VMVERBA ND SMAG VDW RHEINLAND WESTFALEN

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Ve r b a nd s M a g a z i n
Themen, Trends und Fakten der Wohnungs- und
Immobilienwirtschaft – VdW Rheinland Westfalen
                                                 #2
                                                 2018

 18   ENERGIEFORUM
      WEST 2018

             23   AUSSTELLUNGSERÖFFNUNG
                  „ALLE WOLLEN WOHNEN“

             4   SCHWERPUNKT –
                 EIN BLICK AUF DIE ENTWICKLUNG
                  Gebäudedämmung:
                  Warum eigentlich?
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EDITORIAL 1

  LIEBE LESER >> Sucht man ein Beispiel für die notwendige gesellschaft­
  liche Diskussion, wie die Klimaschutzziele zu erreichen sind, ist die
  Gebäudedämmung eines der prominentesten. Damit Klimaschutz
  dann auch in der Praxis wirklich gelingt, müssen alle gemeinsam han­
  deln: Unternehmen, Gewerkschaften, Verbände, Initiativen, Regionen,
  Kommunen, Kirchen, Wissenschaft und Politik.

Klimaschutz im Gebäudesektor?
                Potenziale heben geht nur gemeinsam

K
        lar ist: Das Erreichen der Klima­         um eine Bundesratsinitiative zur „Neuaus­        von KlimaDiskurs.NRW ist vor einem Jahr
        schutzziele von Paris, auf die sich ne­   richtung der Energieeinsparverordnung“           die „GEBÄUDEALLIANZ NRW FÜR KLIMA­
        ben Deutschland noch 194 Staaten          der NRW­Regierungsfraktionen CDU und             SCHUTZ“ aus der Taufe gehoben worden.
völkerrechtlich verbindlich geeinigt haben,       FDP zeigt sich aktuell, dass das gemein­         Unter aktiver Unterstützung des VdW Rhein­
bleibt sowohl notwendig als auch ambitio­         same Bekenntnis aller zur Erreichung der         land Westfalen arbeiten heute Wohnungs­
niert. Das Eingrenzen der globalen Erwär­         Klimaschutzziele nicht ausreicht, um auch        wirtschaft, Mieterbund, Umweltverbände,
mung auf zwei Grad Celsius (möglichst 1,5         zu gemeinsamem Handeln zu kommen.                Verbraucherzentrale, Gewerkschaften, Ener­
Grad Celsius) bedingt nicht weniger als eine      Dies ist und bleibt in der Demokratie ein        gieberater, Handwerk NRW, Baugewerb­
grundlegende Transformation der Art und           Aushandlungsprozess, eine gesellschaftliche      liche Verbände, Architektenkammer und
Weise, wie wir unsere Energie erzeugen,           Gemeinschaftsaufgabe.                            Ingenieurkammer Bau aus NRW zusammen.
produzieren, handeln, wie wir mobil sind,                                                          Trotz auch kontroverser Diskurse wird in
uns ernähren, wie wir bauen, heizen, kühlen       KlimaDiskurs.NRW ist aus diesem Grund ge­        dieser einmaligen Allianz in einer Atmo­
und wohnen. Im Gebäudesektor können               gründet worden. Diesen Aushandlungspro­          sphäre diskutiert, in der Gemeinsamkeiten
und müssen noch in erheblichem Umfang             zess zu ermöglichen, in dem die verschiede­      gesucht werden. Inhalte und Positionen, die
Treibhausgasemissionen reduziert werden.          nen Akteure aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft,   gemeinsam gegenüber der Politik vertreten
Alle Beteiligten wissen das. Wenn dem so ist,     Wissenschaft und Kommunen sich trotz             werden können. Das klingt banal, ist aber
warum ist es so schwer, schnelle Fortschritte     unterschiedlicher Interessen auf die Suche       nicht selbstverständlich und Voraussetzung
in Richtung Klimaschutz zu machen?                nach gemeinsamen Wegen zur Erreichung            für gemeinsames Handeln. Dafür arbeitet
                                                  der Klimaschutzziele machen können, ist          KlimaDiskurs.
Neben der Wohnungswirtschaft, dem Mie­            die zentrale Aufgabe des gemeinnützigen
terbund, Umweltverbänden, Handwerkern,            Vereins. Dafür ist es wichtig, dass KlimaDis­
Architekten und Ingenieuren, Verbraucher­         kurs.NRW politisch unabhängig ist und seine
schützern und Gewerkschaften haben auch           Arbeit über die Dauer von Legislaturen und
die chemische Industrie, die Baustoffindus­       unabhängig von Koalitionskonstellationen
trie, der Handel und die Kommunen legitime        plant.                                           Ihr
Interessen, an denen sie jeweils beurteilen,
ob eine Klimaschutzmaßnahme unterstüt­            Und hier geht der Gebäudesektor mit bei­         Andrea Arcais
zenswert ist. Am Beispiel der Diskussion          spielhafter Kooperation voran: Im Rahmen         Geschäftsführer von KlimaDiskurs.NRW e. V.

                                                                                                          02/2018 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
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2       INHALT

4                                                       18                                        23
Schwerpunkt –                                           Energieforum West 2018 –                  Alle wollen wohnen.
Gebäudedämmung:                                         „Vernetzt euch, redet miteinander“        Gerecht. Sozial. Bezahlbar.
Warum eigentlich?

        SCHWERPUNKTTHEMA                                     AKTUELLES

    4   Gebäudedämmung:                                 14   Symposium und Mitgliederver­         21   Ministerin Ina Scharrenbach
        Warum eigentlich?                                    sammlung der Marketinginitiative          besucht Projekte im Ruhrgebiet
        Ein Blick auf die Entwicklung                        der Wohnungsbaugenossenschaften           Modernisierung im Bestand
                                                             Deutschland e. V.
  9     „Im aktuellen Gebäudebestand
                                                             Zehnjähriges Jubiläum                22   Politischer Jahresauftakt in NRW
        besteht ein hoher energetischer                                                                Positionsbestimmung für 2018
        Sanierungsbedarf“                               15   Neue Hilfsmittel zum Thema
                                                                                                  23   Alle wollen wohnen.
        Kurz gefragt –                                       Brandschutz und Sicherheit in
                                                                                                       Gerecht. Sozial. Bezahlbar.
        Christina Schulze­Föcking                            Flüchtlingsunterkünften
                                                                                                       Ausstellungseröffnung am
                                                             Gegen die Gefahren im Alltag
10      Bürogebäude 2226:                                                                              31. Januar 2018 im UNESCO­
        Ein Passivhaus in reinster Form                 16   Deutscher                                 Welterbe Zollverein in Essen
        Kurz gefragt –                                       Verkehrsplanungspreis 2018
        Diplom­Ingenieur Jan Gaun                            Wohnen und Mobilität                 24   Das Ende des Steinkohlebergbaus im
                                                                                                       Europäischen Kulturerbejahr 2018
11      Dämmstoffwahl unter                             17   Quo vadis Städtebauförderung?             Kooperationsveranstaltung mit
                                                                                                       NRW.BANK am 22. Februar 2018
        Nachhaltigkeitsaspekten                              ILS­Thesenpapier zur
        Praxisbeispiel: Nassauische                          Städtebauförderung                        auf Zollverein
        Heimstätte / Wohnstadt
                                                                                                  25   Wachstum von Stadt und Umland
12      Hanfdämmung beim
                                                             AKTUELLES NRW
                                                                                                       in Kooperation: Flüchtige Affäre
                                                                                                       oder neue Liebe?
        Quartiersumbau „Im Pivit“
        Praxisbeispiel: Wohnbau Lemgo eG                                                               NRW.BANK zeichnet Studierende
                                                        18   „Vernetzt euch, redet miteinander“        beim NRW.Symposium 2017 aus
13      Individuelle Gebäudehülle                            Energieforum West 2018
        aus dem Drucker                                                                           26   Gutachten zur Gebietskulisse der
        Blick in die Zukunft                            20   Erster Entwurf des Baurechtsmoder­        Wohnraumförderung vorgestellt
                                                             nisierungsgesetzes (BauModG NRW)          Aktueller Stand der
                                                             Novellierung der Landesbauordnung         Wohnraumförderung in NRW
                                                             (BauO NRW)

02/2018 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
VMVERBA ND SMAG VDW RHEINLAND WESTFALEN
INHALT 3

28                                    35                                      46
Ausstellung des Deutschen             Siegelvergabe in Hagen                  Vodafone schaltet analoge TV­ und
Bauherrenpreises in Mainz                                                     Radioprogramme in Kabelnetzen
                                                                              ab Sommer 2018 ab

