ALLTAG IM RHEINLAND - LVR-Institut für Landeskunde und ...

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ALLTAG IM RHEINLAND

         Mitteilungen der Abteilungen Sprache und Volkskunde des
        LVR-Instituts für Landeskunde und Regionalgeschichte (ILR)

    Eine Jahresgabe für ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

                                   2016

                                Redaktion:

Katrin Bauer, Georg Cornelissen, Gabriele Dafft, Dagmar Hänel, Peter Honnen
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INHALT

Seite 8                                      Seite 29

IM NETZ                                      PUPPENSPIEL

Das Tonarchiv Rheinland geht online 5        „De Strippkes Trekker“                 29
Ein neues Internetportal der                 Die Marionettenspielgruppe am Franzis-
Sprachabteilung                              kanerkloster Hürtgenwald-Vossenack
von Peter Honnen                             und ihr Puppenspiel vom heiligen Franz
                                             von Assisi
NEU IM ILR                                   von Alois Döring
Mit der Kamera zur Kirmes                8
Anlässlich des 650-jährigen Jubiläums        NIEDERLANDE

von Pützchens Markt entsteht eine neue       Dialekt am Dreiländereck               39
Filmdokumentation                            Dialektgebrauch, Dialektbewertung und
von Gabriele Dafft                           Dialektstruktur in Vaals (NL), Gemmenich
                                             (B) und Laurensberg (D)
Der „Sprachatlas Rheinland“            12    von Sanne Hoffman
Im ILR entsteht ein neues Kartenwerk
von Georg Cornelissen                        Limburgisch                            45
                                             Ein Dialekt feiert Geburtstag (2016)
ERINNERUNGSORTE                              von Georg Cornelissen
„Eigentlich soll sich
nichts ändern hier“                    20    SPRACHGESCHICHTE

– ein Erinnerungsort im ländlichen Raum      Sprechen wie die alten Römer           52
von Dagmar Hänel                             Spracharchäologie im Rheinland
                                             von Peter Honnen
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INHALT

Seite 67                              Seite 89

Der Flurname „Acker“ gibt             Von Übergangsritualen, gekauften
einen Hinweis auf den ältesten        Bräuten und Individualisierungs­
Siedlungsplatz                   63   tendenzen                             86
von Ottmar Prothmann
                                      KUCKEN

TAKENPLATTEN                          „Eigentlich soll sich nichts ändern
Alte Taken und neue Bücher       67   hier“ Haus Esselt, die Menschen,
von Karlheinz von den Driesch         die Kunst und die Zeit                88

TIPPS UND TERMINE                     Vogelschießen der St. Sebastiani
                                      Armbrustschützen-Gesellschaft
HINGEHEN                              Herzogenrath                          89
Aushandlungen von Räumen in Film
und Forschung                    81   NACHGEHAKT

                                      fispernölle (fisternölle)             90
Alltag sammeln                   81
                                      Neue Literatur                        91
LESEN                                 Bildnachweis                          95
Der „Norddeutsche Sprachatlas“        Impressum                             96
reicht bis Oedt und Bracht
(Kreis Viersen)                  82

Zwei neue Dorfbücher:
Lappersdorf und Gabsheim         83
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Das Drahttongerät des Instituts, hier mit aufgelegtem Teller für Schellackplatten.

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Das Tonarchiv Rheinland geht online
Ein neues Internetportal der Sprachabteilung
                                                                   von Peter Honnen

