Schulblatt 4/2017 Übergänge meistern - Wie Stufenübertritte gelingen können - Kanton Zürich

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Schulblatt 4/2017 Übergänge meistern - Wie Stufenübertritte gelingen können - Kanton Zürich
Kanton Zürich

Schulblatt
Bildungsdirektion

                                       4/2017

                         Übergänge
                          meistern
                        Wie Stufenübertritte
                            gelingen können

                    Welcome2school
                    Katrin Jaggi engagiert
                    sich für Flüchtlinge
                    Grossprojekte
                    Mittelschulen setzen
                    sich kulturell in Szene
                    Bildungspreis
                    Konsequenter Einsatz
                    für Lernende
Schulblatt 4/2017 Übergänge meistern - Wie Stufenübertritte gelingen können - Kanton Zürich
6                                                              10
                                             Magazin                                              Fokus:             Volksschule
                                                                                                  Übergänge meistern
                                             4                                                                       22
                                             Kommentar                                            12                 Generationen im
                                             Bildungsdirektorin                                   Schuleintritt                                          Klassenzimmer
                                             Silvia Steiner zum neuen                             Eine bewusste Gestaltung                               Seniorinnen und Zivildienst-
                                             Schweizer Weltatlas                                  ist wichtig                                            leistende assistieren im
                                                                                                                                                         Unterricht
                                             5                                                    16
                                             Lehrerzimmer                                         Interview                                              24
                                             Kantonsschule                                        Worauf es beim                                         Stafette
                                             Zürcher Unterland                                    Sek-Übertritt ankommt                                  Das Sekundarschulhaus Eichi
                                                                                                                                                         in Niederglatt beteiligt
                                             6                                                    18                                                     sich am Pilotprojekt ALLE
                                             Persönlich                                           Start ins Berufsleben
                                             Katrin Jaggi setzt                                   Eine Lehre bedeutet den                                27
                                             sich für die Bildung                                 Wechsel in eine neue Welt                              In Kürze
                                             von Flüchtlingen ein

                                             9
                                             Meine Schulzeit
                                             Tilla Theus, Architektin
Schulblatt Kanton Zürich 4/2017 Inhalt

                                             Wichtige Adressen                                                    Impressum Nr. 4/2017, 7.7.2017
                                             Bildungsdirektion: www.bi.zh.ch Generalsekretariat: 043 259 23 09    Herausgeberin: Bildungsdirektion Kanton Zürich, Walcheplatz 2, 8090 Zürich Erscheinungs­
                                             Bildungsplanung: 043 259 53 50 Bildungsstatistik: www.bista.zh.ch    weise: 6-mal jährlich, 131. Jahrgang, Auflage: 19 000 Ex. Redaktion: Redaktionsleiter
                                             Volksschulamt: www.vsa.zh.ch, 043 259 22 51 Mittelschul- und         reto.heinzel@bi.zh.ch, 043 259 23 05; Redaktorin jacqueline.olivier@bi.zh.ch, 043 259 23 07;
                                             ­Berufsbildungsamt: www.mba.zh.ch, 043 259 78 51 Amt für Jugend      Sekretariat schulblatt@bi.zh.ch, 043 259 23 14 Journalistische Mitarbeit an dieser
                                             und Berufsberatung: www.ajb.zh.ch, 043 259 96 01 Lehrmittel­         ­Ausgabe: Walter Aeschimann, Joel Bedetti, Charlotte Spindler Abonnement: Lehr­personen
                                              verlag Zürich: www.lmvz.ch, 044 465 85 85 Fachstelle für Schulbe­   einer öffentlichen Schule im Kanton Zürich können das ­Schulblatt in ihrem ­Schulhaus
                                             urteilung: www.fsb.zh.ch, 043 259 79 00 Bildungsratsbeschlüsse:       gratis beziehen (Bestellwunsch an Schulleitung). Bestellung des Schulblatts an
                                                                                                                   ­
                                              www.bi.zh.ch > Bildungsrat > Beschluss­archiv Regierungsratsbe­      Privat­
                                                                                                                   ­     adresse s­owie Abonne­   ment weiterer Interessierter: abonnemente@staempfli.com,
                                             schlüsse: www.rrb.zh.ch                                               031 300 62 52 (Fr. 40.– pro Jahr) Online: www.schulblatt.zh.ch ­Gestaltung: www.bueroz.ch
                                                                                                                  Druck: www.staempfli.com Inserate: inserate@staempfli.com, 031 767 83 30 Re­daktions-
                                                                                                                  und Inserateschluss nächste Aus­      gabe: 20.7.2017 Das ­ nächste Schulblatt erscheint
                                             Titelbild: Ruedi Widmer                                              am: 25.8.2017
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Schulblatt 4/2017 Übergänge meistern - Wie Stufenübertritte gelingen können - Kanton Zürich
28                                                            38
Mittelschule                                           Berufs­bildung                                             8
                                                                                                                  Stellen
28                                                     36
Grossprojekte                                          Nationaler Bildungspreis                                   41
Wenn Schulen kulturelle                                Warum und wie die AMAG                                     Amtliches
Events stemmen                                         auf ihre Lernenden setzt
                                                                                                                  45
30                                                     38                                                         Weiterbildung
Arbeitsort Mittelschule                                Berufslehre heute                                          Der neue Berufsauftrag als
Die Arbeit des Gärtners wird                           Kaminfeger EFZ                                             Führungsinstrument
von der Natur bestimmt
                                                       40                                                         Kurse und Module
33                                                     In Kürze
In Kürze                                                                                                          52
                                                                                                                  Schule&Kultur
34
Interview                                                                                                         54
Der scheidende Amtschef                                                                                           Agenda
Marc Kummer zieht Bilanz

    Editorial
                                                               Was hätte ich damals bloss ohne Barry gemacht! Mein kleiner Plüsch-Bern-
                                                               hardiner begleitete mich im zarten Alter von 5 Jahren überallhin, auch an mei-
                                                                                                                                                     Schulblatt Kanton Zürich 4/2017 Inhalt

                                                               nem ersten Tag im Kindergarten war er dabei. Alles war neu, alles war fremd.
     Reto Heinzel                                              Doch Barry gab mir Halt und Sicherheit, liess mich spüren, dass ich nicht der
                                                               Einzige war, der sich in einer ungewohnten Umgebung zurechtfinden musste.
                                                               Übergänge und Stufenübertritte sind aber nicht nur für Kinder eine Heraus-
                                                               forderung, sondern auch für Lehrpersonen und Eltern. Wo die Fallstricke lie-
                                                               gen und wie unterschiedlich die Anforderungen auf den verschiedenen Schul-
                                                               stufen sind, zeigen wir in unserem Fokus, zu dem Ruedi Widmer mit seinen
                                                               erfrischenden Illustrationen einen augenzwinkernden Kontrapunkt setzt.
                                                               Weitere Themen: Unsere Reportage aus dem Winterthurer Schulhaus Guten-
                                                               berg zeigt, welch wertvollen Beitrag Zivildienstleistende und Seniorinnen im
                                                               Klassenzimmer leisten. Zudem besuchen wir die AMAG in Dübendorf, die für
                                                               ihren beherzten Einsatz in der Berufsbildung mit dem Nationalen Bildungs-
                                                               preis ausgezeichnet wurde. 
                                                                                                                                                     3

Die Redaktion freut sich über Reaktionen auf das Schulblatt: reto.heinzel@bi.zh.ch, jacqueline.olivier@bi.zh.ch
Schulblatt 4/2017 Übergänge meistern - Wie Stufenübertritte gelingen können - Kanton Zürich
Neuer Schweizer Weltatlas                                                                                                   wird er in den Klassen der Sekundarstufe

       In Gedanken
                                                                                                                                   eingesetzt. Ich bin begeistert von diesem
                                                                                                                                   neuen Lehrmittel. Und als Präsidentin der
                                                                                                                                   Schweizerischen Konferenz der kanto­

       auf Weltreise
                                                                                                                                   nalen Erziehungsdirektoren (EDK) bin ich
                                                                                                                                   stolz darauf, dass der Schweizer Weltatlas
                                                                                                                                   seit über einem Jahrhundert ein Gemein­
                                                                                                                                   schaftswerk der Kantone ist. Seit 1910 ist