                                           VDW-ARBEITSKREISE

27   Azubis entdecken Wohnungs­       30   Compliance­Kommunikation           35   Siegelvergabe in Hagen
     wirtschaft in Bielefeld               Arbeitskreis Compliance                 Kuratorium Qualitätssiegel
     Exkursion für angehende                                                       Betreutes Wohnen
     Immobilienkaufleute              31   Sitzung des Arbeitskreises
                                           Energie, Umwelt, Bautechnik        36   VIVAWEST erwirbt
     VdW auf dem ersten Parlamen­          und Normung in Essen                    262 Wohnungen in Kerpen
     tarischen Abend des Deutschen         Auftaktsitzung im Jahr 2018             Bestandserweiterung
     Mieterbundes NRW                                                              im Großraum Köln
     Parlamentarischer Abend          32   Herbstsitzung bei der LEG
                                           Management GmbH in Düsseldorf           BGW als Bielefelder
     Deutscher Mieterbund NRW e. V.        Arbeitskreis Recht                      Kongressbotschafter geehrt
                                                                                   Bielefelder Stadtentwicklungstage
     AKTUELLES RLP                         AUS DEN UNTERNEHMEN
                                                                                   sind preiswürdig

28   Ausstellung des Deutschen
                                      33   Zweiter Bauabschnitt feierlich          TERMINE
     Bauherrenpreises in Mainz             eingeweiht
     Bezahlbarer Wohnraum
     für Studierende
                                           Klimaschutzsiedlung „Am Wald“      37   Termine 2018
                                           Kooperationsvereinbarung
29   Planungen für das Jahr 2018           für mehr Sicherheit
                                                                                   Konferenz zur Schönheit und
                                                                                   Lebensfähigkeit der Stadt No. 9
     Gesellschafterversammlung             Wohnungsverein Rheine eG
     Bauforum Rheinland­Pfalz                                                      Save the date

     Pilotprojektpartner in           34   Pionierarbeit eCarSharing
                                           im Wohnquartier
     Rheinland­Pfalz gesucht               Euskirchener Baugesellschaft mbH    38 STEUERN
     EU­Projekt „GReENEFF“                 (EUGEBAU)
                                                                               41 RECHT
                                                                               44 TECHNIK UND MULTIMEDIA
                                                                               47 FÜR SIE GELESEN
                                                                               47 SEMINARE

                                                                                    02/2018 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
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4      SCHWERPUNKT

Gebäudedämmung: Warum eigentlich?
EIN BLICK AUF DIE ENTWICKLUNG >> Die Gebäudedämmung hat sich in den letzten Jahren zu einem der
zentralen Begriffe in der Wohnungswirtschaft entwickelt. Ihre Befürworter betonen das Potenzial
zur Einsparung von Treibhausgasen und Heizkosten, ihre Gegner kritisieren die durch die Energie-
einsparverordnung (EnEV) induzierte Baukostensteigerung und konstatieren den abnehmenden
Grenznutzen zusätzlicher Dämmstoffstärken.

                                                                                                                                                  Foto: schulzfoto – www.fotolia.com
Nähert man sich dem Phänomen der Ge-                    reszeitenwechsel und den damit zwangs-          Die Errichtung eines Gebäudes erfolgte pri-
bäudedämmung, wird es schnell grund-                    läufig einhergehenden Phänomenen von            mär ausgehend von verfügbaren Baustoffen
sätzlich. Die teils widersprüchlichen Anfor-            Wind und Wetter. Es ist ein essenzielles        und deren statischen Eigenschaften, die
derungen aus den Bereichen Gesundheit                   Schutzbedürfnis, das wir auch heute noch        passende Formenfindung entsprechend der
und Nutzungskomfort, des Schutzes von                   als Kernanforderung an alle von uns ge-         Bauaufgabe. Die energetische Optimierung
Klima und Umwelt, der Energieeffizienz                  nutzten Bauwerke richten, unabhängig von        eines Gebäudes hatte bei der Konzeption kei-
und Nachhaltigkeit treffen hier allesamt                der Nutzungsart. Und besonders zur kalten       nerlei Bedeutung. Zum Bauen wurden lokal
aufeinander. Der Schwerpunkt in der ersten              Jahreszeit, verbunden mit Schneefall, Hagel     vorhandene Materialien eingesetzt, auf die-
Ausgabe des VerbandsMagazins im Jahr                    und Winterstürmen, erschließt sich der Sinn     ser Grundlage erfolgte die Konstruktion des
2018 wirft einen Blick auf die Geschichte der           für einen geeigneten Schutz vor äußeren         Gebäudes. Natürlich waren gewisse Baukon-
Gebäudedämmung und zeigt anhand von                     Widrigkeiten geradezu zwangsläufig.             struktionen, wie beispielsweise Lehmbau,
Unternehmensbeispielen unterschiedliche                                                                 Holzbau sowie dann später Fachwerkbauten
Herangehensweisen an das Thema. Den                     Wenn man die Geschichte des Bauwesens           mit Lehmausfachung, bauphysikalisch her-
Abschluss bildet ein Blick in die Zukunft –             betrachtet, so kommt in der Frühzeit der        vorragend geeignete Strukturen, um den
auf multifunktionale Fassadenelemente, die              Gebäudedämmung nahezu gar keine Bedeu-          Temperaturwechsel zu steuern. Auch mas-
künftig der 3-D-Drucker erzeugt.                        tung zu. Erst seit den 1950er-Jahren gewinnt    sive Wandaufbauten aus Mauerwerk bieten
                                                        das Thema der Gebäudedämmung allmäh-            noch heute eine konstante Temperaturspei-
Seit jeher besteht für den Menschen der                 lich an Relevanz und wird erst in den 1980er-   cherung, allerdings unterhalb der heutzu-
wichtigste Grund zur Errichtung von Bau-                Jahren ein wesentlicher Bestandteil bei der     tage notwendigen Wohlfühltemperatur von
werken aller Art im Schutz vor äußeren Ein-             Errichtung von Gebäuden in Deutschland. In      18 bis 22 Grad Celsius. Der moderne Begriff
flüssen. Damit sind natürliche Gefahren                 Relation zu der insgesamt fast 12.000-jähri-    einer energetischen Bauteilspeicherung lässt
gemeint, wie beispielsweise der Schutz vor              gen Baugeschichte des Menschen entspricht       sich auf diese Wirkweise zurückführen. Den-
gefährlichen Tieren oder Angreifern, aber               dieser Zeitraum allerdings nicht einmal         noch, ursprünglich folgte keiner der oben ge-
auch Naturgewalten, verursacht durch Jah-               einem Wimpernschlag.                            nannten Baukonstruktionen dem Ziel einer

02/2018 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
VMVERBA ND SMAG VDW RHEINLAND WESTFALEN
GEBÄUDEDÄMMUNG: WARUM EIGENTLICH? 5

Energieoptimierung oder -einsparung. Das               In den 1970er-Jahren standen bei der Er-                      Die Ölkrise von 1973
gilt vor allem in Relation zu der neuzeitlichen        kenntnis vonseiten der Politik einer Notwen-                  und ihre Auswirkungen
Prämisse des Klima- und Umweltschutzes.                digkeit zur Energieeinsparung nicht Aspekte                   Was war passiert? Als die OPEC (Organisa-
                                                       des Umwelt- oder Klimaschutzes im Fokus,                      tion erdölexportierender Länder) mit dem
Was führte zum Gedanken,                               sondern die schockartig erlangte Erkenntnis                   politischen Mittel einer Erdölfördermengen-
Gebäude mit einer separaten                            der unmittelbaren Abhängigkeit von Energie-                   reduzierung aller Welt ihre Machtposition
Dämmschicht zu versehen?                               trägern. Der neben der Braun- und Steinkoh-                   vor Augen führte, kam es unmittelbar zu
Die Geschichte der Gebäudedämmung muss                 le für die Bundesrepublik Deutschland wich-                   weltpolitischen und ökonomischen Ver-
zwangsläufig im Zusammenhang mit der                   tigste Rohstoff zur Beheizung von Gebäuden                    werfungen. Die künstliche Verknappung
Beheizung von Gebäuden gesehen werden,                 war weiterhin das Erdöl. Die Ölkrise im Jahr                  der Erdölförderung führte durch eine ein-
denn ohne Heizung bräuchte es keine Däm-               1973 kann rückwirkend als der Tipping-Point                   geschränkte Verfügbarkeit des wichtigsten
mung. Neue, intelligente Ansätze überführen            für die Energieeffizienz betrachtet werden.                   Rohstoffs seiner Zeit im Ergebnis zu einem
diese Abhängigkeit in die Praxis.                      Zwar spielten die aufkommende Ökobewe-                        schlagartigen Preisanstieg und Liefereng-
                                                       gung und die gesellschaftlichen Transforma-                   pässen mit besonders großen Auswirkungen
Dabei kann die indirekte Beheizung von                 tionen in den 1968er-Jahren ebenfalls eine                    auf Industrie, Verkehr und auch Gebäude-
Gebäuden schon bis in die Frühzeit nach-               wichtige Rolle, aber die Erkenntnis über den                  heizung. Die damalige Bundesregierung
gewiesen werden, denn letztlich diente eine            effizienten Einsatz von Energie lässt sich im                 sah sich gezwungen, schlagartig den Erdöl-
zentrale, natürliche Feuerstätte nicht nur             Wesentlichen auf die ökonomische Notwen-                      verbrauch zu drosseln, auch mit äußerst un-
zur Erhitzung und Zubereitung von Nah-                 digkeit zurückführen.                                         populären, aber wirksamen Maßnahmen wie
rungsmitteln, sondern erhöhte auch die                                                                                                                        >>
Innenraumtemperatur einer Behausung.
Dafür kamen eigentlich nur lokal verfügbare                                 Umweltpolitische Meilensteine für die
Energieträger, wie beispielsweise Holz, zum
Einsatz.
                                                                              Energieeinsparung in Gebäuden

