WAS IST DER MENSCH? 59 - Ausgaben
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Ausgabe Nummer 59 · Juli 2021 · P.b.b. 05Z036270 M · GEA Verlag, Lange Gasse 24, 1080 Wien · Retouren an Postfach 555, 1008 Wien www.brennstoff.com 59 WAS IST DER MENSCH?
Inhalt Editorial Brennstoff № 59 Juli 2021 Was ist der Mensch? Ausgabe Nº 59 · Juli 2021 Medieninhaber und Verleger Liebe Freundinnen, liebe Freunde! Waldviertler Werkstätten GmbH - GEA Verlag Die Wissenschaft kommt oft ziemlich breitspurig Niederschremser Straße 4b 3943 Schrems · verlag@gea.at 5 Peter Coreth daher, - im Gehabe „wir wissen s“. Oft tut sie so, als Das „Urgeheimnis“ Herausgeber Unsere Ex-Lehrlinge Der Absturz war geglückt.* hätte sie „alles im Griff“. Fabian Scheidler (siehe Sei- te 16 f) sagt dazu, „der größte Feind der Erkenntnis Heini Staudinger sind jetzt die Säulen BRIEF AN EINEN JUNGEN DICHTER ist die Illusion des Wissens.“ Ich sag s manchmal ein Redaktion der Waldviertler 10 AlbreCht hAushofer bisschen anders, nämlich, „das größte Lernhinder- Heini Staudinger and friends „(…) und ich möchte Sie, so gut ich es kann bitten, Schuld nis ist die Arroganz.“ Schuhwerkstatt Geduld zu haben gegen alles Ungelöste in ihrem Satz/Gestaltung Matthäus Zinner/typothese Herzen und zu versuchen, die Fragen selbst lieb zu 11 hAushofer und Kolbe* „Wer und was wir sind, ist heute um keinen Deut weniger geheimnisvoll als zur Zeit der ersten Men- Mitarbeit und Korrektorat Renate Gönner, Marianne Oppel haben, wie verschlossene Stuben und wie Bücher, 12 eriKA freemAn schen. Die Wissenschaften haben dieses Rätsel Heini Staudinger Dominik die in einer fremden Sprache geschrieben sind. Wunder, – „Joschi, du bist doch tot.“* nicht gelöst, sondern vertieft“ (Scheidler) Herausgeber Harald Redaktionsadresse Forschen Sie jetzt nicht nach Antworten, die Ihnen Was ist der Mensch? Irgendwie sind wir alle von brennstoff@gea.at nicht gegeben werden können, weil Sie sie jetzt 16 KAy sArA Sehnsucht getrieben diesem Geheimnis auf die Spur Ich befinde mich im Wald bei meinem Volk* www.brennstoff.com nicht leben könnten. zu kommen. Immer mit der Hoffnung nach einem sinnhaltigen Leben. Abos und Anzeigen verlag@gea.at Und es handelt sich darum, alles zu leben. Leben 18 Ge Ge Ge gehört – gesehen – gelesen Sie jetzt die Fragen. Vielleicht leben Sie dann Peter Coreth hat für diesen Brennstoff die Hauptge- allmählich, ohne zu merken, eines fernen Tages in schichte geliefert (Seite 5 f.) In seinem Essay schildert „Es gibt ein unfehlbares die Antworten hinein.“ 20 felwine sArr Afrotopia, Die Zukunft ist jener Ort, er, wie er, nachdem ihm „der Absturz geglückt“ war, Rezept, eine Sache gerecht herumstreunend die Entdeckung machte, dass (alte, unter zwei Menschen Marlene den es noch nicht gibt.* uralte) Kunstwerke zu ihm sprachen und ihm Antwor- RAINER MARIA RILKE aufzuteilen: Einer von Jacky ten gaben, die er im geschäftigen Getriebe der mo- ihnen darf die Portionen Edith 24 GeA -AKAdemie** dernen Zeiten nirgendwo finden konnte. Peter, Danke bestimmen, und der dir für deinen wunderbaren Beitrag. Außerdem freue andere hat die Wahl.“ Der griechische Denker Heraklit *Im brennstoff.com findest du die Langversion und/oder ich mich sehr, dass du mit deinem „sprechenden“ stellte sich als einer der Ersten die Ergänzungsmaterial zu diesem Artikal Gustav Stresemann Museum „Humanum“ in unserer Nähe daheim bist. ** das ständig aktualisierte Programm der GEA Akademie Frage: Gibt es ein unveränderliches findest du immer unter: www.gea.at/akademie (Tipp an die LeserInnen: faszinierend, einzigartig … Sein, oder gibt es nur ein sich stets Vom Museum Humanum nach Afrika ist es seltsamer- änderndes Werden? Er glaubte: weise gar nicht weit. Felwine Sarr, ein herausragender Aziz Denker Afrikas, sagt (S. 20 f) „Der Homo africanus ist Nichts hat Bestand. Es ist ein ewiges Die abgebildeten Masken entstammen keine Homo oeconomicus im strengen Sinn. Die Mo- Werden. Viele Menschen kennen „Schaun Sie, wann wer der Sammlung von tive seiner Entscheidungen sind geprägt von Logiken Brennstoff № 59 heute noch seine Sentenzen: „Alles der Ehre, der Umverteilung, der Subsistenz und der kommt und er braucht’s wird ermöglicht durch die: Peter Coreth. und i hob’s, dann kriegt FörderABOnnentInnen, fließt“ oder „Man steigt nicht zweimal in denselben Diese – und noch Gabe beziehungsweise der Gegengabe.“ Waldviertler Schuhwerkstatt, er’s auch. I tu gar ned Fluss“. Heraklit ahnte schon, dass es hinter diesem viel mehr – sind zu die GEA Möbelwerkstatt Wir, die Europäaner (ein Freund aus Mali nennt die viel nachdenk’n.“ und die GEA Geschäfte. ewigen Werden ein verborgenes Grundgesetz gibt. bestaunen in seinem Europäer immer Europäaner), hatten das Teilen auch Ute Bock Museum „Humanum“ Erscheinungsweise einmal drauf. So manches Sprichwort erinnert daran. die legendäre Flüchtlings- HERAKLIT (544 - 483 v.C.) in Fratres, im helferin, Vorbild der derzeit 4x im Jahr Eines z. B. hat mir immer gefallen. - „Geteiltes Leid nördlichen Waldviertel. Zivilgesellschaft verbreitete Auflage: 15.140 ist halbes Leid, geteilte Freude ist doppelte Freude.“ Siehe Seite 7. brennstoff FörderABO Ja, Freud und Leid, und natürlich lässt sich dieses „Waldviertler Werkstätten GmbH - Teilen auch auf s Materielle ausweiten. Ob s wirklich GEA Verlag“ stimmt? … das lässt sich leicht überprüfen. Man muss IBAN: AT11 3241 5000 0000 7898 Zufälle sind die Menschen, Stimmen, Stücke, es nur ausprobieren. BIC: RLNWATWWOWS Und so lang du das nicht hast, Kennwort: „brennstoff“ Dieses: Stirb und werde! Alltage, Ängste, viele kleine Glücke, Das meint im Ernst DAS Danke ES LEBE Bist du nur ein trüber Gast verkleidet schon als Kinder, eingemummt, N DW E RK. HA Auf der dunklen Erde. als Masken mündig, als Gesicht - verstummt. ? F LEHRE LUST AU R. M. RILKE gea.at J. W. GOETHE personal@ P.s.: Unsere Schuh-Schenk-Aktion läuft und läuft. Die Schenkenden freuen sich, die Beschenkten sind glücklich und wir sind auch froh, denn ... Schau auf Seite 23 ... 300.000 Euro gespendet ... www.gea.at 2 Nº 59/21 Nº 59/21 3
