Rechte hetze und Gewalt - GEW Hessen

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Rechte hetze und Gewalt - GEW Hessen
Zeitschrift der         Hessen
  für Erziehung, Bildung, Forschung

73. Jahr       Heft 5           Mai 2020
                           zum Inhaltsverzeichnis

                Titelthema:
           Rechte Hetze und Gewalt
Rechte hetze und Gewalt - GEW Hessen
HLZ                                                                                                                                                     HLZ 5/2020         2

                                                                                                                                  Zeitschrift der GEW Hessen

                                                   Auswirkungen der
                                                                                                                                  für Erziehung, Bildung, Forschung
                                                                                                                                  ISSN 0935-0489

                            HLZ:                                                                                 I    M       P      R     E      S     S     U       M
                                                   Corona-Pandemie                                               Herausgeber:
                                                                                                                 Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
                                                                                                                 Landesverband Hessen
                                                                                                                 Zimmerweg 12
                        Wenn diese Ausgabe der HLZ in der ersten Maiwoche ausgeliefert                           60325 Frankfurt/Main
                                                                                                                 Telefon (0 69) 971 2930
                        wird, werden viele Informationen nicht mehr aktuell sein. Unmit-                         Fax (0 69) 97 12 93 93
                        telbar vor Druckbeginn kündigten Ministerpräsident Bouffier und                          E-Mail: info@gew-hessen.de
                                                                                                                 Homepage: www.gew-hessen.de
                        Kultusminister Lorz am 16. April erste Maßnahmen zur schrittwei-
                                                                                                                 Verantwortlicher Redakteur:
                        sen Wiederaufnahme des Unterrichts an. Früher als in den anderen                         Harald Freiling
                                                                                                                 Klingenberger Str. 13
                        Bundesländern sollen auch die vierten Klassen der Grundschule am                         60599 Frankfurt am Main
                        27. April wieder in die Schule. GEW, Landeselternbeirat und Landes-                      Telefon (0 69) 636269
                                                                                                                 E-Mail: freiling.hlz@t-online.de
                        schülervertretung erklärten gemeinsam, dass die Voraussetzungen
                                                                                                                 Mitarbeit:
                        für eine Wiederaufnahme nicht gegeben sind (HLZ S.8). Über die                           Christoph Baumann (Bildung), Tobias Cepok (Hoch-
                        Aktivitäten der GEW in der Zeit der Schulschließung berichten wir                        schule), Holger Giebel, Angela Scheffels (Mitbestim-
                                                                                                                 mung), Michael Köditz (Sozialpädagogik), Annette
                        in einem Blog auf Seite 6. Für alle aktuellen Informationen ver-                         Loycke (Recht), Andrea Gergen (Aus- und Fortbildung),
                                                                                                                 Karola Stötzel (Weiterbildung), Gerd Turk (Tarifpolitik
                        weisen wir dringend auf unsere Homepage www.gew-hessen.de.                               und Gewerkschaften)
                                                                                                                 Gestaltung: Harald Knöfel, Michael Heckert †
                                                                                                                 Titelthema: Harald Freiling und Ernst Olbrich
                                                                  Ihre Anfragen an die GEW Hessen
                                                                  Da viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter      Illustrationen:
                                                                                                                 Thomas Plaßmann (S. 5, 21, 31), Ruth Ullenboom (S. 4)
                                                                  der Landesgeschäftsstelle der GEW Hessen
                                                                  weiterhin von zuhause arbeiten, bitten wir     Fotos, soweit nicht angegeben:
                                                                                                                 Peter Jülich (Titel), GEW (S. 7, 24)
                                                                  Anfragen an die GEW vorzugsweise per
                                                                  Post (Zimmerweg 12, 60325 Frankfurt) oder      Verlag:
                                                                  E-Mail zu stellen (info@gew-hessen.de).        Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH
                                                                                                                 Niederstedter Weg 5
                                                                  Erfahrungen mit Sachleistungsbeihilfen         61348 Bad Homburg
                                                                  In anderen Bundesländer wurde eine pau-
                                                                  schale Beihilfe eingeführt. Wir suchen Mit-    Anzeigenverwaltung:
                                                                                                                 Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH
                                                                  glieder, die als Beamte in der Gesetzlichen    Peter Vollrath-Kühne
                                                                  Krankenversicherung sind und uns über ihre     Postfach 19 44
                                                                  Erfahrungen mit der in Hessen bestehenden      61289 Bad Homburg
                                                                  Sachleistungsbeihilfe berichten: HLZ S.35      Telefon (06172) 95 83-0, Fax: (06172) 9583-21
                                                                                                                 E-Mail: mlverlag@wsth.de
                                                                  Was GEW-Mitglieder lesen…
                                                                  In der HLZ 7-8/2020, die in den Sommerfe-      Erfüllungsort und Gerichtsstand:
                                                                                                                 Bad Homburg
                                                                  rien erscheint, möchten wir gern Lesetipps
                                                                  von GEW-Mitgliedern für GEW-Mitglieder         Bezugspreis:
                                                                  veröffentlichen. Bitte senden Sie Ihre Texte   Jahresabonnement 12,90 Euro (9 Ausgaben, ein-
                                                                                                                 schließlich Porto); Einzelheft 1,50 Euro. Die Kosten
                                                                  bis zum 1. Juni an: freiling.hlz@t-online.de   sind für die Mitglieder der GEW Hessen im Beitrag
                                                                                                                 enthalten.
                                                                                                                 Zuschriften:
      Aus dem Inhalt

                       Rubriken                                    Einzelbeiträge                                Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bilder
                        4 Spot(t)light                              5 Personalratswahlen verschoben!             wird keine Haftung übernommen. Im Falle einer Ver-
                                                                                                                 öffentlichung behält sich die Redaktion Kürzungen
                       34 Hochschule: Ein neuer Hochschul-          6 Corona: Blog aus dem Zimmerweg             vor. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen
                          pakt für Hessen (2021 bis 2025)           8 Corona: Gemeinsame Erklärung               nicht mit der Meinung der GEW oder der Redaktion
                       35 Recht: Krankenversicherung                  von GEW, Landeselternbeirat und            übereinstimmen.
                       36 Recht: Schule und Recht                     Landesschülervertretung
                       37 Jubilarinnen und Jubilare                22 Neue Schulstatistik für Hessen
                                                                                                                 Redaktionsschluss:
                                                                   24 Ausbildung und Anforderungen an
                       Titelthema: Rechtspopulismus und                                                          Jeweils am 5. des Vormonats
                                                                      Erzieherinnen und Erzieher
                       Rechtsextremismus in Hessen
                                                                   26 Fachgespräch Mathematik der KMK
                       10 Die AfD im hessischen Landtag            27 Grundrechte in Gefahr?
                       12 Tabubruch:  Die Sprache  der  Rechten                                                  Nachdruck:
                                                                   28 lea: Informationen zum Programm            Fotomechanische Wiedergabe, sonstige Vervielfälti-
                       14 Was wäre, wenn die AfD für das           29 Gedanken zur Begrüßung der neuen           gungen sowie Übersetzungen des Text- und Anzei-
                          Kultusministerium zuständig ist?            Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst          genteils, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher
                       16 Die Rolle der Burschenschaften                                                         Genehmigung der Redaktion und des Verlages.
                                                                   30 Volker  Imschweiler: Zwölf Essentials
                       18 Die extreme Rechte in Hessen                zur Lehrerfortbildung in Hessen            Druck:
                       20 Politische Bildung: Rechts = Links?                                                    Druckerei und Verlag Gutenberg Riemann GmbH
                                                                   32 Graphic Novels über die NS-Zeit            Werner-Heisenberg-Str. 7, 34123 Kassel
Rechte hetze und Gewalt - GEW Hessen
3     HLZ 5/2020    zum Inhaltsverzeichnis                                                               K O MME N T A R

