VIVA BEETHOVEN!- 23. MÄRZ 2017 ELBPHILHARMONIE GROSSER SAAL

Die Seite wird erstellt Joel Scharf
 
WEITER LESEN
VIVA BEETHOVEN!- 23. MÄRZ 2017 ELBPHILHARMONIE GROSSER SAAL
ELPHI_Logo_Bild-
                      marke_1C_W

¡VIVA
FESTIVAL

BEETHOVEN!

19. – 23. MÄRZ 2017
ELBPHILHARMONIE
GROSSER SAAL
VIVA BEETHOVEN!- 23. MÄRZ 2017 ELBPHILHARMONIE GROSSER SAAL
DIRIGENT.
DER NEUE BMW 7er MIT GESTIKSTEUERUNG.
                                                                           WILLKOMMEN

DER ANSPRUCH VON MORGEN.
                                                                            Anfang des 19. Jahrhunderts revolutionierte Ludwig van
                                                                            Beethoven die klassische Musik. Seine Streichquartette und
                                                                            Klaviersonaten, vor allem aber seine neun Sinfonien spreng-
                                                                            ten alle Formen und Korsette, wiesen den Weg in eine große
                                                                            Zukunft und sind in ihrer visionären Kraft und Wirkungsmacht
                                                                            unübertroffen. Die jüngste Revolution der klassischen Musik
                                                                            hat allerdings nicht in Wien stattgefunden, sondern in Venezu-
                                                                            ela. »El Sistema« heißt das Projekt, das Tausenden von Kindern
                                                                            Instrumente in die Hand gibt – und damit eine Zukunftspers-
                                                                            pektive. Die Aushängeschilder dieser weltweit bewunderten Be-
                                                                            wegung heißen Gustavo Dudamel und Orquesta Sinfónica
                                                                            Simón Bolívar de Venezuela – und sie stimmen nun in der Elb-
                                                                            philharmonie den Schlachtruf an: ¡Viva Beethoven!

                                                                            19.03. Sinfonien Nr. 1 + 2
                                                                            20.03. Sinfonien Nr. 3 + 4
                                                                            21.03. Sinfonien Nr. 5 + 6
                                                                            22.03. Sinfonien Nr. 7 + 8
                                                                            23.03. Sinfonie Nr. 9

Principal Sponsor der Elbphilharmonie

BMW Hamburg                             BMW
                                        Niederlassung
www.bmw-hamburg.de                      Hamburg

                                        www.bmw-
                                        hamburg.de      Freude am Fahren
Abbildung zeigt Sonderausstattungen.
VIVA BEETHOVEN!- 23. MÄRZ 2017 ELBPHILHARMONIE GROSSER SAAL
DIE MUSIK

    BEETHOVEN, DER REVOLUTIONÄR
    Gedanken über einen politischen und musikalischen Freigeist

    Zu den bekanntesten Anekdoten der Musikgeschichte gehört die Erzählung von
    Ludwig van Beethoven und Napoleon Bonaparte: Beethoven habe den franzö-
    sischen General und Ersten Konsul der Republik so sehr bewundert, dass er
    plante, ihm seine Dritte Sinfonie zu widmen. Als er dann aber von Napoleons Plä-
    nen, sich zum Kaiser zu krönen, erfahren habe, sei er vor Wut über den Verrat an
    den Zielen der Französischen Revolution ausgerastet, habe das Widmungsblatt
    von oben nach unten durchgerissen und der Sinfonie den Titel Eroica gegeben.
    Überliefert ist diese Legende von Ferdinand Ries, einem Schüler Beethovens,
    der sie elf Jahre nach Beethovens Tod veröffentlicht hatte. Sie wurde alsbald
    zum Symbol für einen Beethoven, der mit den Obrigkeiten seine Probleme hatte,
    der revolutionären Gedanken anhing, der die Herrschenden verachtete und nach
    einer Musik suchte, die dem Gedankengut der Französischen Revolution, der Idee
    von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit eine Stimme geben konnte.
        Befeuert wurde dieser Mythos zusätzlich von Bettina von Arnim – jener leicht
    überspannten, musik- und literaturbegeisterten Salondame, die sich mit ihren
    Briefromanen später, als beide bereits gestorben waren, zur Vertrauten Goethes
    und zur Geliebten Beethovens stilisierte. Von ihr stammt die andere, immer wie-
    der gern kolportierte Anekdote über einen gemeinsamen Spaziergang Goethes
    und Beethovens in Teplitz, wo der Weimarer Dichter und der Wiener Komponist
    sich 1812 zur Kur aufhielten und Bekanntschaft miteinander machten. Als ihnen
    auf der Promenade der Kaiser mit seinem Hofstaat entgegenkam, habe Goethe
    beiseitetreten wollen, Beethoven aber habe ihn angewiesen: »Bleibt nur in mei-
    nem Arm hängen, sie müssen uns Platz machen, wir nicht!« Goethe sei dennoch
    ausgewichen und habe den Hut gezogen, während Beethoven mit verschränkten
    Armen mitten durch die Schar der Herzöge schritt und Goethe hinterher ob sei-
    ner Unterwürfigkeit rügte: »Auf Euch hab’ ich gewartet, weil ich Euch ehre und
    achte, wie Ihr es verdient, aber jenen habt Ihr zu viel Ehre angetan!«
        Wahr oder nicht: Ein Brief, den Beethoven kurz nach seiner Abreise aus
    Teplitz an den Verleger Gottfried Christoph Härtel schrieb, lässt die Begegnung
    zumindest möglich erscheinen. Und sie fügt sich nur allzu gut in das Beethoven-
    Bild, das uns bis heute prägt: das Bild eines Revolutionärs, sowohl in politischer
    als auch in musikalischer Hinsicht.
VIVA BEETHOVEN!- 23. MÄRZ 2017 ELBPHILHARMONIE GROSSER SAAL
¡ V I VA B E E T H OV E N !

