Uniulm intern - Universität Ulm

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Uniulm intern - Universität Ulm
Nr. 347 (49. Jg.) I Februar/März 2019

                                     uniulm intern     Das Ulmer Universitätsmagazin

Energie für die Mobilität der Zukunft                                   Seite 4
Mission Statement: Wegweiser für die Gleichstellung                    Seite 24
SFB verlängert: Trauma verstehen, Leben retten                         Seite 42
Lehre im Fokus: Vom Tutorium bis zum digitalen Coach                   Seite 52
Uniulm intern - Universität Ulm
2 | Editorial
Foto: Eberhardt/kiz

                                      Liebe Leserinnen und Leser,                         Lehr. In dieser Ausgabe haben wir uns entschlos-
                                                                                          sen, verschiedene Mobilitätsthemen – und was in
                                      endlich fährt sie – zumindest meistens. Gemeint
                                                                                          Zukunft Smartphones, Notebooks oder E-Autos
                                      ist die neue Straßenbahnlinie 2, die seit Dezem-
                                                                                          antreibt – in einem Schwerpunkt zu bündeln. Auf
                                      ber die Universität mit der Ulmer Innenstadt ver-
                                                                                          14 Seiten geht es um brennende Batterien, elektri-
                                      bindet. Voller Hoffnung auf weniger Baustellen-
                                                                                          sche Flugzeuge und darum, wie im Exzellenzclus-
                                      chaos im Jahr 2019 gingen zahlreiche Ulmerin-
                                                                                          ter neue Batteriekomponenten im Labor und am
                                      nen und Ulmer am 8. Dezember mit der Linie 2
                                                                                          Computer erforscht werden. Dieser Schwerpunkt
                                      auf Jungfernfahrt. Das Motto der Inbetriebnah-
                                                                                          zeigt einmal mehr: Energie- und Mobilitätsfor-
                                      me, die von etlichen Aktionen an den Haltepunk-
                                                                                          schung haben sich zu herausragenden Schwer-
                                      ten begleitet wurde: die Mobilität von morgen.
                                                                                          punkten der Universität gemausert. Doch es gibt
                                      Wer trotz ungemütlichem Winterwetter an der
                                                                                          natürlich noch viel mehr Themen, die Forschende
                                      Haltestelle Botanischer Garten ausstieg, konnte
                                                                                          und Lehrende der Universität antreiben. So geht
                                      einen ersten Blick hinter die Kulissen des neuen
                                                                                          es in diesem Heft unter anderem um Traumafor-
                                      Exzellenzclusters POLiS zur Batterieforschung
                                                                                          schung, Quantentechnologie im Weltall und die
                                      werfen. Bei Vorträgen und Laborführungen erfuh-
                                                                                          Bilanz der Gleichstellungsbeauftragten, die mit
                                      ren die Gäste, was uns in Zukunft antreibt – denn
                                                                                          ihrem Team ein Mission Statement erarbeitet hat.
                                      bei der Suche nach neuen Batteriesystemen
                                                                                          Was treibt Sie in diesen Tagen an? Die Redaktion
                                      haben die Forschenden zuallererst Elektromobili-
                                                                                          wünscht Ihnen bis zur Frühlingsausgabe von uni
                                      tät und Energiewende im Sinn. Fast zeitgleich
                                                                                          ulm intern im Mai in jedem Fall viel Energie!
                                      startete in Ulm das europaweite Forschungspro-
                                      jekt ICT4CART, in dem Uni-Ingenieure und ihre
                                      Partner aus der Industrie das automatisierte Fah-
                                      ren auf die nächste Ebene heben. Kurzum: Für die    Ihre
                                      Ingenieure beginnt die Mobilität von morgen
                                      weder in der Straßenbahn noch im Batterielabor,
                                      sondern an einer Forschungskreuzung in Ulm-         Annika Bingmann

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Uniulm intern - Universität Ulm
Inhalt | 3

        Inhalt
  2     Editorial                                       30   Heisenberg-Professorin Pamela Fischer-Posovszky
                                                             Fettzellen verstehen, Übergewicht bekämpfen
        Titelthema                                      31   Humboldt-Gastprof. David Espinet
  4     Was uns in Zukunft antreibt:                         Vom Streben nach Glück bis zu Gelbwesten
        Energie für die Mobilität von morgen            33   Bundesverdienstkreuz für Prof. Braak
    4     Doppelter Meilenstein für Ulm                      Wegweisendes zur Neurodegeneration
          Exzellente Batterieforschung & Straßenbahn-   34   Uni-Gesicht Uli Kohler
          einweihung                                         Die gute Seele von Senat und Unirat
   8      Prof. Fichtner über Mobilität der Zukunft     36   Uni-Alumnus Christian Grupp
          Neuer Energiemix gesucht!                          Von der Unternehmensberatung ins Roxy
   10     Batterieforschung im Exzellenzcluster
          Zwischen Theorie und Experiment                    Forschen & entdecken
   12     Nie mehr brennende Akkus?                     42   Trauma-SFB verlängert
          Designprinzipien für sichere Batterien             Forschung, die Leben rettet
   14     ZET gegründet                                 46   Automatische Aufmerksamkeitserkennung
          Ulmer Kompetenz für die Energieforschung           Wie erkennt der Computer Gefühle?
   16     Europäisches Mobilitätsprojekt                47   Kniearthrose stoppen
          Ulm testet automatisiert-vernetztes Fahren         Forschung zu neuen Biomaterialien
                                                        48   Immunsystem verjüngt
        Campus                                               Blutbildende Stammzellen als Schlüssel
18      Dies academicus                                 50   Gestörte Embryonalentwicklung
        Preisregen und Drittmittelrekord                     Cholesterolsenker als Risiko
20      Neues DLR-Institut
        Quantenforschung für das Weltall                     Uni (er)leben
22      Accelerate! SÜD gestartet                       52   Lehrprojekt PASST! verlängert
        Studierende als „Unternehmer“                        Unterstützung beim Studieneinstieg
23      Charta der Vielfalt                             56   Automatisiertes Modellfahrzeug
        Für Akzeptanz und Chancengleichheit                  Spatzenhirne gewinnen Carolo-Cup
                                                        58   DAAD-Preis für internationale Studierende
        Persönlich                                           Engagiert bei Tafel und StuVe
24      Bilanz der Gleichstellungsbeauftragten          60   Humboldt-Prof. Ulla Hahn
        Mission Statement als Wegweiser                      Wenn Künstliche Intelligenzen dichten
28      Gleich vier Wrangell-Stipendiatinnen
        Erfolg für angehende Professorinnen
Was treibt künftig Autos, Smartpho-
nes oder die Energiewende an? Ant-
worten auf diese Frage suchen Ulmer
Forschende unter anderem im neuen
Exzellenzcluster zur Batteriefor-
schung POLiS. Unsere Titelgrafik zier-
te bereits in etwas modifizierter Form
den erfolgreichen Antrag der Uni bei
der Exzellenzstrategie des Bundes
und der Länder (Collage: Sabine
Geller, Bildquellen: 123RF)

uni ulm intern 347/Februar/März 2019
Uniulm intern - Universität Ulm
4 | Rubrik ,Thema, Titel

                          Doppelter Meilenstein
                          für die Mobilität der Zukunft
                          Energie- und Batterieforscher
                          präsentieren sich bei Jungfernfahrt der Linie 2
Foto: Elvira Eberhardt

                                                                            uni ulm intern 347/Februar/März 2019
Uniulm intern - Universität Ulm
Was uns in Zukunft antreibt: Energie für die Mobilität von morgen | 5

                                                                                                                                                Fotos: [photodesign armin buhl]
                                                                                                          Clustersprecher Prof. Maximi-
                                                                                                          lian Fichtner (rechts) bei der
                                                                                                          Laborführung im HIU

Mit der Inbetriebnahme der neuen Straßenbahnlinie, der Linie 2, feierte Ulm am 8. Dezember eine neue Le-
bensader der Stadt. Diese verbindet Kuhberg, Innenstadt und Eselsberg und rückt gerade den Oberen Esels-
berg samt der beiden Science Parks näher ans Zentrum. Dieser Meilenstein der Ulmer Verkehrsgeschichte war
ein perfekter Anlass, um einen Blick hinter die Kulissen der hiesigen Batterie- und Brennstoffzellenforschung
zu werfen. Denn in der Wissenschaftsstadt wird auf Spitzenniveau zu nachhaltigen Energietechnologien und
zur Mobilität von morgen geforscht. Mit dem neuen millionenschweren Exzellenzcluster zur Batterieforschung
POLiS wurde jetzt ein weiterer – diesmal globaler – Meilenstein für die Mobilität der Zukunft gelegt.

