Stadtpilze aus dem Untergrund - 36 Von der Gärtnerin zur Rangerin Wildnis in Reinkultur - Pflanzenfreund

 
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Stadtpilze aus dem Untergrund - 36 Von der Gärtnerin zur Rangerin Wildnis in Reinkultur - Pflanzenfreund
Pflanzenfreund

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                             Pflanzenfreund
Mai 2021, Nr. 5

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                                                                            zur Rangerin
                                                                                    22
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                                                                               Reinkultur

                                                                   36
                                              Stadtpilze aus dem
                                                 Untergrund
CHF 7.80
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Stadtpilze aus dem Untergrund - 36 Von der Gärtnerin zur Rangerin Wildnis in Reinkultur - Pflanzenfreund
E D ITO R I A L

Weder Pflanze
noch Tier
 Liebe Leserin, lieber Leser
 Meine schönsten Naturerlebnisse habe ich beim Sammeln von Pilzen. Sie bilden
 das dritte grosse Reich eukaryotischer Lebewesen neben Tieren und Pflanzen. Sie alle
 besitzen Zellen mit einem Kern samt reicher Kompartimentierung.
 Wenn ich auf verschlungenen Wildwechselpfaden im Dickicht auf märchenhafte
 Wald­lichtungen stosse und ein Picknick mache, meine Beute im Körbchen begutachte,
 dann bin ich der glücklichste Mensch der Welt. Aber es geht mir nicht nur ums Sam­
 meln. Viel wichtiger ist mir das Natur­erlebnis, das Aktivieren der Sinnes­organe, die auf
 meinen Streifzügen durch den Wald alle auf Empfang gestellt sind. Manchmal rieche
 ich Pilze schon von weit weg und mein Magen fängt an zu knurren, das Wasser läuft
 mir im Mund zusammen und ich sehe vor meinem inneren Auge bereits ein herrliches
 Pilz­gericht (Seite 40). Auch Aristoteles, der griechische Philosoph und Natur­forscher,
 hat vor rund 2400 Jahren über die Eindrücke und Reize wie Sehen, Hören, Riechen,
 Schmecken und Tasten, mit denen wir die Umwelt wahr­nehmen, ge­schrieben. Lassen
 Sie sich von den Wildlingen des Waldes verzaubern, denn Pilze sind «Wildnis in Rein­
 kultur», schreibt der Wissenschaftsjournalist Mathias Plüss in seiner Hommage an den
 Pilz (Seite 22). Ebenfalls dem Pilz verfallen sind die «Stadt­pilze» aus Basel (Seite 36).
 Sie produzieren Edelpilze im Untergrund. Doch leider haben Pilze auch einen schlech­
 ten Ruf, da sie unter anderem im Obstbau ganze Kulturen befallen können (Seite 31).
 Und dennoch überwiegt bei mir die Faszination für Pilze. Wie wichtig ihr Zusammen­
 spiel mit den Pflanzen ist, was sie zu deren Gesundheit beitragen und wie sie das
 Gleich­gewicht der Natur sicherstellen, wird mir erst allmählich klar.
 Auf viele Überraschungen beim Durchstöbern der «pilzigen» Inhalte.

 Ihre Redaktion
                                                               Vorschau
                                                               In unserem nächs­
                                                               ten Heft widmen wir
                                                               uns der Beziehung
 Tanja Keller                                                  zwischen Mensch
 redaktion@pflanzenfreund.ch                                   und Natur. Wir ha­
                                                               ben Naturliebhaber
                                                               sowie eine Tierfor­
                                                               scherin besucht – und erfuhren,
                     ZUM TITELBILD                             warum ein Klassenzimmer im
                     Auf den ersten Blick                      Freien erdet. Es geht aber auch um
                     wirken die rosafarbenen                   Menschen, die zur Natur ein zwie­
                     Lamellen fast wie Blüten­                 spältiges Verhältnis haben. Und
                     blätter. Bezeichnender­
                     weise trägt dieser Speise­
                                                               Erwin Meier-Honegger plädiert für
                     pilz auch einen blumigen                  einen entspannteren Umgang mit
                     Namen: Rosenseitling.                     giftigen Pflanzen.
                     © Nom-nom

                                                                      PFLANZENFREUND.CH | MAI 2021   3
Stadtpilze aus dem Untergrund - 36 Von der Gärtnerin zur Rangerin Wildnis in Reinkultur - Pflanzenfreund
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                        Ja
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                        13. Juni 2021
Stadtpilze aus dem Untergrund - 36 Von der Gärtnerin zur Rangerin Wildnis in Reinkultur - Pflanzenfreund
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              Impressum
                                                16
   «Pflanzenfreund», 121. Jahrgang,

                                                Inhalt
    Nr. 5 (Mai 2021), Preis: Fr. 7.80,
         erscheint 10x jährlich
       Auflage 30 000 Exemplare
              Herausgeber
         Verlag «Pflanzenfreund»,
  c / o Ernst Meier AG, Kreuzstrasse 2,
8635 Dürnten, www.pflanzenfreund.ch
       Geschäftsleiter / Verleger                    INSPIRATIONEN         WISSEN
        Erwin Meier-Honegger
    Verlagsleiter Jean-Pierre Ritler,
                                                      6 Einladende         22 Die Wildlinge
        jpr@pflanzenfreund.ch                        		Blütenteller        		 des Waldes
    Redaktionsleiterin Tanja Keller,                                       31 Pilzbefall an Obstbäumen
       keller@pflanzenfreund.ch
        Redaktionelle Mitarbeit
                                                     ARBEITEN
     Ivo Eugster (Text und Bild),                    IM MAI                ENGAGEMENT
 Carmen Hocker (Text und Produktion)
                                                      9 Saisontipps        36 Aus dem Untergrund
Anzeigen KünzlerBachmann Verlag AG,
Olaf Aperdannier, Tel. +41 71 314 04 79,             14 Kolumne            Rezept
       o.aperdannier@kueba.ch                        15 Saat- und          40 Rosenseitlinge auf
              Abonnement                             		Pflanzkalender      		Pastinaken-Parmesan-
     www.pflanzenfreund.ch / abo,
  Jahres­abonnement Fr. 48.–. Adress­                                      		Heu
änderungen an info@pflanzenfreund.ch                 GÄRTNERN
          Gestaltung / Layout
       Claudia Neuenschwander
                                                     OHNE GARTEN           FAUNA IM FOKUS
Lithographie Media Concept Schweiz AG,               16 Ein Paradies für   42 Ortstreues Kriechtier
            Eschenbach SG                            		 summende Gäste
  Korrektorat Schellenberg Druck AG,
              Pfäffikon ZH
                                                                           GRÜNE AGENDA
     Druck PMC, Oetwil am See ZH
                                                     PERSÖNLICH            48 Ausflugstipps
 Papier Refutura GSM FSC®, (100 % Alt-               18 Szenenwechsel:
   papier, «Blauer Engel» zertifiziert)                 Der Ruf des        STANDPUNKT
                                                     		Sihlwaldes          49 Wertvolle Verbündete
                                                                           		 mit schlechtem Ruf

                                                                           PFLANZENFREUND.CH | MAI 2021   5
Stadtpilze aus dem Untergrund - 36 Von der Gärtnerin zur Rangerin Wildnis in Reinkultur - Pflanzenfreund
I N S P I R ATI O N E N              Einladende Blütenteller

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                                                                        1
                                                   © mauritius images

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                                                                                                      © Aline Dassler

                                                                                                  4

6   MAI 2021 | PFLANZENFREUND.CH
Stadtpilze aus dem Untergrund - 36 Von der Gärtnerin zur Rangerin Wildnis in Reinkultur - Pflanzenfreund
Inspirationen

                                 Einladende
                                     Blütenteller
                                  «Eine weisse Schnittblume, die ohne besondere
                                  Kultur ununterbrochen, ja ununterbrochen, vom
                                  Mai bis zum Winter blüht und fast zu jeder besse­
                                  ren Binderei sehr gut verwendbar ist», berichtet
                                  Möllers Deutsche Gärtner-Zeitung 1894 über die                                 HEILENDES
                                  Gefüllte Bertramsgarbe Achillea ptarmica ’Schnee­                              WIESENPFLASTER
                                  ball’. Heute würde das Urteil nicht mehr ganz so                               Da die Schafgarbe über die ge­
                                  euphorisch ausfallen, da diese feuchtigkeitslieben­                            samte Nordhalbkugel verbrei­
             © Andreas Göllner