     An diesem Image hat Beethoven selbst hingebungsvoll gefeilt. Sein Wirken         die Vorliebe für eine streng architektonische Kompositions-
fiel dabei in eine Zeit, in dem sich das Ansehen des Komponisten vom bloßen           weise. Mit seinen daraus folgenden, kühnen musikalischen Ent-
Tonsetzer zum Tonkünstler wandelte. Und er selbst war diesem neuartigen               wicklungen (darunter etwa die schiere Länge von Werken wie
Genieverständnis gewiss nicht abgeneigt. »Mein Herz und mein Sinn waren von           der Dritten oder die Einbindung eines Chores in der Neunten
Kindheit an für das zarte Gefühl des Wohlwollens; selbst große Handlungen zu          Sinfonie) gilt Beethoven traditionell als Vollender der Klassik.
verrichten, dazu war ich immer aufgelegt«, ist etwa im Heiligenstädter Testament      Gleichzeitig überwand er sie, eröffnete neue Ausdrucksberei-
zu lesen. Und auch wenn er nur ein »van« und kein »von« war und sein Name auf         che und ebnete so den Übergang zur Romantik – man denke
Niederländisch eigentlich nur »von den Rübenhöfen« bedeutet – zumindest dem           nur an die berühmte Mondscheinsonate. Seine Werke haben
Wesen nach hielt er sich dem Adel für ebenbürtig: »Ich kenne keine andern Vor-        in der Musikgeschichte größere Wirkung ausgeübt als jede
züge des Menschen als diejenigen, die ihn zu einem besseren Menschen machen.          andere Musik, und jeder bedeutende Komponist des 19. Jahr-
Wo ich diese finde, dort ist meine Heimat.« Und an Fürst Lichnowsky, mit dem          hunderts musste sich an ihm messen lassen. Berühmt wurde
er sich 1806 verkrachte, weil Beethoven nicht für dessen Gäste – französische         etwa Johannes Brahms’ verzweifelter Ausruf: »Du hast keinen
Offiziere – hatte spielen wollen, schrieb er voller Wut: »Fürst! Was Sie sind, sind   Begriff davon, wie es unser einem zumute ist, wenn er immer
Sie durch Zufall und Geburt. Was ich bin, bin ich durch mich! Fürsten hat es und      so einen Riesen hinter sich marschieren hört.«
wird es noch Tausende geben; Beethoven gibt’s nur einen!«                                 Die Unabhängigkeit des Geistes zeigte sich auch in den äuße-
     Obwohl er sich seines genialischen Geistes sehr bewusst gewesen ist: Für         ren Umständen, unter denen Beethoven seiner Arbeit nachging.
Beethoven waren alle Menschen gleich. Sein Interesse an der Französischen             Jahrhundertelang waren Komponisten von adeligen oder kirch-
Revolution scheint daher weniger von seiner Bewunderung für Napoleon geleitet         lichen Geldgebern abhängig gewesen; Haydn etwa war 30 Jahre
gewesen zu sein als vielmehr von der humanitären Utopie, als die sie sich in der      lang bei der Fürstenfamilie Esterházy angestellt. Mozart scheiterte
Erinnerung in die der Geschichte einschrieb; eine Phase, in der für eine kurze        bei dem Versuch, nach dem Vorbild Händels dauerhaft als freier
Zeit alles möglich gewesen zu sein schien. Mit der politischen Realität hatte         Komponist und Opernunternehmer zu überleben. Erst Beethoven
das wenig zu tun – das wusste auch Beethoven. Aber in seiner Musik konnte er          gelang es, dank der Kaufkraft des erstarkenden Bürgertums und
von der Idee einer aus den Fesseln der Unterdrückung befreiten Menschheit             eines bedingungslosen Stipendiums, das ihm befreundete Adelige
schwärmen, die sich in Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit unter der Flagge       zahlten, als unabhängiger Künstler zu reüssieren.
einer weltumspannenden Humanität zusammenfindet.                                          Wieviel von der geistigen Freiheit des Menschen in seinen
     In seinem Leben war Beethoven dagegen hin- und hergerissen zwischen              Tönen steckt, drückte Beethoven einmal so aus: »Wem meine
habsburgischem Patriotismus und französischen Revolutionsideen. Aufgewach-            Musik sich verständlich macht, der wird frei von all dem Elend,
sen im Umfeld des erzbischöflichen Hofes vom Boner Kurfürsten Maximilian              womit sich die anderen schleppen.« Eine seiner Lieblingsfi-
Franz, dem jüngsten Bruder Kaiser Josephs II., blieb er den Habsburgern zeit          guren aus der griechischen Mythologie war der Halbgott Pro-
seines Lebens verbunden, komponierte in Wien patriotische Lieder, litt mit den        metheus, der den Menschen das Feuer brachte und sie so zu
Wienern unter dem österreichisch-französischen Krieg und der Belagerung ihrer         mündigen Geschöpfen machte – und den Beethoven mit einem
Stadt im Jahr 1809. Mit seinem sinfonischen Schlachtengemälde Wellingtons             Ballett würdigte, dessen Musik er im vierten Satz der Dritten
Sieg feierte er 1814 den Sieg der britischen über die französische Armee in der       Sinfonie erneut aufgriff. Er gab damit jenem Freiheitsgedanken
Schlacht von Vitoria.                                                                 eine Stimme, der 1789 mit der Französischen Revolution in die
     So konkret wurde er in seiner Musik sonst jedoch nur selten, direkte poli-       Welt gekommen war und unabhängig von den gegenläufigen
tische Bekenntnismusik findet sich unter seinen überwiegend instrumentalen            politischen Entwicklungen in seiner Musik weiterwirkte. All dies
Werken so gut wie keine. Vielmehr verstand er seine Kompositionen als Ausdruck        macht den Revolutionär Beethoven zum wahren Komponisten
seiner Persönlichkeit. Und dazu gehörte eben eine stürmische Begeisterung             der Aufklärung – und diesen Impetus hört man in seiner Musik
für den Freiheitsgedanken ebenso wie die Liebe zur Natur, der derbe Witz und          bis heute.                                        SILKE LEOPOLD
VIVA BEETHOVEN!- 23. MÄRZ 2017 ELBPHILHARMONIE GROSSER SAAL
EL SISTEMA

                                     DIE REVOLUTION DER
                                     KLASSISCHEN MUSIK
                                     Das venezolanische Musikprogramm »El Sistema«

                                     »In Venezuela habe ich die Zukunft der klassischen Musik gese-
                                     hen« – große Worte, und sie stammen von niemand Geringerem
                                     als Sir Simon Rattle, dem Chef der Berliner Philharmoniker. Die
                                     Rede ist von dem weltweit beispiellosen Musikvermittlungs- und
                                     Sozialprojekt Fundación del Estado para el Sistema de Orquesta
                                     Juvenil e Infantil de Venezuela, kurz El Sistema. Ins Leben gerufen
                                     wurde »Das System« vom venezolanischen Dirigenten und Visio-
                                     när José Antonio Abreu. Das war 1975, zu einer Zeit, als in Vene-
                                     zuela gerade einmal zwei Sinfonieorchester existierten, überwie-      des Simón-Bolívar-Jugendorchesters wurde – bis heute das Flaggschiff von El
                                     gend besetzt mit Instrumentalisten aus Europa und Nordamerika.        Sistema und nun für eine Woche zu Gast in der Elbphilharmonie. Und auch wenn
                                     Klassische Musik war der reichen Elite vorbehalten.                   Orchester und Dirigent inzwischen erwachsen geworden sind und das »Jugend«
                                         Diese Strukturen wollte Abreu aufbrechen. Seine Vision            aus dem Titel des Ensembles gestrichen haben: Die jugendliche Spielfreude hat
                                     war es, die musikalische Ausbildung zu einem Grundrecht zu            man sich bewahrt.
                                     machen und Kindern auf diese Weise eine Perspektive zu geben.             Doch bei allen musikalischen und künstlerischen Erfolgen: In einem Land,
                                     Er gründete das nach dem südamerikanischen Freiheitskämp-             in dem 80 Prozent der Bevölkerung von Armut bedroht sind, stellt El Sistema
                                     fer Simón Bolívar benannte Jugendorchester und überzeugte             nach wie vor in erster Linie ein soziales Projekt dar. »Ausgrenzung ist die Wurzel
                                     die Regierung, sein Projekt zu unterstützen – so entstand das         allen Übels in der Gesellschaft«, diagnostizierte Abreu einmal. Und genau hier
                                     System der Kinder- und Jugendorchester. Die Nachfrage ist so          kann ein Sinfonieorchester, dessen Aufbau mit der einer Gesellschaft in vielerlei
José Antonio Abreu                   groß, dass die staatlich zur Verfügung gestellten Instrumente         Hinsicht vergleichbar ist, ansetzen. Hier hat jeder seine Rolle und trägt eine
                                     manchmal knapp werden und die Kleinsten auf selbstgebauten            Verantwortung für das Gesamtergebnis. Der ideale Ort also, um Kompetenzen
                                     Instrumenten aus Pappe ihre ersten Griffe üben müssen. Der            wie Teamfähigkeit, Disziplin, Geduld und Toleranz zu lernen. Durch El Sistema
                                     Motivation schadet das nicht. Im Gegenteil: Fast täglich erhal-       kommen die Kinder und Jugendlichen unabhängig von ihrer sozialen Herkunft
                                     ten die Kinder kostenlosen Musikunterricht, und – das ist das         oder Hautfarbe zusammen, um sich gemeinsam für eine Sache zu engagieren.
Die Fotoausstellung                  Besondere – vom ersten Tag an spielen sie in einem Orchester          Abreu ist dieser Fokus wichtig: »Das Projekt arbeitet zwar mit Mitteln der Musik,
13.–25. März | Mo–Sa | 11–19 Uhr |   ihrer Altersklasse.                                                   ist aber zuvorderst ein soziales, zur Förderung menschlicher Qualitäten.« Auch
Hamburger Zentralbibliothek am           Bis zum heutigen Zeitpunkt haben El Sistema sage und              Gustavo Dudamel ist sich sicher: »Wenn jedes Kind einen Zugang zu Kultur hat,
Hauptbahnhof | Eintritt frei
                                     schreibe 826.619 Kinder durchlaufen, die von 8.290 Lehrern            wird die Welt ein sensiblerer und besserer Ort sein.« Für sein großes Engage-
Das Buch                             in 440 »núcleo« genannten Zentren unterrichtet werden und             ment wurde José Antonio Abreu vielfach ausgezeichnet, unter anderem von der
Stefan Piendl / Michael Kaufmann:
                                     in insgesamt 1.681 Orchestern spielen. Große Dirigenten wie           Unesco und Unicef, mit dem Polar Music Prize, dem TED Prize, dem Yehudi
»Das Wunder von Caracas«             Claudio Abbado, Zubin Mehta oder eben Sir Simon Rattle diri-          Menuhin Award und dem Frankfurter Musikpreis.
(Irisiana Verlag)
                                     gierten sie; einige der jungen Musiker machten sogar weltweit             El Sistema sorgte für so viel Aufsehen, dass inzwischen zahlreiche Ableger
Der Film                             Karriere. So wurde etwa der Kontrabassist Edicson Ruiz mit            entstanden sind: in den USA, in Kanada, aber auch hierzulande. So stand es
»El Sistema. Music to change life«   17 Jahren das jüngste je aufgenommene Mitglied der Berliner           Pate für Projekte wie »Jedem Kind ein Instrument«. Die Zukunft der klassischen
                                     Philharmoniker. Die prominenteste Figur ist zweifellos Pultstar       Musik hat begonnen – weltweit.
                                     Gustavo Dudamel, der 1999 im Alter von 18 Jahren Chefdirigent                                                                          SIMON CHLOSTA
VIVA BEETHOVEN!- 23. MÄRZ 2017 ELBPHILHARMONIE GROSSER SAAL
DIE KÜNSTLER
                                  Vom tiefen Glauben an die Macht der Musik angespornt, reichen Gustavo Duda-
                                  mels musikalische Betätigungsfelder von den größten Konzertbühnen bis hin zu
                                  Klassenräumen, Kinos und innovativen digitalen Plattformen. Als international
                                  renommierter Konzert- und Operndirigent arbeitet er mit zahlreichen der bedeu-
                                  tendsten Musikinstitutionen der Welt zusammen: So tourt er in diesem Jahr mit
     DIRIGENT   GUSTAVO DUDAMEL   den Berliner Philharmonikern durch Europa und war zudem der jüngste Dirigent,
                                  der jemals das berühmte Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker geleitet
                                  hat, das jährlich von über 50 Millionen Menschen in 90 Ländern verfolgt wird.
                                      Geboren 1981 in Barquisimeto, Venezuela, studierte Gustavo Dudamel Violine
                                  am Jacinto Lara Conservatory und später an der Academia Latinoamericana de
                                  Violín. 1996 begann er sein Dirigierstudium und noch im gleichen Jahr wurde er
                                  zum Musikdirektor des Amadeus Chamber Orchestra ernannt. 1999 übernahm er
                                  die Leitung des Orquesta Sinfónica Simón Bolívar de Venezuela, bei dessem Grün-
                                  der José Antonio Abreu er auch seine Dirigierstudien fortsetzte. 2004 erlangte er
                                  internationale Aufmerksamkeit durch seinen Erfolg beim Gustav-Mahler-Dirigier-
                                  wettbewerb der Bamberger Symphoniker. Von 2007 bis 2012 war er Chefdirigent
                                  der Göteborger Sinfoniker, bei denen er noch immer Ehrendirigent ist.
                                      Derzeit ist Gustavo Dudamel zudem Chefdirigent des Los Angeles Philharmo-
                                  nic, wo er seinen Vertrag jüngst bis zur Spielzeit 2021/2022 verlängert hat. Unter
                                  seiner Leitung konnte das Orchester seinen Wirkungskreis weiter ausbauen,
                                  besonders mit dem Youth Orchestra Los Angeles (YOLA), das stark von dem
                                  erfolgreichen venezolanischen Musikprojekt El Sistema beeinflusst wurde. Mit
                                  dem YOLA und weiteren Musikvermittlungsprojekten möchte er die Musik für
                                  Kinder und Jugendliche aller Bevölkerungsgruppen zugänglich machen.
                                      Gustavo Dudamel gehört zu den am meisten ausgezeichneten Dirigenten sei-
                                  ner Generation. Im vergangenen Jahr erhielt er den Cultural Achievement Award
                                  der America Society, 2014 den Leonard Bernstein Lifetime Achievement Award.
                                  Im Jahr 2013 wurde er vom Magazin Musical America zum Musiker des Jahres
                                  gewählt, im selben Jahr wurde er in die Gramophone Hall of Fame aufgenom-
                                  men. 2009 setzte ihn das Time Magazin auf die Liste der 100 einflussreichsten
                                  Persönlichkeiten, ein Jahr zuvor erhielten er und das Orquesta Sinfónica Simón
                                  Bolívar de Venezuela den spanischen Prince of Asturias Award for the Arts. 2008
                                  wurde Dudamel außerdem von der Harvard University mit dem Q Prize für sein
                                  außergewöhnliches Engagement in der Arbeit mit Kindern ausgezeichnet.
                                      Um einen universellen Zugang zur Musik zu ermöglichen, beteiligt sich der
                                  Dirigent mit Leidenschaft an Aufnahmen und musikalischen Sendungen. Zu
                                  den Höhepunkten zählt unter anderem die Einspielung von John Adams’ Gospel
                                  According to the Other Mary mit dem Los Angeles Philharmonic sowie die Über-
                                  tragung von Gustav Mahlers Sinfonie der Tausend mit tatsächlich mehr als 1000
                                  Choristen und Kindern aus Venezuela in zahlreiche Kinos der USA und Kanada.
VIVA BEETHOVEN!- 23. MÄRZ 2017 ELBPHILHARMONIE GROSSER SAAL
DIE KÜNSTLER

