Datenschutz mit Hindernissen - Deutsche Vereinigung für Datenschutz e. V.

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Datenschutz mit Hindernissen - Deutsche Vereinigung für Datenschutz e. V.
2/2013
36. Jahrgang
                            ISSN 0137-7767
                                                                        9,00 Euro
         Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V.
                                                     www.datenschutzverein.de

                                                                                            Datenschutz mit Hindernissen
                                                                                    ■ Outsourcing von Datenverarbeitung: Probleme der Funktionsüber-
                                                                                    tragung ■ Google Glass, IT-Brillen und informationelle Selbstbestim-
                                                                                    mung ■ Meldepflicht von Datenschutzvorfällen – Anforderungen an das
                                                                                    Datenschutzmanagement ■ BigBrotherAwards 2013 ■ Die Arroganz
                                                                                    von Apple ■ Buchbesprechung ■ Nachrichten ■ Rechtsprechung ■
Datenschutz mit Hindernissen - Deutsche Vereinigung für Datenschutz e. V.
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 Inhalt

     Anne Riechert                                           Buchbesprechung                                        61
     Outsourcing von Datenverarbeitung:
     Probleme der Funktionsübertragung                  48
                                                             Datenschutznachrichten

     Thilo Weichert                                          Datenschutznachrichten aus Deutschland                 62
     Google Glass, IT-Brillen und informationelle
     Selbstbestimmung                             53         Datenschutznachrichten aus dem Ausland                 69

                                                             Technik-Nachrichten                                    75
     Karsten Neumann
     Meldepflicht von Datenschutzvorfällen –
     Anforderungen an das                                    Rechtsprechung                                         77
     Datenschutzmanagement                              56

                                                             Thilo Weichert
     BigBrotherAwards 2013                              59
                                                             Wilhelm Steinmüller ist tot                            86

     Rena Tangens
     Dämpfer für die Arroganz von Apple                 60

 Termine

     Sonntag, 28. Juli 2013, 10:00 Uhr                        Montag, 16. September 2013 bis
     DVD-Vorstandssitzung                                     Freitag, 20. September 2013
     Berlin. Anmeldung in der Geschäftsstelle                 GI-Jahrestagung 2013
     dvd@datenschutzverein.de                                 Koblenz
                                                              http://www.informatik2013.de
     Donnerstag, 1. August 2013
     Redaktionsschluss DANA 3/13                              Samstag, 19. Oktober 2013
     Thema: „Kommunale Software“                              DVD-Vorstandssitzung
                                                              Bonn. Anmeldung in der Geschäftsstelle
     Mittwoch, 11. September 2013 bis                         dvd@datenschutzverein.de
     Samstag, 14. September 2013
     14. Herbstakademie 2013                                  Sonntag, 20. Oktober 2013
     Law as a Service (LaaS) – Recht im                       DVD-Mitgliederversammlung
     Internet- und Cloud-Zeitalter                            Bonn.
     Humboldt Universität in Berlin                           dvd@datenschutzverein.de
     http://www.dsri.de/herbstakademie/herbstakademie.html

                                                                                        DANA • Datenschutz Nachrichten 2/2013

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Datenschutz mit Hindernissen - Deutsche Vereinigung für Datenschutz e. V.
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               DANA                       Editorial
  Datenschutz Nachrichten
           ISSN 0137-7767
         36. Jahrgang, Heft 2
                                          Liebe Leserinnen, liebe Leser,
             Herausgeber
      Deutsche Vereinigung für            lange hat der Sommer auf sich warten lassen. Und vergeblich warten mus-
       Datenschutz e.V. (DVD)
          DVD-Geschäftstelle:
                                          sten wir in diesem Frühjahr auch auf Durchbrüche beim Datenschutz. Damit
    Rheingasse 8-10, 53113 Bonn           meinen wir nicht die überfällige Beerdigung des Regierungsentwurfs zum
           Tel. 0228-222498               Beschäftigtendatenschutz. Wir hätten uns aber etwa über schnelle Klarheit
  Konto 1900 2187, BLZ 370 501 98,        über die durch Tausende von Änderungsvorschlägen etwas unübersicht-
         Sparkasse KölnBonn
  E-Mail: dvd@datenschutzverein.de        lich gewordene Weiterentwicklung des Entwurfs der EU-Datenschutz-
     www.datenschutzverein.de             Grundverordnung gefreut. Wir bekommen: ein Wahlkampfsommerloch
         Redaktion (ViSdP)                und neue grausame Wahrheiten über die Datenkrake NSA. Datenschutz mit
            Sönke Hilbrans                Hindernissen also. Es gibt auch welche, die Hindernisse anpacken: wir ge-
     c/o Deutsche Vereinigung für         ben Ihnen einen kurzen Überblick über die diesjährigen Big-Brother-Awards
        Datenschutz e.V. (DVD)
     Rheingasse 8-10, 53113 Bonn
                                          (BBA), die wieder ausgesuchte Datenkraken an den Haken genommen ha-
      dvd@datenschutzverein.de            ben. Außerdem dokumentieren wir ein sicher bald als „apple-Entscheidung“
    Den Inhalt namentlich gekenn-         bekannt werdendes Urteil des Landgerichts Berlin, - mit einem Kommentar
  zeichneter Artikel verantworten die     von Rena Tangens. Gesetztes Wissen präsentieren wir Ihnen mit dem Beitrag
          jeweiligen Autoren.
                                          von Prof. Anne Riechert, welche ein kritisches Resümee zum Konzept der
          Layout und Satz                 Funktionsübertragung im Datenschutzrecht zieht. Karsten Neumann unter-
    Frans Jozef Valenta, 53119 Bonn
          valenta@t-online.de             zieht die noch relativ junge Regelung zur Breach Notification einer fakten-
                                          gestützten Würdigung. Thilo Weichert schließlich bring uns auf den neue-
                 Druck
          Onlineprinters GmbH             sten Stand bei Google Glass. Und natürlich wieder Nachrichten, Nachrichten,
         Rudolf-Diesel-Straße 10          Nachrichten.
       91413 Neustadt a. d. Aisch
          www.diedruckerei.de
     Tel. +49 (0)91 61 / 6 20 98 00
                                          Anregende Lektüre und einen guten Start in den Sommer wünscht Ihnen
      Fax +49 (0) 91 61 / 66 29 20
             Bezugspreis                  Sönke Hilbrans
    Einzelheft 9 Euro. Jahresabonne-
   ment 32 Euro (incl. Porto) für vier
  Hefte im Jahr. Für DVD-Mitglieder ist
    der Bezug kostenlos. Das Jahres-
     abonnement kann zum 31. De-
      zember eines Jahres mit einer
   Kündigungsfrist von sechs Wochen
                                          Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe:
   gekündigt werden. Die Kündigung
  ist schriftlich an die DVD-Geschäfts-
        stelle in Bonn zu richten.        Karsten Neumann
                                          Vorstandsmitglied der DVD, Landesbeauftragter für Datenschutz Mecklenburg-
               Copyright                  Vorpommern a.D., Associate Partner der 2B Advice GmbH,
  Die Urheber- und Vervielfältigungs-
                                          neumann@datenschutzverein.de
    rechte liegen bei den Autoren.
    Der Nachdruck ist nach Geneh-
    migung durch die Redaktion bei        Anne Riechert
   Zusendung von zwei Belegexem-          Professur für Datenschutzrecht und Recht in der Informationsverarbeitung
  plaren nicht nur gestattet, sondern     an der Fach­hoch­schule Frankfurt am Main.
                                          Während ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin hat sie Unternehmen unter an-
  durchaus erwünscht, wenn auf die
                                          derem in vertrags- und datenschutzrechtlichen Angelegenheiten beraten.
  DANA als Quelle hingewiesen wird.
                                          anne.riechert@gmx.de
              Leserbriefe
   Leserbriefe sind erwünscht. Deren      Rena Tangens
   Publikation sowie eventuelle Kür-      Mitbegründerin und Vorsitzende des Bielefelder Vereins digitalcourage (ehemals
      zungen bleiben vorbehalten.         FoeBuD), Mitglied der Jury bei den BigBrotherAwards.
                                          rena.tangens@digitalcourage.de
        Abbildungen, Fotos
          Frans Jozef Valenta,
          Seite 59: Fabian Kurz
                                          Dr. Thilo Weichert
                                          Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig Holstein, Kiel,
                                          weichert@datenschutzzentrum.de

DANA • Datenschutz Nachrichten 2/2013

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Datenschutz mit Hindernissen

