Zukunft - Universität Innsbruck
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Ausgabe 2/2020, 12. Jg. zukunft zukunft forschung 02 | 20 forschung IDEEN UMSETZEN thema: unternehmertum fördern | physik: chemische prozesse beobachten betriebswirtschaft: bilanzkontrolle | pädagogik: gemeinsam lernen | covid-19: sinn als stresspuffer | theologie: karl rahner & die bibel | ökologie: kreislaufwirtschaft DAS MAGAZIN FÜR WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG DER UNIVERSITÄT INNSBRUCK
EDITORIAL LIEBE LESERIN, LIEBER LESER, D ie Pandemie stellt uns alle vor große Herausforde- ihre Ideen unternehmerisch nutzen und so direkt der Wirtschaft rungen. Auch die Universität ist hier ständig bestrebt, ei- und Gesellschaft unseres Landes zu Gute kommen lassen. Auch Minion nerseits den Betrieb von Forschung und Lehre aufrecht- stellen wir Ihnen vor, mit welchen Maßnahmen wir das Un- DE zuerhalten und andererseits die Gesundheit von Studierenden ternehmertum sowohl unter den Studierenden als auch unter und Mitarbeiter*innen bestmöglich zu schützen. Jenseits dieser unseren Wissenschaftler*innen in vielfältiger Weise fördern. akuten Notwendigkeiten müssen wir uns aber auch Gedanken über die Zeiten nach der COVID-Krise machen. Denn die dras- Neben dem Schwerpunktthema finden Sie in diesem Heft wie- tischen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie werden der viele weitere Beispiele für die erfolgreiche Arbeit an unserer PEFC zertifiziert Dieses Produkt PEFC zertifiziert Dieses Produkt in vielen Bereichen unserer Gesellschaft deutliche Spuren hin- Universität. Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektürenachhaltig und stammt aus stammt aus nachhaltig terlassen. Die Wissenschaftler*innen der Universität Innsbruck freuen uns über Ihre Fragen und Anregungen. Bleiben Sie undge- bewirtschafteten Wäldern bewirtschafteten Wäldern und kontrollierten kontrollierten setzen sich schon jetzt intensiv mit den wirtschaftlichen und sund! Quellen Quellen gesellschaftlichen Folgen der Pandemie auseinander und schaf- www.pefc.at www.pefc.at fen damit die Basis für Lösungen in der Zukunft. Im Schwerpunkt dieser Ausgabe unseres Forschungsmagazins widmen wir uns einem Thema, das nach der Pandemie von besonderer Bedeutung sein wird: der Innovationskraft und dem Unternehmertum. Diese fördern wir an unserer Universität in besonderem Maße, und wir wollen Ihnen hier einige Beispiele TILMANN MÄRK, REKTOR geben, wie Forscher*innen unserer Universität ihr Wissen und ULRIKE TANZER, VIZEREKTORIN FÜR FORSCHUNG Myriad IMPRESSUM Herausgeber & Medieninhaber: Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Christoph-Probst-Platz, Innrain 52, 6020 Innsbruck, www.uibk.ac.at Projektleitung: Büro für Öffentlichkeitsarbeit und Kulturservice – Mag. Uwe Steger (us), Dr. Christian Flatz (cf), Mag. Eva Fessler (ef) Kontakt: public-relations@uibk.ac.at PEFC zertifiziert PEFC zertifiziert Dieses Produkt Dieses Produkt Verleger: KULTIG Werbeagentur KG – Corporate Publishing, Maria-Theresien-Straße 21, 6020 Innsbruck, www.kultig.at stammt aus stammt aus Redaktion: Mag. Melanie Bartos (mb), Mag. Andreas Hauser (ah), Mag. Stefan Hohenwarter (sh), Lisa Marchl, MSc (lm), Daniela Pümpel, MA nachhaltig nachhaltig bewirtschafteten bewirtschafteten (dp), Mag. Susanne Röck (sr) Layout & Bildbearbeitung: Lara Hochreiter, Florian Koch Wäldern und Wäldern und kontrollierten kontrollierten Lektorat & Anzeigen: MMag. Theresa Rass Fotos: Andreas Friedle, Universität Innsbruck Druck: Gutenberg, 4021 Linz Quellen Quellen www.pefc.at www.pefc.at Foto: Uni Innsbruck zukunft forschung 02/20 3
INHALT TITELTHEMA 8 FISHPROTECTOR. Barbara Brinkmeier revolutioniert mit einem neuen Seilrechen die Möglichkeiten im Bereich des Fischschutzes. 8 DISCOVAR. Augmented Reality von der Stange könnte einen Mehrwert für Museen und deren Besucher ergeben.12 AQT. Das Spin-off will den ersten kommerziellen Q uantencomputer verwirklichen – das Konzept stammt von Innsbrucker Physikern. 14 TITELTHEMA. Akademische Forschung eröffnet neue SPIDER-CONNECTOR. Holz als Baustoff spielt bei großvolumigen Einsichten in Natur und Gesellschaft, sehr oft entstehen Bauten noch keine große Rolle – eine Entwicklung von Roland dabei auch konkrete Ideen für die Praxis. Wie solche Maderebner soll das nun ändern. 16 Ideen an der Uni Innsbruck umgesetzt werden, unter- sucht ZUKUNFT FORSCHUNG in dieser Ausgabe. TEXIBLE. Das Spin-off entwickelt intelligente Textilien, die Grund- lagen entstanden am I nstitut für Textilchemie und Textilphysik.18 26 FORSCHUNG STANDORT. Warum die Unternehmensgruppe Getzner auf enge Zusammenarbeit mit Universitäten setzt, erklärt Georg Comploj, ehe- maliger Geschäftsführer der Holding Getzner, Mutter & Cie. 22 CHEMIE. Kathrin Breuker hat einen Mechanismus entschlüsselt, PHYSIK. Roland Wester lässt in seinem Labor der für die Vermehrung des HI-Virus zentral ist. 30 Ionen auf Moleküle prallen und will nun in die- sen Ionen-Molekül-Reaktionen nach Effekten der DIGITALISIERUNG. Editionen wandern zunehmend in den Quantenmechanik suchen. digitalen Raum – das eröffnet auch neue Möglichkeiten. 30 36 PÄDAGOGIK. Thomas Hoffmann will Kinder mit Behinderung besser in den Chemieunterricht einbeziehen. 32 WIRTSCHAFT. Der Wirecard-Bilanzskandal hat die zuständigen Prüfstellen in die Kritik gebracht. Warum sie dennoch wichtig sind, wissen Pia Meusburger und Christoph Pelger. 34 ÖKOLOGIE. Anke Bockreis und Martin Stuchtey setzen bei der Beseiti- gung von Plastikmüll auf das Konzept der Kreislaufwirtschaft. 38 PSYCHOLOGIE. Die Corona-Krise hat auch massive psychische Folgen. Sinnforscherin Tatjana Schnell THEOLOGIE. Karl Rahner prägte die Theologie des 20. J ahrhunderts. untersucht seit Beginn der Krise die Auswirkungen Innsbrucker Forscher untersuchen nun sein V erhältnis zur Bibel. 42 auf das psychische Wohlergehen. RUBRIKEN EDITORIAL/IMPRESSUM 3 | BILD DER WISSENSCHAFT: DAS AUGE EINER SCHWARZEN SOLDATENFLIEGE 4 | NEUBERUFUNG: JOHANNES HOFF 6 | FUNDGRUBE VERGANGENHEIT: DAS HERBARIUM DES INSTITUTS FÜR BOTANIK 7 | MELDUNGEN 22 + 41 | PREISE & AUSZEICHNUNGEN 45 – 47 | ZWISCHENSTOPP: MAYARA SIVERIO LIMA 48 | SPRUNGBRETT INNS BRUCK: URSULA DAXECKER 49 | ESSAY: OPEN SCIENCE – WISSENSCHAFTLICHES WISSEN VERWERTBAR MACHEN von Leonhard Dobusch 50 Auf Augenhöhe mit der Schwarzen Soldatenfliege arbeiten Forsche- der Larven im Detail geklärt, könnten diese industriell gezüchtet und rinnen und Forscher von den Instituten für Mikrobiologie und Öko- als proteinreiches und nachhaltiges Futtermittel eingesetzt werden. Be- logie. Sie untersuchen in mehreren Projekten den Einsatz der Solda- kannt ist bereits, dass symbiontisch lebende Mikroorganismen auf ihrer tenfliegen-Larve in der Bioabfallverwertung: Sind die Zusammenhänge Haut und im Darm die Larven gesund halten, obwohl sie auf und von zwischen der Nahrungszusammensetzung und dem Darm-Mikrobiom verdorbenem Bioabfall leben. Fotos: Andreas Friedle (2), Michael Gunz (1); COVERFOTO: Rothoblaas; BILD DER WISSENSCHAFT: Wolfgang Dibiasi/dibiasiwelt.com zukunft forschung 02/20 5