Tausende von Ulmer machten sich Anfang             milian Fichtner, der stellvertretende Direktor des
Dezember – warm eingepackt in Winterjacke und      HIU, sowie Professor Axel Groß, der an der Uni-
Mantel – mit der neuen Linie 2 auf den Weg, um     versität Ulm das Institut für Theoretische Chemie
ihre Stadt mit der Straßenbahn neu zu erfahren.    und eine Arbeitsgruppe am HIU leitet. Beide
Stieg man trotz eisigem Wind an der Haltestelle    Wissenschaftler sind Sprecher des neuen Exzel-
Botanischer Garten am Oberen Eselsberg aus,        lenzclusters zur Batterieforschung, das Ende
war der Weg nicht mehr weit zu einem der wich-     letzten Jahres bewilligt wurde. Unter dem Akro-
tigsten Batterieforschungsstandorte Deutsch-       nym POLiS (Post Lithium Storage Cluster of
lands – dem Helmholtz-Institut Ulm (HIU). Dort     Excellence) bündeln die Partnereinrichtungen –
sowie am Weiterbildungszentrum für innovative      die Universität Ulm, das Karlsruher Institut für
Energietechnologien der Handwerkskammer            Technologie (KIT) sowie unter anderem das Zen-
Ulm (WBZU) konnten sich die Fahrgäste bei          trum für Sonnenergie- und Wasserstoff-For-
ihrem Zwischenstopp über nachhaltige Energie-      schung Baden-Württemberg (ZSW) – ihre For-
konzepte und die Mobilität der Zukunft informie-   schung zu Energiespeichern jenseits von Lithi-
ren.                                               um. Gefördert wird das Verbundprojekt im Rah-
                                                   men der Exzellenzstrategie des Bundes und der
Auf dem Programm standen Vorträge, Filmvor-
                                                   Länder mit rund sieben Millionen Euro jährlich
führungen und Laborbesichtigungen. Dabei ging
                                                   für zunächst sieben Jahre.
es um die Batterien der Zukunft, insbesondere
                                                                                                        Prof. Axel Groß, stellvertretender Sprecher
für die Mobilität von morgen. Ganz unter dem                                                            des POLiS-Clusters, hält einen Vortrag im
Motto: Was kommt nach dem Lithium-Ionen-                                                                HIU über die Batterien der Zukunft
Akku? Diese Energiespeichersysteme sind – vom      QR-Code: Video Aktionstag Mobilität
Smartphone bis zum E-Auto – heute am häufigs-      http://t1p.de/aktionstag-mobilitaet

ten im Einsatz, müssen allerdings auf lange
Sicht ersetzt werden. Denn die benötigten Roh-
stoffe werden in den nächsten Jahren knapp.
Unter den Rednern, die am Aktionstag im HIU
sprachen, waren unter anderem Professor Maxi-

uni ulm intern 347/Februar/März 2019
Uniulm intern - Universität Ulm
6 | Was uns in Zukunft antreibt: Energie für die Mobilität von morgen
Foto: [photodesign armin buhl]

                                                                                                                                                                            Foto:Irina Westermann
                                 Phantomköpfe
                                 in der Simulationsklinik

                                                              Im Mittelpunkt des Clusters – wie auch der Vorträ-    mieren. Darunter war Visionäres und Futuristi-
                                  Haben wir genug             ge am Aktionstag – steht die Forschung zu Batte-      sches, viel Einleuchtendes und mitunter auch
                                 nachhaltig erzeugten         rien der nächsten und übernächsten Generation.        Fragwürdiges: von unterirdischen Tunnelsystemen
                                                              Diese sollen nicht nur leistungsfähiger, leichter     zum Waren- und Personentransport, wie sie in der
                                 Strom für den                und langlebiger werden, sondern noch dazu             Schweiz geplant sind, über autonome Personen-
                                 Nahverkehr?                  sicherer, günstiger und umweltfreundlicher; alles     drohnen aus Südostasien bis zu rohrpostähnli-
                                                              in allem ein ehrgeiziges Unterfangen, das einen       chen Kapselsystemen für den Personennahver-
                                                              langen Atem braucht. Erste vielversprechende          kehr auf der arabischen Halbinsel.
                                                              Ansätze gibt es bereits. Dazu gehören beispiels-
                                                              weise Natrium- oder Magnesium-Batterien, die
                                                              auch in Ulm intensiv beforscht werden. Wie man
                                                              sich die Arbeit im Labor des HIU vorzustellen hat,
                                                              demonstrierten Hausherr Fichtner und weitere
                                                              HIU-Wissenschaftler bei den sehr gefragten Labor-
                                                              führungen. Von der chemischen und physikali-
                                                              schen Charakterisierung der Grundmaterialien für
                                                                                                                      Zahlen und Fakten
                                                              Elektroden und Elektrolyte über das Ausstanzen
                                                              und Beschichten von Batteriefolien bis zur Zusam-       ■ 269 Millionen Euro betragen die Gesamtkos-
                                                                                                                        ten des Projekts. Davon bezahlen Bund und
                                                              menstellung und Prüfung von Testzellen gab es
                                                                                                                        Land 128 Mio. Euro. Die Stadt Ulm trägt 107
                                                              Einblicke in das breite Spektrum der Batteriefor-         Mio. Euro
                                                              schung.
                                                                                                                      ■ Für die 12 zusätzlichen Straßenbahnen gibt
                                                              Auf der anderen Straßenseite, im WBZU, ging es            die SWU Verkehr rund 34 Mio. Euro aus
                                                              ebenfalls um Energiekonzepte und Schlüsseltech-         ■ 3 Jahre betrug die Bauzeit
                                                              nologien für die Mobilität der Zukunft. Die Vorträ-     ■ 18 neue Haltestellen wurden dafür gebaut
                                                              ge, an denen auch das ZSW beteiligt war, drehten
                                                                                                                      ■ Die Linie 2 bringt dem SWU-Netz einen Fahr-
                                                              sich um Fragen wie: „Haben wir genug nachhaltig           gastzuwachs von täglich 8300 Passagieren

                                        +
                                                              erzeugten Strom für den Nahverkehr?“ und „Wel-
                                                                                                                      ■ 35 Kilometer Schienen wurden verlegt
                                                              chen Beitrag können Wasserstoff- und Brennstoff-
                                                                                                                      ■ 9,9 Kilometer lang ist die Strecke
                                                              zellen für eine nachhaltige Mobilität leisten?“ Wer
                                                              es etwas gemütlicher haben wollte, konnte vom           ■ Durch die Linie 2 verkleinert sich der
                                                                                                                        Fuhrpark um 11 Dieselbusse
                                                              Sitzsack aus einer Videofilmschleife folgen und
                                                              sich dabei über diverse Konzepte von Unterneh-          ■ 100 Tonnen Kohlenstoffdioxid sollen damit
                                                                                                                        eingespart werden
                                                              men und Planern zur Mobilität von morgen infor-

                                                                                                                                     uni ulm intern 347/Februar/März 2019
Uniulm intern - Universität Ulm
Was uns in Zukunft antreibt: Energie für die Mobilität von morgen | 7

                                                                                                                                                                               Fotos: Elvira Eberhart
  Energie für die Zukunft
  Starke Kooperationspartner in der Wissenschaftsstadt Ulm

                                            POLiS Post Lithium Storage Cluster of Excellence
                                            Entwicklung neuer Energiespeicher ohne Lithium

                                            CELEST
                                            Zentrum für Elektrochemische Speicherung Ulm & Karlsruhe
                                                                                                                                                    -
                                            Helmholtz-Institut Ulm (HIU)
                                            Grundlagenforschung Batterietechnologien

                                            Zentrum für Sonnenenergie - und Wasserstoff-Forschung
                                            (ZSW) Baden-Württemberg
                                            Angewandte Forschung zu Batterie- und Brennstoffzellentechnologien

                                            Universität Ulm
                                            Elektrochemische Grundlagenforschung seit 1989

Für Ulm bedeutet bereits die neue Linie 2 einen                                      ne Premiumstraßenbahnen ersetzt werden, die
großen Schritt in die richtige Richtung. Konnten                                     der Stadt im Jahr mehr als 100 Tonnen Kohlen-
doch allein 11 alte Dieselbusse durch hochmoder-                                     stoffdioxid ersparen. Sowohl mit ihrem Mobilitäts-
                                                                                     konzept als auch mit der exzellenten Energiefor-
                                                                                     schung sind die Ulmer offenbar auf dem richtigen
    Das Exzellenzcluster POLiS                                                       Weg zur Mobilität der Zukunft.                  wt

    Im Januar hat das Exzellenzcluster POLiS
    (Post Lithium Storage Cluster of Excellence)
    die Arbeit aufgenommen. Ziel des For-
    schungsvorhabens ist die Entwicklung
    neuer Energiespeicher ohne Lithium. Mit
                                                    Foto: [photodesign armin buhl]

    diesem Konzept haben sich die Universität
    Ulm und das Karlsruher Institut für Techno-
    logie (KIT) mit Partnern wie dem Zentrum für
    Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung
    Baden-Württemberg (ZSW) bei der hoch-
    kompetitiven Exzellenzstrategie des Bun-
    des und der Länder durchgesetzt – als ein-
    ziges deutsches Cluster zur Batteriefor-
    schung. Das Exzellenzcluster, in dem Physi-
    ker, Chemiker und Ingenieure tätig sind,
    wird für zunächst sieben Jahre mit rund
    sieben Millionen Euro jährlich gefördert.
    Neben Laboren an der Universität Ulm, am
    KIT und selbstverständlich im gemeinsam
    gegründeten Helmholtz-Institut Ulm, wer-
    den rund 100 neue Clustermitglieder teils in
    angemieteten Räumen im Ulmer Science
    Park II forschen.                         ab