ORQUESTA SINFÓNICA SIMÓN BOLÍVAR DE VENEZUELA
                                                Das Orquesta Sinfónica Simón Bolívar de Venezuela, gegründet 1975 von José
                                                Antonio Abreu, ist das größte Orchester und Flagschiff des »National System of
                                                Youth and Children’s Orchestras and Choirs of Venezuela«. Seine 170 Mitglieder,
                                                die zu »UNESCO Artists for Peace« ernannt wurden, erhielten einen Großteil ihrer
                                                Ausbildung im Orchesterprogramm von »El Sistema« sowie in Meisterkursen bei
                                                international renommierten Künstlern wie Sir Simon Rattle, Claudio Abbado,
                                                Daniel Barenboim, Krzysztof Penderecki, Esa-Pekka Salonen und Lorin Maazel.
                                                    Seit dem Jahr 2000 hat das Orchester of Venezuela zahlreiche erfolgreiche
                                                Tourneen durch die ganze Welt unternommen. Es gastierte bei Festivals wie den
                                                BBC Proms in London, dem Edinburgh International Festival, dem Schleswig-
                                                Holstein Musik Festival, dem Lucerne Festival, den Salzburger Festspielen und
                                                dem Istanbul Music Festival. Ebenso spielte das Orquesta Sinfónica Simón Bolí-
                                                var de Venezuela in international bedeutenden Häusern wie der Royal Festival
                                                Hall in London, dem Wiener Konzerthaus, dem Teatro alla Scala in Mailand, der
                                                Philharmonie in Paris, der Accademia Nazionale di Santa Cecilia und weiteren
                                                Konzerthäusern in Köln, Oslo, Moskau, Warschau, Athen, Barcelona, Zürich,
                                                Beijing, Seoul, Tokyo, Chicago, Philadelphia, Washington, San Francisco, Los
                                                Angeles und Montreal.
                                                    2013 nahm das Orchester den von Gustavo Dudamel komponierten Sound-
                                                track für den Film Libertador von Alberto Arvelo auf. Kurz darauf unternahm das
                                                Orchester eine in Santo Domingo und dann über Buenos Aires, São Paulo und
                                                Brasilia nach Bogota führende Südamerika-Tournee. Im selben Jahr durfte es als
                                                erstes ausländisches Orchester die traditionelle Aufführung von Mozarts c-Moll-
                                                Messe bei den Salzburger Festspielen aufführen. Im Januar 2014 gastierten die
                                                Musiker in Paris und gaben – als Debüt im Mittleren Osten – Konzerte in Oman
                                                und Abu Dhabi. Im Anschluss reiste das Orchester nach Kalifornien, wo es eine
                                                Residenz hatte und gemeinsam mit dem Los Angeles Philharmonic Konzerte
                                                beim LA Phil Tchaikovsky Festival gab.
                                                    2015 war das Orquesta Sinfónica Simón Bolívar de Venezuela in London,
                                                Brüssel, Frankfurt, Barcelona, Valencia, Madrid und Paris zu hören. Im August
                                                2015 spielte das Orchester acht Aufführungen von La Bohème am Teatro all Scala
                                                in Mailand, wo es außerdem auch Antonio Estevez’ Cantata Criolla und Beet-
                                                hovens Neunte Sinfonie aufführte. Im Rahmen einer Residenz in Los Angeles
                                                spielte das Orchester anschließend sämtliche Sinfonien von Beethoven.
                                                    Zu den Aufnahmen des Orchesters und Gustavo Dudamel zählen Beethovens
                                                Sinfonien Nr. 5 und 7, das erfolgreiche Album Fiesta mit Werken lateinameri-
                                                kanischer Komponisten, eine Tschaikowsky-CD mit der Fünften Sinfonie und
                                                Francesca da Rimini sowie Auszüge aus Wagners Ring des Nibelungen.
VIVA BEETHOVEN!- 23. MÄRZ 2017 ELBPHILHARMONIE GROSSER SAAL
BESETZUNG

