Aktuell Im Wald wächst Vielfalt - 3|2019 - Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
3. Quartal 2019; ISSN 1435-4098; Einzelpreis: € 5,– aktuell 3|2019 Ausgabe 122 Im Wald wächst Vielfalt Das Magazin der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft im Zentrum Wald-Forst-Holz Weihenstephan
Inhalt Biodiversität Wald & Mehr 6 Wälder und ihre Biodiversität 45 Biomasse aus dem Wald: Alois Zollner, Stefan Müller-Kroehling und Thomas Kudernatsch Mit dem »Energie-Atlas Bayern« Florian Renner, Jutta Gerlach und Herbert Borchert 13 Sonderstandorte – Schatztruhen der Biodiversität Stefan Müller-Kroehling 47 Lagegenaue Erfassung von Bäumen 17 Farbenprächtiger Unterwasserdrache aus dem Flugzeug Christoph Straub und Rudolf Seitz wird Lurch des Jahres Patrick Bilan 50 Sanierung beschädigter Rückegassen Siegfried Waas 20 Spechte – Schirmarten im Waldnaturschutz Martin Lauterbach und Simon Schwaiger 53 Landwirtschaftliche Nutzgebäude aus Holz Yuan Jiang, Philipp Dietsch und Stefan Winter 24 13 Jahre Fledermausmonitoring im Hienheimer Forst 56 Neue Wanzenart entdeckt Deutschland Hans-Jürgen Hirschfelder Olaf Schmidt 28 Walddynamik in der »Echinger Lohe« 57 Waldschutzsituation in Bayern 2018 Thomas Kudernatsch, Markus Blaschke und Markus Cornelia Triebenbacher, Ludwig Straßer, Hannes Lemme, Bernhardt-Römermann Gabriela Lobinger, Karin Bork, Nicole Burgdorf und Ralf Petercord 33 Vielfältige Pionierbaumarten Olaf Schmidt 6 13 Wälder und ihre Biodiversität: Die Mischung machts, aber nicht nur was die Baum Sonderstandorte – Schatztruhen der Biodiversität: Wenn es irgendwo arten betrifft. Vielfalt ist auch ganz groß geschrieben bei Waldstrukturen und im Wald in Sachen Artenvielfalt abgeht, dann nicht gerade auf Null Mikrohabitaten. Ihre Förderung und ihr Schutz sind für die Artenvielfalt von achtfünfzehn-Standorten. Meist sind es Standorte mit mehr oder entscheidender Bedeutung – auf ganzer Fläche. Foto: J. Böhm weniger ausgeprägten extremen Bedingungen. Sie sind die Brut stätten von Spezialisten, Hotspots der Biodiversität. Foto: S. Müller- Kroehling, LWF Titelseite: Der Wald kann viel – viel mehr als nur Holz. Er ist Lebensraum für eine Vielzahl von Pflan zen, Tieren und Pilzen. Er ist Bayerns größte Heim statt der Biodiversität. Illustration: C. Hopf, LWF 2 LWF aktuell 3 |2019
Editorial Rubriken Kalender Seite 39 4 Meldungen Forstliche Veranstaltungen auf einen Blick 37 Zentrum Wald-Forst-Holz 41 Amt für Waldgenetik 62 Holzwerkstatt 64 Waldklimastationen 67 Medien 68 Impressum Liebe Leserinnen und Leser, die Begriffe »Insektensterben«, »Artenvielfalt« und »Biodiver- sität« sind seit Monaten täglich in allen Medien zu lesen und zu hören. Einen Anstoß zu dieser öffentlichen Diskussion gab sicherlich die »Krefeld-Studie«. Fast 30 Jahre lang haben eh- renamtlichen Forscher des Entomologischen Vereins Krefeld die Insektenfauna in Naturschutzgebieten bei Krefeld untersucht. Ihre Forschungsergebnisse dokumentieren einen dramatischen Rückgang zahlreicher Insektenarten während dieser Zeitspanne. Das »Insektensterben« ist seither in aller Munde. Im Februar 2019 haben über 1,7 Millionen Stimmberechtigte in Bayern das Volks- begehren »Artenvielfalt & Naturschönheit in Bayern – Rettet die Bienen!« unterstützt. Der Begriff »Biodiversität« ist für den größten Teil unserer Gesellschaft seither kein Fremdwort mehr. Und Biodiversität ist weltweit, aber auch bei uns ein außerordent- lich wichtiges Thema. Aber Bayerns Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer und auch die Bayerische Forstverwaltung brauchen sich keineswegs verstecken. Seit Jahrhunderten werden unsere Wälder genutzt und sind den- noch wertvoller Lebensraum und natürlicher Rückzugsort für viele Tiere und Pflanzen geblieben. Forstwirtschaft und Artenschutz sind kein Gegensatz. Aber man kann durchaus noch das eine oder andere verbessern. Wir müssen auf wissenschaftlich fundierter Basis integrative Konzepte entwickeln und umsetzen, die Natur- schutz und forstliche Nutzung gleichermaßen berücksichtigen. 45 In den Jahren 2019 und 2020 wollen wir uns im Ressort des Minis- teriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten besonders der Biodiversität widmen und uns gezielt dafür einsetzen, Vielfalt in unseren Wäldern zu erhalten und zu fördern. Biomasse aus dem Wald: Mit dem »Energie-Atlas Bayern«: Ihr Auf dem Weg zu einer erfolgreichen Energiewende zeigt der Energie-Atlas, wo es energetisch-regenerativ zukünftig lang gehen könnte. Der Energie-Atlas ist ein wichtiges Planungs werkzeug vor allem für Kommunen, Waldbesitzer und Energie berater. Foto: F. Stahl, LWF Olaf Schmidt 3 |2019 LWF aktuell 3
Meldungen Rostrote Mauerbiene Insekt des Jahres 2019 land. Sie alle spielen eine wichtige Rolle im Natur- haushalt. Aufgrund ihres Nistverhal- tens ist die Rostrote Mauer- biene häufig in der Nähe menschlicher Behausungen zu finden. Die bis zu 14 mm großen Insekten nutzen Hohlräume in Trockenmau- ern, Löß- und Lehmwänden, aber auch in Totholz, locke- rem Gestein und anderen Feldhasen können die Hasenpest (Tu- larämie) auf den Menschen übertragen. Strukturen, um darin ihre Tularämie ist eine hochinfektiöse, für einzelnen gemörtelten Brut- Nagetiere häufig tödlich verlaufende Ein Weibchen der Rostroten Mauerbiene mörtelt ihre Nisthöhle zu. nester anzulegen. Die Weib- bakterielle Erkrankung. Sie gehört zu Foto: Paul Westrich, www.wildbienen.info chen legen im Frühjahr die den meldepflichtigen Tierkrankheiten. Foto: R. Vornehm mit Pollen gefüllten Nist- Die Rostrote Mauerbiene machen die Verantwortlichen höhlen an, in denen sich die (Osmia bicornis) ist ein ech- nicht nur auf das Artenster- Larven bis August zu er- Wildtierseuchen ter Frühlingsbote – sobald ben der Wildbienen auf- wachsenen Bienen entwi- die auffallend pelzig behaar- merksam, sie wollen auch ckeln. In diesem Zustand halten Mediziner te Wildbiene auftritt, ist die auf die hohe Bedeutung der verharren sie bis zum nächs- auf Trab Zeit der andauernden Fröste Bestäubung als Ökosystem- ten Frühjahr, um sich dann vorüber. dienstleistung hinweisen, mit ihren kräftigen Kiefern Mit der Rostroten Mauerbie- die für unsere Nahrungsmit- aus dem verschlossenen Wenn sich Wildtiere und Men- ne wurde eine zweite Bie- telproduktion äußerst wich- Nest zu nagen. schen begegnen, endet ein solcher nenart als »Insekt des Jah- tig ist. Rund 585 Wildbie- Quelle: www.senckenberg.de Kontakt i.d.R. für Wildtiere nicht res« gekürt. Mit dieser Wahl nenarten leben in