                                                                                                                                          Neugierige informieren sich an der
                                                                                                                                          Wasserstofftankstelle des ZSW über
                                                                                                                                          die Betankung eines Brennstoffzel-
                                                                                                                                          lenfahrzeuges

uni ulm intern 347/Februar/März 2019
Uniulm intern - Universität Ulm
8 | Was uns in Zukunft antreibt: Energie für die Mobilität von morgen

Clustersprecher Prof. Maximilian Fichtner zu den Herausforderungen der künftigen Mobilität

„Wir brauchen einen neuen Energiemix!“
Im neuen Exzellenzcluster POLiS (Post Lithium Storage) forschen Wissenschaftler und                                       sche Alb zum Beispiel besteht aus einem
Wissenschaftlerinnen aus Ulm und Karlsruhe gemeinsam an den Batterien der Zukunft.                                        Gemisch aus Magnesium- und Calciumcarbonat,
Diese spielen nicht zuletzt eine Schlüsselrolle für die Mobilität von morgen. Im uui-                                     und Natrium gibt es nicht zuletzt im Meer. Wich-
Gespräch informiert Clustersprecher Professor Maximilian Fichtner über die Entwick-                                       tig ist, dass die Stoffe verfügbar und wiederver-
lung innovativer Speichersysteme und die Herausforderungen bei der Gestaltung der                                         wertbar sind. Von den theoretischen Eigenschaf-
Mobilität der Zukunft.                                                                                                    ten und Simulationen ausgehend sind beide
                                                                                                                          Speichersysteme vielversprechend. Allerdings
                                                                                                                          geraten Natrium-Akkus wohl größer und schwe-
                                    Foto: [photodesign armin buhl]

                                                                     Die Elektromobilität gilt als Schlüssel für die
                                                                                                                          rer als Lithium-Ionen-Akkus. Magnesium-Batteri-
                                                                     Mobilität der Zukunft. Doch die Herausforde-
                                                                                                                          en dagegen könnten kleiner und kompakter
                                                                     rungen sind groß. Eine davon ist die Entwick-
                                                                                                                          gebaut werden; es ist aber noch unklar, ob das
                                                                     lung geeigneter Batterien. Welchen Beitrag
                                                                                                                          in der Praxis auch wirklich gelingt.“
                                                                     leistet hierzu das neue Exzellenzcluster?
                                                                     Prof. Fichtner: „POLiS steht für Post Lithium Sto-
                                                                                                                          Wie sieht es mit der Anwendungsreife aus –
                                                                     rage. Wir forschen in diesem Exzellenzcluster
                                                                                                                          Stichwort E-Mobilität?
                                                                     also zu elektrochemischen Speichersystemen
                                                                                                                          „Die Natrium-Batterien stehen bereits kurz vor
                                                                     jenseits der herkömmlichen Lithium-Ionen-
                                                                                                                          der Kommerzialisierung, das kann noch ein bis
                                                                     Akkus. Letztere gehören zwar zu den ausgereif-
                                                                                                                          zwei Jahre dauern. Aufgrund ihrer Größe emp-
                                                                     testen und leistungsfähigsten Speichertechno-
                                                                                                                          fiehlt sich der Einsatz in stationären Speichern
                                                                     logien, doch für die Zukunft brauchen wir Alter-
                                                                                                                          oder in Bussen oder LKW. Für PKW sind sie wohl
                                                                     nativen. Denn in diesem Batterietyp wird nicht
                                                                                                                          eher ungeeignet. Batteriesysteme wie diese
                                                                     nur Lithium verbaut, das möglicherweise in 20
                                                                                                                          werden Lithium-Ionen-Akkus nicht von heute auf
                                                                     bis 30 Jahren zur Neige geht, sondern auch
                                                                                                                          morgen ersetzen können, aber sie entspannen
                                                                     Kobalt, das bereits in einigen Jahren knapp
                                                                                                                          möglicherweise die Ressourcenlage.“
                                                                     wird.“
                                                                                                                          Immer wieder gab es in den letzten Jahren Vor-
Prof. Maximilian Fichtner, stellvertre-                              Die Energiespeicher der nächsten und über-
tender Direktor am Helmholtz-Institut                                                                                     fälle mit explodierenden Lithium-Ionen-Akkus.
                                                                     nächsten Generation sollen nicht nur leistungs-
Ulm (HIU), ist Sprecher des gemeinsa-                                                                                     Sind Magnesium- und Natrium-Batterien
men Batterieclusters POLiS des KIT                                   fähiger, leichter und langlebiger sein, sondern
                                                                                                                          sicher?
und der Universität Ulm. Anlässlich                                  auch sicherer, günstiger und umweltfreundli-
                                                                                                                          „Brennende und explodierende Akkus sind häu-
der feierlichen Eröffnung der neuen                                  cher. Auf der anderen Seite gibt es eine große
Linie 2 sprach er im HIU über „Batteri-                                                                                   fig das Resultat von physikalischen Problemen
                                                                     Vielfalt möglicher Speichersysteme. Wer blickt
en für die Mobilität der Zukunft“                                                                                         oder mechanischem Versagen, bedingt durch
                                                                     da noch durch?
                                                                                                                          Fehler in der Herstellung oder der Handhabung.
                                                                      „Das Feld ist gar nicht so groß. Wir berücksich-
                                                                                                                          Lithium wird heute in der Batterie nicht als rei-
                                                                     tigen ausschließlich Elemente, die ein sehr
                                                                                                                          nes Metall verwendet, sondern eingebunden in
                                                                     hohes Potenzial für die Speicherung haben und
                                                                                                                          Trägermaterialien wie Graphit. Dabei wird es bis
                                                                     von denen wir wissen, dass sie verfügbar,
                                                                                                                          um den Faktor zehn verdünnt. Dies vermindert
                                                                     umweltfreundlich und sicher sind. Vielverspre-
                                                                                                                          die Gefahr von Kurzschlüssen durch Dendriten-
                                                                     chende Kandidaten sind beispielsweise Magne-
                                                                                                                          bildung deutlich. Gefährlicher sind manche
                                                                     sium- und Natrium-Batterien. Dort ist die For-
                                                                                                                          Elektrolyte in Lithium-Akkus. Treten diese bei-
                                                                     schung am weitesten fortgeschritten. Die Ergeb-
                                                                                                                          spielsweise bei einem Unfall oder Akku-Scha-
                                                                     nisse verhelfen uns außerdem zu einem über-
                                                                                                                          den aus und kommen mit Feuchtigkeit in Kon-
                                                                     greifenden Verständnis grundsätzlicher Zusam-
                                                                                                                          takt, entsteht Flusssäure, die bei Hautkontakt
                                                                     menhänge, was den Ionentransport aber auch
                                                                                                                          für den Menschen tödlich sein kann.“
                                                                     die Wechselwirkung mit Wirtsmaterialien
                                                                     angeht.“
                                                                                                                          Laut einer aktuellen Studie der Internationalen
                                                                                                                          Energieagentur, IEA, wird sich die Ölförderung
                                                                     Was zeichnet Magnesium- und Natrium-Batteri-         bereits bis 2025 halbieren, wenn keine neuen
                                                                     en aus?                                              Ölquellen mehr erschlossen werden.
                                                                     „Beide Stoffe sind in der Erdkruste verfügbar        Werden alternative Energiequellen diese Lücke
                                                                     und überall auf der Welt zu finden. Die Schwäbi-     schließen können?

                                                                                                                                           uni ulm intern 347/Februar/März 2019
Uniulm intern - Universität Ulm
Was uns in Zukunft antreibt: Energie für die Mobilität von morgen | 9

„Tatsächlich wird die Situation bei der Erdölför-   Geht die Rechnung für das Unternehmen nicht
derung weltweit immer angespannter – wie der        auf, fürchten die Firmenvorstände Schadenser-
letzte ‚World Energy Outlook‘ der IEA angekün-      satz. Daher ist es nicht verwunderlich, dass hier
digt hat. Dies macht deutlich schnellere Lösun-     Unternehmen die Nase vorn haben, die von
gen notwendig, als wir alle dachten. Dabei sind     Einzelpersonen oder als Familienunternehmen
die Herausforderungen gewaltig. Hier ein Bei-       geführt werden; oder eben chinesische Firmen,
spiel: Um zehn Millionen Elektrofahrzeuge mit       die den Staat im Rücken haben.“
Batterien zu versorgen, sind Bergbauinvestitio-
nen in der Größenordnung von 50 bis 100 Milli-      Was kann die Politik tun, um dies zu ändern?