Violine I                Violine II              Violoncello         Flöte                            Horn                   Schlagwerk
Alejandro Carreño        Moises Medina           Edgar Calderón      Alexis Angulo                    Daniel Graterol        Félix Mendoza
Boris Suárez             Alirio Vegas            Aimon Mata          Aron García                      Danny Gutiérrez        Ramón Granda
Carlos Vegas             William González        Carlos Ereú         Diego Hernández                  Edgar Aragón           Acuarius Zambrano
Jesús Pinto              Gregory Mata            Abner Padrino       Engels Gómez                     José Giménez           Juan Carlos Silva
Eduardo Salazar          Adriana Von Buren       César Giuliani      Fernando Martínez                Reinaldo Albornoz      Simón González
Douglas Isasis           Alessandro Lugo         Frank Valderrey     Yaritzy Cabrera                  José León              Víctor Villarroel
Anna Virginia González   Anderson Briceño        Jhonn Rujano        Emily Ojeda                      Nelson Yovera
Ebert Ceballo            Carlos Luís Perdomo     Juan Méndez                                          Javier Mijares         * als Gast
Emirzeth Henríquez       Daniel Herrera          Leandro Bandrés     Oboe
Felipe Rodríguez         Daniel Sánchez          Mónica Frías        Elly Saúl Guerrero               Trompete
Héctor Robles            Enrique Carrillo        Ricardo Corniel     Hairin Colina                    Tomás Medina
Janeth Sapienza          Gleirys Gómez           Yackson Sánchez     Luis González                    Gaudy Sánchez
Jorge Velásquez          Imanuel Sandoval                            Néstor Pardo                     Andrés Ascanio
Luis Adolfo González     Israel Méndez           Kontrabass          Daniel Vielma                    Arsenio Moreno
Luis Barazarte           José Guedez             Claudio Hernández                                    Jonathan Rivas
Luis Navarro             Juan Pérez              Jorge Ali Moreno    Klarinette                       Leafar Riobueno
Nicole Rodríguez         Oswaldo Martínez        Freddy Adrian       David Medina                     Luis Alfredo Sánchez
Oriana Suárez            Patricio Meriño         Luis Peralta        Ranieri Chacón                   Miguel Tagliafico
Verónica Balda           Ronnie Morales          Carlos Rodríguez    Víctor Mendoza                   Oscar López
                         William López           Nathaly Algindi     Henry Pérez                      Román Granda
                         Jairo González          Manuel Ruíz                                          Víctor Caldera
                                                 Miguel Jiménez      Fagott                           Werlink Casanova
                         Viola                   Carlos Sánchez*     Gonzalo Hidalgo                  Wilfrido Galarraga
                         Ismel Campos                                Daniel García
                         Luís Aguilar                                Edgar Monrroy                    Posaune
                         Carlos Corales                              Aura Moreno                      Pedro Carrero
                         David Peralta                               Werner Díaz                      Alejandro Díaz
                         Fabiana Alvarez                             Aquiles Delgado (Kontrafagott)   Edgar García
                         Greymar Mendoza                                                              Jackson Murillo
                         Luis Fernández                                                               Leudy Inestroza
                         Luz Cadenas                                                                  Lewis Escolante
                         Mary Francis Alvarado
                         Miguel Jeréz
                         Pedro González
                         Samuel Jiménez
                         Pedro Rondón
                         Richard Urbano
VIVA BEETHOVEN!- 23. MÄRZ 2017 ELBPHILHARMONIE GROSSER SAAL
Sonntag, 19. März 2017 | 20 Uhr | Elbphilharmonie Großer Saal

19 Uhr | Einführung mit Lars Entrich im Großen Saal

ORQUESTA SINFÓNICA SIMÓN BOLÍVAR
DE VENEZUELA
DIRIGENT GUSTAVO DUDAMEL

Ludwig van Beethoven (1770–1827)
Ouvertüre zu »Egmont« op. 84 (1809–1810)
ca. 10 Min.

Ludwig van Beethoven
Sinfonie Nr. 1 C-Dur op. 21 (1799–1800)
Adagio molto – Allegro con brio
Andante cantabile con moto
Menuetto: Allegro molto e vivace
Adagio – Allegro molto e vivace
ca. 30 Min.

Pause

Ludwig van Beethoven
Ouvertüre c-Moll zu »Coriolan« op. 62 (1807)
Allegro con brio
ca. 10 Min.

Ludwig van Beethoven
Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 36 (1801–1802)
Adagio molto – Allegro con brio
Larghetto
Scherzo. Allegro
Allegro molto
ca. 35 Min.

Gefördert durch die Stiftung Elbphilharmonie
VIVA BEETHOVEN!- 23. MÄRZ 2017 ELBPHILHARMONIE GROSSER SAAL
S I N FO N I E N R . 1 + 2

DIE MUSIK
                                                                                                        Zuvor hatte der 29-jährige Beethoven, der zu diesem Zeitpunkt bereits seit

                                 EIN NEUES KAPITEL                                                  acht Jahren in Wien lebte, vor allem als Pianist auf sich aufmerksam gemacht.
                                                                                                    Seine Virtuosität und Improvisationskunst wurden allgemein bewundert,
                                 IN DER MUSIKGESCHICHTE                                             und es ist nicht erstaunlich, dass er sich als Komponist zunächst auf Genres
                                                                                                    beschränkte, die ihm aus der Praxis vertraut waren: Klaviersonaten und Kam-
                                 Ouvertüre zu »Egmont« op. 84                                       mermusik für Streicher (in der heimischen Bonner Hofkapelle hatte er Bratsche
                                                                                                    gespielt). Durch die Komposition seiner ersten beiden Klavierkonzerte im zweck-
                                 Im Sommer 1812 wurde der böhmische Kurort Teplitz, gelegen         mäßigen Einsatz der Orchesterinstrumente geschult, wagte er sich schließlich
                                 auf halber Strecke zwischen Prag und Dresden, zum Schau-           an seine allererste Sinfonie.
                                 platz eines denkwürdigen Gigantentreffens: Johann Wolfgang             Stilistisch wird dieses Werk meist in den Kontext von Haydn und Mozart
                                 von Goethe und Ludwig van Beethoven, zwei lebende Legen-           gerückt. Sicher nicht zu Unrecht: Im Gegensatz zu Beethovens späteren Sinfonien
                                 den, lernten sich endlich persönlich kennen. Mehrfach spielte      ist die Dimension der Ersten moderat, die Orchesterbesetzung entspricht der
                                 Beethoven dem Dichter am Klavier vor, der ob seines Talents        seiner Wiener Vorgänger. Verglichen mit Mozarts melodischem Erfindungsreich-
                                 »in Erstaunen gesetzt war«, aber auch die »ungebändigte Per-       tum wirken Beethovens Motive, die überwiegend aus Tonleitern oder Dreiklangs-
                                 sönlichkeit« des Komponisten bemerkte.                             brechungen bestehen, aber geradezu banal. Dennoch demonstriert Beethoven
                                     Bereits zwei Jahre zuvor war es Beethoven eine Ehre gewe-      hier bereits seinen sehr individuellen Umgang mit musikalischen Elementen
                                 sen, für Goethes Trauerspiel Egmont eine Ouvertüre sowie neun      wie Motivik und Form und gibt damit eine Vorahnung auf jene Charakterzüge,
                                 weitere Musiknummern zu komponieren – ohne Honorar, »bloß          die – voll ausgeprägt – seine Musik so unverwechselbar auszeichnen.
                                 aus Liebe zum Dichter«, wie er festhielt. Goethe hatte den Ein-        Dem ersten Satz stellt Beethoven entsprechend der damaligen Konven-
                                 satz von Musik als Teil der Handlung selbst eingeplant, sich       tion eine langsame Einleitung voran, die mit dem eingangs erwähnten Akkord
                                 um die praktische Umsetzung aber nie gekümmert. Beethoven          beginnt. Diese Eröffnung führt den Hörer aber weniger ins Stück ein als vielmehr
Beethovens Geburtshaus in Bonn   seinerseits nahm das Projekt sehr ernst – so ernst, dass er        aufs Glatteis: Durch Trugschlüsse, Vorhalte und chromatische Verschiebungen
                                 nicht bis zur Premiere fertig wurde und die Musik erst ab der      verschleiert Beethoven zunächst die eigentliche Grundtonart der Sinfonie. Nur
                                 vierten Aufführung des Theaterstücks erklang. Neben seiner         zögernd tastet sich die Musik voran. Umso energischer wirkt das Hauptthema,
                                 Bewunderung für Goethe lag das vermutlich am Thema: Egmont         das mit einer federnden Punktierung vorwärtsdrängt. Ihm gegenüber steht ein
                                 ist ein niederländischer Fürst, der sich Mitte des 16. Jahrhun-    ruhiges Seitenthema, das auf ähnlichen musikalischen Bausteinen basiert – eine
                                 derts gegen die spanische Besatzung auflehnt und dabei den         motivische Verzahnung, wie sie für Beethoven typisch ist.
                                 Tod findet – für Beethoven eine Blaupause für den europäischen         Ein delikates Solo der Zweiten Geigen eröffnet den zweiten Satz, der – uner-
                                 Widerstandskampf gegen Napoleon. Entsprechend düster               wartet an dieser Stelle der Sinfonie – an ein höfisches Menuett erinnert. Auch
                                 beginnt die Ouvertüre, endet jedoch im (erhofften) Siegestaumel.   in der Instrumentation beweist Beethoven Originalität, indem er Pauken und
                                                                                                    Trompeten im Pianissimo als dezente Begleitung einsetzt. Der dritte Satz ist
                                                                                                    dann zwar mit »Menuett« überschrieben, stellt in seinem schnellen ganztaktigen
                                 Sinfonie Nr. 1 C-Dur op. 21
                                                                                                    Pulsieren jedoch unzweifelhaft ein Scherzo dar.
                                 Das muss man sich erst einmal trauen – so anzufangen! Mit              Für den vierten Satz hält Beethoven eine ähnliche Pointe bereit wie für den
                                 einem Dominantseptakkord, einem dissonanten, spannungs-            Beginn der Sinfonie. Wieder spannt er den Hörer mit einer langsamen Einleitung
                                 geladenen Akkord also, der weitergeführt, aufgelöst sein will,     auf die Folter. In mehreren zaghaften Anläufen erklimmen die Violinen Ton für Ton
                                 beginnt Ludwig van Beethoven seine Erste Sinfonie. Selten ist in   eine Tonleiter, die sich als Auftakt zu einem gut gelaunten Finalthema entpuppt.
                                 der Musikgeschichte so unüberhörbar ein neues Kapitel aufge-       So zeichnen sich unter der vermeintlich konventionellen Oberfläche bereits jene
                                 schlagen worden wie an diesem 2. April 1800, als Beethoven das     Entwicklungen ab, die die Gattung der Sinfonie revolutionieren und Ludwig van
Ludwig van Beethoven, 1803       Werk in seinem ersten privat finanzierten Akademie-Konzert im      Beethoven seine einzigartige Stellung in der Musikgeschichte sichern sollten.
                                 Kaiserlich-Königlichen Burgtheater in Wien vorstellte.                                                                       CLEMENS MATUSCHEK
S I N FO N I E N R . 1 + 2