D     ie Sprachabteilung des LVR-Instituts
      für Landeskunde und Regionalge-
schichte besitzt eine der deutschlandweit
                                             kassetten unterschiedlicher Güte gespei-
                                             chert. Als technisches Schmankerl kann
                                             das Archiv sogar Drahtbänder vorweisen,
größten Sammlungen von Tonaufnahmen          die auf einem um 1900 in den USA entwi-
gesprochener Alltagssprache. Da es sich      ckelten Aufnahmeverfahren beruhen, bei
dabei zu neunzig Prozent um Mitschnitte      dem ein dünner Draht magnetisiert wird.
rheinischer Dialekte handelt, dürfte das     Sogar ein funktionierendes Abspielgerät
Archiv in diesem Zusammenhang sogar          wurde seinerzeit beim Umzug des damali-
das mit Abstand größte sein. Ihm kommt       gen Amtes für rheinische Landeskunde an
auch deshalb besondere Bedeutung zu,         seine heutige Adresse in den Kellern des
weil das Gros der Aufnahmen in den 70er      Gebäudes entdeckt (siehe Foto).
und 80er Jahren des vergangenen Jahr-
hunderts entstanden ist und somit ei-            Dass Tonbänder, sowohl das Träger-
nen Sprachstand dokumentiert, den man        material als auch die Magnetschicht, al-
schon als historisch bezeichnen muss.        tern, wissen alle, die mit dieser Technik
Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal des      aufgewachsen sind. Insbesondere die
Archivs ist, dass etwa die Hälfte der Auf-   notwendigerweise sehr dünnen Materiali-
nahmen frei gesprochen, also weder ab-       en in den Kompaktkassetten führen sehr
gelesene noch aufgesagte Texte sind. Sie     schnell zu deutlichem Übersprechen, von
dokumentieren die rheinischen Mund-          dem auch die Aufnahmen im Tonarchiv des
arten so, wie sie tatsächlich gesprochen     Instituts nicht ausgenommen sind. Des-
werden – oder besser gesagt – gesprochen     halb haben die LVR-Sprachwissenschaft-
wurden.                                      ler vor einigen Jahren damit begonnen,
                                             den gesamten Bestand in einem aufwän-
   Die analoge Technik ist dem Alter         digen Verfahren zu digitalisieren, bei dem
entsprechend: Etwa die Hälfte der Auf-       auch beschädigte Aufnahmen so weit als
nahmen ist auf Tonband (Schnürsenkel)        möglich restauriert wurden. Das Projekt
aufgenommen worden, alle anderen sind        ist mittlerweile abgeschlossen, so dass
auf den damals gebräuchlichen Kompakt-       der Bestand als gesichert gelten kann,

Alltag im Rheinland 2016                                                              5
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IM NETZ

    Startseite des Portals „Rheinisches Tonarchiv“ .

auch wenn nicht alle Aufnahmen voll-                   etwa 150 Gesprächsmitschnitte nutzbar.
ständig wieder hergestellt werden konn-                Da sie bislang nur in einer simplen Liste
ten. Hier wird eventuell in einem zweiten              präsentiert werden und diese schon jetzt
Durchgang noch einmal mit spezieller                   für die User ziemlich unübersichtlich ist,
Technik nachgearbeitet werden müssen.                  arbeitet die Sprachabteilung zur Zeit an
                                                       einem neuen Portal, über das die Aufnah-
    Mit der Digitalisierung sind die Aufnah-           men in Zukunft sehr komfortabel abgeru-
men nicht nur gesichert, sondern auch in               fen werden können. Kernstück der neuen
einem Format gespeichert, das eine Ver-                Seite ist eine zoombare, interaktive Karte,
öffentlichung im Internet ermöglicht. Die              auf der alle rheinischen Orte angefahren
Sprachabteilung hat deshalb seit einiger               werden können, um die hinterlegten Ton-
Zeit damit begonnen, die Sprachaufnah-                 aufnahmen abzuhören (s. Abb.).
men auf die Website des LVR-Instituts
zu stellen (http://www.rheinische-landes-                 Je weiter die Karte vergrößert wird, um
kunde.lvr.de/de/sprache/tonarchiv/tonar-               so mehr – kleine – Aufnahmeorte erschei-
chiv_1.html), wo sie mit einem Mausklick               nen. Zu jeder Aufnahme öffnet sich ein
abgehört werden können. Bis jetzt sind                 Fenster mit dem üblichen Bedienungs-

