Marktmacher - Börse Stuttgart
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Marktmacher d a s M a g a z i n m i t w e i t b l i c k starten: Was der neue Anlegerclub der Börse Stuttgart seinen Mitgliedern bietet. orientieren: Welche Industriezweige den Trend zum smarten Zuhause mitgestalten. handeln: Wo Chancen und Risiken von höher verzinsten Unternehmensanleihen liegen. ankommen: Wie Autor Rolf Dobelli die Kunst der klugen Geldanlage beschreibt. w w w . b o e r s e - s t u t tga r t . d e a p r i l 2015 2020 VERNETZTES WOHNEN ist für die meisten Menschen in den Industrie- ländern Alltag. Am Smart Home bauen viele Branchen mit – an deren Wachstumsaussichten können auch Anleger teilhaben.
editorial Liebe Leserin, starten 4–5 ZAHLEN & FAKTEN Lieber Leser, Prognose zum Ölpreis – Russlands Devisen- reserven schrumpfen – Welche Finanzlektüre als Privatanlegerbörse möch- sich lohnt – Aktienbesitz rückläufig – Stabiles ten wir Ihnen Orientierung Handelsvolumen in Stuttgart – Neuer Anleger- und Know-how bieten – als club startet – Trading-Experte Simon Betschinger Unterstützung für ein selbst- über den Umgang mit Fehlern. bestimmtes Agieren an den Finanzmärkten. Entspre- chend setzt unser Magazin „Marktmacher“ auf interes- orientieren sante Markteinblicke und fundierte Informationen. 6–13 ZUKUNFTSTREND Deshalb freue ich mich, mit dieser Ausgabe den Staf- 2020 – Das Zuhause ist smart vernetzt felstab von Christoph Lammersdorf, dem Vorsitzenden Die meisten Haushalte in den Industrieländern der Geschäftsführung der Börse Stuttgart, zu überneh- nutzen intelligent verknüpfte Geräte. Der neue men, der im April 2015 seine Tätigkeit beendet und Massenmarkt birgt Chancen für viele Branchen: seinen Ruhestand antritt. Ich bin seit 1. März 2015 Gefragt sind Lösungen mit Mehrwert. Vorstand der Vereinigung Baden-Württembergische Wertpapierbörse e.V., der Muttergesellschaft der 14–15 INTERVIEW Gruppe Börse Stuttgart. Ich schätze es sehr, dass die XING-Gründer und Investor Lars Hinrichs Vermittlung von Finanzwissen am Börsenplatz Stuttg- Warum das Smart Home bald Wirklichkeit wird art seit jeher einen hohen Stellenwert besitzt – und wie und welchen Komfort das vernetzte Wohnen im Herrn Lammersdorf liegt mir das Thema Anlegerbil- Alltag bringt. dung sehr am Herzen. 16–17 INVESTMENTHINTERGRUND Diese Ausgabe von „Marktmacher“ beleuchtet Mögliche Ansätze für Privatanleger einen Trend, der in den nächsten Jahren weiter an Ob Energieversorger oder Internetfirma: Fahrt gewinnen dürfte: Das vernetzte Wohnen setzt Kleine und große Unternehmen in aller Welt sich durch – mit intelligent verknüpften Geräten und positionieren sich mit ihrem Know-how, um individuell gesteuert per Smartphone. Unterschied- sich im Smart-Home-Bereich durchzusetzen. liche Branchen bringen sich dabei als Innovationstrei- ber in Stellung. Doch noch ist nicht ausgemacht, wer die maßgeblichen Standards für den neu entstehenden Massenmarkt setzen wird. Deshalb kann es nicht nur handeln für Verbraucher, sondern auch für Anleger interessant 18–20 SOCIAL-MEDIA-MONITORING sein, sich mit der Entwicklung hin zum Smart Home zu Spüren, was den Markt bewegt beschäftigen. Wie DAX-Werte in sozialen Medien beurteilt werden, zeigt der Social Sentiment der Börse Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen Stuttgart. Trends sind so früh erkennbar. bei der Lektüre. 21 KURS VS. PERFORMANCE Die richtige Formel Manche Aktienindizes berücksichtigen Dividenden, andere nicht. Für Anleger ist Dr. Michael Völter dies ein kleiner, aber feiner Unterschied. Vorstand der Vereinigung Baden-Württembergische Wertpapierbörse e.V. Cover Montage: Image Source/Getty Images Foto links: Börse Stuttgart Foto rechts: Luis Alvarez/Getty Images 2 marktmacher 01/2015
inhalt 22–23 FINANZTRANSAKTIONSSTEUER Neue Last für Privatanleger? Deutschland und zehn andere EU-Staaten nehmen einen weiteren Anlauf, um Wertpapier- geschäfte zu besteuern – die Details sind offen. 24–26 CORPORATE BONDS Den Blick weiten Auf der Suche nach höheren Zinsen nehmen Anleger Unternehmensanleihen ins Visier. Je nach Ausgestaltung der Papiere sind spezifische Chancen und Risiken zu beachten. ankommen 28–30 PRIVATANLEGERINNEN Was Frauen wollen Sicherheit ist für viele Anlegerinnen wichtiger als Rendite. Manchmal indes kann zuviel Risikoscheu auch hinderlich sein. 31 ESSAY Einen Augenblick, Herr Völter Der Vorstand der Vereinigung Baden-Württembergische Wertpapierbörse e.V. über den Privatanleger der Zukunft. 32 Pro & contra Negativzinsen sind bald normal und ein Signal für Privatanlege ZUKUNFTstrend Asoka Wöhrmann, Deutsche Asset & Wealth 6–13 Management, diskutiert mit Dorothea Mohn vom Verbraucherzentrale Bundesverband. 33 INTERVIEW „Über Geld spricht man nicht. Oder doch, Herr Dobelli?“ Der Schweizer Bestsellerautor über kluge Per Smartphone Anlageentscheidungen, Verlustaversion und den richtigen Umgang mit „Mr. Market“. das Zuhause steuern 34 NACHGEFRAGT Leserfrage & Impressum Alle eingehenden Antworten nehmen an der 2020 können Bewohner intelligenter Häuser nicht nur Verlosung teil. Zu gewinnen gibt es ein iPad Air. Temperatur oder Beleuchtung via App regeln. Alle Geräte sind vernetzt und kommunizieren miteinander. Das Smart Home schafft viele Annehmlichkeiten – und ein Wachstumsfeld für unterschiedliche Industriezweige. marktmacher 01/2015 3
starten Wohin der Ölpreis in US-Dollar je Barrel Entwicklung von März 2014 bis Februar 2015 Ölpreis steuert $ 110 100 Der Ölpreis hat sich zwischen Ende Januar und Mitte März 2015 90 erholt: Für die Sorte Brent legte er um 17 Prozent auf rund 57 80 US-Dollar je Barrel zu. Eugen Weinberg, Leiter Rohstoff-Analyse der Commerzbank, erwartet aufgrund eines erhöhten Angebots auf dem 70 Markt, dass der Ölpreis im Jahresverlauf zunächst wieder auf 50 60 US-Dollar fällt, bis Ende 2015 dann aber rasch auf 75 US-Dollar steigt. Der durchschnittliche Preis pro Barrel dürfte 2015 seiner 50 Einschätzung nach bei 61 Dollar liegen – nach 100 Dollar im Jahr Mär Mai Jul Sep Nov Jan zuvor. Auch für 2016 rechnet Rohstoffexperte Weinberg mit einer Quelle: Börse Stuttgart weiteren Erholung: Öl könnte dann 80 Dollar pro Barrel kosten. Um 88.960.000.000 US-Dollar SIND DIE DEVISENRESERVEN RUSSLANDS 2014 geschrumpft. Der Grund: Die russische Notenbank hat Rubel aufgekauft, um den Wertverfall der eigenen Währung zu stoppen. Dieser spiegelte die Krise der russischen Wirtschaft wieder, die unter niedrigen Öl- und Gaspreisen, aber auch unter den Sanktionen des Westens zu leiden hatte. RÜCKSCHLAG FÜR DIE AKTIENKULTUR LESESTOFF FÜR Der DAX hat 2014 neue Höchststände