Rechte hetze und Gewalt - GEW Hessen
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Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 73. Jahr Heft 5 Mai 2020 zum Inhaltsverzeichnis Titelthema: Rechte Hetze und Gewalt
HLZ HLZ 5/2020 2 Zeitschrift der GEW Hessen Auswirkungen der für Erziehung, Bildung, Forschung ISSN 0935-0489 HLZ: I M P R E S S U M Corona-Pandemie Herausgeber: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Landesverband Hessen Zimmerweg 12 Wenn diese Ausgabe der HLZ in der ersten Maiwoche ausgeliefert 60325 Frankfurt/Main Telefon (0 69) 971 2930 wird, werden viele Informationen nicht mehr aktuell sein. Unmit- Fax (0 69) 97 12 93 93 telbar vor Druckbeginn kündigten Ministerpräsident Bouffier und E-Mail: info@gew-hessen.de Homepage: www.gew-hessen.de Kultusminister Lorz am 16. April erste Maßnahmen zur schrittwei- Verantwortlicher Redakteur: sen Wiederaufnahme des Unterrichts an. Früher als in den anderen Harald Freiling Klingenberger Str. 13 Bundesländern sollen auch die vierten Klassen der Grundschule am 60599 Frankfurt am Main 27. April wieder in die Schule. GEW, Landeselternbeirat und Landes- Telefon (0 69) 636269 E-Mail: freiling.hlz@t-online.de schülervertretung erklärten gemeinsam, dass die Voraussetzungen Mitarbeit: für eine Wiederaufnahme nicht gegeben sind (HLZ S.8). Über die Christoph Baumann (Bildung), Tobias Cepok (Hoch- Aktivitäten der GEW in der Zeit der Schulschließung berichten wir schule), Holger Giebel, Angela Scheffels (Mitbestim- mung), Michael Köditz (Sozialpädagogik), Annette in einem Blog auf Seite 6. Für alle aktuellen Informationen ver- Loycke (Recht), Andrea Gergen (Aus- und Fortbildung), Karola Stötzel (Weiterbildung), Gerd Turk (Tarifpolitik weisen wir dringend auf unsere Homepage www.gew-hessen.de. und Gewerkschaften) Gestaltung: Harald Knöfel, Michael Heckert † Titelthema: Harald Freiling und Ernst Olbrich Ihre Anfragen an die GEW Hessen Da viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Illustrationen: Thomas Plaßmann (S. 5, 21, 31), Ruth Ullenboom (S. 4) der Landesgeschäftsstelle der GEW Hessen weiterhin von zuhause arbeiten, bitten wir Fotos, soweit nicht angegeben: Peter Jülich (Titel), GEW (S. 7, 24) Anfragen an die GEW vorzugsweise per Post (Zimmerweg 12, 60325 Frankfurt) oder Verlag: E-Mail zu stellen (info@gew-hessen.de). Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH Niederstedter Weg 5 Erfahrungen mit Sachleistungsbeihilfen 61348 Bad Homburg In anderen Bundesländer wurde eine pau- schale Beihilfe eingeführt. Wir suchen Mit- Anzeigenverwaltung: Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH glieder, die als Beamte in der Gesetzlichen Peter Vollrath-Kühne Krankenversicherung sind und uns über ihre Postfach 19 44 Erfahrungen mit der in Hessen bestehenden 61289 Bad Homburg Sachleistungsbeihilfe berichten: HLZ S.35 Telefon (06172) 95 83-0, Fax: (06172) 9583-21 E-Mail: mlverlag@wsth.de Was GEW-Mitglieder lesen… In der HLZ 7-8/2020, die in den Sommerfe- Erfüllungsort und Gerichtsstand: Bad Homburg rien erscheint, möchten wir gern Lesetipps von GEW-Mitgliedern für GEW-Mitglieder Bezugspreis: veröffentlichen. Bitte senden Sie Ihre Texte Jahresabonnement 12,90 Euro (9 Ausgaben, ein- schließlich Porto); Einzelheft 1,50 Euro. Die Kosten bis zum 1. Juni an: freiling.hlz@t-online.de sind für die Mitglieder der GEW Hessen im Beitrag enthalten. Zuschriften: Aus dem Inhalt Rubriken Einzelbeiträge Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bilder 4 Spot(t)light 5 Personalratswahlen verschoben! wird keine Haftung übernommen. Im Falle einer Ver- öffentlichung behält sich die Redaktion Kürzungen 34 Hochschule: Ein neuer Hochschul- 6 Corona: Blog aus dem Zimmerweg vor. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen pakt für Hessen (2021 bis 2025) 8 Corona: Gemeinsame Erklärung nicht mit der Meinung der GEW oder der Redaktion 35 Recht: Krankenversicherung von GEW, Landeselternbeirat und übereinstimmen. 36 Recht: Schule und Recht Landesschülervertretung 37 Jubilarinnen und Jubilare 22 Neue Schulstatistik für Hessen Redaktionsschluss: 24 Ausbildung und Anforderungen an Titelthema: Rechtspopulismus und Jeweils am 5. des Vormonats Erzieherinnen und Erzieher Rechtsextremismus in Hessen 26 Fachgespräch Mathematik der KMK 10 Die AfD im hessischen Landtag 27 Grundrechte in Gefahr? 12 Tabubruch: Die Sprache der Rechten Nachdruck: 28 lea: Informationen zum Programm Fotomechanische Wiedergabe, sonstige Vervielfälti- 14 Was wäre, wenn die AfD für das 29 Gedanken zur Begrüßung der neuen gungen sowie Übersetzungen des Text- und Anzei- Kultusministerium zuständig ist? Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst genteils, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher 16 Die Rolle der Burschenschaften Genehmigung der Redaktion und des Verlages. 30 Volker Imschweiler: Zwölf Essentials 18 Die extreme Rechte in Hessen zur Lehrerfortbildung in Hessen Druck: 20 Politische Bildung: Rechts = Links? Druckerei und Verlag Gutenberg Riemann GmbH 32 Graphic Novels über die NS-Zeit Werner-Heisenberg-Str. 7, 34123 Kassel
3 HLZ 5/2020 zum Inhaltsverzeichnis K O MME N T A R Gegen rechte Hetze und Gewalt Wenn diese Ausgabe der HLZ ihre Leserinnen und Menschen am 19. Februar kamen der Bundespräsi- Leser erreicht, sind seit der Drucklegung drei Wochen dent und der hessische Ministerpräsident nach Ha- vergangen. Das ist für die HLZ-Redaktion nicht neu, nau. Ihre moralischen Appelle, sich dem Terror, dem aber noch nie war unsere Ungewissheit über die Er- Hass und der Hetze entgegenzustellen, waren richtig eignisse und Veränderungen, die sich in diesen drei und wichtig. Doch Appelle allein wirken wenig und Wochen vollziehen, so groß wie unter den Bedin- verhallen schnell, wie wir jetzt schon spüren. Gefragt gungen der Corona-Pandemie. Weil alles, was uns sind ein handlungsfähiger Staat und ein solidari- vor drei Wochen beschäftigte, beim Erscheinen die- sches Miteinander, das die von vielen Seiten betrie- ser HLZ Makulatur sein kann, werden Sie auch in bene Ausgrenzungspolitik, das neoliberale „Divide et der Ausgabe der HLZ wenig zur Corona-Pandemie impera“ beendet. Eine Gesellschaft, in der die Men- und ihren Folgen finden. Alle aktuellen Informati- schen Abstiegsängste haben und die Spaltung von onen und Stellungnahmen der GEW finden Sie auf Oben und Unten, von Arm und Reich immer größer unserer Homepage www.gew-hessen.de. Stattdessen wird, hat wenig in der Hand, sich der erstarkenden werden wir uns vorrangig den Themen zuwenden, die rechten Extremisten zu erwehren. durch die Corona-Pandemie an den Rand gedrängt Max Horkheimer sagte 1939 am Vorabend des werden, die uns aber alle weiter beschäftigen sollten Zweiten Weltkriegs, wer vom Kapitalismus nicht re- und müssen. Dazu gehören die Gefahren, die dem ge- den will, solle „auch vom Faschismus schweigen.