Deutsch- www.wildbienen.info besonders erfreulich. Aber es kön- nen derartig unangenehme Be- gegnungen durchaus auch einmal in die andere Richtung führen. Die meisten Krankheiten werden von Fledermaushaus Hohenburg wird UN-Dekadenprojekt Mensch zu Mensch oder von Mensch zu Haustier übertragen. »Insekten schützen – gemeinsam für die Zum Beispiel: Tuberkulose, Vielfalt der Natur«: So lautet das deutsche Schweinegrippe und Toxoplasmo- Schwerpunktthema der UN-Dekade »Bio- se. Aber auch Wildtiere halten eine logische Vielfalt« für die Jahre 2019 und ganze Armada gefährlicher Mikro- 2020. Die Vereinten Nationen haben die ben für uns bereit. Der Wissen- Jahre 2011 bis 2020 zur UN-Dekade für bio- schaftsjournalist Lars Fischer be- logische Vielfalt erklärt. Die UN ruft damit richtet, warum man im Urlaub die Weltöffentlichkeit auf, sich für die bio- besser keine streunenden Tiere logische Vielfalt einzusetzen. streicheln sollte und welche häss- Unter zahlreichen naturschutzfachlichen liche Überraschung Kaninchen für Projekten hat eine Fachjury auch die baye- Jäger in petto haben. In Spektrum.de rischen Projekte »Fledermaushaus Hohen- stellt er fünf Wildtierseuchen vor, burg« und das Life+-Projekt »Große Huf- die Mediziner und Laboratorien in eisennase in der Oberpfalz« gemeinsam als aller Welt auf Trab halten: Ebola – offizielles Projekt der UN-Dekade »Biolo- die Seuche von Krieg und Armut, gische Vielfalt« ausgezeichnet. Die Schutz- SARS – Warnschuss aus China, bemühungen um die seltenste Fleder- Tollwut – die gruselige Todesart, mausart Deutschlands zählen damit zu ei- Milzbrand – die perfekte Biowaffe nem der vorbildlichen Projekte, die sich in und Tularämie – kehrt sie zurück? besonderer Weise für den Erhalt der biolo- Michael Mößnang gischen Vielfalt einsetzen. Michael Mößnang www.spektrum.de/wissen/ Das »Fledermaushaus« in Hohenburg, ausge- www.undekade-biologischevielfalt.de fuenf-zoonosen-aus-der-wildnis-die- baut zu einem Informationszentrum, beherbergt www.fledermaushaus-hohenburg.de mediziner-auf-trab-halten/1646794 zugleich Deutschlands letzte Wochenstube der Großen Hufeisennase. Fotos: R. Leitl 4 LWF aktuell 3 |2019
Meldungen Foto: IPBES Milliarden Bäume für den Sahel Wächter der Biodiversität 2012 wurde er gegründet. Der Sitz des Sekretariats be- findet sich in Bonn. Aktuell besteht er aus 132 Mit- Diskutierten mit dem Publikum (v.l.n.r.): Prof. Reinhard Mosandl, Dr. Ingo Friedrich, Anouschka Horn (Moderation), Dr. Manfred Gößl und Eduard Kastner. gliedsstaaten. Der Weltbiodiversitätsrat IPBES (In- Foto: Kastner AG tergovernmental Science-Policy Platform on Biodiver- sity and Ecosystem Services) ist ein zwischenstaatliches … und bis zu zwei Billionen Bäume für die Wüsten der Welt. »CCP« Gremium mit der Aufgabe der wissenschaftlichen Poli- soll es möglich machen. CCP steht für »Climate Correction Pro- tikberatung zum Thema biologische Vielfalt und Öko- ject«. Die Ziele: Meerwasserspiegel senken | Meerwasser entsalzen systemleistungen. und auf Trockengebiete verteilen | Neues Grün für Welternährung | Das Gremium sammelt weltweit wissenschaftliche Da- Milliarden von Bäumen pflanzen | Klimawandel stoppen. Mit dabei: ten, analysiert diese und zeigt politische Handlungs- TU München, RWTH Aachen, Alfred-Wegener-Institut u.v.a. So optionen zum Schutz der biologischen Vielfalt auf. geht´s: Für diese gewaltige Aufgabe bedarf es neuer, wesentlich IPBES selbst führt keine eigenen Forschungsarbeiten preiswerterer Wege der Meerwasserentsalzung, die aber mittler- durch. Kernaufgabe von IPBES ist es, Politik und Öf- weile die Praxisreife und die notwendige Wirtschaftlichkeit er- fentlichkeit über den aktuellen Zustand und Wissens- reicht haben. Auf der Welt-Wasser-Konferenz in München disku- stand zu Biodiversität und Ökosystemleistungen zu in- tierten Expertinnen und Experten unterschiedlichster Wissen- formieren. Dafür nominiert der IPBES Expertinnen und schaftsbereiche mit Politikern und Wirtschaftsfachleuten, wie mit Experten zur Erstellung der IPBES-Berichte. einem einfachen, von Sonne und Wind betriebenen Verfahren gro- Michael Mößnang ße Schritte im Kampf gegen den Klimawandel gemacht werden www.ipbes.net können. Michael Mößnang www.bmu.de/themen/natur-biologische-vielfalt-arten/ http://climate-correction-project.com http://welt-wasser-konferenz.de CO2-Tresor und Hotspot der Artenvielfalt Das Dattenhauser Ried im Landkreis Dil- lingen ist ein Leuchtturmprojekt für den bayerischen Moorschutz. Der Schutz in- takter und wiedervernässter Moore ist ein wichtiger Beitrag für den Klima- schutz. Moore sind bedeutende CO2- Speicher, aber auch wertvolle Gebiete für die Artenvielfalt. Mit dem »Master- plan Moore« will Bayern diese kostbaren Lebensräume noch besser schützen. Im Zentrum des Masterplans Moore stehen nachhaltige Maßnahmen, die Eigentü- mer und Nutzer von Moorflächen auf freiwilliger Basis umsetzen. So stellt der Freistaat Bayern in den nächsten fünf Jahren rund zwei Millionen Euro für Re- Das Dattenhauser Ried im Trockensommer 2018 Foto: W. Beissmann, NABU naturierungsmaßnahmen im Datten- Seit 2008 wurden in Bayern insgesamt den moorreichsten Ländern Deutsch- hauser Ried zur Verfügung. Kofinanziert etwa 1.500 Hektar Moorfläche renatu- lands. Die Moore Bayerns nehmen zu- wird das Projekt mit Mitteln aus dem Eu- riert. Moore entziehen der Atmosphäre sammengefasst rund 220.000 Hektar ropäischen Fonds für regionale Entwick- weltweit jedes Jahr 150 bis 250 Millionen ein. Michael Mößnang lung (EFRE). Tonnen Kohlendioxid. Bayern zählt zu 3 |2019 LWF aktuell 5