                                  de historische Sorte aus dem Rahmen fällt und                                  tet wächst, wird sie auch in an­
                                  nicht jene Vorzüge in sich vereint, die man mittler-                           deren Kulturen als Heilpflanze
         2                        weile an der Schafgarbe schätzt: Anspruchslosigkeit                            verwendet. Die blutstillende
                                  an Boden und Feuchtigkeit, gepaart mit Resistenz                               Wirkung kannte man schon in
                                  gegenüber sommerlicher Trockenheit. Naturgärtne­                               der Antike. Der Sage nach wur­
1 Eine Gemeine Gold­
                                  rinnen und Insekten lieben deshalb die Millefo­                                de der verletzte Held Achilles
wespe oder Feuer-
Goldwespe (Chrysis                lium-Sorten und Filipendulina-Züchtungen. Ihre                                 durch Auflegen von Schafgar­
ignita), deren Kopf               auffälligen Blütenteller sind reich an Nektar und                              benkraut geheilt. Tatsächlich
und Thorax leuchtend              Pollen – und je weniger nährstoffreich der Boden                               ist es so, dass kleinere Verlet­
grünblau sind.                    ist, umso standfester sind sie. Dass die Schafgarbe                            zungen bei Benetzung mit
2 Gleich drei Tiere               wieder «en vogue» ist, verdankt sie ihrer natur­                               Schafgarbensaft aufhören zu
tummeln sich hier:                haften Ausstrahlung und ihrer Vielseitigkeit. Nicht                            bluten und schnell heilen – ein
Der Grüne Scheinbock­
                                  verwunderlich, dass sie vom Bund deutscher Stau­                               hilfreiches «Wiesenpflaster»,
käfer (Oedemera nobilis)
sowie die Veränder­               dengärtner zur Staude des Jahres 2021 gekürt                                   nicht nur für unterwegs.
liche Krabbenspinne               wurde. Texte: Carmen Hocker
(Misumena vatia) samt                                                                                                Die Ärztin Heide Fischer
Beute, einer Grauen                                                                                              hat in ihrem Buch «Frauen­
Fleischfliege (Sarco­                                                                                            heilpflanzen» 35 Pflanzen
phaga carnaria).                                                                                                 porträtiert, darunter auch
3 Das Weissbindige
                                                                                                                 die Schafgarbe.
Wiesenvögelchen
(Coenonympha arcania),
auch Perlgrasfalter
genannt, lebt in
Blumenwiesen und
Gebüschen.
                                                                                         © mauritius images

4 Charakteristisch für
die Gewöhnliche Lang­
bauchschwebfliege
(Sphaerophoria scripta)
ist ihr langgestreckter,
gestreifter Körper.

                                                                                                              PFLANZENFREUND.CH | MAI 2021      7
Stadtpilze aus dem Untergrund - 36 Von der Gärtnerin zur Rangerin Wildnis in Reinkultur - Pflanzenfreund
© Flora Press
Worauf Insekten
 fliegen                                            Tausendundein Blatt
                                                    Der botanische Name der Wildart – Achillea mille­
          1 
            Der erste Besuch von Blüten
               erfolgt aufgrund genetisch
                                                    folium – geht auf die grazilen, fein gefiederten Blätt­
                                                    chen zurück. Im Garten ist das Laub der Schafgarbe
               fixierter Farbpräferenzen.           ebenso eine Zier wie ihre grossen Blütenteller. Als
               In der Folge lernen Bienen und       Partner für diese Strukturpflanze eignen sich Stau­
               Schwebfliegen die Farbe mit          den mit kerzenförmigen Blütenständen wie Agasta­
               Belohnung durch Nektar oder          che oder Steppensalbei sowie filigranes Schleier­
               Pollen zu assoziieren.               kraut, Astern und Prachtkerzen. Auch Sonnenhut,

          2    Zu den sogenannten «flower
               signals» zählt alles, was die Blü­
                                                    Blauraute und mittelhohe Gräser harmonieren gut.
                                                       Schneidet man Verblühtes nach dem ersten Flor
                                                    frühzeitig ab, remontieren viele Sorten, das heisst
               te produziert und aus der Dis­       sie blühen ein zweites Mal. Wer im Herbst die Stän­
               tanz wahrgenommen werden             gel stehen lässt, bietet Insekten ein Überwinterungs­
               kann, etwa Duft, Farbe, CO2 und      quartier und kann sich bei Raureif an wunderschö­
               Feuchtigkeit.                        nen Bildern erfreuen. Da die Staude eher kurzlebig
                                                    ist, teilt man sie alle drei bis vier Jahre im Frühjahr
          3    
               Die meisten Insekten haben
               weniger dichte Farbrezeptoren
                                                    oder zeitigen Herbst.

               als der Mensch. Deshalb kön­            Wissenswertes rund
               nen sie Objekte nur farbig           um die Schafgarbe auf:
               sehen, wenn sie entweder sehr        → www.staude-des-jahres.de
               gross oder sehr nah sind.

          4    
               Korbblütler wie die Schafgarbe
               haben Kompositblüten, die
               zu einer funktionellen Einheit
               zusammengeschaltet werden,
               zu einer sogenannten «Pseudo­
               blüte».

8   MAI 2021 | PFLANZENFREUND.CH
Stadtpilze aus dem Untergrund - 36 Von der Gärtnerin zur Rangerin Wildnis in Reinkultur - Pflanzenfreund
Arbeiten im Mai

                     Saisontipps
                     Texte: Katharina Nüesch

                            KEIN
                            WEGWERFARTIKEL
                            In bunter Fröhlichkeit und im Plastiktopf
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                            stehen sie früh im Jahr im Verkaufsregal:
                            Primeln. Nachdem sie uns wochenlang in
                            den Frühling begleitet haben, landen sie
                            meist auf dem Kompost. Zu Unrecht, denn
                            «Primeli» sind mehrjährig und können aus­
                            gepflanzt werden. Sie ziehen einen sonnigen
                            bis halbschattigen Standort vor, sind an­

                                                                                                                                     © Adobe Stock
                            sonsten anspruchslos. In nicht mehr ganz
                            so kräftigen Farben wie beim Kauf läuten
                            sie fortan munter den Frühling ein.

                                                                                               Wildpflanzenporträt:
                                                                                               ECHTE PFINGSTROSE
                                                                                               PAEONIA OFFICINALIS
                                                                                               Kaum zu glauben, dass die opulente
                                                                                               Pfingstrose, die wir aus Gärten und
                                                                                               der Floristik kennen, eine wilde
                                                                                               Verwandte in der Schweiz hat: Ganz
                                                                                               im Süden, am Monte Generoso im
                                                                                               Tessin, grüsst sie am Wegrand. Wow!
                                                                          © Katharina Nüesch

                                                                                                                                     © mauritius images

                     STEINQUENDEL
                     CALAMINTHA NEPETA
                     Diese Pflanze, auch als Bergminze bekannt, ist eine
                     Wucht! Sie blüht monatelang – bis weit in den Herbst hin­
                     ein – und verströmt einen aromatisch-mediterranen Duft.
                     Unzählige weisse oder lilafarbene Blütchen ziehen Insek­
                     ten magisch an. Der anspruchslose Lippenblütler passt
                     genauso in den naturnahen Garten wie ins Staudenbeet.
                     Er bevorzugt einen sonnigen Standort und trockenen,
                     nährstoffarmen Boden.

                                                                                                       PFLANZENFREUND.CH | MAI 2021                       9
Stadtpilze aus dem Untergrund - 36 Von der Gärtnerin zur Rangerin Wildnis in Reinkultur - Pflanzenfreund
A R B E ITE N I M M A I                        Saisontipps

                                                                                    © mauritius images

                                                                                                                                   © mauritius images
      KATZEN WÜRDEN NEPETA KAUFEN
      Verdrehen Samtpfoten die Augen, knabbern an Blättern
      oder wälzen sich mit Wonne in der Pflanze, dann handelt
      es sich mit grosser Wahrscheinlichkeit um die Katzenmin­
      ze. Die verschiedenen Sorten des Dauerblühers passen
      hervorragend ins Staudenbeet – mit mehr oder weniger
      betörender Wirkung auf Fellnasen (Katzen würden Nepeta
      cataria, die Echte Katzenminze, kaufen). Der Lippenblüt­
      ler liebt sonnige Standorte mit trockenen, nährstoffarmen

                                                                                                                                                           © Adobe Stock
      Böden. Die berauschende Wirkung auf Katzen ist nicht
      restlos geklärt, botanisch gesehen aber eine Verbreitungs­
      strategie: Das Tier transportiert im Fell haften gebliebene
      Samen an neue Standorte weiter.

                                                                                                         LAUCHMOTTEN
                                            EISHEILIGE:                                                  VORBEUGEN
                                            EIN ABERGLAUBE?                                              Die Lauchmotte, ein Falter, legt ihre Eier auf
                                            «Pflanze nie vor der Kalten                                  die Blätter von Lauch und Zwiebelpflanzen.
                                            Sophie», lautet eine alte Bau­                               Die gelblich-weissen Raupen, die daraus
                                            ernregel. Bis heute ist Sophia,                              schlüpfen, fressen sich durch längliche Gän­
                                            die letzte der Eisheiligen am                                ge in den Schaft der Pflanze hinein und ver­
                                            15. Mai, eine Instanz geblie­                                puppen sich dort. Das Schadbild des soge­
                       © mauritius images

                                            ben. Die Eisheiligen gründen                                 nannten Minierfrasses: hellbraune Flecken
                                            in der Überlieferung aus ver­                                und faulende Pflanzen.
                                            gangenen Jahrhunderten, die                                    Was die Motte nicht mag: luftige, sonnige
                                            besagt, dass es Mitte Mai häu­                               Lagen – also nicht zu eng pflanzen; Misch­
                                            fig zu Frost kommt. Gemäss                                   pflanzungen mit Rüebli, Peterli, Dill, Sellerie
                                            Meteo Schweiz zeigen lang­                                   oder Tomaten helfen, die Motte fernzuhal­
                                            jährige Messungen allerdings                                 ten. Alternative: Insektennetze über die
                                            kein gehäuftes Auftreten von                                 Pflanzen legen.
                                            Bodenfrost. Eisheilige hin
                                            oder her: Wir raten zuzuwar­
                                            ten und frostempfindliche
                                            Pflanzen erst ab Mitte Mai ins
                                            Freie zu pflanzen!

