DIE GEMEINDE - Gemeindetag Baden

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DIE GEMEINDE - Gemeindetag Baden
BWGZ 01 | 2015
                                                                                                                                                                         15. Januar 2015
                                                                                                                                                                          138. Jahrgang

                                                                                                                        DIE GEMEINDE
                                                                                                                          Zeitschrift für die Städte und Gemeinden
                                                                                                                         Organ des Gemeindetags Baden-Württemberg

                                                                                                                                                            Bilanz und Perspektiven I
Postvertriebsstück DPAG, Entgelt bezahlt, E 7351 | Gemeindetag Baden-Württemberg | Panoramastraße 31, 70174 Stuttgart
DIE GEMEINDE - Gemeindetag Baden
Ich will Informationen, die
                                                                                             für mich verständlich sind.
                                                                                             Und die juristisch Bestand
                                                                                             haben.

                                                                                             rehm. ganz klar.

                                                                                                           Jetzt neu entdecken!
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                                                               Fachinformationen und Arbeitshilfen
                                                               für die öffentliche Verwaltung:
::rehm, eine Marke der Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH,

                                                                  Arbeits- und Tarifrecht
München & Heidelberg. WAN 518546 / Dezember 2014

                                                                  Beamtenrecht
                                                                  Personalvertretungsrecht
                                                                  Personalmanagement
                                                                  Haushaltsrecht
                                                                  Bau- und Umweltrecht
                                                                  Vergaberecht
DIE GEMEINDE - Gemeindetag Baden
BWGZ 1 | 2015                                                                           Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis
   Editorial                                                       2

   Bilanz und Perspektiven I
 Teil II der Bilanz und Perspektiven erscheint in BWGZ 2 | 2015

                                                                                                                   Foto: I-vista/PIXELIO
Gemeindetag Baden-Württemberg:
Große Herausforderungen für Kommunen                               3

Gt-service Dienstleistungsgesellschaft mbH des Gemeindetags
Baden-Württemberg – kompetent. kommunal                           40

   Allgemeiner Teil

                                                                                                                   Foto: Alexandra H./PIXELIO
Dr. Wolfgang Schäuble MdB:
Für solide Investitionshaushalte – Der Bund stärkt die Kommunen
und die kommunale Infrastruktur                                   42

Edith Sitzmann MdL:
Grün-Rot lebt die Partnerschaft mit der Politik vor Ort           44

Claus Schmiedel MdL:
Handeln der SPD für die Kommunen –

                                                                                                                   Foto: FotoHiero/PIXELIO
Gute Arbeit, gerechte Bildung, starke Familien                    46

Peter Hauk MdL:
CDU ist tief in den Kommunen verwurzelt                           48

Dr. Hans-Ulrich Rülke MdL:
Wir bauen auf die Gestalter vor Ort                               50

Dieter Schneider:
Sicherheit als Standortfaktor                                     52                                               Foto: bardo/PIXELIO

Dr. Berthold Dietsche:
Neue Hausärzte braucht das Land –
Die Perspektive Hausarzt Baden-Württemberg stellt sich vor        54

Joachim Rukwied:
Auf uns Landwirte können Sie bauen                                57   Zum Titelbild
                                                                       Welche Fülle die Mitarbeiterinnen und
Christian Rauch:                                                       Mitarbeiter der Geschäftsstelle des
Arbeitsmarkt 2015 – Konsequent an der Qualifizierung arbeiten     60   Gemeindetags Baden-Württemberg
                                                                       im vergangenen Jahr bewältigt haben
Dr. Carmina Brenner:                                                   und welche Menge an Aufgaben im neuen
Baden-Württemberg 2020 –                                               Jahr ansteht, lässt sich daran ablesen,
                                                                       dass in dieser Ausgabe nur der erste Teil
Zur aktuellen demografischen Entwicklung im Land                  62
                                                                       der Bilanz und Perspektiven abgedruckt
                                                                       ist. Teil II folgt in der BWGZ 2/2015.
                                                                       Foto: Andrea Damm/PIXELIO
   Impressum                                                      59

Gemeindetag Baden-Württemberg                                                                                  1
DIE GEMEINDE - Gemeindetag Baden
Editorial                                                                BWGZ 1 | 2015

                                                  Liebe Leserinnen und Leser,

                                                  es wäre schön, wenn Sie alle das alte Jahr gut abschließen und erholt und
                                                  entspannt das neue Jahr in Angriff nehmen konnten.

                                                  Wie immer ist auch das vorige Jahr wie im Flug vorbeigegangen. Erinnern
                                                  Sie sich noch an unsere Begeisterung bei der Fußball-WM, die Landung von
                                                  Philae auf einem Kometen oder die Verleihung des Friedensnobelpreises an
                                                  eine 17-jährige Pakistani?
Foto: Gemeindetag Baden-Württemberg

                                                  Natürlich bleiben auch die traurigen Probleme und Ereignisse haften, ins-
                                                  besondere wenn die Schrecken noch anhalten und immer noch eine neue
                                                  Steigerung erfahren – wie beispielsweise der Mord an weit mehr als hundert
                                                  unschuldigen Kindern in Pakistan: IS-Rebellen, Ebola, Ukraine-Konflikt,
                                                  Grubenunglück in der Türkei, Überschwemmungen in China usw. Dagegen
                                                  kommen uns unsere Sorgen relativ klein vor und wir sollten uns vor Augen
                                                  führen, wie gut es uns in der Summe geht.

                                                  Doch die kriegerischen Auseinandersetzungen in fernen Gebieten haben
                                                  durchaus auch Auswirkungen auf uns: Flüchtlinge suchen Schutz in unserem
                                                  weitgehend sicheren Land. Die Städte und Gemeinden haben die Verantwor-
                                                  tung, diese Menschen unterzubringen und mit dem Nötigsten zu versorgen.
                                                  Nicht die ganze Bürgerschaft trägt diese Pflicht uneingeschränkt mit. Hier gibt
                                                  es eine Menge zu tun. Dass das Thema in seiner ganzen Bandbreite uns weiter
                                                  sehr intensiv beschäftigen wird, zeigen ganz aktuell die furchtbaren Anschläge
                                                  vom 8. Januar in Paris.

                                                  Liebe Leserinnen und Leser,

                                                  das Leben hat viele Facetten, egal unter welchem Licht man es betrachtet. Sie
                                                  alle insbesondere in den Verwaltungen erfahren das bei Ihrer Arbeit hautnah.
                                                  Sie sorgen Tag für Tag für eine funktionierende Infrastruktur und ein funk­
                                                  tionierendes Gemeinwesen. Für Ihren Einsatz danke ich Ihnen in unser aller
                                                  Namen.

                                                  Wir von der Geschäftsstelle des Gemeindetags Baden-Württemberg tragen
                                                  unseren Teil dazu bei, dass Ihre Arbeit ein wenig leichter wird und Sie alle
                                                  nötigen Informationen und alle Unterstützung erhalten, die Sie brauchen.
                                                  Was im vergangenen Jahr die großen Themen waren und welche neuen heu-
                                                  er anstehen, lesen Sie in dieser und der nächsten Ausgabe unserer BWGZ.

                                                  In diesem Sinne:
                                                  Ich wünsche uns allen ein erfolgreiches Jahr 2015.

                                                  Roger Kehle

                                      2                                                    Gemeindetag Baden-Württemberg
DIE GEMEINDE - Gemeindetag Baden
BWGZ 1 | 2015                                                                                    Bilanz und Perspektiven

Große Herausforderungen für Kommunen
  Baden-Württemberg hatte wieder ein „Superwahljahr“

Die Kommunalwahlen fanden am               den Kreistagswahlen 49, 6 Prozent (2009:     über 60 Prozent und bis 10. 000 Einwoh-
25. Mai 2014 statt. Diese umfassten die    51,5). Die Wahlbeteiligung bei der Wahl      ner zwischen 57,8 und 52,9 Prozent. In
Wahlen der Gemeinderäte, Ortschafts-       zur Regionalversammlung betrug durch-        der Größengruppe 10.001 bis 20.000
räte, Kreisräte und die Wahl der Regio-    schnittlich 52,6 Prozent. Wie schon in       Einwohner lag sie mit 49,8 Prozent auch
nalversammlung des Verbands Region         anderen Jahren zeigt die Betrachtung der     noch über dem Landesdurchschnitt. In
Stuttgart. 18.745 Gemeinderätinnen         Wahlbeteiligung, dass sie mit der Größe      den Gemeinden zwischen 30.000 und
und Gemeinderäte, über 10.000 Mit-         der Gemeinden abnimmt. Bis 2.000 Ein-        50.000 Einwohnern waren es nur rund
glieder von Ortschaftsräten, 2.228 Mit-    wohnern lag die Wahlbeteiligung bei          44 Prozent.
glieder von Kreistagen und 87 Mitglie-
der der Regionalversammlung wurden
neu gewählt. Unechte Teilortwahl wur-
de in 438 Städten und Gemeinden
(2009: 483) und somit in rund 39 Pro-        Bilanz und Perspektiven I – Inhaltsverzeichnis
zent der Gemeinden durchgeführt. In
407 Gemeinden (2009: 410) wurden
                                             Teil II folgt in BWGZ 2 | 2015
1.640 Ortschaftsratsgremien (2009:           • Baden-Württemberg hatte wieder ein       • Aktuelles zur Finanzierung
1.647) neu gewählt.                            „Superwahljahr“                            der Kinderbetreuung

