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vm Ve r b a nd s M a g a z i n Themen, Trends und Fakten der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft – VdW Rheinland Westfalen #1 0 2019 22 RUHR ACADEMY ON SMART 28 STUZUBI: RECRUITING-TAG METROPOLITAN TRANSFORMATION FÜR DEN BRANCHENNACHWUCHS 4 SCHWERPUNKT – MOBILITÄT UND WOHNUNGSWIRTSCHAFT Hin und weg – unterwegs im Quartier
Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird die männliche Personen bezeichnung gewählt. Die Angaben beziehen sich jedoch auf beide Geschlechter.
EDITORIAL 1 Etablierung der Elektromobilität für Wirtschaft und Gesellschaft – große Herausforderungen D ie Diskussionen über verkehrs- allgemeingültiges Konzept konnte bislang Foto: VIVAWEST bedingte Schadstoffbelastungen jedoch nicht entwickelt werden. in den Städten nehmen immer weiter zu. Durch Elektromobilität können Neben den Installationskosten sind die Be- Luftverschmutzungen reduziert, techno- reitstellungskapazitäten in der vorgelagerten logische Innovationen gefördert und neue Netzinfrastruktur und die Dimensionierung Geschäftsmodelle ermöglicht werden. Aus des jeweiligen Hausanschlusses ein begren- diesen Gründen wurde durch die Bundes- zendes Element. Oft werden hohe Leistungs- regierung das Ziel verabschiedet, dass bis bezüge von 11 kW oder 22 kW von Installa- zum Jahr 2020 eine Million Elektrofahrzeu- teuren von Ladeinfrastruktur gefordert. Dabei ge in Deutschland zugelassen sein sollen. können auch geringe Leistungsabnahmen Dieses Ziel wurde zwischenzeitlich auf das von 3,7 kW oder 4,6 kW für die Ladung von Jahr 2022 verschoben und entsprechende Elektro- oder Hybridfahrzeugen vollkommen Fördermittel bereitgestellt. Dies verdeut- ausreichend sein. Zudem ließe sich auf diese licht, dass die Etablierung der Elektromo- Weise die potenzielle Gefahr einer künftigen bilität politisch gewünscht, allerdings für Überlastung des Stromnetzes reduzieren. Des Wirtschaft und Gesellschaft mit großen Weiteren existieren derzeit viele unterschied- Herausforderungen verbunden ist. liche Ansätze bezüglich der Abrechnungsart und der benötigten Hardware. Gesetzliche „Die aktuellen Heraus In Deutschland ist derzeit kein flächende- Grundlagen sind teilweise undurchsichtig forderungen können ckendes Netz an Ladeinfrastruktur vorhan- oder nicht vorhanden. Aus diesen Gründen den, sodass Fahrtwege mit Elektro- oder ist in der Regel jede nachträgliche Installati- nur gemeinsam durch Hybridfahrzeugen auf vorhandene Lade- on von Ladeinfrastruktur an Wohngebäuden Politik, Verteilnetz möglichkeiten auszurichten sind und teil- insgesamt mit einem hohen Aufwand ver- weise erhebliche Umwege in Kauf genom- bunden. betreiber, Dienstleister men werden müssen. Zudem ist das Laden und letztendlich durch „unterwegs“ aufgrund der benötigten Lade- Das Thema Elektromobilität polarisiert. Woh- die Gesellschaft gelöst zeit nicht sonderlich alltagstauglich, sofern nungsunternehmen möchten ihren Kunden, das entsprechende Elektro- oder Hybrid- bei Bedarf auch durch Elektromobilität, einen werden“ fahrzeug über keine Schnelllademöglichkeit Mehrwert zum Grundbedürfnis Wohnen verfügt. Aus privater Sicht scheint daher das bieten. Dies aber nicht um jeden Preis. Die Laden tagsüber an der Arbeitsstelle, insbe- aktuellen Herausforderungen können nur ge- sondere jedoch über Nacht am Wohnsitz meinsam durch Politik, Verteilnetzbetreiber, ein zielführender Lösungsansatz zu sein. An Dienstleister und letztendlich durch die Ge- dieser Stelle erhält die Wohnungswirtschaft sellschaft gelöst werden. Die Wohnungswirt- eine wichtige Rolle. schaft kann hier ihren Teil beitragen – aber nur dann, wenn dies auch mit der notwen- Bei Neubaumaßnahmen sollten durch digen Zahlungsbereitschaft der Endkunden Wohnungsunternehmen mit Blick auf verbunden und damit für Wohnungsunter- Artikel 8 der EU-Richtlinie 2018/844 zur nehmen wirtschaftlich darstellbar ist. Gebäudeeffizienz bereits entsprechende Lademöglichkeiten geschaffen bzw. ge- Dr. Rainer Fuchs plant werden. Im Rahmen von Modernisie- rungsmaßnahmen wird Ladeinfrastruktur Bereichsleiter Strategie oftmals nur bei konkretem Bedarf oder Vivawest Wohnen GmbH und bei entsprechenden Parkplatzsituationen Vorsitzender des VdW-Arbeitskreises installiert. Ein für die Wohnungswirtschaft „Neue Mobilität“ 10/2019 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
2 INHALT 4 16 22 Hin und weg – 13. Bundeskongress Nationale Ruhr Academy on Smart Unterwegs im Quartier Stadtentwicklungspolitik 2019 Metropolitan Transformation SCHWERPUNKT AKTUELLES 4 Hin und weg – 16 13. Bundeskongress Nationale 26 Denkmäler mit Leben füllen Unterwegs im Quartier Stadtentwicklungspolitik 2019 Tag des offenen Denkmals 2019 Schwerpunkt Smart, solidarisch, resilient: Wie gestalten wir die Zukunft in 27 Wohnungsbau braucht 6 Bausteine einer intelligenten Stadt und Land? bürgerschaftliche Akzeptanz Mobilität am Wohnort Regionalgespräch Allianz für mehr 8 „Die Elektromobilität ist bei 17 Wohn- und Mietenpaket Wohnungsbau NRW Beschluss der Bundesregierung den Menschen angekommen“ Interview mit Prof. Dr. Andreas vom 18. August 2019 28 Junge Azubis über Karrieremöglich- keiten in der Wohnungswirtschaft Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und 18 Sommerfest der Landesvertretung Recruiting-Tag für den NRW in Berlin Branchennachwuchs Energie des Landes Nordrhein- Ein Stück nordrhein-westfälische Westfalen Heimat in der Bundeshauptstadt AKTUELLES RLP 9 „Mobilität ist ein Faktor, 19 Kampagne für bezahlbares Wohnen ob man sich für oder gegen Wohnwende-Kampagne der eine Wohnung entscheidet“ Wohnungswirtschaft 30 Gründung kommunaler Wohnungs- baugesellschaften – Kooperation von Interview mit Hendrik Wüst, Kommunen und Wohnungswirtschaft Minister für Verkehr des Landes Renaissance des kommunalen Nordrhein-Westfalen AKTUELLES NRW Wohnungsbaus auch in Rheinland-Pfalz 10 „Der Autobesitz wird faktisch 20 Sommerstimmung statt Schreibtisch 31 Bauforum Rheinland-Pfalz tagte in zur Norm erhoben“ Sommerfest der Wohnungswirtschaft Ludwigshafen Interview mit Prof. Dr.-Ing. Volker Gesellschafterversammlung Blees, Fachbereich Architektur und 22 Ruhr Academy on Smart Bauingenieurwesen, Hochschule Metropolitan Transformation RheinMain Gemeinsamer Letter of Intent: Landesregierung, Wohnungs- und VdW-ARBEITSKREISE 11 Gestaltungschancen aktiv nutzen Immobilienwirtschaft, Wissenschaft Regelungen zu den Stellplätzen in und Kommunen bündeln ihre Kräfte Nordrhein-Westfalen 32 Lübecker Lehrstücke 24 Gut vernetzt für die Zukunft montan- Verbandsübergreifender AK Marketing 12 Steuerliche Aspekte neuer Mobilität industriell geprägter Quartiere im Einkommens- und Ruhrgebiet 33 Arbeitskreis Wohnungswirtschaft 4.0 Körperschaftsteuer tagt in Berlin Bereisung und Workshop des Fragen und Antworten zur Projektes „Wohnen auf Kohle“ 14 Immer in Bewegung Digitalisierung Praxisbericht: Mobilität bei der Allbau GmbH 10/2019 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
