50 Jahre Städtebauförderung - Schwerpunkt - vhw
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2/2021 Heft 2 März–April 2021 G 3937 D FORUM WOHNEN UND STADTENTWICKLUNG Schwerpunkt 50 Jahre Städtebauförderung Stadtentwicklung Die Bedeutung der Städtebauförderung für die Kommunen • Zukunftsmodell für Städte und Gemeinden • Weiterentwicklung der Städtebauförderung • Umweltgerechtigkeit und Städtebauförderung • Städte- bauförderung in Nordrhein-Westfalen • Die Sicht der Wohnungswirtschaft • Städtebaulicher Investi- tions- und Förderbedarf 2020 bis 2030 • Die Entwicklungsmaßnahme Norderstedt-Mitte • Von einer hoheitlich verstandenen Politik zu flexiblen Managementansätzen • Neue Herausforderungen für ein bewährtes Instrument • Von der Strategie zur Umsetzung der Neuen Leipzig-Charta • Stadt machen von unten • Die Wiederbelebung des Werkswohnungsbaus Nachrichten Fachliteratur WohnungsMarktEntwicklung Baufertigstellungen in Deutschland 2019 Verbandszeitschrift des vhw
Inhalt Schwerpunkt Von einer hoheitlich verstandenen Politik zu 50 Jahre Städtebauförderung flexiblen Managementansätzen – zur Weiterentwicklung der Städtebauförderung 89 Editorial Prof. Dr. Uwe Altrock, Universität Kassel Städtebauförderung als starkes Programm für die Transformation unserer Städte 57 50 Jahre Städtebauförderung – und jetzt? Prof. Elke Pahl-Weber, Neue Herausforderungen für ein bewährtes Technische Universität Berlin Förderinstrument 92 Dr. Frank Burlein, DSK Deutsche Stadt- und Stadtentwicklung Grundstücksentwicklungsgesellschaft mbH, Die Bedeutung der Städtebauförderung für Wiesbaden/Erfurt die Städte und Kommunen in Deutschland 59 Hilmar von Lojewski, Dr. Timo Munzinger, Die Neue Leipzig-Charta – von der Strategie zur Deutscher Städtetag Köln/Berlin Umsetzung 97 Dr. Oliver Weigel, Bundesministerium des Innern, Städtebauförderung: einzigartiges Zukunfts- für Bau und Heimat, Berlin modell für Städte und Gemeinden 63 Norbert Portz, Deutscher Städte- und Stadt machen von unten – das Modellprojekt Gemeindebund, Berlin Rekommunalisierung Plus in Berlin-Kreuzberg 101 Kotti & Co, Kotti-Coop e.V., Mieterrat NKZ, Weiterentwicklung der Städtebauförderung 67 Berlin Jürgen Göddecke-Stellmann, Dr. Karin Veith, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Werkswohnen 2.0 – die Wiederbelebung Raumforschung (BBSR), Bonn unternehmerischer Wohnungsversorgung 105 Dr. Robert Kitzmann, Humboldt-Universität Umweltgerechtigkeit und Städtebauförderung 71 zu Berlin Christa Böhme, Dr. Thomas Franke, Margo Lange, bulwiengesa AG, Berlin Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin Geena Michelczak, Regiokontext GmbH, Berlin Städtebauförderung in Nordrhein-Westfalen 75 Nachrichten Karl Jasper, Düsseldorf/Beckum Fachliteratur 111 Die Sicht der Wohnungswirtschaft auf 50 Jahre WohnungsMarktEntwicklung Städtebauförderung 79 Baufertigstellungen in Deutschland 2019 112 Dr. Oliver Gewand, GdW – Bundesverband Anna Florl, vhw e.V., Berlin deutscher Wohnungs- und Immobilienunter- nehmen e.V., Berlin Städtebaulicher Investitions- und Förderbedarf 2020 bis 2030 83 Michael Heinze, Prof. Dr. Guido Spars, Bergische Universität Wuppertal Die Entwicklungsmaßnahme Norderstedt-Mitte – ein Beispiel aus den frühen Jahren der Städtebauförderung 87 Prof. Dr. e.h. Christiane Thalgott, München
Editorial Städtebauförderung als starkes Programm für die Transformation unserer Städte Städtebauförderung ist ein Die Hebelwirkung für private Investitionen durch Ein- starkes Programm für die satz öffentlicher Fördergelder ist insofern etwas Beson- Entwicklung unserer Städte, deres, weil sie über die städtebauliche – vor allem bau- das seine Besonderheit aus liche – Wirkung hinausgeht und räumlich, baulich und dem Aufbau und seiner Wir- sozial Strukturen verbessert. Die Stärke liegt in der Wir- kung bezieht: kung als lokale Förderung von Bau- und Handwerks- betrieben, die bei der Stadterneuerung tätig sind und In der Zusammenarbeit von so eine Wirkung entfaltet werden kann, die weit über die Bund, Ländern und Kom- Behebung städtebaulicher Missstände hinausgeht. munen zeigt das Programm vorbildlich, wie die födera- Die hier fett hervorgehobenen Schlagworte haben sich in len Ebenen unseres Staa- der städtebaulichen Debatte als kontinuierliche Diskussi- tes synergetisch zusam- onsthemen gezeigt. Sie sind nicht gelöst durch die Städte- Prof. Elke Pahl-Weber menwirken. Dabei kommt bauförderung, aber sie sind konstitutiver Bestandteil und die Stärke nicht zuletzt aus damit ein Zeichen für Kontinuität und Aktualität. Sie ste- der Tatsache, dass um die vor Ort erfolgende Umsetzung hen nicht für „alles geschafft“, eher für „gut, dass wir sie des Programms gerungen werden muss zwischen diesen haben“ und „sie wird auch weiter gebraucht“ im Rahmen Ebenen, denn es gibt politisch und fachlich keine selbstver- der Transformation unserer Städte in Zeiten von Digitalisie- ständliche Einmütigkeit. Die unterschiedlichen Interessen rung, Klimawandel und sozialen Spannungen. und Positionen werden deliberativ demokratisch ausge- Die Neustrukturierung der Städtebauförderung 2020 in drei tauscht und ausgehandelt. übergeordnete Programme mit Querschnittsaufgaben in Städtebauförderung dient der Weiterentwicklung der beste- der Nachhaltigkeit, vor allem im Klimaschutz, ist Zeichen henden Stadt, einer Bestandsentwicklung, die Bestehendes der Flexibilität des Programms. Wie diese Neustrukturie- erneuert, ergänzt, und, wenn notwendig, auch ersetzt. Das rung trägt, wird sich dabei in den kommenden Jahren zei- Besondere besteht in der Verknüpfung von Bestandsent- gen. Die Ausstattung mit finanziellen Mitteln ist in den ver- wicklung und Neubau, und die Stärke liegt dabei in einer gangenen Jahren wieder angewachsen, womit nicht zuletzt integrierten Vorgehensweise, die vor allem öffentliche auch eine Schwerpunktsetzung auf der Entwicklung des Infrastrukturen im Neubau aus dem Bereich der Daseins- Bestandes deutlich wird. Möglicherweise sind gerade in vorsorge mit privaten Investitionen verknüpft und zu der den Innenstädten Stichworte, wie die Umnutzung von Ein- programmatisch beabsichtigten Qualitätsverbesserung kaufszentren, Warenhäusern und Bankgebäuden, Themen, sowie der Beseitigung städtebaulicher Mängel führt. die uns zunehmend begleiten – die Kosten der Umnutzung bestehender Gebäude liegen mitunter über denen von Neu- Teilhabe und Mitwirkung der Bewohner in der Stadt am bauten, aber es ist der nachhaltigere Weg. Die bisher flexible Entwicklungsprozess ist konstitutiver Bestandteil der Gestaltung der Städtebauförderung stützt die Zuversicht, Städtebauförderung. Eigentümer sind nach dem Gesetz auch die neuen Aufgaben der Umnutzung großer Komplexe zur Mitwirkung verpflichtet und Mieter zunehmend in den in den Innenstädten mit Blick auf Klimaschutz und Freiraum Einzelprogrammen erkannt und in unterschiedlichen For- stärker in den Blick zu nehmen. Die vorliegende Schwer- maten angesprochen. Am intensivsten ist dies sicherlich punktausgabe zum Thema „50 Jahre Städtebauförderung“ im Rahmen des Quartiersmanagements beim Programm kommt gerade zur rechten Zeit. Soziale Stadt erfolgt. Die Anpassung an sich ändernde Verhältnisse ist eine be- sondere Herausforderung in der Stadtentwicklung. Die Städtebauförderung leistet das durch jährliche Verwal- Prof. Dipl.