Biodiversität Wälder und ihre Biodiversität Wie die Vielfalt unserer Wälder langfristig erhalten werden kann Alois Zollner, Stefan Müller-Kroehling und Thomas Kudernatsch Waldland Mitteleuropa und seine Biodiversität ist eines der großen Megathemen in der gegenwärtigen ge Biodiversität sellschafts- und umweltpolitischen Diskussion. Der Begriff ist zwar schon Mitteleuropa wäre von Natur aus ein lange bekannt, hat aber aufgrund aktueller Erkenntnisse und Entwick Waldland, unterbrochen lediglich von lungen insbesondere im Zusammenhang mit dem Klimawandel und dem offenen Bereichen der wilden Fluß- und Rückgang der Biomasse bei vielen Insektenarten wieder an öffentlicher Bachauen, der Sumpf- und Moorland- Aufmerksamkeit gewonnen. Denn der Verlust an Artenvielfalt und Verän schaften und von standörtlichen Extrem derungen in der Artenzusammensetzung können unsere Ökosysteme or bereichen, die keinen geschlossenen dentlich ins Wanken bringen. Der Schutz der Biodiversität hat daher hohe Baumbewuchs tragen. Solche natürli- Priorität. Das gilt auch und vor allem im Wald: Denn im Waldland Bayern cherweise offenen Bereiche nahmen in spielt das »Grüne Drittel« eine bedeutende Rolle für die Artenvielfalt. der Summe vermutlich nur wenige Pro- zent der Landschaft ein, je nach Natur- raum. Auch durch Stürme und andere Ereignisse geschaffene Lichtungen wer- den eine Rolle für die Frage »Wald oder Offenland« gespielt haben, ebenso wie der Einfluss großer Pflanzenfresser. Zwar ist sehr umstritten, ob diese im Sinne ei- ner »Megaherbivoren-Theorie« die Land- schaft zu einer halboffenen Parkland- schaft umgestaltet haben, denn hierfür gibt es keine Belege aus der Pollenanaly- se, doch spricht auch nichts dagegen, dass Arten wie Wisent, Auerochse oder Elch Lichtungen länger offen gehalten haben mögen, und auch Bäume durch Fraß und Schälen zum Absterben bringen konnten. Welche Rolle spielt aber nun der Wald für unsere Biodiversität? Vereinfacht gespro- chen kann man die heimische Landfauna und -flora in drei Gruppen einteilen: Arten, die streng an Wälder gebunden sind, Arten, die in verschiedenen Lebens- räumen des Waldes und des Offenlan- des gleichermaßen leben können, und 1 Ohne Einwirken des Menschen wäre Mitteleuropa ein »Buchenland«. Dennoch gibt es nur wenige Arten, schließlich die tatsächlich auf Buchenwälder spezialisiert sind. Foto: J. Böhm Arten der offenen Landschaft. Unsere natürlichen Lebensgrundlagen gen kommt es also ganz besonders auf die Manche dieser Arten hatten ursprünglich verändern sich gegenwärtig spürbar und Erhaltung der Biodiversität an. Dies gilt Lebensräume in den natürlichen Lich- offensichtlich mit hoher Geschwindig- insbesondere auch für die Bewirtschaf- tungen und auf Sonderstandorten, ande- keit. Die Stabilität und Funktionstüch- tung unserer Wälder, stellen diese doch re sind aber erst aus den Steppen des Os- tigkeit unserer Ökosysteme, ganz gleich, die flächenmäßig bedeutsamsten natur- tens nach Mitteleuropa eingewandert, als ob es sich dabei um Flüsse, Seen, Äcker, nahen Elemente unserer Kulturland- der Mensch anfing, Ackerbau und Vieh- Wiesen, Wälder oder Moore handelt, schaft dar. Waldbewirtschafter, Förster, zucht zu betreiben. hängt ganz eng mit deren biologischer Naturschützer und Waldbesucher tragen Im Vergleich mit anderen Regionen Euro- Vielfalt zusammen. Gehen bestimmte daher besondere Verantwortung für den pas können unsere Wälder auf eine nur Teile eines ökologischen Systems verlo- Erhalt bzw. für die Wiederherstellung relativ kurze Vegetationsgeschichte zu- ren, gerät dessen ausgeklügeltes Gleich- der biologischen Vielfalt. Nur miteinan- rückblicken, die erst vor ungefähr 10.000 gewicht durcheinander und wird anfällig der können wir langfristig unsere natürli- Jahren nach der letzten Eiszeit begann. gegenüber Störungen wie Wetterextre- chen Lebensgrundlagen am besten erhal- Speziell Buchenwälder gibt es erst seit men oder Schadinsekten. Bei der Nut- ten und für unsere nachfolgenden Gene- wenigen tausend Jahren wieder in Mittel- zung unserer natürlichen Lebensgrundla- rationen sichern. europa, und entsprechend arm sind diese 6 LWF aktuell 3 |2019
Biodiversität Wälder bei uns an Endemiten und Spe- Die Rolle der Buche für ausbreitungsschwache Arten sein. zialisten, die ausschließlich diesen Wald- Buchenwälder haben in den letzten 20 Mit ihrem dauerhaft kühl-schattigen Be- typ benötigen. In anderen Teilen Euro- Jahren einen völligen Wechsel in der standsklima und einem lange Jahre eher pas, in denen Buchenwälder die Eiszeiten Wahrnehmung erfahren. Galten sie lange wenig begehrten Holz können hier gera- überdauern konnten, sieht dies ganz an- Jahre im Naturschutz als sehr artenarm de in von Nadelbäumen geprägten Regio- ders aus, und so leben dort oft auch ende- und wegen ihrer weiten Verbreitung we- nen die Vorkommen seltener gewordener mische Buchenwaldspezialisten. nig relevant für Naturschutzbemühun- Laubwaldbewohner zu finden sein. gen, hat sich zunehmend eine Sichtweise Land der Wälder und Sümpfe etabliert, wonach Buchenwälder arten- Die Mischung machts! Ohne Einwirken des Menschen wäre Mit- reich sind und eine hohe Schutzwürdig- Durch seine forstliche Tätigkeit hat der teleuropa nicht nur ein Waldland, son- keit in Mitteleuropa haben. Mensch in den Wäldern die Vielfalt nicht dern auf erheblichen Flächen ein Land Buchenwälder sind bei vielen Artengrup- nur verringert, sondern in vielen Fällen der Buche. Buchenwälder galten lange pen zwar nicht artenarm, aber arm an auch erhöht. Zwar gibt es auf großen Flä- als artenarm, doch weiß man heute, dass Arten, die auf Buchenwälder als Wald- chen Nadelbaum-geprägte Forstbestände, sehr viele Arten zumindest »auch« in Bu- typ spezialisiert sind. Anders gesagt: Alle in denen viele unserer »Laubwaldarten« chenwäldern leben können, selbst wenn Arten, die hierzulande in Buchenwäldern keine günstigen Lebensbedingungen vor- darunter aus den genannten Gründen in leben, können auch mindestens einen finden, sondern andere heimische Arten den hiesigen Breiten kaum Buchenwald- anderen Laubwaldtyp nutzen. Andern- den Ton angeben. Dass die forstlichen Spezialisten sind. Für sehr viele Arten falls hätten sie erst in den letzten zwei Tätigkeiten auf nennenswerten Flächen sind Buchenwälder aber andererseits oder dreitausend Jahren zu uns einwan- aber auch jene Laubbäume begünstigt nicht eben der Vorzugslebensraum. Denn dern müssen. In diesem Zeitraum hatte haben, die auf »Normalstandorten« der Buchenwälder weisen einen besonders aber bereits der Mensch in erheblichem Buche unterlegen wären, hat durchaus ausgeprägten Bestandsschatten und so- Umfang angefangen, die ursprünglichen in erheblichem Umfang zur Steigerung mit ein kühl-schattiges Innenklima auf, Wälder zu roden und zu verändern. Für der Biodiversität beigetragen. Jede dieser ihre Laubstreu zersetzt sich schlecht ausbreitungsschwache Buchenwaldspezi- Baumarten hat eine große Zahl von Ar- und das an den Buchenstämmen ablau- alisten, wie es sie in jenen Teilen Europas ten im Gepäck, die nur auf dieser Baum fende Wasser hat einen niedrigen, sau- gibt, wo Buchenwälder die Eiszeiten über- art oder ihrer Gattung vorkommen, oder ren pH-Wert: für viele lichtliebende und dauert haben, bestand gar keine Möglich- aber den speziell von ihr geprägten Wald- basenliebende Arten eher ungünstige keit, nach Mitteleuropa zu kommen. typ präferieren, wie z. B. lichte Wälder