Stadt statt Lärm - Heft 3.2013 Informationen zur Raumentwicklung - BBSR

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Stadt statt Lärm - Heft 3.2013 Informationen zur Raumentwicklung - BBSR
Stadt statt Lärm

Heft 3.2013

Informationen zur Raumentwicklung
Stadt statt Lärm - Heft 3.2013 Informationen zur Raumentwicklung - BBSR
Inhalt                        Heft 3.2013

		                                                                                                                  Seite
Thomas Wehmeier               Einführung                                                                                  I

                              Kurzfassungen – Abstracts                                                                 III

Matthias Hintzsche            Lärmsituation in Deutschland unter Berücksichtigung
                              der EU-Rahmenbedingungen zum Lärmschutz                                                211

Thomas Claßen                 Lärm macht krankt – Gesundheitliche Wirkungen von Lärmbelastungen
                              in Städten                                                                             233

Timo Heyn        Lärm macht Leer – Auswirkungen von Lärmemissionen auf
Katrin Wilbert   den Immobilienmarkt und die Wohnungswirtschaft
Sebastian Hein 		                                                                                                    235

Günter Bönnighausen           Lärmminderung durch Stadt- und Bauleitplanung –
Stefan Mundt                  Hamburger Erfahrungen                                                                  245

Peter Androsch   Das menschengerechte Schallwellenmeer – Von der Lärmvermeidung
Florian Sedmak   zur Akustischen Raumplanung
Jürgen Wiesner 		                                                                                                    259

Thomas Wehmeier               Ein Tag gegen Lärm – wird alles besser?                                                269

Herausgeber                   Bundesinstitut für Bau-, Stadt-           Redaktionsschluss: 15.07.2013
                              und Raumforschung (BBSR)
                              im Bundesamt für Bauwesen                 Die Beiträge werden von der Schriftleitung/
                              und Raumordnung (BBR)                     wissenschaftlichen Redaktion gezielt akquiriert.
                                                                        Der Herausgeber übernimmt keine Haftung für
Schriftleitung                Harald Herrmann                           unaufgefordert eingesandte Manuskripte.
                              Markus Eltges                             Die vom Autor vertretene Auffassung ist
                              Robert Kaltenbrunner                      nicht unbedingt mit der des Herausgebers
                                                                        identisch.
Wissenschaftliche Redaktion   Thomas Wehmeier
                                                                        Bezugsbedingungen: Jahresabonnement
Redaktionelle Bearbeitung     Friederike Vogel                          72,00 € (6 Hefte einschl. Register), zzgl. Ver-
                                                                        sandkosten (Inland: 10,80 €, Ausland: 19,80 €);
Druck                         Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung    Einzelheft 19,00 € (versandkostenfrei) – Preise
                                                                        incl. MwSt. Ein Abonnement gilt, falls nicht be­
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Verlag und Vertrieb           Franz Steiner Verlag
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                              70191 Stuttgart
                                                                        bis zum 15. November des laufenden Jahres
                              Telefon +49 711 2582-0
                                                                        beim Verlag eingegangen sein.
                              Telefax +49 711 2582-390
                                                                        Siehe: www.bbsr.bund.de/BBSR/IzR
                              service@steiner-verlag.de
                              und Buchhandel                            Nachdruck und Vervielfältigung:
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ISSN 0303 – 2493
Stadt statt Lärm - Heft 3.2013 Informationen zur Raumentwicklung - BBSR
Informationen zur Raumentwicklung
Heft 3.2013                                                                                                              I

   Stadt statt Lärm

Einführung                                                                                     Thomas Wehmeier

24. April 2013. Erinnern Sie sich noch? Es      Beitrag werden Ergebnisse verschiedener
war der International Noise Awareness Day       EBD-Studien zu Lärm gegenüber gestellt.
– in Deutschland auch „Tag gegen Lärm“ ge-
                                                Die immobilienwirtschaftlichen Auswir-
nannt – eine Aktion der Deutschen Gesell-
                                                kungen des Straßenlärms sind ein flächen-
schaft für Akustik. Wir hörten und lasen viel
                                                deckend verbreitetes und in seinem Aus-
an diesem Tag zum Thema Lärm, beson-
                                                maß in der öffentlichen Wahrnehmung
ders über Lärmminderung und die vielfälti-
                                                vermutlich eher unterschätztes Phänomen.
gen wirksamen Maßnahmen, die bereits er-
                                                Der folgende Beitrag von Heyn, Wilbert
griffen werden. Ist also alles gut? Lärm wird
                                                und Hein befasst sich mit dem Einfluss von
immer noch von vielen als das am stärksten
                                                Lärm auf die Immobilien an innerstädti-
unterschätzte Umweltproblem in Deutsch-
                                                schen Hauptverkehrsstraßen in der Gemen-
land bezeichnet. Lärm gab es immer und es
                                                gelage negativer Einflussfaktoren.
wird ihn immer geben. Überall wo wir le-
ben, arbeiten und fahren. Die Frage ist nur     Hamburg hat schon vor einigen Jahren ei-
in welchem Maße, mit welchen Wirkungen          nen Lärmleitfaden zur Lösung von Lärm-
und mit welchen Konzepten wir dem Lärm          konflikten durch Bebauungsplanung er-
begegnen. Besonders in Städten sind auf-        stellt. Dieser wird im vierten Beitrag von
grund der höheren Bevölkerungsdichte die        Bönnighausen und Mundt vorgestellt und
meisten Menschen negativ von Lärm be-           anhand verschiedener bereits umgesetzter
troffen. Auch wenn viele Menschen bereits       Maßnahmen erläutert. Die Beispiele befas-
resignieren und den Beteuerungen der Ver-       sen sich mit Industrie- und Gewerbelärm,
antwortlichen keinen Glauben mehr schen-        Sportlärm, Straßen- und Bahnlärm.
ken, sollen sich die nachfolgenden Artikel
                                                Androsch, Wiesner und Sedmak fokussie-
dem Thema Lärm in der Stadt nähern.
                                                ren das Thema Lärm in der Stadt und seine
Im ersten Beitrag erläutert Matthias Hintz-     Bewältigung aus einem anderen, weiteren
sche vom Umweltbundesamt die EU-Um-             Blickwinkel. Sie betrachten Schall als stän-
gebungslärmrichtlinie, die erstmals einen       digen Begleiter des Menschen und gleich-
gemeinsamen europäischen Ansatz zur             zeitig auch als Lebensraum, denn Schall ist
Minderung der Lärmbelastung der Bevöl-          nicht nur etwas Gefährliches und Bedrohli-
kerung darstellt. Er fasst die Betroffenheit    ches. Ein Leben ohne Schall ist kaum vor-
der Bevölkerung zusammen, die in den Ge-        stellbar. Nach ihrer Auffassung könne die
bieten der ersten Kartierungsphase in den       Raum- und Stadtplanung die Königsdiszi-
untersuchten Regionen und Korridoren er-        plin in der menschengerechten Gestaltung
mittelt wurde.                                  eines Schallwellenmeers sein, weshalb vor
                                                allem dem öffentlichen Raum eine neue
Dr. Thomas Claßen fasst erstmals für
                                                Aufmerksamkeit in Bezug auf akustische
Deutschland die gesundheitlichen Wir-
                                                Verhältnisse geschenkt werden sollte. Sie
kungen von Lärm, die je nach betrach-                                                          Thomas Wehmeier
                                                erläutern, warum die Akustik im umfassen-
teter Lärmquelle jedoch unterschiedlich                                                        Bundesinstitut für Bau-,
                                                den Sinne zu einem Kernbereich stadt- und
ausgeprägt sind, zusammen. Er quantifi-                                                        Stadt- und Raumforschung im
                                                raumplanerischer Tätigkeit werden sollte.      Bundesamt für Bauwesen und
ziert die Wirkungen über umweltbedingte
                                                                                               Raumordnung
Krankheitslast-Berechnungen für Bevölke-        Zum Schluss dann einige Impressionen
                                                                                               Deichmanns Aue 31–37
rungsgruppen. Damit kann die Entschei-          und typische Phrasen, wie wir sie gewöhn-      53179 Bonn
dungsfindung bei umweltpolitischen Maß-         lich auf dem Podium von Politikern erleben     E-Mail:
nahmen unterstützen werden. In dem              (Anregungen inklusive).                        thomas.wehmeier@bbr.bund.de
Stadt statt Lärm - Heft 3.2013 Informationen zur Raumentwicklung - BBSR
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Heft 3.2013                                                                                         III