-Ing. Elke Pahl-Weber tungsvereinbarungen und Änderungen in der Programm- struktur. Dabei ist auch eine Experimentierklausel zum Institut für Stadt- und Regionalplanung Tragen gekommen, die es ermöglicht, etwas experimentell Technische Universität Berlin auszuprobieren, von dem vielleicht noch nicht sicher ist, ob es im Sinne des Programms wirkt. vhw FWS 2 / März–April 2021 57
vhw Wohngeld – Leitfaden 2021 Ingo Christian Hartmann Wohngeld – Leitfaden 2021 Die Schwerpunkte der Wohngeldentscheidung NEU: 12. Auflage, Umfang: ca. 550 Seiten DIN A5, broschiert Einzelpreis: 47,50 Euro zzgl. Versandkosten ISBN: 978-3-87941-807-7 Erscheinungsdatum: Januar 2021 Das Standardwerk für die Wohngeldentscheidung VII. Datenabgleich und Datenschutz Der bei allen Wohngeldbehörden eingeführte, bewährte VIII. Bewilligungszeitraum Leitfaden zum Wohngeld erscheint im Januar 2021 in der IX. Minderung des Wohngeldes 12. Auflage und erläutert das Wohngeldrecht umfassend. Das Grundrentengesetz und das Wohngeld-CO2-Beprei- X. Aufhebung und Berichtigung des Wohngeldbescheides, sungsentlastungsgesetz führen ab 2021 zu einer Änderung Erstattung zu Unrecht geleisteten Wohngeldes des Wohngeldgesetzes; 2020 sind überdies diverse Ände- XI. Erstattung zwischen den Leistungsträgern rungen – auch der Wohngeldverordnung – zu verzeichnen. XII. Überleitungsrecht 2020/2021 Sämtliche Rechtsänderungen – auch im übrigen Recht – sind im Leitfaden berücksichtigt. Ausführlich werden Inhalt XIII. Einkommenskatalog und Konsequenzen der neuen Vorschriften behandelt. Wei- XIV. Wohngeldgesetz 2021 ter ausgebaut sind u. a. die Einkommensermittlung, Fragen der Minderung, Aufhebung und Erstattung sowie die aktu- XV. Wohngeldverordnung 2021 ellen Vollzugsfragen. Eingehend verarbeitet sind insbeson- XVI. Einkommensteuergesetz 2021 dere das neue Überleitungsrecht, die aktuelle Rechtspre- chung und die Erlasslage. Weiter ausgebaut und vertieft ist der Einkommenskatalog. Wohngeld – Leitfaden 2021 Einzelpreis: 47,50 Euro zzgl. Versandkosten Der Leitfaden behandelt damit alle wichtigen Arbeitsvor- Bestellung Fax 0228/725 99-95 gänge der Wohngeldpraxis von der Antragsannahme und Einkommensermittlung über die Bewilligung oder Ver- vhw-Verlag sagung bis zur Aufhebung des Wohngeldbescheides und Dienstleistung GmbH zur Erstattung. Zahlreiche Beispiele erleichtern die Arbeit Hinter Hoben 149 ebenso wie der Einkommenskatalog und ein umfassendes 53129 Bonn Stichwortverzeichnis, das die Nutzer des Fachbuchs zu ih- ren speziellen Fragen führt. Die ausführlichen Erläuterun- gen bieten damit allen mit dem Wohngeld Befassten eine fundierte Orientierung für die tägliche Arbeit. Inhaltliche Schwerpunkte I. Einkommensermittlung II. Schätzung des Einkommens, Versagung des Wohngeldes und Ablehnung des Wohngeldantrages III. Missbräuchliche Inanspruchnahme des Wohngeldes IV. Haushaltsmitglieder, Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft V. Wohngeld für Heimbewohner VI. Wohngeld im Transferleistungsfall 58 vhw FWS 2 / März – April 2021
Stadtentwicklung Die Bedeutung der Städtebauförderung für die Kommunen Hilmar von Lojewski, Timo Munzinger Die Bedeutung der Städtebauförderung für die Städte und Kommunen in Deutschland Seit 50 Jahren ist die Städtebauförderung eines der wichtigsten Instrumente zur Verbesserung der Wohn- und Ar- beitsverhältnisse sowie der Funktionalität, Wirtschafts- und Siedlungsstruktur. Durchaus ein Anlass zum Feiern, aber auch, um zumindest ansatzweise zu reflektieren und aus dem Rückblick und dem Status quo für die Zukunft zu lernen – denn selten ist etwas so gut, dass es nicht noch besser werden könnte. Die Geburtsstunde der Städtebauförderung lichen, sozialen, strukturellen und technologischen Verän- derungen zu einer Daueraufgabe. Es wäre unredlich, darü- Die Hauptversammlung des Deutschen Städtetages 1971 in München stand unter dem alarmierenden Motto „Rettet ber ihre Wirksamkeit infrage zu stellen. unsere Städte jetzt“. Die Zusammenkunft der deutschen Die Städtebauförderung trägt zur Beseitigung städtebauli- Städte zeichnete ein grimmiges Bild der städtebaulichen cher Missstände sowie zur Wirtschaftsförderung bei. Der Realität im Land und suchte nach Lösungen. Parallel dazu allseits bekannte Multiplikatoreffekt verstärkt die Wirkung fanden die Beratungen zum Städtebaufördergesetz in den je nach Ausgangslage deutlich. Dennoch wird die Städte- Ausschüssen und die zweite Lesung im Plenum des Bun- bauförderung immer wieder neu justiert, nachgeschärft und destages statt. Die damaligen Herausforderungen ergeben erweitert. Sie wandelt sich von einer in den ersten Jahren ein überraschendes Déjà-vu zur heutigen Situation: Die auf Kosten der noch bewahrten historischen Gebäude neu- Einwohnerzahlen und der Flächenbedarf pro Kopf wachsen, die Umweltbelastungen steigen, die wachsende Mobilität wird als Belastung für die Stadtsysteme sowie der Bürge- rinnen und Bürger wahrgenommen. Im Ergebnis werden eine gemeinwohlorientierte Bodenpolitik, Lösungen für die Herausforderungen des Wohnens, der Mobilität und der städtebaulichen Qualität sowie die schnellstmögliche Ver- abschiedung des Städtebaufördergesetzes gefordert. Unzweifelhaft war der Ruf nach Städtebauförderung 1971 dringend geboten. Die Agenda der letzten 50 Jahre war und ist auch heute vielfältig – Bestandsschutz, Bestandserneu- erung, Zentrenentwicklung, Neubau von Infrastrukturen, aber auch Rückbau. Die Kritiker öffentlicher Förderung und Intervention mögen daher fragen: Sind die Wirkungen der Städtebauförderung in den letzten 50 Jahren so überschau- bar, dass heute immer noch die gleichen Herausforderun- gen zu bewältigen sind? Städtebauförderung als Daueraufgabe im Wandel der Zeit Das Erfolgsrezept der Städtebauförderung der vergange- nen 50 Jahre ist stets ihre Anpassungsfähigkeit und Wirt- schaftlichkeit. Durch einen breiten inhaltlichen Ansatz können viele Herausforderungen vor Ort gelöst oder Pro- bleme gemildert werden. Das bedeutet jedoch selten einen Abschluss der Aktivitäten, selbst wenn „schlussgerechnet“ Abb. 1: Neue Anforderungen an Gebäude, öffentliche und private Räume wird. Städtebauförderung wird angesichts von gesellschaft- durch die Coronapandemie (Fotos: Timo Munzinger) vhw FWS 2 / März–April 2021 59