erreicht – doch in derselben Zeit hat die PRIVATANLEGER Zahl der Aktienbesitzer in Deutschland abgenommen. Laut Deutschem Aktienin- Ob es nun um „die besten Anlagestrate- stitut DAI sank die Zahl der Bürger, die Aktien oder Anteile an Aktienfonds gien der Welt“ geht oder um „Power- besitzen, im vergangenen Jahr um eine halbe Million auf 8,4 Millionen. Aus Sicht tools für die technische Analyse“: In der des Geschäftsführenden Vorstands des DAI, Christine Bortenlänger, ist das ein Bücherecke auf der Internetseite der „herber Rückschlag“ für die Aktienkultur hierzulande. Die längerfristigen Folgen Börse Stuttgart finden Privatanleger macht sie an einem Beispiel fest: Hätten Privatanleger seit 2001 nur jeden eine kompakte Auswahl an lesens- vierten Euro, den sie Jahr für Jahr in Bankeinlagen steckten, in Aktien investiert, werter Literatur zu Börsen- und Finanz- wäre das Geldvermögen aller Deutschen heute um 106 Milliarden Euro größer. themen. Zusammengestellt und ergänzt werden die Lesetipps von den Experten Kein Boom bei Aktien der Kundenbetreuung der Börse Stuttg- Zahl der Aktionäre und Aktienfondsanleger 2014 in Deutschland. art, die täglich von 8 bis 22 Uhr die Fragen von Privatanlegern beantworten. Nur Fondsbesitz 4,3 Mio. Nur direkter Aktienbesitz 2,5 Mio. Aktien- und Fondsbesitz 1,7 Mio. Mehr Details zur Bücherecke: @ www.boerse-stuttgart.de/buecherecke Quelle: DAI 0 1 2 3 4 5 4 marktmacher 01/2015
starten Auf 87,8 Milliarden Drei Fragen an … Euro belief sich 2014 der Orderbuchumsatz an der Börse Stutt- Simon Betschinger, Trading-Experte von TraderFox. gart. Ende des Jah- res waren neun DAX- Konzerne zusammen genau so viel wert. 1. Was ist beim Trading zu beachten? Trading folgt anderen Gesetzen als klassische Aktienanlage. Wer mit Trading beginnt, sollte vor allem Verluste begrenzen können. Viele Neu- Privatanleger haben in Stuttgart im linge schaffen das nicht, sondern jagen Boom- letzten Jahr Wertpapiere für rund 87,8 märkten nach und machen bei Rückschlägen auf Milliarden Euro gehandelt – Aktien, einmal eine längerfristige Anlage aus dem verbriefte Derivate, Anleihen, Fonds Trade. Gute Trader haben dagegen nie Positi- und Exchange Traded Products. Das onen mit mehr als 10 Prozent Minus im Depot, Handelsvolumen blieb 2014 gegenüber weil davor immer eine Absicherung greift. dem Vorjahr stabil und entsprach der Marktkapitalisierung der Unternehmen 2. Was sollte ein Trader sonst noch mitbringen? Beiersdorf, Commerzbank, Heidelberg- Erstens sollte man sich Fehler eingestehen Cement, Infineon, K+S, Lanxess, können. Denn als Trader hat man sein Schicksal Lufthansa, Merck und ThyssenKrupp selbst in der Hand. Die Verantwortung für am Ende des Börsenjahres. Misserfolge auf äußere Umstände zu schieben wird mit weiteren Verlusten bestraft. Zweitens ist Geduld entscheidend. Viele Strategien lassen sich im Börsenzyklus nur alle paar Jahre umset- Anlegerclub geht an den Start zen. Erfolgreiche Trader warten hier den rich- Bei Fragen zum Wertpapierhandel ist die Börse Stuttgart ein kompe- tigen Zeitpunkt ab. tenter Ansprechpartner für Anleger. Nun steht Interessierten eine neue Plattform offen – der Börse Stuttgart Anlegerclub. Nach kostenfreier 3. Wo liegen die größten Fehler? Anmeldung erhalten die Clubmitglieder exklusive Informationen, etwa in Anleger lernen nicht von Vorbildern. Etwa von regelmäßigen Marktnewslettern, Expertenvideos und Webinaren. Zudem Warren Buffett, der eine einfache Strategie hat: Fotos: (c) Börse Stuttgart AG, Traderfox bietet der Club Vergünstigungen für Börsenseminare oder Zugang zu Er kauft Aktien marktführender Unternehmen, speziellen Events. Auf die ersten 1.000 Mitglieder wartet zudem ein und zwar bevorzugt in Crashphasen. Aber wer Gutscheincode im Wert von 129 Euro für den €uro Investor, ein onlineba- macht sich das Leben schon so einfach, wenn im siertes Lernprogramm mit zertifizierter Abschlussprüfung. Boom die Zukunftsaussichten rosarot erschei- nen? Der größte Fehler ist daher aus meiner Sicht, nicht nach Rücksetzern von Hochs zu Informationen und kostenlose Anmeldung: @ www.anlegerclub.de investieren, sondern dann, wenn die Märkte bereits über Jahre haussiert haben. marktmacher 01/2015 5
orientieren orientieren Analyse: Was Häuser künftig intelligent macht S. 6–13 Interview: Wer die Innovationstreiber beim Smart Home sind S. 14 –15 Strategie: Wie Anleger auf den Trend eingehen können S. 16 –17 6 marktmacher 01/2015
2020 DAS ZUHAUSE IST SMART VERNETZT In den Haushalten der Industrie- staaten werden intelligent verknüpfte Geräte zum Standard. Smart Home sorgt für Komfort – und öffnet einen neuen Massenmarkt. von nando sommerfeldt und Holger Zschäpitz Die Autoren sind Redakteure der „WELT“ und „WELT am SONNTAG“ N ormalerweise müsste er schon längst am Kühl- schrank gewesen sein. Susanne Knuth* blickt fra- gend auf ihr Smartphone. Die 47-jährige Berlinerin kennt sein Verhaltensmuster genau. Es ist halb zehn Uhr vormittags - und keine Spur von ihrem Vater. Der wohnt 580 Kilometer weit weg in der bayrischen Provinz. Der 85-Jährige lebt allein in seinem Haus. Er ist zwar noch gut zu Fuß. Dennoch haben er und seine Tochter ein Überwachungssystem installieren lassen – es zeichnet sozusagen die digitale Spur des Rentners im Alltag nach. Geht er etwa an den Kühlschrank, wird das Signal des eingebauten Sensors im Internet gespeichert. Stellt er die Kaffeemaschine an, erfährt auch Susanne Knuth in Berlin davon. NOCH IST DAS HAUS des hochbetagten Pensionärs nur ein Test- ballon. Ein deutscher Energiekonzern spielt hier auf 156 Quadrat- metern die Zukunft des Wohnens durch – und verspricht sich so viel davon, dass die Details noch geheim gehalten werden. Vor der offiziellen Präsentation heißt es lediglich, das Thema sei zu wichtig für einen Schnellschuss. *Name geändert 3D-Grafik: Andreas Schiebel/dieKLEINERT.de marktmacher 01/2015 7
