5/2017 Die Zeitschrift des BA YERISCHEN GEMEINDET AGS

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5/2017 Die Zeitschrift des BA YERISCHEN GEMEINDET AGS
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                                                                                                                           Bayerischer Gemeindetag
 5/2017

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                                                                                   La
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                                                                                       atore
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                                                                                                Die Zeitschrift des

                                                  BayGT-mobil App:
    
                   
           http://www.bay-
           gemeindetag.de

      
     
baygt@bay-gemeindetag.de                         
5/2017 Die Zeitschrift des BA YERISCHEN GEMEINDET AGS
Bayerischer Gemeindetag Inhaltsverzeichnis

                                                                                 QuintEssenz                                                                                               
                                                                                 Editorial                                                                                                 
                                                                                 Roland Wiedemann und Martin Sambale:
                                                                                 Der European Energy Award in Bayern –
                                                                                 Managementsystem mit Auszeichnung                                                                           
                                                                                 Interview mit StM Ulrike Scharf:
                                                                                 Die Jugend ist der wichtigste „Nachwachsende
                                                                                 Rohstoff“ – Nachhaltige Kommunalentwicklung bleibt
                                                                                 zentrales Zukunftsthema                                                                                     
                                                                                 Dr. Andreas Gaß:
                                                                                 Erleichterungen bei der interkommunalen
                                                                                 Zusammenarbeit                                                                                              
                                                                                 Hardy Loy und Dr. Juliane Thimet:
                                                                                 DWA-Sondernachbarschaften „Kleine Kläranlagen“ –
                                                                                 Fortbildung und Erfahrungsaustausch für das
                                                                                 Betriebspersonal                                                                                                
                                                                                 Prof. Dr.-Ing. Karsten Kerres:
                                                                                 Rückblick – 30. Lindauer Seminar – Die wasserwirt-
                                                                                 schaftliche Verantwortung in Politik und Technik                                                                
                                                                                      ((                                                                                              
                                                                                      ((#                                                                                           
                                                                                                                                                                                    
                                                                                      #$''(!$("'(((((((((((((((((((((((((((((((((((((         
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                                                                                  $&!'"!#$&'&(%($&%($&($%(                                                                  
                                                                                 Dokumentation:
                                                                                 BayGT-Presseinfo 20/2017 vom 20.04.2017:
                                                                                 Flüchtlingskrise – Freistaat Bayern und Gemeinden
                                                                                 Hand in Hand auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum
                                                                                 für anerkannte Asylbewerber((((((((((((((((((((((((((                             
                                                                                 BayGT-Presseinfo 21/2017 vom 21.04.2017:
                                                                                 Bauen muss bezahlbar bleiben! Deponien nehmen kaum
                                                                                 noch Bauschutt und Bodenaushub an(((((((((((((((((((                                     

                                              Übersendung von Gerichtsentscheidungen an die Geschäftsstelle
                                              Die Auskunfts- und Beratungstätigkeit der Geschäftsstelle hängt in einem hohen
                                              Maße davon ab, wie gut der Informationsfluss zwischen Mitgliedskörperschaften
                                              und der Geschäftsstelle ist. Wir bitten deshalb unsere Mitglieder dringend, uns
                                              gerichtliche Entscheidungen umgehend zu überlassen und uns über anhängige
                                              Verfahren bei den Verwaltungsgerichten oder bei den obersten Bundesgerichten
                                              zu informieren, damit andere Mitglieder schnell und zeitnah von diesen Erfahrun-
                                              gen profitieren können.

                                                         BAYERISCHER                             Verantwortlich für                           Erscheinungsweise monatlich;                Anzeigenverwaltung:
                                                                                                 Redaktion und Anzeigen:                     Bezugspreis EUR 33,– jährl.;                Bayerischer Gemeindetag
                                                         GEMEINDETAG                            Jessica Hövelborn,                           bei Mitgliedern im Beitrag enthalten        Katrin Zimmermann, Tel. 0 89 / 36 00 09-43
                                               Herausgeber und Verlag:                         Bayerischer Gemeindetag                      © Bilder: BayGT                             Druck, Herstellung und Versand:
                                              Bayerischer Gemeindetag,                         Dreschstraße 8, 80805 München                © Titelbild: eza!/Hermann Rupp              Druckerei Schmerbeck GmbH
                                              Körperschaft des öffentlichen Rechts;           Tel. 0 89 / 36 00 09-38                                                                  Gutenbergstraße 12
                                             Geschäftsführendes Präsidialmitglied             E-Mail: baygt@bay-gemeindetag.de                                                         84184 Tiefenbach b. Landshut
                                             Direktor Dr. Franz Dirnberger
5/2017 Die Zeitschrift des BA YERISCHEN GEMEINDET AGS
Bayerischer Gemeindetag • QuintEssenz
                                                                                               Wichtiges
                                                                                                in Kürze 197

      Titelthema                               Nachhaltige Kommunal-                         Interkommunale
      Klimaschutz                              entwicklung                                   Zusammenarbeit
Der European Energy                     Umweltministerin im                          Erleichterungen und
Award in Bayern                         BayGT-Interview                              Klarstellungen
Mehr als 23 Millionen Menschen in       „Jede Kommune in Bayern kann                 Über die Chancen, Möglichkeiten
Deutschland wohnen eigentlich           durch nachhaltige Entwicklung ei-            und rechtlichen Hürden bei inter-
schon in „Klimaschutzkommunen“:         nen wichtigen Beitrag zum Klima-             kommunalen Zusammenarbeiten,
Denn 266 Städte und Gemeinden           und Ressourcenschutz leisten“, sagt          insbesondere im Hinblick auf
sowie 46 Kreise bzw. Landkreise neh-    Staatsministerin Ulrike Scharf. Denn         • das Vergaberecht,
men derzeit am European Energy          sie investiere damit vor allem in ihre       • das Umsatzsteuerrecht und
Award teil und sorgen für mehr          „Zukunftsfähigkeit“. Auch die Ju-            • das Recht der Arbeitnehmerüber-
Klimaschutz und Energieeffizienz        gend sei ein wichtiger Standortfak-            lassung
(www.european-energy-award.de).         tor. Welche thematischen Schwer-
                                                                                     haben wir in der Augustausgabe
Grund genug, das Titelthema des         punkte durch das bayerische Um-
                                                                                     2014 des „Bayerischen Gemeinde-
Mai-Heftes 2017 dem großen klima-       weltministerium, das das feder-
                                                                                     tag“ hingewiesen.
und umweltpolitischen Engagement        führende Ministerium für die Baye-
                                                                                     Zwischenzeitlich sind in diesen
bayerischer Kommunen zu widmen.         rische Nachhaltigkeitsstrategie ist,
                                                                                     Rechtsbereichen einige Erleichte-
Klimaschutz ist jedoch keine kom-       aktuell gesetzt werden und welche
                                                                                     rungen in Kraft getreten bzw. – zu-
munale Pflichtaufgabe, obwohl die       Rolle die bayerischen Gemeinden
                                                                                     mindest teilweise – Klarstellungen
Kommunen mit dem Thema                  dabei spielen können, erläutert die
                                                                                     erfolgt, über die Dr. Andreas Gaß,
„Energieeffizienz“ durchaus punk-       Bayerische Umweltministerin im
                                                                                     Referent für Kommunalverfassungs-
ten können, wie dies die aktuellen      Interview ab Seite 210. In jedem
                                                                                     recht und kommunales Wirtschafts-
European Energy Award-Preisträger       Fall erhalten die Kommunen eine
                                                                                     recht beim Bayerischen Gemeinde-
aus Bayern tun. Ab Seite 200 wer-       gute Unterstützung vom Zentrum
                                                                                     tag, ab Seite 214 informiert.
den diese von Roland Wiedemann          für nachhaltige Kommunalentwick-
und Martin Sambale vom eza!, dem        lung in Bayern (www.kommunal-
Energie- und Umweltzentrum All-         nachhaltig.de).
gäu vorgestellt.                        Das Interview führte Jessica Hövel-
                                        born, Bayerischer Gemeindetag.
Sicht des BayGT
Klimaschutz und Energieeffizienz in
den gemeindlichen Liegenschaften               BayGT-Pressegespräch
und Anlagen haben zwar Bezug zu-
einander. Aber eine wirkungsvolle
kommunale Klimaschutzpolitik muss
sich im Klaren darüber sein, dass die
gemeindlichen Liegenschaften und
Anlagen im Druchschnitt mit nur
2 bis 3 Prozent zum CO2-Ausstoß in
einer Gemeinde beitragen, während
den Löwenanteil die Privaten und
das Gewerbe ausmachen. „Im Sinne
der Pariser Klimaschutzziele sollte
daher eine effiziente kommunale
Klimaschutzpolitik viel stärker den
CO2-Ausstoß der Gemeindebürger
im Fokus haben,“ sagt Stefan Graf,
Energiereferent des Bayerischen Ge-      „Aktuelle kommunalpolitische Herausforderungen“ standen auf dem Programm der
meindetags. Antworten auf die Fra-       Versammlung des Bezirksverbands Oberbayern des Bayerischen Gemeindetags
                                         am 5. und 6. April 2017 in Unterneukirchen (Landkreis Altötting) (s. Seite 228).
ge, inwieweit der European Energy        Im Pressegespräch (s. Bild) nahmen der Chef der Bayerischen Staatskanzlei,
Award ein Managementinstrument           Staatsminister Dr. Marcel Huber (Mitte), Bezirksverbandsvorsitzender Erster Bürger-
ist, das ähnlich dem Energienut-         meister Josef Steigenberger (rechts) und das Geschäftsführende Präsidialmitglied
                                         des Bayerischen Gemeindetags, Dr. Franz Dirnberger (links), ausführlich Stellung
zungsplan jeder Gemeinde empfoh-         zur Flüchtlingsthematik, zum E-Government, zu den Herausforderungen des Hoch-
len werden könne, gibt Graf auf          wasserschutzes bis hin zu Altlastenproblemen. An der Bezirksversammlung hatte
Seite 208.                               auch Regierungspräsidentin Brigitta Brunner teilgenommen.                      © BayGT
5/2017 Die Zeitschrift des BA YERISCHEN GEMEINDET AGS
Bayerischer Gemeindetag • QuintEssenz
                                          198