Stadtentwicklung Die Bedeutung der Städtebauförderung für die Kommunen bauzentrierten Förderung („Kahlschlagsanierung“) zu ei- 50 Jahre Städtebauförderung und neue ner kleinteiligen, behutsamen und beteiligungsorientierten Herausforderungen Stadterneuerung. Und sie zeichnet sich durch die adaptive Das Jahr 2021 wird lange in Erinnerung bleiben. Nicht nur Ausgestaltung der Programme aus: In den 1990er Jahren aufgrund des 50-jährigen Jubiläums der Städtebauförde- stehen die Herausforderungen der ostdeutschen Länder im rung, sondern auch aufgrund der immensen Herausforde- Vordergrund. Es werden neue Programme, wie der Denk- rungen der Coronapandemie. Die Auswirkungen der Pan- malschutz Ost oder die Entwicklung und Erschließung von demie verdeutlichen den Handlungsbedarf, nicht nur im Wohngebieten, aufgelegt. Auf das Erfordernis der sozialen Gesundheitswesen, der Wirtschaft, der digitalen Ausstat- Stabilisierung von Quartieren und ihren Zusammenhalt tung oder dem gesellschaftlichen Miteinander, sondern wird um die Jahrtausendwende mit dem Programm Soziale auch im baulich-räumlichen Bereich. Mobilitätswandel Stadt reagiert. Das Programm Stadtumbau Ost wird einge- und die damit verbundenen individuellen Bewegungsmus- führt, das Zentrenprogramm, der Denkmalschutz West und ter sowie veränderte Arbeits- und Konsumgewohnheiten das Programm Kleiner Städte und Gemeinden kommen bis führen zu neuen Anforderungen an Gebäuden, öffentlichen 2010 hinzu. und privaten Räumen. Wie gelingt Homeoffice zu zweit in Die Programmvielfalt läuft jedoch dem ursprünglichen einem Raum? Wo sind die nächsten Grün- und Freiflä- Gedanken eines breiten inhaltlichen Ansatzes zuwider chen? Wie steht es um die Erreichbarkeit von Arbeit, öf- fentlichen Einrichtungen, Schulen und Freizeiteinrichtun- und erschwert die Organisation und Koordination auf Bun- gen mit dem Fahrrad oder zu Fuß? Viele Fragen, bei deren des-, Landes- und kommunaler Ebene. Das Beantragen, Beantwortung auch die Städtebauförderung unterstützen Vergeben und Verausgaben der Mittel wird nicht nur für kann und muss. die Städte immer aufwendiger. Diese Ausgangslage ver- anlasst den Deutschen Städtetag dazu, 2019 ein Positions- Veröffentlichungen und Förderaufrufe, die sich mit der so- papier zur „Weiterentwicklung der Städtebauförderung“ genannten „Post-Corona-Stadt“ auseinandersetzen, haben zu erarbeiten. hierauf vielfach reagiert. Auch die Neue Leipzig-Charta 2020 macht deutlich, wohin die Reise gehen muss.1 Sie Eine grundlegend überarbeitete Bund-Länder-Verwal- stellt nicht nur eine Verbindung zu den drei Nachhaltig- tungsvereinbarung wird 2020 zwischen den Akteuren abge- keitsdimensionen ökologisch, ökonomisch und sozial her, stimmt. Die Verwaltungsvereinbarung sieht u. a. vor, dass sondern auch zum europäischen Green Deal. Zudem wer- Maßnahmen des Klimaschutzes bzw. zur Anpassung an den den die strategischen Ansätze einer nachhaltigen Entwick- Klimawandel zukünftig Voraussetzung für die Förderung lung, wie Effizienz, Konsistenz und Suffizienz, thematisiert. sind. Insgesamt richtet sich die Programmatik deutlicher Das Prinzip Gemeinwohl durchzieht die Charta als überge- auf die Unterstützung der Kommunen bei Transformations- ordnete Handlungsmaxime. Alle Maßnahmen, Projekte und prozessen aus. Die größte Änderung ist allerdings, dass die Prozesse auf allen Ebenen müssen einen Beitrag zur nach- bisher sechs unterschiedlichen Programme zu zukünftig haltigen Transformation der Städte und zum Gemeinwohl drei Programmen zusammengeführt werden: leisten. ■ Lebendige Zentren – Erhalt und Entwicklung der Stadt- Die Neue Leipzig-Charta betont, dass die anstehenden glo- und Ortskerne; balen und lokalen Herausforderungen nur mit den Kom- ■ Sozialer Zusammenhalt – Zusammenleben im Quartier munen bewältigt werden können. Sie sind den Bürgerinnen und Bürgern am nächsten und stehen in Verbindung zu de- gemeinsam gestalten; ren Alltag und Bedürfnissen. Das erfordert aber mehr Un- ■ Wachstum und nachhaltige Erneuerung – Lebenswerte terstützung und Handlungsspielraum für die Kommunen Quartiere gestalten. durch die europäische, nationale und regionale Ebene. Kon- Der Deutsche Städtetag begrüßt viele der Änderungen in kret benötigen die Städte hierfür: der Verwaltungsvereinbarung ausdrücklich; sie kommen ■ maßgeschneiderte rechtliche Rahmenbedingungen auf den Forderungen des Positionspapiers „Weiterentwick- allen Ebenen der Verwaltung und der Politik; lung der Städtebauförderung“ nach. Allerdings machen ■ ausreichende Investitionsmöglichkeiten, die sich aus ei- insbesondere die weiterhin aufwendigen Prozesse zur Be- genen Einnahmen sowie aus Mittelzuweisungen von na- antragung, Projektierung und Abrechnung deutlich, dass tionaler und regionaler Ebene speisen; Entbürokratisierung und Entschlackung von Verfahren weiter betrieben werden müssen. Die zentralen Zielset- ■ qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich zungen aus dem Positionspapier, Flexibilität, Kontinuität kontinuierlich weiterbilden und spezialisieren; und Bürokratieabbau, sind noch nicht vollständig umge- setzt. 1 Zur Neuen Leipzig-Charta vgl. den Beitrag von Oliver Weigel in diesem Heft 60 vhw FWS 2 / März–April 2021