10   MAI 2021 | PFLANZENFREUND.CH
DER EISIGE
Er ist einer der beliebtesten, weil

                                                                                                                  © mauritius images
besonders knackig: der Eisbergsalat.
Sein Name hat nichts mit den Eis­
heiligen zu tun, sondern mit der
Historie. Zum Zeitpunkt seines
Aufkommens gab es noch keine
Kühlaggregate; die Salate wurden                                  UMZUG INS FREILAND
auf Bergen von zerstampftem Eis                                   Bevor es Mitte Mai ins Freiland geht, sollten
transportiert. Die verschiedenen                                  vorgezogene Setzlinge abgehärtet werden.
Sorten des Eisbergsalats sind ideale                              Deshalb rund zehn Tage vor dem Auspflan­
Sommersalate: Sie ertragen warme                                  zen an einen geschützten Ort nach draussen
Temperaturen besser als andere                                    stellen (z. B. Hauswand). Vorerst schattig,
Kopfsalate, stängeln weniger auf                                  denn die Sonne könnte die zarten Pflänz­
und sind erst noch lange haltbar.                                 chen verbrennen. Nach und nach in den
                                                                  Halbschatten verschieben und erst nach
                                                                  circa zehn Tagen ins Beet setzen.

                                       Gemüse aus dem eigenen Garten –
                                       natürlich BIOlogisch gedüngt!
                                       ✓ für reichen Ertrag an aromatischen Früchten
                                       ✓ organischer Dünger mit Langzeitwirkung

                                                                                                    www.neudorff.ch
Rachel Watkins ist passionier­

                                       Bilder: © Katharina Nüesch
                                                                    te Gärtnerin. Die Britin lebt
                                                                    seit zwei Jahren in der Schweiz

                                                                                                                                  © Adobe Stock
                                                                    und nutzt ihren Garten gerne
                                                                    als Experimentierfeld. Im
                                                                    Pflanzenfreund berichtet sie
                                                                    von ihren Erfahrungen.

                                                                                                             EIERBAUM
                                                                                                             An den Ästen des Eierbaums, einer
                                                                                                             Auberginenart, bilden sich eiförmige,
                                                                                                             cremeweisse Früchte. Er ziert sich nicht
                                                                                                             nur mit weissen «Eiern», sondern trägt
                                                                                                             à la Osterbaum viele bunte Farben, von
                                                                                                             gelb über orange, rot bis hin zu violett.
                                                                                                             Diese Sorten heissen dann aber schlicht
RACHEL’S WORLD                                                                                               wieder Auberginen. Das Nachtschatten­
Der Trick mit dem Ei                                                                                         gewächs ist wärmebedürftig, liebt Sonne
Weil ich Tomaten über alles liebe,                                                                           und nährstoffreichen Boden; im Topf
hege und pflege ich sie besonders                                                                            organischen Langzeitdünger oder regel­
gut. Obwohl mein Boden nicht                                                                                 mässige Gaben von Flüssigdünger. Nur
der beste ist, habe ich viel Erfolg.                                    MEGA-COMBO                           im Wurzelbereich giessen, da Wasser auf
Beim Pflanzen schwöre ich auf                                           Tomaten und Basilikum sind           den Blättern Pilzerkrankungen Vorschub
den «Trick» mit dem Ei. Den wis­                                        ein kulinarischer Klassiker,         leistet.
senschaftlichen Aspekt dazu ken­                                        eine perfekte Kombination. Ba­
ne ich nicht, meine Versuche mit                                        silikum passt auch im Pflanz­
und ohne Eier zeigen aber signifi­                                      beet bestens zu Tomaten; das­

                                                                                                                                                                                                      © Katharina Nüesch
kante Unterschiede: Die Pflanzen                                        selbe gilt für Begleiter wie Pe­
mit sind grösser und kräftiger,                                         tersilie, Zwiebel, Salat, Kamille,
tragen mehr Früchte und zeigen                                          Ringelblume und andere
keine Braunfäule bis lange in                                           schwachzehrende Arten. Als
den Herbst hinein.                                                      Unterpflanzung decken sie
   Wie ich das mache? Ich gebe                                          den Boden ab und verhindern
das leicht angebrochene Ei zuun­                                        die Austrocknung, gleichzeitig
terst ins Pflanzloch und fülle es                                       schützen sie sich gegenseitig
mit viel gutem Kompost auf.                                             vor Krankheiten und Schädlin­                                             BOHNENBEIZE
Damit die Pflanze ein kräftiges                                         gen. Wenig ratsam sind Kombi­                                             Um zu spriessen, brauchen
Wurzelsystem entwickelt, entfer­                                        nationen mit starkzehrenden                                               Bohnen einen gut erwärm­
ne ich die untersten Keimblätter                                        Gewächsen wie Gurke, Zuc­                                                 ten Boden (mind. 12 °C).
und bette sie dann tief in den                                          chetti oder mit Vertretern aus                                            Ihre Keimung und Gesund­
Kompost hinein*. So bilden sich                                         den eigenen Reihen: Nacht­                                                heit fördert, wer die Samen
am unteren Teil des Stängels zu­                                        schattengewächse wie Kartof­                                              zuvor über Nacht im Ka­
sätzliche Wurzeln. Eine gut aus­                                        fel, Aubergine oder Paprika.                                              millenteebad quellen lässt.
gebildete Wurzelmasse kann                                                                                                                        Das wirkt antibakteriell
mehr Nährstoffe und Wasser auf­                                                                                                                   und schützt vor Pilzbefall.
nehmen – diese ist die beste Vor­                                                                                                                 Übrigens: «Bohnen müs­
                                                                                                                                                                                 © Katharina Nüesch

aussetzung für gesunde Pflanzen.                                                                                                                  sen die Glocken läuten hö­
   Übrigens: Sind die Eier nicht                                                                                                                  ren», heisst es. Samen also
«gecrasht», droht am Ende der                                                                                                                     nie zu tief in die Erde ste­
                                                                                                             © mauritius images

Saison eine stinkende Überra­                                                                                                                     cken (ca. 2 cm).
schung.                                                                                                                                           → www.zollinger.ch
(*bei veredelten Pflanzen sollte die
Veredelungsstelle über dem Boden
liegen)

12   MAI 2021 | PFLANZENFREUND.CH
A R B E ITE N I M M A I                Saisontipps

                                                                TEICH-FEELING
                                                                Es muss ja nicht gleich ein            eine zu starke Erwärmung;
                                                                Schwimmteich sein: Zuber, Gel­         ebenso das Eingraben des Ge­
                                                                ten, Tränken bis hin zur alten         fässes im Boden.
                                                                Badewanne – alles, was wasser­       — Topografie: Unterschiedlich
                                                                dicht ist, hat das Zeug zum Mi­        tiefe Stellen schaffen, bei­
                                                                niteich. Besonders beliebt ist         spielsweise durch Tontöpfe,