Das „Urgeheimnis“ Der Absturz war geglückt. Ich begann zu sammeln ... Von Peter Coreth or 50 Jahren habe ich begonnen, Kunst zu herausfordernd ansah, rasend in ihrer Teilnahme am sammeln. Damals steckte ich in einer Le- Irdischen. Ob Götter- oder Menschenbilder – in bei- benskrise, wusste nicht, wie es mit mir weiter- den fand ich Aspekte meiner eigenen Natur und Ant- gehen sollte. Nach fünf Jahren als außenpoli- worten auf das Rätsel menschlicher Existenz. tischer Redakteur der „Salzburger Nachrichten“ war ich in einer Mansarde in London gestrandet. Widersprüchliche Vielstimmigkeit Dort wurde mir bewusst, dass ich nicht in mein al- Was würde es für unser gesellschaftliches Gefüge be- tes Leben zurückkehren würde. Es war mir unmög- deuten, könnten diese mythologischen Bildkräfte tat- lich geworden, auf Ereignisse der Weltpolitik mit den sächlich in uns wirksam werden? Weil sich Kulturen gewohnten Sätzen zu reagieren. Ich wollte mich in erst im Vergleich miteinander erschließen, wollte ich PETER CORETH, einem anspruchsvolleren Umriss sehen. Die Welt als ihre sinnstiftenden Wahrheiten nicht wortwörtlich geb. 1948 in Linz, studierte Poli- Information hatte ihren Reiz verloren, jetzt war ich nehmen oder gegeneinander stellen, vielmehr suchte tikwissenschaft in Salzburg und Nairobi, arbeite 1971-76 als hinter ihrem Geheimnis her. ich in ihrer scheinbar widersprüchlichen Vielstimmig- außenpolitischer Redakteur der keit den gemeinsamen Grundton zu vernehmen. Ein Salzburger Nachrichten. Danach Wer war ich eigentlich? Mythos teilt sich nicht in Begriffen und Definitionen freier Publizist, Buchautor und Und wer waren die anderen? Kunstsammler. 1995 Gründung Francesco Tomasinelli / AGF / picturedesk.com mit, vielmehr in Bildern, Gleichnissen, Entsprechun- der Kulturbrücke Fratres, Wer war ich eigentlich? Und wer waren die anderen? gen. Marsilio Ficino war schon im 15. Jahrhundert ei- 1997 Eröffnung des Museum Worauf beruhte dieses Getriebe ringsum, das mich ner Matrix verschiedener Weltbilder, die er „Urwahr- Humanum. Zuletzt erschienen: sprachlos und somit berufsunfähig gemacht hatte? heit“ nannte, auf der Spur gewesen. Die Kirche, die „Weltbilder im Spiegel der Kunst Wochenlang streunte ich sich als die einzig le- - Die Sammlung Peter Coreth“. Prix Jeanne de Ferrette. Comeni- durch die Museen auf der „Das Staunen ist ein Zustand, gitime Vermittlungs- us-Medaille. Würdigungspreis Suche nach Orientierung. instanz zum Heil des Landes NÖ. Erstmals machte ich die der vor allem dem Freund verstand, konnte mit Entdeckung, dass Kunst- der Weisheit zukommt. Ja, einer Öffnung und werke zu mir sprachen. Verschmelzung von Ich fühlte deutlich, dass es gibt keinen anderen Anfang Weltbildern keine sie mich betrafen, obwohl der Philosophie als diesen.“ Freude haben, waren Felsmalerei am Cederberg in Südafrika. ich fast nichts über sie doch alle Glaubens- wusste! Es mag seltsam Plato dinge von der Macht- klingen, aber meine Ängs- frage durchwirkt. te und Zweifel, meine Wut auf die Verhältnisse, mein Einzelgänger-Stolz, all die ... aufgehört, etwas werden zu wollen verdrängten Träume – sie traten mir auf einmal aus Auf meiner Fensterbank standen die ersten antiken den Kunstwerken entgegen. Der romanische Welten- Gegenstände, die ich – einem unklaren Impuls folgend herrscher in seiner erratischen Frontalität, der lässig – aus meinen Ersparnissen gekauft hatte: Kultfigu- entspannte Bodhisattva aus der Tang-Dynastie, der ren, Tierstatuetten, rituelle Gerätschaften, Amulette, keulenschwingende Nagelfetisch aus den Savannen Insignien der Macht. Ich versuchte, eine Beziehung Afrikas oder der mit Trommel und Rasseln bewaffne- mit ihnen aufzunehmen. Mich reizte die imaginäre te mongolische Schamane: Hier standen sie mir auf Zwiesprache mit Menschen, die z. B. ein neolithisches Augenhöhe gegenüber wie die nackte Lilith, die mich Tongefäß mit einem rätselhaften Ritzmuster versehen 4 Nº 59/21 Nº 59/21 5
hatten. Das Gefäß in Händen, wusste ich mich un- Eine in Vergessenheit geratene Weltsicht verwendet dafür das Symbol des dritten Auges (Stirn- versehens mit Menschen aus der Jungsteinzeit ver- Was man das „Urgeheimnis“ nannte, war von den auges). Die Griechen, zwischen Rationalität und Mys- Achtsamkeit für das Jetzt bunden. Es drängte mich, eine Zeitbrücke zu jenen Jägergesellschaften auf die frühen Bauernkulturen terienspiel schwankend, stellten beides in den Dienst „Ich lebe im Rhythmus des Gesangs der Vögel und des Ein Name für ein neues Verhältnis zur Zeit, in frühen Töpfern zu schlagen, das Gemeinsame freizu- übergegangen, fand Eingang in die alten Schriften der Selbsterkenntnis. Regens, und ich führe die dem wir uns vorbehaltlos in das Jetzt hinein(be) legen, das uns über Jahrtausende verband. Getrieben Chinas, Indiens, Persiens oder Ägyptens, seine Sym- Rituale aus, die mich in Kon- geben, ist der buddhistische der „Aufmerksamkeit“. vom Eros des Aufspürens und der Entschleierung ließ bole wurden auf Papyri und Tontafeln weitergegeben. Un-?-Wissen als Waffe takt zu meinen Vorfahren ich mich auf die Märkte hinaustreiben. Dabei fühlte In der Antike vertrauten es die Mysterien-Schulen ih- Ein wirkmächtiges Kompendium mythischen Ge- bringen.“ (Kay Sara) Eine Zen-Geschichte erzählt von einem Mann aus ich die Erleichterung des Streunenden, der aufgehört ren Initianten unter dem Siegel strengster Verschwie- heimwissens aus dem hellenistischen Alexandrien ist dem Volk, der eines Tages Meister Ikkyou fragte, ob hat, etwas werden zu wollen. Ich sah plötzlich Dinge, genheit an. Bei diesem Wissen handelte es sich um z.B. die Tabula Smaragdina des legendären Hermes Kay Sara er ihm nicht „ein paar Leitsätze von höchster Weis- die sich denjenigen verschließen, die streben und wir- winzige Reste eines alten Erfahrungsguts, einer in Trismegistos, den man mit Thot, dem ägyptischen Seite 14 heit aufschreiben“ könne. Da nahm Ikkyou einen Pinsel und schrieb da- ken. Das Fremdsein in der uferlosen Stadt, in der Welt Vergessenheit geratenen Weltsicht, die aus magischen Gott der Gelehrsamkeit, identifizierte. Im Mittelalter mit das Wort „Aufmerksamkeit“. „Ist das alles?“ fragte der Mann. „Willst überhaupt, tat weh. Ich war 27, arbeitslos und ohne Zeiten stammt und mit dem Begriff Natursichtigkeit aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzt, sorg- du nicht noch etwas hinzufügen?“ Darauf schrieb Ikkyou zweimal hinter- Krankenversicherung, aber auf eine sonderbare Weise nur mangelhaft bezeichnet ist. Die indische Kunst te das symbolische Analogiesystem der Smaragdtafel einander das Wort: „Aufmerksamkeit“. Der Mann meinte enttäuscht: „Ich stolz auf mich: Der Absturz war mir geglückt. Und ich sehe weder Feinheit noch Tiefe in dem, was du da schreibst.“ Da schrieb hatte begonnen zu sammeln! Ikkyou dreimal das gleiche Wort. Fast ärgerlich sagte der Mann: „Was soll dieses Wort Aufmerksamkeit nun schließlich bedeuten?“ Und Ikkyou Sinnsuche antwortete: „Aufmerksamkeit bedeutet Aufmerksamkeit.