Stadtentwicklung Die Bedeutung der Städtebauförderung für die Kommunen ■ mehr Lenkungs- und Gestaltungshoheit bei Infrastruk- Eine zukunftsfreudige Städtebauförderung turen, öffentlichen Dienstleistungen und bei der Siche- Die Städtebauförderung ist inhaltlich durch die Anpassun- rung des Gemeinwohls. gen im Jahr 2020 gut aufgestellt. Der größte Unterschied Damit steht die Umsetzung der Ziele der Neuen Leipzig- zu den vergangenen Jahren besteht aktuell darin, dass alle Charta auch in direkter Verbindung zur Städtebauförderung. Kommunen zeitgleich mit den Auswirkungen der Corona- Die Städtebauförderung muss ihre Leistungsfähigkeit einmal pandemie und den genannten Herausforderungen umgehen mehr unter Beweis stellen. Es steht an, die vielfältigen struk- müssen. Dies erfordert sowohl einen deutlich gesteigerten turellen und sozialen Auswirkungen der Coronapandemie zu Mitteleinsatz als auch bürokratische und prozessuale Er- bewältigen, die globalen Klima- und Nachhaltigkeitsziele zu leichterungen. Beide Maßnahmen – mehr Mittel und we- erreichen und dabei die Grundsätze der Neuen Leipzig-Char- niger Bürokratie – gehören ausdrücklich zusammen. Denn ta zu verfolgen. Klar ist aber auch: Die Städtebauförderung nur so können die Mittel nachhaltig eingesetzt werden. allein wird auf den unterschiedlichen Maßstabsebenen ihres Wirkens weder den drohenden Leerstand in den Innenstädten Wo können die Maßnahmen zur Entbürokratisierung an- zurückdrehen, noch das gesamte Arsenal von Klimaschutz- setzen? Die Städtebauförderung muss so flexibel, an- und Klimaanpassungsmaßnahmen ausrollen können. Aber passungsfähig und „robust“ werden, wie die integrierten Entwicklungskonzepte, die meist Voraussetzung für die Mit- sie kann einen Beitrag dazu leisten, räumliche Strukturen zu telvergabe sind. Anpassungsfähigkeit und Robustheit sind verbessern, den öffentlichen Raum zu gestalten sowie die Le- aus vielerlei Gründen geboten: bensqualität entlang der Nachhaltigkeitsziele zu verbessern. Die Städtebauförderung bleibt ein wichtiges Instrument, um ■ Die vorbereitenden Untersuchungen und Stadtentwick- erforderliche Maßnahmen in den Städten und Gemeinden zu lungskonzepte richten oftmals den Blick zehn bis zwan- unterstützen und Impulse vor Ort zu setzen. zig Jahre in die Zukunft. Daher sind zum Zeitpunkt der Antragstellung viele Details noch nicht bekannt und kön- nen nicht vorhergesehen werden. ■ Planungsabsichten der Kommunen und der Wirtschafts- treibenden ändern sich, Bürgerbeteiligungen führen zu veränderten Zielsetzungen und Vergabeverfahren er- schweren eine rechtssichere Beauftragung von externen Dritten. ■ Die geforderte Kostenplanung nach DIN 276 kann in aller Regel nur eine Momentaufnahme darstellen; sie muss im Fortgang der Maßnahmen fortgeschrieben werden. ■ Die Volatilität von Preisangeboten der Bauwirtschaft auf Ausschreibungen erfordert häufig Um- oder sogar Neu- planungen. Hier muss anstelle starrer Mittelansätze durch die antragstellende Kommune abgewogen werden dürfen, ob eine Beibehaltung der Planung eher zu den erwünschten Wirkungen der städtebaulichen Maßnahme führt als eine Um- oder Neuplanung. Insgesamt muss eine anwendungsfreundliche Städte- bauförderung eine wechselseitige Balance von Anforde- rungen und Arbeitsaufwand herstellen. Das Stellen von Anträgen muss von unnötigen und häufig redundanten Nachweisen, Forderungen und Beschlüssen entlastet wer- den. Der Deutsche Städtetag regt daher die folgenden Maß- nahmen zur Vereinfachung und Flexibilisierung der Städte- bauförderung an: Synchronisierung der Prozesse (mehrjährige Verwal- tungsvereinbarung) Die Verwaltungsvereinbarung und somit auch die Förder- richtlinien treten nicht selten erst im Frühjahr oder Sommer Abb. 2: Städtebauförderung muss auf Veränderungen reagieren des eigentlichen Förderjahres in Kraft. Für die Antragstellung vhw FWS 2 / März–April 2021 61
Stadtentwicklung Die Bedeutung der Städtebauförderung für die Kommunen und Verausgabung der Mittel verbleibt nur ein halbes Jahr. Es teilung der Städtebauförderungsmittel vereinfacht und den ist daher dringend angeraten, die Abstimmungen zur Verwal- Verwaltungsaufwand für die ohnehin personell schwach tungsvereinbarung deutlich vorzuziehen und die Möglichkeit ausgestatteten Kommunen verringert. Es ist ausdrücklich mehrjähriger Vereinbarungen ernsthaft zu prüfen. nicht gewünscht, die unterschiedlichen Fördertöpfe der Ressorts und Ministerien zusammenzuführen; vielmehr Mittelverwendung vereinfachen und flexibilisieren geht es um eine Verbesserung der internen Koordination Aufgrund der Systematik der jährlichen Bereitstellung und der Ressorts und der Ministerien untereinander sowie ei- Bewilligung von Fördermitteln kommt es in einzelnen Bun- ner abgestimmten externen Kommunikation mit den Kom- desländern immer wieder zu einem Mehraufwand in der munen. kommunalen Verwaltung. Dies führt zu Neubeantragungen oder im ungünstigsten Fall auch zum Verfall von Fördermit- teln. Die jährliche Systematik ist entsprechend anzupassen Zurück in die Zukunft? und die Übertragbarkeit der Fördermittel in die kommen- Die Ausgangsfrage soll nicht offenbleiben: Sind die Heraus- den Jahre grundsätzlich vorzusehen. Ziel muss die eigen- forderungen noch die gleichen? Haben die letzten 50 Jahre verantwortliche Handhabung von Maßnahmen durch die Einsatz tatkräftiger und ideenreicher Menschen und kom- Kommunen auf Basis des Entwicklungskonzepts sein. munaler, Landes- und Bundesmittel in der Städtebauförde- rung tatsächlich so wenige Fortschritte gebracht, dass sie Integriertes Entwicklungskonzept als Grundlage für stets vor den gleichen Aufgaben steht? Die Antwort ließe mehrere Förderprogramme zulassen sich zwar angesichts prall gefüllter Erfolgsbilanzen der Der Aufwand für die Erarbeitung von integrierten Entwick- Städtebauförderung eines halben Jahrhunderts leicht be- lungskonzepten lohnt sich stets, ist aber erheblich. Durch antworten – sie war und ist erfolgreich! Aber sie bedarf auch die Einbindung der Akteure und die Abstimmung unter- einer differenzierten Antwort: Viele der Probleme bestehen schiedlicher Bedarfe entsteht ein gegenseitiges Verständ- – auch in anderer Gestalt – fort oder werden nach einer nis für die Handlungsnotwendigkeiten im Quartier. Daher Phase der Entspannung wieder akut. Und neue Herausfor- sollten diese Konzepte als Grundlage für eine Vielzahl an derungen fordern Städte und Gemeinden für die nächsten Förderanträgen und Förderprogrammen herangezogen Dekaden. Die Neue Leipzig-Charta, der europäische Green werden können. Beispielsweise könnten die Entwicklungs- Deal, die europäische und die globale Neue Urbane Agenda, konzepte auch für die Beantragung von KfW-Fördermitteln die Klimaschutz- und die Nachhaltigkeitsziele spiegeln sie und Fördermittel anderer Ressorts dienen. in Teilen wider. Nachhaltige Stadtentwicklung sucht hierfür Lösungen im Austarieren zwischen sozial-marktwirtschaft- Integrierte, ressortübergreifende Programme entwerfen