                                               Wasserwirtschaft                     Rückblick                                     Ausblick
                                        DWA-Sondernachbar-                          30. Lindauer Seminar                          47. Führungskräftetagung
                                        schaften „Kleine Klär-                      Die Zukunftsfähigkeit der Siedlungs-          der Wasserwirtschaft
                                        anlagen“                                    entwässerung ist nicht nur ein tech-          Vom 16. bis 19. Mai 2017 hatte der
                                        Was für das technische Personal der         nisches Thema, sondern vor allem              Bayerische Gemeindetag nach Ro-
                                        Wasserversorger die Wasserwerks-            auch ein Thema von äußerst hoher              thenburg ob der Tauber zur Füh-
                                        nachbarschaften Bayern e.V. sind            gesellschaftlicher Relevanz. Auf dem          rungskräftetagung der Wasserwirt-
                                        (www.wwn-bayern.de), das sind für           30. Lindauer Seminar standen diese            schaft eingeladen. Im Laufe der Jah-
                                        das technische Personal der Abwas-          wasserwirtschaftlichen Herausfor-             re hat sich die Tagung zu einer be-
                                        serentsorger die Kanal- und Kläran-         derungen auf dem Programm. Die                deutenden Informationsplattform
                                        lagen-Nachbarschaften (www.dwa-             thematischen       Zusammenhänge              entwickelt. Programm und weitere
                                        bayern.de). Beide haben den Zweck           wurden aus Sicht der Gesetzgebung,            Informationen unter: www.baygt-
                                        der ständigen Weiterbildung des Be-         der Betreiber, der Planer und der             kommunal-gmbh.de. Ein Nachbe-
                                        triebspersonals der Anlagen und             Anwender vorgestellt und von den              richt erscheint in Kürze im „Bayeri-
                                        bieten viele Möglichkeiten für den          rund 480 Teilnehmern und 26 Re-               schen Gemeindetag“.
                                        Erfahrungsaustausch und die Ver-            ferenten angeregt diskutiert. Dr. Ju-
                                        netzung vor Ort.                            liane Thimet formulierte in ihrem             31. Lindauer Seminar
                                        Hardy Loy, DWA-Landesverband                Vortrag Forderungen und Empfeh-               Am 8. und 9. März 2018 findet das
                                        Bayern, und Dr. Juliane Thimet,             lungen des Bayerischen Gemeinde-              nächste Lindauer Seminar statt. Auf
                                        Bayerischer Gemeindetag – sie ist           tags zu aktuellen Herausforderun-             dem Programm stehen wieder die
                                        u.a. Mitglied im DWA-Beirat der             gen an den Kanalbetrieb aus Sicht             relevanten Themen zur praktischen
                                        Kanal- und Kläranlagen-Nachbar-             der Betreiber. Die Tagung wurde in            Kanalisationstechnik und zur In-
                                        schaften – stellen ab Seite 220 die         bewährter Weise von Prof. Max                 standhaltung von Kanalisationen.
                                        DWA-Sondernachbarschaften „Klei-            Dohmann, Aachen, und Prof. F. Wolf-           Highlights werden ein neues Ausstel-
                                        ne Kläranlagen“ vor und erläutern           gang Günthert, DWA-Landesver-                 lungskonzept und die modernisierte
                                        ausführlich die Möglichkeiten der           band Bayern, geleitet. Prof. Karsten          sowie erweiterte Lindauer Insel-
                                        Fortbildung und des Erfahrungsaus-          Kerres, Aachen, fasst die Ergebnisse          halle sein. Informationen unter:
                                        tausches für das Betriebspersonal.          der Tagung ab Seite 223 zusammen.             www.jt-elektronik.de

                                               Zu Gast beim Bayerischen Gemeindetag

                                         Eine Delegation des tunesischen Verbands der Verwaltungsrichter informierte sich bei einer von der Hanns-Seidel-Stiftung organi-
                                         sierten Informationsreise u.a. über die kommunale Selbstverwaltung in Bayern. Auch für die Referenten der Geschäftsstelle,
                                         Kerstin Stuber (4.v.l.) und Dr. Andreas Gaß (6.v.l.), war das Treffen ein fruchtbarer Austausch.                           ©BayGT
5/2017 Die Zeitschrift des BA YERISCHEN GEMEINDET AGS
5/2017 Bayerischer Gemeindetag     199

Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum! Aber wie?

  „Die Förderung des Baues billiger Volks-         für zuständige Bund zuckt nur mit den
  wohnungen ist Aufgabe des Staates und            Schultern. Im Übrigen ebenso bei der seit
  der Gemeinden.“ So formuliert es Art. 106        Jahren vom Bayerischen Gemeindetag er-
  Abs. 2 der Bayerischen Verfassung in einer       hobenen Forderung nach einer erhöhten
  zwar etwas altertümlich anmutenden, nichts-      Grundsteuer für unbebaute, aber bebau-
  destotrotz aber klaren Weise. Die Gemein-        bare Grundstücke. Aber zu einer solchen
  den sind also in einer besonderen Pflichten-     Steuererhöhung kann sich die Bundespoli-
  stellung, wenn es darum geht, Bevölke-           tik einfach nicht durchringen.
  rungsschichten, die sich das auf dem frei        Es geht weiter mit der Baurechtsschaffung.
  finanzierten Wohnungsmarkt nicht leisten         Immerhin wird in Kürze ein erleichtertes
  können, mit Wohnraum zu versorgen.               Planungsverfahren für Wohngebiete an
  Diese Aufgabe wird in den nächsten Jahren        den Ortsrändern gelten, das es im Übrigen
  immer herausfordernder werden. Das liegt         ohne das Engagement des Bayerischen
  nicht nur daran, dass wir in Bayern Wohnun-      Gemeindetags und der Obersten Baube-
  gen für viele Tausende Flüchtlinge und an-       hörde nicht gegeben hätte. Aber das ist viel
  erkannte Asylbewerber brauchen, sondern          zu wenig! Wenn weiterhin durch vielfältige
  hat auch damit zu tun, dass gerade jetzt         – teilweise weit überhöhte – Forderungen
  viele Sozialwohnungen aus der Bindung            der Fachbehörden Baulandausweisungen
  fallen und gleichzeitig der Kreis der prinzi-    blockiert werden, erlischt die entsprechen-
  piell Berechtigten steigt. Die Wohnungsnot       de Motivation bei den Gemeinden rasch.
  nicht nur im Ballungsraum München, son-          Wir brauchen gerade in der Bauleitplanung
  dern auch in vielen anderen Teilen Bayerns       eine Kultur der Lösung und nicht der Ver-
  ist groß.                                        hinderung. Landratsämter und Regierungen
                                                   müssen sich noch stärker als Partner der
  Spricht man mit staatlichen Verantwortungs-      Gemeinden verstehen, die nicht ständig da-
  trägern über dieses Thema, wird gerade in        rüber nachdenken, warum etwas nicht
  letzter Zeit doch recht unverhohlen darauf       geht, sondern überlegen, wie man das Ziel
  hingewiesen, dass die Gemeinden durch-           erreicht.
  aus mehr tun könnten und sich jedenfalls
  zum Teil nicht hinreichend engagieren wür-       Und schließlich die Umsetzung des Bau-
  den. Bei den großzügigen Hilfestellungen,        rechts. Auch hier Hürden über Hürden. Das
  die der Freistaat vor allem in der 2. Säule      reicht vom europarechtlich ausgelösten
  seines Wohnungsbauprogramms gewähre,             Ausschluss gemeindlicher Wohnungsbau-
  sei es fast unverständlich, dass die Nach-       gesellschaften von der 2. Säule über kom-
  frage nach dieser Förderung so schleppend        plizierte Ausschreibungsverfahren bis hin
  verlaufe.                                        zur teuren Deponierung von einfachem
                                                   Bodenaushub als Abfall. Das sind nur Bei-
  Ein solcher Vorwurf greift viel zu kurz. Viele   spiele, die aber schlaglichtartig verdeut-
  Gemeinden würden sich liebend gern der           lichen, wie es nicht sein sollte.
  Aufgabe des Wohnungsbaus widmen, sehen           Wohnungsbau ist eine gemeinsame Aufga-
  sich aber immer höheren Hürden gegen-            be der Gemeinden und des Staates. Es gäbe
  über.                                            viele Stellschrauben, die vom Land und
  Das beginnt bei der Grundstücksverfügbar-        vom Bund gedreht werden könnten, damit
  keit. Welcher Landwirt ist heutzutage noch       man wirklich vorankommt. Die Gemeinden
  bereit, einer Kommune ein Grundstück zu          werden jedenfalls das Ihre leisten!
  einem angemessenen Preis zu verkaufen?
  Abgesehen davon, dass er für den Kaufpreis
  seiner Bank eventuell noch Strafzinsen be-
  zahlen muss, ist die steuerliche Belastung
  bei der Entnahme der Flächen aus dem
  Betriebsvermögen extrem hoch. Hier könn-
  ten durch Steuerentlastungen bzw. verbes-                         Dr. Franz Dirnberger
  serte Reinvestitionsmöglichkeiten echte           Geschäftsführendes Präsidialmitglied
  Fortschritte erreicht werden. Doch der hier-           des Bayerischen Gemeindetags
5/2017 Die Zeitschrift des BA YERISCHEN GEMEINDET AGS
200 Bayerischer Gemeindetag 5/2017