       von Silvia Steiner, Bildungsdirektorin                                                                                      die EDK für die Herausgabe des Schwei­
                                                                                                                                   zer Weltatlas zuständig. Er hat Generatio­
                                                                                                                                   nen von Schülerinnen und Schülern der
                                                                                                                                   Sekundarstufe durch den Geografieunter­
                                          Das aktuelle Schuljahr ist bald zu Ende.                                                 richt begleitet und sie von fernen Ländern
                                          An den Schulen ist dies eine intensive und                                               träumen lassen. Das war bei mir genauso.
                                          arbeitsreiche Zeit. Alle Arbeiten müssen                                                     Meinen ersten Schulatlas erhielt ich
                                          abgeschlossen, Kinder verabschiedet und                                                  im ersten Gymi. Damals hiess er noch
                                          der Empfang der neuen vorbereitet wer­                                                   Mittelschulatlas, war grau und nicht so
                                          den; Konzerte werden gegeben, Theater                                                    schön farbig. Aber ein spannendes Buch
                                          gespielt, Zeugnisse geschrieben und, und,                                                war er schon damals. Und auch der Auf­
                                          und. Die Schulen gleichen vor den Som­                                                   bau ist gleich geblieben. Am Anfang findet
                                          merferien einem Bienenhaus und von allen                                                 man die regionalen Karten, dann Karten
                                          ist nochmals ein Sondereffort gefordert.                                                 der Schweiz, von Europa und schliesslich
                                               Doch bald ist es geschafft! Bald sind                                               von der ganzen Welt. Wir haben uns ganz
                                          Sommerferien! Dann ist endlich einmal                                                    brav Seite um Seite von vorne nach hinten
                                          Zeit, den Kopf durchzulüften, Neues zu ent­       «Reisen kann                           durch den Atlas gearbeitet. Mir persönlich
                                          decken und die Batterien aufzuladen – kurz:
                                          auf andere Gedanken zu kommen. Viele von
                                                                                           man auch, ohne                          ging das damals zu langsam. Ich wollte
                                                                                                                                   wissen, was es sonst noch auf der Welt
                                          Ihnen werden verreisen: in die Berge, ans          das Zimmer                            gibt. Heimlich blätterte ich deshalb wäh­
                                          Meer, in ferne Städte und auf andere Kon­                                                rend der Schulstunden durch den Atlas
                                          tinente. Doch reisen kann man bekanntlich        zu verlassen.»                          und bereiste in Gedanken andere Länder
                                          auch, ohne das Zimmer zu verlassen.                                                      und Kontinente.
                                               So haben auch unsere Schülerinnen                                                       Das druckfrische Werk für die Schulen
                                          und Schüler nach den Sommerferien noch        und Schüler der Sekundarstufe ab dem       freizugeben, war für mich ein schöner Ab­
                                          eine Möglichkeit, wunderbare Reisen zu        nächsten Jahr einen komplett neu über­     schluss des Schuljahres und eine gute Ein­
                                          unternehmen. Man muss ja nicht immer          arbeiteten Schweizer Weltatlas erhalten.   stimmung auf die kommenden Sommer­
                                          mit dem Zug nach Italien fahren oder mit                                                 ferien. Es ist nicht nur ein wunderschönes
                                          dem Auto quer durch Amerika. Man kann         Ein Schulbuch für alle Kantone             Werk, der Weltatlas bringt unseren Schüle­
                                          die Welt auch mithilfe des Atlas erkun­       Diese Woche konnte ich zusammen mit        rinnen und Schülern auch die Welt näher.
                                          den. Das habe auch ich während der            dem Lehrmittelverlag und der ETH Zü­       Jetzt wünsche ich Ihnen allen einen guten
                                          Schulzeit so gemacht. Deshalb freut es        rich den neuen Schweizer Weltatlas prä­    Schlussspurt sowie erholsame und wunder­
                                          mich besonders, dass die Schülerinnen         sentieren. Ab dem nächsten Schuljahr       schöne Sommerferien! 
Schulblatt Kanton Zürich 4/2017 Magazin

                                                                                                                                                   Mein
                                                                                                                                                   Traumschulhaus
                                                                                                                                                   Leandro
                                                                                                                                                   Gagliotta (8),
                                                                                                                                                   2. Klasse, Schul­
                                                                                                                                                   haus Sunnerai,
                                                                                                                                                   Oberengstringen.
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Schulblatt 4/2017 Übergänge meistern - Wie Stufenübertritte gelingen können - Kanton Zürich
Im Lehrerzimmer

                                                  Kantonsschule
                                               Zürcher Unterland
                                                     Man trifft sich an den «Arena-Tischen».
                                                                                                                         Fotos: Marion Nitsch

                                                                                                                                           Schulblatt Kanton Zürich 4/2017 Magazin

Gemütlich gestylt: wurde das Lehrerzimmer der Kantonsschule Zürcher Unterland (KZU) anlässlich der Renovation im Sommer
2016. Bequeme Stoffsessel: laden zum Verweilen ein. Anziehungspunkt: sind jedoch die beiden hohen Stehtische, auch «Arena-
Tische» genannt; hier findet das Pausenleben vor allem statt. Grünsehen: wird jeder, der seinen Blick auf die grosse Fensterfront
richtet und nichts als Sträucher, Büsche und in zweiter Reihe hohe Bäume wahrnimmt. Kunst: sind die diversen handschriftlichen
Notizen wie «Vorsicht empfindlich!», «kaputt» oder «Etagenbett gratis zum Mitnehmen», die in kleinen Rahmen in einer Ecke hän­
gen. Für kräftige Farben: sorgt das grosse Stillleben mit Früchten an der gegenüberliegenden Wand. Schon fast leer: sind die Körbe
mit frischen Brötchen und Butterbrezeln, die ein Lehrer morgens jeweils im Vorbeiweg in einer Bäckerei holt – für die Bezahlung
steht ein Kässeli parat. Als «Landschule»: zählt die KZU 1000 Schüler und 150 Lehrpersonen und bietet Lang- und Kurzgymnasium
sowie alle Maturitätsprofile an. Das nächste Renovationsprojekt: ist bereits in Planung, verrät Rektor Roland Lüthi; 2018 sollen Aula
und Mensa des über 40-jährigen Schulhauses aufgefrischt werden. Gefeiert: wird 2022, dann wird die KZU 50. [jo]
                                                                                                                                          5
Schulblatt 4/2017 Übergänge meistern - Wie Stufenübertritte gelingen können - Kanton Zürich
Persönlich                                                                                                                           Im Zentrum stehen Deutsch und Mathe­

       «Das hat mein
                                                                                                                                            matik, wobei zwischen schulgewohnten
                                                                                                                                            und schulungewohnten Schülerinnen und
                                                                                                                                            Schülern unterschieden wird. Diese ver­

       Leben verändert»
                                                                                                                                            teilen sich auf vier Klassen. Es gibt vier
                                                                                                                                            Niveaus, die den Farben Rot, Gelb, Grün
                                                                                                                                            und Blau zugeordnet sind. Schulgewohnte
                                                                                                                                            Flüchtlinge haben zudem die Chance, die

       Bei «Welcome2school» werden jugendliche                                                                                              freiwilligen Lektionen am Morgen zu
                                                                                                                                            besuchen, bei denen Themen aus den
                                                                                                                                            ­
       Asylsuchende u ­ nterrichtet – freiwillig und                                                                                        Bereichen Geschichte, Staatskunde und
                                                                                                                                            ­

       unentgeltlich. Katrin Jaggi hat das Angebot                                                                                          Mensch und Umwelt unterrichtet werden.

       mit einem Kollegen gegründet.                                                                                                        Traumatisierte Jugendliche
                                                                                                                                            Viele der Schülerinnen und Schüler von
       Text: Reto Heinzel Foto: Stephan Rappo                                                                                               «Welcome2school» sind durch Gewalt und
                                                                                                                                            Krieg traumatisiert. Sie kämpfen mit De­
                                                                                                                                            pressionen, ohne ihr Leiden benennen zu
                                                                                                                                            können. «Sie sagen höchstens, sie hätten
                                                                                                                                            Kopfschmerzen.» Die Situation in der «ro­
                                                                                                                                            ten» Klasse beschreibt Jaggi als besonders
                                          Eigentlich habe alles im Sommer 2015 be­         Jan Capol, der seinerseits eine Patenschaft      komplex: «Rund die Hälfte der dort versam­
                                          gonnen, sagt Katrin Jaggi. Damals, als die       für einen eritreischen Jugendlichen über­        melten Jugendlichen sind Analphabeten,
                                          Medien fast täglich über Flüchtlinge be­         nommen hatte. «Wir realisierten», sagt           die andere ist kognitiv schwach.» Generell
                                          richteten, die auf der Balkanroute unter­        Jaggi, «dass wir Lehrpersonen finden             ist die grosse Heterogenität unter den Schü­
                                          wegs waren. Viele dieser Menschen waren          mussten, die bereit waren, diese jungen          lerinnen und Schülern für die Lehrperso­
                                          verzweifelt, gezeichnet vom Krieg und            Menschen zu unterrichten.» Auf Facebook          nen eine riesige Herausforderung. Dazu
                                          von Existenzverlust, auf der Suche nach          platzierten sie einen Aufruf, auf den sich       kommen häufige Wechsel, welche die Pla­
                                          Schutz und einer menschenwürdigen                innert zweier Tage 70 Lehrpersonen mel­          nung des Unterrichts erschweren.
                                          ­Zukunft. «Diese Bilder liessen mich nicht       deten. «In diesem Moment wurde uns erst               Unter diesen Umständen für Konti­
                                           mehr los; ich beschloss, nicht länger in        klar, was wir da losgetreten hatten.»            nuität zu sorgen, ist nicht immer einfach.
                                           meinem Büro zu sitzen, sondern etwas zu                                                          «Welcome2school» habe ihr Leben verän­
                                           unternehmen», erzählt sie.                      Start im Frühling 2016                           dert, sagt Jaggi. Dass sie heute neben ihrer
                                               Wir sitzen in einem kleinen Gartencafé       Im April 2016 startete «Welcome2school»         beruflichen Tätigkeit für die Schule arbei­
                                           im Zentrum von Zürich, einen Steinwurf           mit 30 Schülerinnen. Für die von der            tet, bezeichnet sie gleichzeitig als «Spagat
                                           entfernt vom Pfarreizentrum Liebfrauen,          Kirchgemeinde Liebfrauen kostenlos zur          und Privileg». Sie steht in regelmässigem
                                           wo man Jaggi, die selbstständige Architek­       Verfügung gestellten Räume im Erdge­            Kontakt mit Behörden, sammelt Spenden­
                                           tin und Städtebauerin, regelmässig antrifft.     schoss sind die Initianten dankbar, wenn        gelder, macht Stundenpläne, kümmert
                                           Dort, im Erdgeschoss des mehrstöckigen           auch nur ein Raum ausreichend Tages­            sich um die Schülerinnen und Schüler,
                                           Gebäudes, läuft ein Projekt, für das sie und     licht bietet. Ein weiteres Zimmer befindet      begleitet und motiviert sie, schreibt ihnen
                                           ihr Mitstreiter Jan Capol sich mit viel Herz­    sich im nahe gelegenen Maximilianeum.           eine SMS, wenn sie mal nicht zum Unter­
                                           blut engagieren: «Welcome2school» heisst              Den täglichen Unterricht besuchen die      richt auftauchen. Sie kennt die Geschichte
                                           das unentgeltliche Angebot, das gegen­           meisten Schülerinnen und Schüler aus            jedes Einzelnen. «Diese emotionale Seite
                                           wärtig 80 jugendlichen Flüchtlingen zwi­         freien Stücken. Wer als Schüler aufgenom­       ist mir wichtig.» Kein Wunder, dass sie
                                           schen 15 und 25 Jahren ermöglicht, Bil­          men wird, verpflichtet sich jedoch, regel­      und Capol zu wichtigen Bezugspersonen
                                           dungslücken zu schliessen, während sie im        mässig am Unterricht teilzunehmen. Das          der Flüchtlinge geworden sind.
                                           Kanton Zürich auf ihren Asylentscheid            benötigte Unterrichtsmaterial wird durch             Auch wenn der rege Zulauf «Welcome-
                                           warten. Rund 70 Lehrpersonen, Helferin­          Spenden gedeckt. Um die Qualität des Un­        2school» an strukturelle Grenzen bringt
                                           nen und Helfer engagieren sich ehrenamt­         terrichts zu sichern, erhält ein kleiner Teil   und es immer schwieriger wird, neue
                                           lich für das Projekt.                            der Lehrpersonen einen geringen Lohn.           Spendengelder zu akquirieren, verfolgen
                                               Dass ihre Initiative eine derartige               In einigen Fällen – derzeit sind dies      Jaggi und Capol ihr Ziel beharrlich weiter –
                                           Wirkung entfalten würde, konnte Jaggi           15 Schüler – leisten die Wohngemeinden           ihren Schützlingen die bestmögliche Aus­
                                           nicht vorhersehen. So war der Gedanke           der Flüchtlinge einen Unkostenbeitrag. Sie       gangslage zu bieten und dabei zu unter­
Schulblatt Kanton Zürich 4/2017 Magazin