                                                © Adobe Stock
                                                                das halbe Weinfass, neu oder ge­       Back- oder Pflastersteine, Na­
                                                                braucht. Damit das «Teich-Fee­         tursteine, Kies und Wurzeln.
                                                                ling» lange anhält und das Was­      — Wasser: wenn möglich mit
                                                                ser im Gleichgewicht bleibt, sind      kalkarmem, weichem Wasser
SAATGUT FÜRS                                                    einige Tipps zu beachten. Hier         füllen (z.B. Regenwasser), an­
NÄCHSTE JAHR                                                    die Kurzanleitung für das eigene       sonsten sich wenig hübsche
Wilde Kerle werden aus Radiesli-, Salat- oder                   kleine Feuchtgebiet.                   Kalkränder bilden können.
Krautstielen, lässt man sie aufstängeln und                     — Grösse: nach Platzverhältnis­      — Pflanzen: Wahl entsprechend
blühen! Nach der Blüte können die reifen,                          sen, vom Steinguttopf (ungla­       Wasservolumen / -tiefe, gene­
trockenen Samen geerntet und gereinigt in                          siert) bis zum Weinfass, ab         rell gilt die Faustregel: ca. fünf
Papiertütchen abgefüllt werden. Sorte be­                          ca. 20 cm Tiefe. Wenn nicht         Pflanzen pro m 2, beispiels­
schriften und trocken bei gleichmässiger                           wasserdicht, mit Teichfolie         weise Froschlöffel, Fieberklee,
Temperatur (+ / – 10 ˚C) im Dunkeln lagern;                        auskleiden.                         Pfeilkraut, Zwergseerose,
fertig ist das Saatgut fürs nächste Jahr. Zu                    — Standort: halbschattig, zu           Binse, Sumpfschwertlilie. Die
beachten: Es sollten nur Samen von gesun­                          viel Sonne würde das Wasser         Pflanzen können mit oder
den, kräftigen Pflanzen geerntet werden und                        tagsüber zu sehr aufheizen,         ohne Topf, inklusive Erde des
nur von sortenechtem Ausgangsmaterial                              was den meisten Pflanzen            Wurzelballens, etwas ins
(keine F1-Hybriden; s. Verpackung oder                             und Tieren nicht bekommt,           Teichsubstrat eingegraben
Angaben zum Setzling).                                             umso mehr den Algen; zu viel        werden.
                                                                   Schatten beeinträchtigt das       — Pflege: Höchstens bei ganz
                                                                   Pflanzenwachstum.                   heissem Wetter giessen. Be­
                                                                — Behältnis stabil platzieren. Ist     achten Sie den Wasserstand.
                                                                   es einmal mit Erde, Steinen         Wasserpflanzen mögen es
DER ERSTE SCHNITT                                                  und Wasser gefüllt, kann es         feucht.
Damit Wiesenkräuter versamen können                                schwer werden.                    — Überwintern: Kleinere Gefäs­
und Nester von bodenbrütenden Vögeln                            — Erde: mindestens zur Hälfte          se können im Winter sprin­
verschont bleiben, werden Naturwiesen in                           mit magerem Erde-Sand-Ge­           gen; darum Miniteich in ein
der Schweiz erst nach dem 15. Juni gemäht.                         misch füllen, allenfalls Lehm       kühles Winterquartier zügeln;
Als Folge kommt es zu einem akuten Nah­                            oder Teicherde (keine Blu­          es darf auch dunkel sein.
rungsmangel bei Wildbienen und anderen                             menerde, das würde das Al­          Pflanzen analog Stauden
Insekten. Aus diesen Gründen macht es in                           genwachstum fördern). Ein           ganz zurückschneiden.
Gärten Sinn, einen Teil der Wiese bereits                          grosser Erdanteil verhindert        Feucht halten.
Anfang Mai zu mähen. Sie blüht bis im Juni
wieder, wenn die meisten anderen Wiesen
                                                                                                                                 © Carmen Hocker

geschnitten werden.
→ www.natur-im-siedlungsraum.ch

                                                                                                PFLANZENFREUND.CH | MAI 2021                       13
A R B E ITE N I M M A I              Saisontipps

                GARTENBEWOHNER
                BERGMOLCH
                Er sieht aus wie ein Minidinosaurier
                und während der Paarungszeit zeigt
                das Männchen einen intensiv orange­

                                                                                     © Stefan Gessl
                roten Bauch: der Bergmolch, der zur
                Fortpflanzung unsere Gartenteiche
                aufsucht, ansonsten aber an Land
                lebt, meist in der Nähe der Gewässer.                                                    Kolumne
                Ein etwas wilder, naturnah gestalteter
                Garten ist ein guter Lebensraum für
                die zu den Schwanzlurchen zählen­
                den Amphibien.
                → www.karch.ch
                                                                     Nicht verstecken
                                                                 Die wärmeren Temperaturen treiben                  Trockenes Material vom Frühjahrs­
                                                                 mich in den Garten. Die ersten Früh­               schnitt ist perfekt für den Untergrund.
                                                                 lingsboten streben freundlich aus dem                Dann kann die Schichtung, je nach
                                                                 Boden. Und einer meiner Lieblings­                 anfallendem Material, schon begin­
                                                                 plätze im Garten ist der fruchtbarste.             nen: Küchenabfälle, Rasen- und Ge­
                                                                 Das ist der Kompostplatz. Für mich ist             hölzschnitt.
                                            © mauritius images

                                                                 es die Humusfaktur höchster Güte. Ich
                                                                 kann mich noch gut daran erinnern,                 Die Mischung macht es aus
                                                                 wie in den Anfängen meiner Gartenge­               — 50 % frisches Material (Gemüse­
                                                                 staltungszeit die Kompostplätze im­                  abfälle, Rasenschnitt, Pflanzen­reste)
                                                                 mer hinten, im letzten Eck, versteckt              — 50 % trockenes Material (Strauch­
                                                                 wurden. Jetzt sind sie der zentrale Ort              schnittreste, Laub)
                                                                 der Aufmerksamkeit.                                — Je kleiner, umso besser. Ein Häcksler
                                                                    Ich liebe es, in diesem Haufen zu                 ist Gold wert.
                                                                 wühlen und meinen Nichten und Nef­
                                                                 fen zu zeigen, dass hier richtig viel los          Stickstoff und Kohlenstoff sind das
                                                                 ist. Die Regenwürmer, die Asseln, die              beste Futter für Mikroorganismen und
                                                                 Borstenwürmer – all das kleine Getier              Co.
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                                                                 ist einfach schön anzusehen. Pures Le­                Die Makrofauna wie Borstenwür­
                                                                 ben also in unserer Erde, die sich so              mer, Asseln und Regenwürmer wer­-
                                                                 unscheinbar unter unseren Füssen be­               den sich in den unteren kühleren
                                                                 findet und der artenreichste Lebens­               Bereichen nützlich machen und die
                HOLUNDER IM                                      raum unserer Welt ist. Für mich im­                Ver­edelung vorantreiben.
                KNUSPERMANTEL                                    mer wieder eine Faszination der                    Decken sie den Haufen mit einem
                Ca. Ende Mai beginnt der Schwarze                Schöpfung.                                         Kompostvlies ab.
                Holunder (Sambucus nigra) zu blü­                   Der beste Platz liegt im Halbschat­                Lassen Sie sich verzaubern vom
                hen. Ein dankbares Wildgehölz mit                ten oder unter einem Baum. Wie                     Wunderwerk der Natur: Tauchen Sie
                hübschem Wuchs für Vögel, Saft und               unsere Omas schon wussten: Ein Ho­                 tief in die Erde ein und erleben Sie den
                Konfitü­re! Die hübschen, lieblich duf­          lunder fühlt sich dort am wohlsten                 Schatz im Untergrund.
                tenden weissen Blütenteller werden               und liebt das nährstoffreiche Sicker­
                botanisch als Schirmrispen bezeich­              wasser.                                            Autorin:
                net. Wer daraus einmal etwas anderes
                als Sirup machen möchte, dem legen               Schritt für Schritt                                Angelika Ertl
                                                                                                                    Den Nährboden für ihre Leidenschaft
                wir die Bierteig-Gourmetvariante                 Stecken Sie den neuen Goldplatz rund­
                                                                                                                    bildete der elterliche Gartenbaube­-
                ans Herz: das Holunderaroma im                   herum ab. Egal, ob es Zaunteile, Euro­             trieb, den sie leitet. Angelika Ertl ist
                Knuspermantel. Das ausführliche                  paletten oder andere kreative Natur-               ORF-Biogärtnerin, Autorin und
                Rezept finden Sie via QR-Code.                   oder Recyclingelemente sind. Den Bo­               Unternehmerin.
                                                                 den ein wenig auflockern und grobes
                                                                 Material auflegen. So verdichtet er sich               Buchtipp: Angelikas bunte
                                                                 nicht so rasch. Und Regenwürmer fin­               Kräuterwelt – Wissen & Rezepte
                                                                 den schnell den Weg zu ihrem Menü.                 → www.angelikaertl.at/shop

