Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 75.Jahr Heft5 Mai2022 - Wir gegen den Klimawandel
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Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 75. Jahr Heft 5 Mai 2022 zum Inhaltsverzeichnis Foto: Fridays for Future Deutschland TITELTHEMA: Wir gegen den Klimawandel
IN DIESER HLZ HLZ 5/2022 2 Zeitschrift der GEW Hessen DGB-Aufruf zum 1. Mai: Frieden für die Menschen in der Ukraine für Erziehung, Bildung, Forschung ISSN 0935-0489 „Durch den brutalen völkerrechtswidri- die HLZ nicht das Forum sein kann, diese gen Angriffskrieg auf die Ukraine ster- unterschiedlichen Positionen zu begrün- I M P R E S S U M ben jeden Tag Menschen. Millionen Men- den und zu kommunizieren. Auch aktu- schen sind auf der Flucht. Dieser Krieg elle Nachrichten lassen sich in einer Zeit- Herausgeber: ist auch ein Angriff auf die europäische schrift, die vier Wochen vor dem Eingang Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Landesverband Hessen Friedensordnung, die auf Freiheit, Men- bei den Leserinnen und Lesern fertigge- Zimmerweg 12 schenrechten, Selbstbestimmung und Ge- stellt wird, nicht übermitteln. Über den 60325 Frankfurt/Main rechtigkeit basiert.“ Krieg informieren die Medien in all ih- Telefon (0 69) 971 2930 Die Forderung nach „Solidarität, Frieden rer Vielfalt tagesaktuell und die digitalen Fax (0 69) 97 12 93 93 E-Mail: info@gew-hessen.de und Selbstbestimmung für die Ukraine“ Foren bieten die Möglichkeit, zu streiten, Homepage: www.gew-hessen.de im DGB-Aufruf zum 1. Mai und die Über- Meinungen auszutauschen und für sie zu zeugung „Nie wieder Krieg – Die Waffen werben. Die HLZ wird den Krieg gegen Verantwortlicher Redakteur: Harald Freiling nieder! Weltweit!“ einen die Mitglieder die Ukraine weiter weitgehend „ausblen- Klingenberger Str. 13 des DGB und seiner Einzelgewerkschaf- den“ müssen, obwohl er viele Nachrich- 60599 Frankfurt am Main ten. Dasselbe gilt für den Aufruf des DGB ten aus unserem gewerkschaftlichen und Telefon (0 69) 636269 zum Ostermarsch 2022 und die Warnung beruflichen Spektrum als „bedeutungs- E-Mail: freiling.hlz@t-online.de vor einem „neuen weltweiten Rüstungs- los“ erscheinen lässt. Das Schwerpunkt- Mitarbeit: wettlauf“ und einer weiteren „Aufsto- thema „Klimawandel“ dieser HLZ gehört Christoph Baumann (Bildung), Simone Claar (Hoch- schule), Stefan Edelmann (Bildung), Andrea Gergen ckung der Arsenale an Massenvernich- mit Sicherheit nicht dazu. (Aus- und Fortbildung), Michael Köditz (Sozialpäd- tungswaffen“. Harald Freiling, HLZ-Redakteur agogik), Annette Loycke (Recht), Dana Lüddemann Dass es unter den fast sechs Millio- (Gewerkschaftliche Bildung), René Scheppler (Digitali- nen Mitgliedern der DGB-Gewerkschaf- sierung), Andreas Werther (Sozialpädagogische Berufe), Gewerkschaften helfen Peter Zeichner (Mitbestimmung) ten im Rahmen dieser Grundüberzeu- gungen sehr unterschiedliche Meinungen Der DGB und seine Mitgliedsgewerk- Gestaltung: Harald Knöfel, Michael Heckert † gibt, wie der Krieg beendet werden kann, schaften rufen zu Spenden auf, damit Titelthema: ob die Lieferung von Waffen oder ein ra- den vor Krieg und politischer Repressi- Dr. Simone Claar, Harald Freiling, Dr. Roman George dikaler Pazifismus das Gebot der Stunde on Geflüchteten geholfen werden kann. Illustrationen: ist - diese Differenzen sind keine Schwä- Der Verein „Gewerkschaften helfen“ hat Sarah Heuzeroth (S. 8, 21), Thomas Plaßmann (S. 35), che, sondern die Stärke einer Einheitsge- ein Spendenkonto eingerichtet: Dieter Tonn (S. 22), Ruth Ullenboom (S. 4) werkschaft, die nicht auf alle Fragen eine Gewerkschaften helfen e.V., Nord LB Fotos, soweit nicht angegeben: gemeinsame politische Antwort finden Stichwort: Ukraine-Hilfe Fridays for Future (Titel, S. 2), Harald Freiling, (S. 2), muss und kann. GEW (S. 7, 9, 25, 34) Bereits in der HLZ 4/2022 habe ich IBAN: DE40 2505 0000 0151 8167 90 Verlag: um Verständnis dafür geworben, dass BIC: NOLADE2HXXX Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH Niederstedter Weg 5 61348 Bad Homburg Die Vielzahl der Beiträge zum HLZ-Schwer- punktthema „Klimawandel“ hat dazu ge- Anzeigenverwaltung: Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH führt, dass die Werbung für die Angebote Peter Vollrath-Kühne der Public Climate School vom 16. bis zum Postfach 19 44 20. Mai 2022 zu kurz kommt. Eine kurze 61289 Bad Homburg Übersicht findet man in dieser HLZ auf Sei- Telefon (06172) 95 83-0, Fax: (06172) 9583-21 te 20 und unter https://publicclimateschool. E-Mail: mlverlag@wsth.de de. Die Teilnahme ist auch ohne Anmeldung Erfüllungsort und Gerichtsstand: möglich. Das Titelfoto dieser HLZ entstand Bad Homburg am 23. März 2019 in München (Copyright: Bezugspreis: Fridays for Future Deutschland). Jahresabonnement 12,90 Euro (9 Ausgaben, ein- schließlich Porto); Einzelheft 1,50 Euro. Die Kosten sind für die Mitglieder der GEW Hessen im Beitrag Rubriken 16 Schulen nachhaltig bauen: Aus dem Inhalt enthalten. 4 Spot(t)light Im Gespräch mit Astrid Eibelshäuser Zuschriften: 5 Briefe | Meldungen 18 Imperiale Lebensweisen überwinden Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bilder 6 Meldungen 20 Klimaschutz und Lehrkräftebildung wird keine Haftung übernommen. Im Falle einer Ver- öffentlichung behält sich die Redaktion Kürzungen 24 Hochschulen Einzelbeiträge vor. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen 34 Recht: Das Arbeitszeugnis nicht mit der Meinung der GEW oder der Redaktion 22 Erfahrungen im Referendariat übereinstimmen. 36 Jubilarinnen und Jubilare 23 Neues Lehrkräftebildungsgesetz 37 Briefe | Bücher Redaktionsschluss: 25 Grundschullehrkräfte gleichstellen! Titelthema: Die Klimakrise bekämpfen 26 BÜA: Übergang in Ausbildung Jeweils am 5. des Vormonats 8 Gewerkschaften und Klimawandel 28 Beratungsstelle Hessen: Jugend Nachdruck: zwischen Religion und Extremismus Fotomechanische Wiedergabe, sonstige Vervielfälti- 10 Klimabildung in Frankfurt gungen sowie Übersetzungen des Text- und Anzei- 12 Just Climate Charter: Im Gespräch 30 Kampf gegen Antiziganismus genteils, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher mit Vishwas Satgar, Johannesburg 32 Alea Horst: Europas vergessene Genehmigung der Redaktion und des Verlages. 14 Scientists for Future: Kinder Druck: Druck- und Verlagshaus Thiele & Schwarz GmbH Raus aus dem Elfenbeinturm! 40 Fortbildungsangebote von lea Werner-Heisenberg-Str. 7, 34123 Kassel