NEUBERUFUNG DER WEG INS POSTDIGITALE ZEITALTER Als neuer Professor für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät will Johannes Hoff spirituelle Praktiken als Ressource für den aktuellen Transformationsprozess begreifen. M it der Digitalisierung hat die Moderne eine technologische Ausformung erreicht, die für Johannes Hoff den tiefgreifendsten ge- sellschaftlichen Wandel seit der Einfüh- rung der phonetischen Schrift mit sich bringt. Hoff hat sich in seiner Habilitation intensiv mit dem spätmittelalterlichen Mystiker, Philosophen und Bischof von Brixen Nikolaus von Kues beschäftigt. In der Auseinandersetzung mit seinem Werk hat er gelernt, die vormoderne Phi- losophie nicht durch die moderne Brille zu lesen, sondern aus ihrer Entstehungs- JOHANNES N. HOFF wurde 1962 in zeit heraus zu begreifen. „Vieles, was formatikern und Fachleuten aus den Neu- Trier geboren. Er studierte Philosophie und wir als selbstverständlich annehmen, ist rowissenschaften zusammen und traf auf Theologie an den Universitäten Tübingen überhaupt nicht selbstverständlich und einem Diskussionspodium auch seine spä- und Bonn. Von 1995 bis 2006 war er in der Geschichte eigentlich aus Zufällen tere Ehefrau, Sarah Spiekermann, die den wissenschaftlicher Assistent an der Uni heraus entstanden“, sagt Hoff: „Ich habe Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Tübingen; von 2007 bis 2013 Professor versucht, die logische Rationalität des Gesellschaft an der Wirtschaftsuniversität für philosophische Theologie am David‘s Nikolaus von Kues als eine Denkform zu Wien innehat und sich mit digitaler Ethik College der University of Wales und von rekonstruieren, die uns erlaubt, bestimmte beschäftigt. Gemeinsam mit anderen Phi- 2013 bis 2018 Professor für Systematische Holzwege der Moderne kritisch zu über- losophen haben sie 2017 ein Manifest wi- und Philosophische Theologie an der Uni- arbeiten und zu überdenken.“ Mit diesem der den Transhumanismus veröffentlicht. versity of London. Seit 2018 ist er Senior Zugang war Hoff in Deutschland eher ein Research Associate am Von Hügel Institute Exot. „Es war, als ob ich auf der falschen Selbsttechnologien der University of Cambridge und Honorar- Straßenseite fahre“, erzählt der Theologe Die digitale Transformation steht auch im professor an der University of Durham, und Philosoph, der nach Abschluss der Zentrum seines im nächsten Frühjahr er- seit 2020 Professor für Dogmatik an der Habilitation nach England ging. „Als ich scheinenden Buches zur Verteidigung des Universität Innsbruck. dort ankam, habe ich gesehen, dass ich Heiligen. Es stellt die Frage, wie wir mit doch kein Geisterfahrer bin.“ Technik umgehen, wenn wir begriffen ha- Schon in seiner Auseinandersetzung mit ben, dass sich nicht alles auf das Techni- Lebensnerv christlicher Dogmatik zu ent- mathematischen Schriften des Nikolaus sche reduzieren lässt. Johannes Hoff, der decken. In diesen sieht Hoff den Schlüssel von Kues ist Johannes Hoff auf die Frage auch mit führenden Vertretern zeitgenös- zu einer kritischen Revision des modern- gestoßen: Lässt sich wirklich alles digitali- sischer Kunst – wie dem 2011 verstorbe- humanistischen Menschenbildes. In Inns- sieren? „Das Zeitalter der Digitalisierung nen Performance-Künstler Christoph bruck möchte Johannes Hoff nicht nur die begann im 15. und 16. Jahrhundert. Wir Schlingensief – zusammenarbeitet, stellt Studierenden und seine Kollegen, sondern treten eigentlich nicht in das digitale, son- die Frage an die Religion, was sie für die auch die breitere Öffentlichkeit auf den dern jetzt in das postdigitale Zeitalter ein“, Herausforderung, eine zivilisierte Lebens- historisch beispiellosen Epochenumbruch sagt Hoff. „Wenn man alles digitalisiert form im digitalen Zeitalter zu entwickeln, der Digitalen Revolution vorbereiten, de- hat, stellt man nämlich fest, dass irgend- anzubieten hat. In diesem Sinn versucht ren Tragweite seiner Meinung nach nicht etwas unter die Räder gekommen ist.“ Der er, das holistische Denken des Christen- nur von Kirchen und Geisteswissenschaf- Digitalisierung war auch sein Forschungs- tums des ersten Jahrtausends von seinen ten, sondern auch von politischen und zi- programm in den vergangenen fünf Jahren modernen Übermalungen zu befreien und vilreligiösen Verantwortungsträgern un- gewidmet. Dabei arbeitete er eng mit In- in spirituellen „Selbsttechnologien“ den terschätzt wird. cf 6 zukunft forschung 02/20 Foto: Universität Innsbruck
FUNDGRUBE VERGANGENHEIT 1 2 3 4 GEPRESSTE ZEITZEUGEN Die Sammlung von getrockneten, gepressten, etikettierten und meist auf Papierbögen aufgeklebten Pflanzen des Instituts für Botanik umfasst weit über 100.000 Objekte. E in Metallschrank ähnelt dem an- spruch einer Inventarisierung, das Ziel, deren, doch Konrad Pagitz weiß, eine gesamte Flora zu dokumentieren welchen er zu öffnen hat. Er zieht – sowohl gesammelt als auch geschrie- an einer Lade, nimmt eine Mappe he- ben – bildete sich im 19. Jahrhundert, raus, öffnet sie und hält behutsam ein vor allem in der zweiten Hälfte heraus. Blatt in der Hand. Carex heleonastes, die 1804/05 beschrieb etwa Franz Schöpfer Schlenken-Segge, gesammelt und archi- die Flora Oenipontana, in einem annä- SAMMLUNGSSTÜCKE: viert vom Botaniker Rudolf Seeger (1888- hernd 50-Jahr-Rhythmus, so Pagitz, folg- 1 Carex heleonastes, Schlenken-Segge: 1917). Ohne Seeger wüsste man nichts ten weitere Werke zur heimischen Pflan- Historische Zeitzeugen – trotz gezielter vom Vorkommen der Schlenken-Segge in zenwelt. Das damalige Wissen der Zeit Suche ohne aktuellen Nachweis gilt die Nordtirol – sie ist eine von rund 120.000 wurde in den Werken zusammengetra- Art heute in Nordtirol als ausgestorben. bis 130.000 Objekten, die das Herbarium gen. „Für diesen Zeitraum gibt