Kurzfassungen – Abstracts

Matthias Hintzsche:
Lärmsituation in Deutschland unter Berücksichtigung
der EU-Rahmenbedingungen zum Lärmschutz
Noise situation in Germany under consideration of the basic conditions in
the EU regarding noise protection

Zwei Drittel der Einwohner Deutschlands          Two thirds of the inhabitants of Germany
fühlen sich durch Lärm belästigt. Die Situ-      feel disturbed by noise. The situation is com-
ation ist in anderen Ländern Europas ver-        parable in other European countries. With
gleichbar. Mit der EU-Umgebungslärmricht-        the EU Directive on Surrounding Noise a
linie gibt es erstmals einen gemeinsamen         common European approach for the reduc-
europäischen Ansatz zur Verminderung             tion of noise impairments of the popula-
der Lärmbelastung der Bevölkerung. Da-           tion is available for the first time. With this
bei werden nach vergleichbaren Verfahren         approach focuses of noise are determined in
Lärmschwerpunkte durch eine umfassen-            comparable procedures through the compre-
de, strategische Lärmkartierung ermittelt.       hensive, strategic mapping of noise. On the
Auf der Grundlage der Lärmkarten werden          basis of the noise maps, noise action plans
unter aktiver Mitwirkung der Öffentlich-         are prepared with active public participa-
keit Lärm­  aktionspläne aufgestellt. Durch      tion. Through noise action planning it has
die Lärmaktionsplanung konnte vielerorts         been possible to improve the noise situation
die Lärmsituation verbessert werden. Den-        in many places. Nevertheless, great efforts
noch sind auch in Zukunft auf allen Hand-        are still required also in the future at all ac-
lungsebenen noch große Anstrengungen er-         tion levels, in order to achieve noticeable im-
forderlich, um spürbare Verbesserungen für       provements for the population affected by
die vom Lärm betroffene Bevölkerung zu er-       noise. Noise protection policy at the Europe-
reichen. Hierzu leistet die Lärmschutzpolitik    an level makes an essential contribution to
auf europäischer Ebene einen wesentlichen        this.
Beitrag.

Thomas Claßen:
Lärm macht krankt – Gesundheitliche Wirkungen von Lärmbelastungen
in Städten
Noise makes ill – health impacts of noise strain in cities

Lärm ist heutzutage in unserer Lebenswelt        Noise is present everywhere nowadays in
allgegenwärtig, insbesondere im städtischen      our living environment, particularly in ur-
Raum. Lärm – egal ob durch Verkehr, Indus-       ban areas. Noise – no matter if caused by
trie, Freizeitaktivitäten oder Nachbarschaft –   traffic, industry, leisure activities or in the
kann erheblich stören und unser mentales         neighbourhood – can disturb considerably
und soziales Wohlbefinden beeinträchtigen.       and impair our mental and social wellbeing.
Darüber hinaus zeigen wissenschaftliche Er-      Furthermore, scientific findings of the recent
kenntnisse der jüngeren Vergangenheit, dass      past show that noise can already have seri-
Lärm auch weit unterhalb hörorganschä-           ous health impacts far below the noise levels
digender Pegelbereiche bereits schwerwie-        which damage hearing organs (up to strokes
gende gesundheitliche Folgen (bis hin zu         and heart attacks). Meanwhile noise has ad-
Schlaganfall und Herzinfarkt) haben kann.        vanced to one of the main themes in the sec-
Lärm ist inzwischen zu einem der Hauptthe-       tor of environment-based health in Europe.
men auf dem Gebiet der umweltbezogenen           However, depending on the observed source
Gesundheit in Europa avanciert. Je nach be-      of noise, the health impacts have different
trachteter Lärmquelle sind gesundheitliche       expressions. These impacts can be quantified
Stadt statt Lärm - Heft 3.2013 Informationen zur Raumentwicklung - BBSR
IV   Kurzfassungen – Abstracts

     Wirkungen jedoch unterschiedlich ausge-          by environmental burden of disease (EBD)
     prägt. Diese Wirkungen können über um-           calculations for population groups and sup-
     weltbedingte      Krankheitslast-Berechnun-      port decision-making for environmental
     gen (engl. environmental burden of disease,      measures. In the article the results of differ-
     EBD) für Bevölkerungsgruppen quantifiziert       ent EBD studies are compared, which are of-
     werden und die Entscheidungsfindung bei          ten based on data of the reports on the En-
     umweltpolitischen Maßnahmen unterstüt-           vironmental Noise Guideline and thus so far
     zen. In dem Beitrag werden Ergebnisse ver-       mainly depict the large cities.
     schiedener EBD-Studien gegenübergestellt,
     die oftmals auf Daten der Meldungen zur
     Umgebungslärmrichtlinie basieren und so-
     mit bislang vor allem die Großstädte abbil-
     den.

     Timo Heyn, Katrin Wilbert, Sebastian Hein:
     Lärm macht Leer – Auswirkungen von Lärmemissionen auf
     den Immobilienmarkt und die Wohnungswirtschaft
     Noise creates vacancies – impacts of noise emissions on the real estate market
     and the housing industry

     Lärm ist ein belastender wohnungswirt-           Noise is an impairing location factor in
     schaftlicher Standortfaktor. Obwohl gera-        the housing industry. Although road traf-
     de der Straßenverkehr zu den häufigsten          fic in particular belongs to the most fre-
     Lärmquellen gehört, sind die Auswirkun-          quent sources of noise, the impacts of road
     gen des Straßenlärms auf Immobilienpreise        noise on real estate prices are comparative-
     noch vergleichsweise wenig erforscht. Ana-       ly little researched. Analyses on the depend-
     lysen zur Abhängigkeit der Immobilienprei-       ence of real estate prices on different sourc-
     se von unterschiedlichen Lärmquellen ver-        es of noise show that lower price reductions
     deutlichen, dass bei dem im Vergleich zu         become apparent in comparison with other
     anderen Lärmquellen eher flächendecken-          noise sources. Nevertheless, despite compar-
     den Straßenlärm geringere Preisabschläge         atively lower noise-induced price reductions,
     sichtbar werden. Trotz vergleichsweise ge-       the inner city main roads constitute persis-
     ringerer lärmabhängiger Preisabschläge bil-      tent problem areas in an increasing num-
     den dennoch die innerstädtischen Haupt-          ber of cities, in which the use of residential
     verkehrsstraßen in einer zunehmenden             buildings by real estate is temporarily or per-
     Zahl an Städten hartnäckige Problemberei-        manently challenged. In this context it is not
     che, in denen die immobilienwirtschaftli-        noise which creates empty dwellings but a
     che Nutzung von Wohngebäuden tempo-              locally declining demand for housing. Price
     rär oder auch dauerhaft in Frage gestellt ist.   analyses from approximately 70 cities not
     Dabei ist es nicht der Lärm, der Wohnungen       under county administration show the great
     leer stehen lässt, sondern eine lokal rück-      dependence of price reductions and vacan-
     läufige Wohnungsnachfrage. Preisauswer-          cies on the locational differentiation in the
     tungen aus rd. 70 kreisfreien Städten zeigen     inner cities. Particular municipal attention
     die starke Abhängigkeit der Preisabschläge       is required by main street locations that are
     und Leerstände von der innerstädtischen          at the threshold of real estate profitability. In
     Lagedifferenzierung. Besondere kommu-            order to avoid long-term impacts on the ur-
     nale Aufmerksamkeit erfordern die Haupt-         ban structure, small-scale approaches, par-
     verkehrsstraßenstandorte, die sich an der        ticularly communicative strategies, have a
     Schwelle der immobilienwirtschaftlichen          growing significance in the stabilisation of
     Rentabilität bewegen. Um langfristige ne-        inner city main roads.
     gative stadtstrukturelle Folgewirkungen zu
     vermeiden, haben kleinmaßstäbige Ansatz-
     punkte, insbesondere kommunikative Stra-
     tegien, eine wachsende Bedeutung bei der
     Stabilisierung innerstädtischer Hauptver-
     kehrsstraßen.
Stadt statt Lärm - Heft 3.2013 Informationen zur Raumentwicklung - BBSR
Informationen zur Raumentwicklung
Heft 3.2013                                                                                         V