3 HLZ 5/2022 zum Inhaltsverzeichnis KOMMENTAR Zukunftsangst überwinden Seit wir in einer neuen Welt aufwachten, in der Frie- ser Kampf für Veränderung eint die Menschen: Stu- den plötzlich nicht mehr selbstverständlich und Krieg dierende, die schon im Elternhaus mit Debatten und nicht mehr so weit weg ist, kennen die meisten das Demonstrationen aufgewachsen sind, und Kinder, die Gefühl der Machtlosigkeit und der Verzweiflung: Zu- mit ihrem Protest täglich gegen ihre Eltern rebellie- kunftsangst. Dieses Gefühl kennen wir nicht erst seit ren. Viele müssen sich in Freistunden rausschlei- wenigen Wochen, sondern schon lange. Seit Jahren chen, andere füllen den Keller ihrer WG mit Mega- ist uns bewusst, dass die Folgen des Klimawandels fonen und Kreide. Unsere Vielfalt macht uns stark genau diese sind: Krieg, Leid, Tod und Flucht. Seit und die Bewegung großartig. Wir kommen mit un- Jahren rechnen wir damit, eines Tages unsere Heimat terschiedlichen Geschichten, jede und jeder hat etwas verlassen zu müssen, obwohl wir wissen, dass man anderes beizutragen. Während die eine hochprofessi- vor dem Klimawandel nicht fliehen kann. Egal, ob onelle E-Mails schreibt und jede Demoroute geneh- es darum geht, was ich studieren oder arbeiten will, migt bekommt, kann der andere so schöne Kreide ob es um meine Urlaubsplanung oder mein nächstes sprüche auf den Asphalt malen, dass die Menschen Essen geht: Der Klimawandel ist für uns immer prä- noch Tage später stehenbleiben. sent. Diese Bedrohung lässt uns bei jeder aktuellen In unserer Gesellschaft fühlt man sich schnell al- Krise den Ausblick auf die Zukunft neu realisieren. leine, besonders in der Isolation einer Pandemie, in Ich habe Angst, wir haben Angst. Ständig. Angst, der sich das Gefühl der Hilflosigkeit noch einmal wenn ich Nachrichten lese, sei es über Auswirkun- verstärkt hat: mit wöchentlich neuen Todeszahlen, gen des Klimawandels in Form von Umweltkatastro- Bildern von weltweiten Ausschreitungen und Krie- phen oder über neue, nicht ausreichende Beschlüsse gen und vom endgültigen Sterben der Demokratie der Politik in unserem Land. Der Krieg in der Ukra- in Hongkong und dem Aufstieg autoritärer Regime. ine oder die Corona-Pandemie haben in uns Angst Hinzu kommt die deprimierende Frage, ob die Kli- und Schrecken ausgelöst, aber gleichzeitig verspüren makatastrophe in Vergessenheit gerät und alles um- wir auch Hoffnung. Denn diese beiden Krisen haben sonst war. Doch wir vergessen nicht und geben nicht gezeigt, dass echtes Krisenmanagement möglich ist, auf. Wir waren nicht untätig und haben in den letz- wenn es nur genug gewollt wird und wenn das Pro- ten zwei Jahren an unserem Fundament gearbeitet blem für alle Augen sichtbar und spürbar wird. und werden 2022 mit neuem Elan demonstrieren. Aus Hoffnung, aus Angst und aus der Idee, dass Wir arbeiten global auf ein gemeinsames Ziel zu, man als Gesellschaft jede Krise meistern kann, ist Hand in Hand und mit Kreidespuren auf den Fin- Fridays for Future entstanden. Die Idee, dass die Po- gern. Unser Kampf gegen das Wegschauen und ge- litik kein Recht darauf hat, Krisenberichte von Ex- gen die Passivität so vieler ist ein Kampf für eine si- pertinnen und Experten zu ignorieren und das dar- chere Welt, eine klimagerechte Welt. auf folgende Entsetzen hochmütig zu kommentieren, das sei „eine Sache für Profis“. Fridays for Future Helene Borries und Alicia Meyer ist eine globale Bewegung von Jugendlichen, die die- Fridays for Future in Wiesbaden se Untätigkeit als Einstellung nicht akzeptieren. Wir sind geeint durch unseren Willen, es den vorherigen Generationen nicht gleich zu tun und die Lösung der Probleme der Welt nicht auf andere zu schieben. Wir wollen etwas verändern, denn wir sind die letzte Generation, die die größte Katastrophe der Menschheitsgeschichte noch eindämmen kann. Die- Alicia Meyer (16) ist Schülerin in Wiesbaden und wie He- lene Borries (auf dem Foto links) Aktivistin bei Fridays for Future Wiesbaden. Helene Borries (19) hat 2021 ihr Abitur gemacht und ist seit Oktober 2019 aktive Mitorganisatorin von FFF Wiesbaden.
SPOT(T)LIGHT zum Inhaltsverzeichnis HLZ 5/2022 4 Seid ihr verrückt?! rin ihr vertraglich zugesichertes Nicker- chen. Kühlschrank und Tiefkühltruhe sind voll mit seltsamen Nahrungsmit- teln: Mini-Salamis, Schmier- und Le- „Ihr überlasst euer Haus einem Film- muss von Tischen und Schrankflächen berkäse. Das wird ein leckeres Buffet team? Seid ihr verrückt?“ Verwand- verschwinden. Drucke von Monet und für das Gartenfest. Im Keller finden te und Bekannte sind schockiert. Aber Renoir kommen wegen der Urheberrech- sich jede Menge Schnapsflaschen. „Al- sechs Wochen Sommerferien so ganz te in den Keller. Kosmetikprodukte wer- les nur Fake! Nur Wasser drin“, ver- ohne Aufregung halten mein Mann und den umgedreht, damit der Markenname spricht die Producerin. Ich bin mir da ich als Lehrer gar nicht aus! Diese Film- nicht zu sehen ist. Die Producerin fo- nicht so sicher. Schließlich ist irgend- studenten sind auch unheimlich sympa- tografiert im ganzen Haus Kratzer und wann „Bergfest“, wenn die Hälfte der thisch, und wir können nach drei Vor- Flecken, die wir selber verursacht haben. Dreharbeiten geschafft ist. Die Produ- gesprächen nur noch schlecht „Nein“ Wir „Motivgeber“ werden ausquar- cerin ist für alles zuständig. Sie putzt sagen. Außerdem sind wir neugierig. tiert, damit wir nicht jammernd im Weg sogar abends oder fährt den schweren Bei uns soll ein Gartenfest mit 35 Kom- rumstehen, wenn jemand die Fenster Film-SUV aus der Einfahrt, in den sich parsen und 20 Filmschaffenden gedreht aushängt oder den Glastisch in den sonst niemand traut. Eine andere jun- werden. Nein, die gehen nicht alle auf Schuppen trägt. Am Tag des großen ge Frau ist die Hygienebeauftragte und unser Klo. Und die Komparsen rennen Gartenfests dürfen wir als Komparsen desinfiziert unentwegt Hände, Klinken auch nicht im Haus rum. Die Aufnah- wiederkommen. Da sind wir ein wenig und Wasserhähne. meleiterin verspricht, den Rasen zu gie- frappiert über die Okkupation unse- Ein Nachbar ist empört, weil sein ßen, die Vögel zu füttern und Blumen res Hauses. Naiv dachte ich, dass zehn Parkplatz zwei Wochen lang wegfällt. und Buschwerk zu bewachen. Und ich Lastwagen kommen, in denen Maske, Zwei andere Nachbarn verreisen spon- könnte gern ein paar meiner Schülerin- Catering und Diven untergebracht wer- tan. Der Nachbar mit dem lauten Laub- nen und Schüler als Komparsen beibrin- den. Aber Studenten verfügen natürlich bläser schmollt bis heute. Vor seinem gen, vielleicht gibt es sogar einen Prak- nicht über einen so großen Etat und ha- Grundstück stand das rosa Dixie-Klo. tikumsplatz für besonders Engagierte. ben bei Vertragsabschluss wohlweislich Beim Gartenfest soll ich zusammen Zuerst räumen zwei Szenografinnen (?) verschwiegen, dass sie alles in Be- mit drei anderen Komparsen zu imagi- gründlich bei uns um. Gedreht wird schlag nehmen. Im Fahrradschuppen närer Musik tanzen. Nicht mal „Satis- nämlich, nachdem der „Motivvertrag“ sitzt jetzt die Maskenbildnerin mit jeder faction“ von den Stones darf ich zwecks steht, auf einmal auch „indoor“. Sze- Menge Tischen, Spiegeln, Kisten und Eigenstimulation singen, weil ich da- nografin scheint mir der optimale Be- Taschen. Mein Rad und der Rasenmä- mit gegen Urheberrechte verstoße. Es ruf für junge Frauen, die gern shoppen. her sind in der Garage untergebracht. ist billiger, im Nachhinein eine Musik Kistenweise stehen bei uns jetzt Gläser Zwischen Getränkekisten, Bierbänken, komponieren zu lassen als die Rechte und Karaffen, Deko-Materialien, Ker- Sonnenschirmen, technischem Gerät für bekannte Songs zu bezahlen. Auf zen, ein Gartenschlauch, Körbchen und und einer Hollywoodschaukel. In mei- unseren Gartenstühlen lümmeln sich geheimnisvolle Kisten. All unser Kram nem Zimmer macht die Hauptdarstelle- Nachbarn als Statisten, die ich selber nie eingeladen hätte. Unser Garten ist voller Girlanden, Lampions und Deko-Elemente. Die Pro- ducerin hat vor den Beeten Schaschlik- spieße mit Flatterband verbunden, weil es Menschen gibt, die einfach nicht sehen, dass unter ihren Füßen Blumen wachsen. Nach zwei Wochen kommen wir zu- rück. Das Haus ist tadellos aufgeräumt. Alles ist sauber. Der Kühlschrank ist geleert. Nur am Handtuchhalter hängt eine einsame Luftschlange. Auf der Ter- rasse steht eine Packung Rasensamen. Die wird allerdings nicht ausreichen bei der festgestampften Fläche. Mein Mann sucht seine alte Pfeffermühle. Meine Nachbarin ist traurig, dass die fröh- lichen jungen Menschen wieder weg sind. Selbst die Frau vom schmollen- den Laubbläser meint: „Das war rich- tig schön mit den Filmleuten. Endlich war mal Leben in der Straße!