Die Industrialisierung und damit verbun-                              Internationale            Nationale Ebene                            Nationale Ebene
den die Verfügbarkeit leicht zugänglicher                               Ebene, EU                  (Gesetze)                               (Verordnungen)
Energieträger ermöglichte erstmals für breite
Bevölkerungsschichten die systematische
Beheizung ganzer Gebäude. Der primäre
                                                           2015

Energieträger war zuerst Kohle, später folg-                                                   EnEG 2013: u. a. Niedrigst-         EnEV 2013
ten dann Heizöl sowie Strom. Das führte zu                                                     energiegebäudestandard
                                                           2010

einer eminenten Steigerung des Nutzungs-                              RL 2010/31/EU:
komforts und der substanziellen Verbesse-                             Gesamtenergieeffizienz
                                                                      (Neufassung)
rung im Sinne eines gesünderen Wohnraum-                                                       EnEG 2009: u. a. Heizkosten-
                                                                                               verteilung, Überwachung,            EnEV 2009
klimas – zwangsläufig aber auch zu einer
                                                           2005

                                                                                               Bußgelder
                                                                                                                                   EnEV 2007
Steigerung des Energiebedarfs.

                                                                                                                                                                                       Abbildung in Anlehnung an: Institut für nachhaltige Energie- und Ressourcennutzung
                                                                                               EnEG 2005: Energieeffizienz,
                                                                                               Energieausweise im Bestand
                                                                                                                                   EnEV 2004
                                                           2000

                                                                      RL 2002/91/EG:
                                                                      Gesamtenergieeffizienz                                       EnEV 2002
                             PRAXISBEISPIEL
                                                                                                                                                            HeizAnlV 1998
                                                           1995

                                                                                                                                   WärmeschutzV 1995
               Lesen Sie hierzu das Interview mit
                                                                                                                                                            HeizAnlV 1994
               Diplom-Ingenieur Jan Gaun, Geschäfts-
               leitung 2226 AG – „Bürogebäude 2226:                   RL 93/76/EWG: SAVE
                                                           1990

               Ein Passivhaus in reinster Form“                       RL 92/42/EWG:
                                                                      Warmwasserheizkessel
               (Seite 10).
                                                                                                                                                            HeizAnlV 1989
                                                           1985
 Foto: baumschlager eberle

                                                           1980

                                                                                                                                   WärmeschutzV 1982        HeizAnlV 1982

                                                                                               EnEG 1980: Änderung
                                                                                                                                                            HeizBetrV 1978
                                                                                               EnEG 1977: Wärmeschutz,
                                                           bis 1975

                                                                                               effiziente/r Anlagentechnik /                                HeizAnlV 1978
                                                                                               Betrieb                             WärmeschutzV 1977

                                                                                                                               02/2018 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
VMVERBA ND SMAG VDW RHEINLAND WESTFALEN
6                                   SCHWERPUNKT

    beispielsweise dem Sonntagsautofahrverbot               das am 4. November 2016 beim Klimagipfel        Grundsätzlicher Wandaufbau
    für Privatpersonen. Die Bilder von Spazier-             in Marrakesch in Kraft getreten ist.            mit einer Gebäudedämmung
    gängern auf den neuen, leer gefegten Auto-                                                              Es führen zwei grundsätzliche Ansätze zu
    bahnen wirkten nachhaltig. Das scheint aus              Für die Wohnungs- und Immobilienwirt-           einer wirksamen Gebäudedämmung:
    heutiger Sicht kaum mehr vorstellbar, sollte            schaft bedeutet das Klimaschutzabkommen
    allerdings nicht in Vergessenheit geraten.              eine große Herausforderung. Zum Hinter-         1. Die Verwendung von Baustoffen, welche
    Die systemimmanente Abhängigkeit unserer                grund: Von 1990 bis 2014 konnten im Sektor         die erforderlichen Dämmcharakteristika
    Gesellschaft von Energie wächst kontinuier-             „Wohnen und Gewerbe” Einsparungen in               aus sich selbst hervorbringen, beispiels-
    lich – unabhängig von der Beschaffenheit                Höhe von -43 Prozent erzielt werden. Zum           weise mittels massiver, in Verbund er-
    des Energieträgers. Denn gerade im Hinblick             Vergleich: Im gleichen Zeitraum konnte der         richteter Mauerwerkskonstruktionen (Po-
    auf eine immer stärker voranschreitende                 Sektor „Verkehr“ Einsparungen in Höhe von          renbeton, Kalksandsteinmauerwerk oder
    Digitalisierung unserer Gesellschaft bleibt             minus zwei Prozent erzielen. Das Klima-            mineralisch gedämmte Lochsteinziegel)
    die Grundsatzfrage nach der energetischen               schutzabkommen 2050 sieht einen zusätzli-          oder Vollholzfassaden.
    Sicherstellung unserer Bedarfe grundsätzlich            chen Bedarf zur Einsparung von 90 Millionen
    bestehen.                                               Tonnen CO₂ vor. Schon jetzt ist festzuhalten,   2. Mehrschichtige Bauteilkonstruktionen,
                                                            dass diese Einsparung zu weitreichenden            welche nach den jeweiligen statischen
    Klima und Umweltschutz                                  Folgen in der Wirtschaftlichkeit von Neubau        und bauphysikalischen Anforderungen
    im gesellschaftlichen Fokus                             oder der energetischen Gebäudemodernisie-          gefügt werden.
    Die weitreichenden regulatorischen Vorga-               rung führen wird. Die für die Wohnungs- und
    ben auf europäischer und auf Bundesebene                Immobilienwirtschaft besonders relevante        Mehrschichtige Bauteilkonstruktionen un-
    im Rahmen der Gesetzgebung zur Energie-                 EnEV führte alleine innerhalb der Jahre         terscheiden dabei grundsätzlich zwischen
    erzeugung und der Energieeffizienz sind                 2000 bis 2016 zu einer Kostensteigerung von     einer Trag- und Dämmschicht. Dies gilt
    unter der Prämisse des Klima- und Umwelt-               24 Prozent. Die unmittelbar gestiegenen         unabhängig davon, welche tragende Kon-
    schutzes seit den 1990er-Jahren verschärft              Anforderungen betreffen dabei nicht nur         struktion verwendet wird. Tragschichten
    worden. Den bundesdeutschen Höhepunkt                   die Gebäudedämmung, sondern auch die            können Holzbaukonstruktionen mit einer
    bis zum jetzigen Zeitpunkt stellt der Klima-            Gebäudetechnik insgesamt. Nur die ausge-        Ausfachung mittels geeigneter Dämmstoffe,
    schutzplan 2050 dar, er leitet sich aus dem im          wogene Abwägung von Gebäudedämmung              wie beispielsweise Mineral- oder Naturwolle,
    Dezember 2015 auf der Weltklimakonferenz                im Verhältnis zur Gebäudeautomation führt       sein.
    in Paris beschlossenen Übereinkommen ab,                zu wirtschaftlichen Ergebnissen.
                                                                                                            Weitläufig als Wärmedämmverbundsystem
                                                                                                            (WDVS) bekannt sind die Mauerwerks- oder
                                                                                                            Betonkonstruktionen mit einer zusätzlichen
                                                                                                            Dämmschicht, beispielsweise aus extrudier-
                                                                                                            tem Polystyrol (EPS). Alternativ kommen
                                                                                                            aber auch mineralische oder natürlich nach-
                                                                                                            wachsende Dämmstoffe zum Einsatz.

