Weniger Auto, mehr Rad, Bus und Bahn - Hamburg vor der Mobilitätswende - Mieterverein zu ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Zeitschrift des Mietervereins zu Hamburg von 1890 r. V. · Landesverband im Deutschen Mieterbund · C 11622 F Ausgabe 1/2020 Hamburg vor der Mobilitätswende Weniger Auto, mehr Rad, Bus und Bahn Mieterhöhungen: Vonovia unterliegt vor Gericht Porträt: Melanie Weber-Moritz, DMB-Bundesdirektorin Stadtteil-Rundgang: Bahrenfeld
Inhalt Mieterverein aktuell 3 Editorial 4 Mitarbeiter stellen sich vor: Paul Mann; Leserbrief 5 hamburger bauhefte (1): Quartier 21; Editorial Meldungen; Wussten Sie … ? Leben in Hamburg Liebe Mitglieder, 6 Titelstory: Mobilität in Hamburg liebe Leserin- 9 Interview zum Titelthema mit nen und Leser, der Mobilitätsexpertin Philine Gaffron 10 „Stadtteil-Rundgang“ (12): Bahrenfeld Hamburg hat gewählt. Die SPD mit sondern im Rahmen des Erbbaurechts 12 Neuer Stadtteil auf dem Kleinen ihrem Spitzenkandidaten Peter Tschent- vergeben werden. Auf diesen, der Grasbrook scher als stärkste Fraktion in der Ham- Bodenspekulation entzogenen Flächen 13 Stadtentwicklung in Eimsbüttel burgischen Bürgerschaft wird erneut können dann günstige Wohnungen mit 14 Seniorenberatung in den Bezirken den Ersten Bürgermeister stellen. Aus unbefristeter Preisbindung entstehen. 15 Gerichtliche Schlappe für die Vonovia Mietersicht ist das eine gute Nachricht. Nur so kann auch in der Zukunft in Ham- 16 Volksinitiativen gegen Haben doch die seit 2011 SPD-geführten burg das Wohnen bezahlbar bleiben. Bodenspekulation Senate eine Wende beim Wohnungsbau herbeigeführt. Das mit der Wohnungs- Hans-Jochen Vogel, das 93-jäh- Mietrecht wirtschaft und den Bezirken initiierte rige Urgestein der SPD, hat uneinge- 17 Hamburger Urteile und vom Mieterverein zu Hamburg schränkt recht, wenn er den bisher 19 Beitrittserklärung unterstützte Bündnis für das Wohnen an Marktregeln orientierten Umgang 22 BGH-Urteile, Folge (67) hat maßgeblich dazu mit Grund und Bo- 24 Wie würden Sie entscheiden: b e i g e t ra g e n , d a s s den in Deutschland Schädlingsbekämpfung in den letzten neun Nicht nur neue, anpranger t. Weil Jahren rund 60.000 sondern bezahlbare künftig das Allge- Politik & Wohnen Wohnungen gebaut Wohnungen meinwohl im Vorder- 25 Mietverhältnis nach Scheidung werden konnten. grund stehen sollte, 26 Stiftungen als Vermieter unterstützt der Mieterverein die Volksi- 27 Schüler zu Besuch beim Mieterverein; Leider müssen wir aber auch feststel- nitiativen „Boden und Wohnraum behal- Siegmund Chychla bei schalthoff LIVE len, dass die Wohnungsbauoffensive ten – Hamburg sozial gestalten!“ und trotz der neu gebauten 14.000 geförder- „Neubaumieten auf städtischen Grund Vermischtes ten Wohnungen das Abschmelzen des – für immer günstig!“ (siehe Bericht 28 Das Porträt: Dr. Melanie Weber-Moritz, Sozialwohnungsbestands von 350.000 Seite 27). Liebe Leserinnen und Leser Bundesdirektorin Deutscher Mieterbund im Jahr 1985 auf nunmehr 80.000 nicht des Mieter Journals, Sie haben es in der 29 Buchtipp: Luxus Wohnung?; verhindert hat. Hinzu kommen die Hand, für mehr bezahlbaren Wohnraum Kündigungskalender; schwindelerregenden Grundstückkos- in Hamburg zu sorgen: Unterstützen Sie Checkliste: Wohnungsmängel ten und die galoppierenden Baupreise, bitte mit Ihrer Unterschrift die beiden 30 Buchtipp: Unser schönes Hamburg die dazu führen, dass sich die meisten Volksinitiativen, sprechen Sie auch Ihre in Luftaufnahmen von 1930 Hamburger Mieter- Nachbarn, Freunde 31 Miete-Witz; Rätsel; Impressum haushalte die neuge- und Bekannte an bauten Wohnungen Schluss mit der und lassen Sie dem nicht leisten können. Privatisierung von Mieterverein zu Die Stadt benötigt Grund und Boden! Hamburg die Listen nicht nur viele neue, zukommen! Tragen sondern vor allem bezahlbare Woh- Sie mit Ihrer Unterschrift dazu bei, dass nungen. Wichtig ist aber auch, dass die die Volksinis die erforderliche Zahl von Preisbindung der mit Steuergeldern jeweils 10.000 Unterschriften binnen errichteten geförderten Wohnungen sechs Monaten erreichen (die Vordrucke nicht ausläuft. Um dieses Ziel zu errei- befinden sich in der Mitte dieses Hefts). In dieser chen, muss der neue Senat den bisheri- So stellen Sie sicher, dass die Hambur- Ausgabe: gen Umgang mit städtischem Grund und gische Bürgerschaft die vorgeschlagene Beihefter mit Boden und der Wohnraumförderung neu Neuordnung der Bodenpolitik und der Unterschrif- ordnen. Wohnraumförderung verbindlich im tenlisten der Volksinitia- Plenum behandeln muss. tiven gegen Hamburg sollte deshalb möglichst Bodenspe- kulation schnell sicherstellen, dass die noch in Ihr Siegmund Chychla städtischer Hand verbliebenen Flächen Vorsitzender MIETERVEREIN ZU HAMBURG nicht mehr – wie bisher – privatisiert, [TitelIllustration: Scheerer] MieterJournal 1/2020 · 3
Mieterverein aktuell Mieterverein aktuell Leserbrief Meldungen Wussten Sie ... Bezahlbare Wohnungen Außendienst erhält Verstärkung Hamburger Haushalte eine Mieterhöhung … dass Hamburg in der Mitte Hallo, von ihrem Vermieter erhalten. Jede zweite des 19. Jahrhunderts das (lr) Der Mieterverein zu Hamburg hat ab sofort Beratung beim Mieterverein zu Hamburg modernste Abwassersystem Fotos: stahlpress meiner Meinung nach sind die Bau- seinen Außendienst personell aufgestockt. betrifft derzeit dieses Thema. Die Mieterhö- Europas erhielt? vorschriften daran schuld, dass keine Die in den vergangenen Monaten sprunghaft hungen weisen nicht selten Fehler auf, wes- „normalen“ Wohnungen mehr gebaut angestiegene Inanspruchnahme der Mitar- halb Mieter eine Mieterhöhung nicht unge- (rs) Wohin mit der Scheiße? werden. Die energetischen Anforderungen beiter unseres Außendiensts machte die prüft akzeptieren sollten. Unberechtigte Auf diese Frage gab es vor rund 170 an die Neubauten sind so teuer, dass es personelle Verstärkung erforderlich. Unsere Mieterhöhungen haben nicht nur Auswir- Jahren nur eine Antwort: In den Fleet kaum möglich ist, preiswerten Wohnraum Außendienstmitarbeiter leisten unter ande- kungen auf den jeweiligen Mieterhaushalt, damit oder einfach vor die Haustür. In zu bauen. Vielleicht sollten Sie auf eine rem Hilfe und Unterstützung bei Wohnungs- sondern bilden auch die Grundlage für die Rinnsälen floss die Brühe durch die Lockerung dieser übertriebenen Vorschriften besichtigungen durch den Vermieter oder Erstellung des nächsten Hamburger Mieten- Straßen. Das