orientieren Der Kühlschrank lässt sich via Touchscreen steuern und zeigt an, wenn etwas fehlt. Vom Energieversorger bis zum Telekomkonzern, erklärt Hinrichs. Das ändert sich @ vom Softwareanbieter bis zum Elektronikriesen: Alle jetzt (s. Interview auf Seite 14). stehen in den Startlöchern für das nächste große Links Das intelligente Haus ist in „Ding“. Vor acht Jahren begannen Smartphones den zum Thema: den westlichen Industrienationen Alltag der Menschen weltweit komplett umzukrem- schon lange ein Thema – bislang peln. Eine milliardenschwere Industrie entstand, von jedoch vor allem für gut situierte Geräteherstellern bis zu App-Schmieden. Technik-Fans. Nur wer sich bei einem Neubau ein sogenanntes Nun wird die nächste Stufe der smarten Revoluti- Befragung zum intelligent Bus-System und einen zentralen vernetzten Haus on gezündet. Nachdem das Smartphone aus dem Le- http://bit.ly/ Hauscomputer im Wert von rund ben der Menschen nicht mehr wegzudenken ist, wird DeloitteStudieSmartHome 30.000 Euro leisten konnte und es auch zur Steuereinheit der eigenen vier Wände. Das wollte, hatte die Möglichkeit, Smartphone schafft das Smart Home – die intelligente seine elektronischen und elektri- Vernetzung verschiedener Geräte und deren zentrale schen Geräte zentral zu steuern. Steuerung und Überwachung. Die Software lässt sich per Update einer App auf dem aktuellen Stand halten. KÜNFTIG SOLL DAS Smart Home Smarte Chancen für verschiedene Industrien mitdenken. Der US-Ökonom und „IN ZUKUNFT WERDEN ALLE DINGE miteinander kom- http://bit.ly/ Soziologe Jeremy Rifkin spricht CapgeminiAnalyse munizieren und damit intelligent“, sagt Lars Hinrichs, von der dritten industriellen Re- Foto: Getty Images XING-Gründer und Internet-Investor. „Bislang war ein volution, wenn künftig jedes Gerät Haus nur so schlau wie sein Programmierer. Sollte und Ding mit einem Sensor aus- es etwas Neues lernen oder können, musste ein IT- gestattet ist und damit kommu- Spezialist gerufen werden und Regeln neu festlegen“, nizieren kann. Seine Vision bleibt 8 marktmacher 01/2015
orientieren nicht beim intelligenten Heim stehen. Schon in weni- Espresso wünscht und die Mu- Hype- gen Jahren würden sich Billionen solcher Sensoren sikanlage, dass ein bestimmtes Zyklus zu einem weltumspannenden Netzwerk verbinden, in Frühstücksradio gespielt wer- dem dann auch die intelligente Wohnung aufgeht. Der den muss. Die Kommunikation Für die Analyse Wissenschaftler beobachtet schon heute, dass Firmen zwischen den Geräten soll dabei der Erfolgsaus- entsprechend „neue Geschäftsmodelle und Dienstlei- sichten neuer über ein spezielles Protokoll stungen in ihr bestehendes Portfolio“ einbauen. Technologien erfolgen – vergleichbar dem Die Technologie-Analysten von Gartner sagen 13,2 wie Smart Home Austausch zwischen Computern Milliarden vernetzte Geräte allein im Wohnbereich für hat sich in den im World Wide Web. Doch für das letzten 20 Jah- das Jahr 2020 voraus. Strategy Analytics erwartet ein Smart Home muss ein solcher ren der soge- weltweites Marktvolumen von 115 Milliarden US-Dol- nannte Hype-Zy- Kommunikationsstandard noch lar für Smart-Home-Technologie. (s. Seite 12: "Das klus bewährt. Er gefunden werden. Bislang sind Smart Home bietet vielfältige Lösungen"). macht sichtbar, Lösungen verschiedener Her- welche Phasen steller nicht kompatibel, unter- der öffentlichen DER GESAMTMARKT für vernetzte Geräte – inklusive schiedliche Ansätze konkurrieren Aufmerksam- Smartphones, intelligenten Maschinen und Cloud- keit eine neue miteinander. Seine Stärken kann Speichern im Internet – dürfte nach Berechnungen Technologie bei das intelligente Zuhause jedoch der Universität im finnischen Jyväskylä in fünf Jahren ihrer Einführung nur ausspielen, wenn die Ver- 1,8 Billionen US-Dollar schwer sein. Wer es schafft, durchläuft. ständigung zwischen allen Gerä- Diese folgen seine Smart-Home-Anwendungen in diesen Kontext ten funktioniert. Deshalb ist eine einem Muster: einzubetten, kann sich ein Stück des Kuchens sichern. Nach einem Standardisierung der zweite Trei- Drei Entwicklungen werden das Wachstum technologischen ber der smarten Zeitenwende. fördern. Erstens dürften die Preise für Sensoren, Durchbruch netzwerkfähige Kameras und Datenspeicher in den steigt das öffent- Doch Smart Home muss für liche Interesse. nächsten Jahren fallen. Seit jeher konnte sich eine seinen Durchbruch nicht nur Auf Euphorie Technologie erst dann zum Massenmarkt entwickeln, folgt Ernüch- günstiger und durch Standards wenn die Kosten dafür überschaubar werden. Gart- terung, bevor definiert werden. „Mindestens ner-Analyst Peter Middleton rechnet damit, dass die sich langfristig genauso wichtig ist, dass der Preise für smarte Hardware bis 2020 so weit sinken, der wahre Wert Verbraucher die neuen Mög- der Innovation dass sich die Wohnungseinrichtung mit Sensoren und lichkeiten und den Komfort als herauskristalli- Konnektoren ausstatten lässt. Alle Geräte besitzen siert. unverzichtbar betrachtet“, sagt dann die Fähigkeit, Daten zu erfassen, zu kommuni- Tobias Struck, Technologiedi- zieren und daraus Schlüsse zu ziehen. rektor beim Energieversorger Wemag. Ein wirksames Argument SO MELDET DER TOASTER, wenn er in Betrieb ge- könnte beispielsweise größere nommen wird. Dank der vorhandenen Nutzerdaten Energieeffizienz sein. Weltweit weiß die Kaffeemaschine, wenn morgens vor acht Uhr entfällt auf die privaten Haushalte getoastet wird, dass der Bewohner einen doppelten rund ein Drittel des gesamten Stromverbrauchs, entsprechend hoch sind die Einsparpotenziale. »SENSOREN KNÜPFEN EIN Laut einer Analyse des Mischkon- NETZ UM DIE WELT, IN DEM zerns ABB lassen sich die Ener- giekosten durch ein mitdenken- AUCH INTELLIGENTE des Haus um 40 Prozent senken. WOHNUNGEN AUFGEHEN.« Foto: laif „Der Nutzer muss letztlich Jeremy Rifkin, US-Ökonom und Soziologe das Gefühl haben, dass er für marktmacher 01/2015 9
orientieren 30 Euro im Monat etwas bekommt, das er unbedingt braucht”, sagt Struck. Er spielt damit auch auf den sogenannten Smartphone-Effekt an. Als Mitte 2007 das erste Gerät auf den Markt kam, galt es als Luxus- artikel. Viele Verbraucher waren nicht bereit, 600 Euro dafür auszugeben. Schließlich waren sie es gewohnt, ihr klassisches Mobiltelefon praktisch geschenkt zu bekommen. Echten Zusatznutzen bot das neuartige Gerät damals noch nicht. Die ersten Smartphone-Käufer wollten sich vor allem damit schmücken. Doch dank vieler Applikati- onen, genannt Apps, wurde schnell offenbar, dass die neuen Geräte viel mehr waren als Mobiltelefone, mit denen man gut online gehen kann. Plötzlich erschien es Kunden vollkommen gerechtfertigt, 600 Euro für ein Smartphone zu bezahlen – der Mehrwert war da. Viele Verbraucher haben inzwischen das Gefühl, dass es ohne Smartphone gar nicht mehr geht. So soll es auch beim Smart Home werden. NATÜRLICH IST ES SCHON heute praktisch, wenn sich tische Steuerung der Geräte die Waschmaschine in dem Moment einschaltet, wenn als unmittelbare Erhöhung des draußen die Sonne scheint und die Fotovoltaik-Anlage Lebenskomforts erleben. Gute Chancen haben auch Anbieter von Sicherheitstechnik. Für intelli- 800.000.000 gente Warn- und Alarmsysteme existiert schon jetzt konkrete Nachfrage. Bis 2020 sollen weltweit 800 Millionen DOCH DAS IST ERST der Anfang. Smart Meter im Einsatz sein. Diese Gibt es im Jahr 2020 die von Gart- intelligenten Energiezähler helfen im ner prognostizierten 13,2 Milli- vernetzten Haushalt, gezielt Strom arden vernetzten Smart-Home- Geräte, hätte sich das Volumen zu sparen. in fünf Jahren mehr als vervier- facht. Angesichts dieses Potenzi- als greifen viele Unternehmen die den selbst produzierten Strom einspeist. „Doch allein deshalb wird sich niemand für ein Smart-Home-Paket entscheiden“, erklärt Energieexperte Struck. “Erst »VIELE UNTERNEHMEN KÖNNEN SICH UNMITTEL- Fotos: Deloitte, Getty Images wenn Waschmaschine, Rauchmelder, Kühlschrank und Heizung gemeinsam mitdenken, kann der Ver- braucher überzeugt werden.” BAR IM SMART-HOME- Eine aktuelle Umfrage von Fittkau & Maaß Con- MARKT POSITIONIEREN.« sulting zeigt, dass Zahlungsbereitschaft bereits Andreas Gentner, Leiter der heute vorhanden ist, wenn Menschen die automa- Technologiesparte bei der Beratung Deloitte 10 marktmacher 01/2015