                                                                                                            Den Bauteilschutz vor eindringender Feuch-
                                                                                                            tigkeit oder mechanischen Kräften bietet die
                                                                                                            Abdeckschicht, beispielsweise aus Ober-
                                                                                                            putzsystemen oder Klinkerriemchen.

                                                                                                            Baukonstruktionen mit einem dreischa-
                                                                                                            ligen Aufbau, bestehend aus einer Trag-
                                                                                                            und Dämmschicht sowie einer Vorsatz-
                                                                                                            schale, sind ebenfalls beliebt. Hier können
                                                                                                            unterschiedlichste Dämmstoffe eingesetzt
                                                                                                            werden. So kann vom nachträglich einge-
                                                                                                            blasenen Dämmstoffgranulat bis zu EPS-
Foto: urfinguss – www.istockphoto.com

                                                                                                            Dämmplatten eine Vielzahl geeigneter Pro-
                                                                                                            dukte eingebracht werden.

                                                                                                            Die Vorsatzschale (als Schutz vor Witterung
                                                                                                            und mechanischer Krafteinwirkung) bildet
                                                                                                            den wirksamen Abschluss einer mehrscha-
                                                                                                            ligen Wandkonstruktion. Sie kann mit einer
                                                                                                            Luftschicht oder alternativ auch fugenlos auf
                                                                                                            die zuvor angebrachte Dämmschicht erstellt

    02/2018 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
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GEBÄUDEDÄMMUNG: WARUM EIGENTLICH? 7

werden. Hier kommen je nach Region eine      Dabei gibt es grundsätzlich zwei unter-
Holzverschalung, klassische Oberputzsyste-   schiedliche Konzepte:                                    PRAXISBEISPIEL
me oder Vollklinkerziegel als Verblendmau-
erwerk zur Anwendung.                        1. Eine rein betriebswirtschaftliche Betrach-       Mehr zum Thema erfahren Sie im aus-
                                                tung der Investitionskosten im Zusam-            führlichen Artikel zum Praxisbeispiel der
Generell lässt sich feststellen, dass der       menhang mit der Amortisation und Ab-             Nassauischen Heimstätte „Dämmstoff-
Umgang in der Praxis, gerade auch in der        schreibung.                                      wahl unter Nachhaltigkeitsaspekten“
Wohnungswirtschaft, heutzutage keine                                                             (Seite 11).
größere Herausforderung mehr darstellt.      2. Eine Lebenszyklusbetrachtung in Verbin-
Die besonders wichtigen baukonstrukti-          dung mit den anfallenden Kosten der War-
ven Bauteilübergänge und Baustoffwechsel        tungs- und Entsorgungskosten über die
sind bekannt, ebenso die Bedürfnisse eines      gesamte Nutzungsdauer eines Bauteils.
funktionierenden Bauteilschutzes vor ein-
dringender Feuchtigkeit (von außen und       Die jeweilige Herangehensweise führt zu
innen, mittels Luftfeuchtigkeit, aufgrund    unterschiedlichen Ergebnissen. So wird be-
von Tauwasserproblematik et cetera). In-     vorzugt das aufgrund seiner relativ geringen
zwischen ist die notwendige Anpassung des    Investitionskosten und hohen technischen
Nutzerverhaltens immer mehr im Blick aller   Ausgereiftheit EPS-basierte WDVS einge-
Akteure: Viele Vermieter geben dem Mieter    setzt. Jedoch werden oftmals die Folgekosten
gleich beim Einzug Informationen zum rich-   für notwendige, zyklische Wartungsarbeiten
tigen Heizen und Lüften einer Wohnung an     vernachlässigt oder relativiert. Spätestens al-
die Hand und die Verbraucherzentralen in     le fünf Jahre sollte der antifungizide Schutz-    Auch die Nassauische Heimstätte/Wohn-
NRW bieten umfangreiche Informationen        anstrich eines WDVS komplett erneuert             stadt stand lange vor der Frage, wie sich die
zum Thema sowie eine Energieberatung an.     werden, um der Veralgung einer Fassade            Unternehmensgruppe künftig zum Thema
                                             wirksam vorzubeugen. Das erfordert die            der Gebäudedämmung aufstellen sollte.
Welches System ist für ein Wohnungs-         regelmäßige Instandhaltung der Fassaden           Die Antwort fand das Unternehmen in ei-
und Immobilienunternehmen geeignet?          mit Auswirkungen auf die Mieterschaft.            ner systematischen Analyse aller am Markt
Letztlich ist für Wohnungsunternehmen        Denn die erforderliche Aufstellung eines          verfügbaren Dämmstoffe. Anhand eines
und -genossenschaften besonders wichtig,     Gerüstes kostet Zeit und Nerven. Zudem            definierten Typenhauses nach Parametern
über Kriterien zur Entscheidungsfindung zu   kann in der Entsorgung die ein oder andere        des Unternehmens wurden über die Lebens-
verfügen. Welche Gebäudedämmung ist im       Überraschung hinzukommen, wie zuletzt             zyklusbetrachtung von Baustoffen interne
Zusammenspiel mit der Gebäudetechnik die     im Zuge der HBCD-Problematik leidvoll zu          Handlungsempfehlungen entwickelt. Das
günstigste beziehungsweise nachhaltigste     erfahren war.                                     Ergebnis dürfte manche verwundern und
Konstruktion?                                                                                                                                                >>

                                                                                                                                                     Foto: Roman023_photography – www.shutterstock.com

                                                                                                     02/2018 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
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8 Foto: Ingo Bartussek – www.fotolia.com
                                           SCHWERPUNKT

viele in ihrer Auffassung bestätigen. Nach                  bewirtschafteten Bestand betrachtet zu einer   Gegebenenfalls liefern neue Baustoffe und
eingehender Analyse kommt die Untersu-                      höheren Einsparung von klimaschädlichem        visionäre Konstruktionsmethoden Potenzial
chung zum Ergebnis, dass Polystyrol (EPS)                   CO₂ führt.                                     zur Senkung der Baukosten. Ein Beispielpro-
basierte WDVS die besten Ergebnisse bezo-                                                                  jekt der Technischen Universität München
gen auf die durch die Nassauische Heimstät-                 Aber es gibt auch Alternativen zum klassi-     (TUM) lässt darauf hoffen, dass neben nach-
te/Wohnstadt gesetzten Parameter liefert. So                schen WDVS. Wie das Beispiel der Wohnbau       haltigen Ansätzen der Gebäudedämmung
wird argumentiert, dass durch die Verwen-                   Lemgo eG zeigt, kommen in der Wohnungs-        auch neue gestalterische Optionen im Sinne
dung des günstigen Dämmstoffes Polystyrol                   wirtschaft auch Beispielprojekte mit natür-    der Baukultur und Steigerung der Lebens-
insgesamt mehr Sanierungsmaßnahmen                          lich nachwachsenden Dämmstoffen zum            qualität unserer Quartiere möglich sein wer-
durchgeführt werden können, was über den                    Einsatz. Die Genossenschaft entschied sich,    den.                                FRR/KS
                                                            vor allem unter Nachhaltigkeitsaspekten, für
                                                            einen hanfbasierten Dämmstoff, um Erfah-
                                           PRAXISBEISPIEL   rungswerte zu generieren.                            PRAXISBEISPIEL

                                                            Wie geht es weiter?
           Ausführliche Informationen zum Praxis-           Die Zusammenführung unterschiedlicher            Der Artikel „Individuelle Gebäudehülle
           beispiel der Wohnbau Lemgo eG können             Gesetze aus Energie- und Energieeffizienz-       aus dem Drucker“ der TU München
           Sie dem Artikel „Hanfdämmung bei                 recht steht bevor. Mit dem künftig geplan-       richtet den Blick in die Zukunft der
           Quartiersumbau ‚Im Pivit‘“ entnehmen             ten GebäudeEnergieGesetz (GEG) werden            Gebäudedämmung (Seite 13).
           (Seite 12).                                      Folgeregelungen zur EnEV 2016 angegan-
                                                            gen.

                                                            Dabei steht zu befürchten, dass die rechtli-
                                                            chen Rahmenbedingungen unter Klima- und
                                                            Umweltschutzanforderungen ebenso wie die
                                                            Anforderungen an den Neubau und die ener-
                                                            getische Sanierung schrittweise verschärft
                                                            werden. Sollte es dazu kommen, werden die
                                                            Baukosten weiter voranschreiten – mit den
                                                            bekannten Auswirkungen auf die Bezahlbar-
                                                            keit von Wohnraum.