INHALT 3 30 36 46 Renaissance des kommunalen 125 Jahre gemeinnützige IFA 2019: Künstliche Intelligenz, Wohnungsbaus auch in Baugemeinschaft eG Bad Kreuznach 5G-Netzausbau und Sprachsteue- Rheinland-Pfalz rung auf dem Vormarsch TERMINE 2019 TECHNIK UND MULTIMEDIA 34 Arbeitskreis „Generationen- 37 Termine 2019 44 Neue Sanierungslösungen: gerechtes Wohnen“ in Köln klimaneutral zu erschwinglichen Zweite Sitzung des Arbeitskreises Kosten „Generationengerechtes Wohnen“ STEUERN Energiesprong-Initiative in Deutschland 38 Abgabesatz bleibt 2020 bei Bundesministerium für Verkehr und VERBAND UND GREMIEN 4,2 Prozent (BMAS) digitale Infrastruktur startet vierten Künstlersozialversicherung Förderaufruf Ladeinfrastruktur 34 Ulrich Küppers verstorben Kaufpreisaufteilung für ein Neue Mobilität Nachruf bebautes Grundstück Einkommensteuer 45 Bezahlbarer und klimagerechter Wohnraum ARBEITSGEMEINSCHAFTEN 39 Die Wohnungseigentumsgemein- KlimaDiskurs.NRW e. V. schaft (WEG) im Steuerrecht Umsatzsteuer 46 IFA 2019: Künstliche Intelligenz, 35 Wer bezahlbar bauen soll, 5G-Netzausbau und Sprachsteue- braucht Grundstücke Ergebnisabführungsvertrag rung auf dem Vormarsch Wohnungspolitisches Vermietungsgenossenschaft Trends greifen und erleben Gespräch Trier 40 Verdeckte Gewinnausschüttung bei Mietenstopp FÜR SIE GELESEN JUBILÄEN Körperschaftsteuer/Gewerbesteuer 47 Neues Wohnen und Mobilität 36 Mit Tradition und Verantwortung RECHT Trendwende in der Fortbewegung? in die Zukunft 125 Jahre Gemeinnützige Bau- gemeinschaft eG Bad Kreuznach 41 Herbstveranstaltung des SEMINARE Deutschen Mietgerichtstags UKBS ehrt „Helden der Neues aus Berlin Wohnungswirtschaft“ 47 Seminare im Oktober Ehrennadel an Dirk Grünewald 42 Kappungsgrenze: Berechnung und November 2019 vergeben nach geminderter Miete? Mietrecht 43 Zuständigkeit für die Kündigung eines Vorstandsanstellungsvertrages Genossenschaftsrecht 10/2019 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
4 SCHWERPUNKT – MOBILITÄT UND WOHNUNGSWIRTSCHAFT – HIN UND WEG Unterwegs im Quartier F rüher war es irgendwie einfacher: Das eigene Auto war das gesellschaft- lich anerkannte und legitimierte Ver- kehrsmittel der Wahl, abgestellt wurde es in der Garage, auf dem Stellplatz oder im öf- fentlichen Raum – auf jeden Fall aber gleich vor der Haustür. Foto: scusi – stock.adobe.com Aber gerade dort sieht die Realität heute anders aus. Veränderte Mobilitätsbedürf- nisse, insbesondere jüngerer Generationen, Anforderungen aus dem Klimaschutz, sen- sibler Umgang mit Flächenversiegelung und -nutzung sowie die Forderung nach Entlas- tungsquartieren jenseits der großen Metro- polen tragen zunehmend zur Diskussion von Mobilitätsfragen in der Wohnungswirtschaft Gaspedal für die E-Mobilität bei. Politik, Gesellschaft, Mieter und Mit- Mit besonderem Nachdruck wird derzeit die Mängel bei Ladeinfrastruktur und Ladedauer glieder konfrontieren die Branche mit dem Elektromobilität vorangetrieben, vor allem sind die Hauptgründe, die bei Befragungen Wunsch, gesamte Quartiere mobil zu halten das NRW-Wirtschaftsministerium lockt mit gegen die Anschaffung eines E-Autos ins oder zumindest an den Voraussetzungen attraktiven Förderprogrammen. Da Lade- Feld geführt werden. Verbreitet ist zudem für eine klimafreundliche, alltagstaugliche vorgänge für E-Autos besonders praktikabel die Skepsis gegenüber dem technologischen und multimodale Mobilität von Mietern und erscheinen, wenn sie über Nacht im Um- Reifegrad und der Umweltbilanz. Mitgliedern aktiv mitzuwirken. feld der eigenen Wohnung vorgenommen werden können, verwundert es kaum, dass Durchwachsenes Fazit Eine ungewöhnliche und ungewohnte die Wohnungswirtschaft hier als attrakti- Mit Blick auf diese zurückhaltende Akzep- Aufgabe für Wohnungsunternehmen und ver Partner erscheint. Doch trotz massi- tanz und den bislang geringen Durchdrin- -genossenschaften, deren Kernkompetenz ver Förderung und einem grundsätzlichen gungsgrad von E-Autos in Deutschland – bis traditionell in der Errichtung und der Be- Optimismus, was die Entwicklung der E- zum Jahr 2020 sollte eine Million Elektrofahr- wirtschaftung von Wohngebäuden liegt. Wie Mobilität angeht: Die Vorbehalte der poten- zeuge in Deutschland zugelassen sein, im können geeignete Lösungen aussehen? ziellen Nutzer sind derzeit noch groß. Hohe Januar 2019 waren es 83.200 – erklärt sich die Anschaffungskosten, geringe Reichweite und bislang eher verhaltene Reaktion der Woh- Ein Fünftel ist für den Kauf eines E-Autos Derzeitige Vorbehalte gegen den Erwerb von aufgeschlossen Elektrofahrzeugen Frage: „Käme es für Sie infrage, in den nächsten Jahren ein Elektroauto zu kaufen, Frage: „Einmal unabhängig davon, ob ein Elektroauto für Sie infrage käme: Was von oder käme es für Sie nicht infrage?“ dieser Liste spricht in Ihren Augen dagegen, sich zurzeit ein Elektroauto zu kaufen?“ Bevölkerung Potenzial für Unentschieden insgesamt Elektrofahrzeuge Käme infrage Altersgruppen Die Kosten für die Anschaffung eines Elektroautos sind zu hoch 74 % 76 % Die Reichweite von Elektroautos ist zu gering 66 % 66 % 16- bis 29-Jährige 1% 18 % 21 % Es gibt zu wenig Ladestationen für Elektroautos 60 % 66 % 23 % Das Aufladen von Elektroautos dauert zu lange 54 % 53 % 30- bis 44-Jährige Die Antriebstechnik von Elektroautos ist noch nicht ausgereift 49 % 52 % Käme nicht 22 % Es ist fraglich, ob Elektroautos wirklich umweltfreundlicher sind 48 % 39 % infrage Die Ladestationen liegen oft ungeschickt bzw. sind nicht gut 31 % 33 % 60 % 45- bis 59-Jährige erreichbar 29 % Die Ladestationen sind oft schwierig zu bedienen 13 % 12 % Das Bezahlsystem an den Ladestationen ist nicht einheitlich 12 % 15 % 60-Jährige und Ältere 14 % Bei Elektroautos kommt kein typisches Fahrgefühl auf, 10 % 6% Habe bereits z. B. keine Motorengeräusche ein Elektroauto Nichts davon 9% 3% Basis: Bundesrepulik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre / Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 12.000 Basis: Bundesrepulik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre / Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 12.000 10/2019 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