                                                        Der European
                                                        Energy Award
                                                          in Bayern
                                                     Managementsystem
Mehr als 23 Millionen Menschen                                                                       „Die Kommunen sind am nächs-
in Deutschland wohnen in Kli-
                                                      mit Auszeichnung                               ten an den Menschen dran“, so
maschutzkommunen: 266 Städ-                                                                          hat es der Bundesminister für
te und Gemeinden sowie 46                            Roland Wiedemann und                            wirtschaftliche Zusammenar-
Kreise bzw. Landkreise nehmen                                                                        beit und Entwicklung Dr. Gerd
                                                        Martin Sambale*
derzeit am European Energy                                                                           Müller unlängst formuliert. Und
Award teil und sorgen für mehr                                                                       bei dieser Gelegenheit gleich
Klimaschutz und Energieeffizienz, so            Trump per Dekret der amerikani-                noch daran erinnert, was passiert,
lautet die frohe Botschaft auf der              schen Kohleindustrie mehr Freiheiten           wenn die Klimaerwärmung nicht in
offiziellen Homepage des European               gewährt. Selbst Deutschland, das sich          einer gemeinsamen Kraftanstrengung
Energy Awards, www.european-energy-             gerne als Vorbild in Sachen Klima-             gestoppt werden kann: „Dann ma-
award.de.                                       schutz sieht, muss eingestehen, dass           chen sich bis zu 200 Millionen Men-
Groß waren auch die Freude und die              es die selbstgesteckten Ziele wohl             schen auf den Weg Richtung Norden,
Hoffnungen, als sich im Dezember                nicht erreichen wird.                          weil sie ihre Lebensgrundlagen ver-
2015 in Paris 196 Vertreter der Staa-           Am mangelnden Willen seitens der               loren haben.“
tengemeinschaft auf einen Klimaver-             Kommunen liegt das sicher nicht. Wie
trag zur Eindämmung der Erderwär-               auf vielen Politikfeldern werden auch          Keine kommunale Pflichtaufgabe –
mung geeinigt hatten. „Ein Tag für die          beim Thema Energie und Klimaschutz             Kommunen punkten aber mit
Geschichtsbücher“,„Meilenstein“,„his-           die wichtigsten Entscheidungen auf             Energieeffizenz
torisches Ereignis“ hieß es damals.             Bundes- oder Landesebene getroffen             Es war die Verleihung des European
Knapp eineinhalb Jahre später ist die           und die Kommunen müssen das Be-                Energy Award (eea) an fünf baye-
anfängliche Euphorie für Energieeffi-           ste aus oft schwierigen Rahmenbe-              rische Städte und Gemeinden im Ja-
zienz und Klimaschutz einer gewissen            dingungen machen. Und dennoch                  nuar 2017 in Kempten, deren Projekte
Ernüchterung gewichen. Nicht erst               spielen auch hier die Gemeinden, Städ-         im Folgenden vorgestellt werden. Bei
seit der neue US-Präsident Donald               te und Landkreise eine zentrale Rolle.         der Preisverleihung hielt Bundes-
                                                                                               minister Müller ein flammendes Plä-
                                                                                               doyer für mehr Energieeffizienz und
                                                                                               die stärkere Nutzung von erneuer-
                                                                                               barer Energie – zum Wohle aller Men-
                                                                                               schen auf dem Erdball. Nach Ansicht
                                                                                               von Martin Sambale vom Energie-
                                                                                               und Umweltzentrum Allgäu (eza!), das
                                                                                               für den Verein Bayerische Energie-
                                                                                               agenturen e.V. die Landesgeschäfts-
                                                                                               stelle für den European Energy Award
                                                                                               führt, ist Klimaschutz zwar keine kom-
                                                                                               munale Pflichtaufgabe, allerdings wür-
                                                                                               den Aktivitäten in diesem Bereich für
                                                                                               die Kommunen viele Chancen bieten.
                                                                                               Der eza!-Geschäftsführer wies darauf
                                                                                               hin, dass damit beispielsweise ein at-
                                                                                               traktives Lebensumfeld gestaltet wer-
                                                                                               den könne und auch positive wirt-
 Stolze eea-Preisträger und Laudatoren: die Bürgermeister und Energieteam-Mitglieder           schaftliche Effekte mit dem Klima-
 der ausgezeichneten Kommunen zusammen mit dem Bundesminister für wirtschaftliche
 Zusammenarbeit und Entwicklung Dr. Gerd Müller, dem eza!-Geschäftsführer Martin Sambale       schutz verbunden wären, beispiels-
 und dem Vertreter der Bundesgeschäftsstelle des European Energy Award Leonhard Meyer.
                                                                       © eza! / Hermann Rupp   * Roland Wiedemann und Martin Sambale, eza! Energie-
                                                                                                 und Umweltzentrum Allgäu gemeinnützige GmbH
5/2017 Die Zeitschrift des BA YERISCHEN GEMEINDET AGS
5/2017 Bayerischer Gemeindetag            201

weise bei den kommunalen Liegen-
schaften und Anlagen.
Einen Beleg dafür liefert auch die
Stadt Lindau. Dort wurde im Rahmen
der eea-Teilnahme unter anderem ein
klimafreundliches Mobilitätskonzept
(„KliMo“) entwickelt, mit dessen Hilfe
der motorisierte Individualverkehr
auf der Insel reduziert werden soll (s.
S. 205). Das lässt nicht nur die Bewoh-
ner aufatmen, sondern macht auch
die Stadt am Bodensee für Touristen
noch attraktiver – zum Vorteil der ört-
lichen Tourismusbranche und des
Einzelhandels. Das Mobilitätskonzept
und viele andere vorbildliche Maß-
nahmen sorgten letztlich dafür, dass          Die bayerischen Gewinner des European Energy Award 2017 – (von links) Josef Wölfle
Lindau in Rekordzeit die nötigen              (1. Bürgermeister von Haldenwang), Walter Schnell (1. Bürgermeister von Kammerstein),
                                              Leonard Meyer (Bundesgeschäftsstelle European Energy Award), Reinhard Junginger
Punkte für die European Energy                (Stellvertreter von Neu-Ulms Oberbürgermeister Gerold Noerenberg), Martin Sambale
Award-Wertung gesammelt hatte.                (Geschäftsführer Energie- und Umweltzentrum Allgäu), Dr. Gerd Müller (Bundesminister
                                              für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), Thomas Kiechle (Oberbürgermeister
                                              der Stadt Kempten), Gerhard Hock (1. Bürgermeister von Durach) und Matthias Kaiser
eea – energie- und klimaschutz-               (Stadtrat in Lindau in Vertretung von Oberbürgermeister Dr. Gerhard Ecker).
politische Beratung inklusive                                                                                        © eza! / Hermann Rupp