“ Und ich weiß jetzt jede Menge neue Berufe, die ich meiner Klasse vorstellen kann, da- mit nicht alle Erzieherinnen oder Me- chatroniker werden wollen. Gabriele Frydrych
5 HLZ 5/2022 zum Inhaltsverzeichnis BRIEFE | MELDUNGEN Betr.: HLZ 4/2022 Geballte Lyrik Russische Lehrkräfte gegen den Krieg Lyrik und aktuelle Krisen Trotz aller Repression haben mehr Der Petitionstext musste nach dem Oje, die „Geballte Lyrik“ von Gabriele als 5.000 Lehrkräfte aus allen Regi- neuen Mediengesetz, das die kritische Frydrych verlangt der Leserschaft eini- onen Russlands und einige auch aus Berichterstattung über den Krieg un- ges ab. Dass Gedichte einen Reim haben dem Ausland die Petition der Initiati- ter Strafe stellt, mittlerweile von der können, keineswegs müssen und dass ve „Lehrkräfte gegen den Krieg“ unter- Homepage genommen werden. Die un- nicht alles, was sich reimt, auch ein Ge- zeichnet. Es ist der größte Protest der abhängigen Bildungsgewerkschaften dicht ist, gerät bei diesem Spot(t)light aus Lehrkräfte in Russland seit mehr als 30 „Uchitel“ und „Universitäre Solidari- dem Blickfeld. Der Spot(t) zielt „geballt“ Jahren. In dem Offenen Brief russischer tät“ setzen sich für die Belange der ver- auf Verse und Reime. (...) Mit all dem hat Lehrkräfte gegen den Krieg in der Uk- folgten Lehrkräfte am Arbeitsplatz ein. „Lyrik“ wenig zu tun. Schon Massen an raine heißt es: In einer Stellungnahme der Hochschul- Schülerschaften wurden mit solchen und „Jeder Krieg bedeutet menschliche Opfer gewerkschaft heißt es: ähnlichen Gedichtvorstellungen malträ- und Zerstörungen. Krieg ist eine Katast- „Die Universitätsleitungen üben Druck tiert. Deshalb an dieser Stelle ein Ein- rophe. Der Krieg gegen die Ukraine, der auf Hochschulmitarbeiterinnen und Hoch- treten für ein anderes Lyrikverständnis, in der Nacht vom 23. auf den 24. Febru- schulmitarbeiter aus, die sich gegen den „geballt“ gegen Reimzwang und blumig- ar begonnen wurde, ist nicht unser Krieg. Krieg aussprechen, und einige Kollegin- poetisches überflüssiges Geschwafel! Die Invasion auf das Territorium der Uk- nen und Kollegen werden entlassen. Auch Aktuelle Krisen werden „nicht lyrisch raine begann im Namen russischer Staats- Studierende werden unter Druck gesetzt bewältigt“. Doch wer sagt, dass Realitäts- bürgerinnen und Staatsbürger, aber gegen und mit Verweisen und Exmatrikulation bezug bei dieser Ausdrucksform scha- unseren Willen. Wir sind Lehrkräfte und bedroht, wenn sie sich an friedlichen An- Gewalt widerspricht dem Wesen unseres tikriegsprotesten beteiligen.“ det? Zum Beweis ein Gedicht zu einem Thema, das uns alle in dieser Zeit angeht Berufes. In der Hitze des Krieges sterben Solidaritätsschreiben können an die und stark belastet. unsere Schülerinnen und Schüler. Krieg Adresse teachershelpnow@gmail.com führt unvermeidlich zu einer Zuspitzung geschickt werden. Auf der Homepage in einem Land nicht fern der sozialen Probleme unseres Landes. Wir der GEW findet man ein Musterschrei- nach einem Winter unterstützen die Antikriegsproteste und ben (www.gew.de/internationales oder nassen Graus fordern einen sofortigen Waffenstillstand.“ Kurzlink https://bit.ly/3u7Hvz2). herbeigesehnt das gelbe Bunt der Blüten verhallt Nächste Personalratswahl schon im Mai 2024 ihr Sprießen in dem Lärm von Bomben und Raketen Die HLZ hat wiederholt über die Kon- Die GEW bezeichnet die damit ver- in einem Land nicht fern troversen zur Dauer der Amtszeit der bundene Verkürzung der Amtszeit von Ukraine im Mai 2021 gewählten Personalrä- vier auf drei Jahre als „Zumutung und ein falscher Dirigent te berichtet. Wie bekannt wurden die Mehrbelastung“ insbesondere für die bestimmt den Ton Personalratswahlen in Hessen im Gel- Kolleginnen und Kollegen in den Wahl- in U-Bahnschächten tungsbereich des Hessischen Personal- vorständen. Auch die Arbeit der Schul- gedeihen keine Blumen verkümmern in den Tränen vertretungsgesetzes (HPVG) aus pan- personalräte, die ihre wichtige Arbeit stummer Schreie demischen Gründen vom Mai 2020, unter schwierigsten Bedingungen und dort ist der Himmel schwarz dem regulären Wahltermin, in den Mai mit minimaler Entlastung zu leisten ha- es dringt kein Sonnenschein 2021 verschoben. Die GEW vertrat in ben, werde so weiter erschwert. Gera- in tiefen Untergrund der Kontroverse die Auffassung, dass de für neu gewählte Personalräte sei die in einem Land nicht fern die Regelung in § 23 Absatz 1 HPVG, Einarbeitung und die Wahrnehmung Ukraine wonach „die regelmäßige Amtszeit der der Rechte nach dem HPVG in der Pan- ein falscher Dirigent Personalräte (…) vier Jahre“ beträgt, demie noch schwieriger gewesen als bestimmt den Ton auch für diesen Fall gilt. Der geschäfts- sonst. Deshalb sei die Verkürzung der das Menschsein führende Landesvorstand der GEW hat Amtszeit auch „ein Schlag gegen eine scheint verloren die Beratungen mit den anderen Ge- wirksame Interessenvertretung“. wenn statt Tulpen werkschaften und die Aussichten, die- Die GEW hält es für dringend gebo- Trümmer in den Gärten wachsen se Auffassung rechtzeitig in Gerichts- ten, dass auch die Mitglieder der ört- der Vogelsang verstummt verfahren durchsetzen zu können, jetzt lichen Wahlvorstände in den Schulen in einem Land nicht fern bilanziert. Danach wird die GEW kei- bei der Wahl 2024 eine Stundenentlas- Ukraine ein falscher Dirigent ne rechtlichen Schritte gegen die Fest- tung bekommen. Schon die Durchfüh- bestimmt den Ton setzung des Wahltermins auf Mai 2024 rung der Wahl im Mai 2021 sei unter zuletzt einleiten, „auch wenn sich an der Ein- den Bedingungen der Pandemie, un- stirbt die Musik schätzung des rechtlich fragwürdigen ter anderem mit einem erheblich höhe- gemordet Willkürakts der Landesregierung nichts ren Anteil von Briefwahlstimmen, ein von dem falschen Dirigenten geändert hat“. „echter Kraftakt“ gewesen. Die GEW der jeden Ton Die GEW Hessen bittet deshalb alle fordert hier einen angemessenen Aus- erstickt Personalräte und Wahlberechtigten, gleich, um erneut genügend Kollegin- sich auf die Neuwahl aller Personalrä- nen und Kollegen für den Wahltermin Hanne Strack, Rüsselsheim te im Mai 2024 einzustellen. im Mai 2024 zu finden.