GEGEN DAS SCHICKSAL REBELLIERT
                                                                                        Liest man diese Worte, scheint es umso bemerkenswerter,
Ouvertüre c-Moll zu »Coriolan« op. 62                                              dass seine erst kurz zuvor entstandene Zweite Sinfonie rein gar
                                                                                   nichts von Beethovens Verzweiflung vermuten lässt. Im Gegen-
Der römische Patrizier Coriolan ist wegen seiner Volksfeindlichkeit verbannt       teil: Mit ihrem durchweg positiven, geradezu überschäumenden
worden. Nun verbündet er sich mit den Feinden Roms und belagert die Stadt.         Gestus ist sie ein heiteres und geradezu braves Werk geworden.
Alle Vermittlungsversuche scheitern; erst die Mutter Coriolans schafft es, an      Ob die Sinfonie als eine Art Anti-Reaktion auf die Krankheit zu
ihren Sohn zu appellieren und ihn zum Frieden zu bewegen. Rom entgeht der          verstehen ist, kann man jedoch nicht mit Gewissheit sagen,
Erstürmung, Coriolan aber begibt sich in den Tod. – Heinrich Joseph von Collins    die ersten Skizzen zu ihr reichen nämlich noch ein paar Jahre
Drama Coriolan von 1804 zeigt einen zwiespältigen Helden, hin- und hergerissen     zurück. Doch immerhin schrieb Beethoven während der Arbeit
zwischen äußerer Standhaftigkeit und innerer Verunsicherung. Genug Stoff also,     an dem Werk an seinen Freund Franz Gerhard Wegeler: »Ich will
um daraus ein paar mitreißende Minuten Musik zu komponieren. Das dachte sich       dem Schicksal in den Rachen greifen. Ganz niederbeugen soll
auch Beethoven, der in seiner gleichnamigen Schauspielouvertüre an Dramatik        es mich gewiss nicht!«
nichts ausließ: Gleich die drei mächtigen, lang gezogenen Orchesterschläge zu           Und so ist aus der Zweiten Sinfonie trotz – oder dank – ihres
Beginn, auf die ein stetig nach vorn drängendes Thema folgt, geben die Richtung    positiven und leichten Charakters ein »kolossales Werk, von
vor. Immer weitere Gefühlsausbrüche heizen die Stimmung an, bis das Gesche-        einer Tiefe, Kraft und Kunstgelehrsamkeit wie sehr wenige«
hen irgendwann abrupt abbricht, sich immer weiter verlangsamt und schließlich      geworden, wie es ein zeitgenössischer Rezensent beschrieb.
ganz auflöst – in einem für Beethoven gänzlich ungewöhnlichen Pianissimo-          Im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin ist sie durchweg raffinierter
Schluss.                                                                           und ungleich detailfreudiger, wenn auch melodisch und cha-
                                                                                   rakteristisch durchaus ähnlich. Beethoven liebäugelt hier nun
                                                                                   erstmals mit größeren Formen, allein der langsame zweite Satz
Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 36
                                                                                   weist eine für damalige Verhältnisse außergewöhnliche Länge
In den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts wurde es für Beethoven erstmals ernst    auf; ebenso die breit angelegte Einleitung, die bereits viele moti-
– sehr ernst. Zwar hatte er seine kurze Wunderkind-Phase einigermaßen unbe-        vische Bausteine der folgenden Musik enthält.                         Die erste Seite des Heiligenstädter
schadet überstanden und sich erfolgreich von seinem trunk- und ruhmsüchtigen            An dritter Stelle führt Beethoven zudem erstmals ein             Testaments, das sich heute in der
                                                                                                                                                         Staats- und Universitätsbibliothek
Vater emanzipiert. Doch ab 1800 machten sich erste Anzeichen einer Krankheit       Scherzo anstelle des eher bedächtigen Menuetts ein, das bisher
                                                                                                                                                         Hamburg befindet
bemerkbar, die für einen Komponisten normalerweise (mindestens künstlerisch)       in Sinfonien vorherrschte. Wer zu dieser Musik zu tanzen ver-
einem Todesurteil gleichkommt: der Schwerhörigkeit beziehungsweise Taubheit.       sucht, kommt schon nach wenigen Sekunden aus dem Takt, und
Tatsächlich spielte er in dem berühmt gewordenen Heiligenstädter Testament         Rhythmusverschiebungen und »falsche« Betonungen bringen
– einem Brief, den Beethoven an seinen Bruder Kaspar Karl schrieb, aber nie        die Beine endgültig zum Stolpern.
abschickte – sogar mit Selbstmordgedanken: »So nehme ich den Abschied von               Schwungvoll geht es auch im Finale weiter, das mit flinken
Dir, und zwar traurig. Geliebte Hoffnung, die ich mit hierher nahm, wenigstens     Trillern und großen Sprüngen Beethovens ganz eigenen Witz
bis zu einem gewissen Punkte geheilt zu sein, sie muss mich nun gänzlich ver-      offenbart und von einer ungeheuren Dynamik geprägt ist. Ein
lassen, wie die Blätter des Herbstes gewelkt sind, so ist auch sie für mich dürr   verwunderter Rezensent befand diesen Satz denn auch als
geworden. Fast wie ich hierher kam, gehe ich fort; selbst der hohe Mut, der mich   »allzu bizarr, wild und grell«. Doch schon ein anderer war sich
oft in den schönen Sommertagen beseelte, ist verschwunden. Wann, o Gottheit,       sicher, dass »man dem Werke das Horoskop stellen kann, es
kann ich im Tempel der Natur und der Menschen ihn wieder fühlen? Nie? Nein,        werde bleiben und mit immer neuem Vergnügen gehört werden,
es wäre zu hart.« Auch das Verhalten seinen Mitmenschen gegenüber versuchte        wenn tausend eben jetzt gefeierte Modesachen längst zu Grabe
der Komponist hier zu erklären: »O ihr Menschen, die ihr mich für feindselig,      getragen sind«. Recht hatte er.
störrisch oder misanthropisch haltet, wie unrecht tut ihr mir!«                                                                     SIMON CHLOSTA
Montag, 20. März 2017 | 20 Uhr | Elbphilharmonie Großer Saal

                                                                                                            19 Uhr | Einführung mit Clemens Matuschek im Großen Saal

                                                                                                            ORQUESTA SINFÓNICA SIMÓN BOLÍVAR
                                                                                                            DE VENEZUELA
Wir gratulieren der                                                                                         DIRIGENT GUSTAVO DUDAMEL

Stadt Hamburg,                                                                                              Ludwig van Beethoven (1770–1827)

ihren Bürgern und                                                                                           Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 »Eroica« (1803)
                                                                                                            Allegro con brio

allen Beteiligten
                                                                                                            Marcia funebre. Adagio assai
                                                                                                            Scherzo. Allegro vivace
                                                                                                            Finale. Allegro molto
                                                                                                            ca. 50 Min.
zur gelungenen großartigen
Komposition der                                                                                             Pause

                                                                                                            Ludwig van Beethoven

Elbphilharmonie,                                                                                            Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60 (1806)
                                                                                                            Adagio: Allegro vivace
                                                                                                            Adagio cantabile
dem Konzerthaus von                                                                                         Allegro vivace
weltweiter Bedeutung.                                                                                       Allegro ma non troppo
                                                                                                            ca. 35 Min.

                                                                                                            Gefördert durch die Stiftung Elbphilharmonie

                  Alles, was zählt.
Auch in der Elbphilharmonie.

Unser Beitrag zur Energieeinsparung -
über 10 Millionen Messgeräte in
der Betreuung.