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GEBÄUDEDÄMMUNG: WARUM EIGENTLICH? 9

                                                 KURZ GEFRAGT >> Christina Schulze-Föcking, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft,
                                                 Natur und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen

                                                 „Im aktuellen Gebäudebestand besteht
                                                 ein hoher energetischer Sanierungsbedarf“
                                                 Christina Schulze-Föcking (CDU) ist seit dem 30. Juni 2017 Ministerin für Umwelt, Landwirt-
                                                 schaft, Natur und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen. Im Interview mit dem
                                                 VerbandsMagazin erklärt die 41-Jährige, welche Rolle das Thema Gebäudedämmung im NRW-
                                                 Umweltministerium spielt.

                                                 VM: Nach Auffassung von Experten           VM: Die Wohnungswirtschaft hat ihre              VM: Was möchten Sie den
                                                 stellt die derzeitige Regelung zur EnEV    Bestände zu circa 90 Prozent energetisch         Wohnungsunternehmen zum Thema
                                                 das Maximum des wirtschaftlich und         modernisiert. Wie kann es gelingen, ge-          Wärmedämmung von Wohngebäuden
                                                 technologisch Vertretbaren im Bereich      rade auch Einzeleigentümer von einer             mit auf den Weg geben?
                                                 der Gebäudedämmung dar. Welche             Gebäudedämmung zu überzeugen?                    Schulze-Föcking: Es ist sehr erfreulich,
                                                 Rolle spielt für Sie die Wärmedämmung      Schulze-Föcking: Eine wichtige Anlaufstelle      dass die Bestände der Wohnungswirt-
                                                 von Wohngebäuden unter Umwelt- und         für Verbraucher bei Fragen zur Gebäude-          schaft überdurchschnittliche Sanierungs-
                                                 Klimaschutzgesichtspunkten?                sanierung ist die Verbraucherzentrale. Mit       raten aufweisen. Zur Bewältigung der Zu-
                                                 Schulze-Föcking: Zur Beheizung von Ge-     finanzieller Unterstützung unseres Hauses        kunftsfragen ist ein intensiver Austausch
                                                 bäuden werden in Deutschland rund 30       setzt die Verbraucherzentrale NRW vor allem      von Meinungen und Standpunkten zu
                                                 Prozent des Endenergieverbrauchs ein-      auf die persönliche Energieberatung im pri-      Fragen der Wärmedämmung und des Res-
                                                 gesetzt. In Privathaushalten beansprucht   vaten Wohnhaus. Im Rahmen des Projektes          sourcenverbrauchs erforderlich.
                                                 die Raumwärme nach Angaben des Bun-        „Energie 2020“ informieren die Energiebera-
                                                 desumweltamtes rund drei Viertel des       ter der Verbraucherzentrale zunächst in der      Positive Beispiele sind die Kooperatio-
                                                 Energieverbrauchs. Ein großer Anteil der   Beratungsstelle, dann aber auch vor Ort zu       nen der Wohnungsunternehmen mit der
                                                 Wohngebäude stammt aus Baujahren,          den Themen Energieeinsparung, Energieef-         Verbraucherzentrale, etwa bei der Be-
                                                 in denen auf Wärmeschutz nicht ausrei-     fizienz und energetische Gebäudesanierung.       werbung der Energieberatungsangebote
                                                 chend Wert gelegt wurde. Daher besteht     Hier gilt es, nach einer Analyse des Status      für Mieterhaushalte oder dem Thema
                                                 ein hoher energetischer Sanierungsbe-      quo und unter Beachtung der Wirtschaft-          „Mieterstrom“. Dieser kooperative An-
                                                 darf im aktuellen Gebäudebestand.          lichkeit mögliche Sanierungsmaßnahmen            satz, der auch die Interessen der Mieter
                                                                                            in einem ersten Schritt zu ordnen und Ver-       berücksichtigt, kann verbraucher- und
                                                 In diesem Sektor kann durch Energieein-    besserungs- und Modernisierungspoten-            umweltpolitische Impulse für Nordrhein-
                                                 sparung ein weiterer Beitrag zum Klima-    tiale aufzuzeigen. Dies betrifft insbesondere    Westfalen entwickeln.
                                                 und Ressourcenschutz geleistet werden.     die Bereiche Wärmeschutz, Beheizung und
                                                 Hinzu kommen hohe Energie- und Heiz-       Warmwasseraufbereitung.                          VM: Die relevanten Regelungen zur
                                                 kosten, die insbesondere einkommens-                                                        Gebäudedämmung werden auf Bundes-
                                                 schwache Privathaushalte treffen. Als      Diese Vor-Ort-Energieberatungen sind aus         ebene verfasst. Wie arbeitet das
                                                 Verbraucherschutzministerin ist es mir     meiner Sicht ein wichtiger Anstoß, um die        NRW-Umweltministerium konkret an
                                                 daher wichtig, dass die Heizwärme im       energetische Sanierungsrate in Privathaus-       dem Thema?
                                                 Gebäude bleibt, der Energiebedarf sinkt    halten zu steigern. Spezielle Informations-      Schulze-Föcking: Zunächst stehen wir
                                                 und Haushalte entlastet werden. Als Um-    angebote, etwa zur Fassadendämmung,              zu Fragen des Energieverbraucherall-
Foto: NRW-Umweltministerium / Fotografie Rauss

                                                 weltministerin habe ich auch die Fragen    gehen auch auf kritische Themen wie zum          tags in engen fachlichen Abstimmungen
                                                 zur Müllproblematik zu entsorgenden        Beispiel Schadstoffe und Entsorgung ein.         mit den federführenden und beteiligten
                                                 Wärmedämmfassaden zu beantworten.          Die Realisierung des Projektes „Energie          Ressorts der Landesregierung. Aktueller
                                                 Letztlich wird sich die Wärmedämmung       2020“ wird mit Mitteln des Europäischen          Schwerpunkt ist die politische Diskussion
                                                 zukünftig in einem technologieoffenen      Fonds für regionale Entwicklung (EFRE)           zur Zukunft und Umsetzung der Energie-
                                                 Wettbewerb bewähren müssen. Der            sowie Landes- und kommunalen Mitteln             einsparverordnung (EnEV). Gemeinsam
                                                 Landtag Nordrhein-Westfalens hat zu-       unterstützt. Dafür stehen für die Laufzeit von   werden wir die Interessen Nordrhein-
                                                 letzt im November 2017 die Notwendig-      drei Jahren bis Ende 2020 in NRW insgesamt       Westfalens in die Meinungsbildung des
                                                 keit der umfassenden Evaluation der        rund 30 Millionen Euro zur Verfügung. Au-        Bundes einbringen. Zunehmend bedeut-
                                                 Vorgaben der EnEV erörtert. Die Diskus-    ßerdem gibt es Informationsangebote der          sam ist zudem, die Interessen Nordrhein-
                                                 sionen in den Fachausschüssen werden       Energieagentur und der Architektenkammer         Westfalens auch auf der europäischen
                                                 wir intensiv begleiten.                    NRW.                                             Bühne einzubringen.

                                                                                                                                                   02/2018 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
10       SCHWERPUNKT