MELDUNGEN zum Inhaltsverzeichnis HLZ 5/2022 6 Betr.: HLZ 3/2022 Landtag diskutiert über die Mit einem neuen Namen: Rente und Versorgung Beamtenbesoldung Hauptpersonalrat Schule Kompensation unverzichtbar Anlässlich einer aktuellen Stunde des Der Hauptpersonalrat, der die Inter- Ich kann nur unterstreichen, dass die Landtags, in der über eine Resolution essen aller hessischen Lehrkräfte und Forderungen nach einer Kompensati- der SPD-Fraktion gegen die „verfas- Sozialpädagoginnen und Sozialpäda- on für die Nullmonate von der GEW sungswidrige Besoldungspolitik in Hes- gogen in den hessischen Schulen auf auch für Versorgungsempfänger*innen sen“ beraten wurde, kritisierte der DGB Landesebene gegenüber dem Hessi- weiter aufrecht erhalten bleiben und Hessen-Thüringen die fortgesetzte Wei- schen Kultusministerium (HKM) ver- verfolgt werden. Auch mit Blick auf gerung der Landesregierung, auf das tritt, trägt jetzt auch offiziell die Be- die finanziellen Mehrbelastungen des Gesprächsangebot der Gewerkschaf- zeichnung „Hauptpersonalrat Schule“ Gros der Bürger*innen angesichts der ten einzugehen. Das Urteil des Hes- (HPRS). Auch die Gesamtpersonalräte aktuellen weltpolitischen Lage ist dies sischen Verfassungsgerichtshofs vom auf der Ebene der 15 Staatlichen Schul- mehr als angesagt. Steigende Lebens- November 2021 sei nach den letzten ämter tragen jetzt den Namen „Gesamt- haltungskosten und Inflation machen Urteilen des Bundesverfassungsgerichts personalrat Schule“. Die Umstellung der vor Rentner*innen und Versorgungs- „nicht überraschend gekommen“. „Mi- Adressen soll bis zum neuen Schuljahr empfänger*innen nicht halt. In die- nister Beuth muss endlich handeln“, abgeschlossen sein. sem Zusammenhang finde ich es auch sagte DGB-Vorsitzender Michael Ru- Der HPRS hat jetzt die Reisekosten- merkwürdig, dass bei dem beabsichtig- dolph. Gerade Beamtinnen und Beam- pauschalen nach dem Hessischen Rei- ten Entlastungspaket der Regierung die te der unteren Besoldungsgruppen hät- sekostengesetz auf die Tagesordnung genannten Gruppen nicht berücksich- ten mit Einkommen unter dem Niveau gesetzt, das bis Ende 2022 novelliert tigt werden. der Grundsicherung „echte Probleme, werden muss. Der HPRS wünscht sich Ursula Winkenjohann ihr Leben zu finanzieren“ ein klares Votum aller Hauptpersonal- räte, die die Beschäftigten in allen Be- Landeselternbeirat: „Mit Landesstudierendenrat der hörden und Dienststellen vertreten, voller Kraft in den Nebel“ hessischen Fachschulen dass die Reisekostenpauschalen ange- sichts der dramatischen Erhöhung der Der Landeselternbeirat Hessen (LEB) Nach einer längeren Vakanz gibt es Energiepreise heraufgesetzt werden. hält die noch vor den Osterferien in jetzt wieder einen Landesstudieren- Kraft gesetzte Lockerung der Corona- denrat der hessischen Fachschulen. Mit einem neuen Vorstand: Schutzmaßnahmen in den hessischen Die Delegierten wählten in einer Voll- elternbund hessen e.V. Schulen für „kontraproduktiv und ge- versammlung am 24.3.2022 Paul Huß- fährlich“. LEB-Vorsitzender Volkmar lein zum Landesstudierendensprecher Neuer Vorsitzender des elternbunds hes- Heitmann hält auch den angekündig- und Pascal Böhm zum Stellvertreter. sen ist Korhan Ekinci, bis 2021 Vorsit- ten Wegfall der Testpflicht für falsch: Sie wollen „nun aufräumen, was in den zender des Landeselternbeirats, stell- „Mit voller Kraft in den dichten Ne- letzten Jahren auf der Strecke geblie- vertretender Vorsitzender der frühere bel zu fahren, ist nicht mutig, sondern ben ist“, damit „die Rahmenbedingun- Präsident des Verwaltungsgerichts Kas- dumm.“ Erneut würden dringend er- gen aus Sicht der Studierenden bes- sel Volker Igstadt. „Kinder in Schulen forderliche Schutzmaßnahmen auf die ser gestaltet werden können“. Aktuelle und Kitas brauchen eine starke Stim- lange Bank geschoben. Wenn die Inzi- Themen sind Digitalisierung, Antiras- me“, sagte Ekinci bei seiner Wahl. Die denzen spätestens im kommenden Win- sismus und bessere BAföG-Regelun- Pandemie sei keineswegs beendet. Eine ter wieder steigen, werde in hessischen gen. Der Landesstudierendenrat vertritt besonderes Augenmerk gelte der Inte- Schulen „wieder buchstäblich zum die Studierenden der 90 Fachschulen in gration von Geflüchteten aus der Uk- Fenster hinaus geheizt“. Die Aufrüs- Hessen - von A wie Aliceschule Gießen raine in die Schule: „Es gilt jetzt zu al- tung der Schulen für bessere Luft und bis Z wie Zeichenakademie Hanau. Der len Beteiligten Brücken zu schlagen, für weniger Energieverbrauch müsse Landesstudierendenrat ist in § 125 des Gespräche zu führen und konstruktiv jetzt gestartet werden. Hessischen Schulgesetzes verankert. gute Ideen umzusetzen.“ Ausgleich für Nullmonate! Entscheidung der Landesregierung, den Beim Tarifabschluss für die Beschäftig- Versorgungsempfängerinnen und Ver- ten des Landes Hessen vom 15. Oktober sorgungsempfängern eine solche Kom- 2021 mussten die Gewerkschaften des pensation zu verweigern: „Sie haben ins- öffentlichen Dienstes eine Kröte schlu- gesamt zehn Nullmonate hinzunehmen cken: Bis zur nächsten Gehaltserhöhung - und das bei einer Inflation von 3,1 Pro- müssen die Tarifbeschäftigten genauso zent im Jahr 2021 und einer noch höhe- wie die Beamtinnen und Beamten zehn ren Inflationsprognose für 2022. Damit Monate bis zum 1.8.2022 warten. Diese müssten die Senior*innen ein reales Ein- „Nullmonate“ wurden für die aktiven Be- kommensminus hinnehmen.“ schäftigten durch einmalige Sonderzah- • Die Petition kann man auf der Platt- lungen von bis zu 1.000 Euro „abgefe- form OpenPetition unterschreiben und dert“. Eine Petition der Gewerkschaften man findet sie auch auf der Internetsei- GEW, ver.di, GdP und IG BAU und des te www.gew-hessen.de und unter dem DGB Hessen richtet sich jetzt gegen die Kurzlink https://bit.ly/3IUSYG6.