Anne Riechert

Outsourcing von Datenverarbeitung:
Probleme der Funktionsübertragung

I .Einleitung                                 Ein weiteres Outsourcing-Konzept,          obliegt die rechtliche Zuständigkeit.6 Die
                                           die Auftragsdatenverarbeitung gemäß           Einzelheiten der Abgrenzung sind streitig
   Das Konzept der Funktionsüber-          § 11 BDSG, schützt zwar die Interes-          - sogar im Hinblick auf die identische in-
tragung beruht auf der Annahme,            sen der Betroffenen, ist jedoch für die       haltliche Aufgabe. Letzteres ist vornehm-
dass Unter­nehmen Aufgaben, die die        Unternehmer in der praktischen Durch-         lich von den unterschiedlichen Interessen
Verar­beitung von Kunden-oder Mitar­       führung weniger angenehm, da diese            abhängig, die einerseits wirtschaftlich
beiterdaten zum Gegenstand haben,          die Beachtung enger gesetzlicher An-          und andererseits datenschutzrechtlich
vollständig auslagern dürfen. Die Frage    forderungen erfordert und lediglich für       geprägt sind. So wird die Auslagerung
ist nur: Warum? Denn zu berücksichti-      die Auslagerung von unterstützenden           der Personalverwaltung teilweise als
gen ist, dass keine datenschutzrechtli-    Tätigkeiten in Betracht kommen soll.          Auftragsdatenverarbeitung7 und teilwei-
che Vorschrift eine solche Übertragung     In den folgenden Ausführungen werden          se als Funktionsübertragung eingestuft.8
von Funktionen ausdrücklich regelt.        diese beiden Outsourcing-Konzepte der         Der Arbeitsbericht der ad-hoc-Arbeits-
Die Zulässigkeit wird vielmehr daraus      Funktionsübertragung und der Auftrags-        gruppe „Konzerninterner Datentransfer“
hergeleitet, dass eine Norm des Bundes-    datenverarbeitung sowie ebenso eine           des Regierungspräsidium Darmstadt
datenschutzgesetzes die Übermittlung       vermittelnde Auffassung (Vertragstheo-        macht diese Streitfrage zwischen Auf-
von Daten grundsätzlich erlaubt, wenn      rie) erörtert.                                sichtsbehörden und Wirtschaftsvertre-
kein Grund zur Annahme besteht, dass                                                     tern besonders deutlich9: „Zwar besteht
schutzwürdige Interessen der Betroffen     II. Merkmale der Auftragsdaten­               Einigkeit darüber, dass eine Auftragsda-
überwiegen. Da diese Abwägung jedoch       verarbeitung und der Funktions­               tenverarbeitung bei Vorgabe eines aus-
ohne Mitspracherecht der Betroffenen       übertragung                                   differenzierten Entscheidungsbaums zur
allein in die Hände der Unternehmer                                                      Aufgabenerfüllung in Betracht kommt,
gelegt wird, können letztere das Ver-         Auftragsdatenverarbeitung ist an die       da in diesem Falle dem Auftragnehmer
botsprinzip mit Erlaubnisvorbehalt (§ 4    engen gesetzlichen Voraussetzungen des        keinerlei inhaltlicher Ermessenspielraum
Abs. 1 BDSG) mühelos in ihrem Sinne        § 11 BDSG geknüpft und wird als wei-          überlassen bleibt“.10 Streitig sei hingegen
anwenden. Diese Maxime des Daten-          sungsgebundene Tätigkeit des Auftrag-         zwischen den Aufsichtsbehörden und den
schutzrechts fordert für jede Erhebung,    nehmers (Dienstleisters) verstanden. Es       Wirtschaftsvertreten, inwieweit das Kri-
Verarbeitung oder Nutzung von Da-          wird stets darauf verwiesen, dass bei einer   terium der fehlenden Entscheidungsbe-
ten eine gesetzliche Erlaubnis oder die    Auftragsdatenverarbeitung der Auftrag-        fugnis des Dienstleisters relevant sei bzw.
Einwilligung der Betroffenen. Für die      geber „Herr der Daten“ bleibt, der Auf-       welche konkrete Bedeutung es habe.11 In
Verwirklichung des gesetzgeberischen       tragnehmer nur als „verlängerter Arm“         dem Arbeitsbericht wird in diesem Zu-
Ziels, das Persönlichkeitsrecht des Ein-   und „ausgelagerte Abteilung“ fungiert.2       sammenhang ebenso darauf verwiesen,
zelnen zu schützen, ist es allerdings      In diesem Sinne hat der Auftragsdaten-        dass Vertreter der Wirtschaft die Ausle-
mehr als fraglich, ob der Gesetzgeber      verarbeiter lediglich eine unterstützen-      gung der Auffassung der Aufsichtsbehör-
eine solche Vorgehensweise tatsächlich     de Funktion für den Auftraggeber inne.3       den für zu eng hielten, die darauf abzie-
als interessengerecht einstufen kann.      Ein wichtiges Kriterium ist die Einglie-      le, dass Auftragsdatenverarbeitung dann
Es ist selbstredend, dass der Fokus        derung des Auftragsdatenverarbeiters in       ausscheiden müsse, wenn der Auftrags-
nicht auf das Bedürfnis der Unterneh-      das Unternehmen der auftraggebenden           datenverarbeiter auch nur den kleinsten
mer nach bequemer und pragmatischer        Stelle. Beide stellen aus rechtlicher Sicht   Ermessenspielraum habe.12 Primär geht
Gestaltung von Geschäftsprozessen ge-      eine Einheit dar und der Auftragnehmer        es also ebenso um die Frage, inwieweit
richtet sein darf, welches zu dem Daten-   ist an die Vorgaben des Auftraggebers         Unternehmer sich eine Wahl- und Inter-
schutzinteresse der Betroffenen völlig     gebunden.4 Derjenige hingegen, der in         pretationsfreiheit hinsichtlich Auftrags-
konträr ist. Unternehmen haben keinen      Funktionsübertragung tätig ist, ist selbst-   datenverarbeitung und Funktionsübertra-
Anspruch darauf, in unkomplizierter        ständig für die Rechtmäßigkeit der Da-        gung herausnehmen.
Weise an den Vorteilen einer arbeitstei-   tenverarbeitung und die Wahrung der
ligen Wirtschaft teilzuhaben.1 Aber die    Betroffenenrechte verantwortlich.5 Er         III.Vergleich der Anforderungen
Betroffenen haben ein grundgesetzlich      darf die Aufgabe, die vollständig auf ihn
garantiertes Recht auf informationelle     übertragen bzw. ausgelagert ist, somit ei-    1. Auftragsdatenverarbeitung
Selbstbestimmung.                          genverantwortlich durchführen und ihm            Die Möglichkeit, Daten im Auftrag

                                                                                               DANA • Datenschutz Nachrichten 2/2013
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Datenschutz mit Hindernissen