“ sellschaftlichen Frieden durch rechten Terror, rech- Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter gehörten te Hetze und Rechtspopulismus drohen. zu den ersten, die die Nazis 1933 in die KZ brach- „Qui habet aures audiendi audiat“: Wer Ohren hat ten. Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter stel- zum Hören, der höre, heißt es im Matthäus-Evan- len sich auch heute gegen Rechtsextremismus, rechte gelium (11,15). Wer wollte, konnte es wissen: noch Hetze und rechten Hass. Als Pädagoginnen und Päd- vor Hanau, vor Halle, vor der Ermordung von Wal- agogen sind wir dem Bildungsauftrag der Hessischen ter Lübcke, vor München 2016, vor dem Auffliegen Verfassung und des Schulgesetzes verpflichtet, „die der Terrorgruppe NSU, vor Lübeck, Solingen, Ros- Grundrechte für sich und andere wirksam werden zu tock-Lichtenhagen und noch davor und davor. In lassen, eigene Rechte zu wahren und die Rechte an- Deutschland existieren seit langem „rechte“ Extre- derer auch gegen sich selbst gelten zu lassen“. Und misten, Netzwerke und Strukturen, die unsere frei- als Gewerkschaft im Deutschen Gewerkschaftsbund heitlich-demokratischen Grundwerte in Frage stellen treten wir für eine Wirtschaftspolitik ein, die dem und ihrer Gesinnung auch brutale, tödliche Gewalt Staat seine Handlungsfähigkeit zurückgibt, und für folgen lassen. Rechtsextreme Einstellungen, Frem- eine Sozialpolitik, die diesen Namen verdient. denfeindlichkeit, Antisemitismus, Geschichtsrevi- sionismus und der Glaube an einen starken Führer gibt es aber nicht nur im Untergrund oder am Rand der Gesellschaft, sondern längst auch in deren Mit- te. Gruppenbezogener Hass, die Ablehnung von al- lem, was als „anders“ empfunden wird, ist breit in allen gesellschaftlichen Schichten verankert. Einigen dunklen Facetten geht die HLZ in einem Schwerpunkt in dieser Ausgabe auf den Grund. Warum bedurfte es so vieler dicht aufeinander- folgender Gewalttaten, damit diese Realitäten end- Tony C. Schwarz Stellvertretender lich in den Fokus einer breiteren Öffentlichkeit und Vorsitzender der Politik zu rücken? Nach der Ermordung von zehn der GEW Hessen
SPOT(T)LIGHT zum Inhaltsverzeichnis HLZ 5/2020 4 Alpträume im Ruhestand Wenn ich drei verschiedene Titel auslei- he, hat zumindest jeder in der Klasse ir- gendein Buch. Immer wieder renne ich orientierungslos durch Gänge und fin- de meine Klassen nicht. Im schlimms- Eine Doppelstunde Deutsch in der 9. ich beginne einfach mit Erörterung. Ich ten Fall bin ich dabei barfuß und tra- Klasse. Es hat längst geklingelt. Aber schreibe an die Tafel: „Klassenfahrten ge einen Schlafanzug. Wenn ich meine ich finde die vorbereiteten Aufgaben sind sinnlose Vergnügungen und steh- Gruppe endlich gefunden habe, sitzen nicht. Ich wühle in den Papierbergen len kostbare Unterrichtszeit“. Das regt hinten zehn erwartungsvolle Studen- auf meinem Schreibtisch. Alles fliegt die Jugendlichen hoffentlich auf und ten. Zu allem Überfluss muss ich stän- durcheinander: Karteikarten, Einkaufs- vertreibt schon mal eine ganze Stunde. dig das Referendariat wiederholen. Da- zettel, Urlaubsfotos, Hefter, Quittun- Wenn ich jetzt nur den richtigen Raum bei fällt mir im Schlaf glücklicherweise gen, Entschuldigungen. Ich renne ner- und meine Schüler finden würde! Hin- meist ein, dass ich das zweite Staatsex- vös mit dem Grammatikbuch die zwei ter jeder Tür sitzt ein anderer Kurs und amen längst habe. Kilometer zum Kopierer im Nebenge- schaut verwundert hoch. Im Traum liegen in meinem Zim- bäude. Am Gerät steht ein Kollege, der Bevor ich ganz verzweifle, wache mer jede Menge Klausuren, die ich noch eine Freistunde hat und alle Zeit der ich auf. Was soll der Quatsch? In die korrigieren muss. Eine Erörterung zum Welt, seine Materialien für die nächs- Schule müssen nur noch die anderen. Sinn von Klassenfahrten wartet seit drei ten Schuljahre herzustellen. Er lässt mir Warum träume ich regelmäßig so einen Monaten auf meinen Einsatz. In der ungnädig den Vortritt. Meine Kopien Mist, der mir im Lehrerleben nie pas- Gruppe sind längst die Zeugnisse ver- werden blass und unleserlich. Was soll siert wäre? Ich war immer pünktlich teilt worden. Wozu soll ich mir jetzt ich nur zwei Deutschstunden lang ma- und gut vorbereitet. Ich habe immer noch die alten Aufsätze vornehmen? chen? Ich hasse Stegreifunterricht. Ach, gewissenhaft korrigiert und terminge- Aber zwei eifrige Mädchen drängeln recht Zensuren errechnet. Ehrlich. Ich mich immer wieder. Soll ich nun erst war ein pädagogisches Musterex- die aktuellen Aufsätze korrigieren oder emplar, gewissenhaft und erst die alten? Am besten keins von bei- zuverlässig. „Pedan- den. Ich könnte einen Hund erfinden, tisch“ knurrt mein der alle Aufsätze gefressen hat. Mann. Aber in Die eigenen Träume erscheinen ei- meinen Träu- nem ja häufig faszinierend und inte- men bin noch ressant. Das Unterbewusstsein reißt nicht angezo- alle Schubladen im Gedächtnis auf gen, sitze am und wirft die verschiedensten Zeiten, Frühstücks- Motive und Menschen durcheinander. tisch, muss Komischerweise wollen andere Leute mir noch die fremde Träume aber nur selten hören… Haare ondu- Mein Mann liest morgens gern lieren und ausführlich die Zeitung und hört nur weiß genau, mit halbem Ohr zu, wie ich nachts dass ich es im Nachthemd durch immer andere nie im Le- Schulgebäude irre. Er will auch nicht ben zur drit- erfahren, wie ich im Traum richtig ten Stun- sinnvolle Unterrichtsstunden abhal- de schaffen te. „Irre“, schwärme ich von meinen werde. Soll pädagogischen Leistungen. „Mindes- ich mich lie- tens dreißig Minuten lang habe ich ber gleich für im Traum Grammatik unterrichtet.