war damals so üblich – drängen? bei Wohnungsübergaben. Für die fachliche spiegels. Mieter sollten deshalb die Über- mit der Folge, dass sich Krankheiten Begutachtung (zum Beispiel Bauschäden, legungsfrist von mindestens zwei Monaten ausbreiteten und es erbärmlich stank, Gruß Wohnungsausmessungen und Belegprüfung dafür nutzen, sich fachlich beraten zu las- auch in Hamburg. Es war der Englän- Thomas Jansen In der Zentrale und den bei Betriebskosten) steht unseren Mitgliedern sen. Die vom Mieterverein zu Hamburg auf der William Lindley (1808-1900), der elf Außenstellen des Mi zu Hamburg arbeiten run etervereins d 70 Kolleginnen und Ko und interessierten Mieterinnen und Mietern seiner Internetseite mieterverein-hamburg. dafür sorgte, dass Hamburg Mitte des Im MieterJournal erzäh llegen. len sie von sich und ihr unser fachlicher Außendienst zur Verfügung. de angebotenen Online-Checks bieten eine 19. Jahrhunderts eine – für damalige em Job. (vs) Wie die meisten Ham Die Einzelheiten zur Aufwandsentschädigung sehr gute erste Orientierung. Die erhöhte Verhältnisse – moderne Abwasserent- Antwort des Mietervereins: burger ist auch Paul-He ndrik Mann ein Zugezogen bei Wohnungsbesichtigung oder den Hono- Miete sollten Mieter nur dann zahlen, wenn sorgung bekam. Der englische Ingeni- aus dem niedersächsisc er – er kommt hen Seppensen. Lange Zeit raren des Fachlichen Außendiensts können sie die Mieterhöhung akzeptieren wollen. eur konnte auf seine Erfahrungen in Platzanforderungen weg hat er in Eimsbüttel gele en des Nachwuchses änd bt. Als sich die Sehr geehrter Herr Jansen, erten, musste auch die dem Info-Blatt A entnommen oder telefonisch Anderenfalls besteht die Gefahr, dass die der seinerzeit größten Stadt Europas, feststellen, dass bezahl Fam ilie Mann barer Wohnraum im Inn erfragt werden. Zahlung der erhöhten Miete auch ohne nämlich London, zurückgreifen und die Manns im Hamburger enstadtbereich Mangelwa re ist. Jetzt leben Sie sprechen ein Problem an, das alle Norden und genießen stat t des schicken Eimsbüttel ausdrückliche Zustimmung als ein still- überzeugte die hiesigen Stadtoberen Lunge der Hansestadt am s die grüne beschäftigt, die sich mit der Erstellung von Raakmoor. Studiert hat Pau Die Feststellungen der Außendienstmitarbei- schweigendes Einverständnis des Mieters von seinen Plänen zur Schaffung einer ßend sein Referendariat l-He ndrik Mann in Hamburg, bezahlbaren Wohnungen befassen. Es ist im niedersächsischen Old anschlie- Hamburg zurückzukehren enburg absolviert, um dan ter können die grundsätzlich erforderliche interpretiert wird. zentralen Abwasserentsorgung mit n wie der nach tatsächlich so, dass unter anderem die und eine Anstellung als Rechtsanwalt in einem Inso Rechtsberatung nicht ersetzen. Sie dienen unterirdisch angelegten Kanälen. terbüro anzutreten. Seit lvenzverwal- immer höher werdenden energetischen dem Sommer 2014 arbeite vielmehr dem zuständigen Rechtsberater Redaktioneller Hinweis zu Lindley (Foto) musste hart für sein zufrieden mit seiner dam t der Jurist beim Mieterv aligen Entscheidung. „Ab erein und ist sehr Anforderungen zum Anstieg der Kosten seit s der Arbeit verbringe ich als Grundlage für seine rechtliche Einschät- Personenbezeichnungen Projekt kämpfen, hatte er doch in meiner Familie und neh viel Zeit mit im Wohnungsbau geführt haben. Falsch me mir immer wieder vor, zung der Mietangelegenheit. Es sollte daher der hanseatischen Verwaltung ein- meine Gitarre regelmäßi Foto: Wikipedia zu nehmen“, erklärt der ger in die Hand wäre es aber, dies im 21. Jahrhundert zum Vater zweier Söhne. Das im Vorweg mit dem Rechtsberater geklärt (mzh) Aus Gründen der besseren Lesbar- flussreiche Gegner wie den Was- gelinge ihm aber leider viel zu selten. Anlass zu nehmen, auf eine zeitgemäße werden, inwieweit die Beauftragung eines keit wird im MieterJournal bei Personen- serbaudirektor Heinrich Energieausstattung des Wohnungsneubaus Was lieben Sie an Ihrem Job beim Mieterve rein? Außendienstmitarbeiters im Einzelfall sach- bezeichnungen und personenbezogenen Hübbe. Lindley gelang zu verzichten. Zum einem sind die hohen Jeden Tag sprechen wir mit immer anderen Mensc hen. Wir arbeiten für eine dienlich ist. Hauptwörtern die männliche Form verwen- es jedoch 1843, Senat Bodenpreise und die durch die Konjunktur Sache und können dabei gemeinsame den Mitgliedern unmitte lbar helfen. In der Welt des det. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne und Fachgremien gestiegenen Erstellungskosten der eigent- macht es Spaß, die Inte Lobbyismus ressen derjenigen zu ver treten, die sonst gar nich Mieterhöhungen der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle zu überzeugen: liche Kostentreiber. Zum anderen könnten wenig gehört werden wür t oder viel zu den. häufigstes Beratungsthema Geschlechter und auch für diejenigen, die 1845 wurde ein Mieter und Vermieter durch eine höhere Welcher Film und welch sich keinem Geschlecht zuordnen. Die ver- elf Kilometer lan- es Buch haben Sie zuletzt begeistert? Förderung der öffentlichen Hand entlastet Zuletzt habe ich die Hel (lr) Nach der Veröffentlichung des Hambur- kürzte Sprachform hat ausschließlich redakti- ges unterirdisches mut-Schmidt-Biografie werden, um das umweltfreundliche Woh- von Sus anne Pamperin gelesen, Wirken Schmidts kritisch beleuchtet. Sobald ich Zeit die das ger Mietenspiegels Ende 2019 haben viele onelle Gründe und beinhaltet keine Wertung. Kanalsystem fer- nen auch bezahlbar zu machen. T. C. Boyle lesen. Das Buc hab e, werde ich „Wassermu tiggestellt. h habe ich von einem lieb sik“ von wird mich sicherlich beg en Kollegen geschenkt bek eistern. Ins Kino gehe ich ommen, es Mit freundlichen Grüßen leider viel zu selten. Welcher historischen Person wü Siegmund Chychla, Vorsitzender rden Sie gerne begegnen? hamburger bauhefte (1): Helmut Kohl, um die Spe nderinnen und Spender Wohnen im Denkmal aus ihm herauszukitzeln. Worüber kön nen Sie lachen? Haben Sie Fragen oder möchten Sie Anregungen Über Studio Braun! oder Kritik äußern? Dann schreiben Sie uns! Wohin würden Sie morge Per E-Mail an info@mieterverein-hamburg.de, n früh verreisen ? (vs) Wo früher Krankheiten behandelt Freigabe durch die Briten wurden die Gebäude ab 1949 wieder als Betreff: Leserbrief, per Post an Nach Pellworm – die sch wurden, wird heute gewohnt. 2006 kaufte allgemeines Krankenhaus genutzt. 