                                             • Änderungen der Kommunalverfassung        • Bildungs- und Schulpolitik kommt
Der Gemeindetag gratuliert an dieser                                                      nicht zur Ruhe
Stelle allen neu gewählten Vertreterin-      • Steuerschätzung: Wachstum
nen und Vertretern und wünscht ihnen           der Steuereinnahmen nimmt ab,            • Landesbehindertengleichstellungs­
eine erfolgreiche Arbeit!                      konjunkturelle „Delle“ wird spürbar        gesetz – L-BGG
                                             • Neue Schlüsselzahlen für den             • Novelle des Gesetzes für unter­
                                               Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer         stützende Wohnformen,
16- und 17-Jährige                                                                        Teilhabe und Pflege – WTPG
                                             • Gewerbesteuer: Sollen Finanzämter
durften erstmals wählen                        durch eigene Billigkeitsentscheidungen   • Konversion von Komplex­
                                               auf die kommunale Steuer Einfluss neh-     einrichtungen der Behindertenhilfe
Wahlberechtigt zu den Gemeinderats-            men dürfen?
wahlen waren rund 8,5 Mio. Bürgerinnen                                                  • Flüchtlingsaufnahme
                                             • Grundsteuerreform: Zwingt das              und -unter­bringung
und Bürger. Darunter waren zirka 600
                                               Bundesverfassungsgericht den Bund
000 Staatsangehörige anderer EU-Staaten                                                 • Änderung des Bauplanungsrecht –
                                               zum Handeln? Wann wird die „Dauer-
sowie etwa 1 Mio. Erstwählerinnen und          baustelle“ endlich geschlossen?            Anlagen zur Unterbringung von
Erstwähler. Durch eine gesetzliche Ände-                                                  Asylbewerbern
rung der einschlägigen Bestimmungen in       • Gemeindeanteil an der Einkommen-
                                               steuer – Neue Schlüsselzahlen ab 2015    • Zuverlässigkeit von Hochwasser­
der Gemeindeordnung, der Landkreis-
                                                                                          gefahrenkarten – Bauen in
ordnung und im Gesetz über den Ver-          • Besteuerung der öffentlichen Hand          Überschwemmungsgebieten
band Region Stuttgart wurde das Min-
                                             • Novelle des Eigenbetriebsrechts          • Kartellverfahren Rundholz­
destalter für das aktive Wahlrecht bei
Kommunalwahlen von 18 auf 16 Jahre           • Novelle des Gemeindewirtschaftsrechts      vermarktung
herabgesetzt. Unter den Erstwählern und        und des GKZ
                                                                                        • Neues Jagd- und Wildtier­
Erstwählerinnen befanden sich daher                                                       managementgesetz des Landes –
                                             • Novellierung Kommunalabgabengesetz
auch zirka 200.000 16- und 17-Jährige.                                                    Unnötige Erschwernisse für alle
Damit gab nicht nur die üblichen fünf,       • Erschließungsbeitragsrecht: Abrech-        an der Jagd Beteiligten
sondern sieben Erstwählerjahrgänge.            nungseinheit und Kreisverkehrsplätze
                                                                                        • Bildungsfreistellungsgesetz –
                                             • Freihandelsabkommen TTIP, CETA             Jetzt auch noch Bildungsurlaub
                                               und plurilaterales Dienstleistungs­
Wahlbeteiligung erneut gesunken                abkommen TiSA                            • Altersgrenze für Bürgermeister –
                                                                                          Nach oben offen
                                             • Neues Kommunales Haushaltsrecht:
Landesweit lag die Wahlbeteiligung je-         Verlängerung der Übergangsfrist          • Landeskommunal-
doch unter der 50-Prozent Marke. An            für die Umstellung –                       besoldungsgesetz –
den Gemeinderatswahlen beteiligten             Evaluierung des neuen Rechts               Dritte Amtszeit wird honoriert
sich 49, 1 Prozent (2009: 50,7) und an

Gemeindetag Baden-Württemberg                                                                                                  3
DIE GEMEINDE - Gemeindetag Baden
Bilanz und Perspektiven                                                                                         BWGZ 1 | 2015

Die Auswertungen der größeren Städte          Betrachtet man die vergangenen Wah-         Dies bedeutet, Frauen wurden seltener
in Baden-Württemberg mit einer abge-          len, dann kann doch ein gewisser kon-       gewählt als die männlichen Bewerber.
schotteten Statistikstelle ergaben, dass      tinuierlicher Anstieg des Frauenanteils     Das Statistische Landesamt hat festge-
die Wahlbeteiligungsquote bei den 16-         festgestellt werden. Bei den Wahlen         stellt, dass in 22 der insgesamt 1.101
und 17-jährigen Wahlberechtigten              2009 betrug der Frauenanteil 22 Pro-        Gemeinden Baden-Württembergs über-
deutlich über jener bei den 18- bis           zent, 1994 waren es 17,5 Prozent und        haupt keine Frauen in Gemeinderäten
23-jährigen Wahlberechtigten bzw. bei         1984 lag er bei 9,5 Prozent. Interessant    vertreten sind (2009: 38). Bei den Kreis-
den 18- bis 25-jährigen Wahlberechtig-        ist auch der Vergleich mit den Zahlen       tagswahlen beträgt der Frauenanteil
ten lag. Insgesamt jedoch blieb die           der Kandidatinnen in den Wahlvor-           18,9 Prozent und ist gegenüber 2009 um
Wahlbeteiligung dieser Wählergruppe           schlägen. Der Frauenanteil betrug bei       2,9 Prozentpunkte gestiegen. Auch in
unter dem Landesdurchschnitt.                 den Bewerbungen landesweit 30,5 Pro-        der Regionalversammlung ist der Frau-
                                              zent (2009: 28,7 Prozent).                  enanteil um 3,4 Prozentpunkte ange-
                                                                                          stiegen (Quelle für sämtliche Zahlen:
Neues Sitzverteilungsverfahren                Der Anteil der Frauen an den Gewählten      Statistisches Monatsheft Baden-Würt-
                                              ist also geringer als an den Bewerbern.     temberg 8/2014).
Erstmals wurden die Sitze auf die Wahl-
vorschläge für die Kommunalvertretun-
gen nicht mehr nach d’Hondt, sondern
nach dem Höchstzahlverfahren nach               Änderungen der Kommunalverfassung
Sainte-Lague/Schepers verteilt. Dabei
werden die von den einzelnen Gruppie-         Das Landeskabinett hat am 13. Mai 2014      Orten eingespielt und aus der Praxis er-
rungen erreichten Stimmenzahlen               Eckpunkte zur Änderung der Kommu-           geben sich hierzu keine besonderen Un-
nacheinander durch die ungeraden              nalverfassung verabschiedet. Dabei ist      stimmigkeiten. Vielmehr würde eine
Zahlen, beginnend bei eins, also durch        vorgesehen, die Mitbestimmung über          gesetzliche Regelung den Handlungs-
1, 3, 5, 7 usw. geteilt. Die sich durch die   Bürgerbegehren und Bürgerentscheide         spielraum der kommunalen Gremien
Teilung ergebenden Zahlen müssen              zu erweitern. Es sollen dazu das            ohne Not einengen und individuelle
quer durch alle Wahlvorschläge der            Unterschrifts­ quorum für Bürgerbegeh-      Regelungen aufgrund lokaler Besonder-
Größe nach geordnet und so viel               ren und das Zustimmungsquorum für           heiten hätten keinen Raum mehr.
Höchstzahlen ausgesondert werden wie          die Verbindlichkeit eines Bürgerent-
Bewerber zu wählen sind. Ein Wahlvor-         scheids abgesenkt werden. Zudem soll        Gleichzeitig mit der gesetzlichen Rege-
schlag erhält so viele Sitze, wie Höchst-     der so genannte Negativ-Katalog ge­         lung von Fraktionen sollen auch beson-
zahlen auf ihn entfallen.                     ändert und die Möglichkeit eines Bürger­    dere Rechte für Fraktionen, ohne Rück-
                                              entscheid bzw. Bürgerbegehrens auf die      sicht auf die Größe der Fraktion und
Mit Spannung wurde in den einzelnen           Einleitung eines Bauleitplanverfahrens      ohne ein Minderheitenquorum, einge-
Kommunen verfolgt, wie sich dieses            ausgedehnt werden. Ein rechtliches Be-      führt werden. So könnte beispielsweise
neue Verfahren auf die Zusammenset-           dürfnis für die angedachten Änderungen      auch eine kleine Fraktion die Einberu-
zung der neuen Vertretungen auswirkt,         ist nicht zu sehen. Die gegebenen recht-    fung einer Sitzung durchsetzen. Gewollt
zumal dieses Verfahren tendenziell – im       lichen Grundlagen tragen den grund-         ist offensichtlich eine stärkere Parlamen-
Vergleich zu d’Hondt – kleineren Wahl-        sätzlichen Anforderungen an direkt-         tarisierung der Kommunalpolitik, die
vorschlägen mehr Chancen auf Sitze            demokratische Elemente Rechnung und         aber angesichts der Rolle des Gemeinde-
einräumt. Teilweise wird aus der Kom-         schränken die Bürgerbeteiligung nicht       rats in der Kommunalverfassung und
munalpraxis von einer stärkeren Zer-          unangemessen ein.                           dem gesetzlich bestimmten Zusammen-
splitterung der Gemeinderatssitze be-                                                     spiel der Gemeindeorgane fehl am Platz
richtet. Die statistischen Auswertungen       Weitere Änderungen sind im Bereich          wäre. Man darf gespannt sein, wie letzt-
sind jedoch noch nicht abgeschlossen,         Bürgerversammlung und Bürgeran-             endlich ein solch unangemessener Ein-
so dass erst dann eine nähere Betrach-        trag vorgesehen. Hier geht es insbeson-     griff in die innere kommunale Selbstver-
tung der Auswirkungen erfolgen kann.          dere um eine Ausdehnung des Antrags-        waltung begründet werden wird.
                                              rechts auf Einwohner (bisher waren es
                                              Bürger) sowie auf die Absenkung der         In der Konsequenz gilt das auch für die
Mehr Frauen in den                            Antragsquoren.                              weitere Überlegung, in der Gemeinde-
Kommunalvertretungen                                                                      ordnung vorzuschreiben, dass „Sit-
                                              Vorgesehen ist auch die gesetzliche Ver-    zungsunterlagen mindestens sieben Ka-
Gewählt wurden 18.745 neue Gemein-            ankerung von Fraktionen in der Ge-          lendertag vor der Sitzung übersandt
derätinnen und Gemeinderäte, darun-           meindeordnung. Bislang ist die Bildung      werden müssen“. Dies lässt sich in der
ter 4.475 Frauen. Der Frauenanteil hat        von Fraktionen und deren Tätigkeit in       Praxis gar nicht sachgerecht umsetzen.
sich somit gegenüber den Wahlen 2009          der Geschäftsordnung von Gemeinde-          Für eine gesetzliche Regelung gibt es
um 1,9 Prozent auf 23,9 Prozent erhöht.       räten zu regeln. Dies hat sich auch aller   auch hier keinen sachlichen Grund.

