommuniziert. Beruf: 2009–2010 Geschäfts- Das ist das CPTS, das nun gemeinsam mit der Fachhochschule Arbeitsspeicher und Betriebs- FPGAs mehrere zugewiesene spezifische führer PULS GmbH, München; Dortmund entwickelt wird? Genau. Prof. Dr. Peter Schulz, Prof. Dr. system sind beim Embedded System ganz auf die speziellen ▴ Honke Rambow 2010–2011 freiberuflich als In- Sabine Sachweh und das Team an der Fachhochschule Dortmund Steuerungsaufgaben im Gerät terimsmanager für technische bringen vor allem die Kompetenzen ein, was die digitale Signal- ausgelegt, um den Platzbedarf, und organisatorische Projekte; verarbeitung angeht. Wir bei Contech bringen das Anwenderwis- den Stromverbrauch und die seit 2011 Geschäftsführer der sen mit. Also haben wir das gesamte Projekt in Einzelaufgaben Kosten auf das Nötigste zu re- duzieren. Die ersten Embedded Zu den Personen CP Contech electronic GmbH, unterteilt: Contech ist vorrangig für die Hardware und Software der Leopoldshöhe, mit Dipl.-Ing. Core-Unit, also des eigentliches Gerätes zuständig, die Fachhoch- Systems überhaupt stammen wie so oft aus der Militär- und Bernd Engelage schule Dortmund übernimmt vor allem die digitale Signalverar- Raumfahrttechnik. In der beitung, die aber auch wiederum Teile der Hardware beinhaltet. „Minuteman“-Rakete ermög- lichte erstmals ein eingebette- Wie lief die Planung des Projektes mit der FH genau ab? tes System die Zielnavigation. Letztlich sind wir an das Projekt genauso herangegangen, wie es Prominenter ist der Einsatz von Embedded Systems bei den Orange: Herr Dr. Hensen, was macht die Firma Contech Contech bei jedem seiner Projekte tut. Wir sind nach Dortmund Apollo-Missionen der NASA. genau? Dr. Christian Hensen: Contech ist ein Entwicklungs- und gefahren und haben mit der FH gemeinsam einen Spezifika- Fertigungsdienstleister für Steuerungen aller Art. Wir machen tions-Workshop gemacht und gefragt, was das Gerät eigentlich Steuerungen zum Beispiel für kontrollierte Lüftungen, Ladesäu- können muss. len für Elektrofahrzeuge oder für fahrbare Fassadenelemente Prof. Dr. Sabine Sachweh Prof. Dr. Peter Schulz von oftmals in ihrer Branche führenden Unternehmen. Contech ist letztlich in der Entwicklung vor allem für die Marktfähigkeit des CPTS zuständig? Das ist definitiv so. In Sabine Sachweh leitet das Institut für die Digitalisie- Studium: 1984–1990 Elektrotechnik an der Univer- Wie gehen Sie dabei in der Entwicklung vor, wenn ein Kunde der Regel ist Contech zwar nicht mit eigenen Geräten am Markt, rung von Arbeits- und Lebenswelten. Sie ist Ko-Spre- sität Dortmund auf Sie zukommt? Oftmals ist es ja so, dass die Unternehmen nur sondern nur Zulieferer von Bauteilen. Das CPTS werden wir aber cherin des Fachbeirats „Digitalisierung und Bildung Promotion: 1999 an der Universität der Bundeswehr wissen, dass sie eine Steuerung brauchen, aber keine konkrete vermutlich selbst auch bauen. Vor allem haben wir für so ein Gefördert durch für ältere Menschen“ und Mitglied der Datenethik- Hamburg Vorstellung haben. Dann kommt eine Kunde zu uns und sagt: Wir Device aber einen hervorragenden Marktzugang. Einerseits sind kommission. Als Professorin für Softwaretechnik Beruf: 1991–1997 wissenschaftlicher Assistent an der brauchen für diese oder jene Anwendung eine Steuerung. Wir wir selbst Anwender, andererseits ist jeder unserer Kunden ein leitet sie zwei Studiengänge und beschäftigt sich mit Universität der