orientieren Möglichkeit, sich unmittelbar im Smart-Home-Markt zu positionieren“, erklärt Andreas Gentner, Leiter der Technologiesparte von Deloitte. Die Netzbetreiber ver- fügten bereits über bestehende Kundenbeziehungen und Vertriebskanäle zu einem großen Konsumen- tenkreis. „Die Anbieter haben zudem Erfahrung mit verschiedensten Tarifmodellen, die sie in ähnlicher Form auch auf den Smart-Home-Markt übertragen Daten- können“, meint Gentner. Schutz IN DER ELEKTRONIKBRANCHE wird die Hardware für Den Durchbruch die Smart-Home-Revolution produziert. Dabei geht zum Massen- es nicht nur um die so genannte schwarze Ware, also Das Smartphone hilft beim markt wird das energiesparenden Steuern Smartphones oder Laptops. Auf zusätzliches Geschäft von Haushaltsgeräten. Smart Home nur dann erleben, dürfen auch die Hersteller weißer Ware hoffen. Denn wenn den viele Verbraucher müssten für ein heimisches Intelli- Verbrauchern genz-Upgrade vom Toaster bis zum Kühlschrank viele die Sorge um Geräte austauschen. Für die Hersteller eröffnet sich den Datenschutz dadurch ein Erneuerungszyklus. Zudem könnten Fir- genommen wer- den kann. Die men, die sich sowohl mit Computertechnologie aus- Idee des Smart Home auf – der Bedenken der einandersetzen, als auch Haushaltsgeräte herstellen, Ausgang des Rennens um die Do- Konsumenten ihre Kenntnisse in neuartigen Lösungen bündeln. minanz im neuen Massenmarkt in Bezug auf Wie sehr Konzerne am Haus der Zukunft mitbau- Datensicherheit ist noch völlig offen. Naheliegend en wollen, zeigt sich darin, welch hohe Summen sie wiegen schwer: wäre zunächst, dass Halbleiter- Schließlich ist für den Kauf neuer Technologien aus bisher fremden produzenten profitieren. Soll in das eigene Heim Geschäftsfeldern in die Hand nehmen. Ein Internetgi- Zukunft jedes Gerät kommuni- für viele die gant beispielsweise übernahm im Frühjahr 2014 für kationsfähig sein, muss es mit letzte Bastion gut drei Milliarden US-Dollar eine Firma, die gerade der Privatsphä- einem Chip ausgestattet werden. einmal zwei Produkte – einen lernfähigen Raum- re. Verbraucher Doch mittelfristig könnten die werden keine thermostat und einen vernetzten Rauchmelder – im großen Internet- und IT-Konzerne vernetzten Repertoire hatte. Ein Elektronikkonzern zahlte wenige die Führungsrolle übernehmen. Lösungen oder Monate später mehrere hunderte Millionen Dollar für Sie verfügen über die nötige Produkte kaufen, ein zwei Jahre altes Unternehmen. Die Gründer hat- die unkon- Erfahrung, wenn es um benut- ten eine App entwickelt, die verschiedene Sensoren trolliert Daten zerfreundliche Software und sammeln oder verbindet und Schlösser, Schalter oder Thermostate das Verwerten von Daten geht. Cyber-Krimi- steuern kann. Im Smart Home sehen sie einen nellen Tür und noch nicht gehobenen Schatz: Tor öffnen. Des- DIESE SUMMEN machen deutlich, dass es sich um halb haben die Informationen zum Alltagsverhal- strategische Übernahmen handelt, von denen sich die Sicherheit der ten zu gewinnen, wäre etwa für Systeme und der Konzerne mittel- bis langfristig eine führende Rolle maßgeschneiderte Werbung von verantwortungs- beim Smart Home versprechen. größtem Interesse. volle Umgang Ganz kurzfristig hingegen konnte Susanne Knuth Daneben trachtet auch die mit Daten im ihren vermisst geglaubten Vater aufspüren. Der hatte Smart Home für Telekommunikationsbranche schlichtweg einfach mal ausgeschlafen und seine Anbieter hohe nach neuen Umsatzchancen. Priorität. Tochter nach dem Aufstehen ganz klassisch – so wie „Die Unternehmen haben die früher – angerufen. marktmacher 01/2015 11
DAS SMART HOME BIETET VIELFÄLTIGE LÖSUNGEN Intelligent vernetzte Häuser setzen sich bis 2020 in den Industriestaaten durch. Entsprechend rasant wird sich der Markt bis dahin entwickeln. Die Hausbewohner gewinnen an Komfort und sparen Energie. Allerdings hegen sie auch Datenschutzbedenken. WACHSENDER MARKT HAUSHALTSGERÄTE Weltweiter Umsatz mit vernetzten Geräten. Die automatische Kommunikation 1800 zwischen den einzelnen Spülmaschine 1500 Apparaten läuft technisch über ein standardisiertes Protokoll ab. In Milliarden US-Dollar 1000 500 0 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2020 Quelle: Universität Jyväskyla HOHE ERWARTUNGEN Wie Entscheider den Smart-Home-Markt bis 2020 einschätzen. Wachstum/zunehmende Verbreitung Waschmaschine Mehr Kunden/stärkere Nachfrage Fallende Kosten Mehr Anbieter/mehr Konkurrenz In Prozent Verbreitetere Technik Neue Produkte 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Quelle: Trendresearch BEACHTLICHE ZUNAHME Zahl der Smart-Home-Haushalte in Deutschland – Alarmanlage konservativ und progressiv geschätzt. 1500 SICHERHEITSTECHNIK Konservatives Szenario Fenster, Jalousien und Kame- Progressives Szenario ras lassen sich von unterwegs 1000 steuern. Die Rollläden In Tausend schließen und öffnen sich zu vorgegebenen Zeiten. 500 0 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Quelle: Deloitte 12 marktmacher 01/2015