es auch Ohne Belegmaterial würde man das Vor- des Instituts für Botanik umfasst. „Der viel physisches Material in Sammlungen. kommen in Tirol grundsätzlich anzweifeln. Großteil davon ist historisch“, sagt Her- Das ermöglicht uns, das Geschriebene 2 Hieracium levicaule ssp. vitulimontis, barium-Kurator Pagitz, „einzelne unserer mit dem Gesammelten abzugleichen“, Glattstängel-Habichtskraut: Herbarmate- Belege gehen bis 1770 zurück, ab dem 19. erläutert Pagitz. rial „lebt“ – historische und aktuelle Noti- Jahrhundert wird es mehr, intensiv ge- Die gesammelten Objekte können aber zen zeugen von aktiver Arbeit am Material sammelt wurde ab 1850. Das Herbarium noch mehr: sie sind „gepresste Zeitzeu- und wissenschaftlichem Austausch. spiegelt auch die Interessen der Sammler gen“ ausgestorbener Pflanzen; sie sind 3 Eragrostis cilianens, Groß-Liebes- wider, aber hauptsächlich stammen die mögliches Beweismaterial für Fehlbe- gras: Fehlschlag – die Art ist ein Beispiel Objekte aus Tirol, dem Gebiet der k.u.k- stimmungen; sie sind Ausgangspunkt für nicht erfolgreiche Neophyten in der Monarchie und dem Mittelmeerraum.“ von Forschungsarbeiten. Voraussetzung Tiroler Flora. Das kurze, nur wenige Jahre ist, man kann sie „lesen“. Pagitz: „Natür- umfassende Gastspiel an der historischen Nicht nur Aufbewahrungsort lich verblassen die Farben. An Strukturen Rauch’schen Bahn in Mühlau ist durch. Der Wille zur Dokumentation, aber auch kann man an ihnen aber alles nachvoll- Aufsammlungen von Murr dokumentiert. ein ästhetischer Aspekt – es ist für Pagitz ziehen.“ Die Innsbrucker Sammlung 4 Gentiana pneumonanthe, Lungen- eine Art „Zwittersituation“, welche die wird ständig erweitert, es zeigen sich da- Enzian: Der Lungen-Enzian zählt zu den Anlegung von Herbarien förderte. Etwa bei die Spezialisierungen der Forscherin- seltenen Arten in der Tiroler Flora und wie Sammlungen von Kräutern, um Gesund- nen und Forscher. Man habe, meint Pa- viele andere Arten, die extensiv genutzte heitsrelevantes festzuhalten, aber auch gitz, daher die wohl größte aktuelle Feuchtflächen besiedeln, kommt er regel- zum Strauß „gebundene“ gepresste Blu- Sammlung der Planzengattung Rubus der mäßig unter die Räder bzw. das Messer. men. Frühe Herbarien aus dem 16./17. Ostalpen am Institut – Brombeeren sind Hier dokumentiert mit einer Aufsammlung Jahrhundert hatten auch nicht den An- eines seiner Forschungsgebiete. ah aus einer frisch gemähten Feuchtwiese. Fotos: Konrad Pagitz zukunft forschung 02/20 7
EINSATZ FÜR DIE FISCHE Wasserkraft ökologisch vertretbar machen, stand von Beginn an im Forschungsinteresse der Bauingenieurin Barbara Brinkmeier. Mit dem von ihr und ihrem Team entwickelten Seilrechen FishProtector wurden die Möglichkeiten im Bereich des Fischschutzes revolutioniert. Foto: Andreas Friedle zukunft forschung 02/20 9
TITELTHEMA DER FISHPROTECTOR soll W Fische davon abhalten, in die asserkraft steht für sauberen Strom, meier ein Problem, das bisher bei der Konzep- Turbinen von Wasserkraftwer- hat allerdings nach wie vor auch tion von Wasserkraftanlagen wenig Beachtung ken zu schwimmen. negative Auswirkungen auf die Ge- fand. „Fischschutz war für die Betreiber weder wässerökologie. Vor allem für Fische, die fluss- aus ökologischer noch aus rechtlicher Sicht von abwärts schwimmen, können die Turbinen Bedeutung.“ der Kraftwerke zur tödlichen Gefahr werden. Mit der Einführung der Europäischen Was- „Da der Schutz der Fische bis dato in Öster- serrahmenrichtlinie könnte sich dies nun aller- reich noch nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, dings ändern. „Die Richtlinie besagt, dass ein wurde diesem Problem lange keine Beachtung guter ökologischer Zustand in den Gewässern geschenkt“, erklärt Barbara Brinkmeier. Die erreicht werden muss. Dazu zählt auch der Bauingenieurin beschäftigt sich schon seit ihrer Fischschutz“, verdeutlicht Brinkmeier. Auch Dissertation mit Forschungsfragen, die Wasser- wenn die Europäische Richtlinie noch in die kraftwerke ökologisch verträglicher machen nationalen Gesetzgebungen implementiert sollen. Nun steht sie kurz vor der Gründung werden muss, haben die Forscher*innen bereits einer GmbH, die dieses Ziel verfolgt. eine Lösung gefunden, die dem Fischschutz dient, ohne die Effizienz des Kraftwerks zu Barriere & Leitfunktion mindern. Bestehende Rechenanlagen – vertikal ange- Unter der Leitung von Markus Aufleger brachte Metallstäbe – vor den Turbinen der haben Barbara Brinkmeier, Ruben Tutzer und Wasserkraftwerke dienen derzeit dem Schutz Jonas Haug vom Arbeitsbereich für Wasserbau der Turbinen vor Treibgut, das vor allem bei am Institut für Infrastruktur einen Seilrechen Hochwasserereignissen eingetragen wird. entwickelt, der aus horizontal gespannten „Um Fische am Durchschwimmen zu hin- Stahlseilen besteht. Diese lassen sich auch oh- dern, müssten die Abstände der einzelnen ne im Gewässer schwierig zu verwirklichende Rechenstäbe viel geringer sein, was wiederum Träger über Flussläufe spannen. Neben der negative Auswirkungen wie zum Beispiel grö- mechanischen Barriere setzen die Wissen- ßere hydraulische Verluste hätte und somit die schaftler*innen bei ihrer Entwicklung auch auf Effizienz des Kraftwerks schmälern würde. Zudem „Indem wir die Seile unter Strom setzen, erzeugen wir würde ein engerer Ab- stand zwischen den Stä- ein elektrisches Feld im Wasser. Dieses ist so gering, ben dazu führen, dass der dass es keine Gefahr für die Fische darstellt, sie Rechen oft verlegt wird“, nehmen es allerdings wahr, was dazu führt, dass sie schildert Barbara Brink- gar nicht erst zu den Seilen schwimmen. Barbara Brinkmeier 10 zukunft forschung 02/20 Fotos: Barbara Brinkmeier (3), Andreas Friedle (1)