Minol Messtechnik W. Lehmann GmbH & Co. KG | 70771 L.-Echterdingen | minol.de
Niederlassung Hamburg | Spaldingstraße 64 | 20097 Hamburg | Tel.: +49 40 25 40 33-0 | nlhamburg@minol.com
S I N FO N I E N N R . 3 + 4

                                                                                          Andererseits ist die Sinfonie ein Musterbeispiel für die meis-
MUSIKALISCHES DENKMAL                                                                 terhafte Handhabung abstrakter kompositorischer Prinzipien.
                                                                                      Zum Beispiel fußt der erste Satz (genau wie der der Fünften
Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 »Eroica«                                                 Sinfonie) auf einem einzigen, denkbar simplen musikalischen
                                                                                      Motiv. Und genau wie in der Fünften stellt Beethoven das Mate-
Beethovens Dritte Sinfonie, die Eroica, nimmt in der Musikgeschichte einen ganz       rial, mit dem er den Satz zu gestalten gedenkt, zu Beginn ein-
besonderen Platz ein. Nicht wenige Fachleute halten sie für die wichtigste Sin-       mal isoliert vor. Es handelt sich um einen schlichten Dreiklang,
fonie, die jemals geschrieben wurde. Tatsächlich sprengt allein ihr Umfang alle       die Basis europäischer Kunstmusik – hier in Form von zwei
bis dato bekannten Maßstäbe. Und nur bei wenigen Werken greifen historische           Akkordschlägen, die »wie ein Peitschenknall den eleganten
Bedeutung und mythische Überhöhung so unmittelbar ineinander wie hier.                Formalismus des 18. Jahrhunderts zerschmettern« (Leonard
    Da wäre die legendäre Widmung: Beethoven, glühender Bewunderer der                Bernstein). Folgerichtig besteht auch das anschließend von den
Französischen Revolution, hatte die Sinfonie ursprünglich zu Ehren von Napoleon       Celli vorgestellte Thema nur aus einem gebrochenen Dreiklang.
Bonaparte komponiert und dies auch auf dem Titelblatt vermerkt. Doch als sich         Ungeklärt bleibt nur, warum das Horn nach dem Mittelteil zu
Napoleon am 2. Dezember 1804 selbst zum Kaiser krönte, schlug Beethovens              früh mit dem Thema in das erwartungsvolle Streichertremolo
Verehrung in Verachtung um. »So ist er auch nichts anderes als ein gewöhnlicher       hineinplatzt – ein musikalischer Scherz?
Mensch! Nun wird er alle Menschenrechte mit Füßen treten und nur seinem                   Im zweiten Satz, überschrieben mit »Marcia funebre«, ver-
Ehrgeiz frönen; er wird sich höher als alle anderen stellen, ein Tyrann werden!«      wendet Beethoven zahlreiche Motive aus Trauermärschen der
Mit diesen Worten, so berichtet Beethovens Schüler und Sekretär Ferdinand Ries,       Französischen Republik – ein Hinweis auf die ursprüngliche
habe Beethoven wütend das Titelblatt der Sinfonie zerrissen.                          Widmung. Es lassen sich aber auch persönliche Anknüpfungs-
    Nun ja, die Schnipsel sind nie gefunden worden. Offensichtlich hat Ries ein       punkte finden, immerhin verzweifelte Beethoven in dieser Zeit
bisschen zu dick aufgetragen, um am Mythos seines Idols zu stricken (dessen           an seiner fortschreitenden Taubheit. Der dritte Satz etabliert
Abglanz auch auf ihn fallen möge) und gleichzeig einen recht profanen Sachver-        eine Errungenschaft aus der vorheriger Sinfonie: Statt eines
halt zu überspielen: Beethoven hatte mit dem Gedanken gespielt, Hofkomponist          gestelzten höfischen Menuetts saust ein quicklebendiges
in Paris zu werden und sich mit einer neuen Sinfonie entsprechend einzuführen.        Scherzo vorbei. Erinnerungen an adlige Jagdgesellschaften
Als sich diese Aussicht zerschlug und ihm gleichzeitig mehrere Wiener Mäzene          wecken dagegen die übermütigen Hörner im eingeschobenen              Napoleon überschreitet die Alpen.
eine Pension garantierten, machte die Widmung an Napoleon keinen Sinn mehr            Trio-Teil.                                                           Gemälde von 1800
– und Beethoven änderte flugs die Titelseite, um vom neuen Widmungsträger,                Mit einem grandiosen Effekt leitet Beethoven dann das
dem Grafen Lobkowitz, nochmals eine Stange Geld zu kassieren.                         Finale ein: Dem großen Aufgalopp folgt eine Musik, die sich dank
    Auf der sehr wohl existierenden, intakten (!) Titelseite der »Heroischen Sinfo-   der Pizzicati wie auf Zehenspitzen bewegt. Tatsächlich handelt
nie« ist die Widmung »intitolata Bonaparte« lediglich ausgekratzt – allerdings so     es sich um die erste einer Folge von Variationen – nur dass
heftig, dass das Papier durchgescheuert wurde. An ihre Stelle setzte Beethoven        Beethoven so frech ist, das eigentliche Thema erst in der drit-
den Vermerk: »Komponiert, um das Andenken eines großen Mannes zu feiern.«             ten Variation vorzustellen: die erwähnte Ohrwurm-Melodie aus
Bis heute bleibt rätselhaft, wen Beethoven damit gemeint haben könnte. Den            dem Prometheus-Ballett. Fast zehn Minuten beziehungsweise
neuen Widmungsträger, Beethovens treuesten Mäzen? Oder den preußischen                400 Takte lang beschäftigt sich Beethoven in einer einzigarti-
Prinzen Louis Ferdinand, der den Befreiungskampf gegen die Franzosen orga-            gen Kombination aus fantasievoller Variation und kunstfertiger
nisierte und kurz zuvor im Gefecht gefallen war? Oder doch den griechischen           Fugentechnik mit diesem Thema, bevor er die Sinfonie mit einer
Halbgott Prometheus, der den Menschen das Feuer brachte – die mythische               großen Coda beendet. »Ich glaube«, schrieb Ferdinand Ries an
Personifizierung all jener Ideale der Aufklärung, für die Napoleon Bonaparte nun      den Verleger Simrock, »Himmel und Erde müssen zittern bei
nicht mehr stehen konnte? Musikalisch immerhin ist das plausibel: Das Thema           ihrer Aufführung.« Wem auch immer die Widmung der Eroica
des letzten Satzes stammt aus einem Prometheus-Ballett, das Beethoven kurz            gelten mag: Ludwig van Beethoven hat sich mit ihr selbst ein
zuvor fertiggestellt hatte.                                                           Denkmal gesetzt.
S I N FO N I E N N R . 3 + 4