verarbeiten zu lassen, ist –wie oben dar-    1 BDSG im Vordergrund steht und die         ternehmer stets zuerst die Frage stellen,
gestellt- an enge gesetzliche Vorgaben       ergänzenden Tatbestände Nr. 2 und Nr. 3     ob ein Outsourcing tatsächlich zur Ver-
geknüpft. Der Begründung zum Gesetz-         lediglich außerhalb von Schuldverhält-      tragsdurchführung erforderlich ist oder
entwurf der Bundesregierung lässt sich       nissen als Auffangklauseln zur Anwen-       ob die Datenverarbeitung nicht eben-
entnehmen,13 dass § 11 BDSG im Zuge          dung gelangen können.18 Damit wäre          so intern stattfinden könnte. Eine sol-
der BDSG-Novelle II 2009 aus dem             die Frage der Zulässigkeit sehr zügig zu    che Erforderlichkeit im Sinne des § 28
Grunde konkreter gefasst worden ist, da      beantworten, da in den wenigsten Fäl-       Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG lässt sich beim
den nicht-öffentlichen Stellen oftmals       len eine Funktionsübertragung im Sinne      Outsourcing von Daten allenfalls unter-
nicht bekannt war, welche technischen        von § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG tat-        stellen, wenn die Daten konzernintern
und organisatorischen Maßnahmen von          sächlich erforderlich wäre.19 Aber selbst   verarbeitet werden müssen,25 aber nicht
ihnen verlangt werden: Verträge zur          die juristische Auffassung, die eine        für eine herkömmliche Unternehmer-/
Auftragsdatenverarbeitung wurden ent-        Wahlfreiheit zwischen den Alternativen      Kundenbeziehung. Hier ist eine externe
weder nicht im Sinne des § 11 BDSG           des § 28 Abs. 1 BDSG unterstellt, ver-      Datenverarbeitung gemäß § 28 Abs. 1
oder nicht schriftlich verfasst und eben-    weist darauf, dass die verantwortliche      S. 1 Nr. 1 BDSG nicht notwendig und
so selten Regelungen zur Löschung der        Stelle den Anknüpfungspunkt weder           eine kumulative Anwendung des § 28
Daten bzw. deren Rückgabe nach Erle-         beliebig auswählen noch kumulativ auf       Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG wäre (auch im
digung des Auftrages getroffen.14 Dem-       die Zulässigkeitsgründe zurückgreifen       Sinne der oben zitierten Meinung) einer
entsprechend wurde die Möglichkeit ei-       könne.20 Es sei eine restriktive Ausle-     kritischen Überprüfung zu unterziehen:
ner Bußgeldahndung begrüßt, die nun in       gung im Sinne einer nur ausnahmsweise       Jedwede nur ausnahmsweise zulässige
§ 43 Abs. 1 Nr. 2b BDSG geregelt ist.15      zulässigen Verarbeitung geboten.21 Mit      Datenverarbeitung erfordert besonde-
Auch die gesetzliche Verpflichtung zur       dieser einschränkenden Betrachtung          re Prüfpflichten! Daher kann durchaus
Dokumentation des Kontrollergebnisses        ist ebenso verbunden, dass innerhalb        die Forderung aufgestellt werden, dass
seitens der Auftraggeber stellt insgesamt    der verantwortlichen Stelle nicht je-       einem Unternehmer Funktionsübertra-
einen wichtigen Faktor dar, da sich die-     dermann auf die Daten zugreifen oder        gung dann verwehrt sein muss, wenn
ser ansonsten „nur in sehr zurückhalten-     diese frei verwenden darf.22 Bei konse-     anhand objektiv zu bemessender Krite-
der Weise von der Ordnungsmäßigkeit          quenter Anwendung müsste auch diese         rien nicht feststellbar ist, dass ihm die
der Geschäftstätigkeit des Vertragspart-     zweite Ansicht aus Gründen des „erst-       eigenverantwortliche       Datenverarbei-
ners überzeugen“ werde.16                    recht-Schlusses“ zu einer Ablehnung         tung – beispielsweise im Wege einer
                                             der Funktionsübertragung anhand des         Auftragsdatenverarbeitung – unmöglich
2.Funktionsübertragung                       § 28 Abs. 1 S.1 Nr. 2 BDSG kommen,          ist. Allein der Umstand eines kosten-
   Die Funktionsübertragung findet kei-      welche sie jedoch insgesamt für zuläs-      günstigeren Angebots genügt den An-
ne ausdrückliche gesetzliche Grundlage.      sig erachtet:23 Wenn die Daten schon        forderungen des § 28 BDSG allerdings
Ihre Rechtfertigung wird regelmäßig          innerhalb der verantwortlichen Stelle       nicht.26 Wenn außerdem vertreten wird,
aus § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG herge-       nicht uneingeschränkten Nutzungsrech-       dass der Weg über § 28 Abs. 1 S. 1 Nr.
leitet.17 Gemäß dieser Regelung ist eine     ten unterliegen, dürften die Daten „erst    2 BDSG der verantwortlichen Stelle so
Datenübermittlung zulässig, d.h. eine        recht“ nicht uneingeschränkt an Dritte      lange versperrt bleiben muss, wie diese
Weitergabe von personenbezogenen             gelangen. Dies führt zu der Frage, ob       ihr Informationsziel anders erreichen
Daten an Dritte gemäß § 3 Abs. 4 Nr. 3       die personenbezogenen Daten tatsäch-        kann,27 muss eine solche Einschränkung
BDSG, „soweit es zur Wahrung berech-         lich die verantwortliche Stelle veranlas-   ebenso für das „Wie“ der Datenverar-
tigter Interessen der verantwortlichen       sen dürfen ohne die Schutzmaßnahmen         beitung gelten.28 Letztendlich spielen
Stelle erforderlich ist und kein Grund zu    des § 9 BDSG kontrolliert und doku-         bei diesem Punkt die im nachfolgenden
der Annahme besteht, dass das schutz-        mentiert sicherzustellen, vor allem mit     behandelten schutzwürdigen Interessen
würdige Interesse des Betroffenen an         der grundsätzlichen Möglichkeit einer       des Betroffenen eine maßgebliche Rol-
dem Ausschluss der Verarbeitung oder         Zweckänderung durch die Dritten?24          le. Diese sind jedoch aufgrund der man-
Nutzung überwiegt.“                          Die Regelung des § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2     gelnden gesetzlichen Vorgaben im Rah-
   Aus datenschutzrechtlicher Sicht sind     BDSG enthält dazu (anders als die Auf-      men von § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG
vornehmlich zwei Fragestellungen zu          tragsdatenverarbeitung) keine konkreten     einer gewissen Beliebigkeit ausgesetzt.
beantworten:                                 Anforderungen, sondern überlässt auch
   Erstens: Warum sollte § 28 Abs. 1 S. 1    dies der Einschätzung des Unterneh-         b. Schutzwürdige Interessen
Nr. 2 BDSG anwendbar sein?                   mers. Die schutzwürdigen Interessen         der Betroffenen
   Zweitens: Werden die schutzwürdigen       der Betroffenen sind gerade nicht und          Nachteilig an der Regelung des § 28
Interessen der Betroffenen ausreichend       unter Bußgeldandrohung unabdingbar          Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG ist insgesamt,
berücksichtigt?                              mit einer schriftlichen Dokumentations-     dass der Gesetzgeber weder die „berech-
                                             und Kontrollpflicht des Unternehmers        tigten Interessen“, die „schutzwürdigen
a. Anwendbarkeit von § 28 Abs. 1             verknüpft. Zudem: Wenn der Grundsatz        Interessen“ noch die Anforderungen an
S. 1 Nr. 2 BDSG?                             der restriktiven und nur ausnahmswei-       die Abwägung zwischen diesen wider-
   Diesbezüglich ist zunächst streitig, ob   se zulässigen Datenverarbeitung ernst       streitenden Interessen definiert hat.29
die Alternative des § 28 Abs. 1 S. 1 Nr.     genommen wird, müsste sich jeder Un-        Unternehmen, welche die personenbe-

DANA • Datenschutz Nachrichten 2/2013
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Datenschutz mit Hindernissen