                14   MAI 2021 | PFLANZENFREUND.CH
SA AT - U N D P FLA N Z K A LE N D E R             Mai 2021

Mondkalender
Hier finden Sie monatlich eine gekürzte           Die Pflanzen werden in vier Gruppen             17. 15 h bis 19. 23 h, 27. Fruchttage im
Version aus dem Appenzeller «Saat-                eingeteilt: Erde – Wurzel, Licht – Blüte,       Nidsigend: Tomaten, Gurken, Zucchetti,
und Pflanzkalender 2021 – Gärtnern                Wasser – Blatt, Wärme – Frucht. Im              ­Kürbis, Auberginen etc. pflanzen sowie
                                                  Kalender finden Sie die Zeichen dafür,           Bohnen und Erbsen stecken.
nach Mondlauf und Tierkreiszeichen».
                                                  welche Tage für welche Pflanzenart
                                                  besonders güns­tig sind:                        17. bis 27. Nidsigend: Generell gute
Mai                                                                                               Pflanztage für alle Gemüsesetzlinge
                                                       Zu den Wurzelpflanzen gehören             an den ihnen entsprechenden Tagen.
Samstag        1             !              •
                                                        z. B.: Radieschen, Randen, Sellerie,      Geeignet für Heckenschnitt.
Sonntag        2     22 h •                             Schwarzwurzeln, Karotten, Rettich,
                                                        Kartoffeln und Zwiebeln.                  20. und 21. Wurzeltage im Nidsigend:
Montag         3          •            •21.50                                                     Wurzelgemüse säen, pikieren und pflan-
                                                  •	Zu den Blattpflanzen gehören z. B.:
Dienstag       4          •                             Alle Blattsalatsorten, Spinat, Lauch,     zen. Diese Jungfrau-Tage gelten auch als
                                                        Kohlarten und Blattkräuter.               besonders günstig für Bohnen, Zwie-
Mittwoch       5   • 4h •                                                                         beln, Kartoffeln und Schnittblumen.
                                                  •	Zu den Blütenpflanzen gehören
Donnerstag     6          •                            z. B.: Alle Blumen.
                                                        Zu den Fruchtpflanzen gehören            22. 4 h bis 24. 5 h Waage-Tage bei
Freitag        7   • 14 h                                                                         zunehmendem Mond und nidsigend:
                                                         z. B.: Erbsen, Bohnen, Tomaten,
Samstag        8                                         Gurken, Zucchetti, Kürbisse, alle        Blumen säen und pflanzen. An diesem
                                                         Getreidearten, Obstbäume und             Tag geschnittenes Gras soll weniger
Sonntag        9                                                                                  schnell wachsen.
                                                         Beerensträucher.
Montag        10       2h                         ! 	Achten Sie besonders auf die kriti-
                                                       schen Tage.                                26. Mond erdnah: Günstig zum Dün-
Dienstag      11                 ●21.00, •erdf.                                                   gen.
                                                    	Die grün markierten Kalender-
Mittwoch      12     15 h •                            tage sind besonders günstige Pflanz-
                                                       tage zum Säen, Setzen,                     26. bis 30. Zeit um Vollmond und
Donnerstag 13                !
                                                                                                  Zeit des abnehmenden Mondes: Gute
                                                       Umtopfen (absteigender Mond).
Freitag       14         •                                                                        Düngetage, die sich auch für die Boden-
                                                      Mondzeichen                                 bearbeitung eignen und, wenn nötig,
Samstag       15    • 4h •                                                                        zum Wässern.
                                                  ○   Vollmond
Sonntag       16             !              •     •   Letztes Viertel
                                                  ●   Neumond                                     1., 13., 16., 26., 28. Kritische Tage.
Montag        17   • 15 h
                                                  •   Erstes Viertel
Dienstag      18                                  •   Obsigend, aufsteigend
                                                  •   Nidsigend, absteigend
Mittwoch      19      23 h             •21.13
                                                  •   Abstand zur Erde
Donnerstag 20
Freitag       21
                                                  11. Neumond: Pflanzen schneiden, die
Samstag       22      4h •                        von Schädlingen befallen sind.
Sonntag       23         •
                                                  Ab 16. Nach den Eisheiligen: Laut Tra-
Montag        24    • 5h •                        dition Ende der Frostgefahr. Diese Regel
                                                  hat in den letzten Jahren oft nicht mehr
Dienstag      25         •                        gestimmt. Sicherer ist es, sich nach den
Mittwoch      26             !   ○13.14, •erdn.   Frostwarnungen der meteorologischen
                                                  Dienste zu richten.
Donnerstag 27
Freitag       28             !              •     17. bis 15 h, 24. 5 h bis 25. Blatttage
                                                  im Nidsigend: Spinat, Schnittsalate und
Samstag       29
                                                  Küchenkräuter setzen bzw. säen. Balkon-
                                                                                                              Saat- und
Sonntag       30      6h •                        kistchen mit Küchenkräutern wie Dill,                    Pflanzkalender
                                                  Koriander, Estragon, Majoran, Basilikum,                    → verlagshaus-
Montag        31            •                     Schnittlauch und Petersilie bepflanzen.                    schwellbrunn.ch

                                                                                                PFLANZENFREUND.CH | MAI 2021               15
Ein Paradies für
           summende Gäste
          Insektenfreundliche Pflanzen auf dem Balkon sind mehr als eine Augenweide.
                Sie bieten Biene, Hummel, Schwebfliege & Co. wichtige Nahrung.
                            Text : Melanie Öhlenbach, Bilder: Melanie Öhlenbach und mauritius images

            Was gibt es Schöneres, als nach getaner Arbeit ge­      blätter jedoch können Bienen und Hummeln
            mütlich auf dem Balkon die Maisonne zu genies­          den Zugang ins Innere verwehren – wenn es dort
            sen und fleissigen Bienen bei der Arbeit zuzu­          überhaupt noch etwas zu holen gibt. Einfache,
                          schauen? An warmen Frühlingstagen         unverzüchtete Sorten sowie heimische Wild-
                          ist mein Balkon von einem geschäfti­      pflanzen wie Gundermann, Klatschmohn und
                          gen Summen und Brummen erfüllt,           Weisse Lichtnelke sind daher die bienenfreund-
                          wenn Honigbienen, Hummeln und             lichere Wahl.
                          andere Wildbienen auf der Suche           Mein Tipp: Achten Sie beim Kauf einer Pflanze
                          nach zuckersüssem Nektar und ei­          auf Bio oder darauf, ob sie eifrig umschwärmt
                          weissreichem Pollen eine Blüte nach       wird. Denn ein mit Pestiziden behandeltes Ge-
                     1
                          der anderen anfliegen.                    wächs werden Insekten meiden. Da hilft auch
                          Fündig werden sie nun bei Hornveil­       kein Schild, das sie als «Bienenweide» oder «bie-
                          chen, Borretsch und den frühen            nenfreundlich» anpreist.
                          Kornblumen 1 , aber auch bei Erd­
                          beeren und Himbeeren oder einem           Bienenfreundlich durch die Saison
                          vergessenen Kohlrabi 2 , der im    Spätfrühling und Sommer sind bekanntlich die
                          zweiten Jahr leuchtend gelbe BlütenJahreszeiten, in denen Bienen eher Nahrung fin-
                          treibt.                            den als im Frühling oder Herbst. Doch gerade
                                                             diese Zeiten sind wichtig, um ihr Überleben zu
                          Ja, Sie haben richtig gelesen: Nicht
                     2
                          nur Blumen versorgen Insekten mit  sichern. Insektenfreundliche Balkone bieten da-
                                                             her fast das ganze Jahr hindurch Nahrung – von
                          Nahrung. Auch viele Kräuter, Beeren­
            sträucher und so manches Gemüse gelten als aus­  Frühblühern wie Krokus und Traubenhyazinthe
            gesprochene Bienenweiden. Das ist ein Vorteil fürbis hin zu Spätzündern wie Herbstaster und Pur-
            uns Balkongärtnerinnen: Ohne grossen Aufwand     purfetthenne.
            entsteht so auf kleinem Raum ein Paradies für    Mit ihnen verwandeln Sie Ihren Balkon, Ihre Ter-
            Mensch und Tier.                                 rasse und Ihre Fensterbank in einen wichtigen
                                                             ökologischen Trittstein und können etwas gegen
            Auf die Blüte kommt es an                        das Insektensterben tun. Zum Dank winkt zu-
            Ob eine Pflanze unseren tierischen Gästen nützt, dem eine reiche Ernte an Bohnen, Erbsen und
            hängt mit der Blüte zusammen. Üppig gefüllt mö- Zucchini, die die fleissigen Tierchen bestäubt
            gen sie unser Auge erfreuen. Die vielen Blüten-  haben.

16   MAI 2021 | PFLANZENFREUND.CH
G Ä RTN E R N O H N E G A RTE N    Ein Paradies für summende Gäste

                         Wasserstellen                  Insektenfreundliche
                          einrichten                      Balkonpflanzen
                                                                                             5
                      Auch Insekten haben              Kräuter: Dill, Schnittlauch,
                     im Sommer Durst. Mit             Minze, Zitronenmelisse und
                      einer kleinen Wasser-             mediterrane Kräuter wie
                      stelle können Sie hel-              Basilikum 5 , Oregano,
                     fen. Eine flache Schale,              Thymian, Lavendel,
                3
                     ein Blumenuntersetzer                Borretsch, und Salbei.
                         oder eine grosse              Blumen: Krokus, Trauben­
                      Muschel 3 genügen.              hyazinthe, Gänseblümchen,
                      Füllen Sie das Gefäss             Hornveilchen, Goldmarie,
                                                                                             6
                     mit Steinen oder Moos,           Wucherblume, Löwenmäul-
                       damit die Insekten              chen, Sonnenblume, Rain-
                         nicht ertrinken.            farn-Phazelie (Bienenfreund),
                                                     Verbene, Männertreu, Ringel-
                                                        blume, Purpurfetthenne,
   Nisthilfe für Wildbienen                                     Herbstaster.
 Umsichtige Balkongärtner*innen                      Gehölze: Blaubeere, Brombee-
bieten Insekten nicht nur Nahrung,                    re, Himbeere, Johannisbeere,
 sondern auch einen giftfreien Le-                   Stachelbeere, Kätzchenweide.
                                                                                             7
bensraum und Platz für den Nach-                        Gemüse: Zuckererbse 6 ,
 wuchs, zum Beispiel in Form einer                       Bohne, Kohlrabi, Möhre,
sauber gearbeiteten Nisthilfe. Diese                       Radieschen, Zwiebel.
können Sie bei Naturschutzverbän-                     Wildpflanzen: Klatschmohn,
 den und spezialisierten Anbietern                     Kornblume, Gundermann,
kaufen oder selber machen: Bohren                      Klee, Lungenkraut, Nattern-
  Sie in einen gut gelagerten Holz-                    kopf 7 , Weisse Licht­nelke,
  block (Buche oder Eiche) Löcher                          Gemeine Schafgarbe,
 mit einem Durchmesser von 2 bis                               Wilde Malve.
                                                                                             8
8 mm – seitlich, also von der Rinde
   zur Mitte hin, 10 bis 15 cm tief.
Glätten Sie die Schnitt- und Innen-
         kanten sorgfältig. 4                             Marienkäfer gegen Blattläuse
 Stellen Sie die Nisthilfe wind- und         Wenn Blattläuse in Massen an den jungen Trieben saugen,
regengeschützt an einem möglichst            ist Geduld gefordert. Gift kommt mir nicht auf den Balkon.
  sonnigen und warmen Platz auf.                Ist eine Pflanze akut gefährdet, sammle ich die Sauger
    Ein Gitter vor den Brutröhren             von Hand ab. Und setze auf das natürliche Gleichgewicht:
   schützt vor hungrigen Vögeln.            auf Marienkäfer 8 . Laut dem Naturschutzbund Deutschland
                                             (NABU) vertilgen die Nachkommen eines einzigen Marien­-
                                                 käfers während des Sommers an die 100 000 Läuse.
                                              Kein Wunder, dass die Tierchen als Glücksbringer gelten!