            Gegen rechte Hetze
                         und Gewalt
    Wenn diese Ausgabe der HLZ ihre Leserinnen und          Menschen am 19. Februar kamen der Bundespräsi-
    Leser erreicht, sind seit der Drucklegung drei Wochen   dent und der hessische Ministerpräsident nach Ha-
    vergangen. Das ist für die HLZ-Redaktion nicht neu,     nau. Ihre moralischen Appelle, sich dem Terror, dem
    aber noch nie war unsere Ungewissheit über die Er-      Hass und der Hetze entgegenzustellen, waren richtig
    eignisse und Veränderungen, die sich in diesen drei     und wichtig. Doch Appelle allein wirken wenig und
    Wochen vollziehen, so groß wie unter den Bedin-         verhallen schnell, wie wir jetzt schon spüren. Gefragt
    gungen der Corona-Pandemie. Weil alles, was uns         sind ein handlungsfähiger Staat und ein solidari-
    vor drei Wochen beschäftigte, beim Erscheinen die-      sches Miteinander, das die von vielen Seiten betrie-
    ser HLZ Makulatur sein kann, werden Sie auch in         bene Ausgrenzungspolitik, das neoliberale „Divide et
    der Ausgabe der HLZ wenig zur Corona-Pandemie           impera“ beendet. Eine Gesellschaft, in der die Men-
    und ihren Folgen finden. Alle aktuellen Informati-      schen Abstiegsängste haben und die Spaltung von
    onen und Stellungnahmen der GEW finden Sie auf          Oben und Unten, von Arm und Reich immer größer
    unserer Homepage www.gew-hessen.de. Stattdessen         wird, hat wenig in der Hand, sich der erstarkenden
    werden wir uns vorrangig den Themen zuwenden, die       rechten Extremisten zu erwehren.
    durch die Corona-Pandemie an den Rand gedrängt             Max Horkheimer sagte 1939 am Vorabend des
    werden, die uns aber alle weiter beschäftigen sollten   Zweiten Weltkriegs, wer vom Kapitalismus nicht re-
    und müssen. Dazu gehören die Gefahren, die dem ge-      den will, solle „auch vom Faschismus schweigen.“
    sellschaftlichen Frieden durch rechten Terror, rech-    Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter gehörten
    te Hetze und Rechtspopulismus drohen.                   zu den ersten, die die Nazis 1933 in die KZ brach-
       „Qui habet aures audiendi audiat“: Wer Ohren hat     ten. Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter stel-
    zum Hören, der höre, heißt es im Matthäus-Evan-         len sich auch heute gegen Rechtsextremismus, rechte
    gelium (11,15). Wer wollte, konnte es wissen: noch      Hetze und rechten Hass. Als Pädagoginnen und Päd-
    vor Hanau, vor Halle, vor der Ermordung von Wal-        agogen sind wir dem Bildungsauftrag der Hessischen
    ter Lübcke, vor München 2016, vor dem Auffliegen        Verfassung und des Schulgesetzes verpflichtet, „die
    der Terrorgruppe NSU, vor Lübeck, Solingen, Ros-        Grundrechte für sich und andere wirksam werden zu
    tock-Lichtenhagen und noch davor und davor. In          lassen, eigene Rechte zu wahren und die Rechte an-
    Deutschland existieren seit langem „rechte“ Extre-      derer auch gegen sich selbst gelten zu lassen“. Und
    misten, Netzwerke und Strukturen, die unsere frei-      als Gewerkschaft im Deutschen Gewerkschaftsbund
    heitlich-demokratischen Grundwerte in Frage stellen     treten wir für eine Wirtschaftspolitik ein, die dem
    und ihrer Gesinnung auch brutale, tödliche Gewalt       Staat seine Handlungsfähigkeit zurückgibt, und für
    folgen lassen. Rechtsextreme Einstellungen, Frem-       eine Sozialpolitik, die diesen Namen verdient.
    denfeindlichkeit, Antisemitismus, Geschichtsrevi-
    sionismus und der Glaube an einen starken Führer
    gibt es aber nicht nur im Untergrund oder am Rand
    der Gesellschaft, sondern längst auch in deren Mit-
    te. Gruppenbezogener Hass, die Ablehnung von al-
    lem, was als „anders“ empfunden wird, ist breit in
    allen gesellschaftlichen Schichten verankert. Einigen
    dunklen Facetten geht die HLZ in einem Schwerpunkt
    in dieser Ausgabe auf den Grund.
       Warum bedurfte es so vieler dicht aufeinander-
    folgender Gewalttaten, damit diese Realitäten end-                                        Tony C. Schwarz
                                                                                              Stellvertretender
    lich in den Fokus einer breiteren Öffentlichkeit und                                      Vorsitzender
    der Politik zu rücken? Nach der Ermordung von zehn                                        der GEW Hessen
Rechte hetze und Gewalt - GEW Hessen
SPOT(T)LIGHT                                                                                 zum Inhaltsverzeichnis          HLZ 5/2020      4

 Alpträume im Ruhestand
                                                                                                 Wenn ich drei verschiedene Titel auslei-
                                                                                                 he, hat zumindest jeder in der Klasse ir-
                                                                                                 gendein Buch. Immer wieder renne ich
                                                                                                 orientierungslos durch Gänge und fin-
                                                                                                 de meine Klassen nicht. Im schlimms-
      Eine Doppelstunde Deutsch in der 9.         ich beginne einfach mit Erörterung. Ich        ten Fall bin ich dabei barfuß und tra-
      Klasse. Es hat längst geklingelt. Aber      schreibe an die Tafel: „Klassenfahrten         ge einen Schlafanzug. Wenn ich meine
      ich finde die vorbereiteten Aufgaben        sind sinnlose Vergnügungen und steh-           Gruppe endlich gefunden habe, sitzen
      nicht. Ich wühle in den Papierbergen        len kostbare Unterrichtszeit“. Das regt        hinten zehn erwartungsvolle Studen-
      auf meinem Schreibtisch. Alles fliegt       die Jugendlichen hoffentlich auf und           ten. Zu allem Überfluss muss ich stän-
      durcheinander: Karteikarten, Einkaufs-      vertreibt schon mal eine ganze Stunde.         dig das Referendariat wiederholen. Da-
      zettel, Urlaubsfotos, Hefter, Quittun-      Wenn ich jetzt nur den richtigen Raum          bei fällt mir im Schlaf glücklicherweise
      gen, Entschuldigungen. Ich renne ner-       und meine Schüler finden würde! Hin-           meist ein, dass ich das zweite Staatsex-
      vös mit dem Grammatikbuch die zwei          ter jeder Tür sitzt ein anderer Kurs und       amen längst habe.
      Kilometer zum Kopierer im Nebenge-          schaut verwundert hoch.                            Im Traum liegen in meinem Zim-
      bäude. Am Gerät steht ein Kollege, der          Bevor ich ganz verzweifle, wache           mer jede Menge Klausuren, die ich noch
      eine Freistunde hat und alle Zeit der       ich auf. Was soll der Quatsch? In die          korrigieren muss. Eine Erörterung zum
      Welt, seine Materialien für die nächs-      Schule müssen nur noch die anderen.            Sinn von Klassenfahrten wartet seit drei
      ten Schuljahre herzustellen. Er lässt mir   Warum träume ich regelmäßig so einen           Monaten auf meinen Einsatz. In der
      ungnädig den Vortritt. Meine Kopien         Mist, der mir im Lehrerleben nie pas-          Gruppe sind längst die Zeugnisse ver-
      werden blass und unleserlich. Was soll      siert wäre? Ich war immer pünktlich            teilt worden. Wozu soll ich mir jetzt
      ich nur zwei Deutschstunden lang ma-        und gut vorbereitet. Ich habe immer            noch die alten Aufsätze vornehmen?
      chen? Ich hasse Stegreifunterricht. Ach,    gewissenhaft korrigiert und terminge-          Aber zwei eifrige Mädchen drängeln
                                                  recht Zensuren errechnet. Ehrlich. Ich         mich immer wieder. Soll ich nun erst
                                                        war ein pädagogisches Musterex-          die aktuellen Aufsätze korrigieren oder
                                                               emplar, gewissenhaft und          erst die alten? Am besten keins von bei-
                                                                    zuverlässig. „Pedan-         den. Ich könnte einen Hund erfinden,
                                                                        tisch“ knurrt mein       der alle Aufsätze gefressen hat.
                                                                           Mann. Aber in             Die eigenen Träume erscheinen ei-
                                                                            meinen Träu-         nem ja häufig faszinierend und inte-
                                                                             men bin noch        ressant. Das Unterbewusstsein reißt
                                                                               nicht angezo-     alle Schubladen im Gedächtnis auf
                                                                                gen, sitze am    und wirft die verschiedensten Zeiten,
                                                                                Frühstücks-      Motive und Menschen durcheinander.
                                                                                 tisch, muss     Komischerweise wollen andere Leute
                                                                                 mir noch die    fremde Träume aber nur selten hören…
                                                                                 Haare ondu-         Mein Mann liest morgens gern
                                                                                 lieren und      ausführlich die Zeitung und hört nur
                                                                                 weiß genau,     mit halbem Ohr zu, wie ich nachts
                                                                                 dass ich es     im Nachthemd durch immer andere
                                                                                 nie im Le-      Schulgebäude irre. Er will auch nicht
                                                                                 ben zur drit-   erfahren, wie ich im Traum richtig
                                                                                 ten Stun-       sinnvolle Unterrichtsstunden abhal-
                                                                                de schaffen      te. „Irre“, schwärme ich von meinen
                                                                                werde. Soll      pädagogischen Leistungen. „Mindes-
                                                                               ich mich lie-     tens dreißig Minuten lang habe ich
                                                                              ber gleich für     im Traum Grammatik unterrichtet.“ –
                                                                             den ganzen Tag      „Unsinn“, sagt mein Mann. „So lange
                                                                            krankmelden?         Träume hat man gar nicht. Das dauert
                                                                              In      meinen     immer nur Sekunden. – Du bist ein-
                                                                         Träumen         habe    fach zu früh pensioniert worden. Das
                                                                       ich dreizehn Frei-        will dir dein Unterbewusstsein sagen.
                                                                     stunden. Ich muss           Gegenüber in der Grundschule suchen
                                                                   in „herausfordernden“         sie Betreuung für verhaltensoriginelle
                                                                 Gruppen fachfremd Che-          Kinder. Vielleicht solltest du dich da
                                                              mie und Physik unterrich-          mal melden!“
                                                            ten, Fächer, die mir schon als           Und mein Mann hat Recht. Seit ich
                                                         Schülerin sehr fern waren. In der       im Seniorenheim um die Ecke interna-
                                                     Bücherei sind alle interessanten Lek-       tionale Tänze unterrichte und in der
                                                  türen ausgeliehen. Nur zerfetzte Lese-         Grundschule gegenüber mit renitenten
                                                  hefte liegen noch rum. „Krambambuli“           Kindern Lesen übe, habe ich diese Alb-
                                                  und irgendeine Kleist-Novelle. Ge-             träume nicht mehr…
                                                  schichtsbücher gibt es auch keine mehr.                             Gabriele Frydrych
Rechte hetze und Gewalt - GEW Hessen
5     HLZ 5/2020       zum Inhaltsverzeichnis                                                                         C oron a - K rise