   KURZ GEFRAGT >> Diplom-Ingenieur Jan Gaun, Geschäftsleitung 2226 AG, St. Gallen

   Bürogebäude 2226: Ein Passivhaus in reinster Form
   Bei 22 bis 26 Grad Raumtemperatur fühlen sich Menschen nachweislich am wohlsten. Ausgehend
   von dieser Erkenntnis haben Baumschlager Eberle Architekten im österreichischen Lichtenau ein
   Bürogebäude konzipiert, das diese Wohlfühltemperatur das ganze Jahr über hält – ohne Energie
   für Heizung oder Kühlung aufzuwenden. Im Gespräch mit dem VerbandsMagazin berichtet
   Diplom-Ingenieur Jan Gaun von der 2226 AG von der Übertragbarkeit und dem Potenzial des
   Konzepts für Wohngebäude.
   VM: Mit 2226 haben Sie ein Passivhaus                bereit sind, auf den Einbau einer konven-       Der Vorteil liegt einfach darin, dass die
   in der reinsten Form realisiert. Wie                 tionellen Gebäudeheizung zu verzichten,         Betriebskosten wesentlich gesenkt wer-
   haben Sie es geschafft, gänzlich auf                 wirkt sich das natürlich auch auf die Warm-     den können und durch die leicht höhere
   eine aktive Beheizung des Gebäudes zu                wassererzeugung aus. Hier sind dezentrale       Investition in Steine auf aufwendigere
   verzichten?                                          Systeme vorteilhaft. Auf eine Lüftungsanlage,   Gebäudetechnik verzichtet werden kann.
   Jan Gaun: Zuerst möchte ich klarstel-                gerade bei innen liegenden Sanitärräumen,       Das ist für Wohnungsunternehmen in
   len, dass das von uns geplante und auch              kann momentan nicht verzichtet werden.          Hinsicht auf die Lebenszyklusbetrachtung
   genutzte Haus nicht unter der Prämisse               Aber gerade durch die Kombination der           eines Gebäudes hochinteressant.
   entstanden ist, gänzlich auf den Verzicht            Lüftungsanlage mit einer Wärmerückge-
   der technischen Gebäudeeinrichtung hin-              winnungsanlage entstehen Synergieeffekte.       VM: Welche konkreten nächsten
   zuplanen. Vielmehr führten grundsätzli-                                                              Schritte planen Sie bei der Ausweitung
   chere Überlegungen zu allgemeinen An-                Der weitaus wichtigere Aspekt ist allerdings    auf Wohngebäude?
   forderungen, zur spezifischen Nutzung auf            nicht unbedingt die Technik, sondern die        Jan Gaun: Wir sind im gesamten deutsch-
   Basis des durch uns definierten Raumpro-             Sicherstellung des individuellen Komfortbe-     sprachigen Raum mit unterschiedlich
   gramms und zum generellen Komfort des                reiches, sprich des Wärmegefühls, des Mie-      großen Wohnbauprojekten in der Pla-
   Gebäudes zu diesem spezifischen Resultat.            ters. Durch die passive Bauteilspeicherung      nung. Die Investitionskosten oder auch die
   Schnell lagen die Vorteile einer Verschrän-          kann der gewünschte Temperaturbereich           Gebäudeerstellung ist dabei nicht einmal
   kung einer „intelligenten“ Gebäudehülle              über das ganze Jahr hinweg gehalten werden.     unbedingt die größte Herausforderung.
   mittels einer softwarebasierten Steue-               Allerdings zeigt die Erfahrung, dass kleinere   Vielmehr sind die Diskussionen mit den
   rung der Fenster und den bauphysikalisch             Systeme zum Nachsteuern der Wärmeer-            Genehmigungsbehörden spannend. Denn
   vorteilhaften Eigenschaften mineralisch              zeugung ratsam sind. Schon der Einbau           um es klar zu sagen, für unseren Ansatz
   gedämmter Hochlochziegel auf der Hand.               einer Wärmelampe oder eines Infrarotpanels      gibt es momentan rein formale Einschrän-
   Das massive Erscheinungsbild durch das               reicht aus, um Lastspitzen auszugleichen.       kungen, beispielsweise durch die EnEV,
   80 Zentimeter dicke Mauerwerk ist vor                Wir heizen beispielsweise im 2226 mit der       die im Vorfeld einer Planung mit einzel-
   allem statischen Belangen geschuldet. Auf            Abwärme unserer Computer. Also auch hier        nen Sachbearbeitern koordiniert werden
   den Wohnungsbau übertragen sind die                  sind technische Lösungen vorhanden.             müssen.
   gleichen Vorteile des Fassadenkonzeptes
   mit einem 49 Zentimeter starken Mauer-
   werk zu erzielen.

   VM: Sie planen eine Ausweitung des
   Konzepts auf Wohngebäude. Was ist
   hier die Herausforderung?
   Jan Gaun: Grundsätzlich lässt sich fest-
   stellen, dass die Übertragung unseres
   Konzepts auch deutschlandweit für die
                                                                                                                                               Foto: baumschlager eberle

   Wohnraumnutzung geeignet ist. Zwei
   maßgebliche Faktoren sind dabei beson-
   ders zu berücksichtigen: Technik und
   Nutzung. Auf der technischen Ebene ist
   hier vor allem die Warmwassererzeugung
   zu nennen. Wenn Sie, wie im Projekt 2226
   bereits erfolgreich nachgewiesen wurde,

02/2018 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
GEBÄUDEDÄMMUNG: WARUM EIGENTLICH? 11

PRAXISBEISPIEL: NASSAUISCHE HEIMSTÄTTE / WOHNSTADT

Dämmstoffwahl unter Nachhaltigkeitsaspekten

V
          eranlasst durch die seit 2014 ver-        konnten, wie beispielsweise das energetische

                                                                                                                                                          Fotos: NH Projektabwicklungsteam 3220
          folgte Nachhaltigkeitsstrategie des       Niveau und die technische Mindestausstat-
          Unternehmens sowie die immer              tung (mindestens kontrollierte Wohnraum-
wiederkehrende Medienberichterstattung              lüftung). Untersucht wurden jeweils ein
bezüglich des Brandverhaltens von Dämm-             Referenzgebäude zum Neubau mit KfW-EEH
stoffen ist die Unternehmensgruppe Nassau-          70 und eines zur Modernisierung mit KfW-
ische Heimstätte/Wohnstadt der Frage nach-          EEH 115 in den Gebäudeklassen III und IV.
gegangen: „Berücksichtigt unsere bisherige
Dämmstoffwahl alle Aspekte der Nachhaltig-          Betrachtet wurden synthetische (zum Bei-
keit?“. Ein Gutachten gab Aufschluss.               spiel EPS, PUR, XPS) und mineralische
                                                    Dämmstoffe (zum Beispiel Mineralwolle,
Das Institut für angewandte Energiesimula-          Schaumglas) sowie Dämmstoffe aus nach-
tion und Facility Management (ifes) in Köln         wachsenden Rohstoffen (NawaRo-Dämm-            Rückbau. Mithilfe von Ökobilanzdaten wer-
führte eine integrierte und ganzheitliche           stoffe) wie Holzfaser, Kork oder Neptunbälle   den diese Emissionen über den gesamten
Betrachtung der am Markt angebotenen und            in ihren unterschiedlichen Einsatzmöglich-     Lebenszyklus berechnet und ausgewertet.
gängigen Dämmstoffe und -systeme durch              keiten wie Außenwände oder obere Ge-           Das Treibhauspotenzial GWP ist hierbei
und berücksichtigte dabei alle wirtschaftli-        schossdecken.                                  einer der wichtigsten Parameter und gibt
chen, ökologischen, bauphysikalischen und                                                          den potenziellen Beitrag eines Stoffes zur
sozialen Belange.                                   In der Studie wurde der Einfluss auf die       Erwärmung der bodennahen Luftschichten
                                                    Ökobilanzierung (LCA) und die Lebenszy-        an (Treibhauseffekt).
Zur praxisnahen Unterstützung wurde in der          kluskosten (LCC) untersucht und durch den
Unternehmensgruppe ein interner Arbeits-            Arbeitskreis bewertet.                         Derzeit scheint der Mitteleinsatz für ganz-
kreis gebildet, der die Rahmenbedingungen                                                          heitliche Modernisierungs- und Neubaustra-
festlegte, sodass konkrete wohnungswirt-            Gebäude verursachen in allen Phasen ihres      tegien unter Berücksichtigung des Einsatzes
schaftliche und technische Festlegungen             Lebenszyklus Emissionen und Kosten, von        Erneuerbarer Energien im Quartiersverbund
direkt zu Beginn in die Studie einfließen           der Errichtung über die Nutzung bis zum        vorrangig.

                                                                                                   Mit Blick auf die CO₂-Einsparung ist eine
       KERNAUSSAGEN DER STUDIE                                                                     deutlich größere Reduzierung des ökologi-
                                                                                                   schen Fußabdruckes zu erwarten als der
                                                                                                   flächige Einsatz nachwachsender Dämm-
  Im Kern wurden durch die Studie folgende Aussagen und Festlegungen herausgearbeitet:             stoffe. Eine Aktualisierung dieser Aussagen
                                                                                                   ist in Fünfjahreszyklen vorgesehen.
  • Zu Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen:
    – der ökologische Fußabdruck reduziert sich um mehr als 80 Prozent
    – bei außen liegenden Dämmschichten sind Schall- und Feuchteschutz nahezu gleichwertig               GASTBEITRAG
    – stärkere Dämmstoffdicken sind nötig zur energetischen Gleichwertigkeit
    – gemäß der Hessischen Bauordnung nur bis Gebäudeklasse III brandschutztechnisch
      zugelassen
    – deutliche Mehrkosten
    – speziell für die nachträgliche Dämmung von belüfteten Flachdächern wird der Einsatz von
      Cellulosedämmung bevorzugt
    – bei Neubauvorhaben wird die Dämmung unterhalb der Bodenplatte mit Schaumglasgranulat
      bevorzugt