lichen Reaktionsmustern und steuernden wie fördernden Öffentliche (Bau-)Maßnahmen werden häufig aus zwei Eingriffen der öffentlichen Hand. Hierfür bleibt die Städ- oder mehr Fördertöpfen gefördert, was mit erheblichem tebauförderung eine unerlässliche Daueraufgabe – auch Zeit- und Personalaufwand verbunden ist. Um den Ko- wenn das Grundgesetz (noch) etwas anderes vorsieht. ordinationsaufwand bei den Kommunen zu reduzieren und die Förderpolitik besser abzustimmen, sollten Bund Hilmar von Lojewski und Länder integrierte Programme verfolgen. Es kann Beigeordneter für Stadtentwicklung, Bauen, nicht mehr darum gehen, dass jedes ministerielle Referat Wohnen und Verkehr beim Deutschen Städte- „sein“ Förderprogramm im Bundes- oder Landeshaus- tag Köln/Berlin halt wiederfindet, obwohl es die gleichen Ziele verfolgt. Es muss vielmehr darum gehen, die Integrationsleistung, die der kommunalen Seite abgefordert wird, bereits auf Fördergeberseite abzubilden. Die mittels eines integrier- Dr. Timo Munzinger Referent für Integrierte Stadtentwicklung, ten Entwicklungskonzepts ausgearbeiteten Maßnahmen Regional- und Landesplanung, Städtebau und sollten daher nicht mehr nach Ministerien, Ressorts und Architektur beim Deutschen Städtetag, Köln/ Förderprogrammen aufgeschlüsselt, sondern thematisch Berlin zur Förderung beantragt werden. Das Ziel muss sein: ein Förderantrag für ein integriertes Projekt mit einem Bewil- ligungsbescheid. Hierfür müssen Förderprogramme inhalt- lich abgestimmt und interministeriell ausgearbeitet werden. Integriertes Fördermittelmanagement einführen Zwischen den Städten und den übergeordneten Ebenen muss eine Schnittstelle geschaffen werden, die eine Ver- 62 vhw FWS 2 / März–April 2021
Stadtentwicklung Zukunftsmodell für Städte und Gemeinden Norbert Portz Städtebauförderung: einzigartiges Zu- kunftsmodell für Städte und Gemeinden Konrad Adenauer hat einmal gesagt: „Ein Blick in die Vergangenheit hat nur Sinn, wenn er auch der Zukunft dient.“ Das gilt auch für das 50-jährige Jubiläum der Städtebauförderung. Die Städtebauförderung wird von Bund, Ländern und Kommunen seit dem Jahr 1971 gemeinsam finanziert und getragen. Städte und Gemeinden setzen die Städte- bauförderungsmittel nach dem Motto „Tue Gutes und rede darüber“ in konkrete Projekte um. Dies erfolgt unter enger Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger. Die Städtebauförderung und die jeweiligen Projekte werden den sich wan- delnden Herausforderungen, etwa beim Klimaschutz, stets angeglichen. Die Städtebauförderung trägt so dazu bei, die Gegenwarts- und Zukunftsaufgaben in der Stadtentwicklung zu bewältigen. Lebenswerte Städte und Gemeinden nur mit Hier gilt aber: Die Herausforderungen für die Städte und Ge- meinden werden künftig nicht kleiner, sondern größer. Da- starker Städtebauförderung für spricht nicht nur das große Defizit von 147 Mrd. Euro im Die Städtebauförderung ist auch im europaweiten Vergleich Jahr 2020 im kommunalen Infrastrukturbereich (Beispiel: ein einzigartiges Erfolgsmodell. Dies liegt daran, dass es Sanierung von Schulen und Kitas). Dieses Defizit dürfte kaum eine zweite öffentliche Investition gibt, die zu derart angesichts der gerade bei den Kommunen spürbaren wirt- hohen privaten Folgeinvestitionen führt. So löst ein Euro an schaftlichen Folgen der Coronapandemie in den nächsten öffentlicher Städtebauförderung sieben Euro an Folgein- Jahren noch größer werden. Auch die Herausforderungen vestitionen privater aus. Damit ist die Städtebauförderung im Klimaschutz und bei der Klimafolgenanpassung sowie auch zur Schaffung von Arbeitsplätzen gerade für den Mit- bei der Gestaltung des Wandels unserer Innenstädte und telstand und das Handwerk unverzichtbar. Sie trägt zudem Ortskerne erfordern eine starke Städtebauförderung. zur Generierung wichtiger Steuereinnahmen in den Städten Weiter stellen die Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums und Gemeinden bei. Die Herausforderung zur Schaffung le- und die Aktivierung des Wohnungsleerstands, der gerade benswerter Städte und Gemeinden muss sich sowohl in ei- strukturschwache Gemeinden trifft, etwa durch Programme ner dauerhaften Ausgestaltung der Aufgabe Städtebauför- wie „Jung kauft Alt“ ebenso eine Daueraufgabe dar wie der derung als auch in ihrer Finanzausstattung widerspiegeln. Erhalt und die Sicherung unseres gebauten kulturellen Erbes. Diese Ausstattung muss den sich wandelnden kommunalen Hinzukommen als Herausforderungen die Gestaltung des Herausforderungen entsprechen. demografischen Wandels und des Wandels infolge der Digita- lisierung. Wenn die Städtebauförderung sich hier als schlagkräftiges Instrument zur Unterstützung des Wandels versteht, wird sie auch in Zukunft ein Erfolgsmo- dell bleiben. Städtebauförderung unterstützt Wandel in Innenstädten und Ortskernen Der durch die Pandemie als Brandbe- schleuniger forcierte Wandel in den In- nenstädten und Ortskernen beinhaltet ei- ne dauerhafte Herausforderung. Wesent- liche Ursache für den Umbruch ist der durch die langen Geschäftsschließungen nochmals stark gewachsene Onlinehan- del. Sein Umsatz ist laut Handelsverband Deutschland (HDE) auf 72 Mrd. Euro netto Abb. 1: Investitionsrückstände in Städten, Gemeinden und Landkreisen im Jahre 2020 gestiegen. vhw FWS 2 / März–April 2021 63
Stadtentwicklung Zukunftsmodell für Städte und Gemeinden Dabei gilt aber auch für die Zukunft: Der Inter- nethandel lässt sich nicht mehr zurückdrän- gen. Der Grundsatz für den örtlichen Handel muss daher lauten: „Es geht nur mit und nicht ohne das Internet.