                   Personalratswahlen verschoben
    Am 24. März 2020 beschloss der Land-           Der GEW-Landesvorstand bedankt          der Corona-Pandemie. Die GEW wird
    tag das „Gesetz zur Verschiebung der       sich in einem Schreiben vom 25. März        intensiv darüber wachen, dass die der-
    Personalratswahl 2020“ (Drucksache         bei allen Kolleginnen und Kollegen und      zeitige Krise nicht genutzt wird, um die
    20/2566). Danach wird die Amtszeit         Beschäftigten der GEW in den Kreis-         Rechte der Beschäftigten und ihrer Inter-
    der am 1. Mai 2020 im Amt befindli-        und Bezirksverbänden, im Landesver-         essenvertretungen zu untergraben.
    chen Personalräte im Geltungsbereich       band und in der Landesgeschäftsstelle
    des Hessischen Personalvertretungs-        der GEW für die vielfältigen Initiativen,
                                                                                           Neuwahl von Schulpersonalräten
    gesetzes (HPVG) bis „längstens zum         Publikationen und Veranstaltungen zur
    31. Mai 2021“ verlängert. Gleichzeitig     Darstellung der GEW und ihrer Arbeit        Klarheit über einen neuen Wahltermin
    wird das Hessische Innenministerium        in den Personalräten und zur Vorbe-         besteht noch nicht. Die GEW setzt sich
    ermächtigt, innerhalb dieses Zeitraums     reitung auf die Wahl der Personalräte.      weiterhin für einen frühen Wahltermin
    einen Termin für die Neuwahl „durch                                                    ein, der die Verlängerung der Amtszeit
    Rechtsverordnung festzulegen“. Dies                                                    der Personalräte bis zum 31. Mai 2021
                                                 Dank an alle Wahlvorstände
    betrifft im Bereich der GEW alle Per-                                                  nicht vollständig ausschöpft. Da der Er-
    sonalräte an Schulen und Hochschulen       Der ganz besondere Dank galt und gilt       lass des HMdI jedoch vorgibt, die Wahlen
    und in der Bildungsverwaltung, die Ge-     weiterhin „den Mitgliedern der Wahl-        neu einzuleiten, ist auch nach Wieder-
    samtpersonalräte an den 15 Staatlichen     vorstände in jeder einzelnen Schule,        eröffnung der Schulen und Hochschulen
    Schulämtern und die Hauptpersonalrä-       in den Gesamtwahlvorständen und in          mit einem längeren Vorlauf zu rechnen.
    te der Lehrerinnen und Lehrer (HPRLL),     den Hauptwahlvorständen“, die zu die-           Die GEW berät die Schulen, Hoch-
    beim Kultusministerium (HPR Verwal-        sem Zeitpunkt „ihre Arbeit in gewohn-       schulen und Einrichtungen, bei denen
    tung) und beim Ministerium für Wis-        ter Zuverlässigkeit aufgenommen und         die Arbeit des örtlichen Personalrats
    senschaft und Kunst (HPRWuK).              mit großem Zeitaufwand bereits weit-        durch das Ausscheiden von Mitglie-
        Dieses Gesetz war angesichts der       gehend abgeschlossen hatten“. Dieser        dern durch Rücktritte, Versetzungen
    unsicheren zeitlichen Perspektiven der     Dank war zugleich mit der Bitte ver-        oder Eintritt in den Ruhestand einge-
    Schließung von Schulen und Hoch-           bunden, diese Anstrengungen auch bei        schränkt wird oder ganz zum Erliegen
    schulen auch aus Sicht der Gewerk-         einem neuen Wahltermin zu erneuern:         kommt, weil keine Nachrückerinnen
    schaften des öffentlichen Dienstes         „Die Verschiebung der Wahl verlangt         und Nachrücker zur Verfügung stehen.
    notwendig und mit ihnen besprochen.        neue Anstrengungen, die nur teilwei-        Nach § 24 Abs.1 HPVG ist der Personal-
    Nicht besprochen war der unmittelbar       se auf den bisherigen Vorbereitungen        rat dann neu zu wählen, wenn „die Ge-
    nach der Sitzung des Landtags ver-         aufbauen können. Dafür bauen wir auf        samtzahl der Mitglieder, auch nach Ein-
    öffentlichte Erlass des Innenministe-      eure Unterstützung!“                        treten sämtlicher Ersatzmitglieder, um
    riums. Er besagt, dass mit dem Gesetz          Die ersten Wochen der Schließung        mehr als ein Viertel der vorgeschriebe-
    allen Wahlvorständen „die rechtli-         von Kitas, Schulen und Hochschulen und      nen Zahl gesunken ist, oder der Perso-
    che Grundlage entzogen“ ist und alle       der staatlichen Maßnahmen zur Bekämp-       nalrat mit der Mehrheit seiner Mitglie-
    Vorbereitungen für die Wahlen „ein-        fung des Corona-Virus haben gezeigt,        der seinen Rücktritt beschlossen hat“.
    zustellen“ sind. Damit war auch den        dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeit-      Eine solche Neuwahl könnte dann auch
    Überlegungen der GEW, die bereits ein-     nehmer gerade in solchen Zeiten starke      unabhängig von dem allgemeinen neu-
    geleiteten Personalratswahlen zu einem     Gewerkschaften, Betriebs- und Perso-        en Wahltermin erfolgen.
    späteren Zeitpunkt auf der Basis der       nalräte brauchen. Die GEW unterstützt       • Auch deshalb wird die GEW ihren
    bis dahin getroffenen Beschlüsse der       deshalb alle Personalräte auch weiterhin    Service auf der Seite www.gew-pr-
    Wahlvorstände wieder aufnehmen zu          nachdrücklich bei der Wahrnehmung ih-       wahl2020.de weiter aufrecht erhal-
    können, die Rechtsgrundlage entzogen.      rer gesetzlichen Rechte auch in Zeiten      ten und aktualisieren.