Günter Bönnighausen, Stefan Mundt:
Lärmminderung durch Stadt- und Bauleitplanung – Hamburger
Erfahrungen
Noise reduction through urban and development planning – experiences
in Hamburg

Die wachende Metropole Hamburg hat sich          The growing metropolis of Hamburg has set
zum Ziel gesetzt, Voraussetzungen für den        itself the target of creating the preconditions
jährlichen Bau von 6   000 Wohnungen zu          for the annual construction of 6  000 dwel-
schaffen. Gleichzeitig besteht das stadtent-     lings. At the same time there is the goal of ur-
wicklungspolitische Ziel, Wohnbauflächen-        ban development policy to prevent the de-
entwicklung im Außenbereich zu vermei-           velopment of housing construction space in
den, vorhandene Grünflächen in der Stadt         outer areas, to preserve existing green spaces
zu schützen und den Wohnraumbedarf über          in the city and to meet the requirement for
die Innenentwicklung zu decken.                  housing space with internal development.
Dadurch rücken vermehrt integrierte Stadt-       As a result integrated city locations that are
lagen mit in der Regel enger Nachbarschaft       generally close to impaired transportati-
zu belasteten Verkehrsachsen oder Gewer-         on axes or commercial and industrial areas
be-/Industriegebieten für eine Wohnnut-          move into the focus for housing use.
zung in den Fokus.
                                                 Since one cannot expect any significant area-
Da kurz- bis mittelfristig mit keiner signifi-   wide noise reduction in the city in the short
kanten flächendeckenden Lärmminderung            or medium term and measures of noise re-
in der Stadt zu rechnen ist und Maßnahmen        duction planning take effect only in the very
der Lärmminderungsplanung nur sehr lang-         long term and in certain locations, project-
fristig bzw. lokal begrenzt wirken, müssen       related noise protection measures must be
zur Bewältigung der anstehenden Lärmkon-         applied to solve the impending noise con-
flikte projektbezogene Lärmschutzmaßnah-         flicts – generally without a reduction of the
men zur Anwendung kommen - in der Re-            emissions at the source.
gel ohne Reduzierung der Emissionen an der
                                                 The article gives special consideration to
Quelle.
                                                 the building-architectural noise prevention
Der Beitrag beschäftigt sich insbesondere        measures (design of dwelling layouts, spe-
mit baulich-architektonischen Lärmschutz-        cial window constructions, glazed porches),
maßnahmen (Grundrissgestaltung der Woh-          which are regulated in a binding way in the
nungen, besondere Fensterkonstruktio-            framework of local planning and examines
nen, verglaste Vorbauten), die im Rahmen         the scope and limitations of these measures
der Bebauungsplanung verbindlich geregelt        in the framework of development planning
werden und beleuchtet die Spielräume und         consideration.
Grenzen dieser Maßnahmen im Rahmen der
bauleitplanerischen Abwägung.

Peter Androsch, Florian Sedmak, Jürgen Wiesner:
Das menschengerechte Schallwellenmeer – Von der Lärmvermeidung
zur Akustischen Raumplanung
The humane sea of sound waves– From noise prevention
to acoustic spatial planning

Die Schallwelle ist der ständige Begleiter       The sound wave is the constant companion
des Menschen, das Schallwellenmeer der           of human beings; the sea of sound waves is
Lebensraum des Menschen. Schall wird als         the living environment of humans. Sound
etwas Gefährliches und Bedrohliches be-          is considered as something dangerous and
trachtet, obwohl ein Leben ohne Schall gar       threatening, although life without sound
nicht möglich ist. Die Raum- und Stadt-          is impossible. Spatial and urban planning
planung könnte die Königsdisziplin in der        could be the royal discipline of the humane
Stadt statt Lärm - Heft 3.2013 Informationen zur Raumentwicklung - BBSR
VI   Kurzfassungen – Abstracts

     menschengerechten Gestaltung des Schall-         design of the sea of sound waves. Hence the
     wellenmeers sein. Daher gilt es, vor allem       issue is to pay attention especially to public
     dem öffentlichen Raum neue Aufmerksam-           space with regard to the acoustic conditions.
     keit in Bezug auf akustische Verhältnisse zu     Since acoustics has a constant and varied in-
     zollen. Da Akustik im umfassenden Sinne          fluence upon health, well-being and the pos-
     unablässig und in vielfältiger Weise auf Ge-     sibilities of people to act, it must become a
     sundheit, Wohlbefinden und Handlungs-            core area of spatial planning activity. In this
     möglichkeiten des Menschen wirkt, muss           context the findings from technical acous-
     diese zu einem Kernbereich raumplaneri-          tics should be brought together with those
     scher Tätigkeit werden. Dabei sollten Er-        from descriptive, anthropological and her-
     kenntnisse aus der Technischen Akustik           meneutic acoustics. The guarantee of the ori-
     mit jenen aus der Deskriptiven, Anthropo-        entation function, the balance function and
     logischen und Hermeneutischen Akustik            optimal integration of the senses or the in-
     zusammengeführt werden. Die Gewähr-              tegration of people with hearing and visu-
     leistung von Orientierungsfunktion, Gleich-      al handicaps are essential goals in this con-
     gewichtsfunktion,     optimaler     Sinnesin-    text. Exemplary recommendations for action
     tegration oder die Integration hör- und          show how this can succeed.
     sehbehinderter Menschen sind dabei we-
     sentliche Ziele. Wie das gelingen kann, wird
     durch exemplarische Handlungsanleitun-
     gen dargelegt.

     Thomas Wehmeier:
     Ein Tag gegen Lärm – wird alles besser?
     A day against noise – is everything becoming better?

     Ein fiktiver Aktionstag gegen Lärm. Ein Po-      A fictitious action day against noise. A plat-
     dium in der Fußgängerzone einer Groß-            form in the pedestrian area of a large city.
     stadt. Verschiedene Personen sind gela-          Different persons are invited: politicians, a
     den: Politiker, ein Lärmforscher, ein Richter,   noise researcher, a judge, a librarian, a town
     eine Bibliothekarin, ein Stadtplaner, Bürger.    planner and citizens. Themes such as these
     Es geht um Themen wie die Verbesserun-           are discussed: improvements in the past 35
     gen in den letzten 35 Jahren, störende und       years, disturbing and perceptible chang-
     wahrnehmbare Lärmänderungen, fehlende            es in noise, missing standards for jud­ges, si-
     Maßstäbe für Richter, Stille, verschiedene       lence, different promotion programmes,
     Förderprogramme, Kosten, Maßnahmen im            costs, measures in the railway system such as
     Eisenbahnsystem wie Flüsterbremse, Lärm-         silent brakes, noise rehabilitation, location
     sanierung, Trassenpreise und die komplexe        route prices and the complex task for urban
     Aufgabenstellung für Stadtplaner, wenn Sie       planners if they intend to reduce noise in ex-
     auf Quartiersebene Lärmminderung im Be-          isting neighbourhoods. There are many aims,
     stand betreiben wollen. Es gibt viele Ziele,     much is done and many people are content.
     vieles wird getan und viele sind zufrieden.      Parallel to this, actions such as a listening
     Parallel finden Aktionen wie ein Hörspa-         walk or an auralisation are taking place. Lis-
     ziergang oder eine Auralisation statt. Hör-      tening detectives are on an exploration tour,
     detektive sind auf Erkundungstour, zwi-          in between 15 seconds of silence are sup-
     schendurch sollen 15 Sekunden Ruhe               posed to prevail. The statements on the sub-
     herrschen. Die Aussagen zum Thema Lärm           ject of noise in the election programmes con-
     in den Wahlprogrammen bilden den Ab-             clude the action day.
     schluss.
Informationen zur Raumentwicklung
Heft 3.2013                                                                                                              211