SMARTE SMARTE HELFER HELFER IM ALLTAG IM ALLTAG Zahl der weltweit Zahl der mit weltweit dem Internet mit demverbundenen Internet verbundenen Geräte. Geräte. 25 25 Automobil-Sektor Automobil-Sektor Verbraucher-Sektor Verbraucher-Sektor 20 20 Business-Sektor Business-Sektor 15 15 In Milliarden In Milliarden 10 10 5 5 0 0 2013 2014 2013 2015 2014 2015 2020 2020 Solarzellen Solarzellen *Ohne PCs, *Ohne TabletsPCs, undTablets und Smartphones Smartphones Quelle: Gartner Quelle: Gartner ENORMES ENORMES SPARPOTENZIAL SPARPOTENZIAL MöglicheMögliche Energieeinsparung mithilfe von Energieeinsparung mithilfe von Gebäudesystemtechnik. Gebäudesystemtechnik. 60 60 In ProzentIn Prozent 50 50 58 58 Automatisierung Automatisierung 40 40 der Beleuchtung der Beleuchtung Automatisierung Automatisierung 42 25 42 25 Saugroboter Saugroboter der Heizung der Heizung 30 30 20 20 7 7 10 10 ASSISTENZSYSTEME ASSISTENZSYSTEME 0 0 Quelle: BDHQuelle: BDH Der Saugroboter Der Saugroboter benötigtbenötigt keinerleikeinerlei Anweisungen. Anweisungen. Je Je nach Wunsch nach Wunsch bewegt er bewegt sich er sich DATENSICHERHEIT DATENSICHERHEIT ALS PROBLEM ALS PROBLEM nur dannnur durch danndie durch Räume, die Räume, GeäußerteGeäußerte Befürchtungen Befürchtungen bei einembei vernetzten einem vernetzten wenn niemand wenn niemand zu Hausezuist. Hause ist. Zuhause.Zuhause. In ProzentIn Prozent 25 25 24 24 Angst vorAngst vor Angst umAngst um Hacker-Angriffen Sorge umSorge um Hacker-Angriffen 20 20 Privatsphäre Privatsphäre Datenschutz Datenschutz 19 19 17 17 15 15 10 10 SMARTSMART METERMETER Diese mitdenkenden Diese mitdenkenden Energie-Energie- 5 5 zähler helfen zählerdabei, helfenimdabei, Hausim Haus gezielt Stromfresser gezielt Stromfresser auszuma-auszuma- 0 0 Strom-Strom- chen und chen Geräte undsparsam Geräte sparsam Quelle: Bitkom Quelle: Bitkom einzusetzen. einzusetzen. zähler zähler Wärmepumpe Wärmepumpe Heizung Heizung INTELLIGENTE INTELLIGENTE STEUERUNG STEUERUNG HEIZSYSTEME HEIZSYSTEME Die Bewohner Die Bewohner können die können die Sie temperieren Sie temperieren das Gebäude das Gebäude wie gewünscht, wie gewünscht, einzelnen einzelnen Komponenten Komponenten im im bevor diebevor Bewohner die Bewohner nach Hause nachkommen. Hause kommen. Haus auch Haus ausauch der Ferne aus der viaFerne via Wärmepumpen Wärmepumpen erzeugenerzeugen Strom. Strom. Smartphone Smartphone regeln. regeln. Infografik: Niko Wilkesmann marktmacher 01/2015 13
orientieren >>DIE TREIBER DER Der Gründer des INNOVATIONEN Karrierenetzwerkes XING und Finanzinvestor KOMMEN AUS GANZ Lars Hinrichs realisiert ein Smart-Home-Projekt. VERSCHIEDENEN Er setzt auf die intelligente Vernetzung. BEREICHEN
orientieren Klingt eher nach ein paar netten kleinen nung gelangen, sofern Sie das Schloss Spielereien ... nicht schnell genug durch einen Fach- ... ist aber viel mehr. Wenn ich mir den mann austauschen lassen. In einem Wecker künftig eine Stunde früher stelle, Smart Home, in dem Sie die Türen mit geht die Heizung automatisch auch eine dem Smartphone öffnen, können Sie Stunde früher an. Das ist mit der alten hingegen selbst in Sekundenschnelle den Technik nicht möglich. Bisher agieren die Code über das Internet ändern. Bestandteile einer Wohnung weitgehend dezentral: Die Heizung wird über ein Aber was ist mit Hackerangriffen auf Thermostat eingestellt, die Jalousien meine intelligente Wohnung, wenn werden am Fenster geregelt, und jedes solche Informationen im Netz oder in der Licht hat seinen Schalter. In Zukunft Cloud stecken? machen die Hersteller ihre Produkte fürs Das ist eine eher irrationale Vorstellung. Haus – egal ob Waschmaschine, Dusche In der Regel geht es hier nicht um krimi- oder Fenster – über eigene IP-Adressen nelle Superhirne, die einen Code knacken, und das Internet-Protokoll erreichbar und sondern um die Unachtsamkeit der über Apps steuerbar. Die Regelung von Benutzer. Bei XING konnten wir beispiels- Beleuchtung, Luftzufuhr, Strom oder weise schon früh beobachten, mit welch Heizung wird sich in Zukunft also individu- schwachen Passwörtern die Nutzer ihre ell an die Hausbewohner anpassen. Das Daten sichern. Das ist in der Regel das nenne ich intelligent. Hauptproblem. Ich vertraue auf die Cloud: Sie wird 24 Stunden und sieben Tage in Intelligent, aber auch unheimlich, wenn der Woche überwacht, die Anbieter kön- die Wohnung so viel von mir weiß? zur nen sich keine Ausfälle oder Sicherheits- Im Grunde ist es nicht anders als mit dem person lücken leisten. Smartphone. Sie tauschen Daten gegen Komfort und Bequemlichkeit. Aber anders Sie wollen als Finanzinvestor mit der Der 38-jährige kann es auch nicht gehen. Wer will, dass Wohnrevolution Geld verdienen. Doch Unternehmer seine Heizung warm ist, wenn er nach Lars Hinrichs ist können auch normale Anleger davon Hause kommt, muss seiner Heizung den vor allem durch profitieren? Zugriff auf das persönliche GPS-Signal die Gründung Die für Investitionen interessanten Treiber ermöglichen, um rechtzeitig vor der des beruflichen der Innovationen kommen aus ganz Kontaktnetz- Heimkehr die Temperatur nach oben zu verschiedenen Bereichen. Etablierte werks XING regeln. Und so funktioniert das auch mit bekannt gewor- Hausgerätefirmen oder Energiekonzerne der smarten Wohnungstür. Wer den den. Er investiert entwickeln genauso mit am intelligenten Zugang in die Wohnung auf einen be- vornehmlich in Heim wie Start-ups. Vor allem für drei stimmten Personenkreis beschränken Internet-Start- Anwendungen besteht aus meiner Sicht ups, sitzt im will, muss eben gewisse Merkmale dieser eine gute Nachfrage: Solche, die Energie- Aufsichtsrat der Menschen definieren und der Wohnung Deutschen Te- kosten sparen, die Beleuchtung intelligent mitteilen. lekom und baut steuern oder mehr Sicherheit bieten. Hier in Hamburg ein entstehen gerade völlig neue, integrierte Apartmenthaus, Foto: David Maupile/laif Was ist mit dem Thema Sicherheit, wenn Lösungen. das mit Smart- jeder mit meinem Handy in die Wohnung Home-Technolo- und dort alles steuern kann? gie ausgestattet Interview: nando sommerfeldt, Wenn Sie heute den Haustürschlüssel sein wird. Holger Zschäpitz verlieren, kann jeder Finder in Ihre Woh- Die Autoren sind Redakteure der „WELT“ und „WELT am SONNTAG“ marktmacher 01/2015 15
orientieren 1 TECHNOLOGIEKONZERNE ERHALTEN NEUEN SCHUB Die Smart-Home-Revolution durchdringt die gesamte technologische Wertschöpfungskette – von Vorprodukten wie Mikrochips über vernetzte Sen- soren bis hin zu Datendienstleistungen in der Cloud. Auch wenn heute noch niemand sagen kann, welche Mögliche ansätze für Privatanleger Lösungen für intelligente Häuser werden zu einem Massenmarkt. Ganz unterschiedliche Branchen und Unternehmen können davon profitieren – Anleger sollten genau prüfen, wo sie die größten Wachstumschancen sehen. 3 DIE OLD ECONOMY STEHT IN DEN STARTLÖCHERN Nicht nur Technologiefirmen stoßen bei Smart Home in etablierte Geschäftsfelder anderer Bran- chen vor. Umgekehrt wollen auch viele „alte“ Kon- zerne den zukunftsträchtigen Markt erschließen, indem sie ihre Produkte intelligent vernetzen. Dazu 16 marktmacher 01/2015