         Unterlagen aufbewahren
    Es ist sinnvoll, dass die Wahlvorstän-
    de auf allen Ebenen das Wahlhandbuch
    der GEW sowie alle für die Wahl im Mai
    2020 gesammelten Unterlagen und Be-
    schlüsse aufbewahren und dokumen-
    tieren, so dass bei der Einleitung eines
    neuen Wahlverfahrens lediglich eine
    Aktualisierung erfolgen muss. Außer-
    dem werden die Wahlvorstände dort
    schnell ihre Arbeit wiederaufnehmen,
    wo – wie in dem Artikel dargestellt –
    vor dem allgemeinen Wahltermin Neu-
    wahlen unumgänglich sind.
Rechte hetze und Gewalt - GEW Hessen
C oron a - P a n d emie                                                                    zum Inhaltsverzeichnis        HLZ 5/2020      6

                  Zimmerweg 12: Was tut die GEW?
        Der folgende Blog informiert über Akti-      aktiv. Nach wenigen Tagen gelingt es      ten. René Scheppler (GEW Wiebaden)
        vitäten und Statements der GEW Hes-          auch in der Öffentlichkeit deutlich zu    mahnt den Datenschutz an, der jetzt
        sen in der Zeit vom Beginn der Schul-        machen, dass Lehrerinnen und Lehrer       offensichtlich „großzügig über Bord
        schließungen bis zur Fertigstellung der      mit den Maßnahmen zur Aufrechter-         geworfen“ werde. Zu problematischen
        Mai-Ausgabe der HLZ. Aktivitäten der         haltung des schulischen Lernens, die      Plattformen, die Daten abgreifen, gebe
        Kreis- und Bezirksverbände, der Personal-    im Homeoffice erledigt werden kön-        es schon jetzt praktikable Alternati-
        räte und vieler anderer Gremien der GEW      nen, gut ausgelastet sind.                ven: „Und notfalls lässt sich ein Lern-
        sind hier nicht erfasst. Alle Stellungnah-
                                                                                               paket auch immer noch per Post ver-
        men findet man im Wortlaut unter www.
        gew-hessen.de.                               Donnerstag, 19. März                      schicken.“ > HLZ S. 9
                                                     In hessischen Schulen beginnt für         Montag, 23. März
        Freitag, 13. März                            23.500 Schülerinnen und Schüler das
                                                     schriftliche Abitur. Anders als andere    Das „Lernen zu Hause“ ist Thema vie-
        Die Landesregierung ordnet die Schlie-       Bundesländer, die ihre Abiturprüfun-      ler öffentlicher Diskussionen und Me-
        ßung der Schulen und aller Kinderta-         gen verschieben, hält Kultusminister      dienberichte. Mit diesem Thema befasst
        geseinrichtungen ab dem 16. März an.         Lorz an dem ursprünglichen Zeitplan       sich auch die gemeinsame Erklärung
        Die Verordnung enthält die Aussage,          fest. Die Vorsitzenden der GEW Hes-       von GEW, LEB und LSV. > HLZ S. 8-9
        dass „die Präsenzpflicht für Lehrkräfte      sen hatten sich im Vorfeld deutlich
        und Schulleitungen bestehen“ bleibt.         für eine Verschiebung ausgesprochen.      Dienstag, 24. März
        Am Montag können Schülerinnen und            Die Gesundheit der Schülerinnen und
        Schüler noch einmal die Schule betre-                                                  Der Landtag beschließt ein – zuvor mit
                                                     Schüler und der Lehrkräfte müsse „im-     den Gewerkschaften beratenes – Gesetz
        ten, um Unterrichtsmaterialien abzuho-       mer im Mittelpunkt von Entscheidun-
        len und Absprachen mit den Lehrkräf-                                                   zur Verlängerung der Amtszeit der Per-
                                                     gen stehen“. Schülerinnen und Schü-       sonalräte im Geltungsbereich des HPVG
        ten zu treffen. Für die Betreuung von        ler unterstützten die Forderung mit
        Kindern, deren Eltern in „systemrele-                                                  längstens bis zum 31. 5. 2021. Der un-
                                                     einer Online-Petition. Eine gemeinsa-     mittelbar danach vorgelegte Erlass
        vanten Berufen“ arbeiten, bieten Kitas       me Position mit dem Landeselternbei-
        und Schulen eine Notbetreuung an. Die                                                  des Innenministeriums, alle laufenden
                                                     rat (LEB) und der Landesschülerver-       Wahlvorbereitungen für unwirksam zu
        Liste der anspruchsberechtigten Eltern       tretung (LSV) wurde nicht gefunden.
        wird in den folgenden Tagen mehrmals                                                   erklären, war dagegen nicht abgespro-
                                                     Auch in der GEW gibt es gegensätzli-      chen. > HLZ S.5
        erweitert beziehungsweise geändert.          che Auffassungen.
                                                                                               Mittwoch, 25. März
        Montag, 16. März                             Freitag, 20. März
                                                                                               Die GEW Hessen reagiert auf Berichte,
        Die GEW stellt klar, dass Lehrkräfte und     • Die Ausgangsbeschränkungen wer-         dass es weiterhin Träger von Kinder-
        sozialpädagogische Fachkräfte über 60        den verschärft. Am Ende der ersten Wo-    tageseinrichtungen gibt, die auf einer
        oder mit relevanten Vorerkrankungen          che der Schulschließungen stellt die      Präsenzpflicht für Erzieherinnen und
        nicht zur Notbetreuung eingesetzt wer-       GEW-Vorsitzende Birgit Koch fest, dass    Erzieher auch außerhalb der Notbetreu-
        den können. Die Möglichkeit, dass Mit-       trotz mehrfacher Ausweitung der Grup-     ungen bestehen. Das führe zu „der ab-
        arbeiterinnen und Mitarbeiter, die selbst    pe anspruchsberechtigter Eltern nur       surden Situation, dass teilweise mehr
        Kinder unter 12 Jahren zu betreuen ha-       wenige Kinder für die Notbetreuung        Erzieherinnen und Erzieher anwesend
        ben, diese in die Notbetreuung mitbrin-      angemeldet sind. Dies zeige, „dass alle   sind als zu betreuende Kinder“. Dabei
        gen können, widerspreche dem Ziel der        Eltern, die es irgendwie anders regeln    sei die Ansage eindeutig: „Die Men-
        Schulschließung, soziale Kontakte zu         können, ebenfalls die zusätzlichen Kon-   schen sollen so wenig direkte Sozial-
        minimieren.                                  takte meiden“.                            kontakte wie möglich haben, um die
                                                     • Die GEW weist darauf hin, dass es       Ausbreitung des Corona-Virus zu ver-
        Mittwoch, 18. März                           für die von einigen Schulleitungen ge-    langsamen.“ Dies gelte auch für die
                                                     forderte Dokumentation für Tätigkei-      Kindertageseinrichtungen.
        Berichte aus den Schulen machen              ten am häuslichen Arbeitsplatz keine
        deutlich, dass an vielen Schulen nicht       Rechtsgrundlage gibt. Auch gebe es        Freitag, 27. März
        zwingend notwendige Präsenzver-              keine entsprechende Weisung durch das
        pflichtungen für Konferenzen oder            HKM oder die Staatlichen Schulämter.      Kultusminister Lorz und Sozialminister
        Teamsitzungen angeordnet werden,                                                       Klose kündigen auf einer Pressekonfe-
        um Konzepte zu erarbeiten oder Vor-          Samstag, 21. März                         renz an, dass Schulen und Kitas für El-
        haben der Schule zu evaluieren. Auch                                                   tern in eng definierten Gesundheits-
        dies widerspricht aus Sicht der GEW          Die GEW-Vorsitzende Maike Wiedwald        berufen auch in den Osterferien sowie
        dem Ziel, „soziale Kontakte zur Ein-         lobt in der Sendung „Netzwelt“ auf hr-    an Feiertagen und Wochenenden eine
        dämmung der Pandemie so weit wie             iNFO die Bemühungen der Lehrkräfte,       Notbetreuung ihrer Kinder ermöglichen
        möglich einzuschränken“. Personalrä-         die Kommunikation mit den Schüle-         sollen. Die GEW betont den Grundsatz
        te und GEW-Vertrauensleute werden            rinnen und Schülern aufrechtzuerhal-      der Freiwilligkeit beim Einsatz von Pä-
Rechte hetze und Gewalt - GEW Hessen
7     HLZ 5/2020       zum Inhaltsverzeichnis