                                           an eine Schulgründung denn auch noch            sind gesetzlich dazu verpflichtet, für den       stützen, dass diese in der Schweiz dereinst
                                           weit weg, als sie und Capol im November         Unterricht von Flüchtlingen zu sorgen –          ein selbstständiges Leben führen können.
                                           2015 nach Slowenien reisten, um mit             ­allerdings nur bis zum Alter von 16 Jahren.     «Darum wollen wir auch kein Weiterbil­
                                           Spendengeldern entlang der Balkanroute           In der Praxis funktioniert das nicht immer.     dungs-, sondern ein Nachhaltigkeitsange­
                                           Nothilfe vor Ort zu leisten. Etwas sei ihr       Jaggi schildert den tragischen Fall eines       bot sein.» Die Flüchtlinge sollten Anteil
                                           damals aufgefallen, erinnert sich die frü­       Somaliers, der mit 14 Jahren in die Schweiz     nehmen am hiesigen Leben. «Wenn Sie
                                           here SP-Kantonsrätin: «Unter den Flücht­         eingereist war, sein Alter aber nicht nach­     hierbleiben wollen, müssen sie verstehen,
                                           lingen gab es viele, die kaum über Schul­        weisen konnte. Es habe zwei Jahre gedau­        wie dieses Land funktioniert.» Bildung
                                           bildung verfügten. Das entsprach so gar          ert, ehe die Wohngemeinde die Minderjäh­        spiele auf diesem Weg die entscheidende
                                           nicht dem Bild, das bislang in den Medien        rigkeit des Jugendlichen anerkannt habe.        Rolle, betont Jaggi. «Den Wert von Bildung
                                           transportiert worden war.»                       «Während dieser Zeit hat er nie eine Schu­      erkennt aber nur, wer über eine gewisse
                                               Zurück in der Schweiz nahm Jaggis            le gesehen.» Heute ist der Somalier 16 Jah­     Bildung verfügt. Wenn unsere Schüler
                                           Familie dann einen afghanischen Jugend­          re alt und besucht das schulische Angebot       eine Anschlusslösung ­haben, eine Attest­
                                           lichen bei sich auf. «Ich merkte rasch, dass     von «Welcome2school».                           lehre oder eine Integrationslehre begin­
                                           der 16-Jährige überhaupt nicht rechnen                Der Unterricht beginnt jeweils um          nen, dann ist das für uns ein riesiger
                                           konnte.» Die gleiche Erfahrung machte auch      14 Uhr und dauert dreieinhalb Stunden.           ­Erfolg.» 
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Schulblatt 4/2017 Übergänge meistern - Wie Stufenübertritte gelingen können - Kanton Zürich
Schulblatt Kanton Zürich 4/2017 Magazin

Katrin Jaggi kennt die
Geschichten aller
Schülerinnen und Schüler.
«Diese emotionale Seite
ist mir wichtig», sagt sie.
                              7
Schulblatt 4/2017 Übergänge meistern - Wie Stufenübertritte gelingen können - Kanton Zürich
Lernatelier
                                                                                                                                              Für unsere Mittelschulvorbereitungskurse suchen wir erfahrene
                                                                                                                                              Primar- und Sekundarlehrer
                                                                                                                                              Mi 30.08.2017–28.02.2018 und/oder Sa 02.09.2017–03.03.2018
                                                                                                                                              Kleingruppenunterricht 3–5 Schüler, Skript vorhanden
                                                                                                                                              Samstag von zirka 09.00–12.30 und/oder Mittwoch von zirka
                                                                                                                                              13.30–17.30 Uhr
                                              IHR Partner für Schullager. www.gruppenhaus.ch
                                                                                                                                              Mögliche Kursorte: Zürich, Stäfa, Horgen und Grüningen
                                              Bei mehr als 630 Häusern finden Sie sicher auch das
                                              RICHTIGE für Ihre Klasse.                                                                       Herr Christian Frei freut sich auf Ihren Anruf oder
                                              Wir betreuen Sie auch persönlich. Nehmen Sie uns                                                auf Ihre schriftliche Bewerbung.
                                              beim Wort. www.gruppenhaus.ch                                                                   Adresse: info@lernatelier.ch/www.lernatelier.ch
                                              Ski, Wandern, Velo, Fussball, Spiel, Sport, Fun!!!                                              oder Lernatelier, Postfach 234, 8627 Grüningen,
                                                                                                                                              Telefon 044 936 15 07

                                  gruppenhaus.indd 1                                                                    15.06.2016 15:51:09
                                            • Spielplatzgeräte & Spielanlagen
                                                                                                                                                     Führungen in den Felslabors
                                            • Planung, Installation, Inspektion & Wartung                                                            Vorträge und Diskussionen
                                            • Bänke, Abfallbehälter und vieles mehr …                                                                Verleih von Messgeräten etc.
                                                                                                                                                     Wählen Sie aus unserem Schulangebot:
                                                                                                                                                     www.nagra.ch/de/schulejugendportal.htm

                                                                                                   Grossäckerstrasse 27
                                                                                                   8105 Regensdorf (ZH)
                                            info@gtsm.ch - Tel. 044 461 11 30 - shop.gtsm.ch - www.gtsm.ch

                                                                       Förderung des dezimalen Verständnisses

                                            « Mit Gib mir 10 entdecken
                                               rechenschwache Kinder das
                                               dezimale Stellenwertsystem
                                                 spielerisch und handelnd.
                                                       stefanie hofmann verlag
                                                                                 »                                                                                            Nationale Genossenschaft für die
                                                                                                                                                                              Lagerung radioaktiver Abfälle
                                                                                                                                                                              Hardstrasse 73, Postfach 280
                                                                                                                                                                              5430 Wettingen
                                              www.gibmir10.ch                                                                                                                 Telefon 056 437 11 11

                                                                                                                                   15829_Schulblatt Kanton ZH_87x137.indd 1                                  02.05.17 16:04

                                                 Lösungen für Schulen und Behörden
Schulblatt Kanton Zürich 4/2017

                                                                                        Beratung für alle pädagogischen und betriebswirtschaftlichen Fragen
                                                                                        Rechtsdienst unser 24 Stunden-Service
                                                                                        Springereinsätze kompetente Ergänzung Ihres Teams – auch kurzfristig

                                                                                     Nutzen Sie unsere langjährige Erfahrung. Vereinbaren Sie noch heute
                                                                                     ein unverbindliches Beratungsgespräch.