MEHR ALS E-MOBILITÄT 5 nungsunternehmen und -genossenschaften Voraussetzungen zu berücksichtigen. Nicht zur Verfügung stehen und nutzerfreundlich wenn es um die großflächige Verlegung von jede Mobilitätsform passt in Quantität und kommuniziert und angeboten werden. Leerrohren, die Installation von Ladesäulen Qualität zu jedem Quartier. Manchmal kön- oder die Anschaffung und Bereitstellung nen schon einige niedrigschwellige Lösun- Die Erreichbarkeit von Angeboten des Öf- von E-Fahrzeugen geht. Nicht zuletzt weil gen, die jedes Wohnungsunternehmen und fentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) der Betrieb für Mieter und Vermieter auch jede Wohnungsgenossenschaft in Eigenregie spielt hier eine entscheidende Rolle. Im wirtschaftlich und zukunftsfähig darstellbar umsetzen kann, zu deutlichen Optimierun- zugigen Wartehäuschen auf den zweimal pro sein muss. In der Bewertung des künftigen gen führen. Tag verkehrenden Bus zu warten, wird passi- Potenzials von Elektromobilität ist außer- onierte Autofahrer ebenso wenig locken wie dem zu berücksichtigen, dass der Umstieg So kann beispielsweise eine verbesserte der Gedanke an überfüllte Straßenbahnen, von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor Fußverkehrsfreundlichkeit zu mehr Aufent- deren Abfahrtszeiten allenfalls als Nähe- auf solche mit alternativen Antrieben zwar haltsqualität und Sicherheit beitragen. Dazu rungswerte zu betrachten sind. einen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann, zählt die Zugänglichkeit der Wohngebäude aber nicht auf die Reduzierung von Autover- ebenso wie Abstellflächen für Rollatoren und Ist der Zug abgefahren? kehr generell einzahlt. Hier liegt jedoch der Kinderwagen. Saubere und beleuchtete We- Bestehende und eingefahrene Mobilitäts- Schlüssel zu einer höheren Aufenthalts- und ge und Eingangsbereiche vermitteln ebenso muster zu durchbrechen und zu verändern Lebensqualität in Quartieren, die sich auch Sicherheit wie die Trennung zwischen Geh- ist ein langwieriger Prozess, der stark von an Reisezeiten beispielsweise zum Arbeits- und Radwegen. Sitzbänke und Begrünung individuellen Komfortbedürfnissen und ho- platz oder alternativen Nutzungen bisheriger erhöhen Aufenthaltsqualität und Komfort. hem Kostenbewusstsein geprägt ist. Bei den Parkräume bemisst. aktuell genutzten Verkehrsmitteln dominiert Fahrradfreundliche Wohnquartiere können immer noch mit großem Abstand der PKW, Jenseits der E-Mobilität die Verwendung von Autos und Motorrädern gefolgt von Fahrrad und öffentlichem Nah- Eine attraktive und zukunftsfähige Mobilität positiv beeinflussen, belastende Emissio- verkehr. Dabei gibt es gravierende Unter- am Wohnort muss demnach auf mehreren nen reduzieren und schlussendlich auch schiede zwischen Stadt und Land. Diesen Säulen fußen, die zusammengenommen zu die Baukosten senken. Das Abstellen von Rahmenbedingungen sind auch Wohnungs- einer multimodalen und nachhaltigen Mobi- Fahrrädern sollte witterungsgeschützt und unternehmen und -genossenschaften ausge- litätskultur für alle Bewohnergruppen in al- diebstahlsicher möglich sein, ebenso sollte setzt, wenn sie Mobilitätslösungen entwi- len Phasen des Wohnlebenszyklus beitragen ausreichend Platz zur Verfügung stehen. ckeln und umsetzen – sei es aus eigener können. Sie besteht im besten Fall aus meh- Zum Thema Stellplätze sind allerdings die Überzeugungstäterschaft oder als Reaktion reren Bausteinen, die sich gegenseitig er- Kommunen gefragt. Mit der Ausgestaltung auf sich verändernde politische und gesell- gänzen und als integriertes Gesamtkonzept der Stellplatzsatzung steht ihnen ein flexibles schaftliche Willensbildung. Alleine können angelegt sind. Zielgröße sollte eine attraktive, Instrument zur verkehrlichen Ausgestaltung sie die viel beschworene „Verkehrswende“ verkehrliche Multimodalität sein, die eine bis auf Quartiersebene zur Verfügung (vgl. S. jedoch nicht schaffen. Verkehrliche Visionen Auflösung der gelernten PKW-Zentrierung 11). Hierbei sollte allerdings darauf geachtet auf kommunaler, Landes- und Bundesebene ermöglicht, das Auto als eine von mehreren werden, dass eine Reduzierung von PKW- gehören in den entsprechenden Ressorts Optionen zur Fortbewegung akzeptiert, aber Stellplätzen aber nur dann zum Erfolg führt, entwickelt und umgesetzt – unter Beteiligung ebenso gleichwertige Alternativen etabliert wenn ausreichende und für die Bewohner- der Wohnungswirtschaft. KS und anbietet. Dabei sind die individuellen struktur gleichwertige Mobilitätsalternativen Prioritäten der individuellen Mobilität Hemmnisse für die Veränderung des eigenen Frage: „Wenn es um Ihre eigene Mobilität geht, was ist Ihnen da besonders wichtig? Mobilitätsverhaltens Was von dieser Liste würden Sie nennen?“ Frage: „Und woran liegt es, dass Sie Ihre Mobilität nicht so gestalten können, wie Sie wollen? Was von dieser Liste würden Sie nennen?“ Mir ist besonders wichtig, Personen, die etwas an der Art, wie sie unterwegs sind, ändern dass ich möglichst flexibel und unabhängig bin 82 % wollen dass ich verlässlich bzw. planbar untwergs bin 71 % insgesamt Berufstätige Es ist einfach am bequemsten, das Auto zu benutzen 54 % 58 % dass ich möglichst sicher unterwegs bin 68 % Andere Möglichkeiten würden mich deutlich mehr Zeit kosten 36 % 43 % dass ich möglichst schnell ankomme 66 % Die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr ist schlecht 34 % 34 % Ich wohne auf dem Land, die Wege sind sehr weit 31 % 30 % dass es möglichst wenig kostet 54 % Andere Möglichkeiten sind mir zu teuer 28 % 28 % dass ich möglichst angenehm, komfortabel unterwegs bin 45 % Mein Arbeitsplatz ist weit von meinem Wohnort entfernt bzw. 28 % 39 % liegt ungünstig dass ich mich bewege bzw. an der frischen Luft bin 40 % Ich bin gesundheitlich eingeschränkt 15 % 6% dass es nicht voll ist, ich nicht unter vielen Menschen bin 31 % Andere Leute sind darauf angwiesen, dass ich sie fahre 12 % 12 % dass ich möglichst umweltfreundlich unterwegs bin 30 % Ich bin beruflich viel unterwegs, muss viel reisen 10 % 15 % Ich führe eine Fernbeziehung bzw. Familie oder Freunde wohnen 8% 7% dass ich etwas nebenher machen kann, z. B. arbeiten oder lesen 11 % weit weg Basis: Bundesrepulik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre / Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 12.000 Basis: Bundesrepulik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre / Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 12.000 10/2019 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