bis ungeeignete Bedingungen. Auch ha- Buchen sind zwar von ihrer Holzbeschaf- oder Wälder mit einer günstig ausgepräg- ben Mischbaumarten neben der Buche fenheit her nicht besonders prädestiniert ten, milden Laubstreu. Beides – lichte wenig Platz, denn mit ihren zweilagigen für das Entstehen von Urwaldstruktu- Wälder und günstige Waldhumusformen Schattenblättern, die ihr ein Wachstum ren, denn ihr totes Holz zersetzt sich viel – hat die Buche insbesondere auf boden- im Halbschatten ermöglichen, und ihrer rascher als das von Eichen und sie ster- sauren Standorten nicht im Repertoire. sehr plastischen Krone, die jede Kronen- ben meist nach dem Eindringen holz- In gemischten Beständen können daher lücke rasch wieder schließt, kann in den zersetzender Pilze relativ rasch ab oder mehr Arten eine Lebensgrundlage finden hiesigen Breiten auf mittleren Standor- brechen in einigen Metern Höhe durch als in reinen Buchenwäldern. ten keine andere Baumart mithalten, von Weißfäule ab. Eichen mit ihrer sehr viel Eine Wirtschaftsform, die speziell Eichen Tanne und Eibe einmal abgesehen. höheren Lebensdauer und ihrem viel und konkurrenzschwache Baum arten Indes war dies auf den extremeren Stand- langlebigeren Holz bilden daher in weit gegenüber der Buche stark begünstigte orten eine völlig andere Situation, und größerem Umfang dauerhafte und sich und früher sehr weit verbreitet war, ist diese Standorte gab es in der ursprüngli- langsam entwickelnde Strukturelemente die Mittelwaldwirtschaft. Dieser »inten- chen Landschaft in viel größerem Maße, aus. Aber dennoch können in vielen Re- siven« Wirtschaftsform mit ihren etwa als wir uns das heute auch nur vorstellen gionen Buchenwälder wichtige Refugien alle 20 Jahren wiederkehrenden Eingrif- können (s. Beitrag Müller-Kroehling, S. Artengruppe Artenzahl Beziehung fen in das Unterholz verdanken wir zum 13 in diesem Heft). Man muss sich die BRD BY zu Totholz größten Teil die heute existierenden etwa Urlandschaft als von Auen- und Sümp- 100.000 Hektar Eichen-Hainbuchen- Pilze 5000 2500 fen durchzogene Landschaft vorstellen, wald in Bayern. Da aber nur noch etwa Flechten 448 148 in denen viele tausend Jahre Wälder aus 4.000 Hektar Wald heute in dieser »his- Edellaubbäumen wie Eschen, Ulmen, Moose 500 110 torischen«, sehr arbeitsintensiven Art Linden und Eichen überdauerten. Erst Mollusken 170 130 und Weise bewirtschaftet werden, stellt die Trockenlegung der Feuchtgebiete, die Schwebfliegen 380 77 sich die Frage, ob auf dem Rest der Flä- Regulierung der Fluss- und Bachauen Käfer 4620 1377 che wirklich ein »möglichst naturnaher«, und die Entsteinung felsiger Landschaf- Wanzen 340 ca. 20 kleinflächiger Waldbau oder gar eine Ein- ten haben vielfach zu den Waldstandor- stellung der Bewirtschaftung der richtige Vögel 133 44 ten geführt, die wir heute kennen, und Weg ist? Diese Frage muss klar mit einem Säuger 60 28 die weniger nass oder felsig sind als sie es »Nein« beantwortet werden, wenn man sonst oft waren. Nachtschmetterlinge 1945 139 die Eichen und die damit assoziierten Ar- 2 Übersicht zur Artenvielfalt in Buchenwäldern ten nicht verlieren will. 3 |2019 LWF aktuell 7
Biodiversität 3 Durch eine ge Bereiche zu verlagern, die das von ihnen zielte Förderung von Mischbaumarten kann benötigte Waldklima aufweisen. die Biodivesität unserer Während häufige und ausbreitungsstarke Wälder begünstigt Arten hierzu »spielend« in der Lage sind, werden. Foto: P. Dimke, LWF etwa weil sie gut fliegen können und in- dividuenreich auftreten, sieht die Situa- tion für nicht-mobile Arten deutlich un- günstiger aus. Es wird daher zwar wohl im Klimawandel nicht unbedingt zu ei- nem Artenverlust kommen müssen, da die wegfallenden Arten zumindest durch ausbreitungsstarke, wärmeliebendere er- setzt werden. Für die Biodiversität ins- gesamt ist dies jedoch keineswegs ein »Nullsummenspiel«, sondern bedeutet ei- nen zunehmenden regionalen Rückgang und ultimativ auch Verlust der an eher gemäßigt-kühle Bedingungen gebunde- Mischung und Vielfalt sind aber vor al- Das Klima ändert sich! nen, ausbreitungsschwachen Arten. Als lem auch wichtig auf Landschaftsebene. Wälder unterlagen in Mitteleuropa schon besonders gefährdet gegenüber den Fol- In einer reinen Laubwald-Landschaft immer einem Wandel! Auch einen Klima- gen des Klimawandels gelten Wald-Öko- kann tatsächlich ein hagerer Nadelforst wandel hat es immer gegeben, mit Warm- systeme, die gegenüber Hitzeperioden aus Kiefern sehr selten und insofern und Kaltzeiten, und durchaus recht stark und Wassermangel besonders empfind- die Heimat spezialisierter Arten aus der von den heutigen Bedingungen abwei- lich sind, wie beispielsweise Moorwäl- Gruppe der säureliebenden Arten und chenden Verhältnissen. Und dennoch ist der, Bruch- und Sumpfwälder, montane Nährstoffflüchter sein, die sonst in die- der jetzige, durch Treibhausgas-Emissio- bis subalpine Nadelwälder oder Teile der ser Region fehlen oder eben aussterben nen vom Menschen verursachte Klima- Schlucht- und Blockwälder. würden. Und umgekehrt kann der letzte wandel für die Artenvielfalt aus verschie- Ein weiterer Faktor, der den Wäldern Buchenwald-Rest in einer Nadelforst-ge- denen Gründen deutlich schwerwiegen- und ihrer Biodiversität zusetzt, sind die prägten Region die unersetzbar wertvol- der. Denn er trifft auf eine Landschaft, in mit dem Klimawandel einhergehenden le Heimat ausbreitungsschwacher Laub- der natürliche und naturnahe Lebensräu- zunehmenden Extremereignisse. Je nach- wald-Arten darstellen. me aufgrund der intensiven Landnutzung dem, um welchen Waldlebensraum es vielfach nur noch auf kleinen Restflächen sich handelt, können diese Ereignisse Aktuelle Herausforderungen für die vorhanden sind, die durch Randeffekte unterschiedliche Auswirkungen haben. Biodiversität gestört und stark verinselt sind. Die noch Dürre und Wassermangel können Quel- Wie eingangs schon erwähnt, befinden vorhandenen, spezialisierten Arten kön- len zum Versiegen bringen, Starkregen wir uns, was unser Klima betrifft, in ei- nen hier vielfach nicht auf Dauer überle- ereignisse spülen Bachschluchten aus nem nicht mehr umkehrbaren Prozess. ben, sofern sie nicht die Möglichkeit ha- und Baumarten geraten zunehmend un- Wir, der Wald und die darin lebenden ben, im Klimawandel auch ihre Areale in ter Stress. Arten müssen mit einer nicht zu unter- 4 Blick auf einen der seltenen Mittelwälder: Durch regelmäßige Auflichtungen konnten sich schätzenden anthropogen bedingten in den Mittelwäldern zahlreiche licht- und wärmeliebende oder an Eiche gebundene Arten Klimaerwärmung zurechtkommen, und etablieren, die in einem dauerhaft geschlossenen Wald nicht vorkommen. Foto: A. Stöger, LWF die bereits jetzt feststellbaren Auswirkun- gen lassen keinen Zweifel daran, dass der Klimawandel die Artenzusammensetzun- gen verändert (Fischer et al. 2014; Müller- Kroehling & Jantsch 2015). Eine weitere Herausforderung stellen die veränderten und gestiegenen Nährstoff- und Schadstoffeinträge aus Landwirt- schaft, Industrie, Verkehr und privaten Haushalten dar. Und drittens birgt die zunehmende Globalisierung von Handel und Verkehr mit der Einführung fremder, häufig auch problematischer Arten Risi- ken, die bislang kaum abzuschätzen sind. 8 LWF aktuell 3 |2019