                                                                                     altra vista gmbh · Ifangstrasse 12b · 8603 Schwerzenbach · Tel. 043 810 87 87
                                                                                     vista @ altra-vista.ch · www.altra-vista.ch
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Schulblatt 4/2017 Übergänge meistern - Wie Stufenübertritte gelingen können - Kanton Zürich
Wenn Sie an Ihre Schulzeit denken, was                                                                                Meine Schulzeit

                                                               «Die Höchstnote
kommt Ihnen als Erstes in den Sinn?
Als kleines Mädchen, das nie von Lehre­
rinnen unterrichtet wurde, begeisterte ich

                                                                geht an Lehrer
mich für meine Lehrer und lernte für
sie. Bis heute blieb Lehrer Spinas aus
­Tinizong – gross, schwarze Locken, dyna­

                                                                       Spinas»
 misch, frisch vom Seminar – in meiner
 ­Erinnerung lebendig. Er zog die 5./6. Klasse
  im Churer Schulhaus Nikolai mit seinem
  unkonventionellen Unterricht in den
  Bann. Wir beschäftigten uns auch mit              Fünf Fragen an die Architektin Tilla Theus
  Kunst, führten Workshops durch und
  ­nahmen an gesamtschweizerischen Wett­
   bewerben für Zeichnen, Gestalten und
   Plakatentwurf teil.
       Welcher Lehrperson geben Sie
   rückblickend die Note 6 und warum?            schmiedin, später an Modegestalterin.
   Die Höchstnote geht an Lehrer Spinas,         Dann schlug durch, was mich bereits als
   weil er erstens die Schülerinnen und Schü­    Kind fasziniert hatte, nämlich für meine
   ler fordernd ernst nahm und zweitens für      Puppen aus Stoffen und Schnüren Woh­
   mich kämpfte, damit ich das Gymnasium         nungen zu bauen, wobei Mode und Archi­
   besuchen konnte. Mein Vater, bemerkens­       tektur insofern eine Gemeinsamkeit
   werterweise Bündner Erziehungsdirektor,       ­besitzen, als beide Berufe die Menschen
   war mit der Begründung dagegen, die Ma­        schützen: mit Kleidern und Häusern.
   tura rufe auch noch nach einem Studium,             Was ist das Wichtigste, was Kinder
   wo es doch für eine junge Frau gescheiter      heute in der Schule lernen sollten, und
   wäre, das Handelsdiplom zu erwerben,           warum?
   Sprachen zu lernen und Welterfahrung zu        Logisches und analytisches Denken, fanta­
   sammeln, um dereinst als treu sorgendes        sievolle Kreativität sowie Sensibilität für
   Wesen dem Gatten und der Familie zu die­       Farben, Formen und ästhetische Werte.
   nen. Meine Zukunft sah ich etwas emanzi­       Das würde sich als dringende Notwendig­
   pierter. Wie auch meine Mutter und eben        keit positiv auswirken auf die bauliche
   Lehrer Spinas. Er sprach bei meinem Vater,     Gestaltung unserer Lebensräume «à la
                                                                                                    Tilla Theus ist Architektin (dipl. Arch. ETH/
   seinem obersten Chef, mutig vor und legte      taille de l’homme».                               SIA/BSA) mit eigenem Büro in Zürich. Zu
   sich für mich ins Zeug. Mit Erfolg.                 Warum wären Sie eine gute                    ihren Spezialgebieten gehören die Planung
                                                                                                    und Ausführung von Neubauten sowie
       Inwiefern hat Ihnen die Schule             Lehrperson – oder eben nicht?                     ­Sanierungen denkmalgeschützter Objekte.
   geholfen, Architektin zu werden?               Die Schulung kreativer Fähigkeiten auf             Zu den bekannten Projekten in Zürich
                                                                                                     ­gehören der Umbau des Widder Hotel und
   Aus dem eben geschilderten Grund. An­          Stufe Sekundarschule und Gymnasium                  der Hauptsitz des Weltfussballverbands
   fänglich dachte ich allerdings an Gold­        würde ich mir zutrauen.                             FIFA. Sie wohnt in Zürich und Graubünden.

Bildungs-Slang
Ruedi Widmer, Cartoonist, interpretiert Begriffe aus Bildung und Schule – diesmal: Lernlandschaft
                                                                                                                                                    Schulblatt Kanton Zürich 4/2017 Magazin
                                                                                                                                                    9
Schulblatt 4/2017 Übergänge meistern - Wie Stufenübertritte gelingen können - Kanton Zürich
10   Schulblatt Kanton Zürich 4/2017 Fokus
Fokus

Übergänge
meistern
Stufenübertritte sind für Schülerinnen und
Schüler wie auch für Eltern und Lehr-
personen eine Herausforderung. Eine wichtige
Schwelle überschreiten die Kinder schon
beim Schul­eintritt, später bei der Einstufung
für die Sekundarschule und beim Beginn
einer ­Berufslehre. Wie diese Übergänge
möglichst reibungslos gestaltet werden können,
erklären Forschende, Schulleiterinnen
und -leiter sowie Berufsbildner.
Illustrationen: Ruedi Widmer

                                                 Schulblatt Kanton Zürich 4/2017 Fokus
                                                 11
Schuleintritt                                                                                                              sei und dadurch in ein Ungleichgewicht

       Rituale sorgen
                                                                                                                                  gerate. Die ritualisierte Begleitung soll
                                                                                                                                  den Einzelnen stabilisieren, damit dieser
                                                                                                                                  wieder ins Gleichgewicht kommt und

       für Kontinuität
                                                                                                                                  die Veränderungen bewältigen kann.
                                                                                                                                  Der französische Ethnologe Arnold van
                                                                                                                                  Gennep hat diese Phänomene Anfang
                                                                                                                                  ­
                                                                                                                                  des 20. Jahrhunderts im einflussreichen

       Stufenübergänge sind für Kinder,                                                                                           Buch «Les rites de passage» (Übergangs-
                                                                                                                                  riten) beschrieben.
       aber auch für Lehrpersonen und Eltern                                                                                          In der Schule geht es um institutio­