                                                                                                         Foto: Heiko Grandel
arden Euro notwendig. Der Aufwand ist enorm.        „Die Politik tut hier schon sehr viel. Die deut-
Ein anderes Beispiel aus dem Bereich Wasser-        sche und europäische Batterieforschung war in
stoff-Technologie: um eine mittelgroße Tankstel-    den 2000er-Jahren noch ein weißer Fleck auf der
le, die pro Tag ungefähr 300 Tankfüllungen ver-     Landkarte; und jetzt gehört Deutschland zu den
kauft, mit ausreichend Druckgas zu beliefern,       international besten Forschungsstandorten. In
müssten täglich circa zwei bis drei Liefer-LKWs     naher Zukunft will die Bundesregierung eine
für Nachschub sorgen. Die Tankstelle würde sich     Milliarde Euro in die Batteriefabrikation in
dadurch teilweise selbst lahmlegen. Wir werden      Deutschland investieren; vorausgesetzt die
also einen Energiemix brauchen. Benzin ist          Industrie steuert eine weitere Milliarde bei. Als
noch immer der leistungsfähigste Energiespei-       möglicher Standort ist Ulm im Rennen, neben
cher. Aber im PKW treibt nur ein Fünftel der        Braunschweig, Aachen, Dresden und München.
Energie die Räder an, der Rest geht als unnütze     Unsere Karten sind auf jeden Fall nicht schlecht!
Wärme verloren; außerdem werden Öl und Ben-
zin irgendwann knapp und teuer. Mittel- bis         Außerdem legt die EU aktuell gerade eine neue
langfristig müssen entsprechend kompakte Bat-       Flaggschiff-Initiative zur Batterieforschung ‚Bat-
terielösungen für Abhilfe sorgen. LKW, Busse,       tery 2030+‘ auf, an der wir uns mit unserer neu
Schiffe und Flugzeuge dagegen könnten mit           gegründeten Forschungsplattform CELEST betei-
Brennstoffzellen betrieben werden oder mit syn-     ligen, über die wir die Aktivitäten der Standorte
thetischen Kraftstoffen, die aus Kohlendioxid       Ulm und Karlsruhe zusammenführen. Die Voran-
und Wasserstoff hergestellt werden.“                tragsphase ist bereits angelaufen. Aber auch
                                                    die Landespolitik hat sehr viel für die Batterie-
                                                                                                                               Für den Energiemix der Zukunft
Wieso setzt die deutsche Automobilindustrie         forschung getan. Ulm hat in den letzten Jahren
                                                                                                                               braucht es auch Wasserstoff. Im Bild:
im Bereich E-Mobilität vor allem auf den Limou-     als Standort für die Forschung zur Energiespei-                            die Tankstelle des ZSW am Oberen
sinen-Sektor?                                       cherung und -wandlung enormen Auftrieb erhal-                              Eselsberg
„In diesem Bereich sind die deutschen Auto-         ten und gehört mittlerweile zu den wichtigsten
bauer traditionell sehr stark. Sie setzen auf       Standorten auf diesem Gebiet in Europa. Die
Fahrkomfort, sind aber auch zunehmend wett-         CELEST-Initiative, an der allein zwei Graduier-
bewerbsfähig, was die E-Technologie angeht.         tenschulen für 80 bis 100 Doktoranden ange-
Dazu gehören effektive Rekuperationssysteme,        dockt sind, macht uns zu einem der größten
die Bremsenergie zurückgewinnen, sowie ein          Player auf diesem Gebiet weltweit. Wir sind
effektiver Überhitzungsschutz, der es erlaubt,      national und international auf jeden Fall bes-                             Elektro-Limousine eines deutschen
dauerhaft unter Volllast zu fahren. Damit kön-      tens positioniert!“                             wt                         Herstellers
nen sie auch über längere Strecken Gas geben.
                                                                                                                                                                       Foto: ©pixabay

Außerdem sind deutsche Autos dieser Klasse
einfach besser verarbeitet als E-Limousinen der
kalifornischen Konkurrenz.“

Warum halten sich die deutschen Automobil-
bauer bei der Batteriefabrikation noch so
zurück?
„Das liegt nicht unbedingt am Willen. Problema-
tisch sind eher die Randbedingungen. Für die
Batterieentwicklung und -produktion braucht es
hohe und langfristige Investitionen. Das ist ris-
kant, und für die Aktiengesellschaften unter den
Unternehmen ein großes Problem. Die Anleger
wollen Dividende und kurzfristige Gewinne.

uni ulm intern 347/Februar/März 2019
Uniulm intern - Universität Ulm
10 | Was uns in Zukunft antreibt: Energie für die Mobilität von morgen

                          Exzellenzcluster zwischen Theorie und Experiment

                          Auf der Suche nach „exzellenten“ Batterien
Fotos: Elvira Eberhardt

                                                                                                                   hat Euchner auf diese Weise interessante Katho-
                                                                                                                   denmaterialien für Natrium-Ionen-Batterien iden-
                                                                                                                   tifiziert, die nun synthetisiert werden. Allerdings
                                                                                                                   wird auch oft ein Großteil der am Computer
                                                                                                                   „durchgerechneten“ Materialien verworfen. Damit
                                                                                                                   ersparen die Theoretiker experimentell arbeiten-
                                                                                                                   den Kollegen wie Anji Reddy Munnangi viele Tage
                                                                                                                   im Labor. „Alleine die Testung einer neuen Batte-
                                                                                                                   rie dauert mehrere Wochen, und im Erfolgsfall
                                                                                                                   braucht es weitere zehn bis zwanzig Jahre bis zur
                                                                                                                   Marktreife“, erläutert der studierte Chemiker aus
                                                                                                                   Südindien.

                                                                                                                   Am IIT Madras hat Anji Reddy Munnangi 2008
                                                                                                                   über Elektrodenmaterialien für Lithium-Ionen-
                                                                                                                   Batterien promoviert, die heute in vielen Smart-
                                                                                                                   phones oder Laptops stecken. Doch die Speicher-
                                                                                                                   kapazität dieser Akkus ist begrenzt und reicht für
                          Im neuen Exzellenzcluster zur Batterieforschung „POLiS“ werden mehr als 100 For-         zukünftige Anwendungen nicht aus. Denn gerade
                          schende an den Standorten Ulm und Karlsruhe zusammenarbeiten. Darunter sind              für die Elektromobilität sind Systeme nötig, die
                          bereits der Experte für Computersimulationen, Dr. Holger Euchner, und Dr. Anji Reddy     bei geringem Gewicht große Energiemengen vor-
                          Munnangi, der neue Materialien für Energiespeicher im Labor entwickelt. Ihr gemeinsa-    halten können. Auch deshalb hat sich Munnangi,
                          mes Ziel: Leistungsfähige und umweltfreundliche Batterien jenseits von Lithium für       der 2014 nach Stationen im französischen Caen
                          Energiewende und Elektromobilität.                                                       und am KIT nach Ulm kam, auf Alternativen wie
                                                                                                                   Fluorid-Ionen-Batterien spezialisiert. Diese
                                                                                                                   bereits in den 1970er-Jahren vorgeschlagenen
                          Foto oben:                          Im Helmholtz Institut-Ulm (HIU) arbeiten Dr. Hol-
                          Dr. Anji Reddy Munnangi testet                                                           und erst vor wenigen Jahren „wiederentdeckten“
                                                              ger Euchner und Dr. Anji Reddy Munnangi Tür an
                          Batteriekomponenten im Labor                                                             Energiespeicher zeichnen sich durch eine hohe
                                                              Tür. Gemeinsam forschen sie an hochleistungsfä-
                                                                                                                   Energiedichte und Sicherheit aus. Im Exzellenz-
                                                              higen Batterien, die ohne die endlichen Materiali-
                                                                                                                   cluster beforscht der Wissenschaftler in der Grup-
                                                              en Lithium und Kobalt auskommen. Dabei bedie-
                                                                                                                   pe „Festkörperchemie“ von Clustersprecher Pro-
                                                              nen sich die beiden Wissenschaftler völlig unter-
                                                                                                                   fessor Maximilian Fichtner zudem Natrium-Ionen-
                                                              schiedlicher „Werkzeuge“. Während der gebürtige
                                                                                                                   sowie Lithium-Schwefel-Batterien.
                                                              Inder Munnangi vielversprechende neue Materia-
                                                              lien im Labor synthetisiert, prüft und die damit     Obwohl viele Materialien bereits in der Simulati-
                                                                                                                   on getestet worden sind, erlebt Munnangi im
                                                                                                                   Labor oft noch Überraschungen. Bei schwer inter-
                                    Es ist toll, in einem ,exzellenten‘
                                                                                                                   pretierbaren Ergebnissen kommt es durchaus vor,
                                             Team zu arbeiten.                                                     dass er erneut an die Tür von Holger Euchner
                                                                                                                   klopft: Denn auch bei Experimenten mit unklarem
                                                              hergestellten Batteriezellen testet, braucht Hol-    Ausgang können Computersimulationen zur Auf-
                                                              ger Euchner sein Büro nicht zu verlassen. Am         klärung beitragen. Solche Simulationen sind
                                                              Computer simuliert der Physiker die Kristallstruk-   natürlich nicht am heimischen Laptop möglich.
                                                              tur von möglichen Batteriekomponenten auf ato-       Oft greift Euchner auf den Ulmer Supercomputer
                                                              marer Ebene. Ausgehend von solchen Simulatio-        JUSTUS zurück, der immer noch mehrere Stunden
                                                              nen kann er Eigenschaften wie Spannung und           bis Tage für die Berechnungen benötigt. Als über-
                                                              Speicherkapazität berechnen. Dahinter steht          geordnetes Ziel wollen die Forscher der Gruppe
                                                              immer die Frage: Welche Materialien eignen sich      „Elementare Prozesse“ in Batterien ablaufende