Biodiversität 6 Die N-Einträge in Stickstoffeinträge Bayerns Wälder liegen seit Jahrzehnten mit 50 durchschnittlich 21 kg/ Stickstoffeintrag [kg/(ha * a)] 45 ha und Jahr auf einem 40 zu hohen Niveau 35 30 25 5 Der Zweifleckige Zipfelkäfer (Malachius bi- 20 pustulatus) (li.) ist ein Beispiel dafür, dass für vie le Totholzbewohner der Landschafts-Kontext viel 15 wichtiger ist als bloße Menge und Dimensionen des 10 Totholzes. Die Larven leben in totem Holz, das am Boden liegt, während die Käfer sich auf Wiesen von 5 Pollen ernähren. Ohne diesen Zweiklang kann die 0 Art nicht existieren. Arten wie diese erklären auch, 1991 1995 1999 2003 2007 2011 2015 warum gewisse Effekte des Insektensterbens auch im Wald feststellbar sind, denn nicht wenige Arten haben auch einen Bezug zum umgebenden Offen Wertebereich Mittel aller WKS-Stationen land. Foto: S. Müller-Kroehling, LWF aber auch für die zunehmende Zahl einge- liche Einrichtungen bearbeiten. Die Er- Nicht alles Gute kommt von oben schleppter, nichtheimischer Schädlinge. kenntnisse daraus gilt es schließlich an Eine weitere anthropogene Bedrohung Mittlerweile sind fast alle der heimischen die richtigen »Schalthebel« wie Forstleu- für die Artenvielfalt sind Nährstoff- und Baumarten von mindestens einer solchen te, Waldbesitzer oder Politiker weiterzu- Schadstoffeinträge, wobei die zunehmen- eingeschleppten Krankheit bzw. Art be- leiten und in der Öffentlichkeit bekannt de Überdüngung unserer Wälder mit troffen, wie zum Beispiel der Schwarz zu machen, um das Bewusstsein für Stickstoff die größte Rolle spielt. Nach- erlen-Phytophthora, dem Ulmensterben, Wald, Forstwirtschaft und Biodiversität weislich hat sich in den Wäldern Mittel- dem Eichen-Mehltau, dem Eschentrieb- zu schärfen und zu erhalten. europas in den letzten Jahrzehnten die sterben oder der Ahorn-Rußrindenkrank- Bedeutung des Stickstoffs als Nährele- heit. Der »Bayerische Weg« setzt vor allem ment stark geändert. Während bis vor we- Diese sich zum Teil invasiv ausbreiten- auf integrative Waldbewirtschaftung nigen Jahrzehnten Stickstoff noch Man- den Arten schränken die Handlungsop- Zwei grundsätzliche Ansätze zum Schutz gelfaktor für das Wachstum von Bäumen tionen des Waldbesitzers ganz erheblich der heimischen Waldartenvielfalt stehen oder der Waldbodenvegetation war, ist er ein. Sowohl ökonomisch als auch ökolo- sich gegenüber: integrativer und segre- heute in den allermeisten Fällen im Über- gisch sind die betroffenen Wälder und gativer Waldnaturschutz. Ersterer ver- schuss vorhanden. Gründe für das stei- Waldbesitzer die Leidtragenden dieser sucht, Naturschutzziele auf der Gesamt- gende Stickstoff-Angebot sind einerseits Entwicklung. fläche beziehungsweise einem möglichst hohe Einträge aus Landwirtschaft, Indus- Klimawandel, Nährstoffungleichgewich- großen Teil davon umzusetzen, während trie und Verkehr, andererseits auch geän- te und Schädlinge hängen zusammen, letzterer den Schutz von Waldflächen vor derte Bewirtschaftungsformen, wie zum und sie alle »nagen« sowohl an den Wirt- jeglichen Eingriffen in den Mittelpunkt Beispiel die Aufgabe von Streunutzung schaftswäldern als auch an den Natur- stellt. Bayern verfolgt bei der Waldbe- oder Waldweide. Selbst die jahrhunderte wäldern bzw. den natürlichen Waldge- wirtschaftung klar den Grundsatz: »In- lang durch intensive Nutzungen eher sellschaften. tegration statt Segregation« oder anders ausgehagerten Waldstandorte sind heute ausgedrückt »Schützen und Nutzen« auf zunehmend an der Grenze ihrer Aufnah- Handlungsfelder zum Erhalt gleicher Fläche. Zu den wesentlichen mefähigkeit. Diese Sättigung der Öko- der Lebensvielfalt Merkmalen eines integrativen Waldna- systeme mit Stickstoff wirkt sich bereits Angesichts dieser Herausforderungen turschutzes gehören neben der Begrün- massiv auf die Artenzusammensetzung zeichnen sich einige bedeutende Hand- dung und Pflege naturnaher und stabiler unserer Wälder aus und wird als der mit lungsfelder ab, denen sich die Forstver- Mischwälder zum Beispiel durch flächen- Abstand wichtigste Biodiversitäts-beein- waltung bereits angenommen hat und die haft praktizierten Waldumbau vor allem flussende Faktor in den Wäldern der ge- es weiterhin zu bearbeiten und zu verste- auch die Erhaltung wichtiger Struktur- mäßigten Breiten angesehen (Bernhardt- tigen gilt. Das ist zum einen das Leitbild elemente wie zum Beispiel ausreichend Römermann et al. 2017; Sala et al. 2000). der »Integrativen Waldbewirtschaftung« Totholz und Biotopbäume im Wirt- Artenverluste und Homogenisierungsef- mit seinem klaren Bekenntnis »Schützen schaftswald, insbesondere auch beim ak- fekte sind bereits vielfach zu beobachten. und nutzen«. Ein Schutzkonzept, das ge- tiven Umbau der Wälder. Seit Totholz und nau diesen integrativen Ansatz aufgreift Altbäume als ein entscheidender (Man- Invasive Arten, die großen kleinen und seit nunmehr 20 Jahren engagiert gel-)Faktor für den ökologischen Wert Unbekannten umgesetzt wird, ist das EU-weite Natura von Wäldern identifiziert wurden (Alb- Zunehmende Witterungsextreme und 2000-Schutzgebietsnetz. Beide Ansätze recht 1991; Ammer 1991; Geiser 1994), Stickstoffeinträge machen unsere Wälder sind eng verknüpft mit intensiven For- hat eine beachtliche Zunahme dieser anfälliger für alle möglichen heimischen schungs- und Monitoringaufgaben, die Strukturelemente in unseren Wäldern Schadinsekten und Schadpilze, vor allem zahlreiche staatliche und wissenschaft- stattgefunden. Auch dass die Vielfalt an 3 |2019 LWF aktuell 9