6                                                                                Alltag im Rheinland 2016
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IM NETZ

   Detailseite des Portals „Rheinisches Tonarchiv“.

balken und Informationen zum jeweiligen               steht dabei der rheinische Teil Nordrhein-
Sprecher. Clou des Aufnahmefensters                   Westfalens, allerdings werden auch die
wird eine scrollbare, sehr wortgetreue                angrenzenden Gebiete (Eifel, Belgien, Nie-
Übersetzung der abgehörten Aufnahme                   derlande, Westfalen) mit Vergleichsauf-
sein, die es auch Mundartunkundigen er-               nahmen vertreten sein. Starten wird das
laubt, dem Inhalt der Erzählung zu folgen             neue Portal mit den Dialektaufnahmen des
(s. Abb.).                                            Tonarchivs, in einer späteren Ausbaustufe
                                                      ist auch an die Integration von Regiolekt-
    Die abgebildeten Screenshots zeigen               aufnahmen oder Proben von „rheinischem
natürlich noch nicht die endgültige Vari-             Hochdeutsch“ gedacht. Das Tonarchiv
ante, das Portal ist noch in der Erprobung.           Rheinland soll in der zweiten Jahreshälfte
Die Zahl der aufscheinenden Kreise, hin-              online gehen. Wenn es so weit ist, werden
ter denen sich Aufnahmen verbergen, wird              wir auf unserer Website darüber informie-
auch in der Startversion schon merklich               ren. Hier schon mal vorab die Webadresse:
größer sein. Im Laufe der nächsten Jahre              www.tonarchiv-rheinland.lvr.de.
wird das Aufnahmenetz dann kontinuier-
lich und systematisch gefüllt. Im Zentrum

Alltag im Rheinland 2016                                                                       7
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NEU IM ILR

Mit der Kamera zur Kirmes
Anlässlich des 650-jährigen Jubiläums von Pützchens Markt
entsteht eine neue Filmdokumentation
                                                                         von Gabriele Dafft

H      aben Sie sich vielleicht schon als
       Kind immer aufs Karussell gefreut
und ist Ihnen dann von zu viel Süßigkei-
                                                 für Landeskunde und Regionalgeschichte
                                                 (ILR) zur Sprache kommen. Denn wenn
                                                 sich dieses Jahr vom 9. bis 13. September
ten schlecht geworden? Kann Ihnen kein           auf der traditionsreichen und überregio-
Fahrgeschäft rasant genug sein oder              nal bekannten Kirmes „Pützchens Markt“
schunkeln Sie lieber im Festzelt? Wa-            rund eine Million Menschen zwischen
ren sie schon mal die Gewinnerkönigin            Autoskooter, Bratwurst und Zuckerwat-
an der Losbude oder ziehen Sie immer             te amüsieren und Bonn-Beuel fünf Tage
die Nieten? Ist der Bierstand an der Ecke        lang zur Hochburg für Jahrmarktfans und
alljährlicher Treffpunkt für ihren Freun-        Festzeltfreunde wird, ist das ILR mit der
des- und Bekanntenkreis – ohne sich              Filmkamera dabei. Pützchens Markt steht
dafür fest verabreden zu müssen? Was             kurz vor seinem 650-jährigen Jubiläum im
macht für Sie den Kirmesbesuch erst so           Jahr 2017. Grund genug für die Volkskund-
richtig komplett? Worauf freuen Sie sich         lerinnen im ILR bereits in diesem Jahr die
– oder auch nicht? Solche ganz persönli-         Faszination und den Facettenreichtum des
chen Anekdoten und Erlebnisse könnten            Jahrmarkts einzufangen und hinter seine
im aktuellen Filmprojekt des LVR-Instituts       Kulissen zu blicken.