6 SCHWERPUNKT – MOBILITÄT UND WOHNUNGSWIRTSCHAFT – Bausteine einer intelligenten Mobilität am Wohnort Ein intelligentes Mobilitätskonzept am Wohnstandort braucht eine gelungene Mischung aus den richtigen Maßnahmen. Die wichtigsten Handlungsfelder, die dabei zu beachten sind und gleich- zeitig zu einer höheren Lebens- und Aufenthaltsqualität im Wohnumfeld beitragen, werden auf den folgenden Seiten veranschaulicht. Die Bausteine „Fußverkehrsfreundlichkeit“, „Fahrradfreundlichkeit“, „Öffentlicher Personennahverkehr“, „Autoreduziertes Wohnen“ sowie „Service & Kommunikation“ zeigen, an welchen Stellschrauben – von niederschwellig bis anspruchsvoll – Wohnungsunternehmen drehen können, um attraktive Mobilitätsange- bote für ihre Mieterinnen und Mieter zu schaffen – zugeschnitten auf die jeweils individuellen Rahmenbe- dingungen vor Ort. Dabei sollen die Bausteine nicht getrennt voneinander gedacht werden, sondern tragen gerade in ihrem Zusammenspiel zu einer multimodalen, nachhaltigen Mobilitätskultur bei. Quelle: VCD-Themenkompass – Intelligent mobil im Wohnquartier (S. 18 – 19) 10/2019 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
8 SCHWERPUNKT – MOBILITÄT UND WOHNUNGSWIRTSCHAFT – INTERVIEW MIT >> Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen „Die Elektromobilität ist bei den Menschen angekommen“ Prof. Dr. Andreas Pinkwart ist seit dem 30. Juni 2017 im Amt. Er sieht Nordrhein-Westfalen auf gutem Weg, zum führenden Standort der Elektromobilität aufzusteigen. Das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen hat daher ein Förderpaket geschaffen, das von der Beratung über die Anschaffung und Finanzierung von Fahrzeugen bis hin zum Aufbau der Ladeinfrastruktur reicht und das Fördervolumen für emissi- onsarme Mobilität auf 40 Millionen Euro im Jahr 2019 verdoppelt. Das Angebot ist breit aufgestellt und richtet sich sowohl an kleine Handwerksbetriebe als auch an große Flottenbetreiber, Kom- munen oder Privatpersonen. VM: Unter der Dachmarke „Elek- Foto: MWIDE NRW / F. Wiedemeier tromobilität.NRW“ und mit einem kontinuierlichen Ausbau der Förderkulisse treibt das NRW-Wirt- schaftsministerium die Entwicklung der E-Mobilität im Land voran. Wie lässt sich aus Ihrer Sicht die Entwicklung der E-Mobilität in NRW in den vergangenen Jahren beschreiben? Prof. Dr. Andreas Pinkwart: Die Elektro- mobilität ist bei den Menschen angekom- men. Was vor einigen Jahren noch als Ni- schenprodukt von wenigen Interessierten wahrgenommen wurde, hat sich mittler- einen die Modellvielfalt der Hersteller, zum VM: Welche Rolle spielen die weile zu einem eigenen Wirtschaftszweig anderen berichten uns Unternehmen und Wohnungsunternehmen und -genos- entwickelt. In jedem deutschen Auto ste- Kommunen von sehr langen Lieferfristen. senschaften im Land für den Erfolg der cken 30 Prozent Nordrhein-Westfalen Das stellt insbesondere Flottenbetreiber, E-Mobilität? – die Elektromobilität trägt einen großen die mit ihrer hohen Sichtbarkeit für die Teil dazu bei, dass diese herausragende Elektromobilität sehr wichtig sind, vor Pro- Prof. Dr. Andreas Pinkwart: Dem woh- Stellung unseres Landes für die Automo- bleme. nungsnahen Laden kommt eine zentrale bilindustrie noch weiter zunimmt. Rolle zu – und damit auch der Wohnungs- Eine weitere Herausforderung ist der Aus- wirtschaft. Als unmittelbare Schnittstelle Schon heute sind Elektrofahrzeuge eine bau der Ladeinfrastruktur. Dem begegnen ermöglicht sie ihren Mietern den Ein- echte Alternative. Mit seiner hohen Bevöl- wir mit der Förderung von Ladesäulen und stieg in eine emissionsfreie Mobilität. kerungszahl, seiner Infrastruktur und der Wallboxen – im öffentlichen Raum, zu Hause Verknüpft mit innovativen Mobilitäts- Vielfalt an Hochschulen und forschenden und beim Arbeitgeber. Denn klar ist: Elek- konzepten wie Carsharing, können die Unternehmen bietet Nordrhein-Westfa- tromobilität kann nur dann überzeugen, Wohnungsunternehmen zukunftsfähige len optimale Voraussetzungen, die Tech- wenn jeder schnell und einfach sein Fahr- Quartiere gestalten. Dicht besiedelten Ge- nologie weiterzuentwickeln und neue zeug laden kann. bieten mit Mehrfamilienhäusern müssen Anwendungen zu testen. wir in diesem Zusammenhang mehr Auf- Dazu zählt natürlich auch das Laden in merksamkeit schenken. Denn die techni- VM: Welchen Herausforderungen und Wohnquartieren. Hier arbeiten wir daran, schen Voraussetzungen, eine ausreichen- Hemmnissen steht die E-Mobilität in die technischen und rechtlichen Rahmen- de Ladeinfrastruktur zu schaffen, sind hier NRW derzeit gegenüber? bedingungen zu verbessern. Neben Lade- schwieriger als bei Einfamilienhäusern. möglichkeiten etwa in Tiefgaragen sehen Die professionelle Wohnungswirtschaft Prof. Dr. Andreas Pinkwart: Die größte wir aber auch in neuen, intelligenten La- sollte daher mit den Stadtwerken und Herausforderung zurzeit ist die Verfüg- dehubs eine Lösung, die wir voranbringen Netzbetreibern gemeinsam attraktive An- barkeit von Fahrzeugen. Dies betrifft zum möchten. gebote für ihre Mieter entwickeln. 10/2019 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
MEHR ALS E-MOBILITÄT 9 INTERVIEW MIT >> Hendrik Wüst, Minister für Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen „Mobilität ist ein Faktor, ob man sich für oder gegen eine Wohnung entscheidet“ Seit dem 30. Juni 2019 ist Hendrik Wüst Minister für Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen. Ziel der Landesregierung ist es, die Infrastrukturen in NRW zu sanieren, zu modernisieren und bedarfsgerecht auszubauen. Vernetzte Mobilität ist erklärtes Ziel des Landes. Um die anste- henden Aufgaben anzugehen, hat das Verkehrsministerium eine neue Abteilung eingerichtet: Sie rückt Zukunftsfragen der Mobilität in den Fokus, arbeitet daran mit, dass NRW zur Modell- region Mobilität 4.0 wird und hier zukunftsweisende Technologien erforscht, getestet und am besten auch produziert werden. VM: „Mobil in der Stadt“ ist eine Wohnung entscheidet. Wer gut wegkommt, Foto: Mark Keppler von sechs Projektideen für bessere bleibt da. Also, komme ich gut zur Arbeit? Mobilität im Ruhrgebiet, die das NRW- Dazu gehören eine gute Anbindung an den Verkehrsministerium im Rahmen der ÖPNV, Sharing-Angebote, sichere Radab- „Ruhr-Konferenz“ entwickelt hat. stellanlagen und gut ausgebaute Fuß- und U. a. soll es dabei auch um „Quartiers- Radwege. erschließung“ gehen. Was beinhaltet dieses Themenfeld genau? VM: Jeder Weg beginnt und endet i. d. R. vor der eigenen Haustür. Dort steht Hendrik Wüst: Die Maßnahmen des Pro- heute in den meisten Fällen immer noch jektvorschlags „Mobil in der Stadt“ erhö- der eigene Pkw. Wenn Sie Ihren Blick hen die Lebensqualität in den Städten. in die Zukunft richten: Wie wird sich Sie sollen das Ruhrgebiet mobiler, kli- die Mobilität entwickeln und welche mafreundlicher und attraktiver machen. Anbieter und Akteure werden daran Wir brauchen Mobilität, die flexibel, be- beteiligt sein? darfsgerecht und von allen nutzbar ist: mit einer guten ÖPNV-Anbindung und Hendrik Wüst: Den einen Verkehrsträger Sharing-Angeboten, gut ausgebauten Fuß- gibt es nicht mehr. Die Zukunft der Mobi- und Radwegen sowie ausreichend Fahr- lität vernetzt die Verkehrsträger auf Straße radstellplätzen. Intelligente Citylogistik- und Schiene. Der Nutzer entscheidet