TITELTHEMA IM BAYRISCHEN Wertach soll sich der FishProtector im Praxistest beweisen. eine Verhaltensbarriere. „Indem wir die Seile versität Innsbruck ein europäisches Patent an, unter Strom setzen, erzeugen wir ein elektri- das 2016 zur Erteilung gebracht werden konn- sches Feld im Wasser. Dieses ist so gering, dass te und seither von der Universität finanziert es keine Gefahr für die Fische darstellt, sie neh- wird. Bei der Einreichung für ein FFG Spin-off men es allerdings wahr, was dazu führt, dass Fellowships zur Förderung von Ausgründun- sie gar nicht erst zu den Seilen schwimmen. gen wurde Brinkmeier 2017 von den Mitarbei- So bekommt das System zudem eine gewisse ter*innen aus dem projekt.service.büro und Leitfunktion, da die Fische den Seilen folgen, der Transferstelle intensiv unterstützt. Die Be- bis sie in einem Bypass abgeleitet werden und mühungen waren von Erfolg gekrönt und das so das Kraftwerk umschwimmen können“, be- Projekt HYFISH mit 500.000 Euro gefördert. schreibt Barbara Brinkmeier die Entwicklung, „Dieses Programm und zahlreiche Angebo- die mittlerweile auch patentiert ist. te an der Uni Innsbruck haben mich sehr gut Nachdem mittlerweile sowohl Deutschland auf die Unternehmensgründung vorbereitet“, als auch die Schweiz den Fischschutz vor Was- sagt Brinkmeier. Neben dem patentierten Seil- serkraftwerken gesetzlich vorschreiben, wollen rechen haben die Wissenschaftler*innen mitt- Brinkmeier und Aufleger das von ihnen ent- lerweile auch die Schutzrechte für ein System wickelte System nun auch vertreiben. Erste beantragt, mit dem bestehende Rechenanlagen Pilotanlagen sind gebaut und die Gründung unter Strom gesetzt werden können. „Damit einer GmbH ist mit Jahresbeginn 2021 geplant. könnten Kraftwerksbetreiber bestehende Re- Um mit dem Produkt auch auf dem österrei- chenanlagen, die bisher nur dem Turbinen- chischen Markt erfolgreich sein zu können, be- schutz dienten, auch für den Fischschutz auf- darf es allerdings noch einiger Überzeugungs- rüsten“, erklärt Brinkmeier. arbeit. „In Österreich wurde die Europäische Dass sie und ihr Team am Arbeitsbereich für Wasserrahmenrichtlinie in Bezug auf den Wasserbau Problemlöser sind, zeigt auch ihr Fischschutz mit der Begründung noch nicht aktuellstes Projekt: Bei der elektrischen Aus- in die nationale Gesetzgebung implementiert, rüstung des Systems gibt es noch Anpassungs- dass es keine technisch geeignete Möglichkeit bedarf beim Korrosionsschutz und in Sicher- BARBARA BRINKMEIER, dafür gibt – das müssen wir jetzt widerlegen“, heitsfragen. In Kooperation mit dem Innsbruck geboren 1981 in Villach, so Brinkmeier. Power Electronics Lab am Institut für Mecha- studierte Bauingenieurwissen- tronik wird nun gemeinsam nach praktikablen schaften an der Technischen Unternehmerin durch Zufall Lösungsansätzen gesucht. „Die Universität Universität Graz. Im Anschluss Der Weg zum eigenen Unternehmen war bei bietet uns hier optimale Möglichkeiten inter- promovierte sie im Fach- der Bauingenieurin nicht vorgezeichnet: „Ich disziplinär zu arbeiten. Neben unserem Wissen gebiet Wasserkraft an der wusste relativ schnell nach meinem Dokto- im Bereich der Bauingenieurwissenschaften Universität Innsbruck. Seit rat, dass der klassische Weg an der Univer- haben wir uns mittlerweile auch sehr detailliert 2012 ist Barbara Brinkmeier sität nicht meine erste Wahl ist, dass ich ein in die Themenbereiche Fischbiologie und Elek- am Arbeitsbereich Wasserbau Unternehmen gründen werde, ist allerdings trotechnik eingearbeitet und arbeiten auch er- am Institut für Infrastruktur auch eher dem Zufall geschuldet.“ Nachdem folgreich mit Kolleginnen und Kollegen ande- der Uni Innsbruck tätig. Ihre der Seilrechen entwickelt und entsprechend rer Disziplinen zusammen“, so Barbara Brink- Arbeit wurde bereits mehrfach getestet war, wurde der Weg zur Unterneh- meier. Derzeit unterziehen die Wissenschaft- ausgezeichnet, unter anderem mensgründung klarer. Um der Forscherin und ler*innen ihren FishProtector in einer Pilotan- mit dem Tiroler Businessplan- ihrem Team einen sicheren Markteintritt und lage an der Wertach in Bayern dem Praxistest, wettbewerb adventure X 2019 Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten künftig soll er Fischen vor vielen Wasserkraft- und dem zweiten Platz beim am Markt zu ermöglichen, meldete die Uni- anlagen das Leben retten. sr NEPTUN Wasserpreis 2019. zukunft forschung 02/20 11
TITELTHEMA AUGMENTED REALITY VON DER STANGE Brigit Danthine und Gerald Hiebel machen sich für die Darstellung von a rchäologischen Forschungsergebnissen semantische Datennetzwerke zunutze. Daraus könnte sich auch ein Mehrwert für Museen und deren Besucher ergeben. D ie Informationstafel ist schon län- am Institut für Archäologien, die Situa- und Erkenntnisse in der Aufbereitung ger in die Jahre gekommen, der tion. Gemeinsam mit ihrem Fachkolle- und Darstellung von archäologischen Audioguide eigentlich auch be- gen Gerald Hiebel, der auch am Digital Forschungsergebnissen Museen zur Ver- reits überholt. Die Erwartungen an einen Science Center (DiSC) beschäftigt ist, hat fügung stellen könnte. „Wir arbeiten Museumsbesuch steigen ebenso wie die sie 2020 beim Startup.Tirol.Award mit ih- bereits seit einiger Zeit mit relationalen technischen Möglichkeiten der Informati- rer Geschäftsidee „DiscovAR“ einen ers- Daten und gehen sogar einen Schritt da- onsaufbereitung. In vielen großen Muse- ten Lösungsvorschlag für dieses Dilemma rüber hinaus, indem wir unsere Daten en wie zum Beispiel dem British Museum präsentiert und dafür den 4. Platz errun- mit semantischen Netzwerken repräsen- oder dem Bayerischen Nationalmuseum gen. Der Weg dorthin war ein für Geistes- tieren. Die Zusammenhänge zwischen hat Augmented Reality (AR) als Vermitt- wissenschaftler eher ungewöhnlicher, wie historischen Ereignissen, Fundstücken, lungskonzept Einzug gehalten: Die Besu- sich Danthine und Hiebel einig sind. Fundplätzen, Personen und unseren cherinnen und Besucher können zu be- Über die Teilnahme an den regelmäßi- wissenschaftlichen Analysen sind – so gen Treffen des Doktoranden- und Post- doktoranden-Netzwerkes RESI sind die beiden im InnCubator-Programm für Gründerinnen und Gründer gelandet. „Ich war irgendwie immer der Meinung, solche Programme sind nur für Natur- wissenschaftler und Techniker. Ich hätte mir nicht gedacht, dass es da auch für Geisteswissenschaftler Möglichkeiten gibt“, meint Danthine, die schließlich von Gründungsberater*innen vom Gegenteil überzeugt wurde: „Und wir haben uns für den InnCubator beworben.“ „Wir haben die Idee stark „Wenn man sich auf eine In der Unternehmensschmiede der konkretisiert und an einer Universität Innsbruck und der Tiroler Gründung einlässt, muss man entsprechenden Kommunikation Wirtschaftskammer entstand dann die sie auf der Prioritätenliste ganz und Präsentation bei möglichen konkrete Idee zu „DiscovAR“, einem nach oben setzen. Das war ein Kunden gearbeitet.“ Brigit Danthine neuartigen und nutzerfreundlichen Tool, Lehrstück für uns.