    Steht vor einem großen Jubiläum: Pützchens     Kettenkarussell auf Pützchens Markt in
    Markt.                                         Bonn.

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NEU IM ILR

   Ein Klassiker auf dem Jahrmarkt: Das Riesenrad

    Der Markt hat sich aus der Wallfahrt
der Heiligen Adelheid entwickelt. Aus der
Notwendigkeit, Pilger zu versorgen und zu
unterhalten, entwickelte sich allmählich
die Kirmes zu ihrer heutigen Form. Selbst
wenn dieser Zusammenhang heutzutage
nicht mehr jeder Kirmesbesucherin und
jedem Kirmesbesucher bewusst ist, die
Menschen in Pützchen sind oftmals stolz
darauf, im Ortsteil auf eine lange Tradition
und ein Ereignis mit überregionaler Anzie-
hungskraft blicken zur können. Und auch
wer nicht an der Wallfahrt oder sonstigen
kirchlich initiierten Ritualen in der Woche         Das „Pützchen“ wird auch während der
vor Kirmesbeginn teilnimmt, kann sich               Kirmes besucht.
zum Beispiel noch gut an den Jahrmarkts-
besuch in Kindertagen erinnern, als man         Riesenrad gab. Das Pützchen ist der Brun-
die Oma zum Augenwaschen ans „Pütz-             nen an einer Quelle, die der Legende nach
chen“ begleiten musste, bevor es Zucker-        zu fließen begann, als die Äbtissin Adel-
watte auf dem Rummel und eine Fahrt im          heid bei einer Dürre ihren Äbtissinnenstab

Alltag im Rheinland 2016                                                                   9
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in den Boden stieß. Das Wasser gilt als            ausgelassenen Jahrmarkttreiben macht
heilend bei Augenleiden.                           die Bonn-Beueler Großveranstaltung so
                                                   besonders und ist für die Menschen im
    Interviews mit Menschen auf der Kir-           Ortsteil Pützchen Teil persönlicher oder
mes möchten individuellen Erfahrun-                kollektiver Erinnerungskultur. Von zent-
gen auf die Spur kommen. Die Kamera                ralem Interesse für die beiden Autorinnen
wird dieses Jahr Protagonistinnen und              des Films, Katrin Bauer und Gabriele Dafft
Protagonisten begleiten, für die das Kir-          aus der Volkskundeabteilung des ILR, sind
mesgeschehen jeweils unterschiedliche              die vielfältigen kleineren und größeren
Bedeutungen hat, zum Beispiel: Einge-              Rituale rundum das Kirmesgeschehen
fleischte Kirmesfans und Schausteller,             – vom persönlichen Familienausflug bis
Anwohner und Auswärtige, Organisato-               zum offiziellen Fassanstich – und wie sie
rinnen und Organisatoren, Schützenbrü-             miteinander verzahnt sind. Denn aus der
der oder Gemeindemitglieder. Inwieweit             Vogelperspektive mag die Großkirmes wie
gibt es Schnittstellen zwischen all diesen         ein Epizentrum von Spaß und Vergnügen
Menschen? Was verbindet sie, wenn sie              wirken, aus der Nähe zeigen sich die viel-
bei Festumzug, Fassanstich oder Wall-              schichtigen Bedürfnisse, die hier ausge-
fahrt aufeinander treffen? Welche „An-             handelt werden. Pützchens Markt wird zur
ekdötchen“ und „Verzällcher“ können sie            Bühne, auf der private Familientraditionen
erzählen, welche spontanen Eindrücke               und politische Repräsentationen, Nostal-
haben sie? Gerade das Spannungsfeld                giefreude und moderne Festkultur, ehren-
zwischen den religiösen Handlungen im              amtliches Engagement und ökonomische
Vorfeld und Umfeld der Kirmes und dem              Interessen gelebt werden. Ein Mikrokos-

     Das bunte Jahrmarkttreiben findet direkt an     