“ – den ganzen Tag „Unsinn“, sagt mein Mann. „So lange krankmelden? Träume hat man gar nicht. Das dauert In meinen immer nur Sekunden. – Du bist ein- Träumen habe fach zu früh pensioniert worden. Das ich dreizehn Frei- will dir dein Unterbewusstsein sagen. stunden. Ich muss Gegenüber in der Grundschule suchen in „herausfordernden“ sie Betreuung für verhaltensoriginelle Gruppen fachfremd Che- Kinder. Vielleicht solltest du dich da mie und Physik unterrich- mal melden!“ ten, Fächer, die mir schon als Und mein Mann hat Recht. Seit ich Schülerin sehr fern waren. In der im Seniorenheim um die Ecke interna- Bücherei sind alle interessanten Lek- tionale Tänze unterrichte und in der türen ausgeliehen. Nur zerfetzte Lese- Grundschule gegenüber mit renitenten hefte liegen noch rum. „Krambambuli“ Kindern Lesen übe, habe ich diese Alb- und irgendeine Kleist-Novelle. Ge- träume nicht mehr… schichtsbücher gibt es auch keine mehr. Gabriele Frydrych
5 HLZ 5/2020 zum Inhaltsverzeichnis C oron a - K rise Personalratswahlen verschoben Am 24. März 2020 beschloss der Land- Der GEW-Landesvorstand bedankt der Corona-Pandemie. Die GEW wird tag das „Gesetz zur Verschiebung der sich in einem Schreiben vom 25. März intensiv darüber wachen, dass die der- Personalratswahl 2020“ (Drucksache bei allen Kolleginnen und Kollegen und zeitige Krise nicht genutzt wird, um die 20/2566). Danach wird die Amtszeit Beschäftigten der GEW in den Kreis- Rechte der Beschäftigten und ihrer Inter- der am 1. Mai 2020 im Amt befindli- und Bezirksverbänden, im Landesver- essenvertretungen zu untergraben. chen Personalräte im Geltungsbereich band und in der Landesgeschäftsstelle des Hessischen Personalvertretungs- der GEW für die vielfältigen Initiativen, Neuwahl von Schulpersonalräten gesetzes (HPVG) bis „längstens zum Publikationen und Veranstaltungen zur 31. Mai 2021“ verlängert. Gleichzeitig Darstellung der GEW und ihrer Arbeit Klarheit über einen neuen Wahltermin wird das Hessische Innenministerium in den Personalräten und zur Vorbe- besteht noch nicht. Die GEW setzt sich ermächtigt, innerhalb dieses Zeitraums reitung auf die Wahl der Personalräte. weiterhin für einen frühen Wahltermin einen Termin für die Neuwahl „durch ein, der die Verlängerung der Amtszeit Rechtsverordnung festzulegen“. Dies der Personalräte bis zum 31. Mai 2021 Dank an alle Wahlvorstände betrifft im Bereich der GEW alle Per- nicht vollständig ausschöpft. Da der Er- sonalräte an Schulen und Hochschulen Der ganz besondere Dank galt und gilt lass des HMdI jedoch vorgibt, die Wahlen und in der Bildungsverwaltung, die Ge- weiterhin „den Mitgliedern der Wahl- neu einzuleiten, ist auch nach Wieder- samtpersonalräte an den 15 Staatlichen vorstände in jeder einzelnen Schule, eröffnung der Schulen und Hochschulen Schulämtern und die Hauptpersonalrä- in den Gesamtwahlvorständen und in mit einem längeren Vorlauf zu rechnen. te der Lehrerinnen und Lehrer (HPRLL), den Hauptwahlvorständen“, die zu die- Die GEW berät die Schulen, Hoch- beim Kultusministerium (HPR Verwal- sem Zeitpunkt „ihre Arbeit in gewohn- schulen und Einrichtungen, bei denen tung) und beim Ministerium für Wis- ter Zuverlässigkeit aufgenommen und die Arbeit des örtlichen Personalrats senschaft und Kunst (HPRWuK). mit großem Zeitaufwand bereits weit- durch das Ausscheiden von Mitglie- Dieses Gesetz war angesichts der gehend abgeschlossen hatten“. Dieser dern durch Rücktritte, Versetzungen unsicheren zeitlichen Perspektiven der Dank war zugleich mit der Bitte ver- oder Eintritt in den Ruhestand einge- Schließung von Schulen und Hoch- bunden, diese Anstrengungen auch bei schränkt wird oder ganz zum Erliegen schulen auch aus Sicht der Gewerk- einem neuen Wahltermin zu erneuern: kommt, weil keine Nachrückerinnen schaften des öffentlichen Dienstes „Die Verschiebung der Wahl verlangt und Nachrücker zur Verfügung stehen. notwendig und mit ihnen besprochen. neue Anstrengungen, die nur teilwei- Nach § 24 Abs.1 HPVG ist der Personal- Nicht besprochen war der unmittelbar se auf den bisherigen Vorbereitungen rat dann neu zu wählen, wenn „die Ge- nach der Sitzung des Landtags ver- aufbauen können. Dafür bauen wir auf samtzahl der Mitglieder, auch nach Ein- öffentlichte Erlass des Innenministe- eure Unterstützung!“ treten sämtlicher Ersatzmitglieder, um riums. Er besagt, dass mit dem Gesetz Die ersten Wochen der Schließung mehr als ein Viertel der vorgeschriebe- allen Wahlvorständen „die rechtli- von Kitas, Schulen und Hochschulen und nen Zahl gesunken ist, oder der Perso- che Grundlage entzogen“ ist und alle der staatlichen Maßnahmen zur Bekämp- nalrat mit der Mehrheit seiner Mitglie- Vorbereitungen für die Wahlen „ein- fung des Corona-Virus haben gezeigt, der seinen Rücktritt beschlossen hat“. zustellen“ sind. Damit war auch den dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeit- Eine solche Neuwahl könnte dann auch Überlegungen der GEW, die bereits ein- nehmer gerade in solchen Zeiten starke unabhängig von dem allgemeinen neu- geleiteten Personalratswahlen zu einem Gewerkschaften, Betriebs- und Perso- en Wahltermin erfolgen. späteren Zeitpunkt auf der Basis der nalräte brauchen. Die GEW unterstützt • Auch deshalb wird die GEW ihren bis dahin getroffenen Beschlüsse der deshalb alle Personalräte auch weiterhin Service auf der Seite www.gew-pr- Wahlvorstände wieder aufnehmen zu nachdrücklich bei der Wahrnehmung ih- wahl2020.de weiter aufrecht erhal- können, die Rechtsgrundlage entzogen. rer gesetzlichen Rechte auch in Zeiten ten und aktualisieren. Unterlagen aufbewahren Es ist sinnvoll, dass die Wahlvorstän- de auf allen Ebenen das Wahlhandbuch der GEW sowie alle für die Wahl im Mai 2020 gesammelten Unterlagen und Be- schlüsse aufbewahren und dokumen- tieren, so dass bei der Einleitung eines neuen Wahlverfahrens lediglich eine Aktualisierung erfolgen muss. Außer- dem werden die Wahlvorstände dort schnell ihre Arbeit wiederaufnehmen, wo – wie in dem Artikel dargestellt – vor dem allgemeinen Wahltermin Neu- wahlen unumgänglich sind.