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DIE GEMEINDE - Gemeindetag Baden
BWGZ 1 | 2015                                                                                      Bilanz und Perspektiven

Weiter sehen die Eckpunkte eine Stär-           Steuerschätzung: Wachstum der Steuereinnahmen nimmt ab,
kung der Rechte von Kindern und Ju-             konjunkturelle „Delle“ wird spürbar
gendlichen vor. Einzelheiten zu deren
Beteiligung sollen in der Gemeindeord-        „Einundzwanzig Mrd. Euro weniger als        wicklung in Deutschland. Einen positi-
nung verankert werden. Dazu gehört            im Mai“, so lautete eine der Schlagzeilen   ven Effekt auf die Steuereinnahmen
insbesondere ein Antragsrecht der Ju-         in der Presse zur November-Steuerschät-     haben indes nach wie vor die gute Be-
gendlichen auf Einrichtung einer Ju-          zung 2014. Die 21 Mrd. sind der Schätz-     schäftigungslage und die robuste In-
gendvertretung sowie ein verbindliches        betrag, den Bund, Länder und Kommu-         landsnachfrage.
Rede-, Anhörungs- und Antragsrecht im         nen zusammen in den Jahren 2014 bis
Gemeinderat.                                  2018 zusammengerechnet bei den nach         Die Steuerschätzung basiert auf den ge-
                                              wie vor wachsenden Steuereinnahmen          samtwirtschaftlichen Eckwerten der
Unter dem Stichwort „Mehr Transpa-            einbüßen müssen (ein „Minus im              Herbstprojektion der Bundesregierung.
renz kommunaler Gremien“ soll in der          Plus“). Gegenüber der Mai-Steuerschät-      Im Frühjahr ging die Bundesregierung
Gemeindeordnung zudem die Möglich-            zung hat der Arbeitskreis Steuerschät-      noch von einem Anstieg des realen
keit eröffnet werden, Tagesordnungen,         zungen seine Erwartungen für 2015 und       Brutto­inlandsprodukts (BIP) von 1,8 Pro­
Beratungsunterlagen und Beschlüsse            die Folgejahre leicht nach unten korri-     zent im Jahr 2014 und von 2,0 Prozent
der kommunalen Gremien im Internet            giert. Grund ist die zuletzt weniger dy-    im Jahr 2015 aus. In der Herbstprojekti-
zu veröffentlichen. Allerdings ist es al-     namische gesamtwirtschaftliche Ent-         on werden die Erwartungen zurückge-
lein mit einer solchen Regelung nicht
getan. Gleichzeitig muss auch geklärt
sein, wie dem Datenschutz Genüge ge-
tan werden kann. Zwar ist eine solche
Veröffentlichung grundsätzlich denk-
bar, wenn in den Sitzungsunterlagen
nur Tatsachen enthalten sind, die ent-
weder offenkundig sind oder ihrer Be-
deutung nach keiner Geheimhaltung
bedürfen. Die Veröffentlichungen per-
sonenbezogener Daten sind nach den
datenschutzrechtlichen Regelungen
nur zulässig, wenn durch Rechtsvor-
schrift erlaubt oder eine schriftliche Ein-
willigung vorliegt. Es ist nicht davon
auszugehen, dass die Gemeindeord-
nung hier so detaillierte datenschutz-
rechtliche Regelungen enthalten wird.
Eher wird man davon ausgehen müs-
sen, dass die Veröffentlichungsfähigkeit
einer Beratungsunterlage oder anderer
Unterlagen individuell geprüft werden
muss und gegebenenfalls werden Abän-
derungen durch Kürzen oder Schwärzen
erforderlich. Eine solche „Bereinigung“
der Sitzungsunterlagen ist jedoch mit
einem hohen Verwaltungsaufwand und
einem nicht unerheblichen Risiko der
Veröffentlichung „aus Versehen“ ver-
bunden.

Ein entsprechender Gesetzentwurf lag
bei Redaktionsschluss noch nicht vor.

Gemeindetag Baden-Württemberg                                                                                                    5
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Bilanz und Perspektiven                                                                                  BWGZ 1 | 2015

schraubt; die Bundesregierung erwartet    Auch für die weiteren Schätzjahre wur-    Nachfrage von Ländern aus dem Eu-
aufgrund der gesamtwirtschaftlichen       de in der November-Steuerschätzung        roraum zählt – enthält durchaus Risiken
Rahmenbedingungen einen geringeren        eine Wachstumsannahme von jeweils         für die Wirtschaftsentwicklung in
Anstieg des realen Bruttoinlandspro-      1,3 Prozent zugrundegelegt. Für das no-   Deutschland, was sich beim Rückgang
dukts von 1,2 Prozent im Jahr 2014 und    minale Bruttoinlandsprodukt, an dem       der Ausrüstungsinvestitionen konkret
von 1,3 Prozent im Jahr 2015. Die Wirt-   die Steuereinnahmen letztlich zu mes-     bemerkbar macht.
schaftsweisen sind etwas zurückhaltener   sen sind, wird für 2014 und 2015 eine
in ihren Zukunftsaussichten: Während      Veränderungsrate von jeweils 3,2 Pro-     Während aufgrund der nach wie vor gu-
sie für 2014 ein Wachstum von 1,2 Pro-    zent und für die restlichen Schätzjahre   ten Lage auf dem Arbeitsmarkt die
zent annehmen, soll die Wirtschaft im     2016 bis 2019 von jeweils 3,1 Prozent     Brutto­lohn- und Gehaltssumme 2014
Jahr 2015 nur noch um 1,0 Prozent         prognostiziert. Denn das geopolitische    um 3,8 Prozent steigen soll (0,2 Prozent-
wachsen.                                  Umfeld – wozu nicht nur die geringere     punkte mehr als noch in der Frühjahrs­