Der European Energy Award ist aber
weit mehr als nur ein schöner Titel,         Kommune und sorgt auch für einen                Award ist beim Thema Klimaschutz in
mit dem sich eine Kommune schmü-             Austausch und die Vernetzung mit                Kempten viel passiert,“ so Kemptens
cken darf. Der European Energy Award         anderen Landkreisen, Städten und                Oberbürgermeister.
bietet vor allem Begleitung und Bera-        Gemeinden im Rahmen des eea-Pro-
tung für Städte, Gemeinden und               gramms. Am Ende wird dann in Pro-                                     Weitere Informationen:
Landkreise bei der Planung und Reali-        zentpunkten bewertet, wieviel eine                        European Energy Award in Bayern
sierung von energie- und klima-              Kommune umgesetzt hat im Verhält-                       www.european-energy-award.bayern
schutzpolitischen Zielen und Maß-            nis zu den Aktivitäten, die bei der je-                                                eza!
nahmen. „Man muss sich die eea-Teil-         weiligen Struktur der Kommune                            Energie- und Umweltzentrum Allgäu
nahme wie einen Managementpro-               machbar sind. Wenn dann ein exter-                                     gemeinnützige GmbH
zess vorstellen“, erklärte eza!-Geschäfts-   ner Auditor dies überprüft und fest-                                         Burgstraße 26
                                             gestellt hat, dass ein Landkreis, eine                              87435 Kempten (Allgäu)
führer Martin Sambale. „Ziele werden                                                                                        www.eza.eu
gesetzt, Projekte gestartet und der          Stadt oder eine Gemeinde minde-
Erfolg überwacht. Bei Bedarf wird auf        stens 50 Prozent der für sie mögli-                                           Martin Sambale
                                             chen Punkte erreicht hat, ist der Weg                                        sambale@eza.eu
Abweichungen reagiert, beziehungs-
weise die Projekte werden an ge-             zur Auszeichnung mit dem European                                         Roland Wiedemann
änderte Rahmenbedingungen ange-              Energy Award frei.                                                        wiedemann@eza.eu
passt.“
                                             Kemptens Oberbürgermeister Thomas
Bei diesem Prozess arbeitet ein Ener-        Kiechle, der als Gastgeber der Feier-
gieteam, bestehend aus Mitgliedern           stunde den European Energy Award                Auf den folgenden Seiten werden die
des Stadt- oder Gemeinderats, Mit-           in Gold aus Bundesminister Müllers              bayerischen eea-Gewinner vorgestellt.
arbeitern der Verwaltung und weite-          Hand entgegennehmen durfte, be-                 Diese sind:
ren Akteuren aus der Kommune an              zeichnete den eea als „hervorragen-             • Gemeinde Durach
der Auswahl und der Umsetzung der            des Instrument, mit dem es einer                • Gemeinde Haldenwang
Klimaschutzprojekte. Unterstützt wird        Kommune gelingt, ausdauernd und                 • Gemeinde Kammerstein
das Team dabei von einem externen            zielgerichtet am Thema Klimaschutz
                                                                                             • Stadt Lindau im Bodensee
European Energy Award-Berater, der           zu arbeiten“. Was auch an der Beglei-
meist von einer regionalen Energie-          tung durch externe Fachleute wie                • Stadt Neu-Ulm
agentur, beispielsweise von eza!,            von eza! liege, die es dringend nach            • Stadt Kempten
kommt. Dieser Berater bringt Fach-           Ansicht von Kiechle brauche. „Durch             Im Anschluss nimmt der Energierefe-
kompetenz und neue Impulse in die            die Teilnahme am European Energy                rent des Bayerischen Gemeindetags,
5/2017 Die Zeitschrift des BA YERISCHEN GEMEINDET AGS
202 Bayerischer Gemeindetag 5/2017

Stefan Graf, zum European Energy             mitglieder gaben in diesem Rahmen
Award Stellung, s. S. 208.                   bereits die Tipps für die Hauseigen-
                                             tümer.
Durach
                                             Zudem gelang es dem Energieteam
Im schwäbischen Landkreis Oberall-           durch eine gute Vorbereitung und
gäu kann sich die Gemeinde Durach            zahlreiche Gespräche mit Bedenken-
über die Auszeichnung mit dem Euro-          trägern im Gemeinderat einen positi-
pean Energy Award freuen. In der             ven Beschluss für die Errichtung einer
Gemeinde wurde schon vor Jahren              großen Photovoltaik-Anlage auf dem
ein integriertes Klimaschutzkonzept          Schulzentrum auf den Weg zu brin-
erstellt. Schon damals hat sich ein          gen, die die Gemeinde selbst be-
engagiertes Energieteam gebildet,            treibt.
das auch heute als Motor bei der Um-         Für ein Neubaugebiet entwickelten
setzung des Klimaschutzkonzepts mit          Vertreter des Energieteams ein Bau-
dem European Energy Award fun-               herren-Bonussystem für eine beson-
giert. In dem örtlichen Energieteam          ders energieeffiziente Bauweise und
engagieren sich Bürger und Unter-            den Einsatz erneuerbarer Energien.
nehmer, Gemeinderäte und Vertreter           Um auch laufend Impulse für die
der Gemeindeverwaltung.                      Öffentlichkeit zu setzen wurde mit
                                             viel Herzblut ein Stromsparwettbe-
So organisiert das Energieteam in
                                             werb durchgeführt. Nun wird in jeder
Durach regelmäßig u.a. Energietage.
                                             Ausgabe des Wochenblatts vom Ener-
Dazu werden Aussteller eingeladen,
                                             gieteam ein Energietipp veröffentlicht.
die an Ständen die Bürger zu Energie-
                                             Um für die Energieteamarbeit laufend
effizienzmaßnahmen informieren, auf          neue Anregungen zu erhalten, trifft
einem Fitnessfahrrad kann man tes-           sich das Energieteam auch regel-
ten, wie mühevoll Stromerzeugung             mäßig mit Vertretern anderer Ge-
ist, und weitere Aktionen motivieren         meinden zum Erfahrungsaustausch.
zum Mitmachen. 2013 führte das
Energieteam zudem kostenlose Vor-                               Weitere Informationen:
Ort-Energieberatungen für interes-                                   Gemeinde Durach
sierte Bürger durch. Zwei als Energie-                                    Uschi Kempin
berater qualifizierte Energieteam-                           kempin@durach-allgaeu.de

 Das Energieteam aus der Gemeinde Durach im schwäbischen Landkreis Oberallgäu.
                                                                     © Gemeinde Durach
5/2017 Die Zeitschrift des BA YERISCHEN GEMEINDET AGS
5/2017 Bayerischer Gemeindetag        203

                                                                                                meinde Haldenwang hat den priva-
                                                                                                ten Betreiber der Anlage umfassend
                                                                                                unterstützt, damit diese Anlage reali-
                                                                                                siert werden konnte. Bis zum Jahr
                                                                                                2015 ist es dadurch gelungen, die
                                                                                                Stromerzeugung aus Photovoltaik-
                                                                                                Anlagen auf ca. 13 Mio. kWh anzuhe-
                                                                                                ben. Da durch effizienzsteigernde Maß-
                                                                                                nahmen der Gesamtstromverbrauch
                                                                                                der Gemeinde etwas reduziert wurde,
                                                                                                beträgt im Jahr 2015 die bilanzierte
                                                                                                Deckungsrate aus erneuerbaren Ener-
                                                                                                gien 117 Prozent des Verbrauchs aller
                                                                                                Haushalte, Unternehmen und kom-
                                                                                                munalen Verbraucher. In der Gemein-
                                                                                                de wird damit pro Jahr mehr Strom
                                                                                                aus erneuerbaren Energien erzeugt
                                                                                                als verbraucht wird.