  • Der Einsatz von Mineralfaser- anstatt EPS-basierten Dämmstoffen, als Teil des WDVS, bringt
    keinen ökologischen Vorteil. Nach der vorliegenden Expertise schneiden bei der gesamtheit-
    lichen Betrachtung der Ökobilanz Mineralfaser-Dämmstoffe sogar leicht schlechter ab. Dies        Karin Hendriks
    ist vor allem durch den hohen Energieeinsatz bei der Produktion der Mineralfaserdämmstoffe       Nassauische Heimstätte/Wohnstadt
    begründet.                                                                                       Leiterin Unternehmensbereich
                                                                                                     Modernisierung / Großinstandhaltung
  • Zusätzlich hat das Unternehmen festgelegt, dass Brandriegel stockwerkweise vorgesehen werden     Tel.: 069 6069 1349
    und die Lage der Müllplätze als mögliche Brandgefahr direkt an der Fassade reduziert werden.     E-Mail: karin.hendriks@naheimst.de

                                                                                                         02/2018 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
12       SCHWERPUNKT

PRAXISBEISPIEL: WOHNBAU LEMGO EG

Hanfdämmung beim Quartiersumbau „Im Pivit“

                                                                                                                                           Fotos: Wohnbau Lemgo eG
P
       remiere in Bad Salzuflen: Zum Auf-               Jetzt kommt es auf die Qualitäten während
       takt des Quartiersumbaus mit dem                 der Nutzungsphase an. Dazu beobachtet
       Gebäude Im Pivit 6+8 verbaute die                die Wohnbau Lemgo eG nun, wie sich die
Wohnbau Lemgo eG für zwölf Wohnungen                    Energiewerte in den kommenden Jahren
ein Hanffaser-Dämmsystem mit 18 Zenti-                  tatsächlich darstellen. Und wie die Bewohner
meter Stärke für die gesamte Fassade. Mo-               das Raumklima, Schallschutz und Co. nach
tivation war der Einsatz eines rein ökolo-              den ersten Monaten bewerten.
gischen Dämmstoffs und eine Prüfung der
Produkteigenschaften im Echtlauf. Neben                 Als Erfolgsfaktor bewertet die Genossen-
der ökologischen Betrachtungsweise von                  schaft die Schulung und Zertifizierung des
Herstellungsprozess und späterer Entsor-                beteiligten Malerbetriebes durch den Her-
gung der Gebäudehülle erhoffte sich die Ge-             steller der Dämmmaterialien als Garantie
nossenschaft im Vergleich zu synthetischen              für eine problemlose Verarbeitung. Auch
Materialien insbesondere Pluspunkte in den              die umfangreichen Informationen und Auf-
Bereichen Raumklima, Schall-, Kälte- und                klärung der Bewohner durch die Wohnbau
Hitzeschutz.                                            Lemgo eG trugen zur Offenheit dem inno-
                                                        vativen Dämmstoff gegenüber bei. Einige
Das Fazit fällt bis zum heutigen Zeitpunkt              Detailpunkte sollten in der Planungsphase
absolut positiv aus: Ablauf und Durchfüh-               aber doch mit dem Lieferanten abgestimmt
rung haben wie erhofft funktioniert. Zwar               werden – dazu zählt beispielsweise eine
dauert die Verarbeitung des Materials vor               zweite Abdichtungsebene unter den Fens-
Ort minimal länger, aber im Grunde gab                  terbänken.
es im gesamten Prozess für die Beteiligten                                                             In 2019 folgen zum Abschluss die Gebäude
keinen relevanten Unterschied zu bisherigen             Konkret fortgesetzt werden die Maßnahmen       Im Pivit 2+4 und Weiße Breden 5+5a mit
Maßnahmen. Und das Material wird von den                in 2018 mit vergleichbaren Umfängen am         weiteren 24 Wohnungen.
Bewohnern gut angenommen.                               Gebäude Im Pivit 1+3 mit zwölf Wohnungen.                          FRR/WOHNBAU LEMGO

02/2018 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
GEBÄUDEDÄMMUNG: WARUM EIGENTLICH? 13

BLICK IN DIE ZUKUNFT

Individuelle Gebäudehülle aus dem Drucker
Architekten der Technischen Universität
München (TUM) haben ein multifunktio-
nales und lichtdurchlässiges Fassadenele-
ment entwickelt, das mit dem 3-D-Drucker

                                                    Foto: Professur für Entwerfen und Gebäudehülle TUM
produziert werden kann. Die Technik er-
laubt eine völlig freie architektonische Ge-
staltung, und innovative Design-Konzepte
lassen sich problemlos realisieren. Außer-
dem sind in der neuen Fassade Funktionen
wie Lüftung, Dämmung oder Verschattung
bereits integriert.

Das 60 Zentimeter breite und einen Me-
ter hohe Muster-Bauteil aus Kunststoff ist
schneeweiß und wirkt sehr filigran. Licht
scheint diffus durch die Oberfläche. Kaum
zu glauben, dass dieses Material ein Gebäu-
de vor Wind und Wetter schützen kann. Bei
dem Bauteil handelt es sich um ein funkti-
onsintegriertes Fassadenelement aus dem            tech-Fassade aussehen könnte: Kunststoff
3-D-Drucker. Moritz Mungenast, wissen-             umhüllt das Bauwerk wie ein luftiges, wei-
schaftlicher Mitarbeiter an der Professur für      ches Tuch. Die Wirkung wird verstärkt durch
Entwerfen und Gebäudehülle der TUM, hat            die gewellte Oberfläche, die dem Fassaden-
das Projekt initiiert und es gemeinsam mit         Konzept seinen Namen gab: Fluid Morpho-
seinem Team umgesetzt.                             logy. Wie Wasserwellen, die entstehen, wenn
                                                   mehrere Steine in einen windstillen See ge-
„Tatsächlich ist das Fassadenelement nicht         worfen werden, überlagern sich die Struk-
                                                                                                                  Foto: Andreas Heddergott TU München

nur sehr stabil, sondern auch lichtdurchläs-       turen. „Design und Funktion hängen eng
sig und multifunktional“, sagt Mungenast.          zusammen“, erklärt Mungenast. „Wir kön-
Zellen im Inneren sorgen beispielsweise für        nen beispielsweise die Wellen so anordnen,
Stabilität und schaffen gleichzeitig luftgefüll-   dass sie die Fassade im Sommer vor Hitze
te Hohlräume für eine optimale Dämmung.            schützen und im Winter möglichst viel Licht
Wölbungen des Materials spenden Schatten.          durchlassen.“ Künftige Einsatzmöglichkeiten
Eingelagerte, dünne Röhren lassen die Luft         sieht Mungenast zunächst bei Sonderbauten
von einer Seite zur anderen zirkulieren – op-      wie Museen, Bibliotheken, Einkaufszentren
timale Belüftung ist damit garantiert. Und         oder Versammlungsräumen.
eine mikrostrukturierte Oberfläche sorgt für
optimale Akustik. All diese Funktionen sind        Langzeittests unter Realbedingungen
skalierbar und lassen sich ohne Extrakosten        Doch wie viel Licht dringt wann und wo
individuell an verschiedene Anforderungen          durch die neuen, gedruckten Fassadenele-
anpassen.                                          mente? Wie gut halten sie UV-Strahlung,
                                                   Windbelastung, Regen und Schnee stand?
Das Geheimnis der Welle                            Wie effizient ist die Dämmung? Eine Lang-
„Der 3-D-Druck gibt uns nie dagewese-              zeitmessung eines kompletten Fassadenele-
                                                                                                                  Fotos: Andreas Heddergott TU München

ne Gestaltungsmöglichkeiten. Wir können            ments von 1,6 x 2,8 Metern Größe auf der
diese Freiheit nutzen, um Funktionen wie           Solarstation, einem Versuchsstand auf dem
Lüftung, Verschattung und Klimatisierung           Hauptgebäude der TUM in der Münchner
zu integrieren. Das macht teure Sensoren,          Arcisstraße, soll Antworten liefern. Ein Jahr
Steuerungsprogramme und Motoren, die               lang werden Sensoren Daten sammeln, mit
man bisher benötigt, überflüssig“, erklärt         deren Hilfe die Architekten dann ihr Design
der Architekt.                                     noch verbessern wollen, bevor sie einen
                                                   weiteren Prototyp aus Polycarbonat, einem
Die Designstudie, die sein Team erstellt hat,      zugelassenen Fassadenmaterial, fertigen.
zeigt, wie ein Gebäude mit der neuen Low-                                                                TUM/KS

                                                                                                                                                         02/2018 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
14       AKTUELLES

ZEHNJÄHRIGES JUBILÄUM

Symposium und Mitgliederversammlung der Marketinginitiative
der Wohnungsbaugenossenschaften Deutschland e. V.

G
         emeinsam das genossenschaftliche
         Wohnen bekannter machen und die
         Marke „Wohnungsbaugenossen-
schaften“ stärken – mit diesem Ziel haben
vor zehn Jahren Wohnungsbaugenossen-
schaften die Marketinginitiative gegründet.
Ihr Jubiläum im Jahr 2017 nutzte die Initia-
tive, um am 30. November und 1. Dezember
2017 Bilanz zu ziehen und einen Blick in die
Zukunft zu wagen: Wie soll sich der Zusam-
menschluss von über 400 Wohnungsbauge-
nossenschaften in den kommenden Jahren
(weiter-)entwickeln?