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BWGZ 1 | 2015                                                                                    Bilanz und Perspektiven

projektion und -steuerschätzung ange-        nächsten Jahren mit wachsenden Steuer­     Die Geschäftsstelle hat die Ergebnisse der
nommen), wird für das Jahr 2015 mit          einnahmen rechnen, allerdings weniger      November-Steuerschätzung überschlägig
einem Anstieg um 3,7 Prozent gerech-         stark als noch Anfang Mai geschätzt. Die   für die Städte und Gemeinden im Lande
net, für die Folgejahre von jeweils 3,1      Steuereinnahmen sollen sich entspre-       regionalisiert. 2014 bis 2018 zusammen-
Pro­zent. Für die Unternehmens- und          chend der allgemeinen wirtschaft­lichen    gerechnet werden die kommunalen
Vermögenseinkommen wird für das              Entwicklung von 640,9 Mrd. Euro im         Steuer­einnahmen um 930 Mio. Euro we-
Jahr 2014 mit 2,0 Prozent eine geringere     Jahr 2014 auf rund 760,3 Mrd. Euro im      niger stark ansteigen.
Zuwachsrate als noch im Mai 2014 er-         Jahr 2019 erhöhen.
wartet (die Frühjahrsprojektion 2014
ging von einer Zunahme um 3,6 Pro-           Bei den Kommunen bundesweit ergibt
zent aus). Die Zuwachsrate für 2015          sich im Zeitraum 2014 bis 2018 zusam-
wird von 5,0 auf 2,5 Prozent deutlich        mengefasst gegenüber der Mai-Steuer-
zurückgenommen. Für die Folgejahre           schätzung 2014 ein um 4,6 Mrd. Euro
bis 2019 wurde die Wachstumsrate hin-        geringeres Wachstum.
gegen optimistisch um 0,2 Prozent auf
3,7 Prozent angehoben.                       Nach der aktuellen Steuerschätzung er-
                                             zielt das Land 2014 Mehreinnahmen im
Ein Einbruch bei den Steuereinnahmen         Vergleich zum Haushaltsansatz in Höhe
wird auch von den Steuerschätzern            von 722 Millionen Euro. Für 2015 wer-
nicht befürchtet. Schließlich ist die Lage   den hingegen Nettosteuerminderein-
auf dem Arbeitsmarkt weiter stabil, Löh-     nahmen im Vergleich zum Haushalts-
ne und Gehälter sowie der Privatkon-         entwurf von 118 Millionen Euro erwar-
sum entwickeln sich weiter gut. Unter        tet. In den Folgejahren 2016 bis 2018
Berücksichtigung der bereits erfolgten       wird mit Nettomehrsteuereinnahmen
Steuerrechtsänderungen können Bund,          von 521 Mio. Euro gegenüber den bis-
Länder und Gemeinden auch in den             herigen Schätzungen erwartet.

Gemeindetag Baden-Württemberg                                                                                                   7
DIE GEMEINDE - Gemeindetag Baden
Bilanz und Perspektiven                                                                                       BWGZ 1 | 2015

    Neue Schlüsselzahlen für den Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer

Zum 1.1.1998 war die Gewerbekapital-          Die Finanzämter sind bei auf dieser        Die Gemeinden können (sollten!) ihre
steuer in den alten Bundesländern ent-        ­Basis ermittelten Schlüsselzahlen nicht   Betriebe wiederholt darauf aufmerksam
fallen. In den neuen Bundesländern wur-        beteiligt. Eine Überprüfbarkeit des Zu-   machen, dass sie bei der Arbeitsverwal-
de sie gar nicht erst eingeführt. Die Ge-      standekommens der Schlüsselzahl bei       tung je Betriebsstätte eine eigene Be-
meinden erhalten zum Ausgleich seither         den letzten beiden Merkmalen (Anzahl      triebsnummer für Sozialversicherungs-
einen Gemeindeanteil an der Umsatz-            der sozialversicherungspflichtig Be-      Meldungen beantragen und auch für
steuer von 2,2 Prozent (nach Abzug einer       schäftigten, Summe der sozialversiche-    ihre Arbeitnehmer verwenden! Nur auf
Vorwegentnahme für den Bund). Der bis          rungspflichtigen Entgelte) ist für die    diesem Wege werden die sozialversiche-
einschließlich 2008 geltende Vertei-           Gemeinden auf Grund eigener Er-           rungspflichtig Beschäftigten und deren
lungsschlüssel wird schrittweise durch         kenntnisse praktisch nicht möglich; sie   Entgelte der Betriebsstätten-Gemeinde
einen sog. fortschreibungsfähigen              müssten dazu ggf. bei der Arbeitsver-     korrekt zugerechnet! Beispiel: Ein Be-
Schlüssel ersetzt, der ab 2018 der alleini-    waltung die Entwicklung ihrer Beschäf-    trieb verlegt seinen Verwaltungssitz von
ge Verteilungsschlüssel für den Gemein-        tigtenzahlen erfragen und ggf. hinter-    A nach B (mit wenigen Mitarbeitern in
deanteil an der Umsatzsteuer sein wird.        fragen.                                   der Verwaltung), die Produktion mit
                                                                                         mehreren hundert Mitarbeitern ver-
                                                                                         bleibt aber in A. Wird danach nur noch
                                                                                         eine Betriebsnummer für sämtliche Be-
                                                                                         schäftigten verwendet, die somit der
                                                                                         Gemeinde B zugerechnet werden, so
                                                                                         fehlen der Gemeinde A die Arbeitneh-
                                                                                         mer bei der Berechnung ihres Umsatz-
                                                                                         steueranteils. Eine korrekte Handha-
                                                                                         bung der Betriebsnummern und Zuord-
                                                                                         nung der Beschäftigten für Sozialver­
                                                                                         sicherungszwecke durch die Betriebe
                                                                                         dient also zugleich einer gerechteren
                                                                                         Verteilung des kommunalen Umsatz-
                                                                                         steueranteils auf die Betriebsstätten-
                                                                                         Gemeinden!

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BWGZ 1 | 2015                                                                                     Bilanz und Perspektiven

Dies war bereits vor 15 Jahren ein Thema,    Die Veränderungen gegenüber den in den       69 Mio. Euro pro Jahr in den Jahren
als der neue Schlüssel mit Beschäftigten-    Jahren 2012 bis 2014 geltenden Schlüssel-    2015 bis 2017 aufgrund Art. 1 Nr. 1 des
zahlen für die Umsatzsteuerverteilung        zahlen werden – wie die tabellarische Dar-   Gesetzes zur weiteren Entlastung von
eingeführt wurde. Die Geschäftsstelle des    stellung der Komponenten verdeutlicht        Ländern und Kommunen vom
Gemeindetags hatte seinerzeit ein mit der    – sehr wesentlich durch die Aufkom-          22.12.2014 (BGBl. I S. 2411).
Arbeitsverwaltung abgestimmtes Merk-         mensveränderungen bei der Gewerbe-
blatt herausgegeben, das zum einen die       steuer beeinflusst, weil hier die örtlich    Die Abbildung unten illustriert die sehr
Gemeinden sensibilisieren, zugleich für      sehr unterschiedlichen Steuereinbrüche       starke Streuung der Veränderungen in
die Gemeinden aber auch als Informati-       infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise     den Schlüsselzahlen 2015/2017 gegen-
onsblatt gegenüber den örtlichen Gewer-      Eingang finden und selbst die Maßstabs-      über den bisherigen Schlüsselzahlen
bebetrieben dienen sollte.                   komponente der sozialversicherungs-          2012/2014, die auf die genannten Ursa-
                                             pflichtigen Entgelt ob ihrer Hebesatzge-     chen zurückzuführen sind. Daneben
Für die Jahre 2015 bis 2017 kommt es zu      wichtung davon beeinflusst wird. Da der      spielen die konkreten Veränderungen
neuen Schlüsselzahlen auf der Grundla-       Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer im        der Beschäftigtenzahlen in der jeweili-
ge der aktualisierten Daten (vgl. die vor-   Kommunalen Finanzausgleich mit den           gen Gemeinde eine große Rolle (Zuzug
stehende Abbildung). Die vorläufigen         Zahlen des Vorvorjahres und einem Ge-        oder Wegzug eines Unternehmens, Be-
Schlüsselzahlen liegen den Städten und       wicht von 80 Prozent angesetzt wird, wer-    triebsverlagerungen, usw.). Über Verän-
Gemeinden vor.                               den etwaige Mindereinnahmen bei Um-          derungen aufklären kann hier letztlich
                                             satzsteueranteil im Jahr 2015 infolge der    nur die Arbeitsverwaltung vor Ort, die
In der Verordnung des Bundesfinanz-          neuen Schlüsselzahlen in den Folgejah-       ggf. auch die korrekte Vergabe und Ver-
ministeriums vom 23.9.2014 (BGBl. I          ren über den Kommunalen Finanzaus-           wendung der Betriebsnummern für die
S. 1555) sind die Vorgaben für die Er-       gleich wieder zu einem Gutteil durch ge-     Sozialversicherungsmeldungen über-
mittlung der in den Jahren 2015 bis          ringere Umlagezahlungen und höhere           prüfen kann. Sollten hier Unstimmig-
2017 geltenden neuen Schlüsselzahlen         Schlüsselzuweisungen nach mangelnder         keiten festgestellt werden, liegt eine
für die Verteilung des Umsatzsteueran-       Steuerkraft kompensiert.                     zeitnahe Berichtigung im Interesse der
teils detailliert geregelt. Die Anwen-                                                    Gemeinden, weil die aktuellen Statistik-
dung der neuen Schlüssel führt für die       Die vorstehende Tabelle beschreibt die       Jahre für den Umsatzsteuerschlüssel ab
Städte und Gemeinden im Lande teil-          Veränderungen in den Umsatz-Steuer-          2018 bedeutsam sein werden! Die Ge-
weise zu erheblichen Veränderungen           schlüsselzahlen näher. Sie beinhaltet auf    schäftsstelle des Gemeindetags hat den
ihres Umsatzsteueranteils, auch wenn         das Jahr 2015 bezogen neben der Schät-       Mitgliedsstädten und -gemeinden ent-
dieser insgesamt und pro Gemeinde als        zung des Umsatzsteueranteils nach der        sprechende Hinweise zur Überprüfung
Gewerbekapitalsteuerersatz nur nach-         November-Steuerschätzung 2014 die            der Berechnung ihrer Schlüsselzahlen
rangige finanzielle Bedeutung hat.           weiter hinzukommende Erhöhung um             und ggf. ihrer Berichtigung gegeben.