“ Auch wenn wir Innenstäd- te und Ortskerne zu attraktiven Quartieren mit Erlebnis- und Aufenthaltsqualität entwickeln müssen, werden die Leerstände bei den statio- nären Händlern zunehmen. Der HDE hat die Schließung von 50.000 Läden prognostiziert. Daher sind die jüngst geschlossenen über 50 Karstadt-/Kaufhof-Warenhäuser, die für viele Städte schon wegen ihrer Größe, Eins-a-Lagen und Magnetfunktion oftmals Schlüsselimmobi- lien für die Innenstädte sind, nur der Anfang. Die Schließungen beinhalten die Chance für eine durch die Städtebauförderung unterstützte Abb. 2: Entwicklung des Onlinehandels seit 2008 größere Nutzungsmischung und Lebendigkeit, auch nach Ladenschluss. Dazu beitragen können bei sin- Leitlinien stellt die Neue Leipzig-Charta die „Grüne Stadt“, kenden Immobilienpreisen mehr Kultureinrichtungen und die „Gerechte Stadt“ und die „Produktive Stadt“. Zudem mehr attraktive Gastronomie, aber auch mehr bezahlbare betont sie den wichtigen Handlungsrahmen der Quartiers- Wohnungen. Eine größere Vielfalt führt aber nur dann zu ebene für eine gute Stadtentwicklung. Die Neue Leipzig- mehr Vitalität für die Innenstädte, wenn die „neuen Einrich- Charta ist mit dem Postulat einer gemeinwohlorientierten tungen“ – wie es Geschäfte sind – auch Frequenzbringer mit Stadtentwicklungspolitik sowie mit ihrem integrierten und „Glamourfaktor“ werden. Mit anderen Worten: Menschen ortsbezogenen Weg eine Handlungsanleitung für die Ge- fahren in eine Innenstadt, um einzukaufen, in Restaurants staltung kommunaler Lebenswirklichkeit in ganz Europa. oder Kinos zu gehen, und nicht, um sich dort Wohnungen In Deutschland bedarf es zur Umsetzung auch insoweit der anzuschauen. Unterstützung durch die Städtebauförderung. Städte und Gemeinden spielen bei der Gestaltung des In- nenstadtwandels jedenfalls eine Schlüsselrolle. Sie sind Effektiver Klimaschutz: ureigene Aufgabe gefordert, zur Schaffung attraktiver Innenstädte mit Erleb- der Stadtentwicklung nischarakter gute Fußgänger- und Fahrradinfrastruktu- Ein effizienter Klimaschutz ist ureigene Aufgabe der Stadt- ren, gute ÖPNV-Anbindungen sowie gute Erreichbarkeiten entwicklung. Das gilt auch für die Klimafolgenanpassung, mit einem möglichst emissionsarmen Individualverkehr zu wie die Anpassung des Stadtraums an zunehmende Star- schaffen. Auch attraktive, sichere und saubere öffentliche kregen- und Hochwasserereignisse, die Erhaltung von Wege und Plätze, auf denen etwa Wochenmärkte mit einem Kaltluftschneisen sowie eine Begrünung von Plätzen und Angebot regionaler Produkte abgehalten werden, stärken Gebäuden. Gerade die letzten drei Dürre- und Hitzesom- die Innenstädte ebenso wie Spielmöglichkeiten für Kinder, mer haben gezeigt, dass wir ein Mehr an „Grün und Blau“ eine Barrierefreiheit für Ältere sowie Aufenthalts- und Sitz- in unseren Kommunen, also ein Mehr an „grünen Lungen“, möglichkeiten. Zur Bewältigung dieser Herausforderungen an Dach- und Fassadenbegrünungen, aber auch mehr Was- in der Stadtentwicklung sind Mittel aus der Städtebauförde- serläufe und Wasserspender benötigen. All dies ist sowohl rung unabdingbar. zur Abmilderung der hohen Temperaturen und zur Klima- folgenanpassung als auch zur Schaffung von Orten mit Le- Neue Leipzig-Charta 2020: bensqualität erforderlich. Effektiver Klimaschutz und die „grüne, gerechte und produktive Stadt“ Klimafolgenanpassung sind daher ureigene Aufgaben der Stadtentwicklung. Die Ende November 2020 im Rahmen der Deutschen Rats- präsidentschaft von den zuständigen Ministern auf EU-Ebe- Zur Erreichung der Klimaschutzziele ist eine Verbesserung ne verabschiedete Neue Leipzig-Charta benennt mit dem der Energieeffizienz und Energieeinsparung im Gebäudebe- integrierten, partizipativen und lokalen Ansatz wichtige reich, auf den 35 % des Energieverbrauchs in Deutschland und auch für die Städtebauförderung geltende Grundsätze. entfallen – und hier speziell im Gebäudebestand –, nötig. Durch ihre Steuerungsfähigkeit können Kommunen Resili- Eine energetische Sanierung muss technologieoffen erfol- enz entwickeln und nachhaltig werden. In den Fokus ihrer gen. Auch muss das jeweilige (Stadt-)Quartier als Hand- 64 vhw FWS 2 / März–April 2021
Stadtentwicklung Zukunftsmodell für Städte und Gemeinden lungsebene im Zentrum der mit Städtebauförderungsmit- genanteile sehr finanzschwacher Städte und Gemeinden teln unterstützten Klimaschutz- und Sanierungsstrategien durch die Länder reduziert werden. liegen. Integrative Bündelungswirkung Kommunen sind auch im Gebäudebereich Schlüsselakteu- der Städtebauförderung stärken re für den Klimaschutz. Das gilt für öffentliche, aber auch für private Gebäude, wo Kommunen Berater und Vorbild Erfolgsfaktor der Städtebauförderung ist ihr wirtschaftli- für die energetische Sanierung sind. Für ihre eigenen ca. cher, sozialer und ökologischer und damit integrativer Maß- 186.000 Gebäude, wie Schulen, Kindergärten und Verwal- nahmenansatz. Hinzu kommen der Gebietsbezug und die tungen, sowie für die den kommunalen Wohnungsunter- Bürgerbeteiligung. Der integrative Ansatz der Städtebauför- nehmen gehörenden ca. 1,6 Mio. Wohnungen tragen die derung muss gestärkt werden. Diesem sich aus der inte- Kommunen unmittelbar Verantwortung. Daneben sind grierten Daueraufgabe der Städtebauförderung entsprin- Städte und Gemeinden auch Planungsträger und Gestalter genden Postulat entsprechen die Befristung der Finanzhilfen für die „klimagerechte Stadt“ der Zukunft. Diese Stadt wird und der Abschluss jeweils jährlicher Verwaltungsvereinba- im Vergleich zu heute energieeffizienter sein. Ein effizienter rungen nicht. Daher sind mehrjährige Verwaltungsverein- Klimaschutz und die Klimafolgenanpassung benötigen eine barungen für eine solide Planung und Umsetzbarkeit von starke Städtebauförderung. Dies haben Bund und Länder Maßnahmen durch die Städte und Gemeinden ebenso un- erlässlich wie die Verlängerung der Mittelverwendungs- erkannt und in ihrer Verwaltungsvereinbarung sowie den fristen. Dadurch können aufwendige Verwaltungsverfahren Förderrichtlinien aufgegriffen. gerade in den Kommunen vermieden werden. Weitere Anforderungen für die Stadtentwicklung folgen aus der Gestaltung einer klimagerechten Mobilitätswende. Der Gleichwertige Lebensverhältnisse fördern – umweltbelastende Individualverkehr muss reduziert und der ÖPNV gerade nach der Pandemie durch Bezahlbar- Klein- und Mittelstädte unterstützen keit und Attraktivität (enge Taktung etc.) gestärkt sowie die Die Städtebauförderung sollte künftig noch mehr zur Her- Fahrrad- und Fußgängerinfrastruktur ausgebaut werden. stellung gleichwertiger Lebensverhältnisse beitragen. Sie Die dafür nötigen Umbauaufgaben sind ohne handlungs- kann das oft vorhandene wirtschaftliche Gefälle zwischen fähige Kommunen und ohne die Unterstützung der Städte- Stadt und Land bzw. zwischen strukturstarken und struk- bauförderung nicht zu bewältigen. Das Mehr an kommuna- turschwachen Kommunen abbauen helfen. Dazu gehören len Herausforderungen erfordert aber auch eine Erhöhung Klein- und Mittelstädte und deren Ortskerne noch mehr in der Städtebauförderung des Bundes von 790 Mio. Euro auf den Blickpunkt, speziell durch eine Stärkung des 300-Mil- 1,5 Mrd. Euro. Damit einhergehen muss eine Kofinanzie- lionen-Bundesprogramms „Lebendige Zentren“. Gerade rung der Länder und Kommunen. Zudem müssen die Ei- Klein- und Mittelstädte haben für viele Menschen eine hohe Anziehungskraft. Sie sind oft von einer maßstäblichen Baustruktur, historischen Stadtkernen und ei- nem großen baukulturellen Erbe geprägt. Auch gibt es hier dank vieler Vereine ein engeres sozia- les Netz als in Großstädten. Hinzu kommen im Vergleich zu den oft überhitzten Metropolen niedrige- re Bauland- und Wohnungspreise, speziell für junge Familien, und gute Umweltbedingungen mit ei- ner größeren Naturnähe und der Möglichkeit entsprechender Akti- vitäten. Wesentlich ist auch, dass Klein- und Mittelstädte eine Schlüs- selrolle bei gesellschaftlichen Reformprojekten, wie bei der Gestaltung der Mobilitätswende Abb. 3: Arten der Fortbewegung seit Beginn der Coronapandemie oder dem Wohnen und Arbeiten vhw FWS 2 / März–April 2021 65