                                                           Melanie Öhlenbach hat ein grünes
                                                            Herz und einen grünen Daumen.
                                                        Die Gartenjournalistin und Buchautorin
                                                       schreibt in ihrem Blog «Kistengrün» über
                                                         ihren Stadtbalkon, auf dem jedes Jahr
                                                       rund 50 unterschiedliche Sorten Kräuter,
                                                          Gemüse, Blumen und Obst gedeihen.
                                                                     → www.kistengruen.de

                                                                              PFLANZENFREUND.CH | MAI 2021   17
                          4
PO RTR ÄT   Szenenwechsel
Serie «Szenenwechsel»

                          Der Ruf
                       des Sihlwaldes
       In der Serie «Szenenwechsel» porträtiert der Pflanzenfreund Menschen, deren Beziehung
          zur Natur weit über die Grenzen des Gartens hinausgeht. Diesmal haben wir die Ex-
       Gärtnerin Nicole Aebli besucht. Sie arbeitet als Rangerin im Sihlwald, dem ersten national
           anerkannten Naturerlebnispark der Schweiz. Ihr Arbeitsinhalt: Die Natur bewahren.
         Was es dafür braucht: Konfliktfähigkeit. Text: Judith Supper, Bilder: Judith Supper/Katharina Nüesch

       Bei Regen ist der Sihlwald ein anderer. Die Vögel     verfolgt. Sogar das Werk des Borkenkäfers, der für
       sind fast verstummt, dafür tönt es zwischen           sie kein Schädling ist, sondern Teil des Ökosystems.
       den Bäumen umso lauter. An moosüberwachsenen          Wo die Fichten absterben, wimmelt es von Vögeln:
       Ästen rinnen die Tropfen herab und treffen mit        Baumläufer, Buntspechte, Schwarzspechte, ver­
       leisem «Plopp» auf den feuchten Waldgrund. Über­      schiedene Meisenarten, Seltenheiten wie der Drei­
       all gluckst, perlt, tröpfelt und trieft es. «So mag   zehenspecht und viele mehr. «Hier hinten» sagt sie,
       ich den Wald am liebsten», sagt Nicole Aebli und      und deutet auf einen Erdhügel, «dieser Baum ist
       lächelt.                                              schon vor vielen Jahren umgefallen. Die Wurzeln
                                                             sind längst verrottet. Einzig der Erdhügel zeugt
       Sie kennt sich mit Stürmen aus                        noch davon, dass hier einmal ein Baum stand.»
       Nicole Aebli, 39 Jahre alt, karamellblondes Haar
       und blaugrüne Augen, ist Rangerin. Seit zwölf         Wildnispark Zürich
       Jahren arbeitet sie im Sihlwald und erlebt, wie er    Der Sihlwald befindet sich nur ein paar S-Bahn-
       sich verändert. Wie Bäume umstürzen, Heimat           Stationen vom Zürcher Hauptbahnhof entfernt.
       von Pilzen, Moosen, Flechten werden, zerfallen.       Seit 2009 ist er als erster Schweizer Naturerlebnis­
       Wie sich Tiere in den am Boden liegenden Riesen       park mit dem Tierpark Langenberg in der Stiftung
       einnisten und neues Leben entsteht. An einem          Wildnispark Zürich vereint. Menschliche Ein­-
       feuchten Tag kann man das verrottende Holz in         griffe gibt es nicht; der Wald bleibt völlig sich selbst
       die Hand nehmen und wie einen Schwamm aus­            überlassen. Seine Kernzone besteht aus einem
       quetschen. Und wieder gluckst es, das Wasser.         rund 4 km² grossen Laubmischwald. Hier dürfen
          Nicole Aebli kennt sich mit Stürmen aus. Sie       Besucher die markierten Wege nicht verlassen,
       kann sie aufsagen: Burglind, Vivian, Kyrill, Lothar   auch Feuer machen oder Pflanzen und Pilze pflü­
       … Jeder Sturm verändert ihren Arbeitsplatz. Schä­     cken ist strengstens untersagt. In der Naturerlebnis­
       den verursachen sie nicht; sie eröffnen Möglichkei­   zone sind die Regeln weniger strikt. Hier ist es er­
       ten. Bemannt mit einer Armee aus Käfern, Holz­        laubt, den Wald auch abseits der Wege zu erkun­
       wespen, Milben, Springschwänzen und Pilzen, ver­      den, an offiziellen Feuerstellen zu grillieren, auf
       ändert sich der Sihlwald fortlaufend. Ein Prozess,    den dafür vorgesehenen Wegen zu reiten oder zu
       den die Rangerin mit Staunen und Begeisterung         biken. Hunde sind immer an der Leine zu führen.

Der «wahre» Wert des Sihlwaldes lässt sich nur durch
abgestorbenes Material berechnen. Die Menge an Totholz
gibt Aufschluss über die Artenvielfalt eines Waldes –
und damit seiner Lebendigkeit. Für Rangerin Nicole Aebli
verursachen Stürme daher keinen Schaden, sondern
eröffnen Möglichkeiten.

                                                                                    PFLANZENFREUND.CH | MAI 2021        19
PO RTR ÄT       Szenenwechsel

                                                                         Zur Bärlauchblüte legt sich der Sihlwald
                                                                         einen grün-weissen Schleiher um. Im hellen
      «Das hat nichts mit Natur zu tun»                                  Sonnenlicht glänzt der Waldboden dann in­
      Aufgewachsen in einem ländlichen Umfeld, war                       tensiv Bärlauch-grün. Auch das olfaktorische
      Nicole Aebli von klein auf ständig draussen. Natur,                Erlebnis sucht seinesgleichen.
      ihr Schutz – das sind die Dreh- und Angelpunkte
      in ihrem Leben. Die Ausbildung zur Stauden- und
      Kleingehölzgärtnerin lag auf der Hand. Doch die
      Jahre im Gartenunterhalt brachten nicht die erwar­
      tete Befriedigung. Zu gepützelt die Gärten, zu un­
      sinnig die Tätigkeit. «Meistens habe ich englische
      Rasen gemäht, Rasenkanten geschnitten, Rosen ge­
      spritzt. Da habe ich gemerkt: Das will ich nicht, das   informiert, berät. Speziell im Corona-Jahr 2020, als
      hat nichts mit Natur zu tun.» Also liess sie sich zur   sich die Besucherzahlen fast vervierfachten, erwies
      Natur- und Umweltfachfrau ausbilden. Zuerst als         sich dieser Balanceakt als schwierig. Denn nicht
      Praktikantin, dann in Festanstellung, kam sie zum       jeder, der die verschlungenen Pfade entlanggeht,
      Wildnispark Zürich. Heute ist sie eine von vier         erweist dem Wald den nötigen Respekt. Mountain-
      Rangern des Sihlwalds.                                  und E-Bike-Fahrer queren abseits der Wege das
                                                              Dickicht, Familien picknicken, Jugendliche span­
      Rund vier Mal mehr Besucher                             nen Hängematten auf und hinterlassen Müll.
      im Corona-Jahr                                          «Manche betrachten den Wald als persönliche Ku­
      Als Naturschützerin steckt Nicole Aebli in einem        lisse und ignorieren, dass hier auch Tiere leben»,
      Dilemma. An erster Stelle stehen die ungestörte         sagt Nicole Aebli. Waldwege, auf denen Menschen
      Waldentwicklung und der Artenschutz. Das bedeu­         gehen, werden von Rehen weitläufig gemieden. «Ist
      tet, dass sie den menschlichen Eingriff in die Kern­    das Wegnetz sehr dicht – zum Beispiel dann, wenn
      zone verhindern, die Parkregeln überwachen und          illegale Trails entstehen – verlieren sie einen riesi­
      durchsetzen muss. Gleichzeitig hat sie den Gästen       gen Lebensbereich.» Diese ichbezogene Haltung,
      gegenüber einen Bildungsauftrag, gibt Führungen,        die auch von einer Entfremdung gegenüber dem

20   MAI 2021 | PFLANZENFREUND.CH
© Ivo Eugster

                                                                            Der Sihlwald hat eine bewegte Geschichte
                                                                            hinter sich. Als Nutzwald war er zunächst in
                                                                            den Händen der Habsburger, dann der Kirche
                                                                            und als letztes der Stadt Zürich. 2008 wurde
                                                                            die Abstimmungsvorlage «Naturpark Zürich»
                                                                            vom Zürcher Stimmvolk mit 89,6 Prozent
                                                                            Ja-Stimmen gutgeheissen.