7 HLZ 5/2022 zum Inhaltsverzeichnis MELDUNGEN 1. Mai: Der Tag der Arbeit ist ein Tag für den Frieden Der 1. Mai ist der Tag der Arbeit, aber auch ein Tag für den Frieden. Viele Rednerinnen und Redner bei den Mai- Kundgebungen des DGB verwiesen auf die traditionelle Verbindung von Ge- werkschaften und Friedensbewegung. 31. 3. 2022: DGB-Vorsitzender Reiner Hoffmann be- Streik auf der zeichnete den Angriffskrieg auf die Uk- Rheinbrücke raine als „völkerrechtswidrig und bru- (Foto: GEW) tal“. Allerdings sei es ein Irrglaube, dass wir „seit 74 Jahren im Frieden leben“. Tatsächlich „gab und gibt es sehr vie- SuE-Aufwertungsrunde: Streiken verbindet le militärische Auseinandersetzungen Ein besonders starkes Medienecho Die Gewerkschaften verhandeln seit auf der Welt“, die bei uns „vielleicht fand die gemeinsame Streikkundge- dem 25. Februar 2022 mit der Verei- weniger wahrgenommen werden, weil bung von Beschäftigten im Sozial- nigung der kommunalen Arbeitgeber- sie nicht vor unserer Haustür stattfin- und Erziehungsdienst (SuE) aus Hessen verbände (VKA) über die Weiterent- den“. Dass das Motto „Frieden schaffen und Rheinland-Pfalz auf der Theodor- wicklung der Sonderregelungen und ohne Waffen“ immer ein zentrales ge- Heuss-Brücke, die die Landeshaupt- der Tätigkeitsmerkmale für den Sozi- werkschaftliches Ziel gewesen sei und städte Wiesbaden und Mainz verbindet. al- und Erziehungsdienst im Tarifver- bleibe, habe „nicht zuletzt mit der Zer- Die GEW Hessen hatte insbesondere trag für den öffentlichen Dienst (TVöD). schlagung der Gewerkschaften während Beschäftigte der städtischen Kitas in Auch die zweite Tarifverhandlungsrun- des Faschismus zu tun“. Wiesbaden und Frankfurt und der AWO de für die rund 330.000 Beschäftigten Wiesbaden zum Streik aufgerufen. Dem im Sozial- und Erziehungsdienst ging DGB: Solidarität mit ge- Aufruf folgten rund 400 Beschäftigte am 22. März ohne Ergebnis zu Ende. flüchteten Menschen aus Kitas und Sozialarbeit, um die For- • Informationen zum aktuellen Stand derungen in der laufenden SuE-Auf- findet man auf den Internetseiten der Der DGB Hessen-Thüringen spricht sich wertungsrunde zu bekräftigen und den GEW www.gew.de und www.gew-hes- dafür aus, den aus der Ukraine geflo- Druck auf die Arbeitgeber zu erhöhen. sen.de. henen Menschen einen möglichst un- komplizierten Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Solidarität mit den Ge- Hessischer Russischlehrer- Delegiertenversammlung flüchteten verbiete es jedoch, „Krieg und verband: HET BON̆HE! der GEW Nordhessen Flucht zu instrumentalisieren, um den Der Hessische Russischlehrerverband Die Delegiertenversammlung des GEW- Fachkräftemangel und die eigenen Ver- spricht in einer Stellungnahme „ge- Bezirksverbands Nordhessen wähl- säumnisse der Arbeitsmarktpolitik der gen die völkerrechtswidrige Aggressi- te Carsten Leimbach (links) und Björn vergangenen Jahre ausgleichen zu wol- on der russischen Regierung gegen- Bening zum neuen Vorsitzendenteam. len.“ Viele Geflüchtete seien traumatisiert über der Ukraine“ von seiner großen Anna Held wurde in der Nachfolge von und könnten zu „Beschäftigten zweiter Bewunderung, „dass die Stimmen für Irina Kilinski und Frank Engelhardt, Klasse“ werden. Daher sei es wichtig, be- eine demokratische Entwicklung Russ- die wie die bisherige Ko-Vorsitzende rufliche Abschlüsse und Qualifikationen lands, für ein friedliches Miteinander in Andrea Michel nicht wieder kandidier- schnell anzuerkennen. „Gute Aus- und Europa und der Welt nicht verstummt ten, zur Geschäftsführerin gewählt. Das Weiterbildungsmöglichkeiten müssen sind“, und erklärt sich „solidarisch mit neue Vorsitzendenteam dankte allen für den Geflüchteten genauso zugänglich ge- den vielen Menschen, die im Großen ihre langjährige engagierte Arbeit. macht werden wie allen anderen auch“, und Kleinen, laut oder auch – aus guten Am Jahrestag der Ermordung von erklärte der Vorsitzende des DGB Hessen- Gründen – leise und im Verborgenen, Halit Yozgat durch den NSU 2006 in Thüringen Michael Rudolph. mutig und mit großem persönlichem Kassel referierte Christopher Vogel vom Risiko ihren Protest gegen den Krieg Beratungsteam gegen Rassismus und Ausstellung in Kassel erinnert des autoritären Regimes zum Ausdruck Rechtsextremismus über Rechtsextre- an die Berufsverbote bringen“. Seit den 80er Jahren hätten mismus im ländlichen Raum. russische und deutsche Lehrkräfte „mit Die Ausstellung „Berufsverbote - Politi- viel persönlichem Engagement feste sche Verfolgung in der Bundesrepublik Schulpartnerschaften aufgebaut, die es Deutschland“ wird am Mittwoch, dem ermöglicht haben, dass sich Schüle- 8. Juni, um 18 Uhr im Rathaus der Stadt rinnen und Schüler aus Deutschland Kassel eröffnet. Die Ausstellung ist dort und Russland kennenlernen, Vorurteile bis zum 28. Juni zu sehen. abbauen und Freundschaften knüpfen • Weitere Informationen in dieser HLZ konnten“. Den vollständigen Wortlaut auf Seite 36 und unter www.gew-nord- der Erklärung findet man unter www. hessen.de russischlehrer-hessen.de.