                             CHARMANTE SCHWESTER                                                    Mit energischen Auftakten federn die Geigen voran, munter hopst das Fagott
                                                                                                nebenher. So gut gelaunt erleben wir Beethoven selten – ständig reiht er neue,
                             Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60                                        frische Gedanken aneinander, ohne das Schema des Sonatensatzes aus dem
                                                                                                Blick zu verlieren. Für den Mittelteil hat er sich eine besondere Idee einfallen
                             Beethovens Vierte Sinfonie stand von Beginn an im Schatten         lassen: Grundiert von einem Pianissimo-Paukenwirbel kommt die Musik fast
                             ihrer groß gewachsenen Schwesternwerke Nr. 3 und Nr. 5 – wie       zum Erliegen, bevor die Motive wieder zusammenwachsen und mit Macht die
                             ein schüchternes Gänseblümchen zwischen zwei Mammut-               Rückkehr des Hauptthemas feiern.
                             bäumen, oder, wie es Robert Schumann formulierte, wie eine             Der langsame Satz strömt als kantables Adagio dahin, fast wie ein »Lied ohne
                             »schlanke griechische Maid zwischen zwei Nordlandriesen«.          Worte«. Dass die unendliche Melodie nicht in Schönheit erstarrt, ist dem Begleit-
                                 Tatsächlich schließt die Vierte mit ihrem klassizistischen     motiv zu verdanken, mit dem der Satz auch beginnt. Oft wird diese auftaktige
                             Charakter eher an die ersten beiden Sinfonien als an ihre          Figur als »Paukenmotiv« bezeichnet; am Ende verlegt Beethoven sie tatsächlich
                             unmittelbaren Nachbarn an. Musikwissenschaftler haben dafür        in die Pauke. Gelegentlich erzwingt das Motiv ein Crescendo, ohne der seligen
                             eine ganze Reihe von Erklärungen bemüht, die von beglücken-        Dur-Idylle ernsthaft etwas anhaben zu können. Nur kurzzeitig wendet sich die
                             den Liebschaften und einer damit einhergehenden Phase der          Musik nach Moll, führt nach einem Geigenintermezzo aber zurück ins Licht.
                             musikalischen Entspannung bis zu finanziellem Kalkül rei-              Das derbe Scherzo lebt von der Spannung zwischen dem Dreiertakt und
                             chen. Dokumentiert ist jedenfalls, dass Beethoven nach einem       einem thematischen Gedanken, der nicht in diesen Takt passen will. Beethovens
                             im Voraus bezahlten Kompositionsauftrag des Grafen Franz           Kollege Hector Berlioz fand dafür eine schöne Formulierung: »Man empfindet
                             von Oppersdorff unter Zugzwang stand und statt der Fünften         ein Vergnügen daran zu sehen, wie der Takt zermalmt wird und sich doch am
                             zunächst die übersichtlichere Vierte Sinfonie vollendete, um       Ende jeder Periode wieder ganz herstellt; wie die musikalische Rede, vorüber-
                             der Bestellung nachkommen zu können. Vermutlich war es ihm         gehend widersinnig geworden, doch zu einem befriedigenden Schluss gelangt.«
                             auch ganz recht, sich selbst und dem Publikum nach der Eroica      Im Trio liefern sich Streicher und Holzbläser dann einen reizvollen melodischen
                             etwas Entspannung zu gönnen.                                       Schlagabtausch.
                                 Die von Schumann konstatierte »Schlankheit« lässt sich in          Im rastlosen Finale steht die Freude an der Bewegung im Vordergrund. Sech-
Ludwig van Beethoven, 1804   mehrfacher Hinsicht nachvollziehen. Die Sinfonie dauert nur        zehntelketten und eine stets pulsierende Begleitung treiben die Musik voran.
                             etwa halb so lange wie ihre Schwesternwerke. Auch die Instru-      Dazu überstürzen sich die melodischen Ereignisse; fortwährend wendet sich
                             mentierung ist sehr reduziert; gerade die Holzbläser setzt Beet-   das Orchester dieser und jener Idee zu, sodass es schwer fällt, sich in diesem
                             hoven fast kammermusikalisch ein. Die motivisch-thematische        musikalischen Strudel überhaupt an so etwas wie Themen festzuhalten.
                             Arbeit ist längst nicht so ausufernd angelegt wie in anderen           Diese charmante Vierte Sinfonie war vor allem bei den Frühromantikern
                             Werken. So charakterisierte die Allgemeine Musikalische Zei-       beliebt, neben Schumann etwa bei Felix Mendelssohn Bartholdy, der sie auf das
                             tung die Sinfonie denn auch als »heiter, verständlich und sehr     Programm seines Einstandskonzertes als Kapellmeister am Leipziger Gewand-
                             einnehmend«.                                                       haus setzte. Offenbar schätzten sie die Eleganz, mit der Beethoven hier den
                                 Von diesen Charakterzügen ist zu Beginn allerdings nichts      klassischen Formenkanon handhabt, wie er im Rahmen des etablierten Systems
                             zu spüren. Dunkel und nachdenklich wölbt sich die langsame         größte Freiheiten gewinnt, anstatt es – wie in der Eroica oder in der Neunten –
                             Einleitung. Achten Sie darauf, wie der Liegeton der Bläser seine   radikal infrage zu stellen.
                             Färbung verändert, obwohl nicht er sich bewegt, sondern die                                                                  CLEMENS MATUSCHEK
                             Streicher. Zögernd, wie schlaftrunken, tasten sich die Violinen
                             voran. Schon möchte man wieder in die Kissen zurücksinken
                             – da klingelt der Wecker, der Komponist springt hellwach aus
                             dem Bett, los geht’s!
BEI UNS
                 Dienstag, 21. März 2017 | 20 Uhr | Elbphilharmonie Großer Saal
     SIND        19 Uhr | Einführung mit Lars Entrich im Großen Saal

     SIE
    IMMER        ORQUESTA SINFÓNICA SIMÓN BOLÍVAR
    AN DER       DE VENEZUELA
    ALLER-       DIRIGENT GUSTAVO DUDAMEL

    ERSTEN       Ludwig van Beethoven (1770–1827)

  ADRESSE        Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 67 (1804–1808)
                 Allegro con brio

 FÜR GUTEN       Andante con moto
                 Allegro

WEIN AUS         Allegro
                 ca. 35 Min.

DER GANZEN       Pause

WELT!
                 Ludwig van Beethoven
                 Sinfonie Nr. 6 F-Dur op. 68 »Pastorale« (1807–1808)
                 Erwachen heiterer Empfindungen bei der
                   Ankunft auf dem Lande: Allegro ma non troppo
                 Szene am Bach: Andante molto moto
                 Lustiges Zusammensein der Landleute: Allegro
                 Gewitter, Sturm: Allegro
                 Hirtengesang – Frohe und dankbare Gefühle nach dem Sturm: Allegretto
                 ca. 40 Min.

FORDERN SIE      Das Konzert wird aufgezeichnet und am Sonntag, 21. Mai 2017

JETZT GRATIS     ab 11 Uhr auf NDR Kultur ausgestrahlt.

UNSEREN NEUEN    Das Konzert wird im Live-Stream auf www.elbphilharmonie.de/worldwide
                 übertragen und bleibt im Anschluss dort abrufbar.

WEIN-KATALOG     Gefördert durch die Stiftung Elbphilharmonie

AN UNTER TEL.
04122 50 44 33
S I N FO N I E N N R . 5 + 6

                           KOMPONIEREN MIT LEGOSTEINEN
                           Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 67                                             Die Wucht des vorandrängenden Kopfsatzes stockt nur ein einziges Mal: An
                                                                                               der Nahtstelle von Reprise (Wiederholung des Anfangsteils) und abschließender
                           »So pocht das Schicksal an die Pforte!« Beethovens Sekretär         Coda nimmt sich die Oboe Zeit für eine kleine Kadenz. Im rechteckigen Lego-Bau
                           und Biograf Anton Schindler hat diesen Satz überliefert. Und        ist dies die einzige »runde« Stelle. Sie nimmt die Atmosphäre des zweiten Satzes
                           obwohl niemand weiß, bei welcher Gelegenheit der übereifrige        vorweg, der mit seiner innigen Melodie einem beschaulichen Spaziergang gleicht.
                           Protokollant ihn aufgeschnappt hat oder ob er ihn am Ende gar            Der dritte Satz tritt zunächst auf der Stelle. Die Streicher wirken unruhig,
                           selbst erfunden und seinem Chef bloß in den Mund gelegt hat,        suchend, fragend. Die »Antwort« ertönt in Form einer militärisch-zackigen
                           prägt er seither das Bild Beethovens und seiner Fünften Sinfo-      Fanfare, deren Rhythmus eindeutig auf das Motiv des ersten Satzes verweist.
                           nie, der »Schicksalssinfonie«. Er passt ja auch so schön ins Bild   Den Mittelteil bildet dann eine Fuge – wobei sich Beethoven zwischendrin den
                           des grimmigen Künstlergenies, das mit seiner aufkommenden           Scherz erlaubt, das ruppige Thema der tiefen Streicher mehrfach unvermittelt
                           Taubheit hadert und »dem Schicksal in den Rachen greifen« will.     abbrechen zu lassen, als ob die Musiker sich verspielen würden.
                           Aus dieser Rezeptionshaltung heraus sind Statuen wie diese               Mindestens so genial wie der Kopfsatz ist dann der Übergang ins Finale. Die
                           entworfen worden, die vor dem Bonner Beethoven-Haus steht.          Musik zieht sich bis ins Pianissimo zurück, scharrt mit den Hufen und scheint
                           Dabei lohnt es sich, die Patina und das Pathos abzukratzen und      nur auf den passenden Moment zu lauern, um ins strahlende Fortissimo aus-
                           zu schauen, was es mit der Musik und dem berühmten »Klopf-          zubrechen. Zudem kippt die Musik vom finsteren Moll des Kopfsatzes in helles
                           motiv«, das jeder kennt und sofort mit ernster klassischer Musik    Dur – eine Pointe, die als »per aspera ad astra« (wörtlich: durch das Raue zu den
                           assoziiert, wirklich auf sich hat.                                  Sternen oder sinngemäß: durch die Finsternis zum Licht) zu einem der wichtigs-
                               Worin besteht eigentlich Beethovens Genialität? Das Motiv       ten ästhetischen Konzepte des Abendlandes geworden ist. Auch das Lego-Motiv
                           aus drei Achteln und einer Halben ist an sich ja nichts Besonde-    des ersten Satz kehrt hier – leicht abgewandelt – in strahlender Form zurück.
                           res; Haydn benutzt es schon 1765 in seiner 28. Sinfonie. Nun, die   Nicht zufällig hat die schmissige Musik ihre Vorbilder in den Freiheitsliedern
                           Genialität besteht darin, einen ganzen Satz ausschließlich aus      der Französischen Revolution, die den glühenden Republikaner Beethoven
                           diesem einen Motiv heraus zu entwickeln. In fast jedem der 500      begeisterte. Auf diesen Zusammenhang verweisen auch einige typische Mili-
                           Takte des Kopfsatzes ist es zu hören. Beethoven komponiert, wie     tärinstrumente, die bis dato noch nie im Konzertsaal zu hören waren und die
                           Kinder mit Legosteinen bauen – mit dem Unterschied, dass er         Beethoven gewissermaßen als Spezialeffekt verwendet. Stolz schreibt er dem
                           seine Bausteine immer selbst erfindet.                              Widmungsträger, Graf Oppersdorff: »Der letzte Satz ist mit Piccoloflöte und drei
                               Auch die Eroica-Sinfonie (Dreiklang) oder das Violinkon-        Posaunen besetzt – zwar nicht drei Pauken, wird aber mehr Lärm machen als
                           zert (vier Viertel) basieren auf denkbar simplen musikalischen      sechs Pauken, und zwar besseren Lärm.«
                           Klötzchen, und auch bei diesen beiden Werken ist Beethoven so            Die Uraufführung der Fünften Sinfonie im Jahr 1808 war allerdings ein legen-
                           zuvorkommend, uns ganz zu Beginn sein Material einmal iso-          däres Desaster. Das Konzert fand im Dezember bei sibirischen Temperaturen
                           liert vorzustellen, bevor er es ineinandergreifen lässt und damit   im ungeheizten Theater an der Wien statt. Das in Pelzmäntel gehüllte Publikum
                           atemberaubende Konstruktionen auftürmt. Doch so konsequent          zitterte sich ganze vier Stunden lang durch ein wahres Mammutprogramm, denn
                           wie in der Fünften ist das Verfahren selten zu besichtigen. Die     Beethoven hatte es sich in den Kopf gesetzt, einen Großteil der Werke aufzu-
                           erste »Melodie« beispielsweise entsteht zunächst nur durch das      führen, an denen er zuletzt parallel gearbeitet hatte: die Fünfte und Sechste
                           Aneinanderreihen des Motivs auf verschiedenen Tonhöhen, dann        Sinfonie, das Vierte Klavierkonzert, Auszüge aus Chorwerken und mehr. Kein
Beethoven-Statue vor dem   durch die Erweiterung der drei gleichen Achtel auf verschiedene     Wunder, dass einem zeitgenössischen Rezensenten zur Fünften lediglich zwei
Bonner Beethovenhaus       Tonhöhen und schließlich durch die Verknüpfung des Motivs zu        Wörter einfielen: »zu lang«. Dafür wurde ihr gut 100 Jahre später die Ehre zuteil,
                           endlosen Achtelketten. Selbst die Begleitung des schlichten         als erstes Orchesterwerk überhaupt auf Schallplatte aufgenommen zu werden:
                           Gegenthemas gestaltet Beethoven mit dem Ausgangsmotiv.              1913, von den Berliner Philharmonikern.
S I N FO N I E N N R . 5 + 6