Lärmsituation in Deutschland unter                                                               Matthias Hintzsche

Berücksichtigung der EU-Rahmen­
bedingungen zum Lärmschutz

1   Lärmsituation in Deutschland                  die Lebensqualität mindern. Ähnlich ist die
                                                  Lärmsituation in ganz Europa. So schätzte
 Für die Menschen in Deutschland ist Lärm         bereits 1996 die Europäische Kommission,
 eine der am stärksten empfundenen Um-            dass „rund 20 Prozent der Bevölkerung in
 weltbeeinträchtigungen. Das geht aus einer       der Union, d. h. annähernd 80 Millionen
 repräsentativen Bevölkerungsumfrage zum          Menschen, Lärmpegeln ausgesetzt sind, die
„Umweltbewusstsein in Deutschland 2012“           von Wissenschaftlern und Medizinern als
 (UBA 2013) hervor. Nach der Untersuchung         untragbar angesehen werden, von denen
 fühlen sich rund 54 Prozent der Befragten        sich die meisten Menschen gestört fühlen,
 in ihrem Wohnumfeld durch Straßenver-            die zu Schlafstörungen führen und bei de-
 kehr gestört oder belästigt. An zweiter Stelle   nen gesundheitsschädliche Auswirkungen
 der verkehrsbedingten Lärmbelästigungen          zu befürchten sind. Weitere 170 Millionen
 steht der Schienenverkehr: Bundesweit            Bürger leben in sogenannten „grauen Zo-
 fühlt sich fast jeder Dritte durch Schienen-     nen“, in denen die Lärmbelastung tags-
 verkehr beeinträchtigt. Der Fluglärm stört       über zu starken Belästigungen führt.“ (KOM
 etwas mehr als ein Fünftel der Bevölkerung.      1996). Diese Erkenntnisse waren letztlich
 Der Umfrage zufolge zählen aber auch Ge-         Anlass für die Europäische Kommission, mit
 räusche der Nachbarn zu den bedeutenden          ihrem Grünbuch „Künftige Lärmschutzpoli-
 Ursachen der Lärmbelästigung. So fühlten         tik“ den Anstoß zu einer neuen, kohärenten
 sich dadurch knapp 42 Prozent der Bürge-         Lärmschutzpolitik zu geben (KOM 1996).
 rinnen und Bürger beeinträchtigt. Nur 35         Die Kommission äußerte in diesem Grün-
 Prozent der befragten Bundesbürger haben         buch die Ansicht, dass das lokale Auftreten
 kein Lärmproblem. Zwei Drittel der Ein-          der Lärmwirkungen zwar nahe lege, Lösun-
 wohner Deutschlands, also rund 53 Millio-        gen im Sinne des Subsidiaritätsprinzips vor
 nen, fühlen sich somit durch Lärm belästigt.     allem auf lokaler Ebene zu suchen, aber die
 Dabei ist es nicht selten, dass die Bevölke-     Ursachen der Lärmprobleme oft nicht lokal
 rung von zwei oder mehr unterschiedli-           begründet seien. Aus diesem Grund müsse
 chen Lärmarten gleichzeitig belästigt wird.      durch eine bessere Abstimmung der Maß-
 Lediglich rund 16 Prozent der Bevölkerung        nahmen auf verschiedenen Ebenen eine
 werden nur durch eine Lärmart belästigt,         höhere allgemeine Wirksamkeit erreicht
 die anderen rund 40 Millionen Bürgerinnen        werden. So sei es erforderlich,
 und Bürger leiden unter mindestens zwei          • die herkömmliche Politik der Festlegung
 Lärmarten. Lärm beeinträchtigt aber nicht          produktspezifischer Geräuschemissions-
 nur das subjektive Wohlempfinden und die           grenzwerte fortzuführen,
 Lebensqualität, sondern kann auch krank
                                                  • darüber hinaus aber auch harmonisierte
 machen. Es ist mittlerweile wissenschaft-
                                                    Regelungen für die Geräuschimmission
 lich belegt, dass dauerhafte hohe Lärmbe-
                                                    anzustreben.
 lastungen auch Herz-Kreislauf-Krankheiten
 hervorrufen können. Auf diese wichtige           Dieser neue Ansatz führte zur Veröffent-
 Thematik geht Claßen im nachfolgenden            lichung der „Richtlinie des Europäischen
 Artikel näher ein.                               Parlaments und des Rates über die Bewer-
                                                  tung und die Bekämpfung von Umgebungs-
                                                  lärm“ (Europäische Union 2002) im Amts-
2 Lärmschutzpolitik in Europa                     blatt der Europäischen Gemeinschaften
                                                  am 18. Juli 2002. Die sogenannte EU-Umge-
                                                                                                 Matthias Hintzsche
Nicht nur in Deutschland sind viele Men-          bungslärmrichtlinie ist die erste Richtlinie   UBA – Umweltbundesamt
schen hohen Lärmbelastungen ausgesetzt,           der Europäischen Union, die Regelungen         Fachgebiet I 3.4
die ihre Gesundheit beeinträchtigen und           über Geräuschimmissionen enthält.              matthias.hintzsche@uba.de
Matthias Hintzsche: Lärmsituation in Deutschland unter Berücksichtigung
212   der EU-Rahmenbedingungen zum Lärmschutz