                                                                                                                  Weitere Informationen:
                                                                                                                  Gemeinde Haldenwang
 Freiflächen-Photovoltaik-Anlage Unterwengen entlang der Autobahn A 7. In der Gemeinde                                       Josef Wölfle
 Haldenwang wird pro Jahr mehr Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt als verbraucht                     buergermeister@haldenwang.de
 wird.                                                                        © Ralf Lienert

Haldenwang                                      neren Biogas- und Wasserkraftanla-
Damit ein aufwändig erstelltes Kon-             gen wird der weitaus größte Anteil
zept nicht wie bei vielen anderen               des erneuerbaren Stroms aus Photo-
Kommunen in der Schublade ver-                  voltaik erzeugt (86 Prozent). Wesent-
schwindet, beschloss der Haldenwan-             lichen Anteil daran hat der Bau einer
ger Gemeinderat 2013 die Teilnahme              privaten Freiflächenanlage beidseits
am Qualitätsmanagement- und Zerti-              der Autobahn A 7. Die Freiflächenan-
fizierungsinstrument European Ener-             lage kann bilanziert etwa den Bedarf
gy Award.                                       von 1.500 Haushalten decken. Die Ge-

Mit der jetzigen Auszeichnung konn-
te Haldenwang, ebenfalls im schwäbi-
schen Landkreis Oberallgäu gelegen,
damit seine systematische Arbeit be-
stätigen. Ihre größten Erfolge konnte
die Gemeinde dabei im Bereich der
erneuerbaren Energien erzielen. Hal-
denwang gilt als Vorreiter in der
Stromerzeugung aus erneuerbaren
Energien. Unter den 28 Kommunen
des Landkreises Oberallgäu wies die
Gemeinde 2014 die dritthöchste bi-
lanzierte Deckungsrate mit erneuer-
barem Strom auf und trägt damit
nicht nur zur Erreichung der eigenen
Zielsetzungen, sondern auch zu de-
nen des Landkreises in erheblichem
Maße bei.
Bereits seit dem Jahr 2001 betreibt
die kommunale Erneuerbare Energien                Freiflächen-PV-Anlage Unterwengen                                        © Ralf Lienert
GmbH ein Windkraftwerk. Neben klei-
5/2017 Die Zeitschrift des BA YERISCHEN GEMEINDET AGS
204 Bayerischer Gemeindetag 5/2017

Kammerstein
Bereits zum zweiten Mal nach 2012 ist
die mittelfränkische Gemeinde Kam-
merstein im Landkreis Roth mit dem
European Energy Award ausgezeich-
net worden. In der Zwischenzeit hat
die Gemeinde mehrere Projekte und
Maßnahmen umgesetzt sowie ein
energiepolitisches Leitbild formuliert.
So wurden Schul- und Kindergarten-
projekte durchgeführt (s. Bild unten).
Die Kindertagesstätte erhielt vom
Bayerischen Umweltministerium die
Auszeichnung „Ökokids“. Auch die
Bürger des Ortes wurden durch eine
Thermographie-Aktion (s. Bild rechts),
eine LED-Tauschaktion sowie eine
Wanderausstellung zum Thema Strom-
versorgung auf die Themen Klima-
schutz und Energiesparen aufmerk-
sam gemacht.                                   Sensibilisierung für das Thema Energieeffizienz – Thermografieaufnahme im Rahmen
Zu den Highlights zählt das 2012 rea-          einer Aktion der Gemeinde Kammerstein.                         © ENA Roth, Gerhard Felbinger
lisierte Projekt „Nahwärmeversor-
gung Rathausplatz“. Dabei wurden              munalen Gebäude, die über ver-
das Rathaus, die Kindertagesstätte,           gleichsweise hohe Energiestandards
der Bauhof, der Bürgersaal und das            verfügen. Auf den Dachflächen der
Feuerwehrhaus an ein Nahwärme-                Liegenschaften wurden außerdem
netz angeschlossen. Ausgangspunkt             Photovoltaikanlagen zur regenerati-
war die Frage gewesen, wie Heizkes-           ven Stromerzeugung installiert. Seit
selsanierungen in den kommunalen              Inbetriebnahme des Nahwärmenet-
Liegenschaften langfristig vermieden          zes konnten 170 Tonnen CO2 einge-
werden können. So entschied sich die          spart werden.
Kommune für den Bau eines Heiz-
werks, das mit Hackschnitzeln be-                                  Weitere Informationen:
feuert wird. Anstatt Erdöl dient seither                          Gemeinde Kammerstein
regional erzeugtes Holz als Rohstoff                                        Stefan Barthel
für die Wärmeerzeugung für die kom-                       Stefan.Barthel@Kammerstein.de

 Klimaschutz und Energiesparen stehen in der Gemeinde Kammerstein bereits in Schulen und
 Kindergärten auf dem Programm.                                 © Gemeinde Kammerstein
5/2017 Bayerischer Gemeindetag              205

Lindau im Bodensee
Lindau hat sich in Rekordtempo den
European Energy Award gesichert.
Die Stadt im Bodensee war erst 2016
ins eea-Programm eingestiegen und
hat noch im selben Jahr das externe
Audit erfolgreich bestanden.
Überzeugt hat die Auditoren unter
anderem das klimafreundliche Mobi-
litätskonzept „KliMo“, mit dem der
motorisierte Individualverkehr auf der
Insel reduziert werden soll (s. Karte
rechts). Durch die geographische
Lage der Stadt Lindau entlang des
Bodenseeufers und die besondere
Bedeutung des touristischen Haupt-
ziels der historischen Insel Lindau
gibt es immer wieder Verkehrsüber-
lastungen. Ziel ist es, den motorisier-
ten Individualverkehr auf der Insel              Das klimafreundliche Lindauer Mobilitätskonzept KLiMo – Die Karte zeigt die geplanten
und in der Gesamtstadt bei Gewähr-               Maßnahmen zur Verkehrspolitik in Lindau am Bodensee.                       © Stadt Lindau (B)
leistung der Erreichbarkeit der Insel
und unter Berücksichtigung der The-
men Parkierung, öffentlicher Perso-            Ein weiterer wichtiger Schritt war die            ten Gemeinden – auch über die Gren-
nennahverkehr, Bahnhöfe, Inselhalle,           Verabschiedung eines energiepoliti-               zen hinweg rund um den Bodensee –
Einzelhandel und Gastronomie zu re-            schen Leitbilds mit quantifizierbaren             sowie der nachhaltige Reiseführer mit
duzieren. Im Rahmen eines integrier-           Zielen, die im unmittelbaren Bereich              dem Untertitel „Umweltschonend
ten Stadtentwicklungskonzepts wur-             der Kommune liegen, aber auch die                 reisen. Regional speisen. Nachhaltig
de zudem ein Wettbewerb für die                Bürger ansprechen.                                genießen“.
zukünftige Bebauung der hinteren               Ebenfalls vorbildlich sind die enge
Insel gestartet.                               Zusammenarbeit mit den benachbar-                                       Weitere Informationen:
                                                                                                                     Stadt Lindau im Bodensee
                                                                                                                                Danielle Eichler
                                                                                                                    danielle.eichler@lindau.de

 Hohes Engagement – Arbeitsgruppen mit Bürgerbeteiligung bei der Erstellung des                    Farbenfroh – das Logo für das
 KLiMo-Konzepts.                                                         © Stadt Lindau (B)        KLiMo-Konzept.            © Stadt Lindau (B)
206 Bayerischer Gemeindetag 5/2017

Neu-Ulm
Die 60.000-Einwohner-Stadt Neu-Ulm
liegt im bayerischen Regierungsbe-
zirk Schwaben und erhielt 2017 den
European Energy Award. Um diese
Auszeichnung zu erreichen, wurde
neben der Erarbeitung von energie-
politischen Leitsätzen ein Energie-
management für die kommunalen
Liegenschaften aufgebaut. Ebenso ent-
schied sich die Stadt zum Anschluss
der Liegenschaften an ein Fernwär-
menetz. Die Wärme wird durch das
nahegelegene Holzgas-Heizkraftwerk
bereitgestellt, das vorwiegend mit
Holz aus der Region beliefert wird
und dank moderner Holzgastechno-
logie einen hohen Wirkungsgrad von
80 Prozent aufweist. Auf den Dach-
flächen städtischer Gebäude wurden            Von Anfang an energetisch konzipiert – KfW-Effizienzhaus 40-Standard, Fernwärmeanschluss,
zudem zahlreiche Photovoltaikanla-            Photovoltaikanlagen, Südausrichtung der Gebäude und vieles mehr. Der Bauplatz für das
gen installiert.                              nun gebaute vorbildliche Wohngebiet „An den Pfleggärten“ in Neu-Ulm.
                                                                                                                    © Luftbild-Service.com
Hervorzuheben ist auch das zukunfts-
weisende Neubaugebiet„An den Pfleg-
gärten“. Dafür wurde eine umfang-            liche Beschattung, während die Bäu-             lagen ein Großteil der benötigten
reiche energetische Untersuchung             me im Sommer für ein angenehmes                 elektrischen Energie selbst erzeugt
durchgeführt, aus der sich Vorschrif-        Stadtklima sorgen. Die Wärmeversor-             werden. Zudem wurde der KfW-Effi-
ten für Art und Höhe der Bebauung            gung wird durch den Anschluss-                  zienzhaus 40-Standard für die Gebäu-
ableiten ließen, um die gegenseitige         zwang an das nahe gelegene Fern-                de als energetischer Mindeststandard
Verschattung der Häuser auf ein Mini-        wärmenetz gewährleistet. Durch die              vorgeschrieben.
mum zu reduzieren. Das Bepflanzen            Vorschrift zur Südausrichtung der Ge-
der Siedlung mit Laubbäumen redu-            bäude in Verbindung mit Flachdach-                                   Weitere Informationen:
ziert dank Laubabwurf die winter-            formen kann mittels Photovoltaikan-                                           Stadt Neu-Ulm
                                                                                                                   Günther Baumgärtner
                                                                                                             g.baumgaertner@neu-ulm.de