       eine intensive Erfahrung. Eine                                                                                             nelle Übergänge, die jede Schülerin, jeder
                                                                                                                                  Schüler durchlaufen muss. Diesbezüglich
       bewusste Gestaltung trägt wesentlich                                                                                       spricht man in der heutigen Forschung
                                                                                                                                  auch von vertikalen Übergängen. Wäh-
       zum Gelingen bei.                                                                                                          renddem die Wechsel des Betreuungsset-
                                                                                                                                  tings im Tagesablauf (von der Familie in
       Text: Reto Heinzel                                                                                                         die Schule und von der Schule in den
                                                                                                                                  Hort) als horizontale Übergänge bezeich-
                                                                                                                                  net werden. «Die Kindergartenlehrperso-
                                                                                                                                  nen sind sich der Wichtigkeit dieser The-
                                                                                                                                  matik schon länger bewusst», sagt Biffi.
                                                                                                                                  Das liege auch daran, dass der Kindergar-
                                                                                                                                  ten ein Ort sei, an dem der Alltag stark
                                                                                                                                  durch Rituale, Wiederholungen und Rou-
                                                                                                                                  tinen geprägt sei. «Das gibt den Kindern
                                        Jahr für Jahr begleiten Lehrpersonen Kin-    Übergangs eine grosse Entwicklung            Sicherheit.»
                                        der auf dem Weg von einer Bildungsstufe      durch. Es könne auch sein, dass ein Kind
                                        zur nächsten. Im Kindergarten werden         diese Phase als Krise erlebe. Das gelte es   Viele Gestaltungsmöglichkeiten
                                        die «Novizen» begrüsst, zwei Jahre später    zu verhindern.                               Wie Lehrpersonen den Übergang beglei-
                                        schnallen sich die Kinder dann zum ers-                                                   ten, ist dabei in der Regel ihnen überlas-
                                        ten Mal den Thek um und betreten voller      Dem Neuen ausgesetzt                         sen. Es gibt denn auch eine ganze Palette
                                        Vorfreude das Schulzimmer.                   Die Kulturanthropologie hat das Thema        an Möglichkeiten. Mit dem verbreiteten
                                             «Aus schulischer Sicht ist es elemen-   bereits vor über 100 Jahren erforscht und    «Bsüechlitag» im Kindergarten zum Bei-
                                        tar, dass diese Übergänge funktionieren»,    gezeigt: Der ritualisierten Begleitung bei   spiel kann die Lehrperson gerade auf der
                                        sagt Cornelia Biffi. Die Erziehungswis-      Übergängen zwischen verschiedenen Si-        Beziehungsebene eine gute Grundlage
                                        senschaftlerin ist Dozentin an der Päda-     tuationen und Zuständen wie Erwachsen-       schaffen. Es geht um das gegenseitige
                                        gogischen Hochschule Zürich (PHZH)           werden, Altern, Geburt und Tod oder Orts-,   Kennenlernen vor dem eigentlichen Kin-
                                        und hat sich auf Fragen des Schuleintritts   Berufs- und Statuswechsel kommt in al-       dergartenstart, gemeinsames Spielen, et-
                                        und der Übergänge spezialisiert. «Die        len Gesellschaften, von den archaischen      was zeichnen oder basteln und den Raum
                                        meisten Kinder bewältigen den Übergang       bis zur postindustriellen, eine zentrale     zu erleben. Einige Schulen führen regel-
                                        in den Kindergarten und in die Primar-       Bedeutung zu. Dahinter verbirgt sich die     mässig sogenannte «Wellentage» durch, an
                                        schule zwar problemlos», sagt sie. Den-      Vorstellung, dass das Individuum durch       denen alle Kinder, die vor einem Stufen-
                                        noch machten alle Kinder während eines       den Übergang etwas Neuem ausgesetzt          übertritt stehen, die nächsthöhere Stufe
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12
besuchen (siehe Kasten). Eine solche Spe-       «Die Aufgabe der Lehrpersonen ist es,         leuchtet, wie Biffi erklärt. Sie nähmen
zialität, ein solches Ritual, sorgt im Schul-   während eines Stufenübergangs dem             während des Übergangs in den Kinder-
betrieb für Kontinuität. Überhaupt spielen      Kind Orientierung zu geben und Kontinu-       garten oder in die Primarschule eine Art
Schulrituale in diesem Zusammenhang             ität zu ermöglichen», sagt Biffi. Beim Kin-   Mehrfachrolle wahr: Sie dürften diesen
eine ganz wichtige Rolle. Ganz egal, ob die-    dergarteneintritt brauche das Kind aber       Prozess begleiten, steckten dabei aber
se im Klassenverband oder in der Schule         oft eine gewisse Zeit, bis es eingewöhnt      selbst in einer Übergangsphase, die sie
begangen werden – damit wird dem Kind           sei. In vielen Fällen dauere es bis zu den    bewältigen müssten. «Wie die Kinder su-
signalisiert, dass es zur Gemeinschaft ge-      Herbstferien, manchmal bis Weihnachten.       chen die Eltern eine neue Rolle, auch sie
hört. Aber auch der Garderobenhaken mit                                                       erleben starke Emotionen, Ungewissheit.
dem dazugehörigen Tierbild, die Gruppen-        Eltern in der Mehrfachrolle                   Sie müssen ebenfalls neue Beziehungen
namen im Kindergarten wie «Krokodile»           In der Forschung ist dem Kindergarten-        knüpfen – zu Lehrpersonen und anderen
und «Giraffen» oder ein Willkommensbrief        eintritt lange eher wenig Beachtung ge-       Eltern. Vielleicht sind sie auch mit dem
der Lehrperson tragen zur Identifikation        schenkt worden. In jüngster Zeit wird         Schulsystem nicht vertraut.» Sinnvoll sei-
des Kindes mit der Schule bei.                  auch vermehrt die Seite der Eltern be-        en die einige Zeit vor dem Schuleintritt
                                                                                              durchgeführten Elterninformationsanläs-
                                                                                              se. Sie dienten nicht zuletzt dazu, Unge-
  Wellentag stärkt «Wir-Gefühl»                                                               wissheiten zu beseitigen und das Knüpfen
  Die Kindergartenlehrpersonen in der Stadtzürcher Schule Kappeli führten bis                 von Beziehungen zu erleichtern.
  anhin jährlich den weitherum praktizierten «Bsüechlitag» durch. Doch die Über-                  Und doch kommt es vor, dass insbe-
  gänge von der Primar- in die Mittelstufe oder von der Mittel- in die Sekundar-              sondere ein Kindergarteneintritt nicht
  stufe wurden nicht speziell begleitet, höchstens von einzelnen Lehrpersonen. Ab             reibungslos verläuft. Wieso? «Die Gründe
  diesem Jahr wird nun alles anders: Zum ersten Mal führt die Schule einen «Wellen­           dafür sind vielfältig», sagt Biffi. Zum Bei-
  tag» durch. Die Idee dazu kam von der Leiterin der Kindergarten-/Primarschule,              spiel falle es nicht jedem Kind gleich
  Doris Kyburz. Die anderen Schulleitungen im Schulkreis begegneten der Idee                  leicht, sich von den Eltern zu lösen. Eine
  zwar mit Interesse, aber gleichzeitig mit Zurückhaltung, weshalb die flächende-             unsichere Familiensituation oder sprach-
  ckende Einführung des Wellentags vorerst zurückgestellt wurde. Schliesslich                 liche Schwierigkeiten könnten die Situa­
  vereinbarten Kyburz und der Leiter der Sekundarschule Kappeli, den Wellentag                tion ebenfalls erschweren. Zudem steige
                                                                                                                                             Schulblatt Kanton Zürich 4/2017 Fokus

  erst einmal in der eigenen Schule einzuführen. Die Idee dahinter: In der zweit-             das Risiko der Überforderung, wenn meh-
  letzten Woche vor den Sommerferien verbringen alle Schülerinnen und Schüler,                rere Übergänge gleichzeitig bewältigt
  deren Übertritt bevorsteht, einen Morgen lang im neuen Schulzimmer mit den                  werden müssen. Emotionale Unterstüt-
  neuen Klassenkameraden und lernen die zukünftige Lehrperson kennen (im                      zung sei in dieser Situation also noch
  Kappeli mit seinen 5 Kindergarten-, 12 Primar- und 13 Sekundarklassen betrifft              wichtiger.
  dies in diesem Jahr 14 Klassen). Das Programm gestaltet die zuständige Lehr-                    Damit der Übergang von der Familie
  person und sieht je nach Schulstufe anders aus. Oftmals spielerisch, dient es               in den Kindergarten gelingt, muss also
  auch dazu, eine gute Basis zu legen. Am wichtigsten ist das gegenseitige Kennen­            das Zusammenspiel zwischen Eltern,
  lernen. «Die Schülerinnen und Schüler werden dann während der Sommerferien                  Kind und Lehrperson gut funktionieren.
  nicht ständig von Ungewissheit geplagt. Sie können sich viel besser vorstellen,             Wobei die Kinder meist ganz unter-
  was sie erwartet, und sich darauf freuen», sagt Kyburz. Den Wellentag hatte die             schiedliche Voraussetzungen mitbringen:
  Schulleiterin an ihrem früheren Arbeitsort kennengelernt. «Ich bin überzeugt,               Während einem Kita-Kind viele der Se-
  dass es eine gute Sache ist.» Vor allem auch deshalb, weil dadurch ein «Wir-Gefühl»         quenzen oder Rituale im Kindergarten
  ausgelöst werde. [rh]                                                                       bereits bekannt vorkommen, verfügen
                                                                                                                                             13

                                                                                              andere diesbezüglich über keinerlei Er- 
14   Schulblatt Kanton Zürich 4/2017 Fokus
fahrung. Es gibt zum Beispiel Kinder, die
kaum Deutsch sprechen, und solche, die
bereits spielerische Erfahrungen mit
­
Zahlen und Buchstaben gemacht haben.
Es gibt Defizite und Vorsprünge, und das
in allen Milieus.                                           «Aus schulischer Sicht
Nicht bei null anfangen                                       ist es elementar,
«Die Aufgaben der Kindergartenlehrper-
son, die ja stets zwei Klassen führt, sind
                                                       dass Übergänge funktionieren.»
sehr komplex», sagt Biffi. «Sie muss einer-                                     Cornelia Biffi
seits die jüngeren Kinder in Empfang
nehmen, andererseits den älteren einen
guten Start in der Primarschule ermögli-
chen.» Für die älteren Kindergarten­
kinder steht also ein weiterer Übergang an.
In dieser Situation ist es unentbehrlich,
dass die Zusammenarbeit an der Schnitt-        mer grössere Rolle. Viele Eltern empfin-     Bei allen Herausforderungen, die ein Stu-
stelle Kindergarten-Primarschule rei-          den den Übertritt in die Mittelstufe als     fenübergang mit sich bringt, darf eines
bungslos läuft. Aus Sicht der Lehrperso-       Zäsur. Biffi rät deshalb den Mittelstufen-   nicht vergessen werden: Die Kinder freuen
nen, sagt Biffi, sollte es aber nicht nur      lehrpersonen gerade am Anfang der            sich auf die Herausforderung, die vor ih-
darum gehen, dass die Kinder den Über-         4. Klasse zu einem engen Elternkontakt.      nen liegt. «Das ist auch ein Statusgewinn,
gang gut bewältigen können. «Wichtig ist       Dafür bietet sich ihrer Meinung nach         der oftmals mit einem Entwicklungsschub
auch, dass sich Kindergarten- und Pri-         nicht nur der Elternabend an, sondern        einhergeht», betont die Dozentin. «Die Kin-
marlehrpersonen über die Bildungspro-          auch ein individuelles Gespräch mit Eltern   der müssen aber wissen, welche Erwartun-
zesse der Kinder austauschen.» Oft gehe        und Schulkind, in dem Fragen zur Spra-       gen an sie gestellt werden. Diese müssen
es aber vor allem um Zuteilungsfragen          che kommen könnten wie: Was läuft an-        also gut kommuniziert werden.» 
mit dem Ziel, ausgewogene Klassen zu           ders in der 4. Klasse? Wie erlebt das Kind    Weitere Infos zum Thema: www.vsa.zh.ch >
                                                                                            Schulbetrieb & Unterricht > Führung & Organi-
bilden. Die formalen Dinge stünden im          die Umstellung? «Das ist eine Chance für     sation > Übergänge
Vordergrund, während den pädagogi-             beide Seiten», ist Biffi überzeugt.
schen Inhalten wenig Beachtung ge-
schenkt werde. «Dabei wäre es doch span-
nend, wenn die Kindergartenlehrperson            Mehr Unterstützung bei der Einschulung
darüber berichten könnte, welche Lieder          Die Schule Richterswil-Samstagern widmet sich seit einigen Jahren intensiv
oder kooperativen Lernformen die Kinder          dem Thema Übergänge. Auslöser waren Meldungen verschiedener Kindergar-
schon kennen.» Eine Möglichkeit wäre,            tenlehrpersonen, wonach die allmähliche Vorverlegung des Stichtages für den
sagt Biffi, dass die Schulleitung beispiels-     Eintritt in den Kindergarten (Umsetzung von HarmoS) die Diskrepanz zwischen
weise im Rahmen der Schulentwicklung             dem emotionalen und dem kognitiven Stand der Kinder vergrössere. «Es zeigte
zum Lehrplan 21 entsprechende Gefässe            sich, dass die Betreuung der Kinder am Anfang sehr intensiv war und diese teil-
für einen solchen Austausch schaffe. Das         weise nicht bereit waren für die 1. Klasse», sagt Schulleiterin Lucretia Emma.
würde auch die Arbeit der Unterstufen-           Die von der Schulpflege eingesetzte Arbeitsgruppe «Frühe Einschulung» nahm
lehrperson erleichtern. «Sie müsste dann         im März 2015 die Arbeit auf. Momentan befasst sich die Gruppe, der neben Kinder-
nicht das Gefühl haben, bei null anfangen        gartenlehrpersonen auch Heilpädagogen, DaZ-Lehrpersonen, Vertreter der
zu müssen.»                                      Schulleitungen und der Schulpflege angehören, nur mit der Kindergartenstufe.
    Einen möglichen Anknüpfungspunkt             Das Ziel: Die Kindergartenlehrpersonen in der Anfangszeit besser unterstützen,
bietet das Portfolio, das auch im Lehrplan       gleichzeitig aber auch die Bedürfnisse, Wünsche und Ängste der Eltern abholen.
für die Kindergartenstufe empfohlen wird.        «Wichtig ist, dass es den Kindern gut geht», sagt Emma. Die beschlossenen
Im Portfolio werden ausgewählte Erinne-          ­Änderungen setzen auf mehreren Ebenen an: Erstens wurden Unterstützungs-
rungen zu (Lern)erfahrungen festgehal-            angebote geschaffen, die die Kindergartenlehrpersonen in Anspruch nehmen
ten, besprochen und kommentiert. Das              können. Dazu gehört der Einsatz von Schulassistenzen oder von Studierenden
Kind wird sich seiner Entwicklung und             im Rahmen ihres Berufspraktikums. Zweitens wurde die Zusammenarbeit mit
seines Lernens bewusst – «das konnte ich          den Eltern intensiviert. So findet neben dem Infoanlass im März und dem
damals noch nicht, jetzt kann ich es bes-         ­Elternabend im Herbst neu ein freiwilliger Elternabend im Juni statt, und zwar
ser». Nun muss das Führen eines Port­              unmittelbar nach dem «Bsüechlitag». «Dabei geht es vor allem darum, sich bes-
                                                                                                                                            Schulblatt Kanton Zürich 4/2017 Fokus