2004 wurde der Landesbetrieb önste der nordfriesische n Inseln. Mieterverein zu Hamburg, Beim Strohhause 20, ein Konsortium ein Teil des zwischen dem Krankenhäuser privatisiert. Die Asklepios Kliniken übernahmen 20097 Hamburg. Rübenkamp und der Fuhlsbüttler Straße und zogen 2005 in den Barmbeker Neubau ein. Das restliche Ensem- gelegenen Krankenhaus-Areals und entwi- ble verkaufte die Stadt an eine Projektgesellschaft, die es – unter ckelte es zum Quartier 21. Rückblick: Auf Beachtung des Denkmalschutzes – zu dem Gelände war 1913/14 das Barmbeker einem gemischten Quartier mit Platz Krankenhaus eröffnet worden. Hamburg für 587 Miet- und Eigentumswohnun- Sprechstunde des Vorstands wuchs damals rasend schnell und benö- gen entwickelte. „Gebaute Zeugen der tigte nach den Hospitälern in St. Georg Vergangenheit“ seien erfolgreich in die Wann? Die Sprechstunde Wo? eim Strohhause 20, B und Eppendorf eine dritte städtische Heil- Gegenwart geholt worden, urteilte der findet an jedem ersten 5. Stock, 20097 Hamburg anstalt. Die wurde als Mix aus Pavillon- Architektur-Kritiker Dirk Meyhöfer. Montag im Monat statt. Aus organisatorischen Gründen und Korridorbauten mitsamt großzügiger Foto: Scheerer Wie? Nächste Termine: 6. April, wird um vorherige Anmeldung Parkanlage sowie Wohnungen für Ärzte Jörg Schilling: Vom Krankenhaus 4. Mai und 8. Juni gebeten: Tel. (040) 8 79 79-132 und Schwestern errichtet und bis in die Barmbek zum Quartier 21, hamburger bauheft 27, 1940er-Jahre erweitert. Nach Beseitigung Schaff-Verlag, Hamburg, Marielle Eifler und Siegmund Chychla, der Kriegsschäden und anschließender 68 Seiten, 9 Euro Vorsitzende des Mietervereins 4 · MieterJournal 1/2020 MieterJournal 1/2020 · 5
Leben in Hamburg Leben in Hamburg Hamburg vor der Mobilitätswende Die wachsende Stadt muss sich verändern, um den Verkehrskollaps abzuwenden 0 Von Volker Stahl straße. Anwohnerin Melanie Offermann, Projekt“, der Stadtentwicklungsexperte die ohne Verkehrsbehinderungen 30 Minu- Mobilität für alle verbessern und den Verkehr geht um Aufenthaltsqualität. Dafür muss die mit ihrer Familie seit 13 Jahren an Eims- Jürgen Tietz empfiehlt die Umgestaltung ten dauern würde, morgens 46 Minuten und ökologischer machen soll. Das binnen zehn man Plätze neu gestalten“, betont die Spit- Über wenige Themen wird in Hamburg büttels Einkaufsmeile lebt, übt Kritik: „Das der Einkaufsmeile sogar als „Blaupause für abends 48 Minuten. Laut Prognosen kommt Jahren umzusetzende Konzept sieht vor, den zen-Grüne Katharina Fegebank. Die SPD so heftig gestritten wie über Verkehr und Konzept, dass Verkehrsteilnehmer, Anwoh- Straßenplanung“. Zwar konstatiert Tietz, dass es noch schlimmer. Die Stadt wächst bis 2030 öffentlichen Nahverkehr in der Hansestadt zeigte sich zuletzt kompromissbereit und Mobilität. Autofreie Zonen, Tempolimits, ner und Geschäftsleute hier gut miteinan- sich lokale Einkaufsstraßen nur „begrenzt von derzeit 1,84 Millionen auf dann fast umfassend auszubauen und durch Taktver- konstatierte, sie könne sich vorstellen, Fahrradspuren und der Ausbau des S-und der auskommen und existieren können, ist als doktrinär aufgeladene Kampfzonen der zwei Millionen Einwohner. Dazu kommen dichtungen, Serviceverbesserungen und Stre- zumindest „Teile der Innenstadt“ autofrei U-Bahn-Netzes werden heiß diskutiert. meiner Meinung nach nicht aufgegangen. Stadtplanung eignen“, doch die für 5,5 Mil- die Pendler, deren Zahl laut IG Bauen-Ag- ckenverlängerungen attraktiver zu machen. zu machen. Das Zentrum des ehemaligen Dabei verlaufen die Fronten zwischen Die Ruhezonen laden mich persönlich allein lionen Euro neu gestaltete Osterstraße sei rar-Umwelt von 268.000 im Jahr 2000 auf Neben der neuen U-Bahn-Linie 5, der Ver- Arbeiterstadtteils Ottensen diente kürzlich Fußgängern, Radlern, Roller- und Auto- schon aufgrund der Nähe zum Straßenver- ein gelungener Kompromiss der Interessen heute täglich 350.000 gestiegen ist. längerung der U4 und weiteren S-Bahn-Stre- als Versuchslabor: Blumenkübel auf der Fahr- fahrern sowie Freunden des Öffentlichen kehr nicht zum Verweilen ein.“ Obwohl der von Fußgängern, Rad- und Autofahrern. cken sollen zahlreiche zusätzliche Buslinien bahn, mit Plastiktüten abgedeckte Verkehrs- Personennahverkehrs (ÖPNV) mitunter breitere Gehweg für und Bushaltestel- schilder, auf Kopfsteinpflaster flanierende bis in die Familien. Beispiele aus Eimsbüt- Fußgänger eine Ver- Hamburgs schönste len geschaffen „Mottenburger“. tel und Ottensen zeigen, wie die mobile besserung darstelle, Bahnstrecke lädt dazu werden. ein, auf das eigene Auto Zukunft der Hansestadt aussehen könnte. hab e der St adt- zu verzichten. Doch das Verwaltungsgericht stoppte das teil durch die neu Das Maßnah- Pilotprojekt auf Antrag von zwei Gewerbe- Einen Fingerzeig darauf, in welche Rich- gestaltete Straße an menbündel soll treibenden vorerst. Die grüne Bezirksamts- tung Hamburg sich verändern könnte, gibt Eimsbüttel-Charme von innovativen leiterin Stefanie von Berg fühlt sich durch das Beispiel Osterstraße. Die von 2015 bis eingebüßt, meint Verkehrsangebo- eine Umfrage bei Ortsansässigen dennoch 2017 komplett umgestaltete Eimsbütteler Offermann: „Mir ten wie On-De- bestätigt: „Die ersten Zwischenergebnisse, die Verkehrsader macht in dem beliebten Stadt- persönlich fehlt es mand-Shuttles ich einsehen konnte, sagen, dass 85 Prozent teil dem Autoverkehr auf durchaus attrak- auch an Bäumen und Sharing-An- eine Verstetigung wollen − sogar mit einer tive Weise den Garaus: Die Straße wurde zu und Grünflächen.“ geboten flankiert kleinen Ausweitung.