C oron a - P a n d emie zum Inhaltsverzeichnis HLZ 5/2020 6 Zimmerweg 12: Was tut die GEW? Der folgende Blog informiert über Akti- aktiv. Nach wenigen Tagen gelingt es ten. René Scheppler (GEW Wiebaden) vitäten und Statements der GEW Hes- auch in der Öffentlichkeit deutlich zu mahnt den Datenschutz an, der jetzt sen in der Zeit vom Beginn der Schul- machen, dass Lehrerinnen und Lehrer offensichtlich „großzügig über Bord schließungen bis zur Fertigstellung der mit den Maßnahmen zur Aufrechter- geworfen“ werde. Zu problematischen Mai-Ausgabe der HLZ. Aktivitäten der haltung des schulischen Lernens, die Plattformen, die Daten abgreifen, gebe Kreis- und Bezirksverbände, der Personal- im Homeoffice erledigt werden kön- es schon jetzt praktikable Alternati- räte und vieler anderer Gremien der GEW nen, gut ausgelastet sind. ven: „Und notfalls lässt sich ein Lern- sind hier nicht erfasst. Alle Stellungnah- paket auch immer noch per Post ver- men findet man im Wortlaut unter www. gew-hessen.de. Donnerstag, 19. März schicken.“ > HLZ S. 9 In hessischen Schulen beginnt für Montag, 23. März Freitag, 13. März 23.500 Schülerinnen und Schüler das schriftliche Abitur. Anders als andere Das „Lernen zu Hause“ ist Thema vie- Die Landesregierung ordnet die Schlie- Bundesländer, die ihre Abiturprüfun- ler öffentlicher Diskussionen und Me- ßung der Schulen und aller Kinderta- gen verschieben, hält Kultusminister dienberichte. Mit diesem Thema befasst geseinrichtungen ab dem 16. März an. Lorz an dem ursprünglichen Zeitplan sich auch die gemeinsame Erklärung Die Verordnung enthält die Aussage, fest. Die Vorsitzenden der GEW Hes- von GEW, LEB und LSV. > HLZ S. 8-9 dass „die Präsenzpflicht für Lehrkräfte sen hatten sich im Vorfeld deutlich und Schulleitungen bestehen“ bleibt. für eine Verschiebung ausgesprochen. Dienstag, 24. März Am Montag können Schülerinnen und Die Gesundheit der Schülerinnen und Schüler noch einmal die Schule betre- Der Landtag beschließt ein – zuvor mit Schüler und der Lehrkräfte müsse „im- den Gewerkschaften beratenes – Gesetz ten, um Unterrichtsmaterialien abzuho- mer im Mittelpunkt von Entscheidun- len und Absprachen mit den Lehrkräf- zur Verlängerung der Amtszeit der Per- gen stehen“. Schülerinnen und Schü- sonalräte im Geltungsbereich des HPVG ten zu treffen. Für die Betreuung von ler unterstützten die Forderung mit Kindern, deren Eltern in „systemrele- längstens bis zum 31. 5. 2021. Der un- einer Online-Petition. Eine gemeinsa- mittelbar danach vorgelegte Erlass vanten Berufen“ arbeiten, bieten Kitas me Position mit dem Landeselternbei- und Schulen eine Notbetreuung an. Die des Innenministeriums, alle laufenden rat (LEB) und der Landesschülerver- Wahlvorbereitungen für unwirksam zu Liste der anspruchsberechtigten Eltern tretung (LSV) wurde nicht gefunden. wird in den folgenden Tagen mehrmals erklären, war dagegen nicht abgespro- Auch in der GEW gibt es gegensätzli- chen. > HLZ S.5 erweitert beziehungsweise geändert. che Auffassungen. Mittwoch, 25. März Montag, 16. März Freitag, 20. März Die GEW Hessen reagiert auf Berichte, Die GEW stellt klar, dass Lehrkräfte und • Die Ausgangsbeschränkungen wer- dass es weiterhin Träger von Kinder- sozialpädagogische Fachkräfte über 60 den verschärft. Am Ende der ersten Wo- tageseinrichtungen gibt, die auf einer oder mit relevanten Vorerkrankungen che der Schulschließungen stellt die Präsenzpflicht für Erzieherinnen und nicht zur Notbetreuung eingesetzt wer- GEW-Vorsitzende Birgit Koch fest, dass Erzieher auch außerhalb der Notbetreu- den können. Die Möglichkeit, dass Mit- trotz mehrfacher Ausweitung der Grup- ungen bestehen. Das führe zu „der ab- arbeiterinnen und Mitarbeiter, die selbst pe anspruchsberechtigter Eltern nur surden Situation, dass teilweise mehr Kinder unter 12 Jahren zu betreuen ha- wenige Kinder für die Notbetreuung Erzieherinnen und Erzieher anwesend ben, diese in die Notbetreuung mitbrin- angemeldet sind. Dies zeige, „dass alle sind als zu betreuende Kinder“. Dabei gen können, widerspreche dem Ziel der Eltern, die es irgendwie anders regeln sei die Ansage eindeutig: „Die Men- Schulschließung, soziale Kontakte zu können, ebenfalls die zusätzlichen Kon- schen sollen so wenig direkte Sozial- minimieren. takte meiden“. kontakte wie möglich haben, um die • Die GEW weist darauf hin, dass es Ausbreitung des Corona-Virus zu ver- Mittwoch, 18. März für die von einigen Schulleitungen ge- langsamen.“ Dies gelte auch für die forderte Dokumentation für Tätigkei- Kindertageseinrichtungen. Berichte aus den Schulen machen ten am häuslichen Arbeitsplatz keine deutlich, dass an vielen Schulen nicht Rechtsgrundlage gibt. Auch gebe es Freitag, 27. März zwingend notwendige Präsenzver- keine entsprechende Weisung durch das pflichtungen für Konferenzen oder HKM oder die Staatlichen Schulämter. Kultusminister Lorz und Sozialminister Teamsitzungen angeordnet werden, Klose kündigen auf einer Pressekonfe- um Konzepte zu erarbeiten oder Vor- Samstag, 21. März renz an, dass Schulen und Kitas für El- haben der Schule zu evaluieren. Auch tern in eng definierten Gesundheits- dies widerspricht aus Sicht der GEW Die GEW-Vorsitzende Maike Wiedwald berufen auch in den Osterferien sowie dem Ziel, „soziale Kontakte zur Ein- lobt in der Sendung „Netzwelt“ auf hr- an Feiertagen und Wochenenden eine dämmung der Pandemie so weit wie iNFO die Bemühungen der Lehrkräfte, Notbetreuung ihrer Kinder ermöglichen möglich einzuschränken“. Personalrä- die Kommunikation mit den Schüle- sollen. Die GEW betont den Grundsatz te und GEW-Vertrauensleute werden rinnen und Schülern aufrechtzuerhal- der Freiwilligkeit beim Einsatz von Pä-
7 HLZ 5/2020 zum Inhaltsverzeichnis dagoginnen und Pädagogen und for- der GEW arbeiten im Home-Office. Ins- dert für die Kolleginnen und Kollegen, besondere die Kolleginnen der Landes- die solche Dienste übernehmen, „beste rechtsstelle müssen viele Fragen beant- Bedingungen insbesondere bei Schutz- worten. Außerdem bemühen sie sich, und Desinfektionsmaterial“ sowie einen alle verfügbaren Informationen zu ar- zeitnahen Ausgleich. Kolleginnen und beits- und sozialrechtlichen Fragen von Kollegen in der Notbetreuung müssten Beschäftigten auf der Homepage ver- zudem „von allen anderen Aufgaben fügbar zu machen. freigestellt werden, zum Beispiel von • Das Referat Aus- und Fortbildung der Betreuung ihrer Klassen aus dem der GEW fordert für Lehramtsstudieren- Homeoffice“. de „eine einheitliche, großzügige Re- gelung zur Verlängerung der Abgabe- Montag, 30. März fristen von Hausarbeiten und anderen Prüfungsleistungen“. • Die GEW erreichen immer mehr Notrufe von Lehrkräften im Vorberei- Donnerstag, 2. April Ab dem 19. März war die Landesge- tungsdienst (LiV), die nach den Osterfe- schäftsstelle der GEW im Zimmerweg in rien ihr zweites Staatsexamen ablegen Die Vorsitzenden der GEW Hessen Frankfurt für mehrere Wochen geschlos- müssen. Christina Nickel, stellvertre- fordern in einem Schreiben an Wis- sen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter senschaftsministerin Dorn, dass Stu- bearbeiteten die Anfragen und Anliegen tende Vorsitzende des Hauptpersonal- dierenden, die im bevorstehenden Som- der Mitglieder aus dem Homeoffice. Be- rats (HPRLL) und Ko-Vorsitzende im ratungen und Beschlüsse des geschäfts- Referat Aus- und Fortbildung der GEW, mersemester keine Studienleistungen führenden Landesvorstands erfolgten im informiert über die Bemühungen des erbringen können, keine Nachteile ent- Rahmen von Telefonkonferenzen. Über alle HPRLL um eine Klärung. Ein weiteres stehen dürfen. Alle befristeten Verträge, Initiativen der GEW informieren wir auf Update erfolgt am 15. April. Den aktu- auch die der studentischen Beschäftig- unsere Homepage www.gew-hessen.de. ellen Stand erfährt man auf der Home- ten, müssten unterbrechungsfrei ver- • Anfragen an die GEW Hessen erbitten page www.gew-hessen.de. längert werden. > www.gew-hessen.de. wir weiterhin vorzugsweise per Post (Zim- • Die GEW-Vorsitzende Birgit Koch merweg 12, 60325 Frankfurt) oder Mail weist auf dramatische Lücken der So- Freitag, 3. April (info@gew-hessen.de). forthilfen hin: „Viele Soloselbständige Die GEW Hessen mahnt dringend an, an Volkshochschulen sowie Honorar- Mittwoch, 15. April die Finanzierung der Kitas, Jugendhil- lehrkräfte und Lehrkräfte für DaF und fe- und Sozialeinrichtungen zu sichern, Nach der Konferenz der Ministerprä- DaZ geraten in existentielle Not.