Unternehmen letztlich das Rennen machen: Wahr- delbar sind. Wer hingegen breiter gestreut investieren scheinlich ist, dass große Internet-Konzerne im intelli- möchte, findet an der Börse Stuttgart elf Exchange genten Heim einziehen werden. Schon heute bringen sie Traded Funds, die umfassende Technologie-Indizes sich mit milliardenschweren Übernahmen und For- abbilden. Davon legen sieben ETFs den Fokus auf die schungsinvestitionen in Stellung, um das Wachstumsfeld europäische Tech-Branche. Auch rund ein Dutzend aktiv für sich zu öffnen. Ihre Aktien gehören regelmäßig zu gemanagte Aktienfonds mit Schwerpunkt auf Technolo- den gefragtesten Auslandswerten an der Börse Stuttg- gietiteln werden in Stuttgart fortlaufend und ohne art, wo sie bis zum US-Börsenschluss um 22 Uhr han- Ausgabeaufschlag gehandelt. 2 SPEZIALISTEN ENTWICKELN gelistet. Ebenfalls an Bedeutung gewinnt die Datensi- SMARTE PRODUKTE cherheit: Menschen werden smarte Häuser nur bewoh- nen, wenn ihre Privatsphäre gegen Ausspähung und Rund um das digitale Heim sind fokussierte Invest- Hacker geschützt ist. Die Marktakteure werden deshalb ments in Unterbranchen denkbar. Zum Beispiel im kaum umhinkommen, entweder selbst Sicherheitslö- Hinblick auf Smart Grid: Die gezielte Vernetzung von sungen zu entwickeln oder mit spezialisierten Partnern Stromerzeugung und -verbrauch verspricht künftig zu kooperieren. Profitieren könnten Firmen, die sich auf immense Energieeinsparungen. Intelligente Stromspei- Videoüberwachung, biometrische Erkennung oder cher in Millionen Eigenheimen könnten zudem helfen, Datenverschlüsselung verstehen. Auch deren Aktien dem steigenden Aufkommen an regenerativer Energie sind in einem entstehenden Markt allerdings mit dem Herr zu werden. Schon jetzt sind an der Börse Stuttgart Risiko verbunden, dass sich letztlich ein Konkurrent im die ersten Indexzertifikate zu diesem Anlagethema Smart Home durchsetzt. Die Produktfinder der Börse Stuttgart: www.boerse-stuttgart.de/ produkt-finder zählen Hersteller von Haushaltsgeräten, aber auch onen zu lancieren. An der Börse Stuttgart gelistet sind Produzenten von Thermostaten, Betriebe aus der beispielsweise neun Index-Zertifikate auf den südkorea- Lichtindustrie oder Anbieter von Klimaanlagen. Natür- nischen Leitindex KOSPI 200, der auch die führenden lich sind am Industriestandort Deutschland einige Elektronik-Unternehmen des Landes umfasst. Ebenfalls solcher Unternehmen zu finden und mit ihren Aktien in handelbar sind vier Exchange Traded Funds auf den Indizes vertreten. Doch auch Konzerne aus Asien, etwa Index MSCI Korea, in dem Aktien aus dem Bereich der aus Südkorea, versuchen, in ihrem Produktspektrum langlebigen Konsumgüter einen Anteil von rund 15 Synergien für das Smart Home zu heben und Innovati- Prozent ausmachen. Foto: Samsung marktmacher 01/2015 17
handeln SPÜREN, WAS DEN MARKT BEWEGT Der Social Sentiment der Börse Stuttgart zeigt, welche Stimmung zu den 30 DAX-Unternehmen gerade bei den Nutzern der Online-Plattform Twitter vorherrscht. Aktuelle Trends lassen sich so einfacher erkennen. Z uerst war es nur ein Gerücht. Der Newsticker @ Jones hauptsächlich von Invest- der Finanznachrichtenagentur Dow Jones mentprofis gegen Bezahlung verbreitete am 9. September 2014, Microsoft abonniert wird. Doch nur zwei Mehr zum Social stehe möglicherweise kurz davor, die schwe- Sentiment Minuten nach der Meldung kur- www.boerse-stuttgart.de/ dische Firma Mojang zu übernehmen, die das socialsentiment sierten bereits die ersten Kurz- millionenfach verkaufte Computerspiel „Minecraft“ nachrichten dazu im sozialen entwickelt hatte. Für Microsoft ein Coup – nicht zuletzt Netzwerk Twitter – lange bevor wegen des Zugangs zu einer treuen und konsumfreu- klassische Online-Medien das digen Spielergemeinde. Kaum ein Privatanleger bekam Thema aufgriffen. Aus dem Ge- in dem Moment etwas von der Neuigkeit mit, da Dow rücht wurden ein paar Tage später 18 marktmacher 01/2015
handeln MANIPULATION ment“ kostenfrei zur Verfügung, der auf einer automa- ERKENNEN tischen Auswertung von Twitter beruht. Dieser Sentiment gibt zum einen Auskunft darüber, wie viele Beiträge zum DAX und zu dessen 30 Einzelwerten am jeweiligen Tag Die Analyse sozialer Netz- getwittert werden – inklusive der Veränderung zum werke könnte Vortag. Zum anderen ist ablesbar, ob die Mehrzahl der künftig auch in Tweets eine positive, neutrale oder negative Meinung der Handels- widerspiegelt. Damit verdichtet der Social Sentiment die überwachung aktuelle Marktstimmung der Twitter-Nutzer auf über- eingesetzt werden, um sichtliche Weise (siehe S. 20: „Der Social Sentiment auf manipulatives einen Blick“). Für den DAX findet sich der Sentiment direkt Verhalten von auf der Startseite des Börsenportals, die Daten zu den Marktteilnehmen 30 DAX-Einzelaktien stehen nach kostenfreier Anmeldung schneller und zur Verfügung. früher zu iden- tifizieren. Zum Beispiel dann, BASIS DES NEUEN ANGEBOTS sind die Ergebnisse des EU- wenn dubiose Forschungsprojekts FIRST, an dem auch die Börse Marktakteure Stuttgart beteiligt war. Ziel des Projekts, das von 2010 bis den Preis von 2013 dauerte, war es, Investoren eine neue Informations- Ramschaktien mit geringem quelle an die Hand zu geben. „Die Herausforderung lag Handelsvolu- darin, die unstrukturierten Inhalte aus sozialen Medien zu men durch die erfassen, zu bündeln und schnell zu analysieren. Deshalb Verbreitung haben wir spezielle Software entwickelt, um die Informa- euphorischer tionen direkt für Anleger nutzbar zu machen“, sagt Ulli Nachrichten in sozialen Medien Spankowski, der das FIRST-Projekt für die Börse Stuttg- Fakten. Am 15. September 2014 künstlich in die art geleitet hat. kaufte Microsoft tatsächlich Mo- Höhe treiben und jang – für 2,5 Milliarden US-Dollar. anschließend DIE IDEE ZUM PROJEKT entstand im Jahr 2007 – rund um versuchen, ihre die Markteinführung des ersten iPhones. „Für die Ent- eigene Position DIE GESCHICHTE ZEIGT, mit wel- mit Gewinn zu wicklung der Apple-Aktie war diese Phase wahnsinnig chem Tempo sich Neuigkeiten auf verkaufen – be- spannend“, erinnert sich Wirtschaftswissenschaftler Twitter verbreiten. Zudem geben die vor der Schwin- Spankowski. Das FIRST-Team fand rückblickend heraus, abgesetzten Tweets tagtäglich in del auffliegt. Mit dass in den sozialen Netzwerken schon Monate vor der Social-Media- der kompakten Form von maximal Präsentation des iPhones über eine mögliche Apple- Monitoring ließe 140 Zeichen eine Vielzahl von sich ein solches Innovation diskutiert wurde – insbesondere über ein Vermutungen und Meinungen „Pump and Handy, wie es bislang noch keines gegeben hatte. „Es war wieder. Diese können für Investiti- Dump“-Szenario kurios: Eigentlich konnte niemand etwas über das künf- onsentscheidungen herangezogen leichter entlar- tige Smartphone wissen. Trotzdem kursierten schon ven. werden – etwa wenn es darum geht, Vermutungen im Netz , in denen von ‚Apple-Telefon ohne Fotos: Chris Ratcliffe/Bloomberg via Getty Images, Privat einen Trend am Markt früh zu Tasten‘ oder von ‚Bedienung per Touchscreen‘ die Rede identifizieren. war“, so Spankowski. Diese Erkenntnis war der Anstoß Die Kunst besteht allerdings darin, aus der Masse der Beiträge relevante Tendenzen und Stim- »DIE VERBESSERTE INFORMATIONS- mungen herauszufiltern, ohne damit viel Zeit zu verlieren. Ab sofort VERSORGUNG KANN ZU müssen Privatanleger nicht mehr FUNDIERTEREN ANLAGE- selbst recherchieren: Die Börse ENTSCHEIDUNGEN FÜHREN.« Stuttgart stellt auf ihrer Website Jan Muntermann, Professor für Electronic Finance und einen sogenannten „Social Senti- Digitale Märkte an der Universität Göttingen. marktmacher 01/2015 19