TITELTHEMA zum Inhaltsverzeichnis HLZ 5/2022 8 Just Transition Die Gewerkschaften und der Klimawandel Nicht nur die deutsche Gewerkschaftsbewegung ist in den Aber wie gehen die Gewerkschaften in der Praxis damit Fragen, wie man dem Klimawandel begegnen und aus den um? Was bedeuten der Klimawandel und ein gerechter Über- fossilen Energieträgern aussteigen kann, gespalten. Die De- gang in ein alternatives System für eine Bildungsgewerk- batte um Klimaschutz und systemischen Wandel wirft tief- schaft? Welche Rolle spielen wir als Wissensvermittler:innen greifende Fragen auf: und Pädagog:innen? Wie können Gewerkschaften ihre • Welche alternative Energieerzeugung ist möglich? Bündnispartner:innen in der Klimabewegung unterstützen? • Was passiert mit dem wirtschaftlichen Wohlstand der be- Welches Handwerkszeug brauchen wir, um den Klimawan- troffenen Regionen? del zu verstehen und Maßnahmen zum Klimaschutz und zur • Wie gehen wir mit den bisherigen Arbeitsplätzen um und Anpassung an den Klimawandel umzusetzen? welche neuen Arbeitsplätze entstehen? Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) ist das Leit- Dem Konzept des „gerechten Übergangs“ (Just Transiti- motiv, um Klimawandel und Klimaschutz in der Lehrkräf- on), das aus der US-Arbeiterbewegung kommt, liegt die Idee tebildung und in den Schulen zu verankern. Dem nächsten zugrunde, Arbeitnehmer:innen zu unterstützen, die von um- Gewerkschaftstag der GEW liegt der Antrag „Es gibt keine weltpolitischen Maßnahmen betroffen sind. In der globalen Arbeit auf einem toten Planeten“ vor, den die junge GEW, Debatte wird deutlich, dass nicht alle, die das Konzept als der Bundesausschuss der Studierenden in der GEW und die politisches Instrument bis hin zu einer systemischen trans- Bundesfachgruppe Hochschule und Forschung eingebracht formativen Kraft vertreten, dieselben Ziele und Mittel ver- haben (HLZ S. 9). Er verfolgt das Ziel, dass sich die GEW – folgen. Einigkeit besteht bezüglich der notwendigen Dekar- auch im Kontext internationaler gewerkschaftlicher Solidari- bonisierung und eines planvollen Übergangs zu ökologisch tät - in die Debatten um einen gerechten Übergang und eine nachhaltigen Volkswirtschaften und Gesellschaften. Außer- sozial-ökologische Transformation einbringt. dem geht es um die Verknüpfung von Nachhaltigkeit und Gleichzeitig enthält der Antrag aber auch konkrete Forde- Sozialpolitik, insbesondere im Hinblick auf die Arbeitsplät- rungen für den Bereich Hochschule und Forschung. Im Mit- ze der abhängig Beschäftigten. telpunkt steht die Forderung, dass Ökologie, Ökonomie und Inzwischen ist Just Transition zu einem Bezugspunkt für soziale Gerechtigkeit stärker in Forschung und Lehre integ- Gewerkschaften und viele andere Akteure der Zivilgesell- riert werden müssen – und zwar sowohl in den Sozial- und schaft geworden. Internationale Gewerkschaftsbünde wie Geisteswissenschaften als auch in den Natur- und Ingeni- ETUC und ITUC haben den „gerechten Übergang“ in die glo- eurwissenschaften. Bund und Länder müssen für Forschung bale Umwelt- und Klimadebatte eingebracht, um grüne und und Lehre zu den zentralen Fragen einer sozialökologischen nachhaltige Arbeitsplätze und menschenwürdige Arbeit für Transformation zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen. Für die Arbeitnehmer:innen weltweit zu sichern. In den Debat- uns in Hessen ist die Einrichtung eines Institute for Sustai- ten über den Strukturwandel bestehender Arbeitsplätze soll- nability an der Universität Kassel von besonderem Interesse. ten wir nicht vergessen, dass die Idee eines gerechten Über- In den Nachhaltigkeitskonzepten von Schulen und Hoch- gangs in der bestehenden Wirtschaftsordnung eng mit der schulen sollte es nicht nur um Energieeinsparung oder Müll- Idee einer grünen Wirtschaft verknüpft ist. Selbst wenn wir vermeidung gehen. Neubauten, Sanierungen und Renovie- „grün“ mit etwas Positivem assoziieren, wird der Kampf um rungen müssen Maßnahmen zur Klimaanpassung und eine menschenwürdige und gut bezahlte Arbeitsplätze national deutlich ressourcenschonendere und klimafreundlichere Aus- und global weitergehen. stattung vorsehen. Bei der konkreten Gestaltung nachhaltiger Arbeitsplätze müssen Personalräte mitbestimmen können. Ei- nige Landesgesetze zur Mitbestimmung der Personalräte im öffentlichen Dienst sehen das bereits vor, in Hessen ist das nicht der Fall. Dazu gehört auch, Dienstreisen und Veran- staltungen nach ökologischen Aspekten gestalten zu können. Die klimapolitischen Forderungen können im Wider- spruch zu anderen bildungspolitischen Forderungen stehen. Das sollte uns aber nicht davon abhalten, die GEW zur Vor- kämpferin für eine sozial-ökologische Transformation zu ma- chen. Ein Antrag der jungen GEW Hessen, der vom Landes- vorstand inzwischen einstimmig beschlossen wurde, macht deutlich, dass wir bei der Frage des Umgangs mit Ressourcen den Blick auch auf die GEW-Arbeit selbst richten müssen. Simone Claar Dr. Simone Claar ist stellvertretende Landesvorsitzende der GEW Hessen. Sie forscht und lehrt an der Universität Kassel zu den The- men Grüner Kapitalismus, Klima- und Energiepolitik, insbesondere mit dem Fokus auf das südliche Afrika. Zeichnung: Sarah Heuzeroth (Das gute Leben für alle, HLZ S.18 f.)
9 HLZ 5/2022 zum Inhaltsverzeichnis KLIMAWANDEL Den Papierwust in der GEW bekämpfen Was braucht eine Gewerkschaft neben dem Kampf für besse- re Arbeitsbedingungen und gerechte Verhältnisse in Gesell- schaft und Politik, um auch junge Menschen anzusprechen? Für die junge GEW ist schon seit einigen Jahren klar, dass die GEW insgesamt die Themen Nachhaltigkeit und Digita- lisierung stärker in den Fokus der Arbeit rücken sollte und dies auch schrittweise vollzieht. Der GEW-Hauptvorstand hat bereits 2020 Handlungsempfehlungen für eine nachhal- tige Gewerkschaftsarbeit beschlossen, die Umsetzung im All- tagsbetrieb lässt aber an vielen Stellen noch auf sich war- ten. Ganz konkret äußert sich das in den Papierbergen, die der offizielle Postverkehr der Gewerkschaft immer noch her- vorbringt. Für die meisten Sendungen in Papierform an die Mitglieder sieht die junge GEW keine zwingende Notwen- LASS und junge GEW beim Klimastreik in Fulda am 24.9.2021 digkeit. Vor allem im Vorfeld der Sitzungen des Landesvor- stands füllen sich die Briefkästen der Vorstandsmitglieder gen digital zur Hand zu haben, Sitzungsbeschlüsse zu archi- mit prall gefüllten Umschlägen. vieren und jederzeit ortsunabhängig abrufbar zu machen. Die junge GEW stellte in ihrem Antrag zur nachhaltigen Unsere Anträge stehen im Zeichen einer zukunftsorien- Gremienarbeit die Forderung nach der Stärkung digitaler tierten Gewerkschaftsarbeit, die die Ansprüche einer inhalt- Versandwege und der individuellen Abbestellung gedruck- lich anspruchsvollen, digitalen und nachhaltigen Arbeitswei- ter Post. Wer möchte, darf weiter mit dem Papierwust kämp- se miteinander vereint. fen, wer das nicht möchte, soll seine Gewerkschaftsnach- Anne Wernet, junge GEW Hessen richten auch digital empfangen können. In der alltäglichen Die Anträge wurden in der Sitzung des Landesvorstands am 3.2.2022 Arbeit soll uns eine Cloud-Lösung dabei