 Zukunftsweisendes Neubaugebiet „An den Pfleggärten“ in Neu-Ulm –
 Schon im Bebauungsplan werden spätere energetische Maßnahmen berücksichtigt.      © GIS
5/2017 Bayerischer Gemeindetag            207

Kempten – eea in Gold
Kempten beteiligt sich seit 2011 am
eea-Programm. Jetzt wurde Kempten
als erste Stadt in Bayern überhaupt
mit dem European Energy Award in
Gold ausgezeichnet. Diese Auszeich-
nung hat Kempten einer jahrelangen
und zielgerichteten Energie- und
Klimaschutzpolitik zu verdanken. Ein
Baustein davon ist der städtische
Energieversorger, die Allgäuer Über-
landwerk GmbH, die mit ihrem Ange-
bot und ihren Energiedienstleistun-
gen als einer der innovativsten Ener-
gieversorger Deutschlands gilt, unter
anderem auch wegen des kontinuier-
lichen Ausbaus von Solarstromnut-
zung, Wind- und Wasserkraft in der
Region.
Ein weiterer wichtiger Baustein der
Politik der Stadt Kempten ist der Be-
trieb der kommunalen Liegenschaf-
ten. Die Energieleitlinien der Stadt
Kempten für deren Bau und Betrieb
wurden im Rahmen des Energie-
managements, das seit dem Jahr                    Die Grundschule Kottern-Eich in Kempten energetisch modernisiert – eine Sanierung mit
2000 konsequent läuft, erarbeitet und             Passivhauskomponenten und ein Anbau im Passivhausstandard (F 64 Architekten).
verabschiedet. Sie regeln beispiels-                                                                                         © Rainer Retzlaff
weise Energiestandards bei Neubau
und Sanierung und verlangen die                 tet und betreut werden muss. Derzeit             den jährlich Energieberatungskam-
grundsätzliche Realisierung von Pas-            werden durch das Energiemanage-                  pagnen für Hauseigentümer mit kos-
sivhäusern beim Neubau öffentlicher             ment und die Umsetzung der Leit-                 tenlosen Gebäudechecks und Hei-
Gebäude sowie die Verwendung von                linien jährlich über 8.000 Tonnen CO2            zungsvisiten statt, in Neubaugebieten
Passivhauskomponenten bei Sanie-                im kommunalen Betrieb der Stadt ein-             wird energieeffizientes Bauen geför-
rungen. Für den Betrieb der Liegen-             gespart (gegenüber dem Jahr 2000).               dert und mit Schul- und Kindergar-
schaften gibt die Leitlinie genaue              Auch die Bürger werden von der                   tenprojekten werden auch die Jüngs-
Hinweise wie beispielsweise die Ge-             Stadt durch zahlreiche Aktivitäten               ten angesprochen.
bäudetechnik energieeffizient gewar-            und Angebote eingebunden. So fin-                Zudem positionieren zahlreiche inno-
                                                                                                 vative Projekte auf nationaler und
                                                                                                 internationaler Ebene die Stadt Kemp-
                                                                                                 ten und das Allgäu als fortschrittliche
                                                                                                 Pilotregion. Das Projekt AlpStore hat
                                                                                                 beispielsweise das Ziel herauszufin-
                                                                                                 den, wie viel der selbst produzierten
                                                                                                 Sonnenenergie von Haushalten mit
                                                                                                 Batteriespeichern übers ganze Jahr
                                                                                                 gesehen auch direkt verbraucht
                                                                                                 werden kann.

                                                                                                                      Weitere Informationen:
                                                                                                                              Stadt Kempten
                                                                                                                                Thomas Weiß
                                                                                                                   thomas.weiss@kempten.de

 Das Wasserkraftwerk an der Keselstraße – ein ausgezeichnetes Projekt der Allgäuer
 Überlandwerk GmbH (AÜW), das moderne Architektur mit der Nutzung erneuerbarer
 Energien verbindet.                                                       © AÜW, Bruno Maul
208 Bayerischer Gemeindetag 5/2017

Aus der Sicht des Gemeindetags                   ken. Hier ist tatsächlich ein – freiwilli-        angereizt würde. Zum anderen kann
Der European Energy Award ist eine               ges – Aktionsfeld für Gemeinden.                  es nicht dem Zufall überlassen blei-
Möglichkeit, der Tatsache Rechnung               Neben Bewusstseinsbildung hat die                 ben, wer etwa für die Landwirtschaft
zu tragen, dass die gemeindlichen                Gemeinde über z.B. klimafreundlichen              oder das Gewerbe im Energieteam
Liegenschaften und Anlagen im Durch-             ÖPNV, Stadt der kurzen Wege, Nah-                 sitzt. Nicht ein engagierter Jungöko-
schnitt mit nur 2 bis 3 Prozent zum              wärmenetze, etc. viele unmittelbare               landwirt sollte für die Bauern spre-
CO2-Ausstoß in der Gemeinde beitra-              Einflussmöglichkeiten. Und warum                  chen, sondern ein Gesandter des
gen. Den Löwenanteil machen die                  sich dann nicht damit rühmen, dass                BBV-Ortsverbands. Sichtbares Zei-
Privaten und das Gewerbe aus. Im                 wer in dem Dorf lebt, ohne Verzicht               chen dafür, dass noch kein Werkzeug
Sinne der Pariser Klimaschutzziele               auf Lebensqualität wesentlich klima-              die „Serienreife“ hat, ist der Umstand,
sollte eine effiziente kommunale Kli-            bewusster als der durchschnittliche               dass es weder für den eea noch ein
maschutzpolitik daher den CO2-Aus-               Bayer sein kann?                                  anderes umfassendes Management-
stoß der Gemeindebürger im Fokus                 Inwieweit der eea, der europaweit                 instrument derzeit eine Regelförde-
haben. Und hier ist wichtig zu wissen,           angeboten wird, dafür das Manage-                 rung gibt. Hier könnten die bayeri-
dass der Einzelne auch unabhängig                mentinstrument ist, das ähnlich dem               schen Energieagenturen gemeinsam
von den Rahmenbedingungen – ins-                 Energienutzungsplan jeder Gemein-                 einen überzeugenden Vorschlag an
besondere der Klimafreundlichkeit/               de empfohlen werden kann, ist noch                die Politik herantragen.
-schädlichkeit der Energieerzeugung,             nicht ausgemacht. Zum Beispiel ist
den noch wenig klimafreundlichen                 wenig transparent, nach welchem                                           Weitere Informationen:
                                                                                                                         Bayerischer Gemeindetag
Lösungen im Individualverkehr und                Maßstab die Einsparmaßnahmen aus-                                                     Stefan Graf
dem CO2-Fußabdruck der Verbrauchs-               gewählt werden, die Punkte bringen.                                              Energiereferent
güter – viel Spielraum hat. Alleine              So hielten wir es aus Sicht des Bayeri-                         stefan.graf@bay-gemeindetag.de
unterschiedliches Verhalten lässt die            schen Gemeindetags für verfehlt, wenn
CO2-Emissionen zwischen 5 und 15                 über Klimapunkte das Betreiben ge-
Tonnen pro Bürger und Jahr schwan-               meindlicher E-Ladesäulen vehement
                                                                                                                                           ANZEIGE

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                                                                              16. Juni   Werra-Meißner-Kreis (Hessen)
                                                                              3. Juli    Landkreis Elbe-Elster (Brandenburg)
                                                                              14. Juli   Landkreis Tirschenreuth (Bayern)
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210 Bayerischer Gemeindetag 5/2017