                                  +
                                                              für Anode, Kathode und Elektrolyt zukünftiger        Vorgänge und Strukturen auf atomarer Ebene ver-
                                                              Batterien?                                           stehen und davon ausgehend neue Designprinzi-
                                                                                                                   pien vorschlagen.
                                                              Dank solcher Simulationen sind sogar groß ange-
                                                              legte Screenings möglich, bei denen einzelne         „Auch wenn meine Arbeit mit der ausgewerteten
                                                              Elemente in der Kristallstruktur ausgetauscht wer-   Computersimulation endet, interessiert es mich,
                                                              den können. Im Zuge seines Habilitationsprojekts     ob experimentell arbeitende Kollegen weiter an
                                                                                                                                     uni ulm intern 347/Februar/März 2019
Was uns in Zukunft antreibt: Energie für die Mobilität von morgen | 11

                                                                                                                          -
einem Material forschen, und ob es eines Tages         größere Labore, doch innerhalb des Exzellenz-
sogar in einer Batterie eingesetzt wird“, sagt         clusters können wir auf die Ausstattung der Uni
Euchner. Dieses Interesse mag am Werdegang des         Ulm, des KIT sowie des ZSW zurückgreifen – und
36-Jährigen liegen: Während seiner Promotion im        das ist einmalig.“                           ab
Bereich Materialforschung an der Universität
Stuttgart hat der Physiker teilweise selbst experi-           QR-Code: Video Batterieforschung am HIU
mentell gearbeitet. Doch nach einer Zeit als Post-            http://t1p.de/batterieforschung

doktorand in Wien wechselte er in die Ulmer                               QR
Arbeitsgruppe des stellvertretenden Clusterspre-
chers Professor Axel Groß, dessen Spezialität
eben jene Computersimulationen sind. Am HIU,                                                             Dr. Holger Euchner arbeitet im HIU
wo Theorie und Experiment ineinandergreifen,                                                             vornehmlich am Computer
kann Euchner seine Interessen bestens kombinie-
ren. „Wenn Theorie und Praxis zusammenwirken,
haben wir große Chancen, etwas zu bewegen.
Nicht immer sprechen theoretisch und experimen-
tell arbeitende Wissenschaftler dieselbe Sprache,
doch wir können viel voneinander lernen.“ Vom
Exzellenzcluster erhofft sich der Habilitand eine
noch höhere Sichtbarkeit der Ulmer Batteriefor-
schung und betont: „Es ist toll, in einem ,exzellen-
ten‘ Team zu arbeiten.“

Auch Anji Reddy Munnangi freut sich über den
Erfolg bei der Exzellenzstrategie und rechnet mit
rund 100 neuen Kollegen. Durch den Personalauf-
wuchs verspricht er sich neue, noch breiter ange-
legte Projekte und eine größere Schlagkraft der
Ulmer Energieforschung. Für den Wissenschaftler,
der seine nähere Zukunft in Ulm sieht, ist das HIU
schon jetzt eine der besten europäischen Einrich-
tungen für die Batterieforschung: „Es gibt sicher

        Grafik: Maibach/KIT

uni ulm intern 347/Februar/März 2019
12 | Rubrik ,Thema, Titel

                                                                                                                                                                          Grafik: 123RF, photochicken/Sarawuth Pamoon
                          Designprinzipien für sichere Batterien identifiziert

                         Nie mehr
                         brennende
                         Smartphone-Akkus?

                                                            In Flammen stehende Smartphones oder sogar           die beim Wiederaufladen der Batterie zu einem
          Abbildung:
Mönig/Kramer, HIU/KIT

                                                            Elektroautos sind oft auf sogenannte Dendriten in    Materialverlust an der Anodenseite führen. Das
                                                            Batterien zurückzuführen. Diese astartigen Aus-      Sicherheitsrisiko geht jedoch vor allem von Kurz-
                                                            wüchse an der negativen Elektrode („Anode“)          schlüssen aus, bei denen in kurzer Zeit viel Ener-
                                                            können Kurzschlüsse auslösen, die zum Batte-         gie frei wird, und die im Zusammenspiel mit ent-
                                                            riebrand führen. Warum die häufig in mobilen         flammbaren Elektrolyten eben jene Batteriebrän-
                                                            Endgeräten, aber auch in E-Bikes, eingesetzten       de auslösen.
                                                            Lithium-Ionen-Speichersysteme zur Dendritenbil-
                        Lichtmikroskopische Aufnah-                                                              Bisher war die Ursache der Dendritenbildung
                                                            dung neigen, magnesiumbasierte Batterien
                        me eines wachsenden Dendri-                                                              nicht bekannt. Doch neue experimentelle For-
                        ten aus Lithium                     jedoch zum Beispiel nicht, haben Ulmer Forscher
                                                                                                                 schungsergebnisse aus dem Helmholtz-Institut
                                                            um Professor Axel Groß und Markus Jäckle unter-
                                                                                                                 Ulm (HIU) deuten darauf hin, dass dem Metall
                                                            sucht. Ergebnis ihrer Simulationen am Supercom-
                                                                                                                 innewohnende Eigenschaften die astartigen Aus-
                                                            puter sind Designempfehlungen, die bei der Ent-
                                                                                                                 wüchse begünstigen. Die Autoren um Groß und
                                                            wicklung zuverlässiger neuer Speichersysteme
                                                                                                                 Jäckle haben daraufhin die sogenannten Selbst-
                                                            helfen – nicht nur für Smartphones, sondern auch
                                                                                                                 diffusionsbarrieren verschiedener Metalle in den
                                                            im Hinblick auf globale Herausforderungen wie die
                                                                                                                 Blick genommen. Diese Barrieren sind dafür ver-
                                                            Energiewende und die zunehmende Elektromobili-
                                                                                                                 antwortlich, wie gleichmäßig sich Metallatome
                        Literaturhinweis:                   tät.
                        Markus Jäckle, Katharina Helm-
                                                                                                                 beim Wiederaufladen der Batterie auf der Anoden-
                        brecht, Malte Smits, Daniel         Sicherheitsrisiko Batterie: Vor einiger Zeit haben   Oberfläche verteilen.
                        Stottmeister and Axel Groß:         explodierende Akkus eines bekannten Mobiltele-
                        Self-diffusion barriers: possib-    fon-Herstellers Schlagzeilen gemacht, und die
                        le descriptors for dendrite                                                              Indikator für Dendritenwachstum gesucht
                                                            defekte Batterie eines E-Bikes setzte kürzlich ein
                        growth in batteries? Energy &
                        Environmental Science. DOI:         ganzes Fahrradgeschäft in Brand. Solche Kurz-        „Wir haben uns gefragt, ob es eine einfache physi-
                        10.1039/c8ee01448e                  schlüsse werden oft durch Dendriten verursacht,      kalisch-chemische Materialeigenschaft gibt, mit
                                                                                                                 deren Hilfe man vorhersagen kann, ob metallische
                                                                                                                 Anoden in Batterien zum Dendritenwachstum nei-
                           Das Forschungsvorhaben ist im Zuge der Forschungsplattform CELEST (Center
                                                                                                                 gen. Dabei sind wir davon ausgegangen, dass die
                           for Electrochemical Energy Storage Ulm-Karlsruhe) entstanden, die von der Uni-
                                                                                                                 Beschaffenheit der Anoden-Oberfläche, ob rau
                           versität Ulm, dem KIT und dem Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-
                                                                                                                 oder glatt, einen erheblichen Einfluss auf die Den-
                           Forschung Baden-Württemberg (ZSW) betrieben wird. Bei den Berechnungen
                                                                                                                 dritenbildung hat“, sagt Professor Axel Groß, Lei-
                           wurden die Forschenden durch das Programm „High Performance Computing in
                                                                                                                 ter des Instituts für Theoretische Chemie an der
                           Baden-Württemberg“ (bwHPC) und das Gauss Center for Supercomputing unter-
                                                                                                                 Uni Ulm sowie Gruppenleiter am HIU. Ein solcher
                           stützt. Die Besonderheit: An dem aktuellen Projekt haben nicht nur etablierte
                                                                                                                 Deskriptor wäre hochrelevant, denn weltweit
                           Professoren mitgewirkt, sondern bereits Nachwuchsforschende – von Bachelor-
                                                                                                                 suchen Forschende nach zuverlässigen Nachfol-
                           studierenden bis zu Doktoranden.
                                                                                                                 gesystemen für Lithium-Ionen-Batterien.