zogenen Daten ihrer Kunden oder Mit-         che verwirrenden und überflüssigen Re-       die Auftragsdatenverarbeitung geforder-
arbeiter outsourcen, können die wirt-        gelungen bewusst in Kauf genommen            te einschränkende Kriterium der bloßen
schaftliche Effizienz und ungehinderte       hat. So hätte der Sachverhalt der Funk-      „Hilfsfunktion“ zu verzichten.35 Es muss
Ausgestaltung ihrer Geschäftsprozesse        tionsübertragung, der bereits seit gerau-    allerdings berücksichtigt werden, dass
prinzipiell höher ansiedeln als die Inte-    mer Zeit Anlass zu Diskussionen bie-         nicht nur der geschriebene Vertrag die
ressen der Betroffenen, da eine summa-       tet, bei der letzten Reform zum BDSG         Rechte der Betroffenen wahrt, sondern
rische Prüfung der jeweiligen Interessen     geregelt werden können. Zur Wahrung          vor allem die praktische Durchführung
durch den Unternehmer als ausreichend        des Persönlichkeitsschutzes der Be-          des Vertrages. Eine Auftragsdatenverar-
angesehen wird.30 Aber müssen die Be-        troffenen könnten die Unternehmer im         beitung soll insgesamt nur in Betracht
troffenen nicht umgekehrt darauf ver-        Rahmen der Funktionsübertragung eine         kommen, wenn der Auftraggeber auch
trauen dürfen, dass ihre persönlichen        Zweckänderung zwar vertraglich aus-          tatsächlich in der Lage ist, dem Auf-
Daten in der rechtlichen Verantwortung       schließen – ob sie dies tun, ist aber eine   traggeber jeden Arbeitsschritt vorzu-
des konkreten Unternehmens – ihrem           andere Frage, da eine gesetzliche Ver-       schreiben.36 Gerade diese Anforderung
jeweiligen Vertragspartner – verblei-        pflichtung hierzu nicht vorhanden ist.       erscheint jedoch etwa bei Auslagerung
ben? An dieser Stelle kann die Abwä-         Für die Funktionsübertragung gibt es         der Personaldatenverwaltung , Boni-
gung folglich ebenso ergeben, dass die       durchgängig –angefangen beim Schrift-        tätsbewertungen oder Buchhaltung aus
schutzwürdigen Belange der Betroffe-         formerfordernis und der geforderten Do-      praktischen Gründen fraglich.37 Dies
nen einer Funktionsübertragung, näm-         kumentation der Prüfung- keine gesetz-       zeigen etwa die eingangs dargestellte
lich der Weitergabe ihrer Daten an für       lichen Regelungen, die die Interessen        Diskussion um die rechtliche Einord-
Sie unbekannte Dritte grundsätzlich          der Betroffenen schützen. Ergänzend sei      nung der Personaldatenverwaltung und
immer entgegenstehen.31 Für diesen Fall      angemerkt, dass die Auftragsdatenverar-      die umstrittene Frage, inwieweit es sich
ist entweder eine Einwilligung der Be-       beitung auch einer Zulässigkeitsprüfung      bei den Bereichen des Werkschutzes
troffenen gemäß § 4a BDSG oder die           anhand des § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG       oder der Detektivarbeit um Auftrags-
Auftragsdatenverarbeitung gemäß § 11         standhalten würde. Der Sache nach ent-       datenverarbeitung handelt: Liegt es
BDSG vorgesehen – wobei letztere eine        scheidet vor allem die Neufassung des §      insbesondere bei Detektivarbeit nicht
Datenweitergabe lediglich unter der Vo-      11 BDSG, dass die schutzwürdigen In-         außerhalb der Lebenserfahrung, dass
raussetzung zulässt, dass der (für die Be-   teressen der Betroffenen berücksichtigt      sämtliche Überwachungsschritte exakt
troffenen unbekannte) Empfänger wei-         werden. Diese Konstruktion ist einer in-     vorgegeben werden?38 Weiterhin muss
sungsgebunden ist und kontrolliert wird.     ternen Datenverarbeitung durch (eben-        kritisch hinterfragt werden, ob durch
Der Schutz des Persönlichkeitsrechts         falls weisungsgebundene) Mitarbeiter         diese Ausgestaltung eines Auftrags-
erfordert hier eine restriktive Betrach-     vergleichbar, die keine Zweckänderung        datenverarbeitungsvertrag       „Verwer­
tung, vor allem wegen der weitreichen-       erlaubt.                                     tungs­grenzen“ umgangen werden.39
den Möglichkeiten der Zweckänderung                                                       Die Grenze ist in diesem Falle erreicht,
gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 BDSG sowie §         3. Vertragsfreiheit                          wenn eine Auftragsdatenverarbeitung
28 Abs. 5 BDSG. Diese führen zu dem            Eine vermittelnde Meinung beruft           keine tatsächliche Weisungsbefugnis
untragbaren Ergebnis, dass der Dritte        sich wegen der letztgenannten Gründe         enthält, sondern nur auf dem Papier be-
die personenbezogenen Daten gleicher-        auf die sogenannte Vertragstheorie. Da-      steht. Problematisch ist in dem gesam-
maßen für seine eigenen und vor allem        nach soll § 11 BDSG insoweit extensiv        ten Kontext, dass Wirtschaftsvertreter
anderen Zwecke verarbeiten und nutzen        ausgelegt werden, dass jede denkbare         im Arbeitsbericht „konzerninterner
könnte.32 Der Verarbeitungsspielraum         Fallgestaltung mittels eines Auftragsda-     Datenverkehr“ die Auffassung vertre-
ist letztendlich identisch mit dem des       tenverarbeitungsvertrages geregelt wer-      ten,40 dass einerseits das Kriterium der
Unternehmers, der die Daten übermit-         den kann, da in diesem Falle sicherge-       Entscheidungsbefugnis im Rahmen der
telt hat.33 Bewertungsmaßstab für die        stellt sei, dass sämtliche gesetzlich ge-    Auftragsdatenverarbeitung nicht zu eng
weitere Verarbeitung durch den Unter-        forderten Voraussetzungen eingehalten        bewertet werden dürfte und andererseits
nehmer, der die Daten erhalten hat, ist      werden.34 So könnte beispielsweise die       eine vertragliche Verantwortungsüber-
allein dessen Einschätzung, ob schutz-       Personaldatenverwaltung       vollständig    nahme für nicht gerechtfertigt halten.
würdige Interessen der Betroffenen an        an ein anderes Unternehmen ausgela-          Der Begründung lässt sich entnehmen,
dem Ausschluss der Verarbeitung oder         gert werden, wenn sämtliche Vorausset-       dass die Wirtschaftsvertreter insgesamt
Nutzung überwiegen könnten. Es wäre          zungen des § 11 BDSG erfüllt werden          für einen größeren Gestaltungsspiel-
ihm unter anderem nicht verwehrt, die        und die Verantwortung der auslagerten        raum bei der Auftragsdatenverarbeitung
empfangenen Daten einer weiteren Stel-       Stelle bestehen bliebe. Diese Auffas-        plädieren mit dem Verweis darauf, dass
le zu übermitteln. Die Intransparenz für     sung scheint auf den ersten Blick eine       bei einer Funktionsübertragung sogar
die Betroffenen ist offensichtlich und       angemessene Alternative darzustellen,        eine Zweckänderung der Datennutzung
nicht hinnehmbar. Unterstellt man dem        sofern dem Auftraggeber umfassende           erlaubt sei– daher seien die Rechte der
Gesetzgeber an dieser Stelle kein achtlo-    Weisungsbefugnisse verbleiben und er         Betroffenen bei Annahme einer Auf-
ses Vorgehen hinsichtlich der Wahrung        in sämtliche Entscheidungsbefugnisse         tragsdatenverarbeitung      umfassender
des Persönlichkeitsschutzes, drängt sich     eingebunden ist. In diesem Fall könnte       geschützt.41 Diese Ausführungen impli-
zumindest der Verdacht auf, dass er sol-     tatsächlich überlegt werden, auf das für     zieren, dass die Wirtschaftsvertreter den

                                                                                                DANA • Datenschutz Nachrichten 2/2013
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Datenschutz mit Hindernissen