                                                Die Jugend
                                            ist der wichtigste
                                        „Nachwachsende Rohstoff“
                                         Nachhaltige Kommunalentwicklung
„Jugend auf dem Land“ – die-                                                                       sequenzen ist dabei ein Schlüs-
ses Thema stand im Mittel-                 bleibt zentrales Zukunftsthema                          selthema. Die Bevölkerung ver-
punkt der Tagung des Kom-                                                                          ändert sich – in ihrer Zusam-
munalzirkels „Veränderungs-                                                                        mensetzung, in ihren Bedürfnis-
prozesse in der Bevölkerungs-
                                                Interview mit Staatsministerin                     sen und vor allem auch zahlen-
struktur aktiv gestalten“ am                            Ulrike Scharf                              mäßig. Am prägnantesten und
17. März 2017 in Fraunberg.                                                                        am unmittelbarsten spüren das
Die Tagung haben Sie mit einem                 se einen wichtigen Beitrag zum Kli-           die Kommunen als kleinste Einheit in
Grußwort eröffnet. Wie kommt es,               ma- und Ressourcenschutz leisten.             unserem politischen System und als
dass Sie sich als Bayerische Um-               Dies muss vor allem von den Men-              direkte Lebenswelt unserer Bürgerin-
weltministerin mit Fragen zur Be-              schen vor Ort angestoßen und gelebt           nen und Bürger. Gemeinden, die sich
völkerungsentwicklung und im Be-               werden. Die Einbindung der Jugend             rechtzeitig mit dieser Thematik aus-
sonderen mit der „Jugend auf dem               in die jeweiligen Entwicklungspro-            einandersetzen, können ihre Zukunft
Land“ befassen?                                zesse ist dabei entscheidend.                 aktiv gestalten.
Ulrike Scharf: Das Umweltministe-
rium ist das federführende Ministe-            Welchen thematischen Schwerpunkt              Viele soziale Maßnahmenprogram-
rium für die Bayerische Nachhaltig-            setzen Sie und welche Rolle kommt             me fokussieren sich aktuell darauf,
keitsstrategie. Unser Ziel ist es, das         dabei den bayerischen Gemeinden               dass unsere Gesellschaft immer
Thema Nachhaltigkeit in den Alltag             zu?                                           älter wird. Sie haben auf der Ver-
der Menschen zu bringen. Nachhal-              Ulrike Scharf: Die Kommunen brau-             anstaltung vor allem die jungen
tige Entwicklung ist das übergeord-            chen maßgeschneiderte Konzepte für            Leute in den Mittelpunkt gestellt.
nete Leitprinzip, das Ökologie, Öko-           eine nachhaltige Entwicklung, um die          Warum?
nomie und soziale Verantwortung                Lebensqualität vor Ort langfristig zu         Ulrike Scharf: Wenn es um Zukunfts-
verzahnt.                                      sichern. Die Frage nach dem Umgang            themen geht, muss die junge Genera-
Jede Kommune in Bayern kann durch              mit der demografischen Entwicklung            tion im Mittelpunkt stehen. Oftmals
nachhaltige Entwicklung beispielswei-          und den sich daraus ergebenden Kon-           geraten aber gerade junge Menschen
                                                                                             und ihre Bedürfnisse in den Hinter-
                                                                                             grund, vor allem auch bei kommuna-
                                                                                             len Planungen. Dabei ist die Jugend
                                                                                             der wichtigste „Nachwachsende Roh-
                                                                                             stoff“, den wir in unserem Land ha-
                                                                                             ben. Deshalb ist es wichtig, dass wir
                                                                                             die Zukunft für die junge Generation
                                                                                             im ländlichen Raum noch attraktiver
                                                                                             gestalten.
                                                                                             Dazu haben wir zum Beispiel gerade
                                                                                             ein Modellprojekt zum Thema „Halte-
                                                                                             faktoren“ auf den Weg gebracht.
                                                                                             Denn Tatsache ist, dass in Bayern viele
                                                                                             Kommunen außerhalb von Ballungs-
                                                                                             gebieten große Probleme damit ha-
                                                                                             ben, dass ihre Bürgerinnen und Bür-
                                                                                             ger wegziehen. Mit dem Projekt wol-
                                                                                             len wir empirisch abgesicherte Er-
                                                                                             kenntnisse über die Motive junger
 Ulrike Scharf, Bayerische Umweltministerin, eröffnete mit einem Grußwort die Tagung
 des Kommunalzirkels „Jugend auf dem Land“.                                        © StMUV
                                                                                             Menschen zum Bleibe- und Rückkehr-
                                                                                             verhalten in ländlichen Kommunen
5/2017 Bayerischer Gemeindetag    211

gewinnen. Finanziell fördern wir die-
ses Projekt mit rund 80.000 Euro.
Es freut mich sehr, dass der Präsident
des Bayerischen Gemeindetags Dr. Uwe
Brandl, bereits geäußert hat, dass die
Erkenntnisse aus diesem Projekt für
die bayerischen Städte, Märkte und
Gemeinden von sehr großem Interes-
se sein werden.

Stichwort „Nachhaltigkeit“ – welche
Herausforderungen gibt es?
Ulrike Scharf: Wir wollen Nachhaltig-
keit als Grundsatz in allen Lebens-
bereichen verankern. Kommunen kön-
nen dabei wertvolle Unterstützung
geben.
Viele Kommunen haben bereits er-         finanziellen Fragen sind den Ge-           Besonders hilfreich für uns ist, dass
kannt, wie wichtig es ist, langfristig   meinden Grenzen gesetzt.                   der Bayerische Gemeindetag das Zen-
zu planen und dabei umfassend die                                                   trum für nachhaltige Kommunalent-
Konsequenzen dieser Planungen            Ulrike Scharf: Die Investition in eine     wicklung seit langem ideell unter-
auch für nachfolgende Generationen       nachhaltige Entwicklung ist bestens        stützt und dieses ebenfalls im regen
abzuwägen.                               angelegtes Kapital. Damit lässt sich       Austausch mit dem Bayerischen Ge-
Wenn es um die nachhaltige Entwick-      eine Rendite erzielen, die man am          meindetag steht. So konnte der Ge-
lung unseres Landes geht, sind Kom-      Markt nirgendwo bekommt: Zukunfts-         meindetag bislang viele Städte, Märk-
munen für uns wichtige Ansprech-         fähigkeit.                                 te und Gemeinden zur Mitwirkung in
partner. Sie haben den direkten Kon-                                                unserem Kommunalzirkel gewinnen.
                                         Der Freistaat unterstützt seine Kom-       Das ist für uns sehr wertvoll.
takt zu den Bürgerinnen und Bürgern
                                         munen beim Thema Nachhaltigkeit
und wissen oftmals genau, wo der                                                    2014 haben wir zudem eine neue För-
                                         und Ressourcenschonung mit ver-
Schuh drückt.                                                                       derrichtlinie verabschiedet, die ge-
                                         schiedenen Maßnahmen. Mit dem
Darüber hinaus gestalten Kommunen        Zentrum für nachhaltige Kommunal-          zielt bei der Erstellung von Energie-
das Lebensumfeld der Menschen ent-       entwicklung unterstützen und moti-         sparkonzepten in öffentlichen Ge-
scheidend mit und haben damit            vieren wir die bayerischen Gemein-         bäuden oder bei einzelnen Baumaß-
großen Einfluss, ob sie sich an ihrem    den, ihre Chancen zu erkennen und          nahmen auch finanziell unterstützt.
Wohnort wohlfühlen.                      die Entwicklung in die eigenen Hän-        Bislang wurden über 400 Maßnah-
Und nicht zuletzt haben Kommunen         de zu nehmen. Es wird in den kom-          men mit rund 7 Millionen Euro geför-
auch eine Vorbildfunktion. So können     menden Jahren Entwicklungsmög-             dert. Darüber hinaus wurde ein Leit-
sie zum Beispiel mit einer nachhalti-    lichkeiten bayerischer Kommunen            faden zur Abfallvermeidung für Kom-
gen Beschaffung einen Beitrag zur        praxisnah darstellen und den Kom-          munen entwickelt, der die Effektivität
Einhaltung von Sozial- und Umwelt-       munen angepasst an ihre jeweiligen         verschiedener Maßnahmen zur Ab-
standards beitragen, bringen bei         Bedürfnisse beispielsweise zeigen,         fallvermeidung bewertet.
öffentlichen Gebäuden erneuerbare,       wie sie selbst tätig werden können,        Klar ist aber auch: Eine nachhaltige
klimafreundliche Energieträger zum       um Ressourcen zu schonen. Die Ver-         Entwicklung kann nicht von heute
Einsatz und führen energetische Sa-      anstaltungen, die das Zentrum anbie-       auf morgen stattfinden. Zahlreiche
nierungen durch oder engagieren          tet, geben praxistaugliche Anregun-        Gemeinden haben bereits prima Ideen
sich für die Elektromobilität.           gen für kommunale Entscheiderin-           und vor allem auch einen enormen
                                         nen und Entscheider sowie engagier-        Gestaltungswillen. Leider ist dieser
Über die Grundidee einer nachhal-        te Bürgerinnen und Bürger, die sich        Weg kurz- und mittelfristig häufig
tigen Entwicklung besteht kommu-         intensiver mit diesem wirklich vielsei-    nicht immer der leichteste. Daher bie-
naler Konsens, mit einer Einschrän-      tigen Thema einer nachhaltigen Ent-        ten Treffen, wie der Kommunalzirkel
kung: Aus kommunaler Sicht ist das       wicklung befassen wollen. Zudem            am 17. März 2017 in Fraunberg, Gele-
Thema eine gesamtgesellschaftlich        bietet es ein umfangreiches digitales      genheiten, um sich mit Gleichgesinn-
zu lösende Aufgabe, bei der vor          Informationsangebot auf der Home-          ten zu vernetzen, Ideen zu entwickeln
allem der Staat in Vorleistung ge-       page www.kommunal-nachhaltig.de            und Motivation für das eigene Han-
hen sollte. Denn spätestens bei den      und in Form eines Newsletters.             deln zu sammeln.
212 Bayerischer Gemeindetag 5/2017