                                                                                                                                   uni ulm intern 347/Februar/März 2019
Was uns in Zukunft antreibt: Energie für die Mobilität von morgen | 13

                                                                                                                                Foto: Elvira Eberhardt
Für ihre Publikation haben die Wissenschaftler um      Aus dem Beitrag der Forschenden lässt sich zwar
Professor Axel Groß Forschungsergebnisse aus           noch keine vollständige Theorie des Dendriten-
Theorie sowie Experiment kombiniert: Anhand            wachstums ableiten, wohl aber Designprinzipien
von Simulationen konnten sie die experimentel-         für sichere Batterien.
len Daten aus dem HIU und von anderen Einrich-
                                                       „Unsere Ergebnisse lassen erwarten, dass wir
tungen im Detail nachvollziehen. Mithilfe der
                                                       Dendritenwachstum durch eine Verringerung der
Supercomputer JUSTUS (Ulm) und SUPERMUC aus
                                                       Höhe von Selbstdiffusionsbarrieren gezielt verhin-
dem Leibniz-Rechenzentrum in München berech-
                                                       dern können. Dies gelingt zum Beispiel durch die
nete die Gruppe Diffusionsbarrieren und Eigen-
                                                       Modifikation der Anoden-Oberfläche. Eine andere
schaften unterschiedlicher, in Batterien verwen-
                                                       Möglichkeit wäre es, von vornherein Anodenmate-
deter Materialien auf atomarer Ebene.                                                                         Prof. Axel Groß
                                                       rialien mit niedrigen Selbstdiffusionsbarrieren
Die Ergebnisse ihrer Berechnungen bestätigen die       auszuwählen, die aufgrund dieser Eigenschaft
wichtige Rolle der Selbstdiffusionsbarrieren: Beim     nicht zur Dendritenbildung neigen“, erklärt Erst-
Wiederaufladen der Batterie verteilen sich Metall-     autor und HIU-Doktorand Markus Jäckle. Die
atome äußerst gleichmäßig, wenn die Diffusions-
                                                                                                                Unsere Ergebnisse
                                                       Ergebnisse der Forschergruppe sind in der Fach-
barrieren niedrig sind. Entsprechende Materiali-       zeitschrift „Energy & Environmental Science“            lassen erwarten,
en, beispielsweise Magnesium oder Aluminium,           erschienen.                                     ab      dass wir Dendriten-
zeigen dadurch kein Dendritenwachstum. Im Fall
von hohen Diffusionsbarrieren wie bei Lithium-                                                                 wachstum durch eine
und Natrium-Speichern bilden sich jedoch raue                                                                  Verringerung der
Oberflächen, die nadelartige, dendritische Struk-
turen begünstigen. Demnach erlaubt die Höhe der                                                                Höhe von Selbstdiffu-
Diffusionsbarrieren als Deskriptor Vorhersagen                                                                 sionsbarrieren
darüber, ob metallische Anoden in Batterien zu
Dendritenwachstum neigen oder nicht.
                                                                                                               gezielt verhindern
                                                                                                               können.

         The classic in a new light
         USM Haller erschließt revolutionäre Dimensionen integraler
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uni ulm intern 347/Februar/März 2019
14 | Was uns in Zukunft antreibt: Energie für die Mobilität von morgen

Uni, Hochschule Ulm und ZSW gründen Plattform                                     ist das fast 100 Jahre alte Fischer-Tropsch-Ver-
                                                                                  fahren, das derzeit unter dem Begriff Power-to-

Gebündelte Ulmer Kompetenz                                                        Liquids eine Renaissance erlebt. Das For-
                                                                                  schungsziel ist die Entwicklung neuartiger Kata-
                                                                                  lysatoren, mit denen dieses Verfahren auch für
für die Energieforschung                                                          kleine Produktionsmaßstäbe an entlegenen
                                                                                  Orten wirtschaftlich ist“, erklärt Professor Robert
                                                                                  Güttel. Sein Kollege Professor Timo Jacob nimmt
                              In der Energieforschung hat sich die Ulmer Wis-     hingegen Vorgänge auf der atomaren Ebene bei
                              senschaftsstadt zu einem bedeutenden Zentrum        elektrochemischen Prozessen in den Blick:
                              entwickelt. Nun haben die starken Partner Uni-      Dabei setzen die Forschenden am Uni-Institut für
                              versität und Hochschule Ulm sowie das Zentrum       Elektrochemie auf eine innovative Kopplung von
                              für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung        Experiment und Multiskalenmodellierung.
                              Baden-Württemberg (ZSW) die Plattform „Zent-        Anwendungsbeispiel ist ein Projekt mit der
                              rum für Energieforschung und -technologie“          Hochschule Ulm, in dem Speichereigenschaften
                              (ZET) gegründet. Gemeinsam wollen die Wissen-       von neuartigen Batterien untersucht werden.
                              schaftlerinnen und Wissenschaftler verschie-
                                                                                  Für den Brückenschlag in die Anwendung und in
                              denste Energiethemen beforschen – von intelli-
                                                                                  die Industrie steht das Zentrum für Sonnenener-
                              genten Stromnetzen bis zum synthetischen
                                                                                  gie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württem-
                              Kraftstoff, und zwar von den Grundlagen bis zur
                                                                                  berg: Neben 30 Jahren Materialforschung und
                              Anwendung.
                                                                                  Batterietests blickt das ZSW in Ulm inzwischen
                                                                                  auch auf rund fünf Jahre Erfahrung mit seiner
                              Zu den ZET-Gründungsmitgliedern gehören 52
                                                                                  einzigartigen Forschungsplattform zur serien-
                              Forschende der drei Einrichtungen mit verschie-
                                                                                  nahen Produktion von großen Lithium-Ionen-
                              denen fachlichen Hintergründen: Die vertrete-
                                                                                  Zellen zurück. In der Brennstoffzellenforschung
                              nen Disziplinen reichen von Elektrochemie und
                                                                                  sind die Entwicklung und der Test von Hochleis-
                              Chemieingenieurwesen bis zur Energietechnik.
                                                                                  tungs-Brennstoffzellen der 100-kW-Klasse ein
                              Somit können im ZET Energiethemen aus ver-
                                                                                  Erfolgsbeispiel.
                              schiedenen Perspektiven behandelt werden.
                              „Unsere Plattform zählt zu den wenigen großen       Der Transfer vom ZET in Unternehmen hinein und
                              Zusammenschlüssen, die breit aufgestellt sind       letztlich in die Gesellschaft erfolgt im Rahmen
                              und ein großes Themenspektrum der Energiefor-       von InnoSÜD. In diesem vom Land und BMBF
                              schung abdecken. Das umfassende Know-how            geförderten Verbund haben sich die Hochschu-
                              der Beteiligten wollen wir für ganz neue Projek-    len Biberach, Neu-Ulm, Ulm sowie die Universi-
                              te, aber auch für den Transfer in Unternehmen,      tät Ulm zusammengeschlossen. Für InnoSÜD ist
                              nutzen“, sagt Professor Robert Güttel, Leiter des   das Thema Energie eine wesentliche inhaltliche
                              Instituts für Chemieingenieurwesen an der Uni-      Säule, in die sich die Aktivitäten des ZET einfü-
                              versität Ulm, und Mitgründer der Plattform.         gen: Auf diese Weise können Erkenntnisse auch
                                                                                  für Partner der Forschungseinrichtungen aus
                              Gerade in Zeiten der Energiewende und der
                                                                                  Wissenschaft, Unternehmen oder Gesellschaft
                              immer relevanter werdenden Elektromobilität
                                                                                  nutzbar gemacht werden. Neben erfolgreicher
                              hat die Energieforschung einen großen Stellen-
                                                                                  Forschung zählt die Einrichtung einer Graduier-
                              wert. Im ZET ergänzen sich die Forschungsthe-
                                                                                  tenschule zu den Hauptzielen des Zentrums für
                              men der drei beteiligten Einrichtungen. An der
                                                                                  Energieforschung und -technologie.
                              Hochschule Ulm wird unter anderem zu soge-
                              nannten Smart Grids geforscht. Dabei handelt es     „Seit einigen Jahren gilt die Ulmer Wissen-
                              sich um intelligente Stromnetze, über die Strom-    schaftsstadt als führendes Zentrum in der Ener-
                              erzeugung, -verbrauch sowie -speicherung dyna-      gie- und insbesondere Batterieforschung.
                              misch gesteuert und ausgeglichen werden. Wei-       Jüngster Erfolg ist die Einwerbung eines gemein-
                              tere Themen umfassen die elektrochemische           samen Exzellenzclusters im Bereich Batteriefor-
                              sowie thermische Energiespeicherung, die            schung mit dem Karlsruher Institut für Technolo-
                              Solarthermie und Photovoltaik.                      gie. Der Ulmer Zusammenschluss ZET ist eine
                                                                                  wichtige Ergänzung und stellt die Energiefor-
                              Wie synthetische Treibstoffe aus regenerativen
                                                                                  schung auf eine noch breitere Basis“, resümiert
                              Energiequellen nachhaltig gewonnen werden
                                                                                  Professor Joachim Ankerhold, Vizepräsident der
                              können – beispielsweise aus Wind und Sonne –
                                                                                  Universität Ulm für Forschung.                ab
                              wird am Institut für Chemieingenieurwesen der
                              Universität Ulm erforscht. „Der Schlüssel dazu
Was uns in Zukunft antreibt: Energie für die Mobilität von morgen | 15