Aufsichtsbehörden nahe legen, einen          ausgelegt werden, dass die Mindestan-         Die vermittelnde Meinung („Vertrags-
eigenen Ermessenspielraum bei Auf-           forderungen des § 11 BDSG eingehalten       theorie“) hat zwar den Vorteil, dass die
tragsdatenverarbeitung zu akzeptieren,       werden: Die Weitergabe von Daten darf       Schwächen der Funktionsübertragung
da sie ansonsten bei den zu regelnden        nur in schriftlicher Form erfolgen, der     insoweit ausgeglichen werden, dass der
Sachverhalten weiterhin von Funktions-       Unternehmer muss sich von der sorg-         Auftraggeber für die Datenverarbeitung
übertragung mit (grundsätzlich) erlaub-      fältigen Arbeitsweise des anderen Da-       des Auftragnehmers verantwortlich
ter Zweckänderung der Datennutzung           tenverarbeiters überzeugen, er darf nicht   bleibt und sämtliche Regelungen des §
ausgehen.42                                  aus der Haftung entlassen werden und        11 BDSG –bei Übertragung einer ge-
                                             die einzelnen Maßnahmen, insbeson-          samten Aufgabe– eingehalten und kont-
IV.Fazit                                     dere technischer und organisatorischer      rolliert werden müssen. Auf der anderen
                                             Natur müssen nachprüfbar fixiert wer-       Seite muss allerdings bedacht werden,
   Die obigen Ausführungen zeigen, dass      den. In der Praxis enthalten Auftrags­      dass sich der bei Vertragsabschluss und
bei den rechtlichen Möglichkeiten der        daten­verarbei­tungs­verträge häufig eine   während der Vertragsdurchführung an-
Funktionsübertragung vieles ungeklärt        zusätzliche Vertrags­straferegelung ein-    gelegte Maßstab ausschließlich auf die
ist und eine enorme Gefährdung für den       gebaut, um die Wichtigkeit der Betrof-      tatsächliche Ausführung des Vertra-
Persönlichkeitsschutz der Betroffenen        fenenrechte nochmals zu untermauern.        ges beziehen kann. Ein Unternehmer
beinhalten. Informationelle Selbstbe-        Bei der Funktionsübertragung sind sol-      müsste sich kritisch fragen, ob er dem
stimmung muss jedoch bedeuten, dass          che Kriterien per Gesetz nicht gefordert.   Dienstleister sämtliche Arbeitsschritte
die Betroffenen sicher sein können, dass     Unter Berücksichtigung dessen, dass         derart detailliert vorgeben kann, dass
derjenige, dem sie ihre Daten anvertraut     mit der Weitergabe von Daten an Dritte      seine Entscheidungsbefugnis unange-
haben, die verantwortliche Stelle bleibt     (= Übermittlung gemäß § 3 Abs. 4 Nr. 3      tastet und unmissverständlich ist. Diese
und ihre Daten ebensowenig einer un-         BDSG) das Persönlichkeitsrecht stärker      Vorgehensweise wird freilich von dem
durchsichtigen Zweckänderung durch           betroffen ist als wenn die Daten einem      Manko begleitet, dass abermals allein
Dritte unterliegen. Nur auf diese Weise      weisungsgebundenen Auftragnehmer            die Einschätzung des Unternehmers
können die Betroffenen über die Preis-       überlassen werden, ist die Funktions-       entscheidend sein soll – ohne objekti-
gabe und Verwendung ihrer Daten selbst       übertragung äußerst bedenklich: Wäh-        ven Bewertungsmaßstab oder Einfluss-
bestimmen. Anderenfalls wäre die Ver-        rend die „Hilfsfunktion“ der Datenver-      möglichkeit der Betroffenen. Besonders
fügungsbefugnis über die eigenen Daten       arbeitung nur unter engen gesetzlichen      kritisch zu betrachten sind ferner die
in das Ermessen eines Dritten gelegt, der    Voraussetzungen zugelassen wird, wer-       Tendenzen, die auf das Merkmal der
aufgrund seiner wirtschaftlichen Belan-      den darüber hinaus gehende Tätigkeiten      Weisungsbefugnis in einem Auftrags-
ge nicht in der Lage ist, über die schutz-   lediglich an dem vagen Merkmal der          datenverarbeitungsvertrag verzichten
würdigen Interessen der Betroffenen          schutzwürdigen Interessen gemessen.         wollen.45 Damit würde ein wichtiges
objektiv zu entscheiden. Hierfür fehlen      Wie oben bereits ausgeführt, hat der        gesetzliches Kriterium des § 11 BDSG
konkrete Vorgaben bezüglich der Daten-       Gesetzgeber die Funktionsübertragung        entfallen, welches gerade sicherstellt,
weitergabe an Dritte, insbesondere der       im Rahmen der letzten BDSG-Reform           dass dessen Anforderungen eingehalten
gesetzliche Ausschluss der Zweckände-        nicht geregelt und die weite Auslegung      und die Daten im Sinne des Auftragge-
rung bei einer Funktionsübertragung. Zu      der Übermittlungstatbestände in Kauf        bers verarbeitet werden. Die Auftrags-
berücksichtigen ist insgesamt, dass sich     genommen. So wäre es beispielsweise         datenverarbeitung wäre außerdem aus-
der Gesetzgeber aufgrund der Konkre-         möglich gewesen - wie im Modernisie-        nahmslos ad absurdum geführt, wenn
tisierung sowie der Bußgeldandrohung         rungsgutachten vorgeschlagen - zumin-       das Kriterium der fehlenden Entschei-
letztendlich ebenso zur Verschärfung         dest eine Information der Betroffenen       dungsmacht zu erleichterten Bedingun-
des § 11 BDSG entschlossen hat. Das          mit Widerspruchsmöglichkeit aufzuneh-       gen beim Outsourcing führen soll. Der
gesetzgeberische Ziel, durch Kont-           men.44 Demgegenüber hat der Gesetzge-       Unternehmer müsste seinem Partner
roll- und Dokumentationspflichten, den       ber die Anforderungen an die Auftrags-      also lediglich mehr Spielraum bei der
datenschutzgerechten Umgang mit per-         datenverarbeitung verschärft. Dieser        Verarbeitung einräumen, um seine Do-
sonenbezogenen Daten sicherzustellen,        Widerspruch ist bizarr: Eine durch voll-    kumentations- und Kontrollpflichten
wird nun völlig konterkariert, wenn sich     ständige Aufgabe der Weisungs- und          zu umgehen? Falls nun das Argument
die Zulässigkeit der Datenübermittlung       Kontrollmöglichkeiten sowie Zweckän-        angeführt werden sollte, es sei ja klar,
und Zweckänderung allein anhand ei-          derungsgefahr bedingte eingriffsintensi-    dass in diesem Falle das schutzwürdige
ner „summarischen Prüfung“ durch die         vere Datenverarbeitung wird durch eine      Interessen des Betroffenen überwiegt,
Unternehmer dahingehend bemisst, ob          unbestimmte Regelung wie § 28 Abs. 1        kann man entgegenhalten, dass dann
schutzwürdige Interessen des Betroffe-       S. 1 Nr. 2 BDSG legitimiert während die     auch nichts dagegen einzuwenden ist,
nen verletzt sein könnten.43 Denn vor-       bereits vor der Reform reglementierte       dies transparent und ausdrücklich ge-
nehmlich muss sich die Frage stellen,        und das Persönlichkeitsrecht bewah-         setzlich zu fixieren. Die momentane
unter welchen Voraussetzungen die            rende Auftragsdatenverarbeitung weiter      verwirrende Gesetzeslage lässt eine viel
schutzwürdigen Interessen des Betroffe-      eingeschränkt wird. Über das Ansinnen       zu große Spanne für Interpretationen.
nen nicht verletzt sind. Dies kann im Sin-   des Gesetzgebers können nur Mutma-          Eine Interessenabwägung, die sich an
ne der Gesetzesintention nur dergestalt      ßungen angestellt werden.                   dem im erhöhten Maße schutzwürdigen

DANA • Datenschutz Nachrichten 2/2013
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Datenschutz mit Hindernissen

Belangen der Betroffenen misst,46 wird        12 Arbeitsbericht „konzerninter-                grund der Aufgaben unvermeidbar ist“.
letztendlich nur durch klare gesetzliche         ner Datenverkehr“, S. 4.
                                                                                           29 Siehe zur Unbestimmtheit un-
Regelungen zu bewerkstelligen sein und        13 BT-Drs. 16/12011, S. 40.                     ter anderem Taeger in: Taeger/
nicht durch Einschätzungen seitens der                                                        Gabel, § 28 BDSG Rn. 62.
                                              14 BT-Drs. 16/12011, S. 40.
Unternehmer. Dies zeigt sich bereits                                                       30 Simitis in: Simitis, 7. Auflage,
daran, dass der Gesetzgeber sogar be-         15 BT-Drs. 16/12011, S. 40.                     § 28 BDSG Rn. 129.
züglich der Auftragsdatenverarbeitung         16 BT-Drs. 16/12011, S. 40.                  31 Siehe zum konzerninternen
darauf hingewiesen hat, dass in der Pra-      17 Arbeitsbericht „konzerninterner              Datenaustausch und der Auffassung
xis ohne entsprechende gesetzliche Ver-          Datenverkehr“, S. 7 ff.; Gabel in:           der Aufsichtsbehörden: Arbeitsbericht
pflichtung regelmäßig keine Kontrolle            Taeger/Gabel, § 11 BDSG Rn. 14,              „konzerninterner Datenverkehr“, S. 8.
stattfindet.47                                   der darauf verweist, dass die allge-      32 Gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 BDSG ist eine
                                                 meinen Regelungen zur Erhebung,              Übermittlung und Nutzung und gemäß
                                                 Verarbeitung und Nutzung von per-            § 28 Abs. 5 BDSG eine Verarbeitung
1 Siehe Gabel in: Taeger/Gabel, § 11             sonenbezogenen Daten gelten;
  BDSG Rn. 16 bezüglich einer gesetzlich                                                      und Nutzung für andere Zwecke zu-
                                                 Weichert, DuD 2010, S. 683.                  lässig, soweit es zur Wahrung berech-
  vorgegebenen Möglichkeit, in unkom-
  plizierter Weise an den Vorteilen einer     18 Wedde in: Däubler/Klebe/Wedde/               tigter Interessen erforderlich ist und
  arbeitsteiligen Wirtschaft teilzuhaben.        Weichert, 3. Auflage, § 28 BDSG Rn. 14.      kein Grund zu der Annahme besteht,
                                                                                              dass das schutzwürdige Interesse des
2 Gola/Schomerus, 10. Auflage,                19 Siehe hierzu die nachfolgen-                 Betroffenen an dem Ausschluss der
  § 11 BDSG Rn. 3.                               den Ausführungen unter III.2a.               Verarbeitung oder Nutzung überwiegt.
3 Zur „Hilfsfunktion“ siehe Gabel             20 Simitis in: Simitis, 7. Auflage,          33 Siehe auch Wedde in: Däubler/
  in: Taeger/Gabel, § 11 BDSG                    § 28 BDSG Rn. 53, 54.                        Klebe/Wedde/Weichert, 3.
  Rn. 14; Petri in: Simitis , 7.              21 Simitis in: Simitis, 7. Auflage,             Auflage, § 28 BDSG Rn. 162.
  Auflage, § 11 BDSG Rn. 22.                     § 28 BDSG Rn. 55.                         34 Gabel in: Taeger/Gabel, § 11 BDSG Rn.
4 Zur “rechtlichen Einheit”                   22 Siehe hierzu auch Simitis in: Simitis,       15. Siehe auch Weichert, DuD 2010, S.
  siehe Gola/Schomerus, 10.                      7. Auflage, § 28 BDSG Rn. 82, der            683, der darauf verweist, dass schutz-
  Auflage §11 BDSG Rn. 4.                        auf die Unzulässigkeit einer „frei-          würdige Interessen durch Maßnahmen
5 Siehe zu den Betroffenenrechten Petri in:      en Zirkulation“ Bezug nimmt.                 gewährleistet werden können, die
  Simitis, 7. Auflage, § 11 BDSG Rn. 23.                                                      in § 11 BDSG vorgesehen sind.
                                              23 Simitis in: Simitis, 7. Auflage,
6 Gola/Schomerus, 10. Auflage,                   § 28 BDSG Rn. 101.                        35 Siehe zum Merkmal der “Hilfsfunktion”
  § 11 BDSG Rn. 9.                                                                            eines Dienstleisters, der Daten im
                                              24 Siehe zur Zweckänderung: Arbeitsbericht      Auftrag gemäß § 11 BDSG verar-
7 Gabel in: Taeger/Gabel; § 11                   „konzerninterner Datenverkehr“,              beitet: Gabel in: Taeger/Gabel, § 11
  BDSG Rn. 23 mit Verweis auf die                S. 9 und in diesem Beitrag die nach-         BDSG Rn. 14 sowie Petri in: Simitis,
  Möglichkeit einer weiten Auslegung             folgenden Ausführungen unter III.2b.         7. Auflage, § 11 BDSG Rn. 22.
  der Auftragsdatenverarbeitung.              25 Siehe hierzu Arbeitsbericht „kon-         36 Petri in: Simitis, 7. Auflage, §
8 Petri in: Simitis, 7. Auflage, § 11 BDSG       zerninterner Datenverkehr“, S. 6 mit         11 BDSG Rn. 20 mwN.
  Rn. 37 mit Verweis auf die Praxis, in          Verweis auf die Zweckbestimmung
  der es eher unwahrscheinlich sei, dass         und Erforderlichkeit, wenn der            37 Siehe zu diesen „Outsourcing-
  innerhalb von Konzernstrukturen der            Arbeitsvertrag ein Tätigwerden               Sachverhalten“ Petri in: Simitis, 7.
  Auftraggeber die volle Verantwortung           des Arbeitnehmers auch in ande-              Auflage, § 11 BDSG Rn. 25 ff.
  für Personalentscheidungen und                 ren Konzernunternehmen vorsieht.          38 Siehe hierzu Gabel in: Taeger/Gabel, §
  Personaldatenverarbeitung behal-            26 Siehe hierzu auch Weichert,                  11 BDSG Rn. 20, der bei Detektivarbeit
  te; siehe zum Ganzen auch Gola/                DuD 2010, S. 683.                            von Funktionsübertragung ausgeht,
  Schomerus, 10. Auflage § 11 BDSG                                                            wenn der Detektiv selbst bestimmt,
  Rn. 9 und Gola, Handbuch zum                27 Simitis in: Simitis, 7. Auflage,             wie er den Auftrag ausführt und wel-
  Arbeitnehmerdatenschutz, Rn. 992.              § 28 BDSG Rn. 108.                           che Mittel er einsetzt - mit Verweis
9 Dieser Arbeitsbericht behandelt aus-        28 Als Denkanstoß kann in diesem Falle          auf den Bericht des Innenministeriums
  schließlich den konzerninternen                ebenso angeführt werden, dass die Frage      von Baden-Württemberg über die
  Datentransfer und protokolliert die            „Muss dies sein?“ nicht ungewöhn-            Tätigkeit der Aufsichtsbehörde für
  Auffassungen des Regierungspräsidium           lich ist und beispielsweise ebenso un-       den Datenschutz im nicht-öffentlichen
  Darmstadt und Wirtschaftsvertretern            ter Datensicherheitsaspekten hinsicht-       Bereich. Gola hingegen (Handbuch
  zum Thema „Funktionsübertragung                lich der Verarbeitung personenbezogener      zum Arbeitnehmerdatenschutz, 5.
  im Konzern“; abrufbar unter htt-               Daten auf Notebooks (und zwar inner-         Auflage, Rn. 993) verweist darauf,
  ps://www.ldi.nrw.de/mainmenu_                  halb der verantwortlichen Stelle!) von       dass sowohl Auftragsdatenverarbeitung
  Datenschutz/submenu_Datenschutzrecht/          dem Landesdatenschutzbeauftragten            und Funktionsübertragung in
  Inhalt/Personalwesen/Inhalt/5_                 von Bremen gestellt wird: Siehe              Betracht komme; Petri in: Simitis,
  Beschaeftigtendatenschutz_Konzern/             hierzu die Ausführungen in Gola/             7. Auflage, § 11 BDSG Rn. 41 geht
  arbeitspapier_ad_hoc_idv.pdf                   Schomerus, 10. Auflage, § 9 BDSG             wiederum davon aus, dass regel-
                                                 Rn. 17 mit Verweis auf den 15. TB            mäßig eine Funktionsübertragung
10 Arbeitsbericht „konzerninter-                 des Landesdatenschutzbeauftragten            in Betracht kommt.
   ner Datenverkehr“, S. 3.                      Bremen: „Eine Verarbeitung von per-       39 Simitis in: Simitis, 7. Auflage, §
11 Arbeitsbericht „konzerninter-                 sonenbezogenen Daten auf tragba-             28 BDSG Rn. 140 verweist auf die
   ner Datenverkehr“, S. 3/4.                    ren PCs darf nur erfolgen, wo dies auf-      Unzulässigkeit, Verwertungsgrenzen