selbst, Konzepte sind ein weiterer Baustein zum welches für ihn das jeweils beste Angebot ist. lebenswerten Quartier. Depots im Stadtteil Er will eine leistungsstarke Mobilitätskette, Darüber hinaus nutzen wir auch die Chan- machen es möglich, dass Pakete zentral die seinen jeweiligen Bedarf schnell, kom- cen der Digitalisierung für einen besseren gesammelt und z. B. mit E-Lastenrädern fortabel und zuverlässig abdeckt. Deswegen ÖPNV. Die Leute steigen nur auf Bus und zugestellt werden. Dadurch sinkt die Ver- fördern wir z. B. Mobilstationen, die das Au- Bahn um, wenn das Angebot attraktiv kehrsdichte in den Wohnvierteln. to, die Bahn, das Rad und Sharing-Angebote ist. Das fängt schon beim Ticketkauf an. verknüpfen. Gerade die junge Generation lässt uns VM: Welchen Beitrag können die im die Unübersichtlichkeit bei den Tarifen VdW Rheinland Westfalen organisierten Ein Verkehrsträger ist in den letzten Jahren und Tickets nicht mehr durchgehen. Sie Wohnungsunternehmen und -genos- schon zur Hochkonjunktur aufgelaufen: Das können heutzutage zwar online eine Welt- senschaften mit ihren Quartieren zu Fahrrad ist heute nicht mehr wegzudenken – reise inklusive Flug, Hotel und Mietwagen diesem Themenfeld leisten? als eigenständiges Verkehrsmittel und als buchen. Aber versuchen Sie mal, am Auto- Teil von Mobilitätsketten. Pedelecs und E- maten ein Ticket von hier nach Euskirchen Hendrik Wüst: Die Bereitschaft, Mobilität Bikes führen heute dazu, dass Radverkehr zu buchen – dann wird’s interessant. Des- bei der Quartierserschließung von Anfang zum Pendlerverkehr wird, weil auch längere wegen wird es eine App für alle Tickets in an mitzudenken. Das kann auch im In- Strecken zurückgelegt werden können. Die NRW geben. Zum ersten Mal werden alle teresse der Wohnungsunternehmen und Landesregierung unterstützt diese Entwick- Tickets der Verbünde zusammen mit allen -genossenschaften sein. Mobilität ist ein lung. In diesem Jahr stehen 47 Millionen Varianten des NRW-Tarifs in einer App Faktor, ob man sich für oder gegen eine Euro für Radwege zur Verfügung. buchbar sein. 10/2019 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
10 SCHWERPUNKT – MOBILITÄT UND WOHNUNGSWIRTSCHAFT – INTERVIEW MIT >> Prof. Dr.-Ing. Volker Blees, Fachbereich Architektur und Bauingenieurwesen, Hochschule RheinMain „Der Autobesitz wird faktisch zur Norm erhoben“ Prof. Dr.-Ing. Volker Blees hat seit Mitte 2014 die Professur „Verkehrswesen“ im Fachbereich Architektur und Bauingenieurwesen an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden inne. Blees’ Schwerpunkte in Lehre, Forschung und Transfer sind innovative strategische Verkehrsplanun- gen auf kommunaler und regionaler Ebene, umwelt- und klimabezogene Mobilitätskonzepte, Mobilitätsmanagement in Schulen, Unternehmen und in der Stadtentwicklung sowie die Orga- nisation und Koordination von komplexen Planungsprozessen. VM: Verstopfte Straßen durch besagt im Grundsatz, dass zu jeder Wohnung Foto: Andreas Schlote ruhenden und fließenden Verkehr, auch ein eigener Stellplatz gehören muss. schlechte Luft und Parkplatzkampf Der Autobesitz wird so faktisch zur Norm sorgen für eingeschränkte Lebens- erhoben, und das prägt natürlich auch die qualität in Städten und Quartieren: gesellschaftliche Wahrnehmung. Kaum je- Alle klagen – und machen weiter wie mand realisiert daher, dass in Deutschland bisher. Warum fällt das Umdenken und 22 Prozent der Haushalte, in den Metropolen die Abkehr vom Auto so schwer? sogar 42 Prozent, kein Auto besitzen. Prof. Dr.-Ing. Volker Blees: Das Auto VM: Was muss passieren, damit sich wirk- war lange Zeit und ist auch heute noch lich etwas ändert? Welche Instrumente für Großteile der Bevölkerung ein Wohl- und Akteure sehen Sie in der Pflicht, standssymbol. Es transportiert ein Frei- wenn es um lebenswerte Städte und heitsversprechen, und nicht wenige Men- Quartiere geht? schen haben sich vollständig von ihm abhängig gemacht. Wer beispielsweise Prof. Dr.-Ing. Volker Blees: Wir müssen an VM: Welche Rolle spielen verkehrliche „ins Grüne“ oder auch nur in die Periphe- zwei großen Rädern drehen: am Verkehrs- Fragen für die Wohnungswirtschaft rie der Ballungsräume zieht, organisiert angebot und an der Mobilitätskultur. Das bei der Neuerrichtung von Quartieren sein Leben häufig ausschließlich auto- Verkehrsangebot muss so ausgebaut werden, aber auch im Bestand? Was sind mobil: Arbeitsplatz und Einkaufsstätten dass es auf möglichst vielen Wegen leichtfällt, Ansatzpunkte für eine zukunftsfähige sind faktisch nur mit dem Auto erreichbar das Auto stehen zu lassen. Das kann aber nur Mobilität? und die Kinder werden zu Schule und mit einem Mix der Verkehrsmittel gelingen: Hobby gefahren. Fällt das Auto – aus wel- Busse und Bahnen, Fahrrad, Carsharing, Prof. Dr.-Ing. Volker Blees: Der Woh- chen Gründen auch immer – aus, ist eine E-Tretroller usw. müssen so miteinander nungswirtschaft kommt eine bedeutende Teilnahme am gesellschaftlichen Leben vernetzt sein, dass man sie – wie das Auto Rolle bei der Mobilitätswende zu, da sechs kaum mehr möglich. Zur Verankerung – bequem, einfach und ohne groß nachzu- Siebtel aller Wege an der Wohnung begin- des Autos in der deutschen Rechtspraxis denken nutzen kann. Hier muss vor allem die nen oder enden und daher die Mobilitäts- möchte ich zwei Beispiele nennen, die öffentliche Hand zielorientiert und gestaltend ausstattung an der Wohnung prägend und auch die Wohnungswirtschaft betreffen. wirken. Kommunen müssen mehr Mut an bestimmend für das Mobilitätsverhalten Da ist zum ersten das Baugesetzbuch, den Tag legen, die Privilegien des Autos wie ist. Hier kann die Wohnungswirtschaft das – richtigerweise – vorschreibt, dass ein kostenlosen Parkraum anzutasten. Und an durch entsprechende Angebote zu einem Grundstück nur bebaut werden darf, wenn Bund und Ländern ist es zu prüfen, ob der Wandel der Mobilitätskultur beitragen. es verkehrlich erschlossen ist. In der Pra- bestehende gesetzliche Rahmen den Zielen Praktische Beispiele zur Nachahmung fin- xis wird dieser Erschließungsbegriff aber einer nachhaltigen Mobilität genügt. Die den sich aktuell in der Ergebnisdokumen- meist allein mit der Erreichbarkeit mit dem Mobilitätskultur zu verändern erfordert – wie tation des Projekts „Wohnen leitet Mobili- Auto gleichgesetzt – mit der Folge, dass jegliche kulturelle Entwicklung – Zeit und tät“ des Verkehrsclubs Deutschland (VCD). Wohngebiete ohne ÖPNV-Anbindung und einen langen Atem. Hier müssen öffentliche Zentral ist in diesem Zusammenhang die auch ohne sichere Fuß- und Radverkehrs- Hand und Verkehrsdienstleister noch besser Stellplatzfrage. Hier sollte die Wohnungs- anbindung entstehen, deren Bewohner verstehen, dass es mit der Bereitstellung eines wirtschaft darauf hinwirken, dass die Kom- faktisch zum Autofahren verurteilt sind. guten Verkehrsangebotes allein nicht getan munen die in der neuen Bauordnung NRW Ein zweites Beispiel ist die Stellplatzbau- ist, sondern das Angebot auch offensiv ver- gegebenen Möglichkeiten zur Reduzierung pflicht, die seit der Reichsgaragenordnung marktet werden muss. Und das bitte so, dass von Stellplatzbaupflichten auch tatsächlich von 1939 im Kern unverändert im deut- nicht nur die Ratio, das Hirn, angesprochen in ihre Satzungen aufnehmen, und diese schen Bauordnungsrecht verankert ist. Sie wird, sondern auch Bauch und Herz. dann auch selbst nutzen. 10/2019 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