Gemeindetag Baden-Württemberg                                                                                                   9
Bilanz und Perspektiven                                                                                            BWGZ 1 | 2015

   Gewerbesteuer: Sollen Finanzämter durch eigene Billigkeitsentscheidungen
   auf die kommunale Steuer Einfluss nehmen dürfen?

Zum 01.01.1998 hatte der Bundes­               he von Fällen ihre Gewerbesteuer auf den     Gewerbesteuermessbetragsverfahren be-
gesetzgeber auf der Suche nach neuen           Sanierungsgewinn zwar nicht sofort voll,     reits die Unbilligkeit der Einziehung, die
Steuerquellen die bis dahin geltende           aber auf mehrere Jahre verteilt erhielten    ja durch die Gemeinde erfolgt, mit be-
Steuerbefreiung von Sanierungsgewin-           und das sanierte Unternehmen fortbeste-      denkt, bleibt abzuwarten.
nen (§ 3 Nr. 66 EStG a.F.) aufgehoben,         hen konnte.
weil dieser Ausgleich mit der Einführung
eines unbegrenzten Verlustvortrags ab          Ob dieser unterschiedlichen Vorgehens-       Private Nutzung von Tablet-PCs durch
01.01.1998 nicht mehr gerechtfertigt sei.      weise der Finanzämter und der Gemein-        Ehrenamtler künftig steuerfrei
Er wollte damit aber nicht ausschließen,       den bemühten sich die Interessenverbän-
dass einzelnen persönlichen oder sachli-       de der Wirtschaft schon seit einiger Zeit,   Einen kleinen Pluspunkt für die Kommu-
chen Härte­fällen im Stundungs- oder Er-       den Gemeinden ihr „Sonderrecht“ zu           nen bzw. ihre ehrenamtlichen Mandats-
lasswege begegnet werden könne.                nehmen und die Entscheidung über Bil-        träger enthält das bereits erwähnte Zollko-
                                               ligkeitsmaßnahmen bezüglich der Steuer       dex-Anpassungsgesetz an anderer Stelle:
Es liegt auf der Hand, dass in Insolvenz-      auf Sanierungsgewinne allein den Finanz-     Die private Nutzung mobiler Endgeräte
fällen durch den Verzicht eines oder           ämtern zu übertragen, auch bezüglich der     wie etwa Tablet-PCs ist für ehrenamtliche
mehrerer Gläubiger auf Forderungen ein         kommunalen Gewerbesteuer! Dagegen            kommunale Mandatsträger ab dem
Insolvenzverfahren in der Weise erfolg-        hatte sich der Gemeindetag mit guten Ar-     1.1.2015 von der Einkommensteuer be-
reich zum Abschluss gebracht werden            gumenten ausgesprochen und sich gegen        freit (Ergänzung des § 3 Nr. 45 EStG durch
kann, dass das Unternehmen fortbesteht,        den Eingriff der Finanzämter in den Er-      Art. 5 Nr. 3 Buchst. b) des Zollkodex-An-
die dann aber auf den Sanierungsgewinn         messensspielraum der Gemeinden bei der       passungsgesetzes). Mit dieser Änderung
durch Forderungsverzicht nachträglich          Steuererhebung gewandt. Gleichwohl hat       des Einkommensteuergesetzes wird einer
entstandenen Ertragsteuern (Einkom-            sich die Lobby der Wirtschaft durchge-       Initiative des Gemeindetags und des Deut-
mensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbe-        setzt. Im Zoll­ kodex-Anpassungsgesetz       schen Städte- und Gemeindebundes aus
steuer) den Sanierungserfolg im Nachhi-        vom 22.12.2014 (BGBl. I S. 2417) findet      dem Sommer des Jahres 2014 Rechnung
nein gefährden können, wenn die Steu-          sich nun in Art. 1 Nr. 9 (Neufassung von     getragen. Nach der bisher geltenden Rege-
ern auf den Sanierungsgewinn das sanier-       § 184 Abs. 2 Satz 1 AO) folgende Formu-      lung war die private Nutzung entspre-
te Unternehmen sofort wieder in die            lierung: „Die Befugnis, Realsteuermess­      chender Geräte, die ehrenamtlich tätige
Insolvenz treiben würden. Die Finanzver-       beträge festzusetzen, schließt auch die      kommunale Mandatsträger zur Ausübung
waltung arbeitet in solchen Fällen recht       Befugnis zu Maßnahmen nach § 163 Satz        ihrer Tätigkeit zur Verfügung gestellt be-
schematisch nach einer bundeseinheitli-        1 ein, soweit für solche Maßnahmen in        kommen, als Sachbezug einkommensteu-
chen Anweisung im BMF-Schreiben vom            einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift      erpflichtig, wie die Finanzbehörden zu
27.03.2003 (BStBl. I 2003, 240).               der Bundesregierung, der obersten Bun-       Beginn des Jahres 2014 festgestellt hatten.
                                               desfinanzbehörde oder einer obersten         Die Geschäftsstelle des Gemeindetags hat-
Für die Kommunen und ihre Gewerbe-             Landesfinanzbehörde Richtlinien aufge-       te die Mitgliedsstädte und -gemeinden
steuer gilt dieses BMF-Schreiben, wie          stellt worden sind.“                         hierüber informiert. Der Gemeindetag
auch finanzgerichtlich entschieden wur-                                                     und der Deutsche Städte- und Gemeinde-
de, nicht. Sie orientieren sich bei            Nach Art. 3 Nr. 3 des Zollkodesanpas-        bund hatten diese – die Ehrenamtler ge-
ihren Billigkeitsmaßnahmen strikt an           sungsgesetzes gilt die Neuregelung auch      genüber normalen Arbeitnehmern be-
§ 227 AO (Einziehung der Steuer aus            für Gewerbesteuer-Veranlagungsjahre vor      nachteiligende – Regelung kritisiert. Eine
Gründen in der Person des Unterneh-            2015. Damit ist es künftig möglich, dass     gemeinsame Initiative der kommunalen
mens unbillig, weil wirtschaftliche Exis-      die Finanzämter das BMF-Schreiben vom        Verbände gegenüber Bundestag und Bun-
tenz bzw. Fortsetzung der Unternehmen-         27.03.2003 oder eine ähnliche neue Rege-     desrat konnte mit der Rechtsänderung er-
stätigkeit gefährdet würde?) und prüfen,       lung auch bei der Festsetzung der Gewer-     folgreich abgeschlossen werden. Damit
ob – ggf. auf einen mittelfristigen Zeit-      besteuermessbeträge berücksichtigen          wird unnötiger bürokratischer Aufwand
raum verteilt – die Nachsteuer für das sa-     können, d.h. die Finanzämter durch ei-       für die ehrenamtlich Tätigen vermieden.
nierte Unternehmen tragbar ist und kom-        gene Billigkeitsmaßnahmen auf das            Tablet-PCs oder vergleichbare mobile End-
men ggf. zu dem Ergebnis, die Gewerbe-         Steueraufkommen der Gemeinden Ein-           geräte, die von den Gemeinden und Städ-
steuer auf einen Sanierungsgewinn nicht        fluss nehmen können. Die Städte und          ten ihren ehrenamtlichen Ratsmitgliedern
zu erlassen, sondern auf mehrere Jahre         Gemeinden werden verstärkt darauf be-        für die Ratsarbeit zur Verfügung gestellt
verteilt zu stunden, während das Finanz-       dacht sein müssen, dass es hier nicht zu     werden, sind auch bei den Städten und
amt die Einkommensteuer oder Körper-           einer Aushöhlung ihrer örtlichen Steuer­     Gemeinden im Lande mehr und mehr im
schaftsteuer auf den Sanierungsgewinn          kompetenz kommt! Wie es überhaupt            Kommen. Sie können die Arbeit für Rats-
erlässt. Für die Kommunen war dies             funktionieren soll, dass das Finanzamt       mitglieder erleichtern und zur Kostenein-
durchaus erfolgreich, weil sie in einer Rei-   bei seiner Billigkeitsentscheidung im        sparung in den Verwaltungen beitragen.