“ Kunstwerke sind stofflich, greifbar, aber zugleich Annäherungen an das Unbegreifliche. Oft waren sie Ich habe diese kleine Geschichte bei Dorothe Sölle gefunden. Sie ist mir der einzige Halt, auf den ich zurückgreifen konnte – wichtig, denn das allgegenwärtige Gift unserer „modernen“ Zeit heißt „Ablenkung“. Die Ruhe, die Aufmerksamkeit, das Nicht-Tun sind die Na- men der wirksamsten Heilkräuter gegen dieses Gift. „Das Höchste, wozu der Mensch gelangen kann, „Die Zeit ist nur ein Fluss, in dem ich fischen will. ist das Erstaunen“ Ich trinke daraus, aber während ich trinke, sehe ich seinen san- J. W. Goethe digen Grund und entdecke, wie seicht er ist. Seine schwache Strömung verläuft, aber die Ewigkeit bleibt. Ich möchte in tiefen Zügen trinken und im Himmel fischen, dessen Grund voll Kie- und sei es inmitten einer schlaflosen Nacht, wenn mir selsterne liegt. In der Ewigkeit ist fürwahr etwas Wahres und meine Unzugehörigkeit im Kopf dröhnte. Für mich ist Erhabenes. Aber alle diese Zeiten, Orte und Gelegenheiten sind jetzt und hier. Gott selbst kulminiert im gegenwärtigen Augen- Sammeln immer eine Sinnsuche gewesen. Seit jenen Londoner Jahren erwarte ich von jedem Kunstwerk Ein kleiner Schauplatz großer menschlicher Themen blick und wird nicht göttlicher sein im Verlauf aller Äonen. vor allem das eine: dass es mich vor ein Rätsel stellt, Henry David Thoreau, Walden aus dem mir eine noch unbekannte Lebensmöglich- Durch die Kunst hat der Mensch sei- Formen und Motive. Der Bogen wird turvergleichend, sodass ihr innerer keit erwachsen könnte. nen Platz in der Welt gefunden und von den Artefakten der Steinzeitjäger Zusammenhang zutage tritt. Die Besu- behauptet. Anhand von tausenden über die von Mythen und Religionen cherInnen durchwandern in der Säu- Es zählt zu den ältesten Erfahrungen der Menschheit, Objekten aus fünf Kontinenten zeigt geprägten Kulturphasen bis zur Kunst lenhalle 30.000 Jahre Menschheits- Ambiguität bedeutet „Mehrdeutigkeit“, „Vieldeutigkeit“, bedeutet dass Leben in der Gegenwart die ständige Verbindung das Museum Humanum der Sammlung der Gegenwart gespannt. Ein neuarti- geschichte und begegnen dabei auch also das Potential, viele verschiedene Bedeutungen und As- s o z i a - mit der Frühzeit voraussetzt. Über lange Zeiträume Peter Coreth im Gutshof von Fratres die ges Ausstellungskonzept präsentiert den Grundfragen ihres Lebens. tionen zu vermitteln. Da viel Gegenwartskunst so sehr be- hat man dem vorher Dagewesenen ontologisch Pri- spannende Entwicklung künstlerischer die Objekte themenbezogen und kul- deutungsoffen ist, dass sie mit endlos vielen Bedeutungen und orität zuerkannt und das aus ihm Hervorgegangene Assoziationen verknüpft werden kann, gilt sie als besonders geringer geschätzt, war es doch weiter vom Ursprung ambiguitäshaltig. Man lasse sich aber von der Bedeutungs- entfernt. Das schien unseren Begriff von Fortschritt MUSEUM HUMANUM armut neuerer Kunst nicht täuschen. Denn endlos viel Be- auf den Kopf zu stellen. Auch der Ahnenkult von 3844 Fratres 11 deutung führt zu Bedeutungslosigkeit. Bedeutungslosigkeit Geöffnet von Anfang Mai bis Anfang November, Stammesgesellschaften beruhte auf dieser Vorstel- ist aber ebenso wenig vieldeutig wie nur eine einzige Be- jeweils von Do bis So, 10-18 Uhr. lung einer zu den Anfängen zurückreichenden Ver- deutung. Ambiguität, die bereichert, findet nur zwischen den Außerhalb der Öffnungszeiten nach Vereinbarung. wandtschaftslinie, die es unbedingt zu erhalten gilt. Polen Eindeutigkeit und unendlich vielen Bedeutungen statt. Führungen ab 10 Personen. Die Erneuerung dieser Verbindung mit dem Ursprung Es kommt auf das rechte Maß an. Telefon: +43-664-1508282; E-Mail: p.coreth@aon.at ist von jeher die Aufgabe der Schamanen und My- Websites: www.museumhumanum.com und Aus dem kleinen Reclam Büchlein von Thomas Bauer, Die Vereindeutigung thenerzähler gewesen. Im Zentrum von Mythos und der Welt / Über den Verlust der Mehrdeutigkeit und Vielfalt. Das Büchlein kos- www.kulturbruecke.com Kultgeschehen stand immer die Vergegenwärtigung tet nur 6.- Euro. Der Inhalt ist viel mehr wert. der Ursprungssituation. 6 Nº 59/21 Nº 59/21 7
für Aufregung im Abendland. Hier waren kirchliche wie weltliche Machthaber jahrhundertelang bestrebt, vom menschlichen Maß abgehobene Technokratie hat weltweit den Siegeszug angetreten. Technokra- Der Stein, ein guter Lehrer gnostisches Wissen unter Verschluss zu halten, damit ten sind hochspezialisiert, auf Geistlosigkeit nämlich, Der Steinbildhauer Christian Koller ist ein es nicht zur Waffe in den Händen Unbefugter werde: und sie werden uns alles aufzwingen, was irgendwie besonderer, ein herausragender Seminarlei- Die Sprengkraft der Überlieferung hätte allemal aus- machbar ist, wenn es nur Profit verheißt. In einem ter der GEA Akademie. Bei Fritz Wotruba hat gereicht, die bestehenden Ordnungen zu gefährden. solchen Environment fällt es uns immer schwerer, er studiert, bei Henry Moore war er Assistent, Wo immer Einzelne sich dieser Kenntnisse zur Selbst- unser historisches und mythisches Gedächtnis (Mne- sein wichtigster Lehrer jedoch war – und ist ermächtigung bedienten, entstanden Turbulenzen, die mosyne) zu behalten, im eigentlichen Sinn des Wortes nach wie vor – der Stein. Mit Umsicht und durch Repression niedergehalten wurden. Menschen zu bleiben. Können schafft er eine kreative Atmosphäre, in der die KursteilnehmerInnen wachsen und Repression überflüssig – Ratlosigkeit blüht Die Sehnsucht kennt kein Sperrgebiet blühen können. In unserer heutigen Gesellschaft ist solche Repres- Doch auch der überwachte, verwaltete, von Algorith- sion überflüssig geworden: Die von Sachzwängen men gelenkte und in heillosen Abläufen gefangene bestimmten Lebensformen und der mediale Ausstoß Jedes Jahr beobachten wir, wie jede/r in der Gruppe verordneter Denkmuster sorgen ganz von selbst da- in seiner eigenen Welt der Kreativität versinkt; alles für, dass Sinnfragen kaum noch zum Zug kommen. „Wir haben die Kunst, damit andere rundherum scheint völlig vergessen. Alle wir- Eine dem Hedonismus verpflichtete Massenkultur ken so zufrieden und entspannt. Wie kommt das? wir nicht an der Wirklichkeit stellt mit geistlosen Spektakeln sicher, dass die Leute In diesen 4 Tagen des Seminares lässt jede/r alles Be- dahin und dorthin kommen, bloß nicht zu sich! Die zugrunde gehen.