unterstützen, alle einstimmig bzw. mit großer Mehrheit angenommen. Die junge GEW wichtigen Dokumente für die Sitzungen von Landesvorstand, sieht der Umsetzung gespannt entgegen und bietet ihre Unterstützung geschäftsführendem Vorstand und Delegiertenversammlun- bei der Umsetzung an. Es gibt keine Arbeit auf einem toten Planeten! Antrag zum Gewerkschaftstag der GEW (Auszüge) Dem außerordentlichen Gewerkschaftstag der GEW, der vom 21. Das jetzige Wirtschaftssystem baut auf der kostenlosen bis 24. Juni 2022 in Leipzig stattfindet, liegt der Antrag „Es gibt Nutzung der natürlichen Ressourcen auf. Die kapitalistische keine Arbeit auf einem toten Planeten“ vor, den die junge GEW, Produktionsweise ist das Triebwerk des derzeitigen Klima- der Bundesausschuss der Studierenden in der GEW (BASS) und wandels, denn es geht vor allem um Wachstum um jeden die Bundesfachgruppe Hochschule und Forschung eingebracht Preis. Die Kapitalverwertungslogik zerstört den Lebensraum haben. Die HLZ dokumentiert den Antrag in Auszügen. Erde. Deshalb brauchen wir langfristige Konzepte und nach- Wir können im Wissenschaftsbereich nicht die Augen vor haltige Alternativen zu unserer jetzigen imperialen Lebens- der Klimakrise verschließen. Einige Hochschulen und For- schungsinstitute sind in verschiedenen Bereichen des Kli- weise, die auch vor allem auf Kosten der Ausbeutung des maschutzes und der Klimaanpassung sowie der Nach- globalen Südens stattfindet. Im Kontext von internationaler haltigkeit aktiv, aber für eine umfassende Transition zur gewerkschaftlicher Solidarität ist es auch Aufgabe der GEW, Anpassung an den Klimawandel fehlt es nach wie vor an sich in Debatten zu alternativer Wirtschaftspolitik und über Konzepten. Wir als GEW müssen dabei konkret den Studi- die Abkehr vom Wachstumsparadigma des Kapitalismus (De- en- und Arbeitsraum an den Hochschulen und Forschungs- growth) in Bezug auf alle Bildungsbereiche einzubringen. (...) instituten betrachten. Die Aufgabe der GEW ist es, auf nach- Die GEW setzt sich für eine Förderung von Forschung haltige Lehre und Forschung im Sinne von Arbeits- und und Lehre zu den Themen sozialökologische Transformati- Gesundheitsschutz sowie entsprechende Studienbedingun- on, nachhaltige Entwicklung und Ursachen und Auswirkun- gen hinzuwirken. Nachhaltigkeit muss eben angesichts der gen des Klimawandels ein. Diese Themen müssen Bestandteil dramatischen Lage auch Klimaschutz beinhalten. von Lehre und Forschung in allen Fachgebieten sein. Da- Klimaschutz und Klimaanpassung sind mehr als Ener- bei ist vor allem auf staatliche, nicht auf privatwirtschaftli- giesparen und Müllvermeidung, eine sozial-ökologische che Förderung zu setzen. Die GEW fordert die Bundesregie- Transformation braucht vielmehr ein ganzheitliches Kon- rung auf, weiterhin finanzielle Mittel für sozialökologische zept. Hochschulen und Forschungsinstitute müssen hierbei Zwecke, Klimaschutz und Klimaanpassung, die Anpassung eine Vorreiterrolle einnehmen. Dazu gehört die Integrati- an die Folgen der Klimaerwärmung sowie die Aufrechter- on von Ökologie, Ökonomie und sozialer Gerechtigkeit in haltung von Biodiversität und andere wichtige Bereiche zur Forschung und Lehre, aber auch die Umsetzung von kon- Verfügung zu stellen. Diese Mittel sollen zudem aufgestockt kreten Maßnahmen im Lehr- und Arbeitsalltag. werden. (...) Dabei ist darauf zu achten, dass Mechanismen Das Leben aller Menschen zu schützen, ist unsere drän- nicht nur von außen „grün“ sind und kein Greenwashing gendste und wichtigste Aufgabe: Es gibt keine Arbeit auf praktiziert wird. Soziale Gerechtigkeit muss immanenter Be- einem toten Planeten. standteil einer sozial-ökologischen Transformation sein. (…)
TITELTHEMA zum Inhaltsverzeichnis HLZ 5/2022 10 Klimabildung in Frankfurt Die Zukunft nicht retten, aber gestalten Einblick geben in die Praxis und Hintergründe von Klima- Energiesparprojekt an Frankfurter Schulen und das jährli- bildung ist das Ziel dieses Beitrags. Wir verstehen ihn als che Solarrennen Frankfurt/Rhein-Main auf dem Römerberg. Einladung zur Durchquerung eines offenen Feldes, in dem Die Lernwerkstatt „Energie schlau nutzen!“ vermittelt vieles noch nicht definiert ist und das große Herausforde- Schüler:innen der Mittelstufe das Themenfeld der Energie- rungen bereithält, des Feldes von Klimakrise und Klimage- effizienz. Mit einem möglichst geringen Energieeinsatz soll rechtigkeit, über das viele junge Menschen sagen: „Verbrennt ein möglichst großer Nutzen erzielt werden. Eine Station der nicht unsere Zukunft!“ Das Bundesverfassungsgericht hat ih- Lernwerkstatt macht deutlich, dass dies nicht nur eine Fra- nen Recht gegeben. ge der Technik ist: Wie können wir umweltfreundlich Strom Klimabildung erblickte 2013 als „Climate Change Educa- erzeugen? Die Stromerzeugung in fossilen Kraftwerken hat tion for Sustainable Development“ (CCESD) mit der UNESCO- nur einen relativ geringen Wirkungsgrad von 40 bis 60 Pro- Veröffentlichung „Action for Climate Empowerment“ (1) das zent, große Teile der umgewandelten Energie gehen als Ab- Licht der Welt. Sie umfasst einerseits Wissen und Können wärme verloren. Experimente mit einer Dampfturbine ver- zu Klimawandel, Klimaschutz und Klimawandelanpassung anschaulichen die Technik der Kraft-Wärme-Kopplung und und andererseits Engagement zu diesen Menschheitsthemen deren Anwendung in Heizkraftwerken bzw. Blockheizkraft- mit all ihren ökologischen, ökonomischen, sozialen und po- werken. Eine solche Form der zwar noch fossilen, aber doch litischen Implikationen. Damit ist klar, dass Klimabildung sehr effizienten Energienutzung erfordert allerdings eher mehr ist als naturwissenschaftliche Bildung, dass es um Ge- kleine dezentrale Kraftwerke; wirtschaftliche Interessen und staltungskompetenzen geht, um Empowerment, kurz um po- monopolartige Strukturen behindern den Einsatz einer sol- litische Bildung. Ein Blick in die Praxis von Umweltlernen chen effizienten Technologie. Aus einer Fragestellung der in Frankfurt am Main soll verdeutlichen, wie dies gelingen Physik wird eine für das Fach PoWi. Im Rahmen der halb- kann, welche Herausforderungen Klimabildung in der Schule tägigen Lernwerkstatt, die in Frankfurt dankenswerterweise mit sich bringt und wo das Feld noch bestellt werden muss. vom Energiereferat der Stadt finanziell unterstützt wird, ge- lingt es, vorhandenes Wissen der Schüler:innen mit neuen Erkenntnissen fächerübergreifend zu verbinden. Das selbst- Solarrennen, Lernwerkstätten und Projektwochen gesteuerte Lernen an den Stationen kommt aber an seine Umweltlernen in Frankfurt e.V. ist ein außerschulischer Bil- Schranken, zeitlich, wenn das Signal zum Unterrichtsschluss dungsträger, der schon mehr als 25 Jahre lang Schulen, Ki- erklingt, und räumlich mit der Tür des Klassenraums als Er- tas und die kommunale Bildungsverwaltung im Bereich von fahrungsgrenze. Lernmotivation und Engagement darüber hi- Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) unterstützt. Seit naus wirksam werden zu lassen, ermöglicht die Projektwo- 20 Jahren entwickelt Umweltlernen Lehr- und Lernarrange- che „Klimawandel und Nachhaltigkeit“. Hier ist es möglich, ments zu den Themen