MEHR ALS E-MOBILITÄT 11 REGELUNGEN ZU DEN STELLPLÄTZEN IN NORDRHEIN-WESTFALEN Gestaltungschancen aktiv nutzen M it der Rechtsverordnung und Foto: VdW Stellplatzsatzung halten Länder und Kommunen ein machtvolles Gestaltungsinstrument für die mobile Zu- kunft von Quartieren und ganzen Kommu- nen in der Hand. Denn die Rechtsverordnung und Stellplatzsatzungen regeln nicht nur die Anzahl der Stellplätze, sondern zeigen auch das Verständnis oder den Wunsch des Mi- nisteriums und der jeweiligen Kommune, wie sich Mobilität in Zukunft entwickelt oder entwickeln soll. Müssen tatsächlich für jeden Haushalt ein oder zwei Stellplätze vorgese- hen werden oder sollen besser Anreize ge- schaffen werden, vermehrt den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), das Fahrrad oder Carsharing-Angebote zu nutzen? Kann In vielen Quartieren dominiert ruhender Verkehr das Straßenbild das Lastenrad eine Alternative zum Auto in der Stadt sein? Welche Angebote könnten Stellplatzsatzung müssen daher zunächst nen Stellplatzsatzungen unterscheiden sich entwickelt oder ausgebaut werden, um Ver- alle maßgeblichen Faktoren erhoben und und sind vielfältig. Zwar folgen die Kommu- kehrsbelastungen zu reduzieren und werden bewertet werden. Sowohl die Länder als auch nen einem ähnlichen Grundkonzept, indem diese Angebote angenommen werden? die Kommunen gehen das Thema Stellplätze sie bei der Festsetzung der notwendigen Stell- unterschiedlich an. plätze auch weitere Mobilitätsfaktoren wie Stellplatzverordnung vom Land und beispielsweise die Versorgung mit ÖPNV, Gestaltungsspielraum für Kommunen Entwurf der Stellplatzverordnung Lage, Vorhandensein von Carsharing-An- Das für Bauen zuständige Ministerium regelt für Nordrhein-Westfalen in Arbeit geboten und Ähnliches berücksichtigen. gemäß § 48 Abs. 2 Satz 1 BauO NRW (Lan- Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Im Detail unterscheiden sich die einzelnen desbauordnung) durch Rechtsverordnung Bau und Gleichstellung des Landes Nord- Satzungen jedoch. So weichen die Anzahl die Zahl der notwendigen Stellplätze und rhein-Westfalen (MHKBG NRW) arbeitet der festgesetzten notwendigen Stellplätze, Näheres über Zahl, Größe und Lage von aktuell an einem Entwurf der Stellplatzver- die Bezugsgrößen (Wohnfläche/Bruttoge- Stellplätzen für Menschen mit Behinderun- ordnung, der anschließend in der Baukos- schossfläche/Anzahl Wohnungen), Höhe gen. Die Gemeinden können gemäß § 48 tensenkungskommission beraten werden der Anrechnung der einzelnen Mobilitäts- Abs. 3 BauO NRW unter Berücksichtigung soll. Der VdW Rheinland Westfalen wird sich faktoren voneinander ab. Teilweise wird zwi- der örtlichen Verkehrsverhältnisse in ei- in der Beratung für flexible Stellplatzschlüs- schen frei finanziert und öffentlich gefördert ner Stellplatzsatzung festlegen, ob und in sel einsetzen, die lediglich das Minimum differenziert. Einige Satzungen setzen allein welchem Umfang und in welcher Beschaf- erforderlicher Stellplätze festsetzen, weitere die Anzahl notwendiger Pkw-Stellplätze fest, fenheit bei der Errichtung, Änderung oder Mobilitätsangebote vor Ort berücksichtigen andere regeln zudem die Anzahl notwendiger Nutzungsänderung von Anlagen, bei denen und zwischen frei finanziertem und öffent- Fahrradabstellplätze. ein Zu- oder Abgangsverkehr zu erwarten ist, lich gefördertem Wohnraum differenzieren. geeignete Garagen oder Stellplätze für Kraft- Ausblick fahrzeuge und Fahrradabstellplätze errichtet Verschiedene Lösungsansätze Nun bleibt abzuwarten, welchen Inhalt der werden müssen, um den Erfordernissen des auf kommunaler Ebene Entwurf der Stellplatzverordnung des ruhenden Verkehrs zu genügen. Die He- Manche Kommunen in Nordrhein-Westfalen MHKBG NRW haben wird und ob sich die- rausforderung dabei ist zunächst, ein Mobili- haben bereits eine Stellplatzsatzung erlassen. ser als auch die Stellplatzsatzungen der tätskonzept vorzudenken und anschließend In Stellplatzsatzungen können gemäß § 48 Kommunen in der Praxis bewähren werden. dieses umzusetzen. Sicherlich unterscheiden BauO NRW beispielsweise auch Regelungen Das Land Nordrhein-Westfalen und auch sich die Anforderungen im städtischen und zur Herstellungspflicht, zum vollständigen die einzelnen Kommunen haben nun die im ländlichen Raum voneinander. Häufig ist oder teilweisen Verzicht auf die Herstellung, Chance, nicht nur Einfluss auf die Ausge- jedoch auch zusätzlich innerhalb der einzel- die Ablösung der Herstellungspflicht und die staltung von Bauvorhaben, sondern auch nen Kommunen nach Zonen oder Bereichen Anzahl notwendiger Stellplätze, die mit einer auf die verkehrliche Entwicklung zu neh- zu differenzieren. Beispielsweise ist die Tak- Vorbereitung der Stromleitung für die Ladung men, wobei die einzelnen Kommunen dif- tung des ÖPNV im Kernbereich einer Kom- von Elektrofahrzeugen versehen werden ferenziert auf örtliche Gegebenheiten und mune eine andere als in den Randbereichen. müssen, geregelt werden. Die konzeptionelle kommunale Entwicklungsstrategien einge- Vor Erlass der Rechtsverordnung oder einer Herangehensweise und Detailtiefe der einzel- hen können. ES 10/2019 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