“ auch wenn diese in der Corona-Kri- sidentinnen und Ministerpräsidenten se geschlossen werden und keine Leis- Dienstag, 31. März tungen erbringen können. > HLZ S.25 mit der Bundeskanzlerin kündigt Mi- nisterpräsident Bouffier ab dem 27.4. Der Geschäftsführende GEW-Landes- erste Schritte zur Wiederaufnahme vorstand befasst sich in einer Telefon- Dienstag, 7. April des Unterrichts zunächst in den Ab- konferenz mit aktuellen Fragen. Ob GEW, Landesschülervertretung und schlussklassen an. Die GEW bekräf- die Schulen auch nach Ostern wieder Landeselternbeirat veröffentlichen eine tigt in ihren Stellungnahmen in allen öffnen, ist noch unklar. Die GEW for- gemeinsame Erklärung zu den Voraus- Medien, welche Voraussetzungen er- dert die Landesregierung auf, unab- setzungen für eine Wiederöffnung der füllt sein müssen, und rät zu vorsichti- hängig von der Dauer der Schulschlie- Schulen. > HLZ S. 8 gem Vorgehen, das der Gesundheit von ßung schon jetzt Vorkehrungen für die Beschäftigten und Schülerinnen und Aufnahme des Schulbetriebs zu treffen. Donnerstag, 9. April Schülern oberste Priorität einräumt. Dazu fordert die GEW ein umfassendes Hygienekonzept und eine deutliche und Maike Wiedwald weist in der hessen- Donnerstag, 16. April nachhaltige Verbesserung der hygieni- schau auf die schlechten hygienischen schen Bedingungen an den Schulen. Bedingungen an vielen Schulen hin. Minister Lorz legt den Termin für die Außerdem fordert die GEW den Die GEW fordert gründliche Verbesse- Aufnahme des Unterrichts für die Ab- Verzicht auf die Lernstandserhebun- rungen und Vorkehrungen, bevor der schlussklassen der Sekundarstufe I und gen in der Jahrgangsstufe 3 und die Unterricht wieder aufgenommen wer- der Beruflichen Schulen sowie für die schriftlichen Haupt- und Realschul- den kann. > www.gew-hessen.de Jahrgangsstufen 12 und die 4. Grund- abschlussprüfungen. Bereits abgeleg- schulklassen auf den 27. April fest (HLZ te Projekt- und Präsentationsprüfun- Dienstag, 14. April S. 9). In Gruppen mit maximal 15 Schü- gen und Leistungen müssten „gewertet lerinnen und Schülern sollen „mindes- und in die Berechnung von Abschluss- Die GEW Hessen fordert das HKM auf, tens 20 Wochenstunden“ erteilt werden. noten einbezogen werden“. bei ersten Schritten zur Wiederauf- Die GEW hält dies angesichts weiter nahme des Unterrichts, „verbindli- bestehender Abstandsregeln und Min- Mittwoch, 1. April che Vorgaben insbesondere bezüglich destflächen von 20 Quadratmetern pro Jahrgangsstufen und maximaler Grup- Kunde in Läden für verantwortungslos. • Die Schließung der Landesgeschäfts- pengröße zu machen sowie flexible Lö- stelle der GEW muss bis zum 19. April sungen für Lerninhalte, Facheinsatz Alle weiteren aktuellen Infos: verlängert werden. Alle Beschäftigten und Notengebung zu ermöglichen“. www.gew-hessen. de
C oron a - K rise zum Inhaltsverzeichnis HLZ 5/2020 8 Gemeinsam für den Dialog Erklärung von Landeselternbeirat, Landesschülervertretung und GEW Am 6. April veröffentlichten die Vor- tion, das Lernen von den Mitschülerin- wie wir ihn vor der Corona-Krise kann- sitzenden des Landeselternbeirats, der nen und Mitschülern und nicht zuletzt ten. Daher möchten wir hier drei zent- Landesschülervertretung und der GEW auch das soziale Miteinander in der rale Anforderungen aufzeigen, die nach Hessen eine gemeinsame Erklärung zur Schule lassen sich nicht ersetzen. unserer gemeinsamen Meinung dabei Schließung der Schulen und zu den Be- Wir begrüßen die Bemühungen von berücksichtigt werden müssen: dingungen für eine Wiederaufnahme des Eltern, Lehrerinnen und Lehrern und • Strenge Hygienemaßnahmen wer- Unterrichts. Zu diesem Zeitpunkt war sozialpädagogischen Fachkräften, den den noch für lange Zeit fest in den noch nicht bekannt, wann und in welcher Schülerinnen und Schülern das Lernen Schulalltag integriert werden müssen. Form der Unterricht in hessischen Schu- len wieder aufgenommen werden kann. zu Hause zu ermöglichen. Wir wissen Dazu gehören beispielsweise das regel- aber, dass die Voraussetzungen dazu mäßige Händewaschen und eine deut- An den Schulen in Hessen hat seit Mit- in den Familien in sehr unterschied- lich intensivierte Reinigung der Räum- te März kein regulärer Unterricht mehr lichem Maße gegeben sind. Digitales lichkeiten. Leider handelt es sich beim stattgefunden. Zusammen mit den Os- Lernen erfordert eine gute Ausstattung allgemeinen baulichen Zustand der terferien sind die Schulen so, von der mit schnellem Internet, Endgeräten und Schulgebäude, insbesondere auch hin- eingerichteten Notbetreuung abgese- entsprechender, oft kostenpflichtiger sichtlich der Sanitäranlagen, wie bei hen, für mindestens fünf Wochen ge- Software. Darüber hinaus müssen ge- den Frequenzen der Reinigung an vie- schlossen. Ebenso wie in den anderen rade auch die Schülerinnen und Schü- len Schulen schon lange um ein leidi- Bundesländern soll dadurch der Aus- ler, denen das Lernen schwerer fällt, da- ges Thema. Daher muss die Zeit bis zur breitung des Corona-Virus entgegenge- bei angeleitet und unterstützt werden. Wiedereröffnung der Schulen nun ge- wirkt werden. Aus der Sicht von Schü- Diese anspruchsvolle Aufgabe können nutzt werden, um alle kurzfristig mög- lerinnen und Schülern, Eltern sowie Eltern, auch bei gutem Willen, nicht im lichen Maßnahmen zur Verbesserung Pädagoginnen und Pädagogen ist die- vollen Umfang leisten. Dies gilt insbe- der hygienischen Rahmenbedingun- se Maßnahme zu begrüßen. Denn nach sondere in dieser Zeit, in der auch viele gen zu ergreifen: Die Versorgung mit der einhelligen Meinung der Expertin- Eltern belastet sind: durch Sorgen be- Seife, Desinfektionsmittel und Einmal- nen und Experten trägt sie entschei- züglich der Gesundheit von Angehö- Handtüchern muss sichergestellt sein, dend dazu bei, eine drohende Überlas- rigen und Freunden oder auch durch ebenso eine tägliche und gründliche tung unseres Gesundheitssystems zu existenzielle Sorgen um den Arbeits- Reinigung aller Unterrichtsräume. Die verhindern. Der Schutz der Gesund- platz und das finanzielle Auskommen. vielerorts fehlenden Waschbecken und heit, insbesondere der von Angehörigen Hinzu kommen Probleme, die sich aus Warmwasseranschlüsse müssen um- der besonders durch das Virus gefähr- den Einschränkungen des täglichen Le- gehend eingerichtet werden. Hierbei deten Gruppen, muss höchste Priori- bens und den Anforderungen der Arbeit sind insbesondere die Schulträger zu tät genießen. im Home-Office ergeben. Die wichtigs- schnellstmöglichem Handeln aufgefor- te Aufgabe für Eltern ist in diesen