      3 EU-Umgebungslärmrichtlinie                   dem Lande sowie die Umgebung von
                                                     Schulgebäuden, Krankenhäusern und an-
      Die Umgebungslärmrichtlinie legt ein ge-       dere lärmsensible Gebiete fallen unter den
      meinsames Konzept fest, um schädliche          Geltungsbereich der Richtlinie. Dabei wer-
      Auswirkungen, einschließlich Belästigung       den unter Umgebungslärm unerwünschte
      durch Umgebungslärm auf der Grundlage          oder gesundheitsschädliche Geräusche im
      von Prioritäten zu verhindern, ihnen vorzu-    Freien verstanden, die durch Aktivitäten
      beugen oder sie zu mindern. Dazu sollen:       von Menschen verursacht werden. Dieser
      • die Belastung durch Umgebungslärm            Begriff schließt den Lärm durch Straßen-,
        nach für die Mitgliedstaaten gemeinsa-       Schienen- und Luftverkehr sowie durch in-
        men Bewertungsmethoden festgestellt          dustrielle Tätigkeiten ein. Die weitgehende
        werden;                                      Definition verdeutlicht, dass das Ziel der
                                                     Richtlinie nicht nur die Bekämpfung des
      • die Information der Öffentlichkeit über      Lärms in lauten Gebieten ist, sondern auch
        Umgebungslärm und seine Auswirkun-           die Bewahrung der Ruhe in bisher relativ
        gen sichergestellt werden;                   leisen Gebieten. Dabei bleibt es den Mit-
      • auf der Grundlage der Ergebnisse von         gliedstaaten überlassen, selbst Kriterien
        Lärmkarten Aktionspläne aufgestellt          für „ruhige Gebiete“ festzulegen. Trotz des
        werden mit dem Ziel, den Umgebungs-          weitgefassten Geltungsbereichs werden
        lärm insbesondere in Fällen, in denen        von der Richtlinie nicht alle Lärmarten er-
        das Ausmaß der Belastung gesundheits-        fasst. So gilt sie nicht für Nachbarschafts-
        schädliche Auswirkungen haben kann,          lärm, Lärm durch Tätigkeiten innerhalb von
        zu verhindern und zu mindern und eine        Wohnungen, Lärm am Arbeitsplatz und in
        Erhöhung der Umgebungslärmbelastung          Verkehrsmitteln sowie Lärm durch militäri-
        in den Fällen zu verhindern, in denen die    sche Aktivitäten auf Militärgeländen. Auch
        Bedingungen zufriedenstellend sind.          der Lärm von Sport- und Freizeitanlagen,
      Die Richtlinie ist ein Einstieg in die Be-     Baulärm und Schießlärm unterliegen nicht
      kämpfung des Umgebungslärms auf der            dem Geltungsbereich der Richtlinie. Für
      europäischen Ebene. Deshalb sind die An-       die Minderung dieser Lärmquellen sind in
      forderungen relativ weich. Es werden nur       Deutschland die nationalen Lärmschutz-
      generelle Ziele angegeben; wie schädliche      vorschriften anzuwenden.
      Auswirkungen, einschließlich Belästigung,
      zu verhindern, ihnen vorzubeugen oder          3.2 Anforderungen an
      sie zu mindern. Konkrete Instrumente und           die Mitgliedstaaten
      Maßnahmen zur Lärmminderung, wie
                                                     Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, dafür
      zum Beispiel Immissionsgrenzwerte, wer-
                                                     zu sorgen, dass die folgenden Maßnahmen
      den nicht genannt. Dennoch ist die Umge-
                                                     in ihrem jeweiligen Geltungsbereich umge-
      bungslärmrichtlinie eine wertvolle Hilfe bei
                                                     setzt werden:
      der Lärmbekämpfung, da sie eine Grundla-
      ge für die Einführung und Fortentwicklung      • Die Ermittlung und Darstellung der
      von Gemeinschaftsmaßnahmen zur Minde-            Lärmbelastung innerhalb der in der
      rung der wichtigsten Lärmquellen ist. Dies       Richtlinie festgelegten Gebiete (strategi-
      sind insbesondere Straßen-, Schienen- und        sche Lärmkarten);
      Luftfahrzeuge, Infrastruktureinrichtungen,
                                                     • die Aufstellung von Aktionsplänen, wenn
      Geräte, die für die Verwendung im Freien
                                                       bestimmte, von den einzelnen Mitglied-
      vorgesehen sind, Ausrüstung für die Indus-
                                                       staaten in eigener Verantwortung festge-
      trie sowie bewegliche Maschinen.
                                                       legte Kriterien erfüllt sind (Lärmaktions-
                                                       planung);
      3.1 Geltungsbereich der Richtlinie
                                                     • die Information der Öffentlichkeit über
      Die Richtlinie soll den Umgebungslärm
                                                       Lärmkarten und die Beteiligung der Öf-
      mindern, dem Menschen in vielfältigen
                                                       fentlichkeit bei der Aufstellung von Ak­
      Bereichen ausgesetzt sind. Das betrifft
                                                       tionsplänen;
      bebaute Gebiete ebenso wie öffentliche
      Parks oder andere ruhige Gebiete eines         • die Berichterstattung gegenüber der
      Ballungsraumes. Auch ruhige Gebiete auf          Kommission über die Anzahl der von be-
Informationen zur Raumentwicklung
Heft 3.2013                                                                                                              213

  stimmten Geräuschimmissionen betrof-          Tabelle 1
  fenen Bürgerinnen und Bürger.                 Zeitplan für die Erarbeitung von Lärmkarten und Aktionsplänen

                                                 Quelle                           Lärmkarten             Aktionspläne
                                                                                      bis                     bis
3.3 Lärmkartierung
                                                Ballungsräume
Nach der Umgebungslärmrichtlinie soll           > 250  000 Einwohner              30. Juni 2007          18. Juli 2008
die Lärmbelastung an Hauptverkehrsstra-         > 100  000 Einwohner              30. Juni 2012          18. Juli 2013
ßen, Haupteisenbahnstrecken, Großflug-          Hauptverkehrsstraßen

häfen und in Ballungsräumen erfasst und         > 6 Mio Fahrzeuge/Jahr            30. Juni 2007          18. Juli 2008
                                                > 3 Mio Fahrzeuge/Jahr            30. Juni 2012          18. Juli 2013
in strategischen, das heißt großräumigen,
                                                Haupteisenbahnstrecken
Lärmkarten dargestellt werden. Dies soll in
                                                > 60  000 Züge/Jahr               30. Juni 2007          18. Juli 2008
zwei Stufen geschehen: in Stufe 1 für stärker   > 30  000 Züge/Jahr               30. Juni 2012          18. Juli 2013
belastete und in Stufe 2 auch für weniger       Großflughäfen
belastete Gebiete (vgl. Tab. 1). Die strate-    > 50  000 Bewegungen/Jahr         30. Juni 2007          18. Juli 2008
gischen Lärmkarten sind getrennt für die
                                                Quelle: eigene Darstellung
einzelnen Lärmquellenarten und jeweils
gemittelt über den gesamten Tag und die         3.4 Aktionspläne
Nacht anzufertigen. Alle fünf Jahre sind die
Lärmkarten zu überprüfen und bei Bedarf         Auf der Grundlage der strategischen Lärm-
zu überarbeiten.                                karten sind Aktionspläne auszuarbeiten,
                                                die konkrete Maßnahmen zur Lärmmin-
Die Umgebungslärmrichtlinie schreibt die        derung vorgesehen. Die Aufstellung der
Darstellung der Lärmbelastung durch die         Aktions­pläne erfolgt ebenso wie die Lärm-
einzelnen Lärmquellen separat vor. Eine         karten in zwei Stufen: Zunächst müssen sie
wirkungsgerechte kumulative Betrachtung         für stärker belastete Gebiete erarbeitet wer-
der Lärmbelastung durch alle einwirken-         den. In der zweiten Stufe sind dann auch
den Quellenarten ist nicht vorgesehen.          für weniger stark lärmbelastete Gebiete Ak-
Grundsätzlich ist eine solche Betrachtung       tionspläne auszuarbeiten. Die Endtermine
durch die kürzlich erschienene VDI 3722-        für die Aufstellung der Aktionspläne liegen
2 „Wirkung von Verkehrsgeräuschen, Teil  2:     rund ein Jahr später als die für die Lärmkar-
Kenngrößen beim Einwirken mehrerer              ten (vgl. Tab. 1). Aktionspläne sollen eben-
Quellenarten“ jedoch insbesondere bei der       falls alle fünf Jahre überprüft und erforder-
Lärmaktionsplanung möglich. Dadurch             lichenfalls überarbeitet werden; das gleiche
können Mehrfachbelastungen quantita-            gilt auch im Falle einer bedeutsamen Ent-
tiv bewertet werden. Auf dieser Grundlage       wicklung.
kann im Rahmen der Lärmaktionsplanung
                                                Aktionspläne sind aufzustellen, wenn rele-
eine Priorisierung der einzelnen Maßnah-
                                                vante (nationale) Grenzwerte oder von den
men zur Lärmminderung vorgenommen
                                                Mitgliedstaaten festgelegte Kriterien über-
werden.
                                                schritten werden. Über die Art der Krite­rien
Für die Beschreibung der Lärmbelastung          macht die Richtlinie keine Aussagen; sie
werden EU-weit einheitliche Lärmindizes         müssen jedoch der Kommission gegenüber
verwendet, um eine Vergleichbarkeit der Er-     offen gelegt werden. Die Aktionspläne sol-
gebnisse zu ermöglichen. Als Kenngrößen         len Lärmprobleme lösen beziehungsweise
werden der Tag-Abend-Nacht-Lärmindex            mindern. Die konkreten Maßnahmen zur
(LDEN) und der Nachtlärmindex (LNight) be-      Lärmminderung sind in das Ermessen der
nutzt. Der LDEN wurde als Maß für die allge-    zuständigen Behörden gestellt. Anhang V
meine Belästigung und der LNight als Maß für    der Richtlinie enthält lediglich Mindest-
die Störungen des Schlafes eingeführt. LNight   anforderungen für Aktionspläne, die eher
ist ein Mittelungspegel nur für die Nacht-      formaler Art sind und keine technisch/pla-
zeit, während sich der LDEN auf den gesam-      nerischen Anforderungen stellen. Die er-
ten 24-stündigen Tag bezieht. In den LDEN       forderlichen Maßnahmen können nur vor
gehen Gewichtsfaktoren von 5 dB(A) bzw.         Ort entwickelt und durchgeführt werden.
10 dB(A) für die vierstündige Abendzeit und     Deshalb beschränkt sich die Richtlinie auf
die achtstündige Nachtzeit ein. Die Beurtei-    allgemeine Hinweise, welche Maßnahmen
lungszeit zur Ermittlung dieser Kenngrößen      in Betracht gezogen werden können: Maß-
beträgt ein Jahr.                               nahmen im Bereich der Verkehrsplanung,
Matthias Hintzsche: Lärmsituation in Deutschland unter Berücksichtigung
214   der EU-Rahmenbedingungen zum Lärmschutz