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BWGZ 1 | 2015                                                                                   Bilanz und Perspektiven

  Grundsteuerreform: Zwingt das Bundesverfassungsgericht den Bund zum Handeln?
  Wann wird die „Dauerbaustelle“ endlich geschlossen?

Die Grundsteuer ist sowohl mit Blick        veröffentlicht am 03.12.2014, BStBl. II    Grundsteuerbescheiden sowie der Er-
auf die Höhe ihres Aufkommens – 2013        2014 S. 957). Der BFH stützt seine Vor-    hebung der Grundsteuer nicht entge-
erbrachte sie mit einem Aufkommen           lage auf folgende Gesichtspunkte:          gen. Einheitswert- und Grundsteuer-
von 1,87 Mrd. Euro 13 Prozent der kom-                                                 messbescheide werden aber nach wie
munalen Steuereinnahmen in Baden-           • Der BFH ist der Ansicht, dass die        vor für vorläufig zu erteilen sein. Die
Württemberg – als auch mit Blick auf          Maßgeblichkeit der Wertverhältnisse      Städte und Gemeinden brauchen diesen
ihre Funktion als Ausgleichsabgabe eine       zum letzten Hauptfeststellungszeit-      Vorläufigkeitsvermerk in ihren Grund-
tragende Säule der Gemeindefinanzie-          punkt 01.01.1964 für die Einheitsbe-     steuerbescheiden nicht zu wiederholen.
rung. Mit der Grundsteuer erbringen die       wertung (spätestens) seit dem Fest-      Denn ggf. würde § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO
Eigentümer sowohl gewerblicher als            stellungszeitpunkt 01.01.2009 wegen      sie zu einer Anpassung zwingen.
auch zu Wohnzwecken genutzter                 des 45 Jahre zurückliegenden Haupt-
Grundstücke, ebenso aber die Land-            feststellungszeitpunkts nicht mehr       Es ist allerdings davon auszugehen, dass
und Forstwirtschaft einen finanziellen        mit den verfassungsrechtlichen An-       das BVerfG keine Korrektur für die Ver-
Ausgleich für die Bereitstellung und In-      forderungen an eine gleichheitsge-       gangenheit, sondern allenfalls vom Ge-
anspruchnahme der kommunalen In­              rechte Ausgestaltung des Steuerrechts    setzgeber verlangen dürfte, für die Zu-
frastruktur. Wegen der verfassungsrecht-      vereinbar sei.                           kunft ab einem Tag X neue rechtliche
lichen Problematik, die auf die Verwen-                                                Grundlagen für die Bewertung zu schaf-
dung überalterter Einheitswerte bei der     • Durch den Verzicht auf weitere           fen (sog. pro futuro Rechtsprechung).
Grundsteuerbemessung zurückzuführen           Hauptfeststellungen sei es nach An-
ist, fordern die Kommunen seit Langem         zahl und Ausmaß zu dem Gleich-           Dies führt zum eigentlichen Thema, der
eine Reform der Grundsteuer, denn es ist      heitssatz widersprechenden Wertver-      Grundsteuerreform: Da das Vorhaben ei-
nicht hinnehmbar, dass bei einer für die      zerrungen bei den Einheitswerten         ner Grundsteuerreform bisher immer
Kommunen derart bedeutenden Steuer            gekommen.                                noch nicht vorankommt, soll die Vorlage
Rechtsunsicherheiten hinsichtlich der                                                  des BFH dem Gesetzgeber wohl ein deut-
Besteuerungsbasis bestehen. Die Reform      • Die seit 1964 eingetretene rasante       liches Signal geben, bereits vor der Ent-
ist umso dringender geboten, als die Ver-     städtebauliche Entwicklung gerade        scheidung des Bundesverfassungsgerichts
fassungsmäßigkeit der Einheitsbewer-          im großstädtischen Bereich, die Fort-    tätig zu werden. Denn darauf warten
tung inzwischen auf dem verfassungs-          entwicklung des Bauwesens nach           nicht nur die Steuerbürger, sondern auch
rechtlichen Prüfstand steht.                  Bauart, Bauweise, Konstruktion und       die Städte und Gemeinden schon lange.
                                              Objektgröße sowie andere tiefgrei-
Dabei geht es zum einen um das schon          fende Veränderungen am Immobili-         Hinzuweisen ist in diesem Zusammen-
längere Zeit anhängige Verfassungsbe-         enmarkt fänden keinen angemesse-         hang auf die verschiedenen Ansätze
schwerdeverfahren 2 BvR 287/11 gegen          nen Niederschlag im Einheitswert.        bzw. Initiativen für eine Grundsteuerre-
ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH)                                                  form, die lange zurückreichen, aller-
vom 30.6.2010 – II R 12/09, BStBl. II       Der BFH vertritt indes nicht die Auffas-   dings sämtliche nicht ins parlamentari-
2011 S. 48, auf Grund dessen die Finanz-    sung, dass das Niveau der Grundsteuer      sche Verfahren gelangten.
ämter inzwischen Einheitswertbeschei-       insgesamt zu niedrig sei und angehoben
de und Grundsteuermessbescheide mit         werden müsse. Vielmehr gehe es ledig-      Auch die seit September 2010 tätige län-
entsprechenden Vorläufigkeitsvermer-        lich darum, dass die einzelnen wirt-       deroffene Arbeitsgruppe der Finanzmi-
ken ausstatten. Darüber war in den letz-    schaftlichen Einheiten innerhalb der       nisterien im Auftrag der Finanzminis-
ten Jahren ausführlich und wiederholt       jeweiligen Gemeinde im Verhältnis zu-      terkonferenz, die sich mit der Bewer-
berichtet worden (zuletzt BWGZ 1/2014       einander realitätsgerecht bewertet wer-    tung und Analyse dreier konkreter Re-
S. 5, Gemeindefinanzbericht 2014            den müssten. Nur eine solche Bewer-        formmodelle beschäftigt(e), nämlich
BWGZ 15-16/2014 S. 895 ff.).                tung könne gewährleisten, dass die Be-
                                            lastung mit Grundsteuer sachgerecht        • dem von norddeutschen Bundeslän-
Ganz aktuell hat nun der II. Senat des      ausgestaltet und mit dem Gleichheits-        dern initiierten Modell einer ver-
BFH dem Bundesverfassungsgericht            satz vereinbar sei.                          kehrswertorientierten Grundsteuer
(BVerfG) die Frage vorgelegt, ob die Vor-                                                (Verkehrswertmodell – VWM),
schriften über die Einheitsbewertung        Es obliegt nunmehr dem BVerfG, über
des Grundvermögens seit dem Feststel-       die Vorlagefrage zu entscheiden.           • dem Modell der Länder Bayern, Ba-
lungszeitpunkt 01.01.2009 wegen Ver-                                                     den-Württemberg und Hessen für
stoßes gegen den allgemeinen Gleich-        Der Vorlagebeschluss steht als solcher       eine wertunabhängige Grundsteu-
heitssatz verfassungswidrig sind (BFH,      dem Erlass von Einheitswertbeschei-          er nach dem Äquivalenzprinzip
Beschluss vom 22.10.2014, II R 16/13,       den, Grundsteuermessbescheiden und           (WUM)

Gemeindetag Baden-Württemberg                                                                                               11
Bilanz und Perspektiven                                                                                      BWGZ 1 | 2015