“ lastende des Alltages hinter sich ohne genau zu wis- Speisen auf den Tischen der Kunst erinnern oft nur F. Nietsche sen, – wie. Und dieses Wie, das so gut funktioniert, noch entfernt an Nahrungsmittel. entdecken sie – ein/e jede/r mit sich selbst - mit ihren Händen und den Werkzeugen. Der Stein leitet sie be- Auch in der Kunstszene ist der Gaumenkitzel zum Mensch bleibt ein metaphysisches Wesen. Aus allen hutsam an, den eigenen Rhythmus zu finden und es Leitgedanken avanciert: Man goutiert und knabbert Tröstungen der Religionen herausgefallen, ist er letzt- entsteht ein unerwartetes Pulsieren, das dauernd im ohne eigentlichen Hunger, als wollte man die Idee des lich doch in seiner Sehnsucht nach einem anderen, Inneren anklopft. Seltsamer Weise finden soo manch Essens persiflieren. Das modisch garnierte Häppchen, sinnhaltigen Leben geborgen. Darin liegt eine Hoff- innere Probleme zu Lösungen. das man sich aus der Überfülle des Büffets nahezu be- nung: Wir könnten dieser Sehnsucht Nahrung geben, liebig erwählt, entspricht erschreckend genau vielen bevor man uns auch dieses Licht ausbläst. In deinem, gerade erst herausgebrachten Buch sprichst Kunstprodukten und ihrer Rezeption. Am Ende hat du deutlich aus, wie sehr die mentale Raserei unserer man gegen die Langeweile schnabuliert und ist dabei Ich betrachte es als den Glücksfall meines Lebens, in Zeit die Menschen seelisch verarmen lässt. völlig leer geblieben. Mit unserem kulturellen Bedeu- jungen Jahren von meiner Spur abgekommen und in Genau. Mein Buch erzählt, wie die Arbeit mit dem tungstransfer steht es nicht zum Besten. Wir haben das Sperrgebiet gestolpert zu sein. Dort habe ich mich CHRISTIAN KOLLER Stein „automatisch“ den inneren Dialog fördert. Wir verlernt, die verborgene Bedeutung der Dinge, ihrer als ein Streunender angesiedelt. Nahezu alles, was mir STEIN – Pilgerweg der Hände sollen innehalten – mit und ohne Lockdown – und „Der Bauer aus der Sine-Re- Formen, Farben oder Materialien zu lesen. Nichtsdes- heute kostbar und bedeutungsvoll erscheint, ist mir sollen spüren, dass ein Weitermachen im Rhythmus Der-Verlag, Wien 2020 gion fragt sich nicht, ob er toweniger blüht die Kunst, mit ihr die Eitelkeit und auf ziellos begangenen Wegen begegnet. des Mainstreams nicht zielführend sein kann. „entwickelt“ oder erst „in – ganz im Stillen – blüht die allgemeine Ratlosigkeit. Entwicklung begriffen“ ist. Traumbild, Mut und Wirklichkeit Und was hat das mit deinen Seminaren zu tun? Seine Arbeit ist mehr als Das Wesentliche, der Profit Haben wir noch den Mut zu träumen und diese Bil- Das Heilsame und Wohltuende an der Arbeit mit dem nur eine Verrichtung. Sie und das Menschsein der zur Realität zu erklären? So haben es die frü- Stein ist die Langsamkeit. Damit haben viele Men- ist ein Werk, das die Welt Ich glaube, die Nutznießer dieser Entwicklung zu hen Menschen getan, als sie ihre Höhlenwände mit schen große Schritte in Richtung Lebensfreude und hervorbringt und damit die kennen und ahne, weshalb wir im Belanglosen fast Traumbildern von Jagdszenen bemalten, ein sugge- Wohlbefinden gemacht. Bedingungen für ein Leben ersticken, während das Wesentliche, uns fundamental stiver Akt des Überlebens. Das Ernstnehmen der eige- schafft, das dauerhafter ist Kann sich dies nachhaltig auswirken? als sein eigenes.“ Betreffende, konsequent an die Ränder unserer Ge- nen Imagination, diese selbstbewusste Gleichsetzung (Felwine Sarr) sellschaft abgedrängt wird. Es gibt dieses Sperrgebiet von Traumbild und Wirklichkeit, dürfte in der Stein- Oh ja. Im Idealfall führen die Erlebnisse mit dem noch immer, von dem man uns so fürsorglich fern- zeit auf größere Akzeptanz gestoßen sein als im an- Stein zu einer Selbsterfahrung in der Langsamkeit. Felwine Sarr hält! Es beginnt dort, wo wir das Feld der uns zu- thropozentrischen Zeitalter. Wir feiern lieber unseren Diese Erfahrung wird zu einer neuen Ausgangsbasis Seite 20 gedachten Nützlichkeit und Idiotie verlassen. An uns Fortschritt und vertrauen uns weiterhin einer entfes- für das Leben danach. In den letzten Monaten sind läuft eine sanfte Dressur ab, die das Ziel hat, uns von selten Ratio an, die in wenigen Jahrhunderten die viele alte, ausgetrampelte Wege an ihr Ende gelangt. den Ursprüngen abzukoppeln. Das Bewusstsein unse- Grundlagen menschlicher Existenz irreversibel be- Dieses unendliche „nicht-genug-bekommen-können“ rer Herkunft soll getilgt werden, damit wir unbelastet schädigt und uns in Verwirrung zurückgelassen hat. hat sich erschöpft. Fotos: Christian Koller die Vorgaben einer globalisierten Ökonomie erfül- Wir mögen unsere Vorfahren für „primitiv“ halten, So seltsam es auch klingt: aus der Erschöpfung len können. Die großen geistigen Weltentwürfe und doch sie hatten dank ihrer intuitiven Weltwahrneh- wächst das Schöpferische. nächstes seminar mit ChristiAn Koller Menschenbilder zerbröckeln vor unseren Augen. Eine mung immerhin das, was man eine Zukunft nennt. do, 29. Juli bis so, 1. August 2021 So, wie aus dem Apfel, der am Boden verrottet, Wur- www.gea.at/akademie zeln für ein neues Bäumchen kommen. 8 Nº 59/21 Nº 59/21 9
ALBRECHT HAUSHOFER Was ist der Mensch? Ich trage leicht an dem, was das Gericht „Das Leben ist ein weit größeres Rätsel, mir Schuld benennen wird: an Plan und Sorgen. als einige unter uns glauben.“ (Till Bastian) Verbrecher wär’ ich, hätt’ ich für das Morgen des Volkes nicht geplant aus eigner Pflicht. ALBRECHT HAUSHOFER ’ verhaftet. Man brachte ihn nach Berlin ins Gefängnis Doch schuldig bin ich anders als ihr denkt, wurde in der Nacht von 22. Moabit. In diesen viereinhalb Monaten schrieb er die ich mußte früher meine Pflicht erkennen, zum 23. April 1945 erschos- Moabiter Sonette. Diese achtzig Gedichte kreisen alle ich mußte schärfer Unheil Unheil nennen – sen. Man könnte fast sagen, um die Frage „Was ist der Mensch“. „am letzten Tag“, denn schon mein Urteil hab ich viel zu lang gelenkt… einen Tag später schloss sich PATER MAXIMILIAN KOLBE * der sowjetrussische Belage- Ich klage mich in meinem Herzen an: rungsring um die Stadt Berlin. war ein polnischer Franziska- Hoffnung sieht Ich habe mein Gewissen lang betrogen, In dieser „letzten“ Nacht holte ner-Minorit, Verleger und Pu- das Unsichtbare, der SS-Sturmbannführer Kurt blizist. Am 14. Februar 1941 fühlt das Unfassbare ich hab mich selbst und andere belogen – und erzielt Stawitzki ( – in Hass und Fanatismus – acht Men- von der Gestapo verhaftet, weil das Unerklärbare. ich kannte früh des Jammers ganze Bahn – schen aus ihren Gefängniszellen in Moabit. Er trieb er in Niepokalanów, seinem sie – unter dem Vorwand, sie würden verlegt – auf ein Missions- und Pressezentrum, P. Maximilian Kolbe, ich hab gewarnt – nicht hart genug und klar! Trümmerfeld. Dort erschoss er alle. Ein junger Kom- 2300 Juden, – plus zusätzlich 7. 1. 1894 – 14. 8. 