folios nicht zwingend mit dem Ende des             ser kennenzulernen, Vertrauen aufzubauen und die gegenseitigen Erwartungen
Kindergartens aufhören. Biffi weiss, dass          zu klären», sagt Emma. Dazu gehören auch die Themen Verabschiedung und
es Schulgemeinden gibt, die das Portfolio          Loslassen, die für manche Eltern und Erstkindergartenkinder eine Herausfor­
über die nächsten Schulstufen weiter­              derung sind. Schliesslich ist man in Richterswil-Samstagern darum bemüht, den
führen. Das erleichtere den Austausch              Austausch mit Kitas und Spielgruppen zu verstärken. Auf diesem Weg lässt
über die Bildungsstufen hinweg.                    sich einiges über deren pädagogische Inhalte erfahren. Interessant wäre auch
                                                   ein Austausch über den Lern- und Entwicklungsstand der Kinder, sagt Emma.
Kontakt als Chance                                 ­Ungewiss ist allerdings, wie weit dieser Austausch aus Gründen des Datenschutzes
Der Übergang von der Unter- zur Mittel-             überhaupt gehen kann.
stufe birgt da ganz andere Herausforde-             Die bisherigen Erfahrungen mit den von der Arbeitsgruppe angeregten Neue-
rungen. Zur förderorientierten Haltung in           rungen bezeichnet Emma als «sehr gut». Sowohl seitens der Lehrpersonen als
der Unterstufe kommt allmählich ein Se-             auch seitens der Eltern sei das Echo äusserst positiv. Die Ergebnisse seien derart
lektionsaspekt hinzu. Die Anforderungen             ermutigend, dass die Schule Richterswil-Samstagern plane, die Arbeitsgruppe
steigen, es gibt mehr Noten, mehr Haus-             auf weitere Schulstufen auszudehnen. [rh]
                                                                                                                                            15

aufgaben. Lerntechniken spielen eine im-
Interview                                                                                                                     wollen das Beste für ihr Kind. Das heisst

       «Der Aufbau
                                                                                                                                     allerdings meistens: Das Kind soll bezüg-
                                                                                                                                     lich des weiteren schulischen und berufli-
                                                                                                                                     chen Werdegangs möglichst gut positio-

       von Vertrauen
                                                                                                                                     niert sein. Unter Umständen treffen also
                                                                                                                                     zwei unterschiedliche Sichtweisen und In-
                                                                                                                                     teressen aufeinander. Das kann zu Span-

       benötigt Zeit»
                                                                                                                                     nungen führen, die gerade bei einer unsi-
                                                                                                                                     cheren Prognose aufbrechen können.
                                                                                                                                          Wie lässt sich das verhindern?
                                                                                                                                     Steiner: Indem man schon zu Beginn der

       Worauf kommt es beim Übertritt in                                                                                             Mittelstufe beginnt, sich mit dem Übertritt
                                                                                                                                     auf die Sekundarstufe auseinanderzuset-
       die Sekundarstufe an? Und was müssen                                                                                          zen. Das heisst natürlich auch, dass die
                                                                                                                                     Zusammenarbeit zwischen Lehrperson
       die Lehr­personen beachten? Zoi Dellios                                                                                       und Eltern früh beginnen sollte. Denn der

       und Erich Steiner haben sich in                                                                                               Aufbau von Vertrauen benötigt Zeit.
                                                                                                                                          Dellios: Neben dem Austausch zwi-
       Forschungsarbeiten intensiv mit dieser                                                                                        schen Eltern und Lehrperson ist noch et-
                                                                                                                                     was anderes wichtig: dass es nicht zu früh
       Frage beschäftigt.                                                                                                            zu einer «Schubladisierung» kommt. Die
                                                                                                                                     Diskussion sollte darum stets förderorien-
       Text: Reto Heinzel                                                                                                            tiert und auf die Entwicklungsmöglichkei-
                                                                                                                                     ten des Kindes gerichtet sein.
                                                                                                                                          Welche konkreten Möglichkeiten
                                                                                                                                     hat die Lehrperson, das Vertrauen zu
                                                                                                                                     den Eltern herzustellen?
                                                                                                                                     Dellios: Hier bieten sich die klassischen
                                        Vor dem Übertritt in die Sekundarschule       Inwiefern?                                     Elternabende und -gespräche an, die ge-
                                        werden alle Schülerinnen und Schüler          Dellios: Lehrpersonen wollen jedes Kind        setzlich vorgegeben sind. Wertvoll sind
                                        einer Abteilung zugeteilt. Wo liegen          möglichst optimal platzieren. Es soll in die   auch die informellen Gefässe wie das Tür-
                                        aus Ihrer Sicht die Herausforderungen         Abteilung kommen, in der es sich gut ent-      und-Angel-Gespräch. Dazu kommen In-
                                        für die Lehrpersonen?                         wickeln und seine Ressourcen am besten         formationsschreiben oder das Kontakt-
                                        Erich Steiner: Die grosse Herausfor­          einsetzen kann. In welcher Abteilung dies      heft. Ganz wichtig ist dabei, dass in diesem
                                        derung liegt bei solchen Schülerinnen         der Fall sein wird, lässt sich bei einem un-   Heft nicht nur negative, sondern auch po-
                                        und Schülern, deren Notenschnitt sich         sicheren Zuweisungsentscheid vorgängig         sitive Beobachtungen und Bemerkungen
                                        im ­Bereich 4 bis 4,5 bewegt. Während         jedoch kaum sagen. Kommt dazu, dass            notiert werden. Die Lehrperson hat des-
                                        sich bei denjenigen im unteren und obe-       nicht alle Beteiligten die Sachlage gleich     halb ein Interesse, sich mit den Eltern
                                        ren Leistungssegment bereits Ende der         einschätzen.                                   über Ziele und Werte zu unterhalten und
                                        5. Klasse recht klar abzeichnet, wohin es         Und diese unterschiedlichen                die gegenseitigen Erwartungshaltungen
                                        in der Sekundarstufe gehen dürfte – in die    Einschätzungen können dann zu                  zu klären. Den Eltern muss auch die
                                        Sek B oder Sek A, möglicherweise auch         Spannungen führen …                            Durchlässigkeit innerhalb der Sekundar-
                                        ins Gymi –, ist bei ihnen zu diesem Zeit-     Steiner: Genau. Lehrpersonen haben ja          stufe klar sein.
                                        punkt keine klare Aussage möglich.            den Auftrag, jede Schülerin und jeden               Steiner: Die Lehrperson hat eine In-
                                            Zoi Dellios: Die Zuteilung steht ja am    Schüler gemäss den vorhandenen Fähig-          formationspflicht, darin stimmen nach
                                        Ende eines längeren Prozesses, während        keiten einzuteilen. Gleichzeitig müssen sie    unseren Erkenntnissen die meisten Lehr-
                                        dem ein Austausch zwischen Lehrperson,        einen gesellschaftlichen Selektionsauftrag     personen mit den Eltern überein. Das
                                        Eltern und Kind stattfindet. In dieser Zeit   wahrnehmen. Die Eltern dagegen nehmen          kann man offensiv angehen, indem man
                                        wird auch Druck aufgebaut.                    eine partikularistische Position ein: Sie      den Unterricht transparent macht gegen-
                                                                                                                                     über den Eltern, Lernbeobachtungen
                                                                                                                                     schildert und erklärt und nicht nur über
                                          Riesige Datenmenge                                                                         Leistungsergebnisse und das Sozialver-
                                          In der vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstützten Längsschnitt-                 halten spricht. Lehrpersonen können sich
                                          studie «Transition» untersuchten Forschende der Universität Zürich und der                 so als Lernexperten zeigen und Akzep-
Schulblatt Kanton Zürich 4/2017 Fokus