“ Die FDP und die AfD Gunsten von Radwegen verengt, die Gehwege werden. Ziel ist halten von dem Experiment gar nichts: Für Die Radfahrer-Bewegung wurden verbreitert, zahlreiche Parkplätze Dabei können Critcal Mass ist auch in es, in der gesam- beide Parteien muss der Verkehr fließen, verschwanden – allerdings sehr zum Ärger sich die Ergebnisse Hamburg angekommen. ten Stadt ein flä- am besten überall. Die CDU differenziert mancher Geschäftsinhaber, die den Verlust der Evaluation des chendeckendes in diesem Punkt immerhin. Die Christde- von motorisierter Kundschaft beklagen. „Als Umbaus durchaus ÖPNV-Angebot mokraten monieren zwar die „systematische Privatperson finde ich den breiten Boulevard sehen lassen: Die zu schaffen. So Parkplatzvernichtung“ im Stadtgebiet, wollen charmant, nur die Radbahnen könnten noch Zahl der Unfälle an der Osterstraße ist von Sie besteche durch ihr „Straßenflair“ und Auch die Zahl der Kita-Kinder, Schüler soll die Zahl der Fahrgäste von Bussen und aber durch attraktive Angebote für Pendler breiter sein, jetzt ist es dort gefährlich“, 117 fast um die Hälfte auf 60 pro Jahr gesun- ihre „Aufenthaltsqualität“. Etwas verhaltener und Studenten wird sprunghaft steigen – von Bahnen um 50 Prozent erhöht werden. „Staus schon vor den Stadttoren stoppen“. sagt Doris Claus vom Buchla- ken. 76 Prozent der Befragten bewerten die reagiert Verkehrsplanerin Philine Gaffron: heute 379.000 auf 443.000 in zehn Jahren. Erhoffter Nebeneffekt ist eine deutliche den Oster- Baumaßnahme als Fortschritt für Fußgänger. „Die Maßnahmen sind teilweise durchaus Ebenso die täglich von Menschen (in allen Reduzierung des CO2-Ausstoßes. Bis 2030 Fahrradstadt Hamburg Dagegen sehen nur 41 Prozent der Radfahrer umstritten. Eine Zeit lang wurde dort sogar Verkehrsmitteln) zurückgelegten Wege im soll beispielsweise die Zahl der Busse von – „gaga“? eine Verbesserung, 45 Prozent eher eine Ver- darüber nachgedacht, eine Begegnungszone Hamburger Verkehr – von heute 7,3 Millio- aktuell 1.500 bei den Verkehrsunternehmen Wer nun denkt, zumindest die Propagie- schlechterung. Die radikale Forderung von einzurichten, in der alle Verkehrsteilneh- nen auf acht Millionen im Jahr 2030. Wenn um 750 emissionsfreie Fahrzeuge steigen. rung von Hamburg als Radfahrerstadt würde Dirk Lau, Sprecher des Allgemeinen Deut- menden gleichberechtigt unterwegs sind immer mehr Personenkraftwagen und Last- Während die rot-grünen Initiatoren im Senat Bürger und Parteien einen, liegt falsch. Eine schen Fahrrad-Clubs (ADFC), lautet des- und die auf Aufmerksamkeit und gegensei- wagen auf die Straßen drängen, ist der Kol- das Vorhaben als großen Wurf präsentierten, dezidierte Meinung zu Drahteseln vertritt der halb: „Das Kerngebiet Eimsbüttel muss ver- tiger Rücksichtnahme basiert.“ Man könne laps programmiert. Allein von 2008 bis 2018 meldete die politische Konkurrenz Zwei- AfD-Verkehrspolitiker Detlef Ehlebracht: kehrsberuhigt werden, die Osterstraße zur aber sicher vom Projekt Osterstraße einiges stieg die Zahl der angemeldeten Fahrzeuge fel an. Zu einer „echten Mobilitätswende“ „Hamburg wird Fahrradstadt – wie gaga Geschäftsstraße mit Tempo 20 und gesperrt lernen, meint Gaffron, „sowohl, was funkti- von 817.691 auf 907.426 – die erste Million gehören für den Altonaer CDU-Politiker ist das denn?“ Ehlebracht wittert hinter für den Kfz-Durchgangsverkehr.“ Was Lau oniert, als auch, was man anderswo vielleicht ist in Sicht! Trübe Abgaswolken brauen sich Marcus Weinberg ein 365-Euro-Jahresticket, dem Slogan „Ideologie“. Nun lässt sich mit nicht gefallen dürfte: Überraschend ist das anders machen könnte“. am Himmel über Hamburg zusammen. pünktlichere Busse und Bahnen und eine Blick auf die Realität und wissenschaftliche befürchtete Parkplatzchaos nach dem Weg- „MetroTram“, sprich: Straßen- oder Stadt- Erkenntnisse weder der Klimawandel noch fall von 110 Stellplätzen nicht eingetreten. Verkehrskollaps droht Dieselfahrverbote reichen nicht bahn. Auch die linke Verkehrsexpertin Heike die Tatsache leugnen, dass Radfahrer Staus 13 Prozent der Einkaufsbummler kommen Fakt ist: Hamburg muss sich etwas Minimalinvasive Eingriffe in die Mobili- Sudmann ist von der „Angebotsoffensive“ rund um Alster und Bille schon heute umfah- mit dem Auto, 34 Prozent nehmen das einfallen lassen, um den Verkehrskollaps tätsstruktur à la „ein Dieselfahrverbot hier, des bisherigen Senats nicht überzeugt. Sie ren. Die behelmte, wadenmuskeltrainierte Rad, 13 Prozent die U-Bahn oder den Bus abzuwenden. Das hat auch der parteilose ein Fahrradhäuschen dort“ werden kaum plädiert – wie die Christdemokraten – für Klientel wird am heftigsten von Grünen und und die Mehrheit von 38 Prozent kommt Wirtschaftssenator Michael Westhagemann reichen. Unumgänglich ist es, ÖPNV und die Wiedereinführung einer Stadtbahn. Linken unterstützt. Die Öko-Partei verspricht zu Fuß. „Das ist eine höhere Quote als erkannt, der zu seinem Amtsantritt Verkehr Radverkehr zu stärken und Autoverkehr „mehr und bessere Radstrecken“ und will Fotos: Scheerer/Schwoon-Flickr üblicherweise im Bundesgebiet“, betont als „Topthema“ bezeichnete. Laut einer Stu- stark zu reduzieren. Das haben auch die Autofreies Versuchslabor die Zahl der zu sanierenden oder neuen Eimsbüttels Bezirksamtsleiter Kay Gätgens. die droht ohne Verkehrswende ab 2030 der politisch Verantwortlichen erkannt. Noch Ottensen Radkilometer verdoppeln. Außerdem sollen Stillstand auf den Straßen – vom Erreichen vor Beginn der heißen Phase des Bürger- Ein Lieblingsthema der Grünen sind Velorouten in Hamburg zu „Hauptstraßen „Blaupause für Stadtplanung“ vollmundig angestrebter Klimaschutzziele schaftswahlkampfs stellte Bürgermeister autofreie Zonen, die nicht nur Auspuffgase des Radverkehrs“ werden. Doch leider haben Und was sagen diejenigen, die hauptberuf- ganz zu schweigen. Hamburg wurde kürzlich Peter Tschentscher (SPD) zusammen mit und Staus aus den beschaulichen Vierteln die fünf Jahre lang mit der SPD regieren- lich mit der Umgestaltung der Stadt befasst vor Berlin, Wiesbaden und München zum Vertretern des Hamburger Verkehrsverbunds ihrer Wähler verbannen, sondern auch den Grünen ihr 2015 im Koalitionsvertrag sind?Architektenkammer-Präsidentin Karin wiederholten Mal zur „Stau-Hauptstadt“ (HVV) den „Hamburg-Takt“ vor, der die die Lebensqualität verbessern sollen. „Es festgeschriebenes Ziel von jährlich 50 Kilo- Loosen lobt ausdrücklich das „sehr schöne gekürt: Autofahrer benötigen für eine Fahrt, 6 ·MieterJournal 1/2020 MieterJournal 1/2020 · 7