• und dem von Thüringen vorgeschla-         scheint, die bisher nicht überbrückt        fe einer Grundsteuerwertermittlung in
  genen Kombinationsmodell aus              werden konnten. Somit ist auch über         Umsetzung der neuen Bewertungsrege-
  Verkehrswertorientierung für die Bo-      die neue Gebäudewertkomponente in-          lungen bundesweit funktionieren,
  denwerte und wertunabhängigen             haltlich und bezüglich der Umsetzung        könnte das „Schicksalsjahr“ 2020 (Aus-
  Gebäudewerten (KOM)                       noch kaum etwas bekannt geworden.           laufen Solidarpakt, Neuordnung Län-
                                                                                        derfinanzausgleich, Wirksamkeit der
kam bisher nicht zu einem Abschluss,        Sollten die Finanzminister hier nicht       Schuldenbremse auch für die Länder,
weil sich die Befürworter einer verkehrs-   von sich aus zeitnah zu einer Lösung        …) auch für die erstmalige Anwendung
wertorientierten Besteuerung und die        kommen, ist – wie bereits angedeutet –      eines neuen Grundsteuerrechts als Zeit-
Vertreter einer wertunabhängigen Grund-     nicht auszuschließen, dass das Bundes-      horizont in den Blick genommen wer-
steuerbemessungsgrundlage nicht eini-       verfassungsgericht tätig wird und           den. Wobei nach wie vor offen ist, ob
gen konnten.                                schneller als erwartet dem Gesetzgeber      und wie sich die Aufgabenverteilung
                                            den Zeitrahmen für die Reform vorge-        zwischen Finanzämtern und Gemein-
Trotz oder vielleicht gerade wegen die-     ben und ggf. auch inhaltliche Determi-      den bei der Grundsteuer-Bewertung än-
ses Dissenses hatten die Finanzminis-       nanten setzen wird.                         dern soll. Klar ist bisher nur, dass die
ter im März 2014 überraschend Eck-                                                      Gutachterausschüsse bezüglich der Bo-
punkte für das weitere Vorgehen bei         Rechnet man den benötigten zeitlichen       denwertkomponente noch größere Da-
der Reform der Grundsteuer festgelegt:      Vorlauf hinzu, bis nach der Schaffung       tenlücken in den Bodenrichtwerten zu
Sie haben sich auf ein Modell zumin-        neuen Rechts die elektronischen Abläu-      schließen haben werden.
dest in den Umrissen festgelegt, bei
dem der Grundsteuermessbetrag aus
einer Bodenwertkomponente und ei-
ner Gebäudewertkomponente errech-             Gemeindeanteil an der Einkommensteuer –
net werden soll. Darauf könnten die           Neue Schlüsselzahlen ab 2015
Gemeinden wie bisher ihr Hebesatz-
recht ausüben. Dieses neue Modell soll      Im Sommer 2014 hat das Ministerium          künftigen Schlüsselzahländerungen
eine „vermittelnde“ Lösung zwischen         für Finanzen und Wirtschaft Baden-          von vornherein mehr Informationen
dem von den norddeutschen Ländern           Württemberg den Entwurf neuer Schlüs-       zur Beurteilung an die Hand gegeben
bisher favorisierten Verkehrswertmo-        selzahlen zur Ermittlung des Gemeinde-      werden sollen. Zum zweiten wurde über
dell und dem gebäudewertunabhängi-          anteils an der Einkommensteuer heraus-      die folgenden Faktoren diskutiert, die
gen Kombinationsmodell darstellen.          gegeben. Diese Zahlen haben in den          landesweit betrachtet eine maßgebli-
Aus kommunaler Sicht ist diese Rich-        Kommunen zunächst für erheblichen           che Rolle spielen:
tungsentscheidung in der Finanzmi-          Unmut gesorgt; auch weil sie zweimal
nisterkonferenz und die Verständi-          korrigiert werden mussten. Davon abge-      • Maßgeblich für die Schlüsselzahlen
gung auf ein Modell uneingeschränkt         sehen wurde jedoch einmal mehr deut-          ab 2015 ist die Einkommensteuer-
positiv zu bewerten. Damit wäre das         lich, dass diese neben der Gewerbesteuer      statistik des Jahres 2010. Für die
bisher völlig intransparente und hin-       zentrale Einnahmequelle der Gemein-           Schlüsselzahlen 2012 bis 2014 war
sichtlich der Administrierbarkeit in        den auf Basis eines Schlüssels verteilt       die Einkommensteuerstatistik des
der Praxis kaum einschätzbare reine         wird, der für viele kommunale Praktiker       Jahres 2007 maßgeblich. Zwischen
Verkehrswertmodell vom Tisch. Mit           nur schwer nachzuvollziehen ist. (vgl.        2007 und 2010 ist es bekanntlich zu
einer „mittleren Typisierung“ in der        zu grundsätzlichen Ausführungen zum           einer Finanzmarkt- und Wirt-
Gebäudewertermittlung dürfte auch           Gemeindeanteil an der Einkommen-              schaftskrise gekommen, die nicht
den verfassungsrechtlichen Bedenken,        steuer: Gemeindefinanzbericht 2014,           unerhebliche Auswirkungen auf den
die insbesondere gegen das Wertunab-        BWGZ 15-16/2014, S. 884 f.).                  Arbeitsmarkt und damit das Steuer-
hängige Modell bisher vorgebracht                                                         aufkommen hatte (z.B. Kurzarbeit).
wurden, hinreichend Rechnung getra-         Der Gemeindetag hat dies zum Anlass
gen werden können.                          genommen, für zahlreiche Fälle um ei-       • Mit der Finanzmarkt- und Wirt-
                                            ne konkrete Überprüfung durch das Mi-         schaftskrise einhergehend wurde mit
Die Finanzministerkonferenz hat die         nisterium bzw. das Statistische Landes-       dem Gesetz zur Sicherung von Be-
Arbeitsgruppe beauftragt, dieses neue       amt zu bitten. Gleichzeitig ist es zu ei-     schäftigung und Stabilität in
Modell näher auszuarbeiten. Ergebnisse      nem Gespräch gekommen, in dem die             Deutschland (Konjunkturpaket II)
dazu liegen aber auch zum Jahresende        maßgeblichen Gründe für die Entwick-          vom 02.03.2009 (BGBl I 2009, 416)
2014 nicht vor bzw. sind nicht veröf-       lung der Schlüsselzahlen aufgezeigt und       der Grundfreibetrag ab 2009 auf
fentlicht worden, weil es nach wie vor      diskutiert wurden.                            7.834 Euro und ab 2010 auf 8.004 Euro
unterschiedliche Auffassung in der Ar-                                                    erhöht. Durch die Anhebung des
beitsgruppe zur Ausgestaltung der Ge-       Hieraus wurde zum einen vereinbart,           Grundfreibetrages und bei gleichzei-
bäudewertkomponente zu geben                dass den Städten und Gemeinden bei            tiger Senkung des Eingangssteuersat-

12                                                                                      Gemeindetag Baden-Württemberg
BWGZ 1 | 2015                                                                                   Bilanz und Perspektiven

                                                                                                                                                 zustellen. Dies führt dazu, dass sich bei
                                                                                                                                                 der Veränderung der Schlüsselzahlen
                                                                                                                                                 nahezu eine Normalverteilung ergeben
                                                                                                                                                 hat (vgl. Abbildung).

                                                                                                                                                 Finanzielle Auswirkungen –
                                                                                                                                                 Nivellierende Wirkung des
                                                                                                                                                 Finanzausgleichs

                                                                                                                                                 Dass es nunmehr Gemeinden gibt, die
Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, 2014

                                                                                                                                                 „gewinnen“ und solche die „verlieren“,
                                                                                                                                                 ist die logische Konsequenz. Gleichzei-
                                                                                                                                                 tig ist aber eines zu beachten: Der Kom-
                                                                                                                                                 munale Finanzausgleich Baden-Würt-
                                                                                                                                                 temberg sieht weiterhin eine gewisse
                                                                                                                                                 Nivellierung vor. So gehört zu einer ab-
                                                                                                                                                 schließenden Beurteilung der Schlüssel-
                                                                                                                                                 zahlen je Gemeinde auch die finanziel-
                                                                                                                                                 len Auswirkungen, die sich aus § 6 Abs. 2
                                                                                                                                                 FAG ergeben. Hiernach wird der Ermitt-
                                                                                                                                                 lung der Steuerkraftsumme 2015 bereits
                                                                                                                                                 die neue Schlüsselzahl zugrunde gelegt,
                                                                                                                                                 so dass eine geringere Schlüsselzahl
                                                            zes auf 14 Prozent sowie Anhebung         als 4,1 Prozent gesunken ist, verändert    zwar im ersten Schritt einen geringeren
                                                            der Tarifgrenzen um 400 Euro (ab          sich nunmehr die Schlüsselzahl ins Ne-     Gemeindeanteil an der Einkommen-
                                                            2010 um weitere 300 Euro) wurden          gative. Im umgekehrten Fall (das Steuer-   steuer, gleichzeitig aber auch eine ge-
                                                            alle Steuerpflichtigen entlastet. Diese   aufkommen ist um weniger als 4,1 Pro-      ringere FAG- und Kreisumlagebelas-
                                                            entlastende Wirkung findet sich nun       zent gesunken) ist hingegen eine positi-   tung (vgl. §§ 1a, 35, 38 FAG) nach sich
                                                            in den Schlüsselzahlen ab 2015 wie-       ve Veränderung der Schlüsselzahl fest-     ziehen kann.
                                                            der, da im Sockelbereich nunmehr
                                                            ein geringerer Bereich erfasst wird.