Naturraum Wald zeugt, ist ihr unverständlich. Da              dürfte die Totholzmenge sehr viel höher sein.» Im
werde kritisiert, dass der Wald un­aufgeräumt sei             Rahmen eines Langzeitmonitorings wird die Ent­
oder man die umgestürzten Bäume doch nicht ein­               wicklung des Sihlwalds verfolgt und dokumentiert.
fach verfaulen lassen könne. Bei sehr renitenten              Obwohl der Wald erst seit 21 Jahren nicht mehr
Besuchern bleibe keine andere Wahl als die Polizei            bewirtschaftet wird, konnten die Forscher über
zu rufen, sodass Geldbussen ausgesprochen wer­                zwanzig Arten nachweisen, die sonst nur in alten,
den. Aber das sei zum Glück nur sehr selten nötig.            natürlichen Buchenwäldern und Urwäldern leben.
«Die Leute müssen sich an die Regeln halten. Nicht            Auch mehrere seltene oder als ausgestorben ge­
nur im Naturschutzgebiet, sondern generell im                 glaubte Arten fand man, darunter die Flechte
Wald.»                                                        Rinodina polyspora oder die Käferart Batrisodes
                                                              buqueti, die als Urwaldrelikt gilt. Als einer der For­
Ganz nahe dran am Werden                                      scher das Grüne Koboldmoos entdeckte, das seit
und Vergehen                                                  140 Jahren nicht mehr in der Region gefunden
Dass sich die Natur im Sihlwald wild und frei ent­            worden war, wäre er vor Glück fast in Ohnmacht
wickeln kann, zeigt Wirkung. Bei der Inventur 2017            gefallen, erzählt die Rangerin. Das sind die Momen­
wurde festgestellt, dass der Wald 49 Kubikmeter               te, die ihr immense Freude bereiten. Oder eben
Totholz pro Hektare aufweist. Totholz ist ein wich­           nach einem Sturm bei Regen durch den Sihlwald
tiger Indikator für die Artenvielfalt eines Waldes. In        zu gehen, wenn sie ganz nahe dran ist am Werden
einem Wirtschaftswald im Mittelland sind es nur               und Vergehen der Natur.
15 Kubikmeter, in einem vergleichbaren Urwald
160 bis 200. «Unsere Messung», sagt die Rangerin                  Noch mehr Informationen:
nicht ohne Stolz, «fand vor Burglind statt. Heute             → www.wildnispark.ch

                                                                                     PFLANZENFREUND.CH | MAI 2021          21
«Pilze (Fungi) bilden das dritte grosse Reich
eukaryotischer Lebewesen neben den Tieren
(Animalia) und den Pflanzen (Plantae).»
© Ivo Eugster

                               Wissen

                      Die Wildlinge
                       des Waldes
                               Pilze sind Wildnis in Reinkultur – sie         der Mensch sonst längst alles, was auf Erden
                                lassen sich kaum züchten. Für das             kreucht und fleucht, für seine Zwecke adap­
                              Ökosystem Wald, ja für das Leben auf            tiert hat, widersetzen sie sich hartnäckig jeg­
                                dem Festland überhaupt, sind sie              licher Domestizierung. Gewiss, es gibt die
                               aber unentbehrlich. Eine Hommage               Zuchtchampignons, es gibt Austernpilze
                                    an den Pilz. Text: Mathias Plüss          und Shiitake – aber bei den meisten anderen
                                                                              Arten sind Züchtungsversuche bisher ge­
                                                                              scheitert. Pilze lassen sich nicht bändigen.
                              Pilze sind ungewöhnliche Geschöpfe. In ih­      Wer Pilze will, muss in den Wald.
                              rer Sesshaftigkeit gleichen sie den Pflanzen,      Deswegen bezeichnet sie Peter Handke in
                              in ihrer Ernährungsweise den Tieren, in ih­     seinem «Versuch über den Pilznarren» auch
                              rer Allgegenwart den Bakterien. In Wahrheit     als «Last wilderness»: Im Reich der Pilze sei
                              gehören sie zu keiner dieser drei Gruppen,      «noch ein Zipfel Wildnis zu entdecken», den
                              sondern bilden ein eigenes Reich.               es woanders längst nicht mehr gebe, «weder
                                Pilze sind unberechenbare Wesen. Der Bo­      in Alaska noch sonstwo», und womöglich
                              den ist voll von ihnen, und sogar die Luft:     seien die Pilzsucher deshalb «die letzten
                              Mit jedem Atemzug atmen wir ein bis zehn        Abenteurer der Menschheit».
                              Pilzsporen ein. Doch auf dem Waldboden             Tatsächlich hat es etwas Urzeitliches,
                              herrscht manchmal, zum Leidwesen des            wenn sich gewöhnliche Beamte oder Bank­
                              Sammlers, monatelang Ebbe. Dann wieder          angestellte nach Feierabend in eine Art Jäger
                              erscheinen sie plötzlich über Nacht und in      mit Körbchen verwandeln, sich ohne Rück­
                              Scharen. Wachstumsprognosen sind un­            sicht auf Verluste durch Tännchen und Ge­
                              möglich. Wärme, Regen, Sonnenflecken,           strüpp schlagen, sich hurtig verstecken,
                              Mondphasen: Jeder Pilzler schwört auf seine     wenn ein Konkurrent auftaucht, und in Ju­
                              eigene Vorhersagemethode – und fällt doch       belschreie ausbrechen, wenn sie auf einen
                              regelmässig auf die Nase. Darum kommen          stattlichen Steinpilz stossen. Vermutlich
                              auch erfahrene Sammler manchmal mit lee­        wird das Pilzesammeln seit Jahrtausenden,
                              rem Korb zurück.                                ja seit Jahrzehntausenden, so betrieben. Wo
                                                                              sonst in unserer zivilisierten Welt können
                              Sich den Vorfahren näher fühlen                 wir uns unseren Vorfahren noch so nahe
                              Pilze sind unzähmbare Gesellen. Während         fühlen?

                Links: Weissmilchender
                Helmling (Mycena galopus)

                                                                                     PFLANZENFREUND.CH | MAI 2021         23
W I SS E N   Die Wildlinge des Waldes

                  Dass Pilze nur in der Wildnis spriessen,       ner: Die Pilzfäden, die zu dieser einen Eiche
                  hängt mit ihrer besonderen Lebensweise zu­     gehören, reichen einmal rund um die Welt.
                  sammen: Etwa ein Drittel unserer Waldpilze,      Symbiose bedeutet Geben und Nehmen.
                  rund zweitausend Arten, ist zwingend auf       Der Pilz bekommt vom Baum sein Futter –
                  eine enge Symbiose mit Bäumen angewie­         und gibt sehr viel zurück. Zum Beispiel
                  sen. Dazu gehören viele der beliebtesten       Nährstoffe wie Stickstoff oder Phosphor, die
                  Speisepilze, etwa Steinpilz und Eier­          er mit seinen langen Fäden noch in kleins­
                  schwamm, aber auch giftige Arten wie der       ten Mengen aufstöbern und aufnehmen
                  Fliegenpilz und der Knollenblätterpilz. Für    kann. Die Fäden sind dabei so fein und
                  die Pilze ist die Kooperation überlebens­      gleichzeitig so kräftig, dass sie sogar in Stei­
                  wichtig: Der Baum liefert ihnen den Zucker,    ne eindringen können, falls dort nützliche
                  den sie selber nicht herstellen können (da­-   Stoffe locken. Auch Wasser kann der Pilz aus
                  rin ähneln sie den Tieren). Darum nützt es     grosser Tiefe heraufholen, was es dem Baum
                  nichts, im Garten ein paar Pilzsporen zu       ermöglicht, an Orten zu wachsen, die ihm
                  verstreuen: Es wird nichts wachsen. Wenn       sonst zu trocken wären.
                  schon, müsste man gleich ein Stück Wald          Vereinfacht gesagt ist das Verhältnis des
                  nach Hause tragen.                             Pilzes zur Pflanze ähnlich wie dasjenige des

                                            «Etwa ein Drittel unserer Waldpilze,
                                            rund zweitausend Arten, ist zwingend
                                            auf eine enge Symbiose mit Bäumen
                                            angewiesen.»