12 SCHWERPUNKT – MOBILITÄT UND WOHNUNGSWIRTSCHAFT – EINKOMMENS- UND KÖRPERSCHAFTSTEUER Steuerliche Aspekte neuer Mobilität Die Förderung umweltfreundlicher Mobilität – insbesondere der E-Mobilität – ist ein wesentliches Ziel der Bundesregierung. Zur Senkung des Energieverbrauchs und Erreichung der erklärten Klima- schutzziele bis zum Jahr 2020 bzw. 2050 ist es unabdingbar, die richtigen Anreize für ein Umdenken im Individualverkehr zu setzen – auch in steuerlicher Hinsicht. Ein Überblick über bestehende und angedachte steuerliche Regelungen. Ticket für den ÖPNV (Jobticket) Foto: Halfpoint – stock.adobe.com Leistungen des Arbeitgebers für Fahrten des Arbeitnehmers zur ersten Tätigkeitsstätte mit öffent- lichen Verkehrsmitteln können gem. § 3 Nr. 15 EStG lohnsteuerfrei gewährt werden. Dies gilt für Fahrten im Linienverkehr und öffentlichen Personennahverkehr. Die Leistungen können in Form eines Zuschusses des Arbeitgebers zu Aufwendungen des Arbeitnehmers (Geldleistung) oder in Form von Sachbezügen (Übernahme der Kosten eines Job-Tickets) erfolgen. Auch hier gilt, dass Steuerfreiheit nicht im Fall einer Gehaltsumwandlung gewährt wird, sondern vielmehr eine zusätzli- che Leistung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer neben dem vereinbarten Lohn erbracht werden muss. Gewährte Geld- oder Sachleistungen sind vom Arbeitnehmer auf die Entfernungspauschale anzurechnen. (Elektro-)Fahrräder Foto: Halfpoint – stock.adobe.com Gemäß BMF-Schreiben vom 13.03.2019 fällt die Nutzungsüberlassung eines betrieblichen (Elekt- ro-)Fahrrades an Arbeitnehmer unter die Einkommensteuerbefreiung des § 3 Nr. 37 EStG, sodass keine Lohnsteuer für die Nutzung zu entrichten ist. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die erstmalige Nutzung nach dem 31.12.2018 stattgefunden hat und die Überlassung keine Gehalts- umwandlung darstellt. Ebenfalls darf das überlassene Fahrrad verkehrsrechtlich kein Kfz darstellen (elektrisch unterstützte Geschwindigkeit max. 25 km/h). Die dann greifende Steuerbefreiung des § 3 Nr. 37 EStG gilt jedoch nur für die laufende Nutzungsüberlassung; die (anschließende) Veräu- ßerung von E-Fahrrädern an Arbeitnehmer ist nach den allgemeinen lohnsteuerlichen Grundsätzen zu würdigen. Aktuell ist die Anwendung der Steuerbefreiung befristet bis zum 31.12.2021, eine Verlängerung der Regelung ist jedoch geplant (siehe Ausblick). Steuerfreiheit für das elektrische Aufladen Ebenfalls lohnsteuersteuerbefreit ist gem. § 3 Nr. 46 EStG das elektrische Aufladen eines privaten und betrieblichen Elektro- oder Hybridelektrofahrzeugs an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers oder eines verbundenen Unternehmens (§ 15 AktG). Dies schließt die gesamte Ladeinfrastruktur einschließlich Zubehör und hierzu erbrachter Dienstleistungen (z. B. Installation oder Inbetriebnahme) ein. Auch in diesem Fall muss die Leistung zusätzlich zum Arbeitslohn erfol- Foto: janifest – stock.adobe.com gen; Gehaltsumwandlungen sind von der Befreiung ausgenommen. Für Dienstfahrzeuge entsteht weder bei Anwendung der pauschalen 1-Prozent-Methode noch bei der Bewertung nach der sog. Fahrtenbuchmethode ein zusätzlicher geldwerter Vorteil für lohnsteuerfreie Leistungen (§ 3 Nr. 46 EStG) beim Arbeitnehmer. Die Befreiung gilt für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis 31.12.2020 – allerdings nur für Fahrzeuge und Pedelecs, die verkehrsrechtlich als Fahrzeuge eingestuft werden. 10/2019 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
MEHR ALS E-MOBILITÄT 13 Grafik: Trueffelpix – stock.adobe.com Elektrofahrzeuge Um den Umstieg auf umweltfreundlichere schen Listenpreis ein pauschaler Abzug (kWh- bestimmter Kosten für das Batteriesystem E-Fahrzeuge zu fördern, wurde der für die Wert Minderungsbetrag) vorgenommen, sofern aus der Bemessungsgrundlage nun gem. § 6 Dienstwagenbesteuerung von E-Fahrzeugen der Listenpreis Kosten für ein Batteriesystem Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 und 3 EStG vor, dass die (Elektro- oder Hybridelektrofahrzeuge) maß- enthielt. Diese Regelung war bei Zulassungen 1 %-Regelung halbiert wird, also statt 1 % nur gebliche pauschale Lohnsteuersatz von zuvor vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Dezember 2018 0,5 % vom Listenpreis eines Elektrofahrzeugs 1 % auf 0,5 % abgesenkt. anzuwenden. angesetzt wird. Erreicht wird dies durch eine Halbierung der Bemessungsgrundlage. Nach der bisherigen Regelung wurde bei Die Änderung bei der Förderung der Elek- E-Fahrzeugen vom maßgeblichen inländi- tromobilität sieht statt der Herausrechnung Wird die Fahrtenbuchregelung angewandt, führt die Neuregelung dazu, dass bei der Ermittlung der Gesamtkosten die Anschaf- fungskosten nur zur Hälfte angesetzt wer- den, sodass sich die Absetzung für Abnut- zung für das Fahrzeug halbiert. Wird das Fahrzeug angemietet oder geleast, fließen in Foto: gstockstudio – stock.adobe.com diesen Fällen nur die Hälfte der Miet- bzw. Leasingkosten in die Gesamtkosten ein. Die Neuregelung gilt aktuell noch für Anschaf- fungen nach dem 31. Dezember 2018 und vor dem 1. Januar 2022. Ausblick Die Bundesregierung hat am 31.07.2019 len demnach bis einschließlich 2030 verlängert Möglichkeit einer Sonderabschreibung von E- den Entwurf eines Gesetzes zur weiteren werden. Von der Verlängerung gleichermaßen Lieferfahrzeugen i. H. v. maximal 50 % bis 2030 steuerlichen Förderung der Elektromobili- betroffen ist auch die Steuerfreiheit für das geschaffen werden. tät und zur Änderung weiterer steuerlicher elektrische Aufladen von Fahrzeugen. Vorschriften veröffentlicht. Das Gesetz Es wird erwartet, dass der vorliegende Regie- fasst mehrere Anpassungen bereits beste- Daneben ist eine alternative Möglichkeit zur rungsentwurf zu den Gesetzesänderungen auch hender Vorschriften sowie weiterführende Steuerfreiheit von Jobtickets vorgesehen, die in dieser Form verabschiedet wird. In der Regel Regelungen u. a. zur Attraktivitätssteige- Lohnsteuer ab 2020 pauschal i. H. v. 25 % zu gelten diese dann ab dem Jahr 2020. CO rung von E-Mobilität zusammen. erheben, jedoch die Anrechnung auf die Entfer- nungspauschale entfallen zu lassen. Sowohl die Steuerbefreiung von (Elektro-)Fahr- rädern als auch die Anwendung der halbierten Flankierend soll auch die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage für die Privatnutzung Hinzurechnung von Leasingraten für E-Fahr- dienstlicher E-Fahrzeuge (0,5 %-Regelung) sol- zeuge halbiert werden und mit § 7c EStG-E die 10/2019 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
14 SCHWERPUNKT – MOBILITÄT UND WOHNUNGSWIRTSCHAFT – PRAXISBERICHT: MOBILITÄT BEI DER ALLBAU GMBH Immer in Bewegung M ehr Umweltschutz in der Mobili- tät lautet das Ziel im „Masterplan Verkehr 2018“ der Stadt Essen. Die Anteile der umweltfreundlichen Verkeh- re per Rad, zu Fuß, Bus und Bahn sollen bis 2035 auf jeweils 25 Prozent steigen. Als kom- munales Wohnungsunternehmen hat sich der Allbau, Essens größter Wohnungsanbie- ter, diesem „4 x 25-Prozent-Ziel“ verpflichtet. Neben Digitalisierung und Integration hat bei der Allbau GmbH, kurz „Allbau“, auch das Thema Mobilität Fahrt aufgenommen – so wurde Anfang 2018 die Agenda „All- bauMobil“ ins Leben gerufen. Sie berück- sichtigt insbesondere veränderte Mobilitäts- bedürfnisse der Mieter, sie zeigt aber auch Strategien für Mitarbeiter zur Lösung von Mobilitätsfragen auf. Bisher wurden rd. 80 Prozent der Vorhaben umgesetzt. Auszeichnung der Allbau GmbH als „Fahrradfreundlicher Arbeitgeber“ beim 1. AllbauMobilitätstag am 8. Mai 2019 AllbauMobil Der Allbau beobachtet die Trends sehr der reinen