Ta- dert. Das Land muss seinerseits in Zu- Digitales Lernen zu Hause gen ohnehin nicht die Vermittlung von sammenarbeit mit Gesundheitsexper- schulischen Inhalten, sondern die Sorge tinnen und -experten eine praktikable Innerhalb kürzester Zeit wurden ange- um das Wohlergehen der Kinder, denn Handreichung entwickeln, welche Maß- sichts dieser unvorhergesehenen Notla- die Folgen der Pandemie schlagen sich nahmen im Schulalltag zu berücksich- ge allerorten Wege gesucht und gefun- selbstverständlich auch in Form von tigen sind. den, das Lernen zu Hause bestmöglich Ängsten und Verunsicherungen bei die- • Da das Lernen zu Hause den Unter- zu gestalten. Dabei konnte man mitun- sen nieder. richt in der Schule nicht ersetzen kann, ter auf bereits vorhandene Ansätze zum muss sichergestellt werden, dass nun Einsatz digitaler Medien zurückgreifen, keine Schülerin und kein Schüler zu- zumeist musste aber auf die Schnel- Den Neustart vorbereiten rückgelassen wird. Die ohnehin beste- le improvisiert werden. Die Verzöge- Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch nicht hende soziale Spaltung beim Bildungs- rungen und Unzulänglichkeiten bei der absehbar, ob der Schulbetrieb nach erfolg darf sich durch die Corona-Krise Umsetzung des Digitalpakts kamen so dem Ende der Osterferien wieder an- nicht noch weiter vergrößern. Das be- leider besonders zum Tragen. Dennoch laufen kann. Diese Entscheidung soll deutet in unseren Augen, dass aus- haben diese drei Wochen sehr deutlich im Verlauf der kommenden Tage ge- schließlich in der Zeit der Schulschlie- gezeigt: Digitale Medien können einen troffen werden. Sie wird davon abhän- ßung behandelte Inhalte keinesfalls wichtigen Beitrag zum erfolgreichen gen, ob es gelungen ist, die Ausbreitung zum Gegenstand von Leistungsbewer- Lernen leisten. Genauso deutlich hat des Virus entscheidend zu verlangsa- tungen oder gar Abschlussprüfungen sich aber auch gezeigt, dass noch so gut men. Aber unabhängig von dem Zeit- gemacht werden dürfen. Allen muss gemachte digitale Angebote das Lernen punkt ist ohne Zweifel damit zu rech- die Möglichkeit gegeben werden, die zu im Kontext der Schule keinesfalls erset- nen, dass keine unmittelbare Rückkehr Hause bearbeiteten Inhalte in der Schu- zen können. Die unmittelbare Interak- zu dem Schulbetrieb möglich sein wird, le nachzubereiten und offen gebliebe-
9 HLZ 5/2020 zum Inhaltsverzeichnis ne Fragen zu klären. Darüber hinaus muss auch die Gelegenheit geschaf- fen werden, die von den Schülerin- nen und Schülern gemachten Erfah- rungen in dieser Krisensituation im Klassenkontext aufzubereiten. Die Pä- dagoginnen und Pädagogen werden sich dieser Aufgabe stellen, das Kul- tusministerium muss dazu bestmögli- che Rahmenbedingungen schaffen. Um dies zu ermöglichen, müssen die Schu- len an anderen Stellen entlastet wer- den, etwa durch das Aussetzen von Lernstandserhebungen. Den Schulen muss ermöglicht werden, mit dem Un- terricht wieder schrittweise zu begin- nen, auch mit Kleingruppen. Ziel des Schulbetriebs sollte es zunächst sein, gemeinsam das bisherige Lernen zu Nach der Entscheidung der Landesregierung soll der Unterricht ab dem 27.4. schrittweise Hause auszuwerten und positive Mo- wieder aufgenommen werden, zunächst in den Abschlussklassen und den 4. Klassen der mente auch in Form neuer Arbeitsfor- Grundschulen. Die Abstandsregelungen sollen im Unterricht und in den Pausen eingehal- men für den regulären Unterricht zu ten werden, die Gruppengrößen „15 Schülerinnen und Schüler nicht überschreiten“. Das nutzen und zu sichern. habe man ja bereits beim Abitur (!) „erfolgreich erprobt.“ (Zeichnung: Thomas Plaßmann) • Die nun ad hoc entstandenen Lö- sungen zum Einsatz digitaler Medien der der vollumfängliche Datenschutz auch im Bildungssystem. Wir stehen können einen sorgfältig konzeptionier- noch der Schutz der Schülerinnen und gemeinsam für einen Dialog mit den ten und ausfinanzierten digitalen Aus- Schüler vor – nach dem Hessischen Verantwortlichen in der Bildungspolitik bau der Schulen nicht ersetzen. Wenn Schulgesetz unzulässiger – Werbung si- bereit, zu den hier erhobenen Forderun- regulär mit digitalen Medien gearbeitet chergestellt. Bei zunächst kostenfreien gen ebenso wie auch zu allen anderen werden soll, dann sind diese im Rah- kommerziellen Angeboten werden El- damit zusammenhängenden Fragen. men der Lernmittelfreiheit vom Land tern und Schülerinnen und Schüler zu- 6. April 2020 zu stellen. Das betrifft neben der Aus- dem oft zu kostenpflichtigen In-App- stattung mit Hard- und Software auch Käufen verleitet. Daher sollten die nun Lou-Marleen Appuhn, Paul Harder und eine professionelle Systemadminist- gemachten Erfahrungen zum Anlass Piet Henrik Pohlmann ration. Da es bislang aber an einem genommen werden, den Ausbau der öf- geschäftsführender Vorstand der Landes gut ausgebauten öffentlichen Ange- fentlichen digitalen Bildungsinfrastruk- schüler*innenvertretung Hessen bot mangelt, wurde nun vielerorts auf tur weiter zu forcieren. Korhan Ekinci kommerzielle Anbieter zurückgegrif- Wir stehen angesichts der Pande- Vorsitzender des Landeselternbeirats Hessen fen. Dies darf keinesfalls zum Dauerzu- mie in allen gesellschaftlichen Berei- Birgit Koch und Maike Wiedwald stand werden, denn bei vielen ist we- chen vor großen Herausforderungen – Vorsitzende der GEW Hessen „Eine riskante Datenschutz auch in der Krise Entscheidung!“ Der Hype des Lernens mit digitalen Medi- „die Nutzung dieser Dienste nicht mehr er- Kultusminister Lorz wurde am 17. April ge- en ließ viele Anbieter ein schnelles Geschäft forderlich ist“. fragt, warum Hessen entgegen den Ankün- wittern und führte zu einem Schreiben des Besondere Zurückhaltung forderte der digungen von Ministerpräsident Bouffier Hessischen Datenschutzbeauftragten vom Datenschutzbeauftragte bei allen „Diens- die Schulen am 27. April auch für die 23. März 2020 an alle Schulen. Danach ten und Systemen, die über eine Cloud- vierten Klassen der Grundschulen öffnen • soll „jede Kommunikation unter Ver- Anbindung verfügen“. In einer Erklärung will. Seine Antwort auf hessenschau.de: wendung personenbezogener Daten mög- vom 9. 7. 2019 hatte der Datenschutzbe- Man habe sich bei den Beratungen der lichst datensparsam und zweckgebunden auftragte die Nutzung von Microsoft Of- Bundesländer und in der KMK nicht erfolgen“, fice 365 durch Schulen für „unzulässig“ er- durchsetzen können und sich dann „der • soll „möglichst keine Speicherung von klärt, weil dort gespeicherte Daten „einem generellen Linie angeschlossen (...), dass sensiblen Daten auf dem Privatgerät erfol- möglichen Zugriff US-amerikanischer Be- die Abschlussklassen der Grundschule gen; im anderen Fall muss die Möglichkeit hörden ausgesetzt“ sein können. Erst nach wegen des Übergangs an weiterführen- zur unkomplizierten und vollständigen Lö- „Gesprächen mit Microsoft“ ruderte er in ei- de Schulen genauso wichtig sind“. Diese schung der Daten bestehen“, ner weiteren Erklärung vom 2. 8. 2019 zu- Begründung bezeichnete Lorz als „nach- • „sind die damit verarbeiteten personen- rück, wonach der Einsatz von Office 365 vollziehbar“, aber „aus epidemiologischen bezogenen Daten zu löschen, insbesonde- in Schulen „unter bestimmten Vorausset- Gesichtspunkten“ sei es „eine riskante re die zu diesem Zweck gespeicherten Tele- zungen und dem Vorbehalt weiterer Prü- Entscheidung“. Sieht so verantwortungs- fonnummern von privaten Geräten“, sobald fungen vorläufig zu dulden“ sei. volles Handeln aus, Herr Lorz?