                                          ­Pädagogischen Hochschule, wie sich im Kanton Zürich die Unterstützung der                 tanz erzeugen.
                                           Eltern auf das Selbstvertrauen, die Lernmotivation und die Zufriedenheit der                   Haben schliesslich alle Eltern den
                                           Schülerinnen und Schüler auswirkt. Im Zentrum steht dabei die Zeit des Über-              Einstufungsvorschlag der Lehrperson
                                           tritts von der Primarschule in die Sekundarstufe I. Während des Erhebungszeit-            akzeptiert?
                                           raums von 2008 bis 2013 fanden neben schriftlichen Befragungen auch zahlreiche            Dellios: Nur in zwei der zwanzig Fallfami-
                                           Einzelinterviews mit Lehrpersonen, Eltern und Schülerinnen und Schülern statt.            lien, die wir mittels Interviews intensiv
                                           Erich Steiner war operativer Leiter der «Transition»-Studie. Seine Dissertation auf       über neun Monate vor dem Übertritt be-
                                           der Grundlage der Transition-Daten steht kurz vor dem Abschluss. Darin behan-             gleitet haben, hielten die Eltern an ihren
                                           delt er das elterliche Unterstützungshandeln während eines unsicheren Über-               Erwartungen fest. Sie beharrten darauf, ihr
                                           tritts in die Sekundarschule. Im Rahmen der Studie ist eine ganze Reihe von               Kind in eine bestimmte Abteilung der Se-
                                           ­Abschlussarbeiten zu Teilfragen entstanden, darunter die Lizenziatsarbeit der            kundarstufe einzuteilen. Abweichende Ar-
                                            ehemaligen Mittelstufenlehrerin und Schulleiterin Zoi Dellios. Sie untersuchte           gumente der Lehrperson liessen diese El-
                                            die Praktiken von Lehrpersonen bei Übertrittsgesprächen. Beide sind Dozierende           tern nicht gelten. Die anderen Eltern haben
                                            für Erziehungswissenschaft an der PH der Fachhochschule Nordwestschweiz. [rh]            am Schluss mehr oder weniger überzeugt
16

                                                                                                                                     den Vorschlag der Lehrperson mitgetragen.
Die wenig Überzeugten haben auf einen
Wechsel in die Sek A beim nächsten
­Umstufungstermin gehofft, was bei zwei
 Kindern dann auch eingetroffen ist.
     Wie sieht es auf der Seite der Lehr-
 personen aus?
 Steiner: Sie befinden sich während des
 Übertrittsverfahrens in einer anspruchs-
 vollen Situation. Sie müssen eine Gesamt-
 beurteilung vornehmen. Einerseits müssen
 sie die Leistungen in den verschiedenen
 Fächern, andererseits das Arbeits-, Lern-
 und Sozialverhalten berücksichtigen. Die
 Lehrpersonen sind stets die Handelnden in
 diesem Prozess, sie haben das Vorschlags-
 recht. Darauf müssen die Eltern reagieren.
     Sie haben die Phase des Übertritts
 intensiv erforscht. Welche Erkenntnis-
 se haben Sie durch die Befragung von
 Lehrpersonen und Eltern gewonnen?
 Steiner: Ein Teil der von uns befragten
 Lehrpersonen hielt sich möglichst buch-
 stabengetreu an den vorgeschriebenen
 Fahrplan. Sie informierten die Eltern lau-
 fend über den Entwicklungsstand, hielten         schen den Bedürfnissen der Eltern und          tung geht, sondern dass sie Interesse an
 aber gleichzeitig eine gewisse Distanz ein.      den Ansprüchen der Sekundarlehrperso-          der Persönlichkeitsentwicklung des Kin-
     Dellios: Diese Lehrpersonen waren            nen. Diese Lehrpersonen haben beim Zu-         des zeigt und sich hierfür stetig bemüht,
 klar in der Mehrheit. Sie boten den Dialog       teilungsentscheid dann oft ebenso stark        die Sichtweisen und Erfahrungen der El-
 an. Und der Zuteilungsentscheid erfolgte         auf die von ihnen wahrgenommenen Er-           tern einzubeziehen.
 idealerweise gemeinsam.                          wartungen der abnehmenden Lehrperso-               Dellios: Dass die Eltern den Einstu-
     Steiner: Eine weitere Gruppe von             nen geachtet wie auf die Bedürfnisse und       fungsvorschlag mittragen können, setzt vo-
 Lehrpersonen praktizierte äusserst auf-          Sichtweisen der Eltern.                        raus, dass sie über das Geschehen in der
 wendige Übertrittsverfahren. Sie waren               Aber wieso eigentlich?                     Schule gut informiert sind. Um es noch ein-
 emotional stark involviert und kannten           Steiner: Stellen Sie sich vor: Wenn eine       mal zu sagen: Diese Informiertheit sollte
 die Situation in den einzelnen Familien          Mittelstufenlehrperson drei Schüler in die     sich nicht nur auf die Zeugnisnoten be-
 sehr gut. Dies führte allerdings zum Teil        Sek A einstuft, die dann von den Seklehr-      schränken, sondern generell auf die schuli-
                                                                                                 schen Arbeitsprozesse. Dabei spielen auch
                                                                                                 überfachliche Kompetenzen eine Rolle.
                                                                                                     Wie sieht es aus Sicht des
                                                                                                 Kindes aus?
            «Den Eltern muss auch                                                                Dellios: Das Kind sollte sich gefördert und

       die Durchlässigkeit innerhalb der                                                         gefordert fühlen. Für die Motivation ist es
                                                                                                 ganz zentral, dass es Erfolgserlebnisse

           Sekundarstufe klar sein.»                                                             hat. Es kann sein, dass ein Kind, das in die
                                                                                                 Sek B kommt, und das ist für den Selbst-
                                       Zoi Dellios                                               wert keine einfache Situation, jetzt besse-
                                                                                                 re Noten hat als vorher in der Primar-
                                                                                                 schule und nun zu den Guten gehört. Das
                                                                                                 kann das Selbstvertrauen auch stärken.
zu Entscheiden, die dem Kind oder den             personen später abgestuft werden, kann             Steiner: Sich gefördert und gefordert
Eltern zuliebe gefällt wurden.                    das als sehr unangenehm empfunden              fühlen heisst für die Jugendlichen auch,
     Welche Strategien wurden sonst               werden, weil damit ein Stück weit die          dass sie mit regelmässigen Standortge-
noch gewählt?                                     eigene Professionalität infrage gestellt
                                                  ­                                              sprächen begleitet werden. Dabei sollen
Steiner: Eine kleine Gruppe von Lehrper-          wird. Der Druck steigt, es bei der nächsten    sie die Sekundarstufe als durchlässig und
                                                                                                                                                             Schulblatt Kanton Zürich 4/2017 Fokus

sonen beharrte auf ihrer Einschätzung und         Zuteilung besser zu machen. Das kann           dynamisch erleben. Ein Auf- oder Abstieg
zeigte wenig Kooperationswillen. Diese            dazu führen, dass die Mittelstufenlehr-        oder ein Wechsel in unterschiedliche Ni-
Lehrerinnen und Lehrer achteten vor               person eher an ihre Kolleginnen und Kol-       veaugruppen ist immer wieder möglich –
­allem darauf, ob die 4,5 in den Leistungs­       legen denkt, mit denen sie beruflich wei-      das ist eine ganz wichtige Botschaft. 
 fächern erreicht wurde oder nicht, obschon       terhin zu tun haben wird, als an die Eltern.
 das vom Verfahren her eigentlich nicht zu-           In welchem Fall kann man von
 lässig ist. Den Einschätzungen der Eltern        einem guten Übertritt sprechen?
 standen sie grundsätzlich kritisch gegen-        Steiner: Aus Sicht der Lehrperson ist dies
 über. Sie betonten ihren Expertenstatus          sicher der Fall, wenn sie ihre Einschät-
 und vertraten die Position: «Ich weiss es        zung und ihre Beurteilung so kommuni-
 letztlich besser als die Eltern.» Gerade, aber   zieren kann, dass sie bei den Eltern auf
                                                  Akzeptanz stösst. Die Eltern empfinden
                                                                                                                                                Fotos: zvg

 nicht nur in dieser Gruppe wurde auch die
 Sandwichposition oft angesprochen.               den Übertritt als gut, wenn sie wahrneh-
     Sandwichposition?                            men, dass die Lehrperson das Kindswohl
                                                                                                                                                             17

 Steiner: Ja. Sie sehen sich irgendwo zwi-        betont. Dass es ihr nicht nur um die Leis-      Zoi Dellios.          Erich Steiner.
Start ins Berufsleben                                                                      nehmens einen Partnerbetrieb und dreh-

                                        Ein Szenen-
                                                                                                                                   ten über diesen kurze Videofilme. In Zu-
                                                                                                                                   kunft, verrät Thomas Rubi, werden sie
                                                                                                                                   einen Tag mit öffentlichen Verkehrsmit-

                                        wechsel mit
                                                                                                                                   teln unterwegs sein und die Brille des
                                                                                                                                   Kunden aufsetzen. Auf diese Weise sollen
                                                                                                                                   sie ihre eigene Rolle als Mitarbeitende ei-

                                        Stolperfallen
                                                                                                                                   nes solchen Betriebs kennenlernen und
                                                                                                                                   reflektieren.