handeln Der Social Sentiment auf einen Blick 1 Stimmung: 65 Prozent von 382 Tweets 3 HEISSE THEMEN: Die meist diskutierten 1 3 äußern sich positiv zur Aktie, Aspekte zum jeweiligen 7,1 Prozent mehr als am Unternehmen sind auf einen Vortag. Blick erkennbar. 2 SUCHE: Anleger können 4 TWEETS: Die Beiträge 4 alle ausgewerteten Tweets lassen sich nach den Kate- 2 nach einem bestimmten gorien „positiv“, „negativ“ Schlagwort durchsuchen. und „neutral“ filtern. dazu, Informationen in Tweets gezielt zu analysieren, um @ eines Wertpapiers heranzuziehen finanzmarktrelevante Ereignisse möglichst frühzeitig zu und beispielsweise die generelle erkennen. Heute leistet dies ein intelligenter Algorithmus, Die Börse Stuttgart Marktlage oder Unternehmens- auf Twitter: der nahezu in Echtzeit fast wie ein Mensch Begriffe https://twitter.com/ kennzahlen außer Acht zu lassen. verknüpfen und Texte verstehen kann. Dadurch lässt sich boersestuttgart Dennoch bietet der Sentiment einen auch qualitativ auswerten, ob ein Tweet negativ, positiv Mehrwert: „Die verbesserte Infor- oder neutral über ein Unternehmen berichtet – und für mationsversorgung kann zu fun- dessen Aktie überhaupt relevant ist. dierteren Anlageentscheidungen führen“, sagt Professor Jan Mun- DER SOCIAL SENTIMENT der Börse Stuttgart beruht auf termann, der an der Universität diesem Algorithmus und dient Anlegern als Entschei- Göttingen Betriebswirtschaftslehre dungshilfe. „Der Sentiment gibt Aufschluss, über welche lehrt und sich auf Electronic Fi- Aktien derzeit besonders viel diskutiert wird und wie die nance und Digitale Märkte speziali- aktuelle Marktstimmung aussieht. Er sollte aber nur eine siert hat. „Mit dem Social-Media- Informationsquelle unter vielen sein“, unterstreicht Monitoring steht Privatanlegern Spankowski. Es empfiehlt sich also nicht, die Stimmung erstmals ein Datenuniversum zur auf Twitter als Hauptkriterium für den Kauf oder Verkauf Verfügung, das zuvor nur sehr schwer zu erfassen war“, so der IT-Experte. ZUGLEICH VERWEIST ER auf die Social Media im Aufwind Risiken: „In den erhobenen Stim- Werden soziale Medien künftig mungen können auch Gerüchte wichtiger für Anlageentscheidungen? ohne Substanz oder falsche Beur- teilungen der Marktsituation ste- Das Beratungsunter- cken.“ Letztlich sei jeder Privatan- Nein, Unsicher nehmen Brunswick hat leger selbst verantwortlich, die neu definitiv nicht institutionelle Investo- Ja, definitiv ren und Analysten zu verfügbaren Informationen kritisch 4 5 23 sozialen Netzwerken in die eigenen Investitionsentschei- befragt und die Ergeb- dungen einfließen zu lassen. Dann 21 nisse 2014 veröffent- licht. 70 Prozent der kann die Schwarmintelligenz der 47 Befragten glauben, dass Twitter-Nutzer helfen, aktuelle Nein, Social Media künftig bei Finanzmarkttrends schneller zu Chart: Börse Stuttgart eher nicht Anlageentscheidungen Ja, vielleicht eine größere Rolle erfassen – vielleicht auch, wenn Quelle: Brunswick Insight spielen wird. wieder einmal aus einem kleinen Gerücht eine große Geschichte wird. GIAN HESSAMI 20 marktmacher 01/2015
handeln Die passende Formel Aktienindizes können mit und ohne Berück- DAX-Indizes im Langzeitvergleich sichtigung von Performance-Index schlägt Kurs-Index Dividenden berech- Kleiner Unterschied mit net werden. Den großen Folgen: Der DAX– Performance-Index hat 11.000 DAX-Performance-Index 10.000 Unterschied sollten DAX-Kurs-Index den DAX-Kurs-Index seit 9.000 Auflage der beiden Indizes 8.000 Anleger kennen. Ende 1987 klar abgehängt. 7.000 Das belegt, wie wichtig 6.000 aus Anlegersicht Dividen- 5.000 Quelle: LBBW 4.000 D den sind. Denn während 3.000 die Ausschüttungen beim 2.000 er DAX ist in Deutsch- Performance-Index berück- 1.000 sichtigt und reinvestiert 0 land das Maß aller werden, ist das beim Kurs- 88 90 92 94 95 00 02 04 06 08 10 12 14 19 19 19 19 19 20 20 20 20 20 20 20 20 Dinge, international Index nicht der Fall. jedoch ein Exot. Denn das deutsche Aktienba- rometer wird als Performance- Index berechnet: Neben den Kursbewegungen der 30 DAX-Un- Dividenden bewerten und einen Index als Vergleichsmaßstab heran- ternehmen fließen auch deren Kapi- 2015 ziehen, ist ein Performance-Index erste Wahl. Dividenden talveränderungen, Bezugsrechte bleiben so bei der Betrachtung nicht außen vor.“ und vor allem Dividendenausschüt- Aktionäre tungen in den Indexstand ein. Das kann einen erheblichen Unterschied ausmachen: können sich Anders bei wichtigen weltweiten freuen: Laut DZ Analysten der UBS zufolge resultierten seit 1984 rund 60 Indizes wie dem EURO STOXX 50, Bank erhöhen Prozent des Ertrags bei europäischen Aktien aus Dividen- dem S&P 500 aus den USA oder die 110 im HDAX denausschüttungen, nur der Rest entfiel auf Kursgewinne. dem Schweizer SMI: Als Kurs-Indi- vertretenen Auch beim DAX wirken sich die eingerechneten Dividenden Unternehmen zes berücksichtigen sie ausschließ- aus: Während die Kurs- und die Performance-Variante ihre Dividenden lich die Kursentwicklung der 2015 um rund Ende 1987 bei der Marke von 1.000 Punkten starteten, enthaltenen Titel. 11 Prozent auf stieg der DAX-Kurs-Index bis Mitte März dieses Jahres auf Allerdings gibt es die meisten 37 Milliarden 6.240 Punkte, der DAX-Performance-Index jedoch bis auf Indizes nicht nur in ihrer bekann- Euro. Damit 12.168 Punkte. würde mehr als testen Form, sondern auch in der Um bei der Beurteilung unterschiedlicher Aktienindi- jemals zuvor an jeweils anderen Variante. Denn die Anteilseigner zes nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen, gilt es deshalb, beide Berechnungsmethoden haben ausgezahlt. Die auf die Art der Indexberechnung zu achten. Auch wer über etwas für sich: „Wer ausschließlich Ausschüttungs- ein Index-Zertifikat oder einen Exchange Traded Fund die Kursentwicklung betrachten quote läge bei (ETF) investieren möchte, sollte sich den zugrundelie- rund 36 Prozent möchte, sollte sich am Kurs-Index genden Index genau ansehen. So sind für viele klassische der Firmenge- orientieren“, erklärt Uwe Streich, winne. Kurs-Indizes wie EURO STOXX 50 oder S&P 500 auch die Index-Experte und Analyst bei Performance-Varianten als Basiswerte verfügbar. Bei der Landesbank Baden-Württem- Produkten auf diese „Total-Return-Indizes“ werden die berg. „Möchten Anleger dagegen ausgeschütteten Dividenden bei der Wertentwicklung den Gesamterfolg eines Portfolios mitberücksichtigt – so wie beim DAX. Jürgen Büttner marktmacher 01/2013 21