1941 Und heute weiß ich, was ich schuldig war … munist ) überlebte trotz eines Kopfdurchschusses. Er noch anderen polnischen und stellte sich tot und entging so dem „Gnadenschuss“ ukrainischen, griechisch-ka- ins Genick. Ihm verdanken wir das Zeugnis vom Her- tholischen Flüchtlingen Zuflucht gewährte. Zuerst gang dieser Hinrichtungen. wurde er im Warschauer Zentralgefängnis Pawiak Den Häftlingen wurde vorher alles abgenommen. eingesperrt. Wenige Monate später verlegte man ihn Doch bei einem der Ermordeten fand man auf fünf ins KZ Auschwitz. Dort gab der Schutzhaftlagerführer zusammengefalteten, blutbefleckten Blättern das Ma- Karl Fritzsch + als reine Vergeltungsmaßnahme für nuskript von achtzig Gedichten, die man später die die nicht bewiesene, sondern bloß vermutete Flucht „Moabiter Sonette“ nennen wird. Eines dieser Sonette eines anderen Häftlings (seine Leiche später gefun- von Albrecht Haushofer findest du hier, im Bild auf den), die Anordnung zehn Männer auszusortieren, der linken Seite. um sie im Hungerbunker sterben zu lassen. Unter den zehn Aussortierten befand sich auch Franciszek Nun scheitern sie – und wir. Was ist der Mensch? Gajowniczek ,. Als dieser in lautes Wehklagen fiel In letzter Not Albrecht Haushofer war Geograph und Diplomat. – er habe daheim Frau und zwei Söhne –, bat Pater Versuchter Griff zum Steuer ist misslungen. Sein umfangreiches Wissen wurde im Auswärtigen Maximilian Kolbe den Platz dieses Mannes einneh- Jetzt warten wir, Amt geschätzt. Im Auftrag der „Dienststelle Ribben- men zu dürfen. Als der Bunker für neue Todeskandi- bis uns die See verschlungen trop“ unternahm er ab 1934 viele Auslandsreisen, daten benötigt wurde, beschloss die Lagerleitung, die (aus dem Sonett Kassandro) immer in der Hoffnung mit Diplomatie den Krieg zu noch lebenden Häftlinge durch Giftspritzen zu töten. verhindern. Bald spürte er die Vergeblichkeit seiner Nachdem Maximilian Kolbe zwei Wochen lang den Albrecht Haushofer Bemühungen ... In einem Brief an die Mutter schrieb berüchtigten Hungerbunker überlebt hatte, wurde er 7. 1. 1903 – 23. 4. 1945 er: „der einzige Trost ist ein sehr negativer – nämlich am 14. August mit einer Phenolspritze ermordet. Die die Überzeugung, dass wir einer so großen Katastro- Injektion musste ihm der „Funktionshäftling“ Hans Foto: Joker / SZ-Photo / picturedesk.com phe entgegengehen, dass es auf die persönliche bald Bock - verabreichen. nicht mehr ankommt“ Noch vor der Katastrophe von Stalingrad, die vielen WAS IST DER MENSCH? SCHULD die Augen öffnete, soll er einem Freund gegenüber ’ Albrecht Haushofer geäußert haben: „Jetzt könnte ich es selber tun.“ – ( SS-Sturmbannführer Kurt Stawitzki nämlich das Attentat auf Hitler auszuführen. Bald ) der junge Kommunist nach dem Hitler Attentat vom 20. Juli 1944 tauch- * Pater Maximilian Kolbe te sein Name in einer Liste der Verdächtigen auf. Er + Schutzhaftlagerführer Karl Fritzsch konnte sich auf einer Almhütte verstecken, wurde , Franciszek Gajowniczek, 1901 – 1995 Ge Ge Ge aber am 7. Dezember von der Gestapo entdeckt und - der „Funktionshäftling“ Hans Bock Seite 19 10 Nº 59/21 Nº 59/21 11
Wunder „Joschi, was tust du denn da? Du bist doch tot!“ I ch bin durch eine Radiosendung zufällig Erika Freeman auf diese WUNDERbare Geschichte gestoßen wurde am 1. Juli 1927 in Wien geboren. Sie muss- und bin ihr durch verschiedene Medien nachge- te vor dem Naziregime fliehen. Die Zwölfjährige floh gangen. Der Radiojournalist sagt zu Erika Freeman allein und landete in New York. Dort war die kleine „dein Vater war politisch sehr aktiv, er ist dann ins Erika lange auf sich selbst gestellt. Sie war in diversen KZ gekommen, er war immer Optimist, und ist durch Waisenhäusern untergebracht, bis sie bei ihrem Onkel einen unglaublichen Zufall aus dem KZ herausge- Unterschlupf fand. kommen“, – sie unterbricht ihn sofort und sagt „der Zufall ist ein Wunder“. „Im Gespräch“, so heißt diese Ö1-Sendung, erzählt die nunmehr 93-jährige Psycho- analytikerin vom freien Assoziieren. So will ich diese Seite ansetzen. Ich beginne mit dem schönen Gedicht von Hilde Domin Foto: Franz Gruber / picturedesk.com Nicht müde werden sondern dem Wunder leise wie einem Vogel die Hand hinhalten. Auch Hilde Domin entkam der Judenverfolgung durch Flucht in die Dominikanische Republik. Sie nannte sich nach der Insel, auf der sie Zuflucht ge- Die zwölfjährige Erika floh allein nach New York. funden hatte. „Man muss ein bisschen meschugge sein, um nicht Erikas Mutter überlebte die Judenverfolgung in von deiner Behandlung. Freud meinte, das hat mit ganz verrückt zu werden.“ Natürlich säumen ACHTUNG: JETZT KOMMT DAS WUNDER Wien, – als U-Boot im Wiener Philipphof. Trotzdem Sex angefangen, aber wir leben doch in einer Ge- ENGELLIEDER Erika Freeman Wunder unseren „Eines Tages, am Yom Kippur (Versöhnungsfest), dem kam sie im Krieg ums Leben. Sie starb am 12. März sellschaft. Wenn du dich geliebt gefühlt hast, als du Lebensweg. Manche höchsten jüdischen Feiertag, ging mein Onkel nicht 1945, vier Wochen vor der Befreiung Wiens, bei der klein warst, ist das der größte Schatz, und der wächst nennen die Wunder in die Synagoge, sondern er ging spazieren. Da läuft Bombardierung des Philipphofs. immer mit dir. Wenn nicht, ist es sehr schwer. Wenn Zufälle. Erika Freeman Ich ließ meinen Engel lange nicht los, mein Vater aus einem Hotel am Broadway heraus. man eine Großmutter hat, dann fühlt man sich immer sagt es klipp und klar: und er verarmte mir in den Armen Sagt mein Onkel zu meinem Vater: „Joschi, was tust Erika Freeman studierte Psychologie an der Colum- geliebt. Das ist für mich die Wurzel der Liebe. „Zufälle sind Wunder“. und wurde klein, und ich wurde groß: du denn da? Du bist doch tot!“ Dieser: „Nein, aber bia University, wo der aus Wien geflohene Psycho- Schutzengel, oder und auf einmal war ich das Erbarmen, mein Kind ist tot!“ Darauf wieder der Onkel: „Nein, analytiker und Freudschüler Theodor Reik einer ihrer Die Traumatherapie behauptet, dass die Psychoana- auch andere Engel, und er eine zitternde Bitte bloß. lyse bei Extremtraumata nicht hilft. Was ist Ihre Er- das Kind ist nicht tot, das ist hier.“ Mein Vater war Lehrer war. Marlon Brando, Marilyn Monroe, Woody begleiten uns. – So – fahrung? Da hab ich ihm seine Himmel gegeben, – nur einen Tag in New York, am Weg nach Washing- Allen u. a. lagen „auf ihrer Couch“. Zur Zeit lebt sie Rainer Maria Rilke. ton. Er suchte mich nicht einmal.“ wieder in Wien und arbeitet nach wie vor als Psycho- Alle Hilfe hilft. Man darf nur nicht darauf bestehen, und er ließ mir das Nahe, daraus er entschwand; analytikerin. dass deine Ideen die einzigen richtigen sind. Was dir er lernte das Schweben, ich lernte das Leben, Es gibt zwei Arten, sein Leben zu leben: hilft, hilft dir. … Jeder hat ein bissl Recht, und je- und wir haben langsam einander erkannt … entweder so, als wäre nichts ein Wunder, Dem „Augustin“ erklärt Erika Freeman die Psycho- der hat wahrscheinlich auch ein bissl Schuld. Es gibt Den ganzen, sehr lesenswer- Seit mich mein Engel nicht mehr bewacht, oder so, als wäre alles ein Wunder. analyse so ... keine unschuldigen Menschen. Einer, der glaubt, un- ten Artikel findest du in der kann er frei seine Flügel entfalten Ich glaube an Letzteres. (die Fragen stellt Kerstin Kellermann) schuldig zu sein, ist entweder ein Engel oder er hat Augustin Ausgabe No 516; im Albert Einstein eine Illusion. Internet unter: und die Stille der Sterne durchspalten, – Stimmt es, dass die Personen in der Analyse lernen https://augustin.or.at/ein-wun- denn er muss meiner einsamen Nacht sollen, ihr echtes und wahres Selbst zu entdecken? der-geschieht-die-ganze-zeit/ Erikas Vater kam ins KZ Theresienstadt und über- Ein Wunder geschieht die ganze Zeit, man kann sich nicht mehr die ängstlichen Hände halten – Weiteres im ORF unter: lebte durch ein Wunder. Wie? Ein schwedischer Dip- Man kennt das Selbst nicht, denn das, was du über darauf verlassen, aber nur wenn du keinen Termin seit mich mein Engel nicht mehr bewacht. https://oe1.orf.at/arti- lomat konnte ihn herausholen, denn er hatte blonde dich zu denken gelernt hast, hat damit zu tun, wie brauchst. Es gibt Sachen, die sind wunderlich oder kel/650465/Im-Gespraech- RAINER MARIA RILKE Haare. Drum glaubten die Nazis, er sei ein Schwede. man dich behandelt. Selbstbewusstsein kommt viel wunderbar, die bemerkt man nicht einmal im Alltag. mit-Erika-Freeman 12 Nº 59/21 Nº 59/21 13