Leben in Hamburg Leben in Hamburg Interview: Dr. Philine Gaffron, Mobilitätsexpertin „Alternativen zum Auto stärken!“ MieterJournal-Redakteur Volker Stahl sprach mit Dr. Philine Gaffron, die an der TU Harburg Verkehrsplanung und Logistik lehrt, über Mobilität in Hamburg. Hamburgs Bevölkerung wächst, die Stadt wird immer stärker Grüne Katharina Fegebank. Laut Umfragen ahmenswerte Beispiele für die Mobilitäts- verdichtet – droht bald der Verkehrskollaps? sind mehr als 70 Prozent der Ham- wende in Deutschland, meint Gaffron (siehe burger gern mit dem auch Interview auf Seite 9), ohne dass sich Eine gut gemachte Verdichtung ist bis zu einem gewissen Grad Drahtesel dabei die eine „Vorzeigestadt“ herauskris- durchaus wünschenswert – unter anderem, um mehr leistbaren tallisiere: „In Städten wie Frankfurt und Wohnraum in der Stadt zu schaffen. Dennoch wird wohl auch die Dresden sind die Menschen bes- Zahl der Pendlerinnen und Pendler aus dem Umland weiter anstei- ser mit schienengebundenem gen – und die der in Hamburg zugelassenen Personenkraftwagen. Nahverkehr versorgt. In Bremen Die brauchen Platz, wenn sie fahren und auch wenn sie stehen. Und oder Münster gibt es eine deutlich das kann sich Hamburg in dem Maße nicht leisten, wenn wir hier bessere Infrastruktur für Fahrrä- gleichzeitig gesunde Luft haben wollen, wenn wir das Lärmproblem der. Freiburg setzt schon länger in den Griff bekommen wollen und wenn wir sichere und attraktive auf klare Vorgaben für Fahrrad- Räume für Fuß- und Radverkehr anbieten wollen. Und dann sind abstellplätze im Wohnungsbau, im da ja auch noch die Klimaschutzziele. Steilshoop durch die U5 vor. Verkehrsverbund Rhein-Ruhr gibt es Aber auch in Hamburgs Westen, Richtung Lurup, Osdorfer Born mit dem Ticket2000 eine übertragbare … okay, die Autos müssen raus aus der Stadt. Welche Maßnah- und Stellingen gibt es Bedarf, und auf den Schnellbahnstrecken mit Monatskarte.“ men würden noch helfen? hoher Pendlernachfrage, beispielsweise Richtung Kaltenkirchen. Hier gibt es ja auch schon Planungen. Schwierig sind allerdings die Es gibt in puncto Mobilität noch eini- Wenn wir alle diese Ziele erreichen wollen, dann müssen es auf Zeiträume: Der erste Abschnitt der U5 wird wohl frühestens in zehn ges zu tun an Alster und Elbe. Hamburg jeden Fall deutlich weniger Autos werden. Die geplanten und zum Jahren in Betrieb gehen. muss es nur anpacken – wie zuletzt die Teil auch schon umgesetzten Taktverdichtungen bei Bussen und zügig umgesetzte Anbindung des Flug- Bahnen, zusätzliche Expressbuslinien und der Ausbau des Schie- Ein wichtiges Thema ist die Luftverschmutzung durch Verbren- hafens an die S-Bahn und den Anschluss nennetzes sind auf jeden Fall dringend nötige Bausteine. Auch die nungsmotoren: Welche Bevölkerungsteile leiden in Hamburg der HafenCity an die U-Bahn, auf die die zügige Umsetzung der Velorouten ist wichtig. Außerdem wird in am meisten darunter? Hamb Bewohner des Osdorfer Borns und Steils- der Metropolregion ein Konzept für Radschnellwege ausgearbeitet. sch urg w als hu on vor m ar hoops übrigens seit rund einem halben So werden die Alternativen zum eigenen Auto gestärkt. Wir müssen Haushalte mit niedrigem Einkommen wohnen eher dort, wo viel metern neuer Rad- nder t ehr Jahrhundert vergeblich warten … auch dringend dafür sorgen, dass sich Fuß- und Radverkehr nicht Verkehr fließt – schon deshalb, weil Wohnraum dort günstiger ist. Ja „mod hren wege deutlich verfehlt, was ern“. gegenseitig in die Quere kommen. Das bedeutet mehr Feinstaub, mehr Stickoxide und eben auch mehr der CDU-Verkehrspolitiker Dennis The- Lärm. Besonders wenn dadurch nachts Schlafstörungen verursacht ring in einer Kleinen Anfrage aufgedeckt hat: Wie wird Fahrradfahren attraktiver? werden, schadet das auf die Dauer der Gesundheit. 2015 wurden in Hamburg 31,9 Kilometer unterwegs. Das neuer Radwege gebaut. 2016 waren es 43,5 Radfahren sexy zu machen, Fahrräder brauchen mehr Platz auf der Straße – gerade auch, wenn Sind Pedelecs, E-Scooter und Vespas auf großstädtischen Stra- Kilometer, 2017 nur 31,8 Kilometer, 2018 reiche aber nicht, betont ADFC-Sprecher Dirk wir hier verstärkt auf Lastenräder für persönliche Mobilität und zum ßen Teil des Problems oder Teil der Lösung? auch nur 32,2 Kilometer und im Vorjahr Lau: „Das 365-Euro-Ticket für den ÖPNV Beispiel Paketlogistik setzen möchten. Das Thema Abbiegeassistenten 37,6 Kilometer. Peinlich, peinlich! wäre zum Beispiel eine Maßnahme, um die für Lastwagen ist in der letzten Zeit ja zum Glück verstärkt auf der Das muss man differenziert betrachten. E-Bikes und E-Scooter Menschen aus dem Auto zu holen.“ Das zeig- Agenda. Ganz wichtig sind auch sichere Stellplätze für Fahrräder. In haben zwar beide eine Batterie und zwei Räder und mit beiden darf 14 Veloruten führen in die City ten die Erfahrungen aus anderen Städten wie den Zentren der Bezirke, an den Umsteigepunkten zum öffentlichen man nicht auf dem Bürgersteig fahren. Da hören die Gemeinsamkeiten Was passieren kann, wenn Autos aus Wien. Hamburg hat mit der angekündigten Verkehr und bei den Menschen zu Hause. Gerade E-Bikes und Las- dann aber schon auf. Es gibt riesige Unterschiede in der Reichweite, in einem Blechbiotop verbannt werden, zeigt Einführung des 30 Euro teuren „Bonus- tenräder sind schwer und teuer. Die trägt man nicht mal eben in den der Sicherheit und bei den Einsatzmöglichkeiten. Versuchen Sie mal, das Beispiel Alter Elbtunnel. Seit dessen Sper- Tickets“ für Schüler und Auszubildende zwar Keller – wenn es überhaupt einen gibt. mit einem E-Scooter Ihren Wocheneinkauf nach Hause zu bringen rung für den Autoverkehr wird die originelle einen Anfang gemacht, der allerdings etwas oder mit Thermosflasche, Butterbroten und Schutzkleidung in der Elbquerung von immer mehr Menschen klein gedacht ist – auch in Anbetracht der Was kann die Stadt außerdem tun? Tasche fünf Kilometer zur Arbeit zu fahren. Prinzipiell sollten wir genutzt. Der Personenverkehr nahm von im bundesweiten Vergleich extrem teuren jedes Verkehrsmittel darauf prüfen, was es kann, was es gesellschaftlich Juni bis Dezember 2019 um mehr als die HVV-Monatskarten. Parkraummanagement und autoarme Bereiche mit Zu- und kostet und wie wir es am besten einsetzen. Postkartenmotiv: Archiv stahlpress/Foto:Scheerer Hälfte zu – der monatliche Fußverkehr stieg Durchfahrtsbeschränkungen sind ebenso nötig, um genug Menschen um 54 Prozent, der Radverkehr sogar um 80 Blick nach Kopenhagen zum Umstieg zu bewegen. Eine flächendeckende und gut kontrollierte Ihre Vision zur Mobilität in Hamburg in 50 Jahren? Prozent. „Eine kleine Maßnahme mit einer Manchmal hilft der Blick über die Gren- Tempo-30-Regelung – mit sinnvollen Ausnahmen – würde auch großen Wirkung“, jubelte der Grünen-Politi- zen. Und da wird in Bezug auf das Fahrrad helfen. Der Verkehr würde leiser, die Kapazität der Straßen stiege und Wenn die Stadt mit ihrer wirtschaftlichen Stärke, den vielen Hoch- ker Anjes Tjarks. Dass immer mehr Drahtesel oft Kopenhagen genannt. Danach gefragt, Menschen, die ohne Auto unterwegs sind, fühlten sich sicherer. Und schulen und der oft gepriesenen Weltoffenheit sich nicht nur zum Ziel Hamburgs Straßen bevölkern, ist kein Zufall: ob