Nochmal zurück zum Stichwort
„Jugend auf dem Land“ – welche
Herausforderungen sind hier hin-
sichtlich Nachhaltigkeit zu meis-
tern?
Ulrike Scharf: Eine wichtige Aufgabe
ist die Umweltbildung und Bildung
für Nachhaltige Entwicklung, die wir
mit einer Vielzahl von Angeboten ins-
besondere für Kinder und Jugend-
liche unterstützen.
Generell gilt für das Thema Nachhal-
tigkeit: Jugendliche sind aufgrund
der demografischen Entwicklung in
vielen ländlichen Gemeinden sozu-
sagen ein harter Standortfaktor. Die
Einbindung von jungen Menschen in
das Gemeindeleben und in die Zu-         ben, dass sie ernst genommen wer-        Die Jugendarbeit hat sich in den
kunftsgestaltung vor Ort sind The-       den. Wir müssen junge Menschen           letzten Jahren stark diversifiziert,
men, die aktiv angegangen werden         noch stärker einbinden, wenn wir         auch auf dem Feld der politischen
müssen. Beispielsweise mit einem         Konzepte für die Zukunftsfähigkeit       Bildung. In vielen Kommunen gibt
Jugendleitbild, an dessen Erstellung     unserer Kommunen entwickeln. Denn        es bereits seit langem Jugendge-
sie aktiv beteiligt sind und ausrei-     das betrifft ja gerade ihre Zukunft,     meinderäte. Auch die Kommunika-
chend Gelegenheit haben, sich selbst     sprich die Zukunft der nächsten Er-      tionswege von Jugendlichen müs-
einzubringen. Das ist etwas anderes      wachsenengeneration.                     sen verstärkt genutzt werden, wie
als ein von den Erwachsenen vorge-                                                z.B. Michael Bergrab, Bayerns jüngs-
gebenes Leitbild für die Jugendli-       Bezüglich der Angebote für Jugend-       ter Bürgermeister aus der Gemein-
chen.                                    liche kann es sinnvoll sein, interkom-   de Lisberg auf der Tagung des Kom-
                                         munal zusammenzuarbeiten, wie es         munalzirkels betonte. Beides kann
Was empfehlen Sie Kommunen zur           viele Gemeinden bereits machen. Die      hilfreich sein, um Jugendliche dafür
nachhaltigen Gestaltung ihrer Ju-        Angebote sollten vielfältig sein und     zu gewinnen, kommunale Verant-
gendarbeit?                              vor allem auch für alle konzipiert       wortung zu übernehmen.
Ulrike Scharf: Nach meiner Erfah-        werden. Insbesondere die klassischen
rung sind Jugendliche an Zukunfts-       Vereine auf dem Land sprechen bei-       Ulrike Scharf: Ja, das stimmt. Ju-
fragen ihrer Heimatgemeinde sehr         spielsweise oftmals eher Jungen an       gendgemeinderäte sind meiner Mei-
interessiert und engagieren sich gern.   als Mädchen. Hier besteht noch Hand-     nung nach eine sehr gute Entwick-
Allerdings müssen sie das Gefühl ha-     lungsbedarf.                             lung. Und sie sind sehr wichtig, wenn
                                                                                  es darum geht, dass junge Leute in
                                                                                  ihrer Gemeinde Verantwortung über-
                                                                                  nehmen, sei es in einer Funktion in
                                                                                  einem Verein oder eben auch in der
                                                                                  Kommunalpolitik.

                                                                                  Wesentlich dabei ist, dass wir die jun-
                                                                                  gen Menschen auch tatsächlich errei-
                                                                                  chen. Dazu brauchen wir moderne
                                                                                  Kommunikationsmittel wie Twitter
                                                                                  oder Facebook. Auch dies haben wir
                                                                                  in den Fokus unserer Planungen
                                                                                  gerückt: So steht bereits am 29. Juni
                                                                                  2017 in Dingolshausen im Landkreis
                                                                                  Schweinfurt in einem weiteren Tref-
                                                                                  fen des Kommunalzirkels das Thema
                                                                                  „Jugend, Gemeinde und der Umgang
                                                                                  mit neuen Medien“ auf dem Pro-
                                                                                  gramm.
5/2017 Bayerischer Gemeindetag   213

Aber im Grunde genommen geht es                  Auf dem Programm steht zum Bei-
auch um das Kommunikationsver-                   spiel das Thema „Das Land verändert
halten der Erwachsenengeneration.                sich, und mit ihm das Ehrenamt“ .*)
Auch das wurde auf der Tagung deut-              Und unter dem Motto „Globale
lich. Wir müssen uns abgewöhnen, als             Nachhaltigkeitsziele und kommunale
Erwachsene über die Jugendlichen zu              Handlungsmöglichkeiten“ wird in
sprechen. Vielmehr gilt es, dass wir             den nächsten Monaten auch die in-
das Gespräch mit ihnen suchen. Oft-              ternationale Agenda 2030 themati-
mals fehlt es an Gelegenheiten, bei              siert und diskutiert.
denen mal die Jugendlichen spre-                 Die nachhaltige Kommunalentwick-
chen und wir Erwachsenen zuhören                 lung bleibt ein zentrales Zukunftsthe-
und uns auf die Gespräche einlassen.             ma. Und die „Jugend auf dem Land“
Ein gutes Beispiel hat hierzu der Refe-          spielt dabei eine ganz zentrale Rolle.
rent Christoph Schattleitner in seinem           Ich freue mich darauf, die gute Zu-
Impulsvortrag eindrücklich geschil-              sammenarbeit mit den Gemeinden in
dert. Er hat in Österreich Podiums-              Bayern auch auf diesem Themenfeld
diskussionen organisiert, bei denen              fortzusetzen.
ausschließlich Jugendliche diskutier-
ten und Vertreter aus Politik und Wirt-                                     Die Fragen stellte:
schaft nur zum Zuhören eingeladen                                     Jessica Hövelborn, M.A.
waren. Aus dieser Vertauschung der                                  Bayerischer Gemeindetag
                                                     jessica.hoevelborn@bay-gemeindetag.de
Rollen ergaben sich für alle Beteilig-
ten zahlreiche Aha-Effekte.                                            Weitere Informationen:
                                                          Zentrum für nachhaltige Kommunal-
Was plant das Zentrum für nach-                                         entwicklung in Bayern
haltige Kommunalentwicklung in                          c/o Landesnetzwerk Bürgerschaftliches
                                                                       Engagement (LBE) e.V.
Bayern für die Kommunen in den
                                                                                 Sandstraße 7
nächsten Monaten?                                                            90443 Nürnberg
Ulrike Scharf: Auf den Treffen des                             info@kommunal-nachhaltig.de
Kommunalzirkels werden weiterhin                               www.kommunal-nachhaltig.de
wichtige und aktuelle kommunale
Fragestellungen aufgegriffen. Somit
können wir Kommunen stets einen                   * Für den Kommunalzirkel „Das Land verändert sich, und
                                                    mit ihm das Ehrenamt“ können sich Kommunen noch
bayernweiten Austausch zu unter-                    bis zum 23. Juni 2017 anmelden. Weitere Informatio-
schiedlichen Fragestellungen bieten.                nen s. Seite 236.

 Großes Engagement und viele gute Ideen brachten die Teilnehmer des Kommunalzirkels
 „Jugend auf dem Land“ in die Diskussionen mit ein. In der 1. Reihe Ulrike Scharf, Bayerische
 Umweltministerin (2.v.r.) und Johann Wiesmaier, Erster Bürgermeister der Gemeinde
 Fraunberg (3.v.r.).                                                                   © StMUV
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