Stadtentwicklung Zukunftsmodell für Städte und Gemeinden der Zukunft, haben. Insoweit könnte durch die Coronapandemie und durch die auch künftig verstärkt genutzten mobilen Arbeitsplätze ein Trend raus aus der Großstadt hinein in die Klein- und Mittelstädte erfolgen. Klar ist jedenfalls: Wir werden die Herausforderung zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums in Deutschland nicht allein in den überhitzten Metropolen, wie Mün- chen oder Frankfurt, lösen. Daher sollten die (Wohnungs- und Arbeitsmarkt-)Potenziale von Klein- und Mittelstädten, wo speziell im struk- turschwachen ländlichen Raum knapp zwei Mio. Wohnungen leer stehen, auch durch die Städte- bauförderung stärker gehoben werden. Durch mehr Dezentralität und die Zusammenführung von Arbeiten und Wohnen müssen die Ballungs- kerne entlastet und die Potenziale von Klein- und Mittelstädten genutzt werden. Abb. 4: Städtebauförderprogramme des Bundes seit 2020 Durch ein Mehr an Dezentralität wären Arbeits- und Wohn- Fazit standorte für viele Menschen bezahlbarer. Der tägliche Die Städtebauförderung wird auch in Zukunft als Gemein- Pendlerverkehr, der oft mit dem Pkw aus den Klein- und schaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen ein Mittelstädten in die Metropolen zur Arbeit und zurück er- Erfolgsmodell zur Schaffung lebenswerter Städte und Ge- folgt, würde verringert. Folge wäre für die Pendler ein Zeit- meinden bleiben. Sie muss aber auf die aktuellen Heraus- gewinn und für alle eine reinere Luft und weniger Lärmbe- forderungen reagieren. Dazu gehören die Gestaltung des lastung. Das hilft den Menschen und der Umwelt. Ein Mehr Wandels der Innenstädte und Ortskerne, ein effizienter Kli- an Dezentralität bedingt aber, dass Klein- und Mittelstädte maschutz und eine gezielte Klimafolgenanpassung. Auch für Menschen attraktiv sind und die nötige Infrastruktur zur Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums und zur Ge- (Breitband, Gesundheitsversorgung, Bildung etc.) aufwei- währleistung einer guten Baukultur muss die Städtebauför- sen. Auch das kann die Städtebauförderung unterstützen. derung ihren Beitrag leisten. Um diese Herausforderungen zu bewältigen, ist die Gestaltungskraft der Kommunen zu Städtebauförderung vereinfachen stärken. Die Reduzierung der Programme von sechs auf und fortentwickeln drei war insoweit ein richtiger Schritt. Die Kommunen brau- chen aber auch schlanke und verlässliche Antrags-, Bewil- Eine effiziente Städtebauförderung erfordert einen mög- ligungs- und Förderverfahren. Schließlich muss wegen der lichst großen Gestaltungsspielraum für Städte und Gemein- gewachsenen kommunalen Herausforderungen auch eine den. Insoweit war die Reduzierung der Bundesprogramme finanzielle Aufstockung der Städtebauförderung erfolgen. von sechs auf drei richtig. Aktuell besteht das Städtebauför- derungsprogramm des Bundes in Höhe von 790 Mio. Euro aus den Programmen „Lebendige Zentren“ (300 Mio. Euro), Norbert Portz „Wachstum und nachhaltige Erneuerung“ (290 Mio. Euro) Beigeordneter, Deutscher Städte- und Ge- meindebund, Bonn und „Sozialer Zusammenhalt" (200 Mio. Euro). Bund und Länder müssen auch die Antragstellung, Bewil- ligung und das Controlling auf das nötige Maß reduzieren. Verwendungsnachweise und Rechnungen müssen digital einreichbar sein. Mehrfachprüfungen sind zu vermeiden. Die Zeiträume zwischen der Bedarfsanmeldung und der Zuweisung der Mittel sind zu reduzieren. Das schafft Pla- nungssicherheit und reduziert den Verwaltungsaufwand. Auch die Prüfung des Schlussverwendungsnachweises ist zu beschleunigen, damit die Maßnahme zügig abgeschlos- sen werden kann. Die Städtebauförderung sollte zudem noch mehr mit anderen Förderprogrammen, etwa des Woh- nungsbaus oder der GAK-Förderung, kombiniert werden. 66 vhw FWS 2 / März–April 2021
Stadtentwicklung Weiterentwicklung der Städtebauförderung Jürgen Göddecke-Stellmann, Karin Veith Weiterentwicklung der Städtebauförderung Die Städtebauförderung ist in ihrer nunmehr fünfzigjährigen Geschichte immer wieder an sich verändernde Bedarfe auf kommunaler Ebene angepasst worden. Auch die Bedingungen, unter denen Stadtentwicklung auf kommunaler Ebene betrieben wurde und wird, haben sich verändert. Dabei ist das übergeordnete Ziel, die Kommunen beim städ- tebaulichen Strukturwandel zu unterstützen, um lebenswerte Quartiere zu erhalten und städtebauliche Missstände und Funktionsverluste zu beheben, unverändert geblieben. Aus aktuellen gesellschaftlichen Trends, wie dem demogra- ■ Die Kommunen als operative Ebene gestalten im Rah- fischen Wandel, den innerdeutschen Wanderungsbewegun- men ihrer Planungshoheit die Vorbereitung und Durch- gen, der wachsenden Bedeutung des Onlinehandels oder den führung der städtebaulichen Maßnahmen. wachsenden Anforderungen des Klimaschutzes bzw. der Kli- Über die Jahre ist die Programmstruktur der Städtebauför- maanpassung in den Städten, resultieren große Herausforde- derung mehrfach umgestaltet worden. Bestand die Städ- rungen für die Kommunen, die von ihnen nicht allein bewäl- tebauförderung von 1971 bis 1990 aus nur einem einzigen tigt werden können. Mit der Städtebauförderung existiert ein Programm – Städtebauliche Sanierungs- und Entwick- Förderinstrumentarium, mit dem Bund, Länder und Kommu- lungsmaßnahmen –, ergab sich nach der deutschen Wie- nen gemeinsam solche übergeordneten städtebaulichen Her- dervereinigung ein erheblicher Anpassungsbedarf, aus ausforderungen angehen können. Die Funktion der jeweiligen dem zunächst eine auf Ostdeutschland bezogene Ausdif- föderalen Ebene ist dabei unterschiedlich ausgestaltet: ferenzierung der Förderprogramme resultierte. Mit dem 1999 eingeführten Programm Soziale Stadt folgte dann das ■ Der Bund gibt in Abstimmung mit den Ländern die Rahmen- erste gesamtdeutsche fachlich fokussierte Programm. Mit bedingungen und generellen Zielsetzungen vor und legt den dem 2017 eingeführten Fachprogramm Zukunft Stadtgrün finanziellen Umfang der jährlichen Fördermittel fest. umfasste die Städtebauförderung zuletzt acht Programme ■ Die Länder besitzen eine hohe Gestaltungskompetenz, in sechs Programmlinien, wenn man den Stadtumbau Ost sie konkretisieren in länderspezifischen Förderrichtlini- und West sowie den Städtebaulichen Denkmalschutz Ost en die Umsetzung und wählen die zu fördernden städte- und West als Programmlinie begreift. Zuletzt wurde diese baulichen Gesamtmaßnahmen aus. Aufsplitterung der Programmstruktur wiederholt auf fach- Abb. 1: Entwicklung der Städtebauförderung seit 1971 vhw FWS 2 / März–April 2021 67