handeln NEUE LAST FÜR Einig sind sich die EU-Staaten nur, dass Staatsanleihen ausgenommen werden. PRIVATANLEGER? Österreichs Initiative zielt darauf ab, möglichst viele Produkte zu besteuern, dafür aber die Steu- ersätze niedriger anzusetzen als geplant. Die EU-Kommission hatte 0,1 Prozent bei Aktien und Anleihen Deutschland und zehn andere EU-Staaten und 0,01 Prozent bei Derivaten nehmen einen erneuten Anlauf zu einer vorgeschlagen. Dabei rechnete Brüssel infolge der Steuer mit gemeinsamen Finanztransaktionssteuer. rückläufigen Handelsvolumina – bei Die genaue Ausgestaltung ist weiter offen. Wertpapieren um 15 Prozent, bei Derivaten gar um 75 Prozent. Mit niedrigeren Sätzen wollen die D Staaten erreichen, dass der Handel ie Finanztransaktionssteuer war fast tot“, nicht so stark einbricht und es @ Fotos: Robin MacDougall/Getty Images, Börse Stuttgart stellte Österreichs Finanzminister Hans Jörg weniger Ausweichreaktionen auf Schelling Anfang 2015 fest: „Nun ist sie von Die EU-Kommission zur Handelsplätze ohne eine Besteue- Finanztransaktions- der Intensivstation in die Normalstation steuer: rung gibt. verlegt.“ Daran hat Schelling seinen Anteil: Er http://kurzlink.de/FTS Der Weg zur Finanztransakti- versucht, einen gemeinsamen Nenner der elf EU-Staaten onssteuer bleibt damit holprig: zu finden, die eine Finanztransaktionssteuer einführen Nach der Finanzkrise wollten wollen. Dabei hat er Frankreich zurück ins Boot geholt, Befürworter die Steuer weltweit das vom Antreiber zum Bremser geworden war – wohl einführen, um die Finanzindustrie auch, weil die 2012 auf nationaler Ebene gestartete an den staatlichen Rettungskosten Finanztransaktionssteuer eher ernüchternde Ergebnisse zu beteiligen. Da aber mit den USA brachte (siehe S. 23: „Schlechte Erfahrung“). und Großbritannien zwei dominie- rende Finanzzentren Gegner der Doch weiterhin ist nicht abschließend geklärt, welche Steuer sind, verständigten sich Finanzprodukte von der Steuer betroffen sein sollen. 2013 letztlich nur elf der 28 Geplant ist, in einem ersten Schritt Aktien zu erfassen EU-Staaten auf eine ge- und in einem zweiten andere Produkte, insbesondere meinsame Steuer. Diese Derivate. Allerdings herrscht noch sollte eigentlich 2016 Uneinigkeit darüber, welche genau. starten, aber nun gibt es In Brüssel entscheiden die Finanzminister von elf EU-Staaten über die Details und den Zeitplan der Finanztransaktionssteuer. 22 marktmacher 01/2015
handeln große Zweifel, ob der Termin zu hal- SCHlechte se sind. Jetzt kommt noch die Finanztransaktionssteuer ten ist – auch in Berlin. Laut Micha- erfahrung hinzu. Für die private Ersparnisbildung sind das sehr el Meister, Parlamentarischer schlechte Aussichten.“ Kosten für die Anleger sieht er Staatssekretär im Bundesfinanzmi- infolge der Weitergabe der Steuer durch die Banken – bei- Zwei Länder nisterium, wären selbst bei Inkraft- leibe nicht nur in Höhe des einfachen Steuersatzes. Zieht sind bei der treten der Gesetze 2016 drei Jahre Finanztrans- ein Auftrag des Anlegers weitere Transaktionen der Bank für technische und organisatorische aktionssteuer nach sich, könne ein „Kaskadeneffekt“ entstehen und die Vorbereitungen notwendig. Erhoben vorgeprescht: Steuerbelastung vervielfachen. Für Demary ist klar: „Die würde die Steuer demnach kaum Frankreich 2012 Finanztransaktionssteuer trifft die Altersvorsorge.“ Und und Italien 2013. vor 2019. zwar direkt bei Wertpapieren, aber auch indirekt bei Beide besteu- erten Aktien gro- Lebensversicherungen und Pensionsfonds, die das Geld DOCH NACH WIE VOR STEHT zu ßer Unterneh- ihrer Kunden an den Kapitalmärkten investieren. befürchten, dass vor allem private men. Dadurch Anleger die Leidtragenden der verteuerten DESHALB FORDERT Christoph Boschan, die Finanztrans- sich Transakti- Steuer sind. Dr. Christoph Boschan, aktionssteuer verantwortungsvoll zu gestalten und für onen auch für Geschäftsführer der Boerse Stuttg- Privatanleger Privatanleger Ausnahmen zu machen: „Nicht nur erhöhte art Holding GmbH, betont: „Private erheblich. Die Freibeträge im Rahmen der Kapitalertragsteuer, auch Anleger haben die Finanzkrise nicht Handelsumsätze eine Besteuerung erst ab einer bestimmten Auftragsgrö- verursacht und auch bereits üppig fielen und die ße, einer gewissen Anzahl von Transaktionen oder einem Steuereinnah- für deren Bewältigung bezahlt. bestimmten Steueraufkommen pro Jahr sind denkbar.“ men blieben Außerdem investieren sie aus schon weit hinter den Der einfachste Weg, so Boschan, wäre jedoch, „alle versteuertem Arbeitseinkommen Erwartungen kapitalertragsteuerpflichtigen Privatanleger von der und und haben die Kapitalertrags- zurück. Ähnliche Finanztransaktionssteuer auszunehmen und nur körper- steuer zu tragen.“ Erfahrungen schaftsteuerpflichtige, professionelle Marktteilnehmer zu hatte Schweden Auch Markus Demary, Finanz- besteuern.“ Vorschläge liegen also auf dem Tisch – der von 1985 bis markt-Experte beim Institut der 1992 gemacht. Ausgang der politischen Hängepartie rund um die Finanz- deutschen Wirtschaft (IW), kriti- transaktionssteuer ist weiter offen. Hans G. Linder siert: „Privatanleger sind von den anhaltenden Nied- rigzinsen betroffen, »Privatanleger sollten die eine ganz von der Steuer Spätfolge ausgenommen werden.« der Dr. Christoph Boschan, Finanzkri- Geschäftsführer der Boerse Stuttgart Holding GmbH KLARES MEINUNGSBILD ZUR STEUER „Jede zusätzliche Steuer „Marktmacher“ wollte von den Leserinnen und „Nein, da es derzeit auf Finanztransaktionen Lesern wissen, ob die keine Alternativen zu schadet dem Anleger geplante Finanztransakti- onssteuer private Anleger börsengehandelten und der Altersvorsorge.“ belasten wird. Papieren gibt!“ Maria Hettrich, Saarbrücken Jan-Bernd Kneilmann, Oldenburg JA 88 % NEIN 12 % marktmacher 01/2015 23
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