                                                                                                  DANA • Datenschutz Nachrichten 2/2013
52
Datenschutz mit Hindernissen

   und Übermittlungsschranken                 ren Spielraum bei der Nutzung der         44 Gutachten im Auftrag des
   unter Zuhilfenahme einer                   Daten erhalte (z.B. sie im Rahmen            Bundesministeriums des Innern zur
   Auftragsdatenverarbeitung zu umgehen.      von § 28 Abs. 2, 3 BDSG für ande-            Modernisierung des Datenschutzrechts
                                              re Zwecke nutzen könne), so dass die         (Roßnagel, Pfitzmann, Garstka), S. 125.
40 S. 4 und 9 des Arbeitsberichts „kon-       Rechte der Betroffenen bei Annahme
   zerninterner Datenverkehr“.                einer Auftragsdatenverarbeitung ggf.      45 Siehe oben unter III.3.
41 Arbeitsbericht „konzerninter-              umfassender geschützt seien als bei       46 Siehe hierzu Wedde in: Däubler/
   ner Datenverkehr“, aaO.                    Annahme einer Funktionsübertragung           Klebe/Wedde/Weichert, 3.
                                              (bzw. es bedürfe nicht besonde-              Auflage, § 28 BDSG Rn. 162.
42 Arbeitsbericht „konzerninter-              rer vertraglicher Regelungen, um die
   ner Datenverkehr“, S. 9: „Bei ei-          Zweckänderung auszuschließen).“           47 Siehe oben unter III.1 und BT-
   ner Funktionsübertragung sei näm-                                                       Drs. 16/12011, S. 40.
   lich zu berücksichtigen, dass der       43 Zur summarischen Prüfung sie-
   Funktionsübernehmer als verant-            he Simitis in: Simitis, 7. Auflage,
   wortliche Stelle einen umfassende-         § 28 BDSG Rn. 129.

Thilo Weichert

Google Glass, IT-Brillen und informationelle
Selbstbestimmung

                                                                                        Gigabyte groß sein; 12 Gigabyte davon
                                                                                        stehen den Nutzenden zur Verfügung.
                                                                                        Über ein Mikrophon sind Sprachein-
                                                                                        gaben und Tonaufnahmen möglich;
                                                                                        das Starten erfolgt durch die Eingabe
                                                                                        „Okay, Glass“. Tonausgaben erfolgen
                                                                                        nicht über Lautsprecher, sondern vom
                                                                                        Bügel direkt auf den Schädelknochen
                                                                                        – ein Verfahren, was bisher bei Hörge-
                                                                                        räten verwendet wird. Glass hat umfas-
                                                                                        senden Zugang zum Internet, zwecks
                                                                                        Hoch- und Runterladen von Texten,
                                                                                        Dokumenten, Bildern und akustischen
                                                                                        Samples, zwecks Eingabe und Abruf.
  April 2013 stellte Robert Scoble, US-    re für Werbe- und Erprobungszwecke           Sämtliche Daten – Inhalte, Verkehrsda-
amerikanischer Technik-Blogger, frühe-     ausgeliefert wurden. Der Miniprojektor       ten und Personenzuordnungen – laufen
rer Microsoft-Angestellter und nun Wer-    vermittelt das Gefühl, im rechten oberen     über Server von Google und werden von
beträger für Google, im Kongress-Zent-     Blickfeld einen ca. 20 Zentimeter gro-       dem US-Unternehmen gespeichert und
rum am Alexanderplatz in Berlin auf der    ßen Bildschirm zu sehen. Zur Bildqua-        ausgewertet. Ein Lokalisierungsdienst
Technologiemesse Next „Google Glass“       lität gibt Google an, sie sei genauso gut,   ermöglicht es, den eigenen Standort auf
in Deutschland vor: „Sie hat mein Leben    als würde man in 2,4 Meter Entfernung        einer Karte anzuzeigen oder den Weg zu
verändert. Ich werde keinen Tag mehr       (8 Fuß) vor einem 63 Zentimeter (8 Zoll)     einem festgelegten Ziel zu weisen. Per
verbringen, ohne sie zu tragen“.           großen HD-Schirm stehen. Die Brille          Gesichtserkennung könnte die Brille
  Bei Google Glass handelt es sich um      reagiert auf Sprache und Kopfbewegun-        dem Halter mitteilen, wer ihm – wahr-
eine Art Brille ohne Gläser, an der am     gen. Künftig soll das Produkt auch mit       scheinlich – gerade gegenübersteht. Der
schmalen Bügel ein Quader, eine Art        Augenbewegungen gesteuert werden             Akku soll ohne Nachladen einen ganzen
Prisma, angebracht ist. Google Glass       können. Geht eine E-Mail ein, so wird        Tag durchhalten. Videoverbindungen
bietet viele Funktionen, die komplexe      diese am Bildschirm angezeigt. Mit ei-       wie sog. Hangouts und Videoaufnah-
Smartphones bieten. Statt eines Displays   ner integrierten 5-Megapixel-Kamera          men verbrauchen mehr Strom und lee-
gibt es einen direkt am Auge angebrach-    lassen sich Fotos und Videos erstellen.      ren den Akku schneller. Geladen wird
ten Minibildschirm. Scobles Brille war     Bei Videos gibt es eine Auflösung von        über ein mitgeliefertes Ladegerät mit
die 107. von zweitausend 1.500 Dollar      720p, was der kleinsten HD-Auflösung         Mikro-USB-Anschluss. In den Hinwei-
kostenden Prototypen, die insbesonde-      entspricht. Der Flash-Speicher soll 16       sen wird erläutert, dass Kinder unter 13