KÜHE IM FAGOTT                                                                             Plötzlich aber reißt die fröhliche Tanzmusik jäh ab. Ein
                                                                                      Gewittersturm zieht auf. Im Streichertremolo braut sich Unheil
Sinfonie Nr. 6 F-Dur op. 68 »Pastorale«                                               zusammen, Blitze zucken durch die Geigen und die Pauke lässt
                                                                                      einen Donnerschlag nach dem nächsten durch den Saal rollen.
»Pastoral-Sinfonie, oder: Erinnerung an das Landleben. Mehr Ausdruck der              Aus meteorologischer Sicht ist Beethoven damit Vivaldis Som-
Emfindung als Malerei.« So lautet der vollständige Titel von Beethovens Sechs-        mersturm weit voraus, und Wagners Fliegender Holländer ist
ter Sinfonie, und der Komponist legte größten Wert darauf, dass er auf dem            nicht mehr weit. Schließlich beruhigen sich die Naturgewalten
Deckblatt der Partitur vollständig abgedruckt wurde. Offenbar ahnte Beethoven         und weichen dem Lied eines erleichterten Hirten, das auf den
bereits, auf welch dünnes Eis er sich mit einer so konkreten Überschrift begeben      Dankgesang in Beethovens Streichquartett op. 132 vorausweist.
hatte, die er im Nachsatz quasi gleich wieder relativierte. Tatsächlich sah er sich        Beethoven selbst war ein großer Naturliebhaber. Schon
einer ästhetischen Grundsatzfrage gegenüber, die noch lange nach seinem Tod           damals muss in der Stadt ein infernalischer Lärm von Hand-
für hitzige Debatten sorgen sollte.                                                   werkern, Pferdehufen und Marktschreiern geherrscht haben,
    Die Frage ist: Muss Musik immer für sich stehen, als abstraktes Kunstwerk         vor dem er nur allzu gerne in die Umgebung von Wien flüchtete.
zum Selbstzweck? Diese Position einer »absoluten Musik« vertraten später etwa         »Mein Dekret: nur auf dem Lande bleiben«, notierte er einmal.
Johannes Brahms oder der einflussreiche Kritiker Eduard Hanslick. Oder darf,          »Mein unglückseliges Gehör plagt mich hier nicht. Ist es doch,
soll, muss Musik etwas ausdrücken, ein Gefühl, eine Szenerie, eine Roman-             als ob jeder Baum zu mir spräche auf dem Lande: heilig, heilig!
handlung? Eine solche »Programmmusik« favorisierten Komponisten wie Hector            Im Walde Entzücken! Wer kann alles ausdrücken? Leicht bei
Berlioz, Franz Liszt, Richard Strauss oder Richard Wagner – der am Ende konse-        einem Bauern eine Wohnung gemietet, um die Zeit gewiss wohl-
quenterweise nur noch Musik mit Inhalt schrieb, Opern nämlich. Kurioserweise          feil. Süße Stille des Waldes!« Kein Wunder, dass er das Bedürf-
beriefen sich beide Fraktionen (auch) auf Beethoven. Die eine rühmte seine kon-       nis verspürte, seinen Empfindungen und Beobachtungen in dem
struktivistische Kompositionsweise etwa in den Sinfonien 3 und 5 als Ausdruck         ihm eigenen Metier, der Musik eben, Ausdruck zu verleihen.
höchster Genialität. Die andere zog eine direkte Linie von Vivaldis Vier Jahres-           Vielleicht ist Beethoven in seinem Mitteilungsbedürfnis dabei
zeiten über Haydns Schöpfung bis hin zur Pastorale, der »Natur-Sinfonie«.             ein wenig über das Ziel hinausgeschossen – wie jemand, der
    Dass Beethoven bei der Komposition tatsächlich sehr konkrete Bilder vor           seine Freunde mit einem ganzen Schwall von Urlaubsbildern
Augen hatte, zeigen schon die Satzüberschriften. Wo sonst nur italienische            »beglückt«. Insofern mutet auch sein Versuch, die Satztitel
Tempobezeichnungen zu lesen sind, ist hier von einer »Szene am Bach« die              rückwirkend zu relativieren, eher leicht verschämt an: »Man
Rede, vom »Lustigen Zusammensein der Landleute«, einem »Gewitter« und                 überlässt es dem Zuhörer, die Situationen auszufinden. Wer
einem »Hirtengesang«. Und nicht nur das: All diese Dinge kann man in der              jemals eine Idee vom Landleben bekommen hat, kann sich ohne          Ludwig van Beethoven, 1820
Musik wirklich direkt hören. So beginnt der zweite Satz mit dem leisen Murmeln        viele Überschriften selbst denken, was der Autor will.«
einer Quelle, die sich nach und nach zu einem munteren Bächlein entwickelt –               Der Schlüssel zu diesem Dilemma könnte im ersten Satz der
eine frühe Blaupause für Smetanas Moldau. Claude Debussy lästerte später, die         Sinfonie liegen. Schon sein Titel »Erwachen heiterer Empfin-
Fagotte stellten dann wohl die Kühe dar, die aus dem Bach tränken. Gegen Ende         dungen bei der Ankunft auf dem Lande« zeigt ja, dass hier kein
des etwa zwölfminütigen Satzes imitiert Beethoven sogar ornithologisch korrekt        Naturlaut porträtiert wird, sondern eine menschliche Emotion.
die Rufe von Nachtigall (Flöte), Wachtel (Oboe) und Kuckuck (Klarinette).             Entsprechend ließe sich die Musik durchaus auch als allgemein
    Auch die derben Bauerntänze der Landleute lassen sich bestens heraushö-           positiv gestimmt hören, ohne Bezug zum Landleben. Sie können
ren. Nach dem ersten schmetternden Einsatz der Hörner leistet sich Beethoven          im heutigen Konzert also entscheiden, ob Sie Beethovens musi-
einen seiner typischen Scherze: Die Oboe setzt mit ihrer tänzerischen Melodie         kalische Urlaubspostkarten als solche hören möchten – oder
leider einen Schlag zu früh ein – was auch die energischen Basstöne des Fagotts       als Spiegel eigener Erinnerungen, Stimmungen und Gefühle.
nicht auffangen können – und simuliert so einen Amateur-Dorfmusikus.                                                            CLEMENS MATUSCHEK
Sie können auch lesen