Ich befinde mich im Wald bei meinem Volk, „Vieles ist ungeheuer. Aber nichts ganz im Norden Brasiliens, am Ufer des Flusses Oiapoque. Die Natur umgibt mich, sie beschützt und nährt mich. ist ungeheurer als der Mensch.“ Sophokles Ich lebe im Rhythmus des Gesangs der Vögel und des Regens, und ich führe die Rituale aus, die mich in Kontakt zu meinen Vorfahren bringen.“ (Kay Sara) Kay Sara, eine Indigene aus dem Ama- Gottes, im Namen des Fortschritts und des Gewinns. Heute sind nur noch wenige von uns übrig. Ich bin zonas Regenwald, hätte auf der Bühne eine der Letzten der Tariana. des Burgtheaters, eines der größten (Corona breitete sich aus …) Die Weißen nutzen das Theater der Welt, folgende Rede halten Chaos, um noch tiefer in die Wälder einzudringen. Die Feuer werden nicht mehr gelöscht. Von wem sollen. „Hätte“, denn die Corona Maß- auch? Wer den Holzfällern in die Hände fällt, wird nahmen machten es unmöglich. Wir ermordet. Und was hat Bolsonaro getan? Das, was er immer getan hat: Er schüttelt die Hände seiner Unter- bringen hier Ausschnitte dieser Rede. stützer und verspottet die Toten. Er, Bolsonaro, will den Genozid an den Indigenen, der seit 500 Jahren anhält, zu Ende bringen. I ch wäre direkt von unseren Proben im Amazonas zu Ihnen gekommen. Ich hätte Antigone gespielt, Ihr hört uns gern singen, aber ihr hört uns nicht gern die sich gegen den Herrscher Kreon auflehnt, der reden. Und wenn ihr uns zuhört, dann versteht ihr ihren Bruder nicht beerdigen will, weil er als Staats- uns nicht. Das Problem ist nicht, dass ihr nicht wisst, feind gilt. Der Chor hätte aus Überlebenden eines dass unsere Wälder brennen und unsere Völker ster- Massakers der brasilianischen Regierung an Landlo- ben. Das Problem ist, dass ihr euch an dieses Wissen sen bestanden. gewöhnt habt. Wir hätten diese neue „Antigone“ auf einer besetz- Ich sage euch also, was ihr alle wisst: Vor einigen ten Straße durch den Amazonas aufgeführt – jenen Jahren trockneten die Nebenflüsse des Amazonas Wäldern, die in Flammen stehen. Diese „Antigone“ zum ersten Mal seit Menschengedenken aus. In zehn wäre kein Theaterstück gewesen, sondern ein Akt des Jahren wird das Ökosystem des Amazonas kippen, Widerstands: gegen jene Staatsmacht, die den Ama- wenn wir nicht sofort handeln. Das sagen unsere und zonas zerstört. das sagen eure Wissenschaftler, und vielleicht ist es KAY SARA, Aktivistin und das Einzige, worin sie sich einig sind. Wir alle werden Schauspielerin Mir geht es gut. untergehen, wenn wir nicht handeln. „Wir Tucana werden Ich befinde mich im Wald bei meinem Volk, ganz im ‚Indianer‘ genannt. Aber Norden Brasiliens, am Ufer des Flusses Oiapoque. Die Zeit zu schweigen, Zeit zuzuhören ich bestehe darauf, dass Natur umgibt mich, sie beschützt und nährt mich. Ich Es ist für euch also Zeit zu schweigen. Es ist Zeit, zu- wir »Indigene« genannt lebe im Rhythmus des Gesangs der Vögel und des Re- zuhören. Ihr braucht uns, die Gefangenen eurer Welt, werden. Denn ‚indigen‘ gens, und ich führe die Rituale aus, die mich in Kon- um euch selbst zu verstehen. Denn die Sache ist so heißt: ‚einheimisch‘. Ich bin takt zu meinen Vorfahren bringen. einfach: Es gibt keinen Gewinn in dieser Welt, es Schauspielerin geworden, Ich gehöre zum dritten Clan des Volks der Tariana, des gibt nur das Leben. damit ich von uns, den Indi- Clans des Donners. Ich bin eine Tochter des Donner- Und vielleicht ist es das, was mich am meisten beun- genen, erzählen kann. gotts, eine Königstochter, wie Antigone. Meine Mut- ruhigt, wenn ich Kreon sprechen höre: Er weiß, dass Bolsonaro will den Genozid ter, eine Tucana, gab mir den Namen Kay Sara. Das er im Unrecht ist. Er weiß, dass das, was er tut, nicht an den Indigenen, der seit 500 Jahren anhält, zu Ende bedeutet: „Die sich um andere sorgt“. Von väterlicher richtig ist. Dass es seinen Untergang bringen wird, bringen.“ Seite bin ich eine Tariana. Wie alle bin ich eine Mi- den Untergang seiner Familie, die Apokalypse. Und schung aus vielem: ich bin Tucana und Tariana, eine trotzdem tut er es. Er kritisiert sich selbst, er hasst sich Milo Rau hatte die Idee Kay Frau, eine Aktivistin, eine Künstlerin … Nun ist es an selbst, aber er fährt fort, zu tun, was er hasst. Sara von der Bühne des der Zeit, dass wir selbst unsere Geschichte erzählen. Dieser Wahnsinn muss aufhören. Hören wir auf, wie Burgtheaters sprechen zu Kreon zu sein. Seien wir wie Antigone. Denn wenn lassen. Die ganze Rede fin- Fotos: Michiel Devijver Unser Unglück begann, Rechtlosigkeit Gesetz wird, wird Widerstand zur dest du im brennstoff.com als die Spanier und Portugiesen in unser Land kamen. Pflicht. Lasst uns gemeinsam Widerstand leisten, lasst Mit ihnen kamen die Krankheiten zu uns. Millionen uns Menschen sein. Jeder in seiner Art und an seinem starben. Weitere Millionen starben von der Hand der Ort, vereint durch unsere Unterschiedlichkeit und un- Soldaten und der Geistlichen, im Namen des einen sere Liebe zum Leben, das uns alle vereint. 14 Nº 59/21 Nº 59/21 15