DANA • Datenschutz Nachrichten 2/2013
                                                                                                                               53
Datenschutz mit Hindernissen

Jahren die Brille nicht nutzen sollten, da   er habe es innerhalb von zwei Stunden        unterliegt bisher nicht der staatlichen
sie ihre Sehentwicklung beeinträchtigen      geschafft, sich vollen Zugriff auf das       Kontrolle, sondern dem Privatunterneh-
könne. Auch wer seine Augen mit einem        Betriebssystem zu verschaffen. Dass das      men Taser. Taser vertraut auf Amazon,
Laser operieren ließ, solle Glass nicht      Gerät „hackbar“ ist, wurde von Google        das die Server für Evidence.com zur
unbedingt nutzen.                            auch nicht bestritten. Google-Manager        Verfügung stellt. Richtlinien, geschwei-
  Natürlich wurde Google Glass welt-         propagieren selbst das Spielen mit der       ge denn eine gesetzliche Grundlage für
weit nicht zuerst in Deutschland vor-        Technik, um Soft- und Hardware weiter        den Einsatz der Technik, gibt es nicht.
gestellt, sondern einen Monat zuvor in       zu entwickeln. Unklar ist, was der Jail-     Videodokumentation sichert nicht zwei-
den USA auf der TED-Konferenz durch          break für die Google-Brille ermöglicht,      felsfrei echte Bilder. 2010 wurde die Po-
den Google-Gründer Sergey Brin. Die          etwa ob sich das von Google verfügte         lizei in London überführt, Bilder einer
Brille befreit von der Notwendigkeit,        Verbot des Verkaufs oder Verleihs der        Überwachungskamera für ein Gerichts-
ein Smartphone in die Hand zu nehmen.        Testgeräte umgehen lässt. Google be-         verfahren manipuliert zu haben. Dies
Das Produkt zielt auf eine Verschmel-        hält sich in den Nutzungsbedingungen         ist auch mit der Brillentechnik möglich.
zung der analogen mit der digitalen          zur „Explorer Edition“ der Datenbrille       Nach Angaben von Taser haben die Po-
Welt. Gebückt befasste sich Brin bei der     vor, das Gerät aus der Ferne zu „deak-       lizeibehörden von Pittsburgh, Salt Lake
Präsentation erst mit einem klassischen      tivieren“, sollte es verkauft oder weiter-   City, der Bahn Bay Area Rapid Transit
Smartphone: „Haben wir dazu unseren          gereicht werden. Möglich wäre das da-        und andere das System bestellt. Auch in
Körper? Um herumzustehen und ein ei-         durch, dass diese, ähnlich wie ein And-      Deutschland kommen Helmkameras bei
genschaftsloses Stück Glas zu reiben?        roid-Handy, über einen Google-Account        Einsätzen von Spezialkommandos zum
Für mich fühlt sich das an wie eine Ent-     aktiviert werden muss. Würde eines der       Einsatz. Zum Zweck der Eigensiche-
mannung.“ Hände, Augen und Ohren             Testgeräte mit einem neuen Account           rung bei Personen- und Fahrzeugkont-
des Menschen sollten befreit werden.         verknüpft, würde dies vermutlich von         rollen werden Kameras eingesetzt, die
Aufrecht nutzte er dann sein Glass. Ein      Google registriert.                          nicht am Körper des Polizisten, sondern
offizielles Werbevideo zeigt dem Träger         Ende 2013 soll Glass auf den US-          am Einsatzfahrzeug installiert sind.
die aktuellen Termine an, dann eine Wet-     amerikanischen Markt kommen, dann               Google Glass ist eine logische Wei-
tervorhersage, dann eine Kurznachricht       aber bald auch in Europa. Prophylak-         terentwicklung vorhandener Technik.
eines Freundes in einem Buchladen, die       tisch wurde Glass schon – vielleicht ein     Während jedoch beim Filmen und Foto-
mündlich beantwortet, in Text übersetzt      kluger Werbegag – für Stripclubs, Ca-        grafieren mit Smartphone und Minika-
und der Text versendet wird. Glass be-       sinos, Multiplexkinos und für den Stra-      mera noch eine bewusste und erkennba-
stellt dann, vor dem Plakat eines Pop-       ßenverkehr in West Virginia verboten.        re Aktivität des Erfassers nötig ist, fällt
konzerts stehend, hierfür Eintrittskarten.   Von der Pornoindustrie kamen dagegen         dies bei Glass fort. Für die Erfassten ist
Am Ende steht der Held abends auf dem        positive Signale, erleichtert doch Glass     beim Brilleneinsatz nicht mehr ansatz-
Dach eines Hauses, erhält einen Video-       das Erstellen von Filmen aus einer sehr      weise erkennbar, wann gefilmt wird, ja
anruf seiner Freundin, die auf ihrem         subjektiven Perspektive. Der Initiator       dass überhaupt gefilmt werden könnte.
Computerbildschirm den Sonnenun-             von „Stop the Cyborgs“ wiederum, der            Aus Datenschutzsicht ist die neue
tergang durch seine Augen betrachtet,        sich im Netz Adam nennt, erklärte Glass      Technologie eine Herausforderung: Es
während er Ukulele spielt und sie durch      zum Einstieg in die Überwachungsge-          erfolgt nicht nur eine Erfassung der Da-
ein kleines Fenster im Blickfeld beob-       sellschaft und fordert überwachungs-         ten der Anwendenden, sondern auch von
achtet. Beruhigend teilte Google bei der     freie Zonen, „in denen Menschen frei         dritten Personen, die mit dem Brillenträ-
Vorstellung der Öffentlichkeit mit, An-      und unbekümmert reden können“.               ger überhaupt nichts zu tun haben müs-
wender von Glass vorerst nicht mit Wer-         Glass ist ein ziviles Produkt, das sei-   sen und die regelmäßig keine Kenntnis
bung behelligen zu wollen. Doch Glass        ne Vorläufer im Militär- und Sicher-         von der Aufzeichnung, vor allem von
soll natürlich zur Produktvermarktung        heitsbereich hat. Beim US-Militär sind       Ton und Bild, haben. Die Betroffenen
eingesetzt werden. Es soll der einkau-       Helmkameras für kämpfende Einheiten          können erst recht keine Vorstellung ha-
fenden Frau – so das Werbevideo eines        weit verbreitet. Die Firma Taser rüstet      ben, welche sie betreffenden weiteren
US-Lebensmittelkonzerns, ein Mann            nun Polizisten in den USA mit winzi-         Datenverarbeitungen stattfinden, etwa
würde durch solch einen Clip wohl „ent-      gen Videokameras aus, die an einer Art       ob Gesichtsbilder oder Sprachaufzeich-
mannt“ – nicht nur mitteilen, welche         Brillengestell befestigt werden und mit      nungen gespeichert werden oder per
Waren im Kühlschrank fehlen, sondern         denen diese ihre Einsätze dokumentie-        Mustererkennung mit Musterdatenban-
auch, in welchem Laden die fehlenden         ren. Bei der Auswertung eines mehrmo-        ken abgeglichen werden, was eine in-
Produkte in welchem Regal zu finden          natigen Feldversuchs im kalifornischen       dividuelle Zuordnung ermöglicht, oder
sind und wie die Frau am schnellsten         Rialto mit dem „Axon Flex“ genannten         ob vom Anwender derartige Zuordnun-
dorthin findet.                              System ergab sich, dass die Zahl der         gen vorgenommen werden. Zu Ton und
  Wenige Tage nach Präsentation der          Beschwerden gegen Polizisten abnahm          Bild werden Ort und Zeit zugespeichert,
Brille wurde verbreitet, dass Glass be-      wie auch die Zahl der Fälle, in denen        möglicherweise auch ganze Profile -
reits gehackt worden sei. Der unter          die Beamten Gewalt anwendeten. Die           etwa aus sozialen Netzwerken.
dem Spitznamen Saurik bekannte Soft-         Datenbank, auf der die Bilder von den           Die rechtliche Verantwortlichkeit für
wareentwickler Jay Freeman erklärte,         Polizeieinsätzen aufgespielt werden,         die Nutzung von Glass liegt zunächst