Biodiversität Totholzformen und -arten gemeinsam mit Bei der Umsetzung der integrativen Wald- stark profitieren. Vor allem durch Nut- den Faktoren Habitattradition und Licht bewirtschaftung verfolgt Bayern einen zung und Pflege kommt Licht in den und Wärme (Geiser 1994) die entschei- kooperativen Weg auf freiwilliger Basis. Wald und Konkurrenz- und Mischungs- denden Schlüsselfaktoren sind, wurde be- Dabei sollen die Waldbesitzer vor allem verhältnisse können gezielt gesteuert reits früh erkannt. Aktuell fokussiert sich durch Information und Überzeugung werden. Die große Zahl lichtliebender die im öffentlichen Raum hierzu geführ- (siehe auch unten), aber auch durch Be- xylobionter Arten kann gezielt gefördert, te Diskussion vielfach an unrealistisch reitstellung staatlicher Fördermittel für »Methusalem«-Bäume von Lichtbaum hohen, aus reifen Urwaldbeständen ent- den Waldnaturschutz motiviert und ge- arten und solche mit extrem seltenen lehnten Totholzvorräten (Kroiher & Oeh- wonnen werden. und langsam sich entwickelnden Struk- michen 2010). Dabei wird zu wenig zwi- turen wie Mulmhöhlen können vor dem schen Totholz und Biotopbäumen (die bei Naturelemente integrativ Absterben und dadurch vor dem Totalver- den Totholzinventuren als noch lebende berücksichtigen lust bewahrt werden. Bäume gar nicht erfasst werden, obwohl Der integrative Naturschutz bedient sich Unstrittig ist, dass sich ein Prozessschutz- sie besonders wertvolle Altwaldstruktu- im Prinzip der genau gleichen Struktur orientierter Ansatz eigentlich nur für ren tragen können) differenziert. In Be- elemente wie der segregative und ver- Wälder eignet, die der natürlichen Vege- zug auf die verwendeten Schwellenwerte sucht, jene Strukturen zu vermehren und tation weitestgehend entsprechen und vergleicht man häufig »Äpfel mit Birnen« zu erhalten, die in Wirtschaftswäldern sich in einem Zustand befinden, der nicht (Müller-Kroehling 2009) und überbetont nicht von Haus aus vorkommen oder ent- anthropogen stark verändert ist. Ist dies den Starkholzaspekt, obwohl es praktisch stehen, wie etwa Uraltbäume, Biotopbäu- nicht der Fall und liegt zum Beispiel ein keine Arten gibt, die ausschließlich daran me oder bestimmte Qualitäten von Tot- reiner Nadelforst oder Nadelbaum-domi- gebunden sind (Schulze et al. 2018). holz. Und zwar erfolgt dies hier durch Be- nierter Mischwald vor, oder handelt es lassen entsprechender Einzelbäume oder sich um einen anderen labilen Zustand von Gruppen derselben. wie einen durch anthropogene Einflüs- Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass die- se geschwächten Wald, so wird das Ein- se Gruppen sehr gezielt ausgewählt wer- stellen menschlicher Pflegeeingriffe in al- den können, und dass sie bei konsequen- ler Regel rasch zu massiven Schäden und ter Anwendung auf der gesamten Fläche Absterbeerscheinungen bis hin zum Zu- eine viel flächenhaftere Wirkung entfal- sammenbruch führen (Müller-Kroehling ten können als einzelne, relativ isolierte et al. 2009). Das gleiche gilt, wenn na- »Totalreservate«. Da dieses Konzept aber turnahe Kulturwaldformen wie Eichen- auch genutzt werden kann, um die etwas Hainbuchenwälder, die auf den aller- größeren Elemente, wie die Naturwald meisten Standorten Ersatzgesellschaften reservate, oder die wenigen größeren, wie von Buchenwäldern und trockengelegten die Nationalparke, miteinander zu ver- Feuchtwäldern darstellen, aus der Nut- netzen, kann das Ganze als »Trittstein- zung genommen werden. Hier kommt es konzept« bezeichnet werden (vgl. Merg- meist nicht zum Zusammenbruch, aber ner 2018). zu einer schleichenden Veränderung des Speziell der Erhalt von Wäldern aus lang- ursprünglichen Waldcharakters hin zu lebigen Lichtbaum arten ist eine Stärke schattigeren Waldtypen mit am Ende des integrativen Naturschutzes, denn völligem oder weitgehendem Verlust der bei »Prozessschutz«-Regime gehen die- Eichen (vgl. hierzu auch Artikel über se Arten meist mehr oder weniger rasch die Walddynamik im Naturwaldreservat zurück, während Schattbaumarten sehr Echinger Lohe, Kudernatsch et al., S. 28 in diesem Heft). Das kann nicht nur für die Artenvielfalt schmerzlich sein, son- dern auch für ganz spezielle Waldnatur- 7 Naturwaldreservate stellen wichtige Trittsteine schutzziele wie den Erhalt der ausbrei- im Waldnaturschutz dar. Foto: C. Schwab tungsschwachen Arten sehr alter Wälder, Der Verzicht auf die Nutzung in Form der so genannten »Urwaldreliktarten«. kleinflächiger Strukturen wie Altholz So sind beispielsweise im Spessart zahl- inseln oder Naturwaldreservate ist eben- reiche dieser Arten an Eichen gebun- falls fes ter Bestandteil einer integrati- den, die aber von Natur aus nur in sehr ven Waldbewirtschaftung (Ammer & geringen Anteilen vorkommen würden, Utschick 1994). Dabei hat sich ein abge- während in den natürlicherweise domi- stuftes und zeitlich gestrecktes Vorgehen bewährt. Ein so verstandener und geleb- 8 Zu den wesentlichen Merkmalen ter Waldnaturschutz ist Garant für eine eines integrativen Waldnaturschut zes gehört die Förderung wertvoller hohe Arten- und Lebensraumvielfalt im Strukturelemente wie Totholz oder Wald. Biotopbäume. Foto: M. Blaschke, LWF 10 LWF aktuell 3 |2019
Biodiversität nierenden Buchen nur wenige der Arten schaftung abgeleitet bzw. bislang prakti- dieser Gruppe ebenfalls vorkommen kön- zierte Maßnahmen/Konzepte auf ihre nen (Bußler & Walentowski 2010). Ver- Wirksamkeit (bzw. Wirkungen) über- schwinden langfristig die Eichen durch prüft werden. Die hohe aktuelle Bedeu- Konkurrenzunterlegenheit, verschwin- tung der Thematik spiegelt sich auch in den also auch diese an sie gebundenen, dem Beschluss des Bayerischen Landtags spezialisierten Arten. vom 25.04.2017 »Waldforschung zum Dort, wo die Voraussetzungen stimmen, ›Bayerischen Weg‹ intensivieren« wider. nämlich in Wäldern, in denen die Aus- Darin wird die Staatsregierung aufgefor- gangsbestockung vom Typus her der er- dert, die Forschung über die vielfältigen wünschten zukünftigen entspricht, kann Leistungen der integrativen Waldbewirt- und sollte der Mensch aber auch mal schaftung, insbesondere die Naturschutz- »die Finger aus dem Spiel lassen«. Beson- leistungen, in verschiedenen Naturräu- ders wertvoll sind solche Entscheidungen men (…) weiterzuentwickeln und zu immer dann, wenn dies in Wäldern ge- intensivieren, wobei neben den ökologi- schieht, die über eine entsprechend lan- schen auch ökonomische und soziale As- ge Habitattradition verfügen, mit zahlrei- pekte zu analysieren sind. chen Altwaldspezialisten und Arten, die Während der letzten Jahre wurden be- an Urwaldstrukturen gebunden sind (Ur- reits zahlreiche Forschungsprojekte zu waldstrukturzeiger, oft etwas