                  Vom Geben und Nehmen                           Gärtners: Er «chüderlet» ihr, gibt ihr Wasser,
                  Die Symbiose zwischen Pilz und Baum            versorgt sie mit Dünger. Und bekommt da­
                  heisst in der Fachsprache «Mykorrhiza». Die    für Kalorien zurück.
                  Details dieser Zusammenarbeit sind hochin­       Wir reden hier ganz allgemein von Pflan­
                  teressant. Was wir gemeinhin als «Pilz» be­    zen, denn nicht nur Bäume gehen Symbio­
                  zeichnen, ist nur der Fruchtkörper, der dann   sen mit Pilzen ein. Feldversuche etwa haben
                  und wann in die Höhe spriesst. Der eigen­      gezeigt, dass Ackerpflanzen wie Weizen oder
                  tliche Pilz lebt unter der Erde und bildet     Mais rund ein Drittel ihres Phosphorbedarfs
                  dort ein feines Fadengeflecht aus. Die Pilz­   mit Lieferungen ihrer Wurzelpilze decken.
                  fäden ummanteln oder durchdringen dabei        Auf nährstoffarmen Böden ist es noch mehr.
                  die Wurzeln der Bäume – so kommen die          Vielversprechende Experimente haben
                  beiden Lebewesen in Kontakt.                   gezeigt, dass es sinnvoll sein kann, die Wur­
                     Die Pilzfäden sind viel dünner und länger   zeln von Ackerpflanzen mit bestimmten
                  als die Baumwurzeln. Würde man die Wur­        Pilzen zu impfen. Bei Reis und Maniok,
                  zeln einer stattlichen Eiche aneinanderrei­    die in den nährstoffarmen Tropen wachsen,
                  hen, so käme man auf eine Länge von etwa       lässt sich so der Ertrag deutlich steigern
                  acht Kilometern. Das ist eindrücklich, aber    und gleichzeitig der Düngerverbrauch stark
                  nichts im Vergleich mit dem Symbiosepart­      reduzieren.

24   MAI 2021 | PFLANZENFREUND.CH
Leibwächter und Botschafter­innen              Im Waldboden wird geredet, gehandelt, ge­
Zu den Aufgaben des Gärtners gehört auch       tauscht, was das Zeug hält. So kommunizie­
der Schutz seiner Gewächse. Manche Pilze       ren etwa Bäume untereinander via Boten­
produzieren Frostschutzmittel und Anti­        stoffe, die sie sich über das Pilznetz schi­
biotika, von denen auch die mit ihnen ver­     cken. Auf diese Weise können sie sich
bundenen Pflanzen profitieren. So haben        gegenseitig vor Schädlingen warnen. Auch
etwa Forschende der ETH Zürich in einem        Zucker wird zwischen Bäumen ausge­
Wurzelpilz der Rottanne ein Gift entdeckt,     tauscht. Dabei liest man immer wieder von
das für Fadenwürmer tödlich ist. Der Pilz      fürsorglich anmutenden Beispielen: Von
schützt damit nicht nur sich selber vor dem    Bäumen, die ihre Sämlinge beim Aufwach­
Parasiten, sondern auch den Baum.              sen unterstützen oder einen benachbarten
  Die Leibwächterfunktion geht noch            Baumstumpf am Leben erhalten.
weiter: Der Pilz hält dem Baum auch giftige
Schwermetalle wie Blei, Cadmium oder           Parasiten und
Quecksilber vom Leibe. Ihm selber machen       Wiederverwerter
diese nicht abbaubaren Stoffe erstaunlicher­   Man darf sich dadurch aber nicht zur Vor­
weise nichts aus – er reichert sie in seinen   stellung verleiten lassen, im Wald herrsche
Fruchtkörpern an. Für die Konsumentinnen       uneingeschränkte Solidarität. Es wird auch
und Konsumenten sind die enthaltenen           getrickst und betrogen – jede Symbiose ist
Mengen in den allermeisten Fällen aber         anfällig für Parasitismus. So gibt es Pflanzen,
nicht gesundheitsgefährdend. Ein besonde­      etwa die Einbeere oder das Buschwindrös­
res Problem sind Röhrlinge, die nach Tscher­   chen, die das «Wood Wide Web» anzapfen
nobyl bevorzugt radioaktives Caesium           und daraus Zucker beziehen, ohne etwas zu­
speicherten. Vor allem im Tessin liegen die    rückzugeben. Manche Bäume schicken auch
Caesiumgehalte mancher Pilze (und auch         Giftmoleküle an Konkurrenten, um deren
der pilzliebenden Wildschweine) teilweise      Wachstum zu bremsen, oder lassen einen
heute noch über dem Grenzwert.                 Pilz auch mal hungern, wenn sie finden, er
  Zur Faszination der Mykorrhiza trägt         liefere ihnen zu wenig.
bei, dass sie sich nicht auf einen Austausch      Nicht alle Pilze leben symbiotisch mit
zwischen den beiden Symbiosepartnern           Pflanzen. Eine zweite, ebenso grosse Gruppe
beschränkt. Über das Pilzgeflecht im Boden     ernährt sich von organischem Material: Sie
können auch Pflanzen untereinander in          zersetzen Blätter, Nadeln und totes Holz
Kontakt treten. Ein einzelner Pilz kann bei­   und erhalten so den Nährstoffkreislauf.
spielsweise die Wurzeln mehrerer Bäume         Zuchtpilze wie die Champignons gehören zu
verbinden, auch von unterschiedlichen Ar­      diesem Typus, aber noch sehr viele andere:
ten. Der gesamte Waldboden ist von einem       Auf einem einzigen Baumstamm hat man in
gigantischen Netz aus Pilzfäden und Wur­       Schweden 398 Pilzarten gefunden! Gleich­
zeln durchzogen, das bis in die hintersten     zeitig schaffen die Pilze durch den Abbau­
Winkel reicht – manche Forscherinnen und       prozess Lebensraum für unzählige speziali­
Forscher reden von einem «Wood Wide            sierte Insekten und Kleintiere. Damit diese
Web». «Der Wald ist offensichtlich mehr        Vielfalt erhalten bleibt, braucht es genügend
als nur die Summe von Bäumen», sagt der        Totholz – ein Problem im traditionell über­
Basler Biologe Christian Körner, der diese     aufgeräumten Schweizer Wald. Immerhin
Zusammenhänge mit aufgedeckt hat.              ist die Totholzmenge in den letzten Jahren

                                                                            PFLANZENFREUND.CH | MAI 2021   25
W I SS E N              Die Wildlinge des Waldes

            stark gestiegen. Sie ist aber immer noch tie­             nicht ein. Fossilienfunde belegen, dass diese
            fer als in einem Naturwald.                               Form der Kooperation seit Urzeiten existiert.
                                                                         Womöglich machten die Pilze die einst
            Lebenswichtige Symbiose                                   kargen Kontinente überhaupt erst bewohn­
            Pilze können ohne den Wald nicht leben.                   bar. Denn während im Wasser die Nährstof­
            Könnte aber der Wald ohne Pilze existieren?               fe frei verfügbar umherschwimmen, braucht
            Klar ist: Pilze erbringen ungemein wichtige               es an Land Bakterien oder Pilze, um diese
            Ökosystemdienstleistungen. Zumindest die                  lebenswichtigen Stoffe aus Mineralien im
            Symbiosepilze sind für den Wald vermutlich                Boden zu lösen. Schon die allerersten Algen,
            unverzichtbar. Die Spezialisten der Eidge­                die das Festland besiedelten und als Vor­
            nössische Forschungsanstalt für Wald,                     fahren der Pflanzen gelten, beherrschten
            Schnee und Landschaft (WSL) bezeichnen                    die Kunst der Symbiose. «Ohne die Partner­
            sie für Waldbäume als «lebensnotwendig».                  schaft Pflanze-Pilz», schreibt der amerikani­
            Es spricht für sich, dass sage und schreibe               sche Biologe Edward O. Wilson, «hätte die
            neunzig Prozent der Pflanzen der Welt (und                Besiedlung des Festlandes durch höhere
            ausnahmslos alle Bäume der Schweiz) in                    Pflanzen und Tiere vor 450 bis 400 Millio­
            Symbiose mit einem Pilz leben: Ohne Not                   nen Jahren wahrscheinlich gar nicht statt­
            gingen sie diese Partnerschaft bestimmt                   gefunden.»

                                                                         Wood Wide Web – wie Bäume
                                                                      und Pilze kommunizieren:
                                                     © Mariya

                                                                                                         Oben: Ohne Pilze gäbe es
                                                                                                         Wälder nicht in der Form,
                                                                                                         die wir kennen. Unten: Der
                                                                                                         Violette oder Amethyst­
                                                                                                         blaue Lacktrichterling
                                                                                                         (Laccaria amethystina) ist
                                                                                                         essbar, auch wenn seine in­
                                                                                                         tensive Farbe das Gegenteil
                                                                                                         suggerieren mag. Im tro­
                                                                                                         ckenen Zustand verblasst
                                                                                                         das Violett zu fast Weiss.
                                                                                                         Rechts: Die intensive Farbe
                                                                                                         des Roten Fliegenpilzes
                                                                                                         (Amanita muscaria) verfehlt
                                                                                                         seine Warnwirkung nicht.
                                                                                           © Mike Zwei

                                                                                                                                       © Isabel Kuhn

26   MAI 2021 | PFLANZENFREUND.CH
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