                                                                                                                                   Befürchtungen ansprechen
                                        Jugendliche, die eine Berufslehre                                                          Mit dieser Einführungswoche wird eine
                                                                                                                                   alte Tradition der SBB weitergeführt, die
                                        ­beginnen, geraten in eine völlig neue                                                     zusammen mit der Bern-Lötschberg-Sim-

                                         Welt. Nicht alle kommen damit                                                             plon-Bahn (BLS), der Rhätischen Bahn
                                                                                                                                   (RhB) und dem Verband öffentlicher Ver-
                                         gleich gut zurecht. Ein Projekt der                                                       kehr (VöV) die login Berufsbildung AG ins
                                                                                                                                   Leben gerufen hat, die gleichzeitig deren
                                         Bildungsdirektion soll sich nun dieser                                                    Eigner sind. Der heutige Ausbildungslei-

                                         komplexen Schnitt­stelle annehmen.                                                        ter Thomas Rubi hat vor 25 Jahren selbst
                                                                                                                                   als Lernender ein solches Lager im Tessin
                                                                                                                                   miterlebt, heute fährt er jeweils Anfang
                                        Text: Jacqueline Olivier
                                                                                                                                   August zusammen mit seinen Ausbildungs-
                                                                                                                                   leiterkolleginnen und -kollegen und etwa
                                                                                                                                   320 Jugendlichen nach Sursee. Was diese
                                                                                                                                   Tage bewirkten, lasse sich nicht in Zahlen
Schulblatt Kanton Zürich 4/2017 Fokus

                                                                                                                                   messen, sagt er, viele kehrten aber begeis-
                                        «Der Schritt von der Sekundarschule in         davon treten jährlich etwa 800 in eine      tert und voller Vorfreude auf den Arbeits-
                                        die Berufswelt ist der Wechsel schlecht-       Ausbildung ein. Sie alle werden in regio-   beginn am folgenden Montag zurück. «Es
                                        hin», sagt Thomas Rubi, «auf die Jugendli-     nalen Einführungswochen, die am Tag des     geht ja nicht darum, dass sie am Ende der
                                        chen kommt ganz viel Neues zu: ein völlig      Lehrstarts beginnen, auf ihr Leben zwi-     Woche alle Informationen auswendig wis-
                                        neues Umfeld mit neuen Aufgaben und            schen Betrieb, Berufsfachschule und         sen müssen, sondern darum, gemeinsam
                                        Schulfächern, sie müssen Verantwortung         überbetrieblichen Kursen vorbereitet.       Erwartungen und Befürchtungen zu the-
                                        übernehmen und sich in einen Arbeits-              Zentrale Elemente dieser Woche sind     matisieren und die Jugendlichen spüren
                                        prozess integrieren.» Thomas Rubi ist einer    das gegenseitige Kennenlernen, das The-     zu lassen: Sie sind nicht allein.» Gerade in
                                        der Ausbildungsleiter der login Berufsbil-     matisieren der wichtigsten Veränderun-      einem grossen Lehrbetrieb fühlten sich
                                        dung AG, die für rund 50 Unternehmen im        gen nach dem Übertritt und die Informa-     die Neulinge zu Beginn oft etwas verloren,
                                        Bereich Verkehr in der ganzen Schweiz          tion über Rechte und Pflichten der          umgekehrt habe login eben die Möglich-
                                        Berufslehren, Praktika und Weiterbildun-       Lernenden. Einen Tag lang geht es aus­      keit, diesen Start mithilfe einer solchen
                                        gen organisiert. login bildet über 2000 Ler-   serdem auf Reisen. Bisher besuchten die     Einführungswoche, in der auch der Spass
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                                        nende in 25 verschiedenen Berufen aus,         angehenden Lernenden eines öV-Unter-        nicht zu kurz komme, angenehmer zu ge-
stalten. «Die Woche ist bei den Lernenden   Anstellungsbedingungen und ihre per-          wo seit 2006 KV-Lernende ausgebildet
sehr beliebt und hinterher noch lange Ge-   sönlichen Arbeitsordner. Vor dem Mittag       werden, dazu. Man mache damit gute Er-
sprächsthema.»                              geht es für sie auf eine Tour durch die Ab-   fahrungen, sagt Jessica Brendeler: «Der
                                            teilung, in der sie die ersten sechs Monate   erste Arbeitstag eines Lernenden ist etwas
Ein Tag zum Ankommen                        tätig sein werden. Das Mittagessen neh-       ganz Besonderes, deshalb möchten wir ihn
Nicht gerade eine ganze Woche, aber zu-     men die Neueintretenden gemeinsam mit         nutzen, um die Neuankömmlinge jeweils
mindest der erste Tag wird bei Barry Cal-   den anderen Lernenden und den Praxis-         gebührend willkommen zu heissen. Dank
lebaut in Zürich dazu verwendet, die je-    bildnern ein, so kann man sich gegensei-      des Programms erhalten sie einen ersten
weils zwei kaufmännischen Lernenden         tig kennenlernen. Am Nachmittag folgen        Einblick in den Betrieb, kommen in Kon-
ankommen zu lassen. Sie werden von der      weitere Einführungen und Präsentatio-         takt mit Ausbildnern und Kollegen und
Berufsbildnerin Jessica Brendeler mor-      nen durch die Praxisbildner der Abteilun-     erfahren das Wichtigste in Kürze.» Etwa
gens persönlich in Empfang genommen         gen, in denen die Jugendlichen starten.       zwei Wochen später findet ein Tagesevent
und durch den Betrieb geführt. Anschlies­       Seit zirka fünf Jahren gehört dieses      statt, an dem alle Lernenden und Berufs-
send erhalten sie Informationen zu den      Einstiegsprogramm bei Barry Callebaut,        bildner teilnehmen. Im vergangenen Jahr
                                                                                          beispielsweise besuchten sie gemeinsam
                                                                                          das Hölloch im Muotatal. «Dieser Ausflug
  Neugestaltung 3. Sek wird evaluiert                                                     dient primär der Teambildung und bietet
  Im Rahmen des Projekts «Neugestaltung 3. Sek» wurden an der Volksschule im              eine gute Möglichkeit zum Austausch in
  Kanton Zürich diverse Massnahmen umgesetzt, um den Übergang von der                     ungezwungener Atmosphäre.»
  ­Sekundarschule in die Berufsbildung und an weiterführende Schulen zu verbes-
                                                                                                                                        Schulblatt Kanton Zürich 4/2017 Fokus

   sern. Auf Basis des Tests Stellwerk 8 wird heute bereits in der 2. Sekundarklasse      Workshop an der Berufsschule
   eine Standortbestimmung mit Schülern und Eltern vorgenommen. Es steht ein              Gefragt sind jedoch nicht nur die Betriebe,
   individuelles Förderangebot im Wahlfachbereich der 3. Klasse zur Verfügung             auch die Berufsfachschulen können mit
   und mit dem Projektunterricht und der Abschlussarbeit in der 3. Klasse werden          Begrüssungsanlässen und Informations-
   fachliche und überfachliche Kompetenzen gestärkt. Die Einbindung von Eltern            veranstaltungen die «Neuen» abholen.
   und Berufsberatung erfolgt früher und der Berufswahlfahrplan strukturiert den          Am Bildungszentrum Zürichsee geht man
   Prozess für alle Beteiligten.                                                          seit drei Jahren gar noch einen Schritt
   Im Anschluss an die flächendeckende Einführung und Umsetzung des Projekts              weiter: Im Herbst besucht die interne Be-
   hat der Bildungsrat im März 2016 die Fachstelle für Schulbeurteilung (FSB)             ratungslehrerin alle 1. Klassen und stellt
   ­beauftragt, bei den Sekundarschulen den zusätzlichen Qualitätsanspruch «Vor-          ihnen ihr Angebot vor. Gegen Ende des
    bereitung auf berufliche Grundbildung und weiterführende Schulen» zu evalu-           ersten Semesters werden mit allen Ler-
    ieren (Schuljahre 2016/2017 bis 2020/2021). Nach der fünfjährigen Evaluations-        nenden im ersten Ausbildungsjahr halb-
    phase wird die FSB dem Bildungsrat Bericht erstatten und Empfehlungen zur             tägige Workshops zum Berufseinstieg
    weiteren Optimierung dieser Vorbereitung abgeben. [jo]                                durchgeführt. Unter dem Motto «Im Beruf
                                                                                                                                        19

                                                                                          angekommen?» befassen sich die Jugend- 
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