      der Raumordnung sowie technische Maß-           • Vorläufige Berechnungsmethode für
      nahmen, Maßnahmen auf dem Ausbrei-                den Umgebungslärm an Schienenwegen
      tungsweg, verordnungsrechtliche oder wirt-        (VBUSch)
      schaftliche Maßnahmen oder Anreize.
                                                      • Vorläufige Berechnungsmethode für den
                                                        Umgebungslärm an Flugplätzen (VBUF)
      3.5 Information der Öffentlichkeit
                                                      • Vorläufige Berechnungsmethode für den
      Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaa-     Umgebungslärm durch Industrie und
      ten zu größtmöglicher Transparenz. Die            Gewerbe (VBUI).
      strategischen Lärmkarten müssen der Öf-
      fentlichkeit – auch unter Einsatz der verfüg-   Darüber hinaus wurde ein Verfahren zur
      baren Informationstechnologien – zugäng-        Ermittlung der Belastetenzahlen erarbeitet,
      lich gemacht und an sie verteilt werden.        das in der „Vorläufigen Berechnungsme-
      Bei der Erarbeitung von Aktionsplänen           thode zur Ermittlung der Belastetenzahlen
      müssen die Mitgliedstaaten der Öffentlich-      durch Umgebungslärm (VBEB)“ beschrie-
      keit ermöglichen, daran mitzuwirken. Die        ben ist.
      Ergebnisse dieser Mitwirkung sollen be-         Das BImSchG definiert in §  47e die Zu-
      rücksichtigt werden. Über die getroffenen       ständigkeiten. Danach sind generell die
      Entscheidungen ist die Öffentlichkeit zu        Gemeinden oder die nach Landesrecht zu-
      unterrichten.                                   ständigen Behörden für die Lärmkartierung
                                                      und Lärmaktionsplanung verantwortlich.
      3.6 Umsetzung in nationales Recht               Im Bereich der Lärmaktionsplanung an
                                                      Schienenwegen der Eisenbahnen des Bun-
      Die Umgebungslärmrichtlinie wurde in
                                                      des erhalten die Kommunen die Lärmkar-
      Deutschland per Gesetz und Rechtsverord-
                                                      ten vom Eisenbahn-Bundesamt, das für die
      nung umgesetzt. Zunächst trat am 30. Juni
                                                      Kartierung der bundeseigenen Schienenwe-
      2005 ein neuer Sechster Teil des Bundes-
                                                      ge zuständig ist. Mit dem „Elften Gesetz zur
      Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) in
                                                      Änderung des Bundes-Immissionsschutz-
      Kraft. Darin werden die grundlegenden
                                                      gesetzes“ wird das Eisenbahn-Bundesamt
      Anforderungen an die Aufstellung von
                                                      ab dem 1. Januar 2015 auch für die Aufstel-
      Lärmkarten und Lärmaktionsplänen sowie
                                                      lung eines bundesweiten Lärmaktionspla-
      die Öffentlichkeitsbeteiligung und die Zu-
                                                      nes für die Haupteisenbahnstrecken des
      ständigkeiten geregelt. Auf der Grundlage
                                                      Bundes mit Maßnahmen in Bundeshoheit
      des §  47f BImSchG trat am 16. März 2006
                                                      zuständig sein. Darüber hinaus wirkt es an
      die „Verordnung über die Lärmkartierung –
                                                      den Lärmaktionsplänen für Ballungsräume
      34.  Bundes-Immissionsschutzverordnung
                                                      mit.
      (BImSchV)” in Kraft. Die Rechtsverordnung
      gilt für die Kartierung von Umgebungslärm
      und konkretisiert die Anforderungen an          3.7 Ergebnisse der ersten Stufe
      Lärmkarten. Sie beinhaltet neben der Defi­          der Umgebungslärmrichtlinie
      nition der zu verwendenden Lärmindizes          In Deutschland wurden in der ersten Stufe
      und Aussagen zur Datenerhebung sowie            der Lärmkartierung (vgl. Tab. 1) für
      Datenübermittlung auch detaillierte Anfor-
                                                      • 27 Ballungsräume,
      derungen an die Ausarbeitung von Lärm-
      karten. Weiterhin werden die Information        • 17  000 km Hauptverkehrsstraßen,
      der Öffentlichkeit und die Übermittlung der
                                                      • 4  400 km Haupteisenbahnstrecken und
      Lärmkarten geregelt.
                                                      • 9 Großflughäfen.
      Zur Ermittlung der Lärmbelastung passte
      Deutschland die vorhandenen nationalen          Lärmkarten erstellt. Die Ergebnisse der
      Berechnungsverfahren an die Erfordernis-        Lärmkartierung zeigen, dass weite Teile der
      se der Richtlinie an. Diese Arbeiten führten    Bevölkerung von hohen Lärmbelastungen
      zu den „Vorläufigen Berechnungsverfahren        betroffen sind (vgl. Tab. 2). Insbesondere in
      für den Umgebungslärm“ vom 22. Mai 2006,        Ballungsräumen ist der Anteil des Straßen-
      die im Bundesanzeiger veröffentlicht wur-       verkehrslärms hoch (vgl. Abb. 1).
      den:
                                                      Die Lärmkartierung der zweiten Stufe ist in
      • Vorläufige Berechnungsmethode für den         Deutschland in weiten Teilen abgeschlos-
        Umgebungslärm an Straßen (VBUS)               sen. Der Kartierungsumfang hat sich um
Informationen zur Raumentwicklung
Heft 3.2013                                                                                                    215

Abbildung 1
Durch Straßenverkehrslärm betroffene Menschen

Quelle: Umweltbundesamt (UBA)

den Faktor zwei bis drei erhöht. Insgesamt
wurden
                                                Tabelle 2
• 71 Ballungsräume,                             Betroffene der Lärmkartierung
                                                                         Betroffene laut Lärmkartierung
• 45  000 km Hauptverkehrsstraßen,              Quelle
                                                                                der ersten Stufe
• 13  700 km Haupteisenbahnstrecken und                                LDEN > 55 dB(A)     LNight > 50 dB(A)

• 11 Großflughäfen                              Straßenverkehrslärm          6  735  300      4  287  500

                                                Schienenverkehrslärm         4  562  600      3  722  800
hinsichtlich der Lärmbelastung untersucht.
                                                Fluglärm                       746  500         259  100
Die Bundesländer stellen die Kartierungs-
ergebnisse gegenwärtig zusammen und             Quelle: eigene Darstellung
Matthias Hintzsche: Lärmsituation in Deutschland unter Berücksichtigung
216   der EU-Rahmenbedingungen zum Lärmschutz

      Abbildung 2
      Lärmkartierte Gemeinden mit Meldungen zur Lärmaktionsplanung

      Quelle: Umweltbundesamt (UBA)