                                                          Gleichzeitig kann es in jeder Gemeinde
                                                          individuelle Faktoren geben, die eine
                                                          Veränderung der Schlüsselzahlen zur
                                                          Folge haben. In Frage kommen folgende
                                                          messbaren Faktoren als mögliche An-
                                                          haltspunkte:
                                                          • Anzahl der Einkommensteuerfälle
                                                            2010 im Vergleich zu 2007,
                                                          • Entwicklung der Einwohnerzahl
                                                            2010 im Vergleich zu 2007,
                                                          • Entwicklung der Anzahl der sozial-
                                                            versicherungspflichtig Beschäftig-
                                                            ten am Wohnort 2010 im Vergleich
                                                            zu 2007.

                                                          Was die konkreten Veränderungsraten
                                                          zwischen 2015 (Statistik 2010) und
                                                          2012 (Statistik 2007) angeht, muss auch
                                                          folgendes berücksichtigt werden:

                                                          Landesweit ist das Steueraufkommen
                                                          im Sockelbereich um durchschnittlich
                                                          4,1 Prozent gesunken. Bei jenen Ge-
                                                          meinden, deren Aufkommen um mehr

                                                          Gemeindetag Baden-Württemberg                                                                                               13
Bilanz und Perspektiven                                                                                      BWGZ 1 | 2015

  Besteuerung der öffentlichen Hand           ren Stellung der öffentlichen Hand          tig wurde darauf hingewiesen, dass
                                              nicht gerecht. Zumal Steuerbefreiun-        wenn eine Steuerpflicht in der Abwas-
Es ist vorgesehen, einzelne besonders         gen für die öffentliche Hand nicht          serbeseitigung angestrebt werden
relevante und aktuelle Themen der Be-         zwingend das Funktionieren des EU-          würde, langfristige Übergangsrege-
steuerung der öffentlichen Hand in ei-        Binnenmarkts behindern.                     lungen erforderlich wären, damit Ge-
ner eigenen Schwerpunktausgabe der        •   Wettbewerbsverzerrungen liegen in           bührenerhöhungen letztlich vermie-
BWGZ im Jahr 2015 aufzugreifen (vo            Bezug auf interkommunale Zusam-             den werden könnten. So müsste ins-
raussichtlich BWGZ 9/2015). Insofern          menarbeit aus Sicht des Gemeinde-           besondere ein nachträglicher Vorsteu-
beschränken sich die nachfolgenden            tags nicht vor, da in der Regel kein        erabzug für Altinvestitionen auf 20 bis
Ausführungen auf einige wesentliche           Wettbewerb besteht (Bsp.: hoheit­           30 Jahre hinweg möglich sein.
Kernaussagen.                                 liche Beistandsleistungen wie die
                                              Vermietung einer gemeindlichen            Bislang hat die Kommission jedoch
                                              Halle für den Schulsport einer Nach-      noch keine Ergebnisse des Konsultati-
Europäische Rahmenbedingungen –               bargemeinde).                             onsverfahrens veröffentlicht. Dies
Überarbeitung der                         •   Von den vorgeschlagenen Reform-           mag möglicherweise damit zusammen-
Mehrwertsteuersystemrichtlinie                maßnahmen werden die Vollbesteu-          hängen, dass die Fragen sehr offen for-
                                              erung sowie ein „Erstattungssystem“       muliert waren und sich die Auswertung
In „Bilanzen und Perspektiven 2014“           dem Grunde nach abgelehnt, da die-        dementsprechend komplex gestalten
(BWGZ 1/2014, S. 6 f.) wurde ausführ-         se weder praktikabel noch politisch       könnte. Diese Unklarheit hat der Ge-
lich dargelegt, dass die EU-Kommission        durchsetzbar erscheinen.                  meindetag zum Anlass genommen, in
die Überarbeitung der Mehrwertsteuer-     •   Es wird abgelehnt, die bisherigen         der zuständigen Generaldirektion TAX
systemrichtlinie plant. Die seinerzeit        Steuerbefreiungen des Art. 13 Mehr-       um ein Gespräch zu ersuchen. Dieses
diskutierten Reformmodelle stehen             wertsteuersystemrichtlinie zu strei-      Gespräch wird Mitte Januar in Brüssel
nach wie vor im Raum. Generell gilt,          chen, da dann Tätigkeiten wie bei-        stattfinden. Über den weiteren Fortgang
dass Änderungen in der Mehrwertsteu-          spielsweise die Abwasserbeseitigung       wird zu gegebener Zeit berichtet.
ersystemrichtlinie unmittelbare Auswir-       über Freistellungstatbestände der Art.
kungen auf das nationale Umsatzsteuer-        132 – 134 geregelt werden müssten,
recht (vgl. hierzu den nachfolgenden          die letztlich den „Einstieg in den Aus-   Umsatzbesteuerung der inter­
Unterpunkt) haben werden. Die damit           stieg“ aus der Mehrwertsteuerbefrei-      kommunalen Zusammenarbeit –
einhergehenden möglichen Problem-             ung darstellen würden.                    Nationale Regelung durch § 2b UStG?
stellungen dürfen keinesfalls unter-      •   Es wurde dargelegt, dass eine Umsatz-
schätzt werden.                               besteuerung der Abwasserbeseiti-          In Bezug auf die Überarbeitung der
                                              gung höchst bedenklich erschiene,         Mehrwertsteuersystemrichtlinie, aber
Wie bereits in o.g. Ausgabe der BWGZ          da zum einen in der Abwasserbeseiti-      auch bereits zuvor aufgrund diverser Ur-
ausgeführt, wurde eine öffentliche, EU-       gung bekanntlich kein Wettbewerb          teile des Bundesfinanzhofes (u.a. „Turn-
weite Konsultation durchgeführt, an           möglich ist, da die Beseitigungspflicht   hallen-Urteil“ des BFH, Urteil vom
der sich jedermann bis Ende April 2014        allein der Gemeinde obliegt (§ 56         10.11.2011 – V R 41/10) hat sich in den
beteiligen konnte. Die Geschäftsstelle        WHG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 WG          letzten beiden Jahren in zunehmendem
hat sich daher, ebenso wie der DStGB          Baden-Württemberg). Private Dritte        Maße die Frage gestellt, inwieweit die
sowie auch das Europabüro der baden-          kommen also allenfalls als Erfüllungs-    interkommunale Zusammenarbeit um-
württembergischen Kommunen, mit               gehilfen in Betracht. Nach Auffassung     satzsteuerpflichtig ist bzw. künftig wer-
einer mehrseitigen Stellungnahme am           der Geschäftsstelle kann also kein        den wird. Die Kommunalverbände hat-
offenen Konsultationsverfahren betei-         Wettbewerb zu privaten Dritten beste-     ten hiernach mehrfach gefordert, insbe-
ligt und im Wesentlichen die folgenden        hen, folgerichtig gibt es in diesem Be-   sondere die Interkommunale Zusam-
Aspekte ausformuliert:                        reich auch keine Wettbewerbsverzer-       menarbeit von der Umsatzbesteuerung
                                              rung. Eine Umsatzbesteuerung der          auszunehmen, da ansonsten wesentli-
• Der in Europa vielfach verwendete           Abwasserbeseitigung hätte Mehrbe-         che IKZ-Bereiche unnötig verteuert und
  Begriff des potenziellen Markts ist         lastungen in Höhe von 10 bis 20 Pro-      damit der Sinn und Zweck der IKZ kon-
  mit der realen Wettbewerbssituation         zent für die Gebührenschuldner zur        terkariert würde (vgl. u.a. Gt-INFO
  regelfalls nicht in Einklang zu brin-       Folge. Diese Mehrbelastung, der kei-      Nr. 433/2013 vom 31.05.2013 – Ver-
  gen ist. Demzufolge wird die diesbe-        nerlei zusätzlicher Nutzen gegenüber      sandtag –, sowie die Hinweise im Rah-
  zügliche Rechtsprechung des EuGH            stünde, wird deutlich abgelehnt. Der      men der Kämmerer- und Steueramts­
  abgelehnt (vgl. nächster Abschnitt).        Kommission wurden hierzu ergän-           leitertagungen 2013 und 2014).
• Steuerbefreiungen für die öffent­           zende Berechnungen und Modelle
  liche Hand sinngemäß lediglich als          aus den 1990er-Jahren überlassen, aus     Die Bundesregierung hat diese Problem-
  „Störung der steuerlichen Neutrali-         denen die befürchteten Gebühren-          stellung erkannt und in ihrem Koaliti-
  tät“ zu begreifen, wird der besonde-        steigerungen hervorgehen. Gleichzei-      onsvertrag formuliert:

14                                                                                      Gemeindetag Baden-Württemberg
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