die dänische Hauptstadt ein Vorbild wären es auch. Außerdem liegt die Durchschnittsgeschwindigkeit in setzt, bis 2050 klimaneutral zu werden, sondern dabei auch auf ein Derzeit sind 14 ausgebaute Velorouten mit für Hamburg sein könne, antwortet die der Stadt schon jetzt meistens unter 30 Stundenkilometer. leistbares, zuverlässiges und für alle gesundes Mobilitätssystem setzt, der City verbunden, kürzlich wurde an der Verkehrsexpertin Philine Gaffron: „Kopen- dann wäre das ein sehr wichtiges Signal an andere Großstädte. Und U-Bahn-Haltestelle Kellinghusenstraße der hagen hat viel bessere Angebote für den Wo müssten U- und S-Bahn-Strecken prioritär ausgebaut dann müssen wir diese Ziele natürlich auch erreichen. Allerdings nicht erste Spatenstich gesetzt für Hamburgs erstes, Radverkehr, die auch entsprechend genutzt werden oder entstehen? erst in 50 Jahren. Meine Hoffnung für morgen ist: ständige Vorsicht und knapp drei Millionen Euro teures Fahrrad- werden: baulich getrennte Radwege, klare gegenseitige Rücksicht bei der Teilnahme am Straßenverkehr. So steht Das Verleihsystem StadtRAD Hamburg parkhaus mit 600 Stellplätzen. „Radfahren Routenführung, angepasste Ampelschal- gibt es seit zehn Jahren. Derzeitige Planungen sehen die Anbindung von der City Nord und es in Paragraf 1 der Straßenverkehrsordnung, das gilt also für uns alle. ist ein Schlüssel zur Verkehrswende“, sagt die tungen.“ Doch gebe es auch viele nach- 8 · MieterJournal 1/2020 MieterJournal 1/2020 · 9
Leben in Hamburg Leben in Hamburg Stadtteil-Rundgang (12) Kleines Gewerbe Bahrenfeld bietet viel Grün, das hier noch wintergrau ist. Seit vielen Jahren versorgt Andronaco die Hamburger mit italienischen Köstlichkeiten. statt großer Industrie Mit Restaurator Hans Martin Burchard durch Bahrenfeld Von Folke Havekost Beerenweg 12 produziert die Brauerei Land- gang seit 2016 auf rund 1.000 Quadratme- Fotos: Schwarz/Scheerer Kaum sind wir aus dem Aufzug in den tern Gerstensaft. Janine Mestrup führt uns dritten Stock des Gewerbehofs Strese 375 an Bar, Lagerkesseln und Abfüllungsanlage getreten, begrüßt uns auch schon Hündin vorbei zum großen Brauraum, in dem gerade Emma, die ebenfalls Interesse an einem besondere Aufmerksamkeit auf den Senats- Entdeckte sein Atelier Rundgang durch Bahrenfeld anmeldet. bock gelegt wird. Donnerstag, Freitag und auf dem Fahrrad: Ihr Herrchen kümmert sich gerade um Sonnabend öffnet sich die Brauerei abends für Hans Martin Burchard einen 200 Jahre alten Biedermeier-Stuhl, Gäste, die in einem umgebauten Seecontainer Verkehrskreuzung“, beklagt Burchard die in laufen derzeit eine ähnliche Entwicklung wie Auch die alten in dessen Stuhlbein aus Mahagoni ein die Craft-Biere probieren können. tro-Supermarkt Andronaco. „Mittags essen hoher Zahl vorbeirauschenden Kraftwagen: vor zwei, drei Jahrzehnten das benachbarte Kamine ehemaliger Schwanenkopf geschnitzt ist. hier immer ein paar hundert Leute“, berichtet „In einem riesigen Quartier ist das ein großes Ottensen, das sich vom schmuddeligen Alto- Produktionsstätten „Wir wollten zentrumsnah sein“, begründet Burchard und schwärmt vom luftgetrock- Ärgernis. Denn für den Außenstehenden mag naer Industrievorort zum angesagten – und prägen hier noch das Stadtbild. „Das war damals sehr beliebt“, erklärt der Bahrenfeld eine Autobahnabfahrt sein, aber teuren – Szeneviertel gemausert hat. Quadrat- Restaurator Hans Martin Burchard, der seit es ist auch ein lebendiges Wohnviertel.“ Eine meterpreise von 6.000 Euro für schicke neue 1986 sein Atelier auf dem Areal der Sprinken- eigene Spur für Fahrräder und Busse würde Eigentumswohnungen werden inzwischen hof an der vielbefahrenen Stresemannstraße helfen, meint er. auch in Bahrenfeld aufgerufen, wo Gustav hat. Aus den Fenstern reicht der Blick von Oelsner als Altonaer Pendant zu Hamburgs der Lutherkirche an der Autobahn bis in den „Die Leute machen Oberbaudirektor Fritz Schumacher zwischen Volkspark. „Im Sommer ist es schön grün Urlaub in Bahrenfeld“ 1923 und 1933 auf anspruchsvolle Weise den hier“, sagt Burchard, der an einer Wand Türen Wir biegen in den Bahrenfelder Steindamm sozialen Wohnungsbau vorantrieb. aus dem Helgoländer Rathaus aufgereiht hat zum Gastwerk, das einst ein Gaswerk war und – der nächste Auftrag für den 58-Jährigen, seit 2000 ein Hotel ist, das 141 Zimmer anbie- Zurück zur Gegenwart: An den sanierten der 2012 den renommierten Europa-Nost- tet und von seinen Betreibern als „Hamburgs Backsteinkomplex des Gas(t)werks schließt ra-Preis für seine Arbeit an der Kunststätte erstes Design Hotel“ beworben wird. Früher sich eine großzügige Grünfläche an. „Das Bossard erhielt. wurden hier Unmengen Kohle gelagert, später Gastwerk-Gelände ist fast ein eigener Stadtteil entstand auf dem Gelände eine Futtermittelfa- für sich“, sagt Burchard über die „ausgespro- „Auf diesem Hof arbeiten bestimmt min- brik. Jetzt ist aus dem 1895 nach den Plänen chen gut gemachte Mischung aus Neu und destens 500 Leute“, schätzt Burchard, als wir von Georg Schaar errichteten Industriedenk- Alt“ und lobt den Denkmalschutz, der die uns ins Freie begeben. Und wie ist er vor 34 Industriehöfe und viel Backstein mal eine Edel-Herberge geworden, die wie das Bauten mit wachen Augen begleitet habe. hin gab es ihn, anders als die Sagengestalt zeichnen diesen Stadtteil aus, Jahren nach Bahrenfeld gekommen? „Ich wie hier im Gewerbehof an der NH-Hotel an der Stresemannstraße vier Sterne Ritter Otto von Bahren, dem der Stadtteil habe mich aufs Fahrrad gesetzt und bin durch Stresemannstraße. trägt und gut gebucht wird. Burchard taxiert Hier im Grünen verbringt er oft seine Mit- seinen Namen verdankt. Altona gefahren. Ottensen war damals schon die Wochenend-Auslastung auf „bestimmt tagspause, es ist Burchards Lieblingsplatz zu teuer, und als ich hier angekommen bin, hat Braumeister Sascha Bruns, warum das junge neten Schweineschinken Coppa. Über das 85 Prozent“ und staunt: „Die Leute machen im Stadtteil, eine Art Miniaturversion des Weiter geht‘s zum alten Straßenbahndepot, mir der Vermieter gleich den Schlüssel zuge- Unternehmen sich im Stadtteil angesiedelt riesige Gelände von Auto Wichert geht es Urlaub in Bahrenfeld.“ Volksparks, der ja auch in Bahrenfeld liegt. wo sich nach dem Abtragen der Schienen ein worfen, damit ich mich umschauen kann.