“ Gerald Hiebel das es Museen ermöglichen soll, mittels stimmten Ausstellungsobjekten Videos, AR Geschichten über ihre Objekte zu er- glauben wir – so viel besser abbildbar“, 3D-Modelle, Animationen oder interak- zählen. Und das zu einem auch für klei- erläutert Gerald Hiebel. „Auch Museen tive Karten und Spiele über eine App auf nere und kleine Museen leistbaren Preis. haben solche Daten; Know-how, Zeit und dem Smartphone abrufen. Für kleinere Ist das Tool einmal gekauft, kann man es Geld zur weiteren Aufbereitung fehlen Museen ist es allerdings schwierig, auf für jede Ausstellung wieder neu mit In- aber oft.“ diesen Zug aufzuspringen. halten bespielen, so das Konzept. Bis vor zwei Jahren gingen seine Über- „Die Umsetzung von Augmented- legungen allerdings nicht sehr weit über Reality-Konzepten ist mit einem hohen Forschung weiterdenken ein vages „Da könnte man mal was ma- Kosten- und Zeitaufwand verbunden Gerald Hiebel, der ursprünglich aus dem chen“ hinaus. Denn Forschungsprojekte, und wird meist extern und für jede Aus- Arbeitsbereich Vermessung und Geoin- so bedauert er, enden meist, wenn die stellung neu zugekauft“, schildert Brigit formation kommt, denkt schon länger Grundlagenforschung abgeschlossen ist. Danthine, Archäologin und Doktorandin darüber nach, wie man die Erfahrungen Auslöser für ein Weiterdenken war die 12 zukunft forschung 02/20 Fotos: Andreas Friedle
TITELTHEMA ANHAND DES ARCHÄOLOGISCHEN Museums der Uni Innsbruck zeigen Brigit Danthine und Gerald Hiebel die Möglichkeiten und die Funktionsweise. Wichtig ist ihnen die einfache Bedienbarkeit des Tools, denn in kleinen Museen mangelt es oft an Budget, Personal und Zeit. Teilnahme am InnCubator. „Wir haben tiert hat. Potenzielle Kunden gäbe es laut Eine Erkenntnis haben die Wissen- die Idee stark konkretisiert und an einer ihrer Marktanalyse durchaus, und einzel- schaftler aber auch gemacht. „Wenn man entsprechenden Kommunikation und ne Museen haben in Gesprächen bereits sich auf eine Gründung einlässt, muss Präsentation bei möglichen Kunden gear- Interesse signalisiert. Um DiscovAR als man sie auf der Prioritätenliste ganz nach beitet. Natürlich haben wir uns auch mit fertiges Produkt zu realisieren und auf oben setzen. Das war ein Lehrstück für Aspekten wie Marktgröße auseinander- den Markt zu bringen, sind außerdem fi- uns. Wir haben gedacht, dass dies auch setzen müssen“, beschreibt Danthine, die nanzielle Mittel für die Entwicklung der neben laufenden Forschungsprojekten von der Unternehmensschmiede profi- IT-Infrastruktur nötig. realisierbar ist“, berichten die beiden. Aus diesem Grund ist derzeit noch offen, wie und wann es mit DiscovAR weitergeht, MENSCHEN KÖNNEN Informationen aus dem Kontext erschließen und bauen unbe- denn derzeit lässt die Arbeit an aktuellen wusst Verknüpfungen zwischen verschiedenen Informationsquellen auf. Maschinen muss Forschungsprojekten zu wenig Spiel- diese Fähigkeit erst beigebracht werden. Daten werden für Maschinen les- und verwert- raum. Gerald Hiebel hofft aber auf die bar, indem mithilfe von Knowledge-Graphen ein sogenanntes semantisches Netzwerk Genehmigung eines Forschungsvorha- darübergelegt wird. Google verwendet beispielsweise semantische Netzwerke. Gibt man bens in Kooperation mit dem Naturhisto- zum Beispiel einen Begriff wie Washington ein, so erhält man nicht nur Treffer, in denen rischen Museum und den Ausgrabungen das Wort vorkommt, sondern auch eine geclusterte Unterscheidung zwischen der Haupt- in Hallstatt, wo es u. a. auch um die Prä- stadt, dem Bundesstaat oder dem Präsidenten und jeweils unterschiedlichen Informatio- sentation und Aufbereitung von Daten in nen von Texten bis hin zu Karten und Flugverbindungen. semantischen Netzwerken geht. ef zukunft forschung 02/20 13
TITELTHEMA THOMAS MONZ: „AQT konzentriert sich auf die Hardware. Mit Software-Partnern loten wir aus, in welche Anwendungsrichtung es gehen soll.“ QUANTEN FÜR DIE PRAXIS Vor 25 Jahren schlugen Innsbrucker Physiker vor, Quantencomputer basierend auf einer Ionenfalle zu realisieren. Das Quanten-Spin-off AQT will nun nach diesem Konzept den ersten kommerziellen Quantencomputer verwirklichen. D ie neuen Büroräumlichkeiten sind Erste Überlegungen, Quantencomputer Stück für Stück näher rückte, und Thomas gerade bezogen, corona-bedingt nicht nur fürs Labor, sondern auch für die Monz, selbst wissenschaftlicher Mitarbei- sind sie nur schütter besetzt – und Praxis zu bauen, kamen 2016 auf, „bald ter am Institut für Experimentalphysik doch hält Thomas Monz, Geschäftsfüh- haben wir aber gemerkt, dass wir ohne der Universität Innsbruck. Das Jahr 2017 rer der Alpine Quantum Technologies Firmengründung nicht weiterkommen, nutzte man zur Erstellung eines Business- GmbH, kurz und knackig AQT genannt, dass wir keine Verträge abschließen, ja plans und zur Klärung der Frage, wie fest: „Eigentlich braucht‘s schon wieder nicht einmal Räumlichkeiten anmieten denn ein Team auszusehen habe. Bald was Größeres. Stand Anfang November können“, sagt Monz. Wir, das sind der war klar: Es braucht Personen mit Quan- sind wir zwölf Mitarbeiter.“ Noch nicht Theoretische Physiker und Quantencom- tenphysik- und Industriehintergrund. Fi- ganz drei Jahre ist es her, dass die AQT als puter-Vordenker Peter Zoller, der Experi- nanzielle Unterstützung beim Schritt ins wohl erstes Quantentechnologieunterneh- mentalphysiker Rainer Blatt, der im Labor Unternehmertum bekam man durch eine men Österreichs gegründet wurde. Das der Realisierung eines Quantencomputers Preseed-Förderung der aws. 2018 war – ehrgeizige Ziel: der Bau eines kommer- neben der inhaltlichen Arbeit – das Jahr ziellen Quantencomputers. 1995 wurde der Verhandlungen, galt es doch, sich mit „Wir können uns gegenüber erstmals ein auf einer Ionenfalle basie- der Universität Innsbruck und der Öster- rendes Konzept eines Quantencomputers US-Firmen wie Google, IBM reichischen Akademie der Wissenschaften vorgestellt (siehe Infobox Seite 15), 25 Jah- oder Intel behaupten. Im über die Verwertung der dort erbrachten re später hat die von AQT realisierte Ver- akademischenBereich machen wissenschaftlichen Arbeiten zu einigen. sion (derzeit) in zwei Serverracks Platz. wir das seit 20 Jahren.“ Thomas Monz „Im Frühjahr 2019 waren die IP-Verträ- 14 zukunft forschung 02/20 Fotos: Andreas Friedle