Wer wir sind, Der Stoff, aus dem wir sind Warum wir Natur und Gesellschaft neu denken müssen bleibt offen FABIAN SCHEIDLER Ökologische Krise und Klimachaos bedrohen die Zukunft der Menschheit. Eine der Ursachen dafür ist ein techno- kratisches Weltbild, das die Natur zu einer beherrsch- Dass Menschen Musik schaffen und wahrnehmen können, wird im Frühjahr 2022 zu uns baren Ressource in der Hand des Menschen degradiert. Fabian Scheidler zeigt in einer faszinierenden Reise ist ein Spiegel der Tatsache, dass sie selbst aus etwas nach Schrems kommen. durch die Geschichte der Wissenschaften, dass diese Auffassung der Natur ein tödlicher Irrtum ist. Mit einem bestehen, das der Musik ähnlich ist. Ich war/bin von seinem Buch richtig begeistert. Fa- überraschenden neuen Blick auf das Leben, die Wissen- bian umkreist in diesem Buch die Frage „was ist der schaft und uns selbst eröffnet dieses Buch Perspektiven Mensch“ und er sucht und findet Antworten in vielen, für einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel. erstaundlichen Quellen und Feldern, die freilich das D Piper Verlag, München 2021, 20,– Euro er größte Feind der Erkenntnis ist die Illusion wunderbare Rätsel des Lebens nicht lösen können, des Wissens. Der Sinn dieses Buches ist es, in aber sie vertiefen den Blick in das Geheimnis. Die Ge- die Wand unseres eingebildeten Wissens eine danken und die Beispiele, von der Quantenphysik bis „Eine Pflichtlektüre für alle, die Foto: Manfred Werner Bresche zu schlagen, eine Öffnung, die uns erlaubt, zur Alltagspraxis klügerer Völker, geben Anstöße, wie sich gegen ein System erheben, die Welt und uns selbst wieder mit jenem staunen- es mit uns Menschen sinnvoll weitergehen könnte/ den Blick zu betrachten, der Kindern oft eigen ist. Der kann, wenn wir … das unsere Zukunft und das Leben FABIAN SCHEIDLER technokratische Mythos erzählt davon, dass die Welt auf der Erde zerstört.“ Vandana Shiva ist ein deutscher Autor und Dramaturg. Er ist Mitbegründer unserer Wahrnehmungen, unserer Gefühle, unserer Da mir das Buch so gut gefallen hat, bin ich eigens des unabhängigen und erlebten Beziehungen eine Vorspiegelung sei, hinter vom Waldviertel nach Wien gefahren, um in der empfehlenswerten der sich eine harte, kalte, mechanische und letztlich Hauptbibliothek bei der Buchpräsentation dabei sein Fernsehmagazins Kontext TV. banale Wirklichkeit verberge. Doch tatsächlich ist ge- zu können. Ich fand es sehr erhellend, manche Aspek- Das Ende der Megamaschine Er hat viele Jahre als Dramaturg nau das Gegenteil der Fall: die Banalität, die Kälte, die te im Gespräch in neuem Licht zu sehen. Geschichte einer scheiternden Zivilisation. Promedia, für das Grips-Theater gearbeitet. Für seine publizistisch- Mechanik – all das sind nur Projektionen unserer ge- Wien 2015, 20,– Euro künstlerische Tätigkeit bei Das Ende der Megamaschine legt die Wurzeln der Zerstö- sellschaftlichen Prägungen auf eine Welt, die zutiefst Anschließend habe ich dem Fabian erzählt, dass wir Attac bekam er 2009 den rätselhaft ist und sich einer mechanischen Erklärung einmal ein ganzes Wochenende lang mit dem Dich- rungskräfte frei, die heute die menschliche Zukunft infrage Otto-Brenner-Medienpreis für kritischen Journalismus. vollkommen entzieht. ter Dzevad Karahasan über sein Buch „Der Trost des stellen. In einer Spurensuche durch fünf Jahrtausende führt Nachthimmels“ sinniert und diskutiert haben. Los das Buch zu den Ursprüngen ökonomischer, militärischer und gings so, dass jede/r seine/ihre Lieblingsstelle vorlas. ideologischer Macht. Der Autor erzählt die Vorgeschichte und Wüsst’ ich genau, Das selbstorganisierte Zusammenspiel von unzähli- Das allein war schon ziemlich interessant. Und dann Genese des modernen Weltsystems, das Mensch und Natur wie dies Blatt aus seinem Zweig herauskam, einer radikalen Ausbeutung unterwirft. Dabei demontiert gen Teilen im harmonischen Ganzen einer Zelle stellt erzählte Dzevad von seinen Recherchen, seinen Mo- schwieg ich auf ewige Zeit, jede Sinfonie weit in den Schatten. Oder um es anders tiven und seinen Vorstellungen und die LeserInnen er Fortschrittsmythen der westlichen Zivilisation und zeigt, denn ich wüsste genug. wie die Logik der endlosen Geldvermehrung von Anfang an zu sagen: Dass Menschen Musik schaffen und wahr- erzählten, was und warum sie das eine oder andere menschliche Gesellschaften und Ökosysteme zerrüttet hat. HUGO VON HOFMANNSTHAL nehmen können, ist ein Spiegel der Tatsache, dass sie berührt hatte. Ein unglaublich tolles, vielseitiges und selbst aus etwas bestehen, das der Musik ähnlich ist. bereicherndes Wochenende. Die wachsende Instabilität und der absehbare Niedergang der globalen Megamaschine eröffnen heute jedoch Möglich- Wer und was wir sind, ist heute um keinen Deut FABIAN SCHEIDLER keiten für tiefgreifende Veränderungen, zu denen jeder von weniger geheimnisvoll als zur Zeit der ersten Men- Nun, das alles habe ich dem Fabian erzählt und ihn uns etwas beitragen kann. schen. Die Wissenschaften haben dieses Rätsel nicht gebeten, er möge doch mit uns, den Brennstoff-Lese- gelöst, sondern vertieft. Um die Worte des Quanten- Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen, rInnen, so ein Wochenende verbringen. physikers Richard Feynmann zu wiederholen: „Die Chaos die sich über die Dinge ziehn. Wissenschaft kann dem Mysterium einer Blume nie Seine Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Das neue Zeitalter der Revolutionen. etwas wegnehmen, sondern nur etwas hinzufügen.“ Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen, „Lieber Heini, ... Promedia, Wien 2017, 17,90 Euro Das Rätsel etwa, dass aus einer winzigen Zelle ein aber versuchen will ich ihn. Die Idee für ein Wochenende in Schrems ist ausge- Nach 500 Jahren Expansion ist die kapitalistische Mega- menschliches Wesen wird, das in sich ein eigenes zeichnet, Vielen Dank für den Vorschlag. Nächstes maschine in die tiefste Krise ihrer Geschichte geraten. Wir Universum aus Gedanken, Gefühlen, Bildern und Ich kreise um Gott, um den uralten Turm, Jahr passt gut, vielleicht im Frühling (Mai/Juni)? bewegen uns in eine chaotische Übergangsphase hinein, Musik entwickelt, wird durch Kenntnisse der Biolo- und ich kreise jahrtausendelang; Ich grüße Dich herzlich, Fabian“ die einige Jahrzehnte andauern kann und deren Ausgang gie und Quantenphysik keineswegs gelüftet, sondern und ich weiß noch nicht: vollkommen offen ist. Während die alten Ordnungen brüchig im Gegenteil um das Staunen darüber bereichert, wie Wunderbar. Toll. werden, entflammt ein Kampf darum, wer die Zukunft be- bin ich ein Falke, ein Sturm unvorstellbar komplex und reich selbst das kleinste Nun mein Tipp: Lest dieses faszinierende Buch und stimmen wird. Detail unserer Existenz ist. oder ein großer Gesang. kommt nach Schrems, wenn es so weit ist. Wir haben „Das neue Zeitalter der Revolutionen“ lotet Gefahren noch keinen genauen Termin, aber bitte tragt euch und Chancen dieser Übergangszeit aus und bietet einen RAINER MARIA RILKE Staunen ist der erste Grund der Philosophie. gleich in unsere Interessiertenliste ein. Kompass für politisches Engagement in Zeiten wachsender www.gea.at/akademie-scheidler Unübersichtlichkeit. ARISTOTELES 16 Nº 59/21 Nº 59/21 17