R e c h t s p o p u l i s m u s u nd R e c h t s e x tr e m i s m u s zum Inhaltsverzeichnis HLZ 5/2020 10 Die AfD im Landtag Kampfinstrumente in der politischen Auseinandersetzung „AfD im Hessischen Landtag – Ein neuer Politikstil und seine eine breit aufgestellte soziologische und politikwissenschaftli- Auswirkungen“ ist der Titel einer ausführlichen Analyse von che Analyse der Geschichte der AfD, ihrer Strömungen, ihrer Hannah Jestädt und Professor Benno Hafeneger, die in diesen Wahlerfolge sowie der Zusammensetzung von Mitgliedschaft, Tagen im Wochenschau-Verlag erscheint. Im Mittelpunkt steht Mandatsträgern und Wählerschaft in der Bundesrepublik und eine akribische Auswertung und Bewertung der Anträge, An- in den Bundesländern, die sich mit Gewinn auch als Gesamt- fragen und Debattenbeiträge der AfD-Fraktion im hessischen darstellung der AfD lesen lässt. Das Buch enthält ein ausführ- Landtag. Der Berichtszeitraum umfasst den Zeitraum von der liches Kapitel mit Empfehlungen zum Umgang mit der AfD in Konstituierenden Sitzung des Landtags am 18.1.2019 bis zum der Öffentlichkeit und in den Parlamenten. Die HLZ veröffent- 18. Januar 2020. Dabei erwies sich die AfD als eine sehr flei- licht einige Schlaglichter über die Zielrichtung der Anträge und ßige Fraktion mit immerhin 107 Anträgen und 229 Großen und Anfragen und dokumentiert das abschließende Kapitel „Bilan- Kleinen Anfragen. Eingebettet ist diese hessische Perspektive in zierende Einschätzung und Ausblick“ in Auszügen. Für Oppositionsparteien gilt verfassungsgemäß generell, par- Druck auf politisch Verantwortliche und Geldgeber auszu- lamentarische Debatten anzuregen und Initiativen zu ergrei- lösen, die von ihr so genannten „Altparteien“ vorzuführen, fen. Es ist ihre Aufgabe und ihr Auftrag die Regierung mit weil der AfD (…) die ganze Richtung einer Politik nicht passt, Anfragen und Anträgen, aktuellen Stunden und eigenen Ge- die eine offene und liberale, demokratiefördernde und plu- setzentwürfen zu konfrontieren und herauszufordern. Dies ralistische Gesellschaft favorisiert. ist ein Kernmerkmal parlamentarisch verfasster Demokrati- • Die AfD-Fraktion (…) will mit ihren Fragen zu Migration, en und zeigt ihre Transparenz, Lebendigkeit und das Ringen Asyl und Flucht, zu Gender, Innerer Sicherheit, Kriminalität, um bessere Lösungen. Die Regierungen sind – im Rahmen der Klimawandel und vielen anderen Themenbereichen vielfach Geschäftsordnung mit den zugehörigen Fristen – verpflich- nur provozieren, ihre Kernthemen popularisieren und ex- tet, Auskunft zu erteilen und zu antworten. Anfragen, An- ternen Einfluss nehmen. Dabei meint externe Einflussnah- träge und Aktuelle Stunden sind auch – das gilt nicht nur, me alle Versuche, auf landespolitische Themen, Strukturen, aber insbesondere für die AfD – ein Kampfinstrument in der Träger, Konzepte, Förderung, Angebote und Personen Ein- politischen Auseinandersetzung. (…) fluss nehmen zu wollen. • In den politischen Auseinandersetzungen wird versucht, politisch-kulturelle Ängste (Migration, Überfremdung, sozi- Anträge, Anfragen, Debatten aler Abstieg) in Teilen der Bevölkerung (vor allem der un- Dabei schien es in Hessen der Partei- und Fraktionsspitze zu- teren sozialen Schichten) wiederholt ganz oben zu halten, nächst zu gelingen, die unterrschiedlichen Strömungen zu in- zu dramatisieren und den Diskurs in diese Richtung zu ver- tegrieren und der im Kern rassistischen Partei ein mehr mo- schieben. Sozialen Gruppen werden wiederholt ethnisierte, derat rechtskonservatives Profil zu geben – sie definiert(e) kulturalisierte und rassifizierte Bilder und Haltungen zuge- sich wiederholt als bürgerlich-konservativ. Aber auch in Hes- wiesen; sie werden abgelehnt, abgewertet und ausgegrenzt. sen zeigte sich im parlamentarischen Verhalten sukzessive • Es sind Denkmuster identifizierbar, die mit „gefühl- eine aggressive, menschen- und demokratiefeindliche Rhe- ten Wahrheiten“ und „alternativen Fakten“ seriöses Wis- torik, wird in den Anfragen, Anträgen und Debattenbeiträ- sen und Konsens in der Wissenschaft (Klimawandel, Gen- gen die ideologische Orientierung deutlich. Ihr geht es vor derforschung, Migration) problematisieren, infrage stellen allem – vielfach mit detaillierten Fragekatalogen verbunden und leugnen. Man geriert sich als kritischer und alternati- – um Informationen und Auskünfte über angebliche Miss- ver Geist, der mit „gesundem Menschenverstand“ und me- stände einer für sie durchweg in allen Bereichen „verfehl- thodenkritisch mit angeblich eigener Expertise dem Main- ten Politik“ von Regierung (und auch den Vorstellungen der stream widerspricht. (…) anderen Oppositionsparteien), über eine ihr missliebige För- • Oft mit zunächst vermeintlich unverdächtig anmutenden derpolitik, das Infragestellen und Denunzieren von Trägern und neutralen (informationsgeleiten) Fragen werden sukzes- und Handlungsfeldern, engagierten Akteuren und deren Ak- sive Förderpolitik, Programme, Einrichtungen und Maßnah- tivitäten. (…) men infrage gestellt, angegriffen, denunziert und – unter an- Im Duktus der Fragen, in den angeforderten Auskünften derem mit antifeministischem ideologischem Repertoire – für und in den Debattenbeiträgen schwingen Aspekte wie un- überflüssig erklärt. korrektes Vorgehen, missbräuchliches und rechtswidriges • Gepaart werden ein neoliberales Wirtschaftskonzept und Handeln, vermeintliche Tatbestände und Verhaltensweisen, nationales Sozialstaatskonzept mit einem traditionellen und fehlende Kontrolle und Prüfung mit, die auf die Delegitimie- ausgrenzenden Verständnis sozialer und kultureller Werte rung in der öffentlichen Meinungsbildung zielen. Die AfD und Normen gegen kulturelle Diversität, Multikulturalismus, signalisiert damit, was und wen sie beobachtet und öffent- Feminismus und Einwanderung. lich macht, wem sie angebliches „Fehlverhalten“ nachweist, • Politisch-kulturell werden die „Bewahrung“ und „Ret- was und wen sie einschüchtern, diskreditieren, denunzieren, tung“ gegen den konstruierten „kulturellen Feind“, der von vorführen und unter Druck setzen will. Damit zusammen- außen kommt („die Migranten“), die „sichere Heimat“ sowie hängend wird versucht, eine Kultur der Angst zu erzeugen, regionale und deutsche Identität propagiert. (…)