      übermitteln diese an den Bund zur Daten-      Gemeinden mit Meldungen zur Lärmak­
      berichterstattung an die Europäische Kom-     tionsplanung. Dies entspricht 54 % der Be-
      mission.                                      völkerung in Deutschland (vgl. Abb. 2). In
                                                    570 Gemeinden wurde die Erarbeitung des
      3.8 Durchführung der Lärmaktions­             Lärmaktionsplans abgeschlossen, in weite-
          planung in Deutschland                    ren 264 Gemeinden lag dieser im Entwurf
                                                    vor. In den verbleibenden Gemeinden wird
      Bis zum 18. Juli 2012 lagen dem Umwelt-       entweder das Erfordernis zur Aufstellung
      bundesamt als benannte Stelle nach §  47d     noch geprüft beziehungsweise die Erarbei-
      Abs. 7 BImSchG 1  288 Meldungen zur           tung wurde zurückgestellt oder als nicht er-
      Lärm­aktionsplanung vor. Danach leben         forderlich eingestuft. Dies war etwa der Fall,
      insgesamt 44 Millionen Personen in den        wenn keine Bewohnerinnen und Bewohner
Informationen zur Raumentwicklung
Heft 3.2013                                                                                              217

von den kartierten Lärmquellen betroffen                 grundsätzlich für alle kartierungspflichti-
waren. Die Anzahl der mit Lärmschutzfra-                 gen Bereiche durchzuführen. Demgegen-
gen befassten Gemeinden ist gegenüber der                über gibt es in dichter besiedelten Regionen
Zeit vor Umsetzung der EU-Umgebungs-                     mit größeren Ballungsräumen bestimmte
lärmrichtlinie gestiegen (Heinrichs 2002).               Einschränkungen. So wurden beispielswei-
Bezogen auf die rund 3  700 lärmkartierten               se in Nordrhein-Westfalen recht hohe Aus-
Gemeinden wird jedoch auch deutlich, dass                lösewerte von LDEN 70 dB(A) oder LNight 60
in zahlreichen Gemeinden noch Hand-                      dB(A) empfohlen. Die Gründe hierfür liegen
lungsbedarf besteht.                                     in der schwierigen Situation in Großstädten,
                                                         in denen zum Teil hohe Lärmpegel auftre-
Viele Kommunen kritisieren das Fehlen
                                                         ten, aber aufgrund finanzieller Restrik­tion
von verbindlichen Auslösekriterien für die
                                                         eine konsequente, deutliche Lärmminde-
Lärmaktionsplanung, weil dies die Notwen-
                                                         rung derzeit nicht flächendeckend möglich
digkeit einer derartigen Planung in Frage                ist.
stellen kann. Einheitliche und verbindli-
che Auslösewerte könnten daher zu einer                  Neben den Kriterien selbst ist auch deren
weiteren Verbreitung der Lärmaktionspla-                 Veröffentlichungsform in den einzelnen
nung beitragen. Als Auslösekriterien für die             Bundesländern unterschiedlich. Während
       ­
Lärmaktionsplanung sollten aus Sicht des                 Nordrhein-Westfalen seine Empfehlungen
                                                         in einem Runderlass publizierte, haben die
Umweltbundesamtes möglichst folgende
Kriterien verwendet werden:                              meisten Länder ihre Empfehlungen in in-
                                                         formellen Leitfäden und Arbeitshilfen fest-
 Umwelt-            Zeitraum        LDEN       LNight
 ­hand­lungs­ziel                                        gelegt oder auf eine Empfehlung verzichtet.
 Vermeidung von
 Gesundheits­       kurzfristig    65 dB(A)   55 dB(A)
                                                         Die Kommunen entwickeln in den Aktions-
 gefährdung                                              plänen überwiegend Maßnahmen gegen
 Minderung der                                           die wichtigste Lärmquelle, den Straßenver-
                      mittel­
 erheblichen                       60 dB(A)   50 dB(A)
                      fristig                            kehr. Das Maßnahmenspektrum ist breit
 Belästigung
 Vermeidung                                              angelegt. Es reicht von langfristig-strategi-
 von erheblicher    lang­fristig   55 dB(A)   45 dB(A)   schen Ansätzen der Verkehrsvermeidung
 Belästigung
                                                         bis zu kurzfristig realisierbaren und wenig
Kriterium ist die Überschreitung einer der               aufwendigen Maßnahmen wie straßenver-
beiden Werte – des LDEN oder des LNight. Da              kehrsbehördlichen Anordnungen. Bei der
es in großen Städten jedoch unrealistisch                Durchführung der Lärmaktionsplanung
erscheint, in allen bewohnten Gebieten                   ergeben sich Synergien, die genutzt wer-
oberhalb von 65 dB(A)/55 dB(A) kurzfristig               den sollten. So haben viele lärmmindernde
den Lärm zu mindern, könnte in diesem                    Maßnahmen auch Auswirkungen auf die
Fall folgende Priorisierung vorgenommen                  Verkehrssicherheit, die Qualität des Ver-
werden:                                                  kehrsflusses oder die Kapazität des Straßen-
                                                         netzes.
1. Priorität: LDEN > 70 dB(A) / LNight > 60
                                                         Von den in den Lärmaktionsplänen ge-
   dB(A) in Verbindung mit Betroffen­
                                                         nannten Maßnahmen entfielen 70 Pro-
   heiten,
                                                         zent auf Maßnahmen im Verkehrsbereich
2. Priorität: LDEN > 65 dB(A) / LNight > 55              und rund ein Viertel auf Schallschutzwän-
   dB(A) in Verbindung mit Betroffen­                    de, -wälle und -fenster. Nur wenige Lärm-
   heiten,                                               minderungsmaßnahmen wurden in der
                                                         Bauleitplanung oder anderen Bereichen
3. Priorität: weitere Bereiche mit Lärm­
                                                         ergriffen. Ein Vergleich der geplanten Maß-
   problemen.
                                                         nahmen mit der Lärmminderungsplanung
In der Praxis werden in den Ländern und                  nach §  47a BImSchG a. F. im Jahr 2000 zeigt
Kommunen unterschiedliche Kriterien                      keine wesentlichen Änderungen der Maß-
für die Lärmaktionsplanung angewendet.                   nahmenarten (Heinrichs 2002). Im Ver-
Die Kriterien werden häufig auf der Basis                gleich zu damals hat jedoch die Bedeutung
der Landesstruktur und Gemeindegröße                     des Straßenneubaus bei Ortsumfahrungen
festgelegt. Die strengsten Empfehlungen                  abgenommen, während die Maßnahmen
bestehen in den vergleichsweise dünnbe-                  des passiven Schallschutzes etwas stärker
siedelten Ländern Saarland und Schles-                   in den Vordergrund gerückt sind. Ebenfalls
wig-Holstein. Dort ist die Aktionsplanung                zugenommen hat die Bedeutung der Fahr-
Matthias Hintzsche: Lärmsituation in Deutschland unter Berücksichtigung
218   der EU-Rahmenbedingungen zum Lärmschutz

      bahnerneuerung, was zumindest teilweise                            ger Gebiete gibt es allerdings weder auf EU-
      an der Förderung im Konjunkturpaket II                             noch auf Bundesebene. Dies sorgt in vielen
      liegen dürfte.                                                     Kommunen für Verunsicherung. Auch aus
                                                                         diesem Grund ist die Beschäftigung mit
      Die Bedeutung des Lärmaktionsplans
                                                                         diesem Thema noch nicht sehr weit ver-
      für die Maßnahmenumsetzung ist unter-
                                                                         breitet. Nur rund ein Viertel der Meldungen
      schiedlich. Manche Maßnahmen, wie die
                                                                         zur Lärmaktionsplanung enthält Angaben
      Förderung des Umweltverbundes und der
                                                                         zu ruhigen Gebieten. Dabei ist das Ange-
      Straßenneubauten, werden zwar häufig in
                                                                         bot an wohnungsnahen Erholungsgebie-
      Lärmaktionsplänen genannt, tatsächlich
                                                                         ten, in denen man „zur Ruhe kommt“, ein
      werden diese aber meist aufgrund ande-
                                                                         wichtiges Qualitätsmerkmal von dicht be-
      rer Planungen realisiert. Anders ist dies bei
                                                                         siedelten (Innen-)Städten. Für die subjek-
      Geschwindigkeitssenkungen im Straßen-
                                                                         tive Wahrnehmung sind neben der reinen
      verkehr, bei der Erneuerung von Fahrbahn-
                                                                         Lärmbelastung auch andere Faktoren wich-
      belägen und beim passiven Schallschutz.
                                                                         tig. In den Kommunen, die ruhige Gebiete
      Für die Umsetzung dieser Maßnahmen
                                                                         ausweisen, geschieht dies daher meist nicht
      ist häufig allein der Lärmaktionsplan aus-
                                                                         nur auf der Grundlage von Lärmindizes.
      schlaggebend. Abbildung 3 zeigt die relative
                                                                         Berücksichtigt werden häufig auch geeig-
      Häufigkeit der in den Lärmaktionsplänen
                                                                         nete Flächennutzungen und andere Eigen-
      genannten Maßnahmen (UBA 2011).
                                                                         schaften wie allgemeine Aufenthaltsquali-
      Anders als bei den Maßnahmen gegen hohe                            tät, Zugänglichkeit oder die Lage. Manche
      Lärmbelastungen steht bei den sogenann-                            Städte bilden unterschiedliche Gebietska-
      ten ruhigen Gebieten der Vorsorgege­danke                          tegorien, um zusammenhängende Gebiete
      im Vordergrund. Die Ruhe soll in diesen                            auch dann einzubeziehen, wenn sie durch
      Gebieten erhalten bleiben; sie sind also ge-                       Lärmquellen wie zum Beispiel Straßen zer-
      gen eine Zunahme des Lärms zu schützen.                            schnitten werden.
      Genaue Definitionen für die Auswahl ruhi-