                                                                                                DANA • Datenschutz Nachrichten 2/2013
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Datenschutz mit Hindernissen

bei der Person, die die Brille trägt und    – also aus juristischer Sicht die der „ver-   ausdrücklichen gesetzlichen Regelung.
bedient. Erst hinsichtlich der weiteren     antwortlichen Stelle“ – festzustellen,        Dies ist in der Rechtsprechung des Bun-
Speicherung und Verarbeitung entsteht       fehlt regelmäßig der faktische Ansatz,        desverfassungsgerichtes mit seiner We-
eine ergänzende Verantwortlichkeit von      um sich rechtlich zur Wehr setzen zu          sentlichkeitstheorie seit Jahren geklärt.
Google. Möglichkeiten, Google den           können. Zwar bestehen zivil- und da-             Wegen der faktischen Schwierigkeit,
Verkauf oder den Vertrieb von Glass         tenschutzrechtlich Auskunftsansprüche         staatlich-institutionelle Hilfe in An-
in Deutschland zu verbieten, bestehen       der Betroffenen gegenüber dem Glass-          spruch zu nehmen, stellt sich die Frage,
derzeit rechtlich nicht. Auch der Besitz    Nutzenden. Dieser kann aber relativ fol-      welche Maßnahmen der Selbsthilfe ge-
oder das Tragen von Glass – offline – ist   genlos behaupten, dass keine Erfassung        gen die Erfassung durch Glass zulässig
rechtlich nicht angreifbar. Beim Einsatz    erfolgt sei.                                  sind. Verhältnismäßig dürfte wohl in je-
von Glass kann es jedoch zu massiven          Gibt es für diese Beeinträchtigung          dem Fall die Festhaltebefugnis zwecks
Rechtsbeeinträchtigungen kommen.            keine Legitimation im Einzelfall, so          Identitätsfeststellung nach § 127 Straf-
   Bisher besteht eine explizite Regelung   kann – theoretisch – gegen den Ein-           prozessordnung (StPO) sein. Hochinter-
zum Einsatz von Glass durch Privatper-      satz von Glass juristisch vorgegangen         essant wird voraussichtlich sein, wie ge-
sonen nicht. Doch muss generell von         werden. Verletzungen des allgemeinen          richtlich im Fall des Selbstschutzes von
einer Anwendbarkeit des Bundesdaten-        Persönlichkeitsrechts begründen für den       Betroffenen durch Wegnahme oder gar
schutzgesetzes (BDSG) ausgegangen           Betroffenen gegenüber dem Nutzenden           Zerstörung der Google-Brille entschei-
werden, da – anders als etwa bei durch-     zivilrechtliche Ansprüche nach den §§         den werden wird. Vor Jahren bestätigte
laufenden Bildern einer PKW-Außen-          823, 1004 auf Schadenersatz, auf Unter-       die Rechtsprechung immer wieder, dass
kamera – mit Glass eine gezielte Daten-     lassung und auf Folgenbeseitigung, also       ein solcher Selbstschutz (zumeist von
erhebung und -speicherung von dritten       auf Datenlöschung. Datenschutzrechtli-        Polizeibeamten) gegen unzulässiges Fo-
Personen erfolgt, bei der eine Beschrän-    che Ansprüche bestehen nach den §§ 34,        tografieren zulässig war.
kung auf persönlich-familiäre Zwecke        35 BDSG auf Auskunft und Löschung.               Zu hoffen ist, dass all diese rechtli-
nicht erfolgt. Am ehesten anwendbar ist     Spätestens nach Widerspruch gegen             chen Fragen nicht entschieden werden
§ 6b BDSG zur Videoüberwachung im           eine Datenerhebung muss die weitere           müssen, weil die Menschen in Europa
öffentlichen Raum. Doch ähnlich wie         Erfassung unterlassen werden. Da der          und in Deutschland vernünftig genug
beim Einsatz von Drohnenkameras greift      Verdacht von Straftaten (§ 201 StGB,          sind, den Einsatz dieses persönlich-
das Regelungskonzept dieser Norm zu         § 44 BDSG) bestehen kann, können              keitsrechtsverletzenden Gadgets zu un-
kurz: Hinweise an die betroffenen Per-      die Polizei und die Staatsanwaltschaft        terlassen. Besser als jede institutionelle
sonen auf die optische Erfassung sind       bemüht werden. Denkbar ist auch, die          und rechtliche wäre die gesellschaft-
faktisch nicht möglich. Eine Beschrän-      Polizei im Rahmen der Gefahrenabwehr          liche und kulturelle Sanktionierung.
kung der Datenspeicherung im Hinblick       nach dem Polizeirecht zum Tätigwer-           Statt zum Statussymbol zu werden,
auf Zeit, Zweck und Adressaten ist nicht    den zu veranlassen. Außerdem kann die         müsste sich durchsetzen, dass es sich
vorgesehen. § 6b BDSG würde zudem           Datenschutzaufsichtsbehörde nach § 38         bei Nutzenden von Google Glass um
allenfalls die optische Erfassung erlau-    BDSG zwecks Ermittlung und Sanktio-           rücksichtslose Idioten handelt. Als er-
ben, in keinem Fall die akustische. Eine    nierung angerufen und tätig werden.           kannte rücksichtslose Idioten wollen
solche Aufnahme des „nichtöffentlich          In der Rechtsprechung des Bundes-           nur wenige Menschen durch die Welt
gesprochenen Wortes“ und dessen Ge-         verfassungsgerichtes ist anerkannt, dass      laufen. Google könnte es sicher öko-
brauch ist nach § 201 Strafgesetzbuch       schon die begründete Angst, technisch         nomisch verkraften, wenn Glass ein
(StGB) strafbar mit „Freiheitsstrafe bis    beobachtet zu werden, die Wahrneh-            Flop wird. Aus datenschützerischer und
zu drei Jahren oder mit Geldstrafe“. Mit    mung von Grundrechten beeinträchtigt.         marktpädagogischer Sicht ist genau
den Bildaufnahmen kann eine Verlet-         Dies gilt für die politischen Freiheits-      dies mehr als wünschenswert (Google
zung der §§ 23ff. Kunsturhebergesetz        rechte wie z. B. für das Grundrecht auf       Glass ist schon gehackt, www. Spiegel.
(KUG) erfolgen. In jedem Fall stellt die    Versammlungsfreiheit, aber letztlich für      de 28.04.2013; Boie, Zurück aus der
Erfassung von Ton und Bild ohne die         alle anderen Grundrechte. Angesichts          Zukunft, Süddeutsche Zeitung (SZ)
Einwilligung der Betroffenen außerdem       dessen ist es nicht ausgeschlossen, dass      26.04.2013, 47; Keine Werbung auf Da-
eine Beeinträchtigung des allgemeinen       die Nutzung von Google Glass und ver-         tenbrille, SZ 24.04.2013, 22; Brauck,
Persönlichkeitsrechtes und des Grund-       gleichbaren Werkzeugen gesetzlich oder        Glass-Auge, sei wachsam! Der Spiegel
rechts auf informationelle Selbstbestim-    administrativ (z. B. über das Polizei-        15/2013, 120; Rosenfelder, Google und
mung nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1     recht) verboten wird. Derartiges würde        wie wir die Welt sehen werden, www.
Abs. 1 Grundgesetz (GG) dar.                aber viele rechtliche Fragen aufwerfen,       welt.de 16.04.2013; Biermann, Google
   Ein praktisches Problem besteht für      insbesondere die nach einer hinreichend       Glass ist kein Kinderspielzeug, www.
Betroffene darin, dass sie regelmäßig       bestimmten Abgrenzung dessen, was             zeit.de 16.04.2013; Beuth, Die Po-
nicht nur nicht feststellen können, dass    noch erlaubt und was verboten sein            lizei dein Freund und Kameramann,
und wie sie erfasst wurden. Es gibt für     soll. Bevor Vertreter staatlicher Stellen,    www.zeit.de 08.04.2013; Crocoll, Zu
sie auch keinen realistischen Weg, um       etwa Polizeibeamten, Geheimdienst-            viel Durchblick, SZ 02.04.2013, 19;
dies in Erfahrung zu bringen. Mangels       ler oder Steuerfahnder, Glass einsetzen       Beuth, Die Anti-Cyborgs, www.zeit.de
Möglichkeiten, die Identität des Trägers    dürfen, bedürfte es in jedem Fall einer       21.03.2013).

DANA • Datenschutz Nachrichten 2/2013
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