Bundeswehr Hamburg; 1997–1998 Ent- gehen dann – und das ist sicher eine Stärke von Contech – mit potenzieller Anwender. Daher können wir sehr genau beurteilen, technischen Aspekten der digitalen Transformation wicklungs- und Applikationsingenieur bei hyperstone dem Kunden gemeinsam in einen Spezifikationsprozess, wo wir was das System leisten muss und wie die konkrete Bedienung sowie deren Auswirkungen in den Bereichen Wirt- electronics, Konstanz; 1999–2002 Entwicklungsinge- herausfinden, was die Steuerung genau leisten kann und muss. und die Funktionalität aufgebaut sein müssen, damit es am schaft und Gesellschaft. Im Transfer berät sie Unter- nieur bei Thales Naval in Kiel, zuletzt Bereichsleiter Dabei kann dann auch am Schluss viel mehr oder etwas ganz Markt erfolgreich ist – bis hin zur detaillierten Preiskalkulation. nehmen und Kommunen zu diesen Themen. Entwicklung; 2002–2004 Team- und Abteilungsleiter anderes herauskommen, als der Kunde jemals gedacht hätte. Und Funktionen: Leiterin des Instituts für die Digitalisie- Flugführungssysteme bei Rheinmetall Defence Elec- dann entwickeln wir für ihn eine perfekt auf seine Anwendungsbe- Abgesehen vom Preis, was ist besonders wichtig, damit das rung von Arbeits- und Lebenswelten (IDiAL) der Fach- tronics in Bremen; seit 2004 Professor an der Fach- dürfnisse zugeschnittene Steuerungseinheit. CPTS am Markt eine Chance hat? Nehmen Sie zum Beispiel hochschule Dortmund; Professorin für Softwaretech- hochschule Dortmund, derzeit im Fachbereich Elekt- einen Kunden von uns, der kontrollierte Wohnraumlüftungen her- nik und Studiengangsleiterin zweier Studiengänge (BA rotechnik, Lehrgebiet: Mikroprozessortechnik sowie Und wie kommt in diesem Prozess das CPTS ins Spiel, das stellt. Für den fertigen wir die Steuerungseinheiten. Wenn da dann Projektleitung: Prof. Dr. Sabine Sachweh und MA); Mitglied im Fachbeirat „Digitalisierung und Grundlagen der Digital- und Elektrotechnik gerade gemeinsam mit der Fachhochschule Dortmund entwi- ein Störfall in einer bereits eingebauten Lüftung auftritt, kann und Prof. Dr.-Ing. Peter Schulz Bildung für ältere Menschen“ des BMFSFJ; Mitglied in Mitgliedschaft: IDiAL (Institut für die Digitalisierung ckelt wird? Steuerungen sind heute ja komplexe Systeme, die oft ein Handwerker das CPTS direkt vor Ort über eine Schnittstelle Fachbereich: Informatik und Elektro- technik der Datenethikkommission der Bundesregierung von Arbeits- und Lebenswelten) eine Vielzahl von Funktionen regulieren – und sie werden immer anschließen und prüfen, wo der Fehler liegt. Deshalb ist es aber Institut: IDiAL komplexer. Da kann es natürlich auch zu Problemen kommen. ganz besonders wichtig, dass das CPTS als Plug-and-Play auch Forschungsprogramm: Zentrales Fachbereich Informatik Fachbereiche Elektrotechnik und Informatik Dann ruft der Kunde an und sagt: Eure Steuerung funktioniert für Menschen ohne große Elektronik-Kenntnisse funktioniert. Innovationsprogramm Mittelstand T +49 231 9112-6760 T +49 231 9112-9711 nicht. Wo genau der Fehler tatsächlich liegt, ist aber erst mal Mit diesem Vorgehen bleibt einem ein Ausbau der Steuereinheit intervie (ZIM) – Kooperationsprojekt Laufzeit: 11/2018–10/2020 sabine.sachweh@fh-dortmund.de peter.schulz@fh-dortmund.de nicht feststellbar. Derzeit läuft es dann so, dass der Kunde die oder gar des gesamten Lüftungsgerätes erst einmal erspart.
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