Energie und Klimawandel. Diese rei- die zeitlichen und erfahrungsräumlichen Grenzen zu erwei- chen heute von Lernwerkstätten zu den Themen Klima und tern, die Fragestellung des Klimawandels und Klimaschut- Energie über Recycling bis hin zu Ernährung und Konsum. zes in ihrer Komplexität zu behandeln und selbstorganisier- Darüber hinaus organisiert Umweltlernen in Frankfurt das tes Lernen zu fördern. Die Schüler:innen können Erfahrungen machen, die über die Schule hinausgehen: Bei der Befragung von Akteuren und Initiativen im Stadtteil, beim Besuch des Energieversorgers und des kommunalen Energiemanage- ments, bei der Herstellung eines Videoclips oder eines Info- standes und vielem mehr. Durch die Freiräume der Projekt- struktur und die Öffnung von Schule können so nicht nur Kompetenzen für die Zukunft entwickelt, sondern auch En- gagement für den Klimaschutz angebahnt werden. Frankfurter Schuljahr der Nachhaltigkeit Im „Schuljahr der Nachhaltigkeit“ wird die Schule als Ge samtinstitution in den Blick genommen. Im Sinne des „Whole School Approach“ werden Prinzipien nachhaltiger Entwick- lung zum integralen Bestandteil von Unterricht, Schulleben und Schulentwicklung. Den Klassen des 4. Jahrgangs wer- den Unterrichtsmodule zu Nachhaltigkeitsthemen angeboten, den roten Faden bildet der Klimawandel in Verbindung mit globaler Gerechtigkeit und Kinderrechten. Die Lehrer:innen des Jahrgangs nehmen an Fortbildungen teil, mit den Ge- samtkollegien werden Pädagogische Tage durchgeführt. Flan-
11 HLZ 5/2022 zum Inhaltsverzeichnis KLIMAWANDEL kiert werden diese Aktivitäten durch Beratungen zu Curricula und Schulprofilen und die Unterstützung von Eigeninitiati- ven. Die Angebote werden von der FES, der Dr. Marschner Stifung und dem Hessischen Umweltministerium unterstützt. Das Besondere an den Unterrichtsmodulen ist, dass Mitarbeiter:innen von Umweltlernen die Klassen mehrfach im Jahr besuchen. Die Module machen den Kindern die Zu- sammenhänge sozialökologischer Herausforderungen be- greifbar. Nach dem Einstiegsmodul zum Klimawandel folgen Themen wie Strom, Ernährung oder Fairer Handel. Das Ab- schlussmodul führt Aspekte aus den vorherigen Modulen zu- sammen. Es werden Handlungsoptionen aufgezeigt, die über ein individuelles umweltfreundliches Verhalten hinausgehen und die Kinder zu einem gemeinsamen Handeln für mehr Ge- rechtigkeit auf der Welt motivieren. Durch die Ausrichtung des Schullebens an Nachhaltigkeitsprinzipien erkennen die Schüler:innen, dass die Inhalte des Unterrichts auch in der eigenen Lebenswelt von Bedeutung sind und praktisch um- gesetzt werden können. Klimabildungsfestival am Mainkai (Foto: Umweltlernen e.V.) In den von der UNESCO und dem BMBF ausgezeichne- ten Klimabildungsprogrammen „Energie schlau nutzen!“ und mit Umwelt- und Nachhaltigkeitsbildungszentren, mit Un- „Schuljahr der Nachhaltigkeit“ treten Widersprüche zutage ternehmen und kommunalem Klimaschutz, mit Wissenschaft zwischen dem epochalen Schlüsselproblem des Klimawan- und Stadtteilinitiativen. Schule geht hinaus in den Stadt- dels und der Wirklichkeit – der des Schullebens, unserer (im- teil, ermöglicht unmittelbare Erfahrung und Partizipation. perialen) Lebensweise und einer nicht-zukunftsfähigen Po- Und für die Partner:innen von Bildungseinrichtungen ist es litik und Wirtschaft. selbstverständlich, in die Schule, die Kita oder die Volks- hochschule zu gehen. Kritisch-emanzipatorische politische Bildung Lokale Bildungslandschaften für Nachhaltigkeit Bildung für nachhaltige Entwicklung steht vor der Heraus- forderung, nicht nur für das Leben in der Gegenwart zu be- In solchen lokalen Bildungslandschaften wäre miteinander fähigen, sondern darüber hinaus eine lebenswerte Zukunft und voneinander lernen Alltag: Klimabildung wäre The- zu erschließen. Zukunft kann dabei angesichts einer aktuell ma für Jung und Alt und Bildung würde wirksame Impul- nicht-nachhaltigen Entwicklung nicht als bloße Verlängerung se für Klima-Engagement und gesellschaftlichen Zusam- der Gegenwart begriffen werden. Auf die Zukunft kann Bil- menhalt setzen. dung nur orientieren, indem sie nicht unreflektiert zu einer In einzelnen Projektzusammenhängen wird eine solche Identifikation mit der Gegenwart erzieht. Zusammenarbeit schon erprobt, so in einem vom Integrier- Die Anerkennung dieses Nicht-Identischen ist für die päd- ten Klimaschutzplan des Landes Hessen geförderten Ko- agogische Praxis Herausforderung wie Chance. Sie spricht die operationsprojekt zwischen Bildung, Energieberatung und Frage der Handlungsmöglichkeit in der eigenen Lebenswelt Kommune oder im Projekt LeKoKli (4). Aber noch finden wie die Möglichkeiten für ein gemeinsames politisches Han- diese Kooperationen in Nischen statt und sind als lebendi- deln an. Ins Positive gewendet können die Irritationen über ge Bildungslandschaften für nachhaltige Entwicklung noch Bestehendes und die Enttäuschung von Erwartungen Lern- nicht in der Breite präsent. Es bedarf einer Allianz zwischen und Bildungsprozesse initiieren (2). Für das Feld der Klima- Schule, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Staat, um solche bildung würde dies bedeuten: zukunftsfähigen Bildungslandschaften zu schaffen. • Lehrende wie Lernende bleiben nicht bei technischen „Lasst uns unsere Zukunft nicht verbrennen!“ Wir alle ge- Lösungen stehen. In den Blick genommen werden der Zu- meinsam müssen den Stellenwert von Klimabildung in den sammenhang von Technologie und Politik wie auch gesell- Bildungslandschaften selbstbewusst einfordern. Selbstbe- schaftliche Naturverhältnisse; die Klimakrise ist ohne einen wusstsein, Ernsthaftigkeit und Engagement – das ist es, was Gesellschaftsbegriff nicht angemessen zu denken. wir dabei von jungen Menschen lernen können. • Lehrende wie Lernende überschreiten ihre – im BNE-Bereich Michael Schlecht und Dr. Claudia Wucherpfennig sehr populäre – Rolle als aufgeklärte Konsument:innen, die Umweltlernen in Frankfurt e.V. ökologisch produzierte und fair gehandelte Produkte kaufen, Alle Infos: www.umweltlernen-frankfurt.de und nehmen sich als politische Subjekte wahr, die gesell- schaftliche Verhältnisse aktiv mitgestalten können. (1) UNESCO (2013): Action for Climate Empowerment. Guidelines • Lehrende wie Lernende entwickeln mit sozialer Fantasie for accelerating solutions through education, training and public und kritischer Reflexion von Macht konkrete Utopien für ein awareness. Paris. (2) Reinhold Hedkje (2018): Das Sozioökonomische Curriculum. gutes Leben für Alle innerhalb der planetarischen Grenzen. (3) Frankfurt/M. Dazu muss Schule Erfahrungen ermöglichen, auch po- (3) Thomas Jahn et al. (2020): Sozial-ökologische Gestaltung im litische Erfahrungen, das Feld öffnen und sich selbst als Anthropozän. In: GAIA 29 (2), 93-97. lernende Institution im gesellschaftlichen Kontext begreifen. (4) LeKoKli, Lernfeld Kommune für Klimaschutz (2019): Sachbericht Unsere Vision für die Weiterentwicklung der Klimabil- Lernfeld Kommune für Klimaschutz. Verknüpfung von Bildungs- dung: Schulen kooperieren mit Nachhaltigkeitsinitiativen, und lokalen Klimaschutzprozessen. Springe.
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