TITELTHEMA ge unter Dach und Fach“, erzählt Monz, DER BAUPLAN FÜR einen Ionenfallen- Rechenleistung: „Die größten derzeitigen mit dem „Freedom to Operate“ und den Quantencomputer und eine schaltungs- Rechner können 50 Qubits gerade noch ersten zwei Mitarbeitern ging man auf In- basierte Quantencomputerarchitektur im simulieren.“ Denn Qubits können – im vestorensuche. Allgemeinen basiert auf einem Konzept, Gegensatz zu Bits, die nur den Zustand „Schlussendlich war das Angebot der das 1995 an der Universität Innsbruck [1] oder [0] annehmen können – gleichzei- FFG und der Universität Innsbruck das von den Theoretischen Physikern Peter tig im Zustand [1] und [0] sein bzw. auch beste für uns“, sagt Monz. Die FFG betei- Zoller und Ignacio Cirac (heute Max- in theoretisch unendlich vielen Zustän- ligte sich mit fünf Millionen Euro aus Mit- Planck-Institut für Quantenoptik in den dazwischen. Mit zwei Bits kann man teln der Nationalstiftung für Forschung Garching) vorgestellt wurde. Im Jahr folglich nur vier Kombinationen (0-0, 0-1, und Technologieentwicklung an der 2005 gelang es dem Team des Innsbru- 1-0, 1-1), sprich Zahlen darstellen, die vie- AQT, die Universität Innsbruck ebenfalls cker Experimentalphysikers Rainer Blatt, len Möglichkeiten der Qubits lassen die mit fünf Millionen über die Leistungs- erstmals acht Qubits auf kontrollierte Art Rechenleistung eines Quantencomputers vereinbarung mit dem Bund. Ebenso am und Weise zu verschränken und damit extrem ansteigen. Spin-off beteiligt ist die Tiroler Industriel- ein „Quantenbyte“ zu erzeugen. 2011 Leistungen, die für große Rechenzent- lenvereinigung. „Sie unterstützt die Inns- verschränkten sie 14 Qubits, inzwischen ren, im Bereich der Finanzwirtschaft, der brucker Quantenphysik schon seit 20 Jah- können 20 bis hin zu 50 Qubits kontrol- Chemie oder der Materialwissenschaft in- ren und ist bei uns eingestiegen, bevor die liert werden. In den letzten Jahren kamen teressant sind. „Wir verfügen inzwischen IP-Verträge fixiert waren“, betont Monz. von Innsbrucker Forscherinnen und über eine Maschine, die sehr vielverspre- Auch international machte das junge Forschern regelmäßig neue Vorschläge, chend ist“, sagt Monz salopp. Mit Soft- Unternehmen auf sich aufmerksam: 2020 die zur Realisierung eines Quantencom- warepartnern wird derzeit eruiert, wel- gab das Weltwirtschaftsforum wie jedes puters beitragen sollen – und wurden in cher Bereich am lukrativsten ist und wel- Jahr seine Auswahl von über 100 der viel- Experimenten umgesetzt. Die Fortschritte, che Adaptionen – z. B. Anzahl der Qubits versprechendsten Technologie-Pioniere welche die Innsbrucker Quantenspe- – es dafür benötigt. Das Ergebnis soll in bekannt – darunter war AQT das einzige zialistinnen und -spezialisten erzielten, einen Demonstrator einfließen, mit dem österreichische Unternehmen. schlagen sich auch in der Hardware nie- man kommendes Jahr potenziellen Kun- der. Fanden die ersten Experimente noch den zeigen will, „was das Ding kann.“ Vielversprechende Technologie auf zwei billardtischgroßen Tischen statt, Monz nennt ein – fiktives – Beispiel aus Doch was ist an der Innsbrucker Techno- findet der Quantencomputer von AQT in der Finanzwirtschaft: „Die Analyse von logie derart vielversprechend? Bei auf zwei „klassischen“ Serverracks Platz. Aktienportfolios ist klassisch rechenauf- Ionenfallen basierenden Quantencom- wendig – wir wollen Lösungen im Bruch- putern werden einzelne geladene Atome teil einer Sekunde anbieten.“ in Vakuumkammern – bei Temperaturen Auch in der modularen Bauweise sieht nahe Null Kelvin – gefangen. „Das Coo- Thomas Monz einen unternehmerischen le daran ist“, erläutert Monz, „dass wir Aspekt. Der Rechner ist aufgebaut wie diese tiefen Temperaturen in der Falle eine klassische Stereoanlage, die einzel- mit Laserkühlung von außen durch ein nen, komprimierten Komponenten – Pro- kleines Fenster erzeugen können. Unser zessor, Lasereinheit, Stabilisator, Vertei- Quantencomputer kann also bei Raum- ler… – passen in ein Serverrack: „Das ist temperatur betrieben werden. Andere interessant, falls jemand nur eine dieser Technologien benötigen einen ‚Kühl- Komponenten benötigt.“ Vom AQT- schrank‘, in denen der Rechner arbeitet.“ Know-how soll auch die Universität Eine Folge: Der Quantenrechner arbeitet Innsbruck profitieren. „Wir stehen als extrem sparsam, der Stromverbrauch ent- Industriepartner für gemeinsame Projek- spricht „grob dem eines Wasserkochers“. te zur Verfügung“, erläutert der AQT-Ge- Ein weiterer Vorteil liegt in der Methode. schäftsführer. Zwei solcher Kooperatio- Monz: „Wir fangen im Vakuum Ionen, nen – eines mit dem Institut für Experi- können z. B mit fünf anfangen, dann mentalphysik und dem Institut für Theo- sechs, dann sieben – wir müssen an der retische Physik, das andere mit Experi- Hardware nichts ändern.“ mentalphysikern und Mechatronikern – Jedes derart gefangene Ion repräsen- wurden von der FFG schon genehmigt. tiert ein Qubit, welches einzeln durch „Gemeinsam gelingt es uns, an der Spitze präzise Laserpulse manipuliert und ge- zu bleiben“, ist Monz überzeugt, ebenso, messen wird. Bei 20 solcher Qubits steht dass man sich gegenüber US-Größen wie AQT derzeit, langfristig will man 50 Google, IBM oder Intel behaupten kann: Qubits kontrollieren. 50 Qubits mögen „Im akademischen Bereich machen wir in Zeiten von Mega-, Giga- und Terabyte das seit 20 Jahren. Und in Innsbruck kön- wenig klingen, doch der Experimental- nen wir auf einer Basis aufbauen, die physiker Monz veranschaulicht deren sonst keiner hat.“ ah zukunft forschung 02/20 15
TITELTHEMA HOCH HINAUS MIT HOLZ Holz als Baustoff spielt bei großvolumigen Bauten noch keine große Rolle, auch wenn die Entwicklung im Ingenieurholzbau in den letzten 20 Jahren rasant vorangegangen ist. Eine Entwicklung von Roland Maderebner vom Arbeitsbereich für Holzbau der Uni Innsbruck soll das nun ändern. entsprochen hätten. Zusätzlich haben punktuelle Lagerungen auch den Vorteil, flexiblere Gebäudenutzungen zu ermög- lichen sowie durch den Wegfall der Un- terzüge auch Bauhöhen einzusparen und Leitungsführungen wesentlich zu verein- fachen“, beschreibt Roland Maderebner. Nach seinem Wechsel an den Arbeits- bereich Holzbau der Universität Inns- bruck stellte er sich dann die Frage, ob diese Bauweise nicht auch aus Holz rea- lisierbar wäre. Damit war der Impuls für seine Erfindung, das Holzverbindungs- system Spider-Connector, gegeben. „Vom ersten Entwurf bis zur Marktreife des Systems hat es rund zehn Jahre gedauert. Als ich die Idee schrittweise der wissen- schaftlichen Community, aber auch er- fahrenen Holzbauingenieur*innen prä- sentiert habe, waren einige begeistert. Es