GE GE GE GE GE GE Gelesen. Gehört. Gesehen. Gelesen. Gehört. Gesehen. Albrecht Haushofer Ute Scheub / Moabiter Sonette Stefan Schwarzer Bertolt Brecht Die Humusrevolution Der Jasager und der Neinsager Haushofer wurde nach dem Hitler Attentat in Bayern Im Untertitel heißt s lapi- Brecht folgt in diesem Stück einer alten japanischen verhaftet und ins Gefängnis dar: „Wie wir den Boden Sage, die punktgenau auf unsere Zeit passt … In ei- Berlin-Moabit gebracht. In heilen, das Klima retten ner Stadt tobt eine fürchterliche Krankheit. Der große der Nacht vom 22. auf den und die Ernährungswende Brauch verlangt, dass eine Delegation über die großen Rainer Mausfeld 23. April 1945, die Russen schaffen.“ Das klingt doch Berge zu den großen Ärzten gehen müsse um Medi- Warum schweigen die Lämmer standen schon vor Berlin, gut. Aber! – ist dieses Ver- zin zu holen. Ein Junge, dessen Mutter ebenfalls er- Ein kluger, ein sehr erhellenden Vortrag: 1,5 Millio- da wurde der Geograph, Di- sprechen vielleicht doch krankte, will unbedingt mitgehen. Unterwegs wird der nen Aufrufe. Auf youtube ganz leicht zu finden. plomat und Schriftsteller Albrecht Haushofer von zu hoch gegriffen? … Nachdem ich dieses Buch Junge krank, – in so einem Fall verlangt der große SS-Männern erschossen – nachdem er monatelang gelesen habe, sage ich: nein. Es stimmt. Es geht. Brauch den kranken Jungen zurückzulassen und zu Ich will eine kurze Sequenz abtippen: „Schon in der als Gefangener der Gestapo eingesessen hatte. Sein Dieses Buch quatscht nicht. Es bringt Fakten, – ermorden, – zum Wohl der ganzen Stadt. Im Jasager Antike hat Tacitus in seinen Beschreibungen und ebenfalls gefangener Bruder Heinz suchte den to- nicht nur aus der Wissenschaft, sondern auch aus sagt der Junge, so wie es der große Brauch verlangt, Analysen zwei wichtige Komponenten identifiziert. ten Bruder und fand bei dem Toten eine Sammlung einer Fülle praktischer, gelebter Beispiele. Zur Bo- JA, er sei einverstanden damit, dass man ihn in den Er schreibt, die Masse zeigt eine verstärkte Neigung von achtzig Sonetten, die zu den bedeutendsten denpflege gibt es keine sinnvolle Alternative. Der Wir liefern den brennstoff. Gratis. Abgrund werfe. Im Neinsager aber sagt er NEIN. zu Affekten und Leidenschaften auf Kosten der Ver- und wirkungsmächtigsten Zeugnissen literarischen Boden tankt und bedankt sich bei uns mit einer 4x im Jahr – und jetzt auch online. nunft, politische Führer seien in ihrem Handeln vor Widerstands gegen Nazi-Deutschland gehören. Un- faszinierenden Fruchtbarkeit. Wer möchte, kann das gute Werk befeuern – ob mit 5, 500 oder 5.000 Er sagt: „Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann allem geleitet durch ein Verlangen nach Macht, um glaublich berührend. Sehr empfehlenswert. Danke GEA! – sie ist ja die Göttin der Erde. Euro. auch erkennen, dass A falsch war. Ich wollte meiner ihre Herrschsucht und ihren Ehrgeiz zu befriedigen.“ Mutter Medizin holen, aber jetzt bin ich selber krank Ich weiß nicht, wie es dir/euch geht, aber bei mir ist es Mehr von und zu GEA Akademiekurse Wenn du bereits brennstoff- Haushofer Seite 12 mit Tristan Seite 24 FörderABOnnentIn bist, freuen wir geworden. Ich will umkehren, der neuen Lage ent- so: ich bin innerlich fast ein Getriebener, ich möchte uns, wenn du uns weiter unterstützt. sprechend. Auch euch bitte ich umzukehren und mich verstehen, was hier auf Erden los ist. Was treiben wir Zahle bitte einen Betrag, den du selbst festlegst, für das brennstoff- heimzubringen. Wenn es drüben etwas zu lernen gibt, hier auf Erden? Wir als Gesellschaft. Ich als Mensch. Kauf nicht bei amazon … Kauf im Buchhandel in deiner Region. Nur so kann er überleben. FörderABO 2019 auf unser Konto was ich hoffe, so könnte es nur das sein, dass man Verstehen können wir sowieso nicht alles umso mehr Gibt’s keinen mehr, dann bestelle bei meinem Freund Tobias Spazierer unter www.buchbestellung.at (siehe unten) ein. Wir liefern wie in unserer Lage umkehren muss. Und was den alten tut es gut, mit diesen Fragen nicht allein zu sein. Die- gewohnt frei Haus! großen Brauch betrifft, so sehe ich keine Vernunft ser Vortrag bringt Licht in so manche Gedanken. WIR WAREN WIR SIND WIR WERDEN an ihm. Ich brauche vielmehr einen neuen großen Brauch, den wir sofort einführen müssen, nämlich den Brauch, in jeder neuen Lage neu nachzudenken.“ Das Stück ist gut. Die Botschaft ist Not-wendend. Es ist unglaublich, in gewisser Weise auch berührend, Paul Schreyer dass eine so uralte Geschichte so genau zu unserer Die Angst der Eliten / Wer heutigen Geschichte passt. „Was ist der Mensch?“ fürchtet die Demokratie? Ich habe dieses Stück seit Jahrzehnten gern. Immer wieder habe ich davon geträumt mit diesem Stück ei- Rainer Mausfeld sagt über die- Roger Willemsen Angelus Silesius Hans-Otto Thomashoff Wer wir waren Cherubinischee Wandersmann „Mehr Hirn in die Politik“ nen Film zu drehen. Aus dem Film ist (bis jetzt) nichts ses Buch: „Paul Schreyer gibt (1624 –1677) 2021 geworden. Der „neue Brauch“ jedoch begleitet mich eine kundige und engagier- Wenn du auf religiös riechende Inhalte Der Autor ist Facharzt für Psychiatrie, er brennstoff FörderABO immer, – auch wenn es mir nicht immer gelingt. te Einführung in Facetten der PSK-Konto-Nr. 9.647.574 allergisch reagierst, dann ist dieses sagt, „... es bedarf es indentitätsstif- gegenwärtigen Zerstörung demokratischer Substanz kleine Büchlein nix für dich, Wenn du tender Beziehungen in überschaubaren BLZ 60000 Konto lautend auf Dieses Buch gab es in der edition shrkamp. Zurzeit ist und stellt in gut lesbarer Form reiches Material zum s aber offen betrachten und bedenken Einheiten, die durch gemeinsam geteilte GEA MAMA EG es vergriffen. Es ist gut. Es ist wertvoll. Es lohnt sich eigenständigen Nachdenken bereit.“ aufgehalten.“ kannst, dann ist dieses Büchlein im Werte und Ziele Verbundenheit schaffen“. BIC RLNWATWWOWS Roger Willemsen ist vor fünf Jahren 60 Sinne des Wortes kalorienreiche Seel- Die Parteien, so meint er, verlören im all- es antiquarisch aufzutreiben. Die Eliten regieren. Noch einfacher gesagt: Geld re- IBAN AT42 3241 5000 0005 7877 jährig an Krebs verstorben. Dieses, sein ennahrung. Immer wieder sagt er, „der täglichen Aktionismus ihre klare Identität Ein kluges Buch, das zum Nachdenken einlädt. giert die Welt. Das war schon immer so, aber „lang- Himmel ist in dir“. Er gibt auch Hinwei- und er benennt notwendige Alternativen, Kennwort: brennstoff letztes Buch ist ein Aufruf an die nächste Lesenswert. Lebenswert. sam“ wird s gefährlich, denn „sie zerstören alles“. In Generation, sich nicht einverstanden zu se, wo und wie du ihn finden kannst. um unsere Zukunft besser und glücklicher erklären. zu gestalten. Bitte gib deinen Namen, einer Demokratie ist das Volk der Souverän und wenn deine Adresse Erschienen bei S. Fischer, Ein seltsamer, wunderbarer Brennstoff Ein kluges Buch vom Ariston-Verlag In einer Rezension habe ich gelesen: das Volk nicht wach genug ist, dann treiben die Eli- und eventuell deine guter Brennstoff um 12,40 Euro. um rund 12,– Euro (Reclam) um 18,90 Euro. „Ein zeitlos gültiges Stück Weltliteratur!“ ten, was sie wollen. Wollen wir das so? Kundennummer an (siehe Adressfeld). Schreib bitte an: brennstoff@gea.at 18 Nº 59/21 Nº 59/21 19
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