Wohnqualität, sondern auch Nutzen statt besitzen: Carsharing genau und setzt sich mit mieterseitigen anhand bedarfsgerechter, nachhaltiger und Laut des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Mobilitätswünschen und -anforderungen zukunftsorientierter Mobilitätsstrukturen Raumforschung pendeln in Deutschland auseinander; auch im Zuge der Moder- über das Quartier hinaus. mehr als 18 Millionen Menschen (rd. 60 Pro- nisierungs- und Neubauvorhaben. Zum zent der Beschäftigten). Die durchschnittli- Verständnis des Allbau zählt: Die Qualität Elektroladestationen che Pendel-Entfernung beträgt rd. 17 Kilo- von Quartieren bemisst sich nicht nur an für E-Autos und E-Bikes meter, doch jeder Zweite fährt weniger als Hierzu zählt auch die Schaffung einer Lade- zehn Kilometer mit dem Pkw. Auch unsere Infrastruktur für Autos mit Elektroantrieb in übrigen täglichen Wege fahren wir in einem den AllbauQuartieren. Diese stoßen weni- Radius von maximal sieben Kilometern. So ALLBAU GMBH ger CO₂-Emissionen sowie Abgase aus und steht das Privatauto meistens ungenutzt he- die Zahl der in Deutschland zugelassenen rum, nur rd. eine Stunde nutzen wir es täglich Die Allbau GmbH bietet seit 1919 die E-Fahrzeuge wächst kontinuierlich. Die im Schnitt, meist allein. Zahlen müssen wir größte Auswahl an Mietwohnungen in Es- Installation von rd. 20 Elektroladesäulen trotzdem: Parkgebühren, Steuern, Versiche- sen und ist ein erfahrener und kompetenter auf Allbau-Grundstücken im Rahmen eines rung, Benzin und Reparaturen. Günstiger Bauträger und Stadtentwickler. In seinen Kooperationsmodells dieses Pilotprojektes und umweltfreundlicher fährt man nach rd. 18.000 Wohnungen zwischen Kettwig befindet sich bereits in der Planungsphase. dem Motto „nutzen statt besitzen“ mit einem und Karnap, Freisenbruch und Frintrop Bei einem positiven Verlauf ist es Ziel, die Carsharing-Auto. Es ersetzt bis zu 20 private sind rd. 40.000 Menschen zu Hause. Ob Elektroladeinfrastruktur in den nächsten Pkw und gezahlt werden nur die gefahrenen Familien, Singles, Studenten oder Senioren, Jahren auf bis zu 100 Stationen auszubau- Kilometer sowie die Dauer der Fahrzeugnut- ob Dienstleistungen rund ums Wohnen, en. Bei jedem Neubauprojekt rüstet der zung. Dennoch gibt es vergleichsweise noch besondere Angebote für ältere Mieter, Allbau vor – auch im öffentlich geförderten wenige Angebote in Essen. kinderfreundliche Hausordnungen oder die Wohnungsbau. Im Bestand hat der Allbau Allbau-Kinderbeauftragten: Allbau hilft ger- in einem Pilotprojekt mit einer Mietpartei Allbau holt Carsharing aus der Nische ne, Wohn- und Lebens(t)räume zu verwirkli- für das „Auftanken“ die kompakte Strom- Um Carsharing in Essen aus der Nische zu chen. Und dies schon seit über 100 Jahren! Ladestation Wallbox in der Klimaschutz- holen, hat der Allbau Carsharing in den siedlung Dilldorfer Höhe gestiftet. Dies soll öffentlichen Raum gerückt und Ausleih- Erfahrungswerte bringen, die der Allbau bei stationen gegenüber der Allbau-Immobilie der Anschaffung einer eigenen Ladestation Schulte-Pelkum-Straße 2/4 in Huttrop und für alle seine Mieter gern weitergibt – auch gegenüber der Hölderlinstraße 2 in Hols- in Bezug auf Landes- und Bundesförde- terhausen eingerichtet. In den nächsten rungen. Monaten wird eine weitere Station in den 10/2019 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
MEHR ALS E-MOBILITÄT 15 Holsterhauser Cranachhöfen installiert. Allbau-Mieter fahren die Carsharing-Autos des Anbieters „stadtmobil“ zu vergünstig- ten Konditionen. stadtmobil ist der einzige Anbieter der Region, der mit dem Umwelt- zeichen „Blauer Engel“ für eine umweltscho- nende Verkehrsdienstleistung ausgezeichnet ist. Die stadtmobil-Flotte besteht zu mehr als 30 Prozent aus Elektro- und Hybridfahr- zeugen. Die Allbau GmbH schafft wettergeschützte Sichere und wettergeschützte Abstellplätze Mobil mit Rad Rollatoren-Abstellplätze für ihre Mieter für Mieter-Fahrräder Die Menschen nutzen das Rad immer öfter auch alltags. Dafür hat die Stadt Essen bei- Umgebung – mit sicheren Abstellanlagen, Mobilitätstrends im Blick spielsweise mehr als die Hälfte der Essener Umkleidekabinen und Duschen, Zuschüssen Der Allbau wird die Mobilitätstrends weiter- Einbahnstraßen, rd. 300, gegenläufig für bei der Anschaffung eines neuen Rads sowie hin im Blick behalten, offen sein für Mitarbei- Radler geöffnet. Außerdem beruhigen 40 Elektrorädern zur Ausleihe für Dienstwege. ter- und Mieterwünsche und die Angebote Fahrradstraßen den Verkehr, Autos dürfen Dafür wurde der Allbau beim 1. Allbau- regelmäßig erweitern – auch gemeinsam nur mit mäßiger Geschwindigkeit fahren. Mobilitätstag am 8. Mai 2019 als „Fahrrad- mit der Stadt Essen sowie diversen Koope- Signale pro Radverkehr setzt der Allbau z. B. freundlicher Arbeitgeber“ des Allgemeinen rationspartnern wie stadtmobil, Ruhrbahn, im Radfahrerquartier Altendorf mit der Deutschen Fahrrad-Clubs ausgezeichnet. E.ON oder metropolradruhr. „Zweiradstation“, der besonders beliebten Daneben wird der Allbau-Carpool sukzessi- Gastronomie „Radmosphäre“, dem mit dem ve auf Elektrofahrzeuge umgestellt. Bereits Vorläufige Schlussfolgerung des Allbau Deutschen Fahrradpreis ausgezeichneten heute sind schon gut 30 E-Autos des Allbau Strukturiert an Mobilitätsfragen heranzuge- Spazierfahr-Service „Radeln ohne Alter“ für Dienstfahrten im Einsatz. Hierfür wur- hen und diese im Rahmen einer Agenda oder im Radler-Hostel am Niederfeldsee. den bereits rd. 40 Elektroladestationen in präsent zu machen, schafft den notwendigen Zudem bietet er in seinen Quartieren neben der Tiefgarage der Allbau-Hauptverwaltung Druck, die Themen neben dem Tagesge- Abstellanlagen für Rollatoren und Kinder- installiert. Seit wenigen Wochen steht der schäft anzugehen. Wir müssen für unsere wagen auch abschließbare Parkboxen für Allbau-Carpool seinen Mitarbeitern gegen Kunden und Mitarbeiter Mehrwerte auch im Fahrräder und E-Bikes. Entgelt auch zur privaten Nutzung in den Bereich der Mobilität schaffen, um für beide Abendstunden und am Wochenende zur attraktiv zu bleiben. ES Fahrradfreundlicher Arbeitgeber Verfügung. Die Nutzungsmöglichkeiten ori- Auch betriebsintern schafft der Allbau für entieren sich dabei an den steuerlichen seine Mitarbeiter eine fahrradfreundliche Rahmenbedingungen. ÜBER DEN AUTOR Fotos: Allbau GmbH Thomas Kemmann: Seit dem 1. Januar 2014 Stabsleiter Geschäftsführerangelegen- heiten, Gremienbetreuung und übergeord- AllbauMieter fahren die mit dem Umweltzeichen „Blauer Engel“ ausgezeichneten nete Koordinierungsaufgaben Carsharing-Autos des Anbieters „stadtmobil“ zu vergünstigten Konditionen 10/2019 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
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