Flughafen Stuttgart fördert Flieger von morgen mit 250 000 Euro

Partnerschaft für elektrisches Fliegen

                                                                                                                                           Foto: DLR
    Leise und emissionsfrei fliegen – und das in naher Zukunft: Mit einer Viertelmillion Euro unter-
    stützt die Flughafen Stuttgart GmbH (FSG) das Forschungsprojekt „Elektrisches Fliegen“ der
    Universität Ulm und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Anfang November
    übergaben Winfried Hermann, Verkehrsminister des Landes Baden-Württemberg, gemeinsam mit
    Walter Schoefer, Sprecher der FSG-Geschäftsführung, den symbolischen Scheck an Professor
    Josef Kallo. Der Leiter des Instituts für Energiewandlung und -speicherung der Universität Ulm,
    der zudem am DLR im Bereich der Energiesystemintegration forscht, koordiniert das Projekt HY4.
    Das Ziel: die Entwicklung eines Passagierflugzeuges mit einem Hybridantrieb aus Batterie- und
    Brennstoffzelle.
                                                                                                               Foto: Flughafen Stuttgart

„Was lange für unmöglich gehalten wurde, kli-          Erste Einsatzmöglichkeiten des Fluggeräts sehen         v.l. Prof. Josef Kallo mit Verkehrsminister
mafreundliches, elektrisches Fliegen mit Wasser-       die Forscher um Kallo, auch wegen der niedrigen         Winfried Hermann und Flughafenchef
                                                                                                               Walter Schoefer
stoff-Brennstoffstoffzellenantrieb, wird für kleine-   Lärmbelastung, im Regionalverkehr – beispiels-
re Flugzeuge bald Realität. Das Forschungsprojekt      weise als elektrisch betriebenes Lufttaxi. „Wir
von Professor Kallo leistet hierfür grundlegende       konnten die Leistung der HY4 seit dem Testflug                                                  Foto: Annika Bingmann
Pionierarbeit“, sagte Minister Hermann. Nach           2016 in Stuttgart noch steigern und werden nun
dem Abheben des weltweit ersten viersitzigen           insbesondere die intermodale Einbindung in den
Elektroflugzeugs HY4 am Flughafen Stuttgart im         Regional-Luftverkehr in den Blick nehmen“,
September 2016, soll das Zukunftsthema weiter in       erklärte Josef Kallo. 2019 wird das neuste Modell
Baden-Württemberg vorangetrieben werden. Der           des mit Brennstoffzellen betriebenen Passagier-
Landesairport ist bereits seit zehn Jahren der Hei-    flugzeugs am Flughafen Stuttgart abheben.
matflughafen der seither entwickelten Prototypen.                             Flughafen Stuttgart GmbH / red

Flughafenchef Walter Schoefer betonte den
gemeinsamen Nachhaltigkeitsgedanken: „Die
Luftfahrt braucht umweltschonende Lösungen.
Darum wollen wir im Sinne unserer fairport-Strate-
gie einen Beitrag leisten, um die Technologie der
HY4 zur Marktreife zu bringen.“ Mit 180 000 Euro
hat die FSG bereits das Vorgängerprojekt am DLR
unterstützt und damit den Erstflug der HY4 ermög-
licht.

uni ulm intern 347/Februar/März 2019
16 | Was uns in Zukunft antreibt: Energie für die Mobilität von morgen

10 Millionen für europäisches Mobilitätsprojekt

Ulm als Testfeld für vernetztes
und automatisiertes Fahren

                                                                                                          Foto: MRM
                                                      Die Zukunft des Autofahrens beginnt an einer
                                                      Kreuzung im Ulmer Stadtteil Lehr. Hier erfor-
                                                      schen Ingenieure des Instituts für Mess-, Regel-
                                                      und Mikrotechnik das automatisierte und ver-
                                                      netzte Fahren. Den Rahmen bildet das zehn
                                                      Millionen Euro schwere EU-Forschungsprojekt
                                                      ICT4CART, in dem sich 21 Partner aus For-
                                                      schung, IT, Automobil- und Telekommunikati-
                                                      onsindustrie zusammengeschlossen haben.

                                                      Die Stadt Ulm wird Testfeld für die Mobilität von
                                                      morgen: An zwei Forschungskreuzungen und im
                                                      Parkhaus Deutschhaus steuern Autos bald nicht
                                                      nur ohne Fahrer durch den Verkehr, sie sollen
                                                      zusätzlich mit ihrer Umgebung kommunizieren.
                                                      Dazu müssen sehr große Datenmengen zwi-
Forschung zum automatisierten
                                                      schen Fahrzeug, Umgebungssensoren und
Fahren auf dem Campus
                                                      Datenspeichern hin und her transferiert werden
                                                      – nahtlos und sicher. Dies soll durch Vernetzung                Die Ingenieure des Instituts für Mess-, Regel-
                                                      der Fahrzeuge untereinander und mit digitaler                   und Mikrotechnik der Universität Ulm sind Exper-
                                                      Infrastruktur unterstützt werden. „Wir hoffen auf               ten für diese schwierige Umgebung. In das Pro-
                                                      wirklich zukunftsweisende Resultate, die nicht                  jekt ICT4CART bringen sie – neben langjähriger
                                                      nur das autonome und vernetzte Fahren voran                     Erfahrung – ein mit Sensoren und Kameras aus-
                                                      bringen, sondern auch den Wissenschafts- und                    gestattetes Testfahrzeug ein.
                                                      Wirtschaftsstandort Ulm“, so der Ulmer Ober-
                                                      bürgermeister Gunter Czisch. Der Anstoß für die                 Herausforderung Stadtverkehr
                                                      Beteiligung der Stadt Ulm am europäischen                       Im Regelfall ermöglicht die Sensorik des Test-
                                                      Projekt ICT4CART kam vom Uni-Institut für Mess-                 fahrzeugs eine zuverlässige Umgebungserfas-
                                Foto: Heiko Grandel

                                                      Regel- und Mikrotechnik unter der Leitung von                   sung und folglich auch Handlungsplanung.
                                                      Professor Klaus Dietmayer. Als Industriepartner                 Doch gerade in der dicht bebauten städtischen
                                                      aus der Wissenschaftsstadt sind unter anderem                   Umgebung stoßen selbstfahrende Autos nicht
                                                      Nokia und BMW mit im Boot.                                      selten an ihre Grenzen: An einer vorfahrtsgere-
                                                                                                                      gelten Kreuzung kann das Fahrzeug andere Ver-
                                                      Grundsätzliches Ziel von ICT4CART ist eine
                                                                                                                      kehrsteilnehmer beispielsweise nicht registrie-
                                                      Infrastruktur, die das automatisierte Fahren auf
                                                                                                                      ren, wenn diese durch Gebäude oder parkende
                                                      das nächste Level hebt. Eine solche Infrastruk-
                                                                                                                      Autos verdeckt sind. Für „normale“ Autofahrer
                                                      tur soll im Rahmen des Projekts entwickelt,
                                                                                                                      wird an solchen unübersichtlichen Kreuzungen
                                                      implementiert und unter Realbedingungen
                                                                                                                      meist ein Spiegel angebracht – und diese
                                                      getestet werden. Hierfür sind drei Teststrecken
                                                                                                                      Lösung übertragen die Ingenieure im Projekt
                                                      in Ulm, im italienischen Verona und in Öster-
                                                                                                                      ICT4CART nun auf das hochautomatisierte Fah-
                                                      reich (Graz) vorgesehen. Eine davon liegt an der
                                                                                                                      ren. Zusätzlich zum Testfahrzeug kommt Infra-
                                                      österreichisch-italienischen Grenze: So sollen
                                                                                                                      struktur-Sensorik zum Einsatz, also beispiels-
                                                      neue Erkenntnisse zur grenzüberschreitenden
                                                                                                                      weise an Masten angebrachte Kameras: Diese
                                                      Interoperabilität der Infrastruktur gewonnen
                                                                                                                      Sensoren registrieren Informationen zur Positi-
                                                      werden.
                                                                                                                      on sowie zum Verhalten der Verkehrsteilnehmer,
                                                      Die deutsche Testumgebung wird sich auf die                     und schließlich werden alle vom „virtuellen
                                                      Stadt Ulm und ihre Umgebung erstrecken. Für                     Spiegel“ gesammelten Daten zentral auf einem
                                                      hochautomatisierte Fahrzeuge stellt dieses                      Rechner im Mobilfunknetz (MEC-Server) zusam-
                                                      städtische Umfeld eine besondere Herausforde-                   mengeführt. So entsteht in Echtzeit ein Abbild
                                                      rung dar: Autos und weitere Verkehrsteilnehmer                  der aktuellen Verkehrssituation, das dem hoch-
                                                      wie Fußgänger oder Radfahrer teilen sich einen                  automatisierten Fahrzeug per Funk übermittelt
                                                      eng begrenzten und oft unübersichtlichen Raum.                  und mit dessen Daten verrechnet wird.

                                                                                                                                      uni ulm intern 347/Februar/März 2019
Was uns in Zukunft antreibt: Energie für die Mobilität von Morgen | 17

                                                    onierdaten (Real-Time Kinematic, RTK) einge-
                                                    setzt werden. Für die Übermittlung dieser Daten
                                                    über das Mobilfunknetz sorgt der Projektpartner
                                                    Nokia.

                                                    Das Ulmer Testfeld umfasst neben den beiden
                                                    Kreuzungen mehrere Parkmöglichkeiten, die für
                                                    Untersuchungen zu Car- und Ridesharing-Fahr-
                                                    zeugen genutzt werden. Als Knotenpunkt dieser
                                                    Fahrzeuge ist das bahnhofsnahe Parkhaus
                                                    Deutschhaus vorgesehen. Bei der Realisierung
                                                    der IT-Infrastruktur für Flottenmanagement-Ser-
                                                    vices und „Smart Parking“ wird sich insbesonde-
                                                    re der Projektpartner BMW einbringen.