Der gesamte Tag stand unter dem Motto „Ich                                            Foto:Marketinginitiative der Wohnungsbaugenossenschaften Deutschland e. V.
habe einen Traum …“ – die Referenten ließen
die über 160 Teilnehmenden an ihren Träu-               Die Vorträge erheiterten das Publikum sichtlich.
men und Wünschen zur Zukunft der Woh-
nungsbaugenossenschaften im Allgemeinen                 nen Zielgruppen und filterte heraus, welche         mehr Mut bei der Umsetzung werblicher
und der Marketinginitiative im Speziellen               Zielgruppen für die Wohnungsbaugenossen-            Aktivitäten. Thomas Mende (DZ Bank AG
teilhaben. Sie alle haben Ideen, Visionen und           schaften von Relevanz sind. Er plädierte für        und Deutsche Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-
konkrete Vorstellungen präsentiert, wie die             stärkeres Einmischen bei gesellschaftspoli-         Gesellschaft, Düsseldorf) erinnerte an die
Marketinginitiative im Jahr 2027 aufgestellt            tischen Themen und für klare Botschaften.           Stärke der genossenschaftlichen Gemein-
sein sollte.                                            Letztlich sei es wichtig, in guten Zeiten in        schaft und stellte – auch die gemeinsamen
                                                        Werbung zu investieren, dann sei man auch           – Aktivitäten zum Raiffeisen-Jahr 2018 vor.
Dr. Johannes Novy (Stadtforscher- und pla-              in schlechten Zeiten glaubwürdig. Mirja             Abschließend zog Parkourläufer Ben Scheff-
ner, Cardiff University) hob die Bedeutung              Dorny (VdW Rheinland Westfalen) wiede-              ler (Traceur und Geschäftsführer von Par-
der (Wohnungs-)Genossenschaften hervor                  rum nahm die Zuhörer mit auf eine Reise             kourONE, Berlin) Parallelen zwischen seiner
und zeigte sich überzeugt, dass diese Un-               in die Zukunft. Sie zeigte sehr amüsant und         Sportart und den Genossenschaften und de-
ternehmensform zukunftsweisend ist und                  mit feiner Ironie, wie die Wohnungssuche            monstrierte gemeinsam mit dem Publikum,
Antworten auf die drängenden wohnungs-                  im Jahr 2027 aussehen könnte und wie die            wie Hindernisse flüssig, schnell, sicher und
politischen Fragen unserer Zeit bereithält.             Wohnungsgenossenschaften sich auf dem               effizient überwunden werden können.
                                                        Markt positionieren. Ingo Theel (Vorstand
Helmut Knüpp (ehemaliger Vorstandsvor-                  Baugenossenschaft freier Gewerkschafter,            Auf der Mitgliederversammlung am nächs-
sitzender der Wankendorfer Baugenos-                    Hamburg) als einer der Gründungsväter               ten Tag standen die im Rahmen des Strate-
senschaft für Schleswig-Holstein eG und                 der Initiative wünschte sich für den „bunten        gieworkshops erarbeiteten Vorschläge zur
langjähriger Vorsitzender der Marketingini-             Haufen mit den Bauklötzchen“ langfristig            Zukunft der Marketinginitiative im Fokus.
tiative) machte einen umfassenden und un-               ein weiteres Wachstum des Netzwerkes auf            So soll künftig statt der unterschiedlichen
terhaltsamen Exkurs durch die verschiede-               mindestens eine Million Wohnungen und               regionalen Logos nur noch das Logo „Woh-
                                                                                                            nungsbaugenossenschaften Deutschland“
                                                                                                            zum Einsatz kommen. Passend dazu soll
                                                                                                            www.wohnungsbaugenossenschaften.de als
                                                                                                            zentrale Internetadresse kommuniziert und
                                                                                                            regionale Websites sukzessive aus dem Netz
                                                                                                            genommen werden. Darüber hinaus soll der
                                                                                                            Claim der Marketinginitiative künftig „Dein
                                                                                                            Zuhause“ lauten.

                                                                                                            Dieser Dreiklang soll die Basis der weiteren
                                                                                                            Aktivitäten werden und zu einer besseren
                                                                                                            Sichtbarkeit der Wohnungsbaugenossen-
                                                                                                            schaften beitragen. Schmidt (Marketinginitiative
                                                                                                            Deutschland) / MD

02/2018 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
AKTUELLES 15

                                                                                                                                                              bringu
GEGEN DIE GEFAHREN IM ALLTAG                                                                                                                                er

                                                                                                                                                                           ng
                                                                                                                                                       t
                                                                                                                                                     Un
Neue Hilfsmittel zum Thema Brandschutz

                                                                                                                                                                             en
                                                                                                                                                     vo

                                                                                                                                                                          ng
und Sicherheit in Flüchtlingsunterkünften                                                                                                                                   i

                                                                                                                                                       n
                                                                                                                                                            Fl
                                                                                                                                                                 ü c ht l

Die Provinzial Versicherungen und der
Verband der Feuerwehren in NRW haben
ihr Angebot an unterstützenden Materi­
alien für die Sicherheit in Flüchtlingsun­
terbringungen sowie für die Brandschutz­
prävention erweitert. Die Materialien
stehen allen Mitgliedsunternehmen und
­genossenschaften des Verbandes zur Ver­
fügung und es besteht die Möglichkeit, ein
Co­Branding vorzunehmen.

Sicherheit in Flüchtlingsunterkünften
Waschen, Kochen, Heizen – Alltagstätig-

                                                                                                                                                                                        Foto: Provinzial Versicherung
keiten können rasch Gefahren heraufbe-
schwören. Dies geschieht erst recht, wenn
Menschen mit den kulturellen Gegebenhei-
ten vor Ort nicht vertraut sind. So zeigen die
Erfahrungen in Unterkünften für geflüch-
tete Menschen, dass Haushaltsgeräte und
sonstige Ausstattungsgegenstände oft falsch
genutzt werden – mit riskanten Folgen für die
Bewohner. Für mehr Sicherheit sorgen ab so-      Kleines Signal – große Wirkung
fort zehn kurze Erklär-Filme, die ganz ohne
Sprache auskommen. So wird Bewohnern             Kinderfinder hilft Kinderleben retten                                    bäude befinden. Die Kinderfinder erleich-
von Flüchtlingsunterkünften per szenischer       Bei einem Brand entscheiden Minuten über                                 tern den Rettungskräften die Suche. Der
Darstellung gezeigt, welche Gefahren bei-        Leben und Tod. Vor allem Kinder zählen im                                Kinderfinder ist ein reflektierender Aufkle-
spielsweise bei falscher Handhabung von          Ernstfall zu den Schwächsten. Ihnen gehört                               ber, der auch im Dunkeln oder bei großer
Elektrogeräten entstehen können. Abrufbar        die größte Aufmerksamkeit der Rettungskräf-                              Rauchentwicklung signalisiert: Hinter dieser
sind die Filme über das Scannen eines QR-        te. Für die Feuerwehren ist es oftmals schwer                            Tür könnten Kinder sein! LW/RALF TORNAU
Codes.                                           festzustellen, ob sich Kinder in einem Ge-
                                                                                          Foto: Provinzial Versicherung

                                                                                                                                 BESTELLMÖGLICHKEITEN

                                                                                                                            Die Materialien können online bestellt wer-
                                                                                                                            den. Hierzu ist eine einmalige Registrie-
                                                                                                                            rung im Online-Shop zur Sicherheitserzie-
                                                                                                                            hung unter www.sicherheitserziehung.shop
                                                                                                                            notwendig. Es besteht darüber hinaus die
                                                                                                                            Möglichkeit für Mitgliedsunternehmen- und
                                                                                                                            genossenschaften des VdW ein Co-Branding
                                                                                                                            vorzunehmen. Ansprechpartner für weitere
                                                                                                                            Informationen ist:

                                                                                                                            Jens Wunderlich
                                                                                                                            Abteilungsleiter Wohnungs- und
                                                                                                                            Immobilienwirtschaft Westfälische
                                                                                                                            Provinzial Versicherung AG
                                                                                                                            Tel.: 0251 219-4772
Die Erklär-Filme sind über einen QR-Code abrufbar und können beispielsweise im Gebäude                                      E-Mail: jens.wunderlich@provinzial.de
neben einem Feuerlöscher angebracht werden.

                                                                                                                                02/2018 • VerbandsMagazin des VdW Rheinland Westfalen
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