11 HLZ 5/2020 zum Inhaltsverzeichnis Titelthema Vor allem die offen oder verdeckt ideologisch motivierten Anträge und Anfragen sowie die Subtexte gehören mit ihrer – vielfach kaum um Mäßigung bemühten – Rhetorik, ihren Formulierungen und Sprachgesten zur Strategie der AfD. Es sind Versuche, den öffentlichen und parlamentarischen po- litischen Diskurs zu beeinflussen und mit ihren Krisennar- rativen nach rechts zu verschieben, eine Kultur der Verunsi- cherung, Denunziation und Ängstlichkeit zu erzeugen. Die Fragen und Beiträge sollen angebliche politische Probleme und Krisen- und Fehlentwicklungen einer bedrohten Ord- nung und des mit Volksgemeinschaftsrhetorik verbundenen vermeintlichen „Überlebenskampfes“ aufzeigen. (…) Verunsicherung, Denunziation, Bedrohung Der angebotene autoritäre, antiuniversalistische, illiberale und retardierende „Gegenentwurf“ eines Neonationalismus, der (…) eher ein populistisches „Potpourri“ des gewöhnlichen Auf dem Foto links und vom Präsidium aus rechts: Seit Januar (nationalistischen) Repertoires ist, soll demokratisch ausge- 2019 ist die AfD mit 17 männlichen und einer weiblichen Abge- handelte und kompromissorientierte Politik denunzieren. ordneten im Landtag vertreten. (Foto: H. Heibel, Landtagskanzlei) Durch parlamentarische Anträge, Anfragen und Aktuelle Stunden im Landtag sollen demokratiebewusste und men- gehen soll und wie sich „rechte Räume“ entwickeln. Es ist schenrechtsbasierte Aktivitäten in allen gesellschaftlichen davon auszugehen, dass es – wenn die AfD jemals Regie- Bereichen sowie Teile der Zivilgesellschaft und der Kultur rungsverantwortung haben sollte – für kritische und eman- unter Druck geraten. Deren Träger und engagierte Akteure zipatorische, demokratie- und menschenrechtsbewusste Trä- werden angegriffen und deren Förderung bzw. Förderungs- ger, Vereine, Initiativen und Aktivitäten keine öffentlichen würdigkeit wird problematisiert. Sie werden angefragt, sol- Fördergelder mehr geben wird. len überprüft werden und sich (in die Defensive gedrängt) rechtfertigen; sie werden diffamiert und angefeindet, sol- Die Veröffentlichung der Auszüge erfolgt mit freundlicher Genehmi- gung von Benno Hafeneger und Hannah Jestädt und des Wochen- len eingeschüchtert und verängstigt, ihr Engagement soll schau-Verlags. beschnitten und ihre Handlungsspielräume sollen einge- engt werden. (…) Benno Hafeneger und Hannah Jestädt: AfD im Hessischen Ein Blick in andere Länder mit rechtspopulistischer Re- Landtag. Ein neuer Politikstil und seine Auswirkungen. Wo- gierung bzw. Regierungsbeteiligung zeigt, wohin die Reise chenschau Verlag, 160 Seiten, 14,90 Euro. Frankfurt 2020 Aus den Anfragen der AfD-Fraktion im Hessischen Landtag • Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge: Gefragt wird nach dem Antrag „Aufruf gegen ‚Gender-Unfug‘“ wird der Landtag der Anzahl, den Einrichtungen, der Altersbestimmung, der aufgefordert, „sämtliche in der Vergangenheit vom Hessischen „psychotherapeutischen Behandlung“ und den „Kosten der Un- Landtag beschlossenen Regelungen, die eine ‚geschlechterge- terbringung in Jugendhilfeeinrichtungen“; weiter nach der An- rechte Sprache‘ zum Gegenstand haben, außer Kraft“ zu setzen. zahl der „Fahndungen“, den „erkennungsdienstlichen Maßnah- • Bildung: Zur „Stärkung der innerfamiliären Bildung“ fordert men“ und der „Altersfeststellung“, den „Verurteilungen“ und die AfD-Fraktion, „weniger für Ganztagsangebote und mehr für „Haftstrafen“ sowie dem „zeitweise nicht bekannten Aufent- das dreigliedrige Schulsystem“ auszugeben. Sie fordert, Geld haltsort“ und der „Betreuungssituation“. für Inklusiven Unterricht einzusparen und „zur Stärkung des • Kopftuch im Schuldienst: Die AfD fragte u.a. nach der Zahl bewährten Förderschulsystems“ zu verwenden. Ausgaben für der Lehrerinnen, „die aus religiösen Gründen ein Kopftuch tra- die „Förderung von Schülern mit Migrationshintergrund“ soll- gen“, und der Zahl der Studentinnen, die aus religiösen Grün- ten reduziert werden, da diese eine „Verletzung des im Grund- den ein Kopftuch tragen. gesetz verankerten Gleichbehandlungssatzes“ darstellten. Pro- • Fridays for Future: Die AfD fragte nach der Zahl ausgefal- gramme zum Spracherwerb für geflüchtete Menschen sollen lener Unterrichtsstunden, nach „Gegenbewegungen“, der Ab- beschränkt werden, denn „eine Investition in ausreisepflichti- sicherung bei Unfällen und „dem Umgang mit CO2-Emissionen ge Personengruppen“ sei „überflüssig.“ Die Landesmittel für die bei Schulfahrten, wobei insbesondere die Auswahl der Zielorte Studienkollegs an den hessischen Universitäten sollen komplett und die Transportmittel verstärkt in den Blick zu nehmen sind“. gestrichen und die dort angebotenen Kurse zur Studienvorbe- • Gender Mainstreaming: Fünf Anträge und Anfragen thema- reitung „ausländischen Bewerbern vollumfänglich in Rech- tisieren Gender und Sprache in verschiedenen Kontexten. In nung gestellt werden“. einer Anfrage geht es um „Toiletten für das ‚dritte Geschlecht‘ • Ausländerbeiräte: Die AfD-Fraktion ist nach dem Urteil von und Unisextoiletten an hessischen Bildungseinrichtungen“. Eine Hafeneger und Jestädt „auch für Überraschungen“ gut. So plä- Anfrage fragt nach der Definition der Landesregierung bezüg- dierte sie im Dezember 2019 in der Debatte über den Gesetzes- lich „Gender-Mainstreaming“ und nach der Anzahl der Lehr- entwurf der Regierungskoalition zur Zukunft der Ausländer- stühle und wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbei- beiräte (HLZ 3/2020) für deren Stärkung. Das Gesetz sei eine ter, die sich mit dem Thema „Gender“ auseinandersetzen. In „Frechheit“ und der „Zorn des Ausländerbeirates“ berechtigt.
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