                                                    Die Planungen für die Umsetzung des Ulmer
                                                    Testfelds im Projekt ICT4CART haben bereits
                                                    begonnen, erste Testfahrten werden im Laufe
                                                    des Jahres stattfinden. „Das Projekt ICT4CART
                                                    erlaubt es uns, das Zusammenwirken unseres
                                                    Testfahrzeugs mit Infrastruktur-Sensorik über
                                                    verschiedene Kanäle zu untersuchen. Ohne star-
                                                    ke Partner wie die Stadt Ulm und Nokia wäre
                                                    dieses Forschungsvorhaben nicht möglich“, sagt
                                                    Dr. Michael Buchholz vom Uni-Institut für Mess-,
Im Pilotprojekt MEC-View haben die Uni-Ingeni-      Regel- und Mikrotechnik, der das deutsche Test-
eure mit Partnern wie der Stadt Ulm, BOSCH,         feld sowie weitere Arbeitspakete im Zuge von        Sensorik und Kameras an der
Osram sowie Nokia bereits die Kreuzung in Ulm-      ICT4CART koordiniert.                ab/Stadt Ulm   Testkreuzung in Ulm-Lehr
Lehr mit Sensoren ausgestattet. Seither erfor-
schen sie dort das Zusammenspiel der Infra-
struktur-Sensorik mit einem automatisierten
                                                       Projektpartner des Ulmer Testfelds
Testfahrzeug. Das neue Projekt ICT4CART mar-
kiert den nächsten Meilenstein: Im Zentrum des         Das Projekt ICT4CART – diese Abkürzung steht für Information and Communica-
Vorhabens steht das Überqueren und Linksab-            tion Technology Infrastructure for Connected and Automated Road Transport –
biegen auf der schwer einsehbaren Kreuzung in          wird im Rahmen des EU-Forschungsrahmenprogramms Horizont 2020 mit
Lehr. Dort mündet eine Nebenstraße in eine             knapp acht Millionen Euro gefördert. Weitere zwei Millionen steuern die Pro-
vorfahrtsberechtigte Hauptstraße. Neben dem            jektpartner aus der Wirtschaft bei. Die Uni-Ingenieure vom Institut für Mess-,
Betrieb der Sensorik zählt die Berechnung des          Regel- und Mikrotechnik erhalten über 600 000 Euro. Neben der Stadt und
Infrastruktur-Umfeldmodells zu den Aufgaben            Universität sind Nokia Solutions and Networks, BMW und SWARCO (Deutsch-
der Uni-Forscher.                                      land) am Ulmer Testfeld beteiligt. Der weitere Partner Airbus (Cassidian Cyber-
                                                       security SAS) ist für Cybersecurity und Datenschutz zuständig, und IBM Ireland
Bei der Datenübertragung sollen sich im Projekt        sorgt für Datenmanagment und -speicherung. Die gesamteuropäische Projekt-
ICT4CART mehrere Kommunikationskanäle                  leitung hat das Institute of Communications and Computer Systems (ICCS) in
ergänzen: Neben dem Nokia-Mobilfunknetz wer-           Athen.
den dem Testfahrzeug zusätzliche Umfelddaten
                                                                                                                                         Fotos: Martin Hermann

über ein Ad-hoc-Netzwerk (ITS-G5) mittels einer
sogenannten Road-Site-Unit zur Verfügung
gestellt. Diese beiden Kanäle kommen im Pro-
jekt auch an einer zweiten, ampelgeregelten
Kreuzung zum Einsatz. Ganz konkret rüstet der
Projektpartner SWARCO eine Lichtsignalanlage
in der Nähe der Universität Ulm, an der Sporthal-
le-Nord, mit Vernetzungstechnik auf. Dadurch
soll der künftige Ampelstatus frühzeitig und für
jede Spur an das selbststeuernde Auto kommu-                                                       Ed ma dellorpos alibus ea apitaerum
niziert werden. Ziel ist eine besonders sichere,                                                   iminis dit, sunt molupta speribus
vorausschauende und energiesparende Hand-
lungsplanung. Zur genauen Lokalisierung der
automatisierten Fahrzeuge sollen präzise Positi-

uni ulm intern 347/Februar/März 2019
18 | Campus

                          Mit Drittmittelrekord ins 53. Universitätsjahr

                          Preisregen und Batterieforschung
                          beim Dies academicus
Fotos: Elvira Eberhardt

                                                                                                                    „Dieser Höchststand bestätigt einmal mehr die
                                                                                                                    Forschungsstärke der Universität Ulm und die
                                                                                                                    Expertise, die unsere Wissenschaftlerinnen und
                                                                                                                    Wissenschaftler aufweisen“, betonte Weber.

                                                                                                                    Große Erfolge der vergangenen Monate sind
                                                                                                                    unter anderem die Weiterförderung des Trauma-
                                                                                                                    Sonderforschungsbereichs 1149 mit rund 10,6
                                                                                                                    Millionen Euro und die Zusage des Deutschen
                                                                                                                    Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), ein
                                                                                                                    Institut für Quantentechnologien (DLR-QT) auf
                                                                                                                    dem Ulmer Campus einzurichten. Mit rund elf
                                                                                                                    Millionen Euro jährlich sollen im DLR-QT Präzi-
                                                                                                                    sionsinstrumente für Raumfahrtanwendungen
                                                                                                                    auf Basis der Quantentechnologie entwickelt
                                                                                                                    werden – etwa für die Navigation oder für die
                                                                                                                    Erd- sowie Wetterbeobachtung. Und auch im
                                                                                                                    Bereich Lehre sind in letzter Zeit wichtige Pro-
                          Uni-Präsident Prof. Michael Weber       Beim Dies academicus der Universität Ulm hat
                          freute sich über einen Drittmittelre-                                                     jekte eingeworben worden, etwa zur passge-
                                                                  Universitätspräsident Professor Michael Weber
                          kord                                                                                      nauen Unterstützung in der Studieneingangs-
                                                                  auf ebenso bewegte wie erfolgreiche Monate
                                                                                                                    phase. Diese und weitere Angebote kommen
                                                                  zurückgeblickt und Zukunftsperspektiven der
                                                                                                                    derzeit rund 10 500 an der Universität Ulm ein-
                                                                  Universität aufgezeigt. Neben Preisverleihun-
                                                                                                                    geschriebenen Studentinnen und Studenten
                                                                  gen stand einer der größten Erfolge der letzten
                                                                                                                    zugute.
                                                                  Jahre im Fokus des Festakts: das neue Exzel-
                                                                  lenzcluster zur Batterieforschung.                Als ersten Programmpunkt stellten die Ulmer
                                                                                                                    Clustersprecher, Professor Maximilian Fichtner
                                                                  In seiner Begrüßung zum Dies academicus, der
                                                                                                                    und Professor Axel Groß, das gemeinsam mit
                                                                  an die Universitätsgründung 1967 erinnert,
                                                                                                                    dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
                                                                  konnte Universitätspräsident Professor Michael
                                                                                                                    eingeworbene Exzellenzcluster POLiS (Post
                                                                  Weber mit einem Drittmittelrekord aufwarten:
                          Clustersprecher Prof. Maximilian                                                          Lithium Storage Cluster of Excellence) zur Bat-
                                                                  2018 haben Uni-Forschende rund 105 Millionen
                          Fichtner (rechts) und sein                                                                terieforschung vor: Das Ziel der Physiker, Che-
                          Stellvertreter, Prof. Axel Groß,        Euro Fördergelder für ihre wissenschaftliche
                                                                                                                    miker und Ingenieure sind leistungsfähige und
                          präsentieren das neue Cluster           Arbeit eingeworben – so viel wie niemals zuvor.
                                                                                                                    umweltfreundliche Energiespeicher ohne die
                                                                                                                    endlichen Materialien Lithium und Kobalt –
                                                                                                                    allen voran für die Elektromobilität und Energie-
                                                                                                                    wende. Dafür erhalten die Wissenschaftlerin-
                                                                                                                    nen und Wissenschaftler über zunächst sieben
                                                                                                                    Jahre rund 50 Millionen Euro. Das Umfeld des
                                                                                                                    Exzellenzclusters in der Ulmer Wissenschafts-
                                                                                                                    stadt ist hervorragend: Während die Universität
                                                                                                                    und das Helmholtz-Institut Ulm (HIU) für elek-
                                                                                                                    trochemische Grundlagenforschung stehen,
                                                                                                                    schlägt das ZSW eine Brücke in die Praxis bis
                                                                                                                    zur Pilotproduktion. Im Foyer präsentierten sich
                                                                                                                    diese Partner sowie die gemeinsam mit dem KIT
                                                                                                                    betriebene Forschungsplattform CELEST (Cen-
                                                                                                                    ter for Electrochemical Energy Storage Ulm &
                                                                                                                    Karlsruhe), in die das Cluster eingebunden ist,
                                                                                                                    mit Exponaten und Informationsständen.         ab

                                                                                                                                     uni ulm intern 347/Februar/März 2019
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