irreführend 9 Die Forschung in Natruwaldreservaten liefert den Einflüssen der integrativen Wald wertvolle Erkenntnisse zur Entwicklung der Bio beziehungsweise zu pauschal als Urwald- diversität in unseren Wäldern. Foto: M. Blaschke, LWF bewirtschaftung auf die Biodiversität reliktarten bezeichnet). Auch integrativer durchgeführt. Wertvolle Erkenntnisse zu Waldnaturschutz kann und sollte somit einem »Trittsteinkonzept« von Naturwald- flächenhaftere segregative Elemente ent- verboten, die zu einer Verschlechterung elementen in Wirtschaftswäldern liefer- halten, wie zum Beispiel die Naturwald- der Erhaltungszustände führen. Die Si- ten beispielsweise Forschungsarbeiten in- reservate oder weitere Flächen ohne jed- cherung eines günstigen Erhaltungszu- nerhalb von Buchenwäldern der Region wede Eingriffe. standes steht dabei nicht im Widerspruch Steigerwald oder die bayerische Natur- zu einer regulären Waldbewirtschaftung, waldreservatsforschung. Vernetzung sichert die Vielfalt – da der günstige Erhaltungszustand in der Viele waldökologische Erkenntnisse Natura 2000 Regel durch die konkrete Nutzung wäh- stammen aus unbewirtschafteten Wäl- Ein Schutzkonzept, das einen integrati- rend der letzten Jahrzehnte entstanden dern. Weitere Forschungsarbeiten vor al- ven Ansatz verfolgt, ist seit 2004 in Um- ist. lem in Wirtschaftswäldern sind notwen- setzung. Es handelt sich dabei um Natura Um die Entwicklung des günstigen Er- dig, um den Bayerischen Weg »Schützen 2000, ein weltweit einzigartiges Biodiver- haltungszustandes beurteilen zu können, und Nutzen« wissenschaftlich zu beglei- sitätsprojekt, das aufgrund der global be- wurde ein bundesweit einheitliches, fort- ten. So sollte die Biodiversitätsforschung obachteten Arten- und Lebensraumver- laufendes Monitoring-Programm einge- künftig in verstärktem Umfang Aussa- luste bereits 1992 zur Sicherung der Bio- richtet. Im Turnus von sechs Jahren wird gen und Handlungsempfehlungen zur diversität beschlossen wurde. Bei Natura EU-weit im sogenannten FFH-Bericht zur Biodiversität für die gesamte Waldflä- 2000 geht es ganz konkret darum, ein eu- Lage der Natur berichtet. Natura 2000 che, insbesondere auch zu bisher wenig ropäisches Biotop-Verbund-Netzwerk zu gibt somit regelmäßig Auskunft über erforschten Waldlebensräumen, liefern. schaffen, das einen Austausch der biologi- Veränderungen bei den einzelnen Erhal- An der Bayerischen Landesanstalt für scher Vielfalt über die einzelnen Gebiete tungszuständen und ermöglicht es, auf Wald und Forstwirtschaft wird derzeit und Mitgliedsstaaten hinaus ermöglicht, negative Entwicklungen rechtzeitig mit unter anderem ein Forschungsvorhaben um so einer Isolierung von Teilpopulati- Erhaltungsmaßnahmen zu reagieren. durchgeführt, das die Auswirkungen von onen und damit Biodiversitätsverlusten Waldumbaumaßnahmen in Fichtenrein- vorzubeugen. Forschung und Monitoring beständen auf die Biodiversität näher In Bayern sind gut elf Prozent der Lan- Um die Wirkungen und die Leistungen »unter die Lupe nimmt«. desfläche als Natura 2000-Gebiete aus- einer integrativen Waldbewirtschaftung Angesichts des rasanten Wandels unserer gewiesen. Dabei nehmen Waldflächen – insbesondere auch im Hinblick auf den Umwelt und des dadurch drohenden Ver- einen sehr hohen Anteil ein. Das unter- Erhalt der Biodiversität – umfassend be- lusts ökosystemarer Leistungen sind aus- streicht auch die Bedeutung der Wälder urteilen zu können, ist eine praxisnahe sagekräftige Daten zum Zustand und zur beim Erhalt der Biodiversität. In diesen und interdisziplinäre Forschung unab- Entwicklung der Biodiversität im Wald Schutzgebieten werden Lebensraumty- dingbar. Nur durch die Bereitstellung von großer Bedeutung (Biodiversitäts- pen und Arten erhalten und gezielt geför- wissenschaftlicher Kenntnisse und Fak- monitoring). Nur so kann den wachsen- dert. Dabei geht es um den sogenannten ten können die zum Teil emotional ge- den Anforderungen und dem Informati- »günstigen Erhaltungszustand« für das führten Diskussionen um den Schutz der onsbedürfnis von Politik und Öffentlich- jeweilige Schutzgut. Dieser ist entweder Artenvielfalt im Wald versachlicht und keit Rechnung getragen und negativen zu erhalten oder gegebenenfalls wieder- evidenzbasierte Empfehlungen und Maß- Entwicklungen rechtzeitig vorgebeugt herzustellen. Ebenso sind Handlungen nahmen für eine integrative Waldbewirt- werden. Darüber hinaus formuliert eine 3 |2019 LWF aktuell 11
Biodiversität 10 Wissenstransfer ist Literatur Grundlage für einen Albrecht, L. (1991): Die Bedeutung des toten Holzes im Wald. Forstwiss. Centralbl. 110: S. 106–113 engagierten Wald Ammer, U.; Utschick, H. (2004): Folgerungen aus waldökologi- naturschutz. schen Untersuchungen auf hochproduktiven, nadelholzreichen Foto: M. Mößnang, LWF Standorten für eine an Naturschutzzielen orientierte Waldwirt- schaft. Forst und Holz 59(3): S. 119–128 Ammer, U. (1991): Konsequenzen aus den Ergebnissen der Tot- holzforschung für die forstliche Praxis. Forstwiss. Centralbl. 110: S. 149–157 Ammer, U. (1998): Historische Entwicklung des Naturschutzes in Deutschland und sein Bezug zum Wald und zum Forstwesen. Ber. ANL 22: S. 59–64 Ammer, U. (2001): Vergleichende waldökologische Untersuchun- gen in Naturwaldreservaten und Wirtschaftswäldern unterschied- licher Naturnähe in Mittelschwaben. Schlußfolgerungen für die forstliche Praxis. LWF-Bericht 33: S. 50–58 Ammer, C. & Schall, P. & Gossner, M. & Heinrichs, S. & Boch, S. & Prati, D. & Jung, K. & Baumgartner, V. & Blaser, S. & Böhm, S. & Buscot, F. & Daniel, R. & Goldmann, K. & Kaiser, K. & Kahl, T. & Lange, M. & Müller, J. & Overmann, J. & Renner, S. & Fischer, M. (2017): Waldbewirtschaftung und Biodiversität: Vielfalt ist gefragt. AFZ-DerWald 17, S. 20–25 Ammer, U.; Schubert, H. (1999): Arten-, Prozeß- und Ressourcen- ganze Reihe rechtlicher Quellen (bei- und vor allem Laubbäumen entwickelt schutz vor dem Hintergrund faunistischer Untersuchungen im Kro- nenraum des Waldes. Forstwiss. Centralbl. 