gab aber auch viele Gegenstimmen, die mir vorwarfen, zu sehr wie ein Betonbau- er zu denken“, blickt Roland Maderebner zurück. Nachdem mit viel persönlichem Einsatz ein erster Prototyp des neuarti- gen Holzverbindungssystems gebaut wurde, belegten erste Tests im Labor aber, dass es funktioniert. Punktgestützte Flachdecken Der Spider-Connector – der Name ergibt sich aus den acht Extremitäten: sechs Ar- me, Stützenkopf und Stützenfuß – besteht aus Stahl und ist vor allem als Verstär- kungsmaßnahme für Konstruktionen in Brettsperrholzbauweise gedacht. „Dabei handelt es sich um Platten aus mehre- DER SPIDER-CONNECTOR ermöglicht punktgestützte Flachdecken in Holzbauweise. ren rechtwinklig miteinander verleim- ten Holzlamellen, die im Holzbau neben R oland Maderebner hat früher viel decken aus Beton gebaut. Dabei handelt Wandscheiben heute vor allem für De- betoniert. Dass dies seine Denk- es sich um Deckensysteme, die lediglich ckenkonstruktionen eingesetzt werden“, weise beeinflusst hat, wurde ihm „punktförmig“ auf Stützen und ohne Un- erklärt Maderebner. Bisher wurden reine von Kritikern seiner Erfindung – dem terzüge hergestellt werden. „Meist haben Holzdecken, die lediglich auf Stützen auf- Spider-Connector – oft vorgeworfen. Als wir uns aufgrund der Formensprache für gelagert sind, immer mit Hilfe von Trä- promovierter Bauingenieur, der unter an- Beton entscheiden müssen, da vor allem gerbalken mit einem Abstand von bis zu derem auch im Tunnelbau tätig war, hat bei mehrgeschoßigen Büro- und Wohn- sechs Metern errichtet. Mit dem Spider- er als selbstständiger Baumeister immer bauten Unterzüge vielfach nicht den äs- Connector ist es nun möglich, Brettsperr- wieder sogenannte punktgestützte Flach- thetischen Ansprüchen der Architektur holzplatten ohne Unterzüge nur auf Stüt- 16 zukunft forschung 02/20 Fotos: Andreas Friedle (2), Rothoblaas (1)
TITELTHEMA zen mit Abständen von bis zu 7,5 x 7,5 zu leisten, war ich mittlerweile gewohnt Meter zu realisieren. „Für Architekt*in- und so ist es mir gelungen, vier der größ- nen bedeutet das flexiblere Gestaltungs- ten Brettsperrholzhersteller – Binderholz, möglichkeiten für Räume; Bauherr*innen Stora Enso, Hasslacher und KLH – mit ins sparen dadurch Kosten, weil Trägerkons- Boot zu holen. Ich habe dann in Summe truktionen wegfallen. Zudem können 75 Kubikmeter Brettsperrholz für weitere mithilfe punktgestützter Flachdecken Tests erhalten“, beschreibt Maderebner. bei gleicher Bauhöhe zum Beispiel zehn Geschoße realisiert werden, wo hingegen Punktuelle Tragkraft bei herkömmlichen Holzbauweisen mit Mit seinem Kollegen Bernhard Maurer Unterzügen nur neun möglich wären“, sowie dem Team der Technischen Ver- ROLAND MADEREBNER, geboren erläutert Maderebner die Vorteile. suchs- und Forschungsanstalt der Uni- 1980 in Schladming, studierte Bauinge- Nachdem die ersten Tests seines Proto- versität fand er perfekte Bedingungen, nieurwissenschaften an der Universität typs gezeigt haben, dass die Idee funk- um seine Erfindung im Team weiterzu- Innsbruck und war in diversen Planungs- tionieren könnte, lag allerdings noch ein entwickeln und experimentell untersu- büros, im Tunnelbau sowie als selbststän- langer Weg vor dem Bauingenieur. „Die chen zu können. Durch Prüfungen an diger Baumeister tätig. 2010 begann er Bauteilen konnte dann auch gezeigt wer- am Arbeitsbereich Holzbau am Institut für „Die Einwerbung von Mitteln, den, dass der Spider-Connector besser Konstruktion und Materialwissenschaf- um ein marktreifes Produkt funktioniert, als die Berechnungen vor- ten zu arbeiten und ist seit 2018 zudem hergesagt haben. „In unseren Rechen- stellvertretender Leiter der akkreditierten zu entwickeln, war mitunter modellen sind wir davon ausgegangen, Technischen Versuchs- und Forschungs- eine der schwierigsten aber dass der Spider-Connector eine definitive anstalt an der Universität Innsbruck. Mit auch wichtigsten Aufgaben im Erhöhung der Belastbarkeit rechtwinklig seiner Erfindung, dem Spider-Connector, gesamten Entwicklungsprozess.“ zur Plattenebene von rund 100 Prozent gewann er bereits mehrere Preise, unter Roland Maderebner bringen wird. Das Experiment hat dann anderem den Cast Award 2015 und den sogar eine Erhöhung im Vergleich zur Structural Timber Award United Kingdom Einwerbung von Mitteln, um ein markt- unverstärkten Platte um rund 250 Pro- 2019. reifes Produkt zu entwickeln, war mit- zent gezeigt“, erklärt Roland Mader unter eine der schwierigsten, aber auch ebner. Konkret heißt das, dass mit dem wichtigsten Aufgaben im gesamten Ent- Spider-Connector in Gebäuden bei einer Mit diesen Ergebnissen konnte der wicklungsprozess“, erklärt er. Schließlich Deckenlast von rund 1.000 kg/m² rein Wissenschaftler dann auch die letzten war er aber auch dabei erfolgreich und theoretisch ein gesamtes Deckenfeld von Kritiker überzeugen. Die Entwicklung erhielt eine Förderzusage der Österreichi- 50 m² nur mit einer Stützen-Querschnitts- bis zur Marktreife sowie der Zulassung schen Forschungsförderungsgesellschaft fläche von 200 x 200 mm aufgelagert dauerte dann weitere drei Jahre, in denen FFG gemeinsam mit dem Projektpartner werden kann – ein absolutes Novum im Roland Maderebner einen Großfeldver- Rothoblaas Srl. Daran geknüpft war al- Holzbau. Durch das spezielle Design des such zum Schwingungsverhalten durch- lerdings auch die Bedingung, sämtliches Verbinders können zusätzlich senkrech- führte, Patentanträge schrieb und weitere Holzmaterial, das für die Versuche benö- te Lasten bis zu 750 Tonnen von darüber Verbesserungen und Optimierungen zur tigt wurde, nicht aus diesen Fördermit- liegenden Geschoßen von Stütze zu Stüt- Reduktion der Produktionskosten des teln zu finanzieren. „Überzeugungsarbeit ze weitergeleitet werden. Verbinders vornahm. Denn um Holzde- cken mit mehreren Metern Spannweite zu konstruieren, müssen die Brettsperr- holzplatten, die nicht unmittelbar auf den Stützen aufliegen, an den Platten- kanten Stoß an Stoß biege- und schub- steif miteinander verbunden werden. Um dies zu lösen, folgte eine Reihe weiterer Entwicklungen, die mittlerweile eben- falls zum Patent angemeldet wurden. Ein erstes Gewerbegebäude mit einem Stützenraster von 7 x 7 Meter wurde in Ti- rol gemeinsam mit ATP Planungs- und Beteiligungs AG sowie der ausführenden Firma HTB Baugesellschaft m. b. H. bereits mit dem Spider-Connector realisiert und gilt in der Branche als Weltrekord. Weitere SEINEN NAMEN verdankt der Spider-Connector seinen acht Extremitäten: sechs Arme Gebäude in Deutschland, Italien und Nor- sowie Stützenkopf und Stützenfuß. wegen sind bereits in Planung. sr zukunft forschung 02/20 17