      Abbildung 3
      Häufigkeit der in den Lärmaktionsplänen genannten Lärmminderungsmaßnahme

                                                     Betriebsbeschrän-
                                                    kungen Flugverkehr

                                                                                            Fahrbahnbelag
                                                Verkehrs-
                                                 verlage-
                                                  rungen
                                                                                              und Gleise
          Schallschutz-                                          Geschwindig-
          wände, wälle                                           keitssenkung
                                                                                           Städtebauliche
                                                                                            Maßnahmen       Parkraum-
                                                                                                             planung

                                       Verbesserung         Lärmarme
                                       des Verkehrs-        Fahrzeuge
           Sonstige
          Maßnahmen
                                          flusses                                         Straßen-
                                                                                          neubau
                                             Sonstige
                                            Maßnahmen
                                                              Schallschutz-
                        Förderung
                                             Verkehr
                                                                 fenster
                       des Umwelt-
                        verbundes
                                            Verkehrs-                      Maßnahmen
           Verkehrs-                       beruhigung                      LKW-Verkehr
           bündelung

                       Berücksichti-
                       gung weiterer
                        Planungen

      Quelle: Umweltbundesamt (UBA)
Informationen zur Raumentwicklung
Heft 3.2013                                                                                   219

Die Information und Beteiligung der Öf-        gibt, hat die Europäische Kommission die
fentlichkeit ist für den gesamten Prozess      Gemeinsame Forschungsstelle (JRC) mit
der Lärmaktionsplanung verbindlich vor-        deren Entwicklung beauftragt. In verschie-
geschrieben. Dabei soll die Öffentlichkeit     denen Arbeitsgruppen wurden unter Betei-
nicht nur informiert werden, sondern sie       ligung von Experten aus den Mitgliedstaa-
muss rechtzeitig die Möglichkeit erhalten,     ten die Grundlagen dafür erarbeitet. Das
an der Aktionsplanung mitzuwirken. Die         Umweltbundesamt koordiniert nicht nur
Planung soll die Ergebnisse dieser Mit-        die Arbeiten der deutschen Experten, son-
wirkung berücksichtigen. Zudem soll die        dern wirkt auch aktiv in den Arbeitsgrup-
Öffentlichkeit über die getroffenen Ent-       pen mit. In einer zweiten Phase sollen nun
scheidungen informiert werden. Die Anfor-      die für die Anwendung in verschiedenen
derungen an die Öffentlichkeitsbeteiligung     Mitgliedstaaten notwendigen Datenbanken
sind also hoch. Eine Konkretisierung – wie     erstellt und die entwickelten Bewertungs-
etwa in den formalisierten Bauleitplanver-     verfahren getestet werden. Die Europäische
fahren – gibt es jedoch nicht. Die Kommu-      Kommission beabsichtigt, die harmonisier-
nen haben daher große Handlungsspiel-          ten Bewertungsverfahren vor der Lärmkar-
räume bei der Anwendung der möglichen          tierung im Jahr 2017 zu veröffentlichen.
Beteiligungsinstrumente. Sinnvoll ist in der
Regel ein Methodenmix, der unterschied­
liche Bevölkerungsgruppen anspricht, bei-      4 Lärmschutz an der Quelle
spielsweise über Bürgerversammlungen,
Internet und Pressemitteilungen. In der        Neben der Lärmminderungsplanung auf
Aktionsplanung der ersten Stufen haben         kommunaler und nationaler Ebene sind
die meisten Gemeinden die Öffentlichkeit       Minderungsmaßnahmen an den Lärm-
informiert und beteiligt. Je Gemeinde wur-     quellen notwendig. Sie haben gegenüber
den durchschnittlich zwei Formen der Öf-       nur lokal wirksamen Lärmschutzwänden
fentlichkeitsbeteiligung durchgeführt. Die     oder -fenstern den Vorteil, dass sie ortsun-
häufigsten Instrumente waren die Ausle-        abhängig wirken. Aus diesem Grund befasst
gung des Lärmaktionsplans, die öffentliche     sich die EU-Lärmschutzpolitik schon seit
Präsentation und Diskussion in politischen     Jahrzehnten mit dieser effektiven Minde-
Ausschüssen, Diskussionsveranstaltungen        rungsmöglichkeit. So bestehen bereits seit
und Information beziehungsweise Beteili-       1970 europaweit einheitliche Geräusch-
gung über das Internet.                        grenzwerte für Pkw, Lkw und Busse. Sie
                                               wurden in der Zwischenzeit mehrfach ver-
Die Wirkung der Öffentlichkeitsbeteiligung     schärft, die aktuellen Werte stammen aus
wird in den Kommunen mit entsprechen-          dem Jahr 1996. Messungen haben jedoch
den Erfahrungen überwiegend positiv ein-       gezeigt, dass die deutliche Senkung der
geschätzt. In einer Befragung war eine rela-   Emissionsgrenzwerte nur zu einer geringen
tive Mehrheit der Gemeinden der Meinung,       Lärmentlastung der Bevölkerung geführt
dass die Öffentlichkeitsbeteiligung wertvoll   hat. Eine wesentliche Ursache für diese Dis-
ist und dadurch das Problembewusstsein         krepanz ist darin zu sehen, dass das Mess-
für das Thema Lärm gestärkt wurde (UBA         verfahren für die Geräuschtyp-Prüfung die
2011). Auch die Akzeptanz der Planung in       Betriebszustände im realen Straßenverkehr
der Öffentlichkeit wurde überwiegend po-       nur unzureichend abbilden. Aus diesem
sitiv gesehen. Die verbreitete Befürchtung,    Grund hat die UN-Wirtschaftskommission
dass die Lärmaktionsplanung mit einer in-      für Europa (UNECE) ein neues Messver-
tensiven Öffentlichkeitsbeteiligung zu hohe    fahren entwickelt. Nach aktuellen Berech-
Erwartungen wecken könnte, hat sich in der     nungen des Umweltbundesamtes werden
Regel nicht bestätigt.                         die diskutierten Grenzwertvorschläge un-
                                               ter Einbeziehung des zu erwartenden Ver-
3.9 Weiterentwicklung                          kehrswachstums nur eine Entlastung von
    der Umgebungslärmrichtlinie                etwa einem Dezibel bringen (UBA 2012).
                                               Für eine weitergehende Entlastung müss-
Ein wesentliches Ziel der Umgebungslärm-
                                               ten insbesondere die Grenzwerte für Reifen
richtlinie ist die Erfassung und Bewertung
                                               weiter verschärft werden.
der Lärmbelastung nach einheitlichen Kri-
terien. Da es gegenwärtig noch keine EU-       Auch für Motorräder novelliert die EU der-
weit harmonisierten Bewertungsverfahren        zeit das Prüfverfahren und die Geräusch-
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