“ hat. Einen Hopfenwurf nach Süden entfernt nach Westen zunächst zurück zur Strese 375, „Im Grunde ist es ja nur ein Wassergraben Lidl-Supermarkt niedergelassen hat. Am Woy- liegt an der Stresemannstraße die Alte Dosen- wo einst eine Ölmühle mit Gleisanschluss Warum auch nicht? Bahrenfeld und seine mit Grünfläche, aber die Ruhe ist sehr ange- rschweg fällt der Blick auf ein im Heimatstil Bier brauen im Beerenweg fabrik, die einst fürs Umhüllen der Gurken für die Margarinefabrik stand und später 30.000 Einwohner durch- nehm. Und das viele Grün in der Mitte ist gebautes Haus mit eigenem Türmchen. In Vorbei am benachbarten Gewerbepark von Carl Kühne zuständig war. Heute nutzen Kaeser-Kühlschränke produziert wurden. architektonisch super gemacht, das würde der Nachbarschaft reihen sich Häuser des Beerenweg – wo Kunst gefertigt, Tango vor allem Künstler das weiträumige Areal. Der Schornstein der Ölmühle ragt noch über heute viel enger bebaut.“ Altonaer Spar- und Bau- gelernt und Bil- die anderen Gebäude hinaus. vereins, die Gründerzeit- der gerahmt wer- Uns treibt es jedoch Kerzen und Blumen Stil und Gartenstadt-Idee den – geht es zunächst nördlich den Bee- „Wo man hinguckt, sind überall kleine Fir- für Jan Fedder kombinieren und unter zu einem Ort, renweg hinauf zum Bis- men in den Hinterhöfen“, skizziert Burchard. Dann empfiehlt er das nahe Via Denkmalschutz stehen. den Burchard Das ehemalige Gaswerk Es ist der prägende Wandel des Stadtteils in Cafelier in der Paul-Dessau-Straße, „Sie liegen ein biss- selbst erst beherbergt nach umfang- den vergangenen Jahrzehnten: In Bahrenfeld in der Menschen mit seelischen chen abseits, aber es reichen Baumaßnahmen entdecken als Gastwerk Menschen ist die große Industrie kleinen Betrieben Erkrankungen kochen: „Da kann sind nette Stadthäu- will. Im aus aller Welt. gewichen. „Das bringt hier im Viertel eine man ganz toll essen gehen, geho- ser mit tollen Innen- unglaubliche Vielfalt mit sich.“ bene Hausmannskost mit südlichen höfen“, urteilt Bur- Einflüssen.“ Unser Hunger nach chard am Ende unse- Zwischen Jugendstil weiteren Eindrücken ist aber größer, res Rundgangs. und Verkehrsinfarkt also biegen wir ums Eck in die Men- Die Bahrenfelder Chaussee als Verlänge- delssohnstraße und betrachten die rung der Stresemannstraße begrüßt uns auf Kerzen und Blumen, die Trauernde ihrer linken Seite mit sieben Jugendstilbauten, für den Schauspieler Jan Fedder Die Dosenfabrik, mittlerweile eine die aus dem frühen 20. Jahrhundert stammen hinterlassen haben. Hier stand die Kulturinstitution mit viel – als das Auto seine immense Wirkung auf den Filmlocation das „Großstadtrevier“, Musik und Tanz an der Stadtteil noch nicht entfaltet hatte. „Die Politik das künftig ohne sein Original „Dirk Stresemannstraße, zie- ren zwei halbierte macht aus dem ganzen Stadtteil eine einzige Matthies“ auskommen muss. Immer- „Dosenskulpturen“. 10 ·MieterJournal 1/2020 MieterJournal 1/2020· 11
Leben in Hamburg Leben in Hamburg Bewohnen erwünscht! „Ein Glücksfall für die Stadtentwicklung“ Auf der ehemaligen Hafenfläche Kleiner Grasbrook sollen 3.000 Wohnungen Beiersdorf, Begrünung und Co.: und 16.000 Arbeitsplätze entstehen Bauen unter Eimsbütteler Verhältnissen Von Reinhard Schwarz Von Folke Havekost Wer sich dem Kleinen Grasbrook nähert, den städtebaulichen Entwurf weitergedacht gewinnt den Eindruck einer menschen- haben“, praktiziert Astoc-Geschäftsführer leeren Einöde. Leere Straßen, leere Ingo Kanehl eine Art einladenden Realismus: Gebäude – ein ideales Terrain für einen „Für solch einen Ort ist es sehr wichtig, durch düsteren Fernsehkrimi. Überall hängen verschiedene Wettbewerbsverfahren verschie- Schilder mit der Aufschrift: „Betreten dene Architekturen zum Zuge kommen zu verboten!“ Das soll sich bald ändern, lassen, um Qualität gewährleisten zu können.“ denn in den kommenden Jahren entsteht hier, nahe der Veddel und gegenüber Sieht noch keine Konflikte: Jenseits des jahrelangen Großprojekts der HafenCity, ein neuer Stadtteil. Eimsbüttels Bezirksamtsleiter sollen weiterhin mindestens 1.050 neue Kay Gätgens. Wohnungen Jahr für Jahr im 265.000-Ein- Bei den verantwortlichen Politikern ist wohner-Bezirk entstehen, so ist es 2016 die Vorfreude groß. Im November vergan- im Hamburger „Bündnis für das Wohnen“ genen Jahres verkündete Bürgermeister Peter beschlossen worden. Das Problem: Eims- Tschentscher (SPD): „Auf dem Grasbrook büttel hat von allen Hamburger Bezirken soll ein neuer urbaner Stadtteil für Hamburg die wenigsten Liegenschaften oder Konver- entstehen. Dazu hat der Senat die rechtlichen sionsflächen, die vergleichsweise einfach in und organisatorischen Rahmenbedingungen Bauland umgewidmet werden könnten. Die beschlossen.“ Stadtentwicklungssenatorin „Strategie der doppelten Innenentwicklung“ Dorothee Stapelfeldt (SPD) ergänzte: „Mit sieht deshalb einerseits vor, die Potenziale dem neuen Stadtteil machen wir den nächs- entlang der Verkehrsachsen zu nutzen und ten wichtigen Schritt, um den ‚Sprung über Seit Ende 2019 herrschen Eimsbütteler noch weit darüber hinaus.“ gleichzeitig die bestehenden Wohngebiete die Elbe‘ weiterzuentwickeln. Auf dem Klei- Verhältnisse: Die Grünen und die CDU zu verdichten – gerade letzteres stößt nicht nen Grasbrook wird ein lebendiger Innova- schlossen einen Koalitionsvertrag, Vor zwei Jahren startete der Bürgerbetei- immer auf Gegenliebe bei den Eingesessenen. tionsstadtteil wachsen, der den Ansprüchen Der Kleine Grasbrook von oben gesehen: Weiß scheiterten aber bei der Abwahl des ligungsprozess, der sich unter anderem in umrandet sind die Flächen, die zum neuen Stadt- einer „Knetstation“ in der Planungswerkstatt an eine lebenswerte, grüne und vielfältige teil Grasbrook gehören. Bezirksamtsleiters Kay Gätgens von Befürchtungen, die Mehrheit von Grü- Stadt für alle Bewohnerinnen und Bewohner Foto: HafenCity GmbH Hamburg der SPD. Nun müssen beide Lager sich Stadtmacherei niederschlug. Im September nen und CDU könnte dem Bauen im Bezirk gerecht wird.“ Professor Jürgen Bruns-Berentelg ist der Chef der zusammenraufen – was bedeutet dies 2019 setzte sich das Kölner Architektenbüro Bremsen anlegen, tritt der grüne Fraktion- HafenCity GmbH Hamburg, die die Überplanung für die Wohnungspolitik in Eimsbüttel? Astoc im städtebaulichen Wettbewerb gegen schef Ali Mir Agha entgegen: „Wir wollen des Kleinen Grasbrooks verantwortet. Dort, wo jetzt noch leere Lagerhallen Foto: Schwarz sieben Konkurrenten durch. Jurychef Zvonko mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen bei und Hafenanlagen stehen, sollen zukünftig Zwischen Unnastraße und Quick- Turkali sprach von einer „hervorragenden gleichzeitiger Erhaltung und Aufwertung 3.000 Wohnungen im sogenannten Drit- bornstraße liegen dreieinhalb Hektar, die städtebaulichen Grundlage für die Entwick- der Grünflächen.