Stadtentwicklung Weiterentwicklung der Städtebauförderung licher wie auch politischer Ebene kontrovers diskutiert und Die Option der interkommunalen Zusammenarbeit kann für deren Zweckmäßigkeit infrage gestellt. manche Kommunen ein neuer strategischer Ansatz sein. Ganz gleich, ob es in dünn besiedelten Regionen darum Im Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode haben geht, die Daseinsvorsorge zu sichern und mit geeigneten sich die Regierungsparteien CDU, CSU und SPD darauf Maßnahmen die Infrastruktur bedarfsgerecht auszurichten, verständigt, die Städtebauförderung weiterzuentwickeln. oder ob es im Rahmen von Stadt-Umland-Kooperationen Als Eckpunkte wurden die Beibehaltung des derzeitigen um ein regional abgestimmtes Vorgehen geht, können die Niveaus, die Flexibilisierung, Entbürokratisierung und Wei- interkommunale Zusammenarbeit und der dafür gewährte terentwicklung der Programme sowie eine umfassende Förderbonus ein Anreiz sein (VV 2020, Artikel 5). Vorausset- Überarbeitung der Verwaltungsvereinbarung (VV) Städte- zung ist ein überörtlich abgestimmtes integriertes Entwick- bauförderung festgelegt. Mit der Billigung der Verwaltungs- lungskonzept der beteiligten Kommunen, das unter Beteili- vereinbarung 2020 ist dieses Ziel erreicht worden. gung der Bürgerinnen und Bürger erstellt worden ist. Im Programm „Lebendige Zentren – Erhalt und Entwick- Neustrukturierung der Städtebauförderung lung der Stadt- und Ortskerne“ gehen insbesondere die Der sichtbarste Unterschied zwischen der Verwaltungsver- Förderziele der ehemaligen Programme „Aktive Stadt- und einbarung Städtebauförderung 2019 und 2020 ist die redu- Ortsteilzentren“ und „Städtebaulicher Denkmalschutz“ auf. zierte Zahl der Programme. Bei gleicher Mittelausstattung Ziel ist es, die Zentren zu attraktiven, multifunktionalen und und im Wesentlichen beibehaltenem Aufgabenspektrum identitätsstiftenden Standorten für Wohnen, Arbeiten, Wirt- der Städtebauförderung bestehen nunmehr nur noch drei schaft und Kultur weiterzuentwickeln und eine hohe Auf- Programme: enthaltsqualität zu schaffen. Für das Programm wurden im Jahr 2020 300 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. ■ Lebendige Zentren – Erhalt und Entwicklung der Stadt- und Ortskerne, Das bisherige Programm „Soziale Stadt“ wurde überführt in das neue Programm „Sozialer Zusammenhalt – Zusam- ■ Sozialer Zusammenhalt – Zusammenleben im Quartier menleben im Quartier gemeinsam gestalten“. Die Zielstel- gemeinsam gestalten und lung des Programms bleibt weitgehend erhalten und ist auf ■ Wachstum und nachhaltige Erneuerung – Lebenswerte die Stabilisierung und Aufwertung von Stadt- und Ortsteilen Quartiere gestalten. ausgerichtet, die aufgrund ihrer Zusammensetzung und Die drei Programme werden von Querschnittsthemen flan- wirtschaftlichen Situation der dort lebenden und arbeiten- kiert, die in allen drei Programmen förderfähig sind. In Ar- den Menschen erheblich benachteiligt sind. Ziel ist es, die tikel 4 der VV 2020 wird ein ganzer Katalog von Maßnah- Lebensbedingungen aller Bewohnerinnen und Bewohner men benannt, der in allen drei Programmen förderfähig in den Quartieren zu verbessern, einer sozialen Polarisie- ist. Zentrale Handlungsbereiche sind Maßnahmen für den rung in den Städten entgegenzuwirken und Infrastrukturen Klimaschutz bzw. zur Anpassung an den Klimawandel, in- altersgerecht anzupassen. Das Fördervolumen im Pro- terkommunale Kooperationen, Städtebaulicher Denkmal- grammjahr 2020 umfasste 200 Mio. Euro. schutz und Digitalisierung. Diese Neuerungen der VV 2020 Das Programm „Wachstum und nachhaltige Erneuerung – erweitern das Förderspektrum der Einzelprogramme und Lebenswerte Quartiere gestalten“ übernimmt die Förder- geben den Kommunen weitere Möglichkeiten an die Hand, ziele der Stadtumbauprogramme, fasst diese aber weiter. um städtebauliche Gesamtmaßnahmen bedarfsgerecht Unterstützt werden Städte und Gemeinden, die von erhebli- auszugestalten. chen städtebaulichen Funktionsverlusten und Strukturver- Im Unterschied zu früher sind jetzt Maßnahmen des Klima- änderungen betroffen sind. Vor diesem Hintergrund umfasst schutzes bzw. zur Anpassung an den Klimawandel ab dem das Programm beispielsweise Maßnahmen zum Rückbau Programmjahr 2020 zwingende Fördervoraussetzung. Die leerstehender, dauerhaft nicht mehr benötigter Gebäude Förderung einer Gesamtmaßnahme ist nicht mehr möglich, und dazugehöriger Infrastruktur, aber auch Maßnahmen ohne dass zugleich Klimamaßnahmen in einem angemes- zur Klimafolgenanpassung und Brachflächenentwicklung, senen Umfang umgesetzt werden. Dabei ist die neue För- insbesondere zur Unterstützung des Wohnungsbaus. Mit dervoraussetzung sehr umfassend zu verstehen. Gemeint 290 Mio. Euro Fördervolumen ist dieses Programm finan- ziell ähnlich hoch ausgestattet wie das Programm „Leben- sind insbesondere Maßnahmen zur Verbesserung der grü- dige Zentren“. nen Infrastruktur, wie beispielsweise die Schaffung, der Er- halt oder die Erweiterung von Grünflächen und Freiräumen Schließlich wurden noch in bestimmten Fällen die Förder- ebenso wie deren Vernetzung. Förderfähig sind aber auch konditionen für die Kommunen verbessert. Für Kommunen die energetische Gebäudesanierung, die klimafreundliche in Haushaltssicherung bzw. Haushaltsnotlage können die Mobilität oder die Nutzung klimaschonender Baustoffe. Eigenanteile abgesenkt werden. Inwieweit die Bedingung 68 vhw FWS 2 / März–April 2021
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