118: S. 70–87 spielsweise Artikel 7 der Biodiversitäts- hat, nicht auf seinen Lorbeeren auszuru- Bernhardt-Römermann, M.; Kudernatsch, T.; Pfadenhauer, J.; konvention, Artikel 11 und 17 der FFH- hen. Er sollte aber auch nicht allen popu- Kirchner, M.; Jakobi, G.; Fischer, A. (2007): Long‐term effects of nitrogen deposition on vegetation in a deciduous forest near Mu- Richtlinie, §38 Absatz 3 des Bundesna- lären Forderungen nachgeben, wenn sie nich, Germany. Applied Vegetation Science 10(3): S. 399–406 turschutzgesetzes) den klaren Auftrag, waldökologisch nicht gut begründet sind. Bußler, H.; Walentowski, H. (2010): Sind Urwaldreliktarten in bay- erischen Reservaten an naturnahe Wälder gebunden? Forstarchiv die Biodiversität in Bezug auf ihre Ent- Hier hilft nur ein offener Diskurs auf der 81 (2): S. 82 Detsch, R. (1999): Der Beitrag von Wirtschaftswäldern zur Struk- wicklung zu beobachten und die Zusam- Basis von Fakten und verlässlicher Infor- tur- und Artenvielfalt. Ein Vergleich ausgewählter waldökologi- menhänge zu erforschen. mation. scher Parameter aus Naturwaldreservaten und Wirtschaftswäldern des Hienheimer Forstes. Diss. LMU München, 208 S. Fischer, A.; Jantsch, M.C.; Müller-Kroehling, S. (2014): Buchen- Gemeinsam den richtigen Weg finden Zusammenfassung und Ausblick wald-Lebensgemeinschaften im Klimawandel. Allg. Forst- u. Jagd- Zeitung 185 (3/4): S. 71–81 Aktuell wird Waldnaturschutz oft mit Die Waldlandschaften Bayerns sind durch eine gro- Geiser, R. (1994): Artenschutz für holzbewohnende Käfer (Coleop- Totalreservaten in Verbindung gebracht. ße standörtliche und nutzungsgeschichtliche Viel- tera xylobionta). Ber. ANL 18: S. 89–114 Heinrichs, S.; Schmidt, W. (2013): Windwurf und Eisbruch im Bu- falt geprägt. Aufgrund dieser Gegebenheit weisen Viele unserer Erkenntnisse zum Wald- chenwald: eine Chance für Eiche und andere Baumarten? Ergebnis- die Wälder auch eine entsprechend hohe Diversi- se aus vier Naturwaldreservaten. Forstarchiv 84(6): S. 181–197 naturschutz stammen aus solchen Flä- tät an Lebensräumen, Strukturen und Arten auf. Heinrichs, S.; Dölle, M.; Balcar, P.; Schmidt, W. (2018): NWR Adels- chen wie den Naturwaldreservaten und berg-Lutzelhardt: Keine Chance für die Eiche. AFZ-DerWald 9: S. Um diese natürliche bzw. kulturhistorische Vielfalt 29–32 Nationalparken, und das ist auch gut so, zu erhalten, verfolgt Bayern seit Jahrzehnten den Kroiher, F.; Oehmichen, K. (2010): Das Potenzial der Totholzak- denn wir wollen ja von der Natur lernen, Weg einer integrativen und naturnahen Waldbe- kumulation im deutschen Wald. Schweiz. Z. Forstwes. 161 (5): S. 171–180 wirtschaftung auf ganzer Fläche. Einen beson- und der Erhalt der natürlichen Vielfalt Mergner, U. (2018): Das Trittsteinkonzept: Naturschutz-integrative deren Schwerpunkt insbesondere in Zeiten sich Waldbewirtschaftung schützt die Vielfalt der Waldarten. Fabrik- ist auch der Maßstab, an dem wir unse- dramatisch ändernder Umweltbedingungen stellt schleichach, 136 S. re Bemühungen ausrichten, aber auch Müller-Kroehling, S. (2009): Bewertung von FFH-Lebensraumty- dabei der Umbau nicht standortgemäßer Nadel- pen. LWF aktuell 69: S. 12–14 messen lassen müssen. Es ist wichtig, baumbestände in klimatolerante und naturnähere Müller-Kroehling, S. (2013): Eichenwald-Lebensraumtypen der dass Waldbesitzer und Praktiker (Forst/ Mischbestände dar. Neben der Einbringung von FFH-Richtlinie in Deutschland – drängende Fragen und mögliche Ansätze für ein Konzept zur Erhalt und Sicherung eines günstigen Mischbaumarten trägt auch die Anreicherung von Naturschutz), Wissenschaftler, politische Erhaltungszustandes. Naturschutz und Biologische Vielfalt 131, S. Strukturelementen wie z. B. Biotopbäume und 199–207 Entscheidungsträger, aber auch die brei- Totholz oder das Älterwerden der Wälder ganz Müller-Kroehling, S. (2016): Welche Lebensräume müssen wir vor- te Öffentlichkeit ausgewogene Informati- rangig und verstärkt schützen, und wie? Jahresber. Bayer. Forst- entscheidend zur Erhaltung und Förderung der verein 2015: S. 32–54 onen über aktuelle Forschungsergebnisse Biodiversität bei. Müller-Kroehling, S.; Jantsch, M. (2015): Auswirkungen des Klima- erhalten. Dies beinhaltet neutrale, nicht Um künftig die Vernetzung der verschiedenen Le- wandels auf die Wald-Laufkäferfauna des Bayerischen Waldes. Der Bayerische Wald 28 (1+2) NF: S. 10–21 bensräume und Populationen sicherzustellen, wer- »zweckorientierte« Information über den Müller-Kroehling, S.; Walentowski, H.; Bußler, H.; Kölling, C. den Biotopverbundsysteme wie Natura 2000 oder (2009): Natürliche Fichtenwälder im Klimawandel – hochgradig Wert einzelner Waldtypen und einen Trittsteinkonzepte auf nationaler und internatio- gefährdete Ökosysteme. LWF Wissen 63: S. 70–85 wissenschaftlich fundierten Vergleich Rohner, B.; Bugmann, H.; Brang, P.; Wunder, J.; Bigler, C. (2013): naler Ebene immer mehr an Bedeutung gewinnen. Eichenrückgang in Schweizer Naturwaldreservaten. Schweiz. Z. ungenutzter und genutzter Wälder (z. B. Bayern ist hier auf einem guten Weg, aber noch Forstwes. 164 (11): S. 328–336 lange nicht am Ziel angekommen. Angesichts des Sala, O.E.; Chapin, F.S.; Armesto, J.J.; Berlow, E.; Bloomfield, J.; Detsch 1999; Ammer et al. 2017). Belege Dirzo, R.; Huber-Sanwald, E.; Huenneke, L.F.; Jackson, R.B.; Kin rasanten Wandels unserer Umwelt und des da- für die ökologischen Vorteile integrati- zig, A.; Leemans, R.; Lodge, D.M.; Mooney, H.A.; Oesterheld, M.; durch drohenden Verlusts ökosystemarer Leistun- Poff, N.L.; Sykes, M.T.; Walker, B.H.; Walker, M.; Wall, D.H. (2000): ver Waldbewirtschaftung müssen besser gen sind angewandte Forschungsprojekte und ein Global Biodiversity Scenarios for the Year 2100. Science 287: S. zugänglich gemacht werden, sowohl für 1770–1774 Monitoring zum Zustand und zur Entwicklung der Schulze, E.-D.; Müller-Kroehling, S.; Görner, M.; Walentowski, Waldbesitzer als auch für die »NGOs«. Biodiversität im Wald von großer Bedeutung. H. (2018): Integrativer Naturschutz aus Sicht der Geobotanik und Auch ihre Umsetzung bedarf noch weite- Nur wenn eine Vielzahl integrativer Maßnahmen, Ökologie. AFZ-DerWald 3: S. 30–33 eine praxisnahe und interdisziplinäre Forschung rer Anstrengungen. sowie eine zielgerichtete Wissensvermittlung Waldnaturschutz braucht sich trotz der Hand in Hand gehen, kann der Erhalt der biologi- Autoren Alois Zollner leitet die Abteilung »Biodiversität, erzielten und belegbaren Erfolge in Be- schen Vielfalt in unseren Wäldern langfristig si- Naturschutz, Jagd« der Bayerischen Landes- zug auf die Vermehrung der Schlüsselele- chergestellt werden. anstalt für Wald und Forstwirtschaft. Dr. Stefan Müller-Kroehling und Dr. Thomas Kudernatsch mente Totholz und Biotopbäume und auf sind wissenschaftliche Mitarbeiter in dieser Ab- die Naturnähe der Baumartenzusammen- teilung. Kontakt: Alois.Zollner@lwf.bayern.de setzung, die sich hin zu mehr Naturnähe 12 LWF aktuell 3 |2019
Sie können auch lesen