TITELTHEMA WASCHECHTE GRÜNDER Das Uni-Spin-off TEXIBLE vertreibt und entwickelt intelligente Textilien. Die Grundlagen dafür entstanden am Forschungsinstitut für Textilchemie und Textilphysik, wo Thomas Fröis forschte, bevor er sich 2016 entschied, ein eigenes Unternehmen zur gründen. THOMAS FRÖIS und S Manuel Scheiderbauer (v. li.) mart Textiles sind intelligente Textilpro- „Ich bin 2011 an das Forschungsinstitut ge- entschieden sich 2016, Texible dukte, in die häufig elektronische Appli- kommen, um verschiedene Projekte für die zu gründen, um aus Proto- kationen integriert sind. Sie leisten viel von der Vorarlberger Stickerei-Wirtschaft in- typen reale Textilprodukte zu mehr als konventionelle Textilien, müssen itiierte Plattform Smart Embroideries umzu- machen. aber nichtsdestotrotz der Beanspruchung des setzen“, erzählt Thomas Fröis, der eigentlich täglichen Gebrauchs standhalten. So wie das Elektrotechniker ist. Die Stickerei-Wirtschaft Produkt-Flaggschiff von TEXIBLE, eine Bett- – die im Ländle übrigens eine lange Tradi- einlage mit eingestickten Sensoren, die über tion hat – wollte mit dieser Initiative die Ent- einen Sender einen Alarm auslöst, sobald sie wicklung technischer Textilien vorantreiben. nass wird, und so die Pflege von Inkontinenz- „Ich war damals das Bindeglied zwischen patienten erleichtert. Sie ist das Ergebnis und den Stickern und dem Forschungsinstitut die Weiterentwicklung jahrelanger Forschung, der Universität und u. a. für den beidseitigen die Thomas Fröis am Forschungsinstitut für Know-how-Transfer verantwortlich“, so Fröis Textilchemie und Textilphysik der Universität über seinen Einstieg in den Textilbereich. Innsbruck federführend durchgeführt hat. Am Forschungsinstitut war er fünf Jahre an 18 zukunft forschung 02/20 Fotos: Michael Gunz
TITELTHEMA der Ausarbeitung verschiedener Prototypen intelligenter Textilien sowie an der Entwick- lung einer speziellen, inzwischen patentierten Sticktechnologie beteiligt, die es ermöglicht, Drähte und Materialien wie Glasfaser, Kup- fer und Stahl mit Schiffchenstickmaschinen zu verarbeiten. Zu schade für die Schublade Die Ursprungsidee hinter der Zusammen- arbeit zwischen Stickern und Forschern, die Weiterverwertung der Prototypen durch die Textilindustrie, war dann jedoch nicht so leicht umsetzbar wie ursprünglich gedacht. „Es war für mich sehr unbefriedigend, dass die erarbeiteten Ergebnisse in der Schubla- de liegen blieben“, begründet Thomas Fröis, warum er gemeinsam mit seinem Kollegen Manuel Scheiderbauer 2016 an die Gründung eines eigenen Unternehmens gedacht hat. THOMAS FRÖIS, geboren Was dem Prototypen der heute von TEXIBLE neuen Weg zu gehen, wenn der eingeschlage- 1987 in Feldkirch, war nach vertriebenen Betteinlage damals noch fehlte, ne nicht funktioniert.“ dem Abschluss der HTL für war echte Alltagstauglichkeit. „Im Bereich Die Frage, ob er in der Aufbauphase je dar- Elektrotechnik mehrere Jahre smarte Textilien wird ca. seit dem Jahr 2000 an gedacht hat, an das Forschungsinstitut zu- Automatisierungsingenieur geforscht, aber alles was es gab, war nicht rückzukehren, beantwortet Thomas Fröis wie bei einem Vorarlberger Intra- wirklich waschbar und auch nicht besonders folgt: „Ganz am Anfang war unsere Idee, dass logistik-Unternehmen. 2011 anwenderfreundlich. Auch unser Prototyp wir die Gründung neben der Anstellung her- wechselte er an das For- hat zunächst eher im Labor gut funktioniert“, laufen lassen. Wir haben dann aber eine För- schungsinstitut für Textilche- räumt Fröis ein. „Bei der Gründung haben wir derung bekommen, für die sich ein Gründer mie und Textilphysik, wo er für dann gesagt: Wir wollen reale Textilprodukte verpflichten musste, zu 100 Prozent für das Forschung und Entwicklung machen und haben, aufbauend auf unserer Unternehmen da zu sein. Damals hat mich im Bereich Technische Textilien Arbeit am Forschungsinstitut, die Betteinlage das gestört, aber im Nachhinein war das ab- zuständig war und nebenbei bis zur Serienreife weiterentwickelt und TE- solut richtig.“ Das „forscherische Arbeiten“ Wirtschaftsingenieurwesen an XIBLE gegründet.“ am Institut hat ihm nicht nur viel gebracht, der Fachhochschule Vorarlberg sondern auch Spaß gemacht und ist ihm nach studierte. 2016 gründete er 100 Prozent fürs Gründen wie vor wichtig. Zwar sieht er Forschung gemeinsam mit seinem Kol- Wenn Thomas Fröis heute als Geschäftsführer nicht als Hauptaufgabe von TEXIBLE, ge- legen Manuel Scheiderbauer diesen Gründungsmoment beschreibt, klingt meinsam mit dem Forschungsinstitut für Tex- TEXIBLE, in dem neben den alles recht einfach – vor allem, wenn man sich tilchemie und Textilphysik und anderen Gründern noch eine weitere vergegenwärtigt, dass TEXIBLE heute, vier Hochschulen führt er jedoch anlassbezogen Mitarbeiterin beschäftigt ist. Jahre nach seiner Gründung, nicht nur er- immer wieder Projekte durch. So zählt bei- folgreich seine eigenen Produkte vermarktet, sondern auch jede Menge Auftragsentwick- „Es war für mich sehr lung für andere Firmen durchführt. Immer- unbefriedigend, dass die hin kann TEXIBLE auf der eigenen Webseite mit 129 entwickelten Prototypen werben. erarbeiteten Ergebnisse in der Doch die Unternehmensgeschichte hat auch Schublade liegen blieben.“ Thomas Fröis andere Seiten, wie er den ersten Eindruck berichtigt: „Ich selbst hätte mir gedacht, spielsweise die Alterung von intelligenten dass alles viel schneller Fahrt aufnimmt und Textilien zu den Themen, über die man noch dass man sich mit einem neuen Produkt am nicht genug weiß und die das TEXIBLE-Team Pflegemarkt viel leichter positionieren kann. beschäftigen. Die größte Herausforderung ist Zeit- und Absatzpläne würde ich vor dem für Thomas Fröis aber der Unternehmensauf- jetzigen Erfahrungshintergrund wesentlich bau selbst. Die Entscheidung, wann der rich- pessimistischer anlegen“, meint er rückbli- tige Zeitpunkt ist, um Personal einzustellen ckend und ergänzt: „Es braucht schon jede oder ob man zusätzliche Investoren hereinho- Menge Knochenarbeit, Durchhaltevermögen len will, sei immer eine Gratwanderung, und vor allem aber auch die Flexibilität, einen meint er. ef zukunft forschung 02/20 19
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