“ tel-Mix entstehen: 1.000 Appartements in bereits stillgelegten Betriebe auf dem Klei- die Zukunft des Eimsbütteler Kerngebiets lung eines lebendigen Viertels“. Eigentum, 1.000 frei finanzierte und 1.000 nen Grasbrook. Das zunächst vorgestreckte prägen sollen. Der Umzug von Beiersdorf Die Frage wird sein, ob dies der Quadratur öffentlich geförderte Wohnungen. Weiterhin Geld soll später durch Grundstücksverkäufe innerhalb Eimsbüttels nach Norden in die Der Plan sieht fünf Gebäude mit zumeist des Kreises entspricht oder ob die „nachhaltige will der Senat die Voraussetzungen dafür wieder hereinkommen. Troplowitzstraße schafft Freiflächen für den sieben Stockwerken vor, in denen alle Woh- Freiraumplanung“ (so der grün-schwarze schaffen, dass sich dort rund 16.000 Arbeits- dringend benötigten Wohnungsbau. 2022 nungen vermietet werden sollen – was den Koalitionsvertrag) unter den schwierigen plätze ansiedeln. „Die zukünftigen Quartiere Schon im vergangenen Jahr haben sich soll es losgehen, zurzeit wird der Bebauungs- Gentrifizierungsdruck durch die gerade in Eimsbütteler Verhältnissen tatsächlich rea- auf dem Grasbrook sollen sich durch eine Stadtplaner, Architekten und interessierte plan erarbeitet. Bis 2028 soll ein Quartier mit Eimsbüttel beliebte Umwandlung von Miet- in lisierbar ist. Grüne und CDU wollen beim Verbindung von Wohnen und Arbeiten Bürger in Workshops oder bei öffentlichen 830 Wohnungen, Gewerbe, einer Kita und Eigentumswohnungen deutlich abschwächen Bauen „die ökologischen Aspekte deutlich auszeichnen, mit vielen Promenaden und Hafenfläche in ein Wohngebiet geschaffen Veranstaltungen Gedanken über den neuen begrünten Dächern entstehen, das über einen könnte. Zusätzlich erwägt die grün-schwarze mehr in den Vordergrund stellen“ und errei- Plätzen entlang des Elbufers“, verspricht der werden. Da sich die Flächen des zukünftigen Stadtteil Grasbrook (das „Kleiner“ entfällt direkten Zugang zum Park am Weiher verfügt. Mehrheit in der Bezirksversammlung noch chen, dass hauptsächlich „in Bereichen nach- Senat. Der neue Stadtteil Grasbrook werde Moldauhafenquartiers und des Freihafenelb- zukünftig) gemacht. Jüngst fand im Januar im den Erlass neuer Erhaltungsverordnungen, verdichtet wird, wo derzeit ein- bis zweige- die Erneuerung von Hamburgs Elbküste quartiers noch im Besitz der stadteigenen Cruise Center HafenCity Hamburg ein weite- „Das Projekt ist ein Glücksfall für Woh- um die gegenwärtige Einwohnerstruktur zu schossige Bauten neben höhergeschossigen fortführen und die HafenCity mit der Ved- Hamburg Port Authority befanden, mussten rer öffentlicher Workshop statt. Sechs Büros nungsbau und Stadtentwicklung in Eims- stärken und „das historische und bunte (Bau-) stehen“. Je nach Lage sollen 30 bis 50 Prozent del verbinden. Drei Areale soll es geben: diese per Gesetz formal an die Freie und Han- von Stadtplanern hatten sich jeweils zu drei büttel“, sagt Bezirksamtsleiter Kay Gätgens Erbe Eimsbüttels zu erhalten“. Mit unter vier der neuen Wohnungen gefördert sein. das Moldauhafenquartier, das Freihafenelb- sestadt Hamburg rückübertragen werden. Duos zusammengeschlossen und präsentier- von der SPD, der Ende 2019 gleich zwei Prozent Sozialwohnungsanteil liegt der Bezirk quartier und das Hafentorquartier. Letzteres ten mehrere Stunden lang ihre Ideen. Einig Abwahlanträge der grün-schwarzen Bezirks- beim geförderten Wohnraum nicht einmal Auch Antipode Gätgens spricht davon, befindet sich auf der Landzunge neben dem Gleichzeitig räumt der Senat ein, dass war man sich über einen grünen Stadtteil, ein mehrheit überstanden hat: „Für uns ist es bei der Hälfte des Hamburger Durchschnitts „Baudichte und Baumdichte“ erreichen zu vorderen Kleinen Grasbrook. Laut einer man nicht wisse, wie teuer der Abriss der autoarmes Quartier sowie bequeme Fuß- und wahrscheinlich das größte und wichtigste von 8,4 Prozent. wollen: „Vereinfacht gesagt sorgt die Ver- Senatsdrucksache „verbleibt das Hafentor- alten Bausubstanz werde: „Darüber hin- Fahrradwege. Als grundlegend wird auch Projekt des Jahrzehnts, sammlung für Entscheidungen, die Verwal- quartier im Hafengebiet und wird als Teil aus fallen für den Gebäuderückbau auf den die Anbindung an den öffentlichen Perso- wahrscheinlich Wie viel vom Siegerentwurf auf dem jet- tung für die Umsetzung. Wenn das konstruk- des neuen Stadtteils Grasbrook durch die Flächen des Überseezentrums und weiterer nennahverkehr gesehen. So soll die U4 von zigen Beiersdorf-Gelände schließlich reali- tiv funktioniert, ist das für alle Beteiligten gut.“ HCH (HafenCity GmbH Hamburg) geplant Gebäude Kosten in unbekannter Höhe an, der 2018 eröffneten Haltestelle Elbbrücken siert wird, ist eine offene Frage – denn selten Der Masterplan „Eimsbüttel 2040 – Zukunft und entwickelt“. über deren Deckung im Rahmen der kom- bis zum Grasbrook weitergeführt werden. wird ein Projekt dieser Dimension exakt so lebenswert gestalten“ wird tatsächlich von Fotos: Engel/Havekost menden Haushaltsaufstellung zu entschei- Eine harte Nuss, die es noch zu knacken ausgeführt, wie es einst gezeichnet wurde. allen Fraktionen der Bezirksversammlung Doch bevor der neue Stadtteil entstehen den ist.“ Weiterhin zahlt die Hansestadt der gilt, ist die Anbindung an die benachbarte „Wir haben immer wieder gute Erfahrungen getragen. „Welche Akzente die neue Koali- kann, müssen erst die alten Gebäude abge- Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) Veddel. Das Problem: Zwischen Veddel und Wo jetzt no ch sollen in de Beiersdorf ansäss damit gemacht, wenn andere Architekten zu tion setzen möchte, wird sich zeigen“, meint rissen werden. Auch mussten die rechtlichen maximal 120 Millionen Euro für „Verlage- Grasbrook liegen mehrere Bahnstrecken und n ngen ents ig 830 Wohnu nächsten acht Jahr ist, en unserer Grundkonguration (grundsätzlicher Gätgens: „Im Moment kann ich noch keine tehen. Voraussetzungen für die Umwandlung einer rungs- und Anpassungsmaßnahmen“ ihrer eine mehrspurige Autobahn. Entwurf, d. Red.) einen Beitrag geleistet und Konflikte erkennen.“ 12 · MieterJournal 1/2020 MieterJournal 1/2020 · 13
Sie können auch lesen