    dagoginnen und Pädagogen und for-          der GEW arbeiten im Home-Office. Ins-
    dert für die Kolleginnen und Kollegen,     besondere die Kolleginnen der Landes-
    die solche Dienste übernehmen, „beste      rechtsstelle müssen viele Fragen beant-
    Bedingungen insbesondere bei Schutz-       worten. Außerdem bemühen sie sich,
    und Desinfektionsmaterial“ sowie einen     alle verfügbaren Informationen zu ar-
    zeitnahen Ausgleich. Kolleginnen und       beits- und sozialrechtlichen Fragen von
    Kollegen in der Notbetreuung müssten       Beschäftigten auf der Homepage ver-
    zudem „von allen anderen Aufgaben          fügbar zu machen.
    freigestellt werden, zum Beispiel von      • Das Referat Aus- und Fortbildung
    der Betreuung ihrer Klassen aus dem        der GEW fordert für Lehramtsstudieren-
    Homeoffice“.                               de „eine einheitliche, großzügige Re-
                                               gelung zur Verlängerung der Abgabe-
    Montag, 30. März                           fristen von Hausarbeiten und anderen
                                               Prüfungsleistungen“.
    • Die GEW erreichen immer mehr
    Notrufe von Lehrkräften im Vorberei-       Donnerstag, 2. April                         Ab dem 19. März war die Landesge-
    tungsdienst (LiV), die nach den Osterfe-                                                schäftsstelle der GEW im Zimmerweg in
    rien ihr zweites Staatsexamen ablegen      Die Vorsitzenden der GEW Hessen              Frankfurt für mehrere Wochen geschlos-
    müssen. Christina Nickel, stellvertre-     fordern in einem Schreiben an Wis-           sen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
                                               senschaftsministerin Dorn, dass Stu-         bearbeiteten die Anfragen und Anliegen
    tende Vorsitzende des Hauptpersonal-
                                               dierenden, die im bevorstehenden Som-        der Mitglieder aus dem Homeoffice. Be-
    rats (HPRLL) und Ko-Vorsitzende im                                                      ratungen und Beschlüsse des geschäfts-
    Referat Aus- und Fortbildung der GEW,      mersemester keine Studienleistungen          führenden Landesvorstands erfolgten im
    informiert über die Bemühungen des         erbringen können, keine Nachteile ent-       Rahmen von Telefonkonferenzen. Über alle
    HPRLL um eine Klärung. Ein weiteres        stehen dürfen. Alle befristeten Verträge,    Initiativen der GEW informieren wir auf
    Update erfolgt am 15. April. Den aktu-     auch die der studentischen Beschäftig-       unsere Homepage www.gew-hessen.de.
    ellen Stand erfährt man auf der Home-      ten, müssten unterbrechungsfrei ver-         • Anfragen an die GEW Hessen erbitten
    page www.gew-hessen.de.                    längert werden. > www.gew-hessen.de.         wir weiterhin vorzugsweise per Post (Zim-
    • Die GEW-Vorsitzende Birgit Koch                                                       merweg 12, 60325 Frankfurt) oder Mail
    weist auf dramatische Lücken der So-       Freitag, 3. April                            (info@gew-hessen.de).
    forthilfen hin: „Viele Soloselbständige
                                               Die GEW Hessen mahnt dringend an,
    an Volkshochschulen sowie Honorar-                                                     Mittwoch, 15. April
                                               die Finanzierung der Kitas, Jugendhil-
    lehrkräfte und Lehrkräfte für DaF und
                                               fe- und Sozialeinrichtungen zu sichern,     Nach der Konferenz der Ministerprä-
    DaZ geraten in existentielle Not.“
                                               auch wenn diese in der Corona-Kri-          sidentinnen und Ministerpräsidenten
                                               se geschlossen werden und keine Leis-
    Dienstag, 31. März                         tungen erbringen können. > HLZ S.25
                                                                                           mit der Bundeskanzlerin kündigt Mi-
                                                                                           nisterpräsident Bouffier ab dem 27.4.
    Der Geschäftsführende GEW-Landes-                                                      erste Schritte zur Wiederaufnahme
    vorstand befasst sich in einer Telefon-    Dienstag, 7. April                          des Unterrichts zunächst in den Ab-
    konferenz mit aktuellen Fragen. Ob         GEW, Landesschülervertretung und            schlussklassen an. Die GEW bekräf-
    die Schulen auch nach Ostern wieder        Landeselternbeirat veröffentlichen eine     tigt in ihren Stellungnahmen in allen
    öffnen, ist noch unklar. Die GEW for-      gemeinsame Erklärung zu den Voraus-         Medien, welche Voraussetzungen er-
    dert die Landesregierung auf, unab-        setzungen für eine Wiederöffnung der        füllt sein müssen, und rät zu vorsichti-
    hängig von der Dauer der Schulschlie-      Schulen. > HLZ S. 8                         gem Vorgehen, das der Gesundheit von
    ßung schon jetzt Vorkehrungen für die                                                  Beschäftigten und Schülerinnen und
    Aufnahme des Schulbetriebs zu treffen.     Donnerstag, 9. April                        Schülern oberste Priorität einräumt.
    Dazu fordert die GEW ein umfassendes
    Hygienekonzept und eine deutliche und      Maike Wiedwald weist in der hessen-         Donnerstag, 16. April
    nachhaltige Verbesserung der hygieni-      schau auf die schlechten hygienischen
    schen Bedingungen an den Schulen.          Bedingungen an vielen Schulen hin.          Minister Lorz legt den Termin für die
       Außerdem fordert die GEW den            Die GEW fordert gründliche Verbesse-        Aufnahme des Unterrichts für die Ab-
    Verzicht auf die Lernstandserhebun-        rungen und Vorkehrungen, bevor der          schlussklassen der Sekundarstufe I und
    gen in der Jahrgangsstufe 3 und die        Unterricht wieder aufgenommen wer-          der Beruflichen Schulen sowie für die
    schriftlichen Haupt- und Realschul-        den kann. > www.gew-hessen.de               Jahrgangsstufen 12 und die 4. Grund-
    abschlussprüfungen. Bereits abgeleg-                                                   schulklassen auf den 27. April fest (HLZ
    te Projekt- und Präsentationsprüfun-       Dienstag, 14. April                         S. 9). In Gruppen mit maximal 15 Schü-
    gen und Leistungen müssten „gewertet                                                   lerinnen und Schülern sollen „mindes-
    und in die Berechnung von Abschluss-       Die GEW Hessen fordert das HKM auf,         tens 20 Wochenstunden“ erteilt werden.
    noten einbezogen werden“.                  bei ersten Schritten zur Wiederauf-         Die GEW hält dies angesichts weiter
                                               nahme des Unterrichts, „verbindli-          bestehender Abstandsregeln und Min-
    Mittwoch, 1. April                         che Vorgaben insbesondere bezüglich         destflächen von 20 Quadratmetern pro
                                               Jahrgangsstufen und maximaler Grup-         Kunde in Läden für verantwortungslos.
    • Die Schließung der Landesgeschäfts-      pengröße zu machen sowie flexible Lö-
    stelle der GEW muss bis zum 19. April      sungen für Lerninhalte, Facheinsatz           Alle weiteren aktuellen Infos:
    verlängert werden. Alle Beschäftigten      und Notengebung zu ermöglichen“.                   www.gew-hessen. de
Rechte hetze und Gewalt - GEW Hessen
C oron a - K rise                                                                         zum Inhaltsverzeichnis         HLZ 5/2020      8

                             Gemeinsam für den Dialog
         Erklärung von Landeselternbeirat, Landesschülervertretung und GEW
       Am 6. April veröffentlichten die Vor-      tion, das Lernen von den Mitschülerin-      wie wir ihn vor der Corona-Krise kann-
       sitzenden des Landeselternbeirats, der     nen und Mitschülern und nicht zuletzt       ten. Daher möchten wir hier drei zent-
       Landesschülervertretung und der GEW        auch das soziale Miteinander in der         rale Anforderungen aufzeigen, die nach
       Hessen eine gemeinsame Erklärung zur       Schule lassen sich nicht ersetzen.          unserer gemeinsamen Meinung dabei
       Schließung der Schulen und zu den Be-          Wir begrüßen die Bemühungen von         berücksichtigt werden müssen:
       dingungen für eine Wiederaufnahme des      Eltern, Lehrerinnen und Lehrern und         • Strenge Hygienemaßnahmen wer-
       Unterrichts. Zu diesem Zeitpunkt war       sozialpädagogischen Fachkräften, den        den noch für lange Zeit fest in den
       noch nicht bekannt, wann und in welcher
                                                  Schülerinnen und Schülern das Lernen        Schulalltag integriert werden müssen.
       Form der Unterricht in hessischen Schu-
       len wieder aufgenommen werden kann.
                                                  zu Hause zu ermöglichen. Wir wissen         Dazu gehören beispielsweise das regel-
                                                  aber, dass die Voraussetzungen dazu         mäßige Händewaschen und eine deut-
       An den Schulen in Hessen hat seit Mit-     in den Familien in sehr unterschied-        lich intensivierte Reinigung der Räum-
       te März kein regulärer Unterricht mehr     lichem Maße gegeben sind. Digitales         lichkeiten. Leider handelt es sich beim
       stattgefunden. Zusammen mit den Os-        Lernen erfordert eine gute Ausstattung      allgemeinen baulichen Zustand der
       terferien sind die Schulen so, von der     mit schnellem Internet, Endgeräten und      Schulgebäude, insbesondere auch hin-
       eingerichteten Notbetreuung abgese-        entsprechender, oft kostenpflichtiger       sichtlich der Sanitäranlagen, wie bei
       hen, für mindestens fünf Wochen ge-        Software. Darüber hinaus müssen ge-         den Frequenzen der Reinigung an vie-
       schlossen. Ebenso wie in den anderen       rade auch die Schülerinnen und Schü-        len Schulen schon lange um ein leidi-
       Bundesländern soll dadurch der Aus-        ler, denen das Lernen schwerer fällt, da-   ges Thema. Daher muss die Zeit bis zur
       breitung des Corona-Virus entgegenge-      bei angeleitet und unterstützt werden.      Wiedereröffnung der Schulen nun ge-
       wirkt werden. Aus der Sicht von Schü-      Diese anspruchsvolle Aufgabe können         nutzt werden, um alle kurzfristig mög-
       lerinnen und Schülern, Eltern sowie        Eltern, auch bei gutem Willen, nicht im     lichen Maßnahmen zur Verbesserung
       Pädagoginnen und Pädagogen ist die-        vollen Umfang leisten. Dies gilt insbe-     der hygienischen Rahmenbedingun-
       se Maßnahme zu begrüßen. Denn nach         sondere in dieser Zeit, in der auch viele   gen zu ergreifen: Die Versorgung mit
       der einhelligen Meinung der Expertin-      Eltern belastet sind: durch Sorgen be-      Seife, Desinfektionsmittel und Einmal-
       nen und Experten trägt sie entschei-       züglich der Gesundheit von Angehö-          Handtüchern muss sichergestellt sein,
       dend dazu bei, eine drohende Überlas-      rigen und Freunden oder auch durch          ebenso eine tägliche und gründliche
       tung unseres Gesundheitssystems zu         existenzielle Sorgen um den Arbeits-        Reinigung aller Unterrichtsräume. Die
       verhindern. Der Schutz der Gesund-         platz und das finanzielle Auskommen.        vielerorts fehlenden Waschbecken und
       heit, insbesondere der von Angehörigen     Hinzu kommen Probleme, die sich aus         Warmwasseranschlüsse müssen um-
       der besonders durch das Virus gefähr-      den Einschränkungen des täglichen Le-       gehend eingerichtet werden. Hierbei
       deten Gruppen, muss höchste Priori-        bens und den Anforderungen der Arbeit       sind insbesondere die Schulträger zu
       tät genießen.                              im Home-Office ergeben. Die wichtigs-       schnellstmöglichem Handeln aufgefor-
                                                  te Aufgabe für Eltern ist in diesen Ta-     dert. Das Land muss seinerseits in Zu-
           Digitales Lernen zu Hause              gen ohnehin nicht die Vermittlung von       sammenarbeit mit Gesundheitsexper-
                                                  schulischen Inhalten, sondern die Sorge     tinnen und -experten eine praktikable
       Innerhalb kürzester Zeit wurden ange-      um das Wohlergehen der Kinder, denn         Handreichung entwickeln, welche Maß-
       sichts dieser unvorhergesehenen Notla-     die Folgen der Pandemie schlagen sich       nahmen im Schulalltag zu berücksich-
       ge allerorten Wege gesucht und gefun-      selbstverständlich auch in Form von         tigen sind.
       den, das Lernen zu Hause bestmöglich       Ängsten und Verunsicherungen bei die-       • Da das Lernen zu Hause den Unter-
       zu gestalten. Dabei konnte man mitun-      sen nieder.                                 richt in der Schule nicht ersetzen kann,
       ter auf bereits vorhandene Ansätze zum                                                 muss sichergestellt werden, dass nun
       Einsatz digitaler Medien zurückgreifen,                                                keine Schülerin und kein Schüler zu-
       zumeist musste aber auf die Schnel-
                                                      Den Neustart vorbereiten
                                                                                              rückgelassen wird. Die ohnehin beste-
       le improvisiert werden. Die Verzöge-       Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch nicht       hende soziale Spaltung beim Bildungs-
       rungen und Unzulänglichkeiten bei der      absehbar, ob der Schulbetrieb nach          erfolg darf sich durch die Corona-Krise
       Umsetzung des Digitalpakts kamen so        dem Ende der Osterferien wieder an-         nicht noch weiter vergrößern. Das be-
       leider besonders zum Tragen. Dennoch       laufen kann. Diese Entscheidung soll        deutet in unseren Augen, dass aus-
       haben diese drei Wochen sehr deutlich      im Verlauf der kommenden Tage ge-           schließlich in der Zeit der Schulschlie-
       gezeigt: Digitale Medien können einen      troffen werden. Sie wird davon abhän-       ßung behandelte Inhalte keinesfalls
       wichtigen Beitrag zum erfolgreichen        gen, ob es gelungen ist, die Ausbreitung    zum Gegenstand von Leistungsbewer-
       Lernen leisten. Genauso deutlich hat       des Virus entscheidend zu verlangsa-        tungen oder gar Abschlussprüfungen
       sich aber auch gezeigt, dass noch so gut   men. Aber unabhängig von dem Zeit-          gemacht werden dürfen. Allen muss
       gemachte digitale Angebote das Lernen      punkt ist ohne Zweifel damit zu rech-       die Möglichkeit gegeben werden, die zu
       im Kontext der Schule keinesfalls erset-   nen, dass keine unmittelbare Rückkehr       Hause bearbeiteten Inhalte in der Schu-
       zen können. Die unmittelbare Interak-      zu dem Schulbetrieb möglich sein wird,      le nachzubereiten und offen gebliebe-
Rechte hetze und Gewalt - GEW Hessen
9     HLZ 5/2020         zum Inhaltsverzeichnis

    ne Fragen zu klären. Darüber hinaus
    muss auch die Gelegenheit geschaf-
    fen werden, die von den Schülerin-
    nen und Schülern gemachten Erfah-
    rungen in dieser Krisensituation im
    Klassenkontext aufzubereiten. Die Pä-
    dagoginnen und Pädagogen werden
    sich dieser Aufgabe stellen, das Kul-
    tusministerium muss dazu bestmögli-
    che Rahmenbedingungen schaffen. Um
    dies zu ermöglichen, müssen die Schu-
    len an anderen Stellen entlastet wer-
    den, etwa durch das Aussetzen von
    Lernstandserhebungen. Den Schulen
    muss ermöglicht werden, mit dem Un-
    terricht wieder schrittweise zu begin-
    nen, auch mit Kleingruppen. Ziel des
    Schulbetriebs sollte es zunächst sein,
    gemeinsam das bisherige Lernen zu
                                                    Nach der Entscheidung der Landesregierung soll der Unterricht ab dem 27.4. schrittweise
    Hause auszuwerten und positive Mo-              wieder aufgenommen werden, zunächst in den Abschlussklassen und den 4. Klassen der
    mente auch in Form neuer Arbeitsfor-            Grundschulen. Die Abstandsregelungen sollen im Unterricht und in den Pausen eingehal-
    men für den regulären Unterricht zu             ten werden, die Gruppengrößen „15 Schülerinnen und Schüler nicht überschreiten“. Das
    nutzen und zu sichern.                          habe man ja bereits beim Abitur (!) „erfolgreich erprobt.“ (Zeichnung: Thomas Plaßmann)
    • Die nun ad hoc entstandenen Lö-
    sungen zum Einsatz digitaler Medien             der der vollumfängliche Datenschutz            auch im Bildungssystem. Wir stehen
    können einen sorgfältig konzeptionier-          noch der Schutz der Schülerinnen und           gemeinsam für einen Dialog mit den
    ten und ausfinanzierten digitalen Aus-          Schüler vor – nach dem Hessischen              Verantwortlichen in der Bildungspolitik
    bau der Schulen nicht ersetzen. Wenn            Schulgesetz unzulässiger – Werbung si-         bereit, zu den hier erhobenen Forderun-
    regulär mit digitalen Medien gearbeitet         chergestellt. Bei zunächst kostenfreien        gen ebenso wie auch zu allen anderen
    werden soll, dann sind diese im Rah-            kommerziellen Angeboten werden El-             damit zusammenhängenden Fragen.
    men der Lernmittelfreiheit vom Land             tern und Schülerinnen und Schüler zu-          6. April 2020
    zu stellen. Das betrifft neben der Aus-         dem oft zu kostenpflichtigen In-App-
    stattung mit Hard- und Software auch            Käufen verleitet. Daher sollten die nun        Lou-Marleen Appuhn, Paul Harder und
    eine professionelle Systemadminist-             gemachten Erfahrungen zum Anlass               Piet Henrik Pohlmann
    ration. Da es bislang aber an einem             genommen werden, den Ausbau der öf-            geschäftsführender Vorstand der Landes­
    gut ausgebauten öffentlichen Ange-              fentlichen digitalen Bildungsinfrastruk-       schüler*innenvertretung Hessen
    bot mangelt, wurde nun vielerorts auf           tur weiter zu forcieren.                       Korhan Ekinci
    kommerzielle Anbieter zurückgegrif-                Wir stehen angesichts der Pande-            Vorsitzender des Landeselternbeirats Hessen
    fen. Dies darf keinesfalls zum Dauerzu-         mie in allen gesellschaftlichen Berei-         Birgit Koch und Maike Wiedwald
    stand werden, denn bei vielen ist we-           chen vor großen Herausforderungen –            Vorsitzende der GEW Hessen

                                                                                                        „Eine riskante
         Datenschutz auch in der Krise                                                                  Entscheidung!“
    Der Hype des Lernens mit digitalen Medi-        „die Nutzung dieser Dienste nicht mehr er-     Kultusminister Lorz wurde am 17. ­April ge-
    en ließ viele Anbieter ein schnelles Geschäft   forderlich ist“.                               fragt, warum Hessen entgegen den Ankün-
    wittern und führte zu einem Schreiben des           Besondere Zurückhaltung forderte der       digungen von Ministerpräsident ­Bouffier
    Hessischen Datenschutzbeauftragten vom          Datenschutzbeauftragte bei allen „Diens-       die Schulen am 27. April auch für die
    23. März 2020 an alle Schulen. Danach           ten und Systemen, die über eine Cloud-         vierten Klassen der Grundschulen öffnen
    • soll „jede Kommunikation unter Ver-           Anbindung verfügen“. In einer Erklärung        will. Seine Antwort auf hessen­schau.de:
    wendung personenbezogener Daten mög-            vom 9. 7. 2019 hatte der Datenschutzbe-        Man habe sich bei den Beratungen der
    lichst datensparsam und zweckgebunden           auftragte die Nutzung von Microsoft Of-        Bundesländer und in der KMK nicht
    erfolgen“,                                      fice 365 durch Schulen für „unzulässig“ er-    durchsetzen können und sich dann „der
    • soll „möglichst keine Speicherung von         klärt, weil dort gespeicherte Daten „einem     generellen Linie angeschlossen (...), dass
    sensiblen Daten auf dem Privatgerät erfol-      möglichen Zugriff US-amerikanischer Be-        die Abschlussklassen der Grundschule
    gen; im anderen Fall muss die Möglichkeit       hörden ausgesetzt“ sein können. Erst nach      wegen des Übergangs an weiterführen-
    zur unkomplizierten und vollständigen Lö-       „Gesprächen mit Microsoft“ ruderte er in ei-   de Schulen genauso wichtig sind“. Diese
    schung der Daten bestehen“,                     ner weiteren Erklärung vom 2. 8. 2019 zu-      Begründung bezeichnete Lorz als „nach-
    • „sind die damit verarbeiteten personen-       rück, wonach der Einsatz von Office 365        vollziehbar“, aber „aus epidemiologischen
    bezogenen Daten zu löschen, insbesonde-         in Schulen „unter bestimmten Vorausset-        Gesichtspunkten“ sei es „eine riskante
    re die zu diesem Zweck gespeicherten Tele-      zungen und dem Vorbehalt weiterer Prü-         Entscheidung“. Sieht so verantwortungs-
    fonnummern von privaten Geräten“, sobald        fungen vorläufig zu dulden“ sei.               volles Handeln aus, Herr Lorz?
Rechte hetze und Gewalt - GEW Hessen
R e c h t s p o p u l i s m u s u nd R e c h t s e x tr e m i s m u s                         zum Inhaltsverzeichnis           HLZ 5/2020      10

                                                                             Die AfD im Landtag
         Kampfinstrumente in der politischen Auseinandersetzung
         „AfD im Hessischen Landtag – Ein neuer Politikstil und seine       eine breit aufgestellte soziologische und politikwissenschaftli-
         Auswirkungen“ ist der Titel einer ausführlichen Analyse von        che Analyse der Geschichte der AfD, ihrer Strömungen, ihrer
         Hannah Jestädt und Professor Benno Hafeneger, die in diesen        Wahlerfolge sowie der Zusammensetzung von Mitgliedschaft,
         Tagen im Wochenschau-Verlag erscheint. Im Mittelpunkt steht        Mandatsträgern und Wählerschaft in der Bundesrepublik und
         eine akribische Auswertung und Bewertung der Anträge, An-          in den Bundesländern, die sich mit Gewinn auch als Gesamt-
         fragen und Debattenbeiträge der AfD-Fraktion im hessischen         darstellung der AfD lesen lässt. Das Buch enthält ein ausführ-
         Landtag. Der Berichtszeitraum umfasst den Zeitraum von der         liches Kapitel mit Empfehlungen zum Umgang mit der AfD in
         Konstituierenden Sitzung des Landtags am 18.1.2019 bis zum         der Öffentlichkeit und in den Parlamenten. Die HLZ veröffent-
         18. Januar 2020. Dabei erwies sich die AfD als eine sehr flei-     licht einige Schlaglichter über die Zielrichtung der Anträge und
         ßige Fraktion mit immerhin 107 Anträgen und 229 Großen und         Anfragen und dokumentiert das abschließende Kapitel „Bilan-
         Kleinen Anfragen. Eingebettet ist diese hessische Perspektive in   zierende Einschätzung und Ausblick“ in Auszügen.

         Für Oppositionsparteien gilt verfassungsgemäß generell, par-       Druck auf politisch Verantwortliche und Geldgeber auszu-
         lamentarische Debatten anzuregen und Initiativen zu ergrei-        lösen, die von ihr so genannten „Altparteien“ vorzuführen,
         fen. Es ist ihre Aufgabe und ihr Auftrag die Regierung mit         weil der AfD (…) die ganze Richtung einer Politik nicht passt,
         Anfragen und Anträgen, aktuellen Stunden und eigenen Ge-           die eine offene und liberale, demokratiefördernde und plu-
         setzentwürfen zu konfrontieren und herauszufordern. Dies           ralistische Gesellschaft favorisiert.
         ist ein Kernmerkmal parlamentarisch verfasster Demokrati-          • Die AfD-Fraktion (…) will mit ihren Fragen zu Migration,
         en und zeigt ihre Transparenz, Lebendigkeit und das Ringen         Asyl und Flucht, zu Gender, Innerer Sicherheit, Kriminalität,
         um bessere Lösungen. Die Regierungen sind – im Rahmen der          Klimawandel und vielen anderen Themenbereichen vielfach
         Geschäftsordnung mit den zugehörigen Fristen – verpflich-          nur provozieren, ihre Kernthemen popularisieren und ex-
         tet, Auskunft zu erteilen und zu antworten. Anfragen, An-          ternen Einfluss nehmen. Dabei meint externe Einflussnah-
         träge und Aktuelle Stunden sind auch – das gilt nicht nur,         me alle Versuche, auf landespolitische Themen, Strukturen,
         aber insbesondere für die AfD – ein Kampfinstrument in der         Träger, Konzepte, Förderung, Angebote und Personen Ein-
         politischen Auseinandersetzung. (…)                                fluss nehmen zu wollen.
                                                                            • In den politischen Auseinandersetzungen wird versucht,
                                                                            politisch-kulturelle Ängste (Migration, Überfremdung, sozi-
                      Anträge, Anfragen, Debatten
                                                                            aler Abstieg) in Teilen der Bevölkerung (vor allem der un-
         Dabei schien es in Hessen der Partei- und Fraktionsspitze zu-      teren sozialen Schichten) wiederholt ganz oben zu halten,
         nächst zu gelingen, die unterrschiedlichen Strömungen zu in-       zu dramatisieren und den Diskurs in diese Richtung zu ver-
         tegrieren und der im Kern rassistischen Partei ein mehr mo-        schieben. Sozialen Gruppen werden wiederholt ethnisierte,
         derat rechtskonservatives Profil zu geben – sie definiert(e)       kulturalisierte und rassifizierte Bilder und Haltungen zuge-
         sich wiederholt als bürgerlich-konservativ. Aber auch in Hes-      wiesen; sie werden abgelehnt, abgewertet und ausgegrenzt.
         sen zeigte sich im parlamentarischen Verhalten sukzessive          • Es sind Denkmuster identifizierbar, die mit „gefühl-
         eine aggressive, menschen- und demokratiefeindliche Rhe-           ten Wahrheiten“ und „alternativen Fakten“ seriöses Wis-
         torik, wird in den Anfragen, Anträgen und Debattenbeiträ-          sen und Konsens in der Wissenschaft (Klimawandel, Gen-
         gen die ideologische Orientierung deutlich. Ihr geht es vor        derforschung, Migration) problematisieren, infrage stellen
         allem – vielfach mit detaillierten Fragekatalogen verbunden        und leugnen. Man geriert sich als kritischer und alternati-
         – um Informationen und Auskünfte über angebliche Miss-             ver Geist, der mit „gesundem Menschenverstand“ und me-
         stände einer für sie durchweg in allen Bereichen „verfehl-         thodenkritisch mit angeblich eigener Expertise dem Main-
         ten Politik“ von Regierung (und auch den Vorstellungen der         stream widerspricht. (…)
         anderen Oppositionsparteien), über eine ihr missliebige För-       • Oft mit zunächst vermeintlich unverdächtig anmutenden
         derpolitik, das Infragestellen und Denunzieren von Trägern         und neutralen (informationsgeleiten) Fragen werden sukzes-
         und Handlungsfeldern, engagierten Akteuren und deren Ak-           sive Förderpolitik, Programme, Einrichtungen und Maßnah-
         tivitäten. (…)                                                     men infrage gestellt, angegriffen, denunziert und – unter an-
             Im Duktus der Fragen, in den angeforderten Auskünften          derem mit antifeministischem ideologischem Repertoire – für
         und in den Debattenbeiträgen schwingen Aspekte wie un-             überflüssig erklärt.
         korrektes Vorgehen, missbräuchliches und rechtswidriges            • Gepaart werden ein neoliberales Wirtschaftskonzept und
         Handeln, vermeintliche Tatbestände und Verhaltensweisen,           nationales Sozialstaatskonzept mit einem traditionellen und
         fehlende Kontrolle und Prüfung mit, die auf die Delegitimie-       ausgrenzenden Verständnis sozialer und kultureller Werte
         rung in der öffentlichen Meinungsbildung zielen. Die AfD           und Normen gegen kulturelle Diversität, Multikulturalismus,
         signalisiert damit, was und wen sie beobachtet und öffent-         Feminismus und Einwanderung.
         lich macht, wem sie angebliches „Fehlverhalten“ nachweist,         • Politisch-kulturell werden die „Bewahrung“ und „Ret-
         was und wen sie einschüchtern, diskreditieren, denunzieren,        tung“ gegen den konstruierten „kulturellen Feind“, der von
         vorführen und unter Druck setzen will. Damit zusammen-             außen kommt („die Migranten“), die „sichere Heimat“ sowie
         hängend wird versucht, eine Kultur der Angst zu erzeugen,          regionale und deutsche Identität propagiert. (…)
11     HLZ 5/2020       zum Inhaltsverzeichnis                                                                                Titelthema

         Vor allem die offen oder verdeckt ideologisch motivierten
     Anträge und Anfragen sowie die Subtexte gehören mit ihrer
     – vielfach kaum um Mäßigung bemühten – Rhetorik, ihren
     Formulierungen und Sprachgesten zur Strategie der AfD. Es
     sind Versuche, den öffentlichen und parlamentarischen po-
     litischen Diskurs zu beeinflussen und mit ihren Krisennar-
     rativen nach rechts zu verschieben, eine Kultur der Verunsi-
     cherung, Denunziation und Ängstlichkeit zu erzeugen. Die
     Fragen und Beiträge sollen angebliche politische Probleme
     und Krisen- und Fehlentwicklungen einer bedrohten Ord-
     nung und des mit Volksgemeinschaftsrhetorik verbundenen
     vermeintlichen „Überlebenskampfes“ aufzeigen. (…)

          Verunsicherung, Denunziation, Bedrohung
     Der angebotene autoritäre, antiuniversalistische, illiberale
     und retardierende „Gegenentwurf“ eines Neonationalismus,
     der (…) eher ein populistisches „Potpourri“ des gewöhnlichen      Auf dem Foto links und vom Präsidium aus rechts: Seit Januar
     (nationalistischen) Repertoires ist, soll demokratisch ausge-     2019 ist die AfD mit 17 männlichen und einer weiblichen Abge-
     handelte und kompromissorientierte Politik denunzieren.           ordneten im Landtag vertreten. (Foto: H. Heibel, Landtagskanzlei)
        Durch parlamentarische Anträge, Anfragen und Aktuelle
     Stunden im Landtag sollen demokratiebewusste und men-             gehen soll und wie sich „rechte Räume“ entwickeln. Es ist
     schenrechtsbasierte Aktivitäten in allen gesellschaftlichen       davon auszugehen, dass es – wenn die AfD jemals Regie-
     Bereichen sowie Teile der Zivilgesellschaft und der Kultur        rungsverantwortung haben sollte – für kritische und eman-
     unter Druck geraten. Deren Träger und engagierte Akteure          zipatorische, demokratie- und menschenrechtsbewusste Trä-
     werden angegriffen und deren Förderung bzw. Förderungs-           ger, Vereine, Initiativen und Aktivitäten keine öffentlichen
     würdigkeit wird problematisiert. Sie werden angefragt, sol-       Fördergelder mehr geben wird.
     len überprüft werden und sich (in die Defensive gedrängt)
     rechtfertigen; sie werden diffamiert und angefeindet, sol-        Die Veröffentlichung der Auszüge erfolgt mit freundlicher Genehmi-
                                                                       gung von Benno Hafeneger und Hannah Jestädt und des Wochen-
     len eingeschüchtert und verängstigt, ihr Engagement soll
                                                                       schau-Verlags.
     beschnitten und ihre Handlungsspielräume sollen einge-
     engt werden. (…)                                                  Benno Hafeneger und Hannah Jestädt: AfD im Hessischen
        Ein Blick in andere Länder mit rechtspopulistischer Re-        Landtag. Ein neuer Politikstil und seine Auswirkungen. Wo-
     gierung bzw. Regierungsbeteiligung zeigt, wohin die Reise         chenschau Verlag, 160 Seiten, 14,90 Euro. Frankfurt 2020

              Aus den Anfragen der AfD-Fraktion im Hessischen Landtag
     • Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge: Gefragt wird nach       dem Antrag „Aufruf gegen ‚Gender-Unfug‘“ wird der Landtag
     der Anzahl, den Einrichtungen, der Altersbestimmung, der          aufgefordert, „sämtliche in der Vergangenheit vom Hessischen
     „psychotherapeutischen Behandlung“ und den „Kosten der Un-        Landtag beschlossenen Regelungen, die eine ‚geschlechterge-
     terbringung in Jugendhilfeeinrichtungen“; weiter nach der An-     rechte Sprache‘ zum Gegenstand haben, außer Kraft“ zu setzen.
     zahl der „Fahndungen“, den „erkennungsdienstlichen Maßnah-        • Bildung: Zur „Stärkung der innerfamiliären Bildung“ fordert
     men“ und der „Altersfeststellung“, den „Verurteilungen“ und       die AfD-Fraktion, „weniger für Ganztagsangebote und mehr für
     „Haftstrafen“ sowie dem „zeitweise nicht bekannten Aufent-        das dreigliedrige Schulsystem“ auszugeben. Sie fordert, Geld
     haltsort“ und der „Betreuungssituation“.                          für Inklusiven Unterricht einzusparen und „zur Stärkung des
     • Kopftuch im Schuldienst: Die AfD fragte u.a. nach der Zahl      bewährten Förderschulsystems“ zu verwenden. Ausgaben für
     der Lehrerinnen, „die aus religiösen Gründen ein Kopftuch tra-    die „Förderung von Schülern mit Migrationshintergrund“ soll-
     gen“, und der Zahl der Studentinnen, die aus religiösen Grün-     ten reduziert werden, da diese eine „Verletzung des im Grund-
     den ein Kopftuch tragen.                                          gesetz verankerten Gleichbehandlungssatzes“ darstellten. Pro-
     • Fridays for Future: Die AfD fragte nach der Zahl ausgefal-      gramme zum Spracherwerb für geflüchtete Menschen sollen
     lener Unterrichtsstunden, nach „Gegenbewegungen“, der Ab-         beschränkt werden, denn „eine Investition in ausreisepflichti-
     sicherung bei Unfällen und „dem Umgang mit CO2-Emissionen         ge Personengruppen“ sei „überflüssig.“ Die Landesmittel für die
     bei Schulfahrten, wobei insbesondere die Auswahl der Zielorte     Studienkollegs an den hessischen Universitäten sollen komplett
     und die Transportmittel verstärkt in den Blick zu nehmen sind“.   gestrichen und die dort angebotenen Kurse zur Studienvorbe-
     • Gender Mainstreaming: Fünf Anträge und Anfragen thema-          reitung „ausländischen Bewerbern vollumfänglich in Rech-
     tisieren Gender und Sprache in verschiedenen Kontexten. In        nung gestellt werden“.
     einer Anfrage geht es um „Toiletten für das ‚dritte Geschlecht‘   • Ausländerbeiräte: Die AfD-Fraktion ist nach dem Urteil von
     und Unisextoiletten an hessischen Bildungseinrichtungen“. Eine    Hafeneger und Jestädt „auch für Überraschungen“ gut. So plä-
     Anfrage fragt nach der Definition der Landesregierung bezüg-      dierte sie im Dezember 2019 in der Debatte über den Gesetzes-
     lich „Gender-Mainstreaming“ und nach der Anzahl der Lehr-         entwurf der Regierungskoalition zur Zukunft der Ausländer-
     stühle und wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbei-      beiräte (HLZ 3/2020) für deren Stärkung. Das Gesetz sei eine
     ter, die sich mit dem Thema „Gender“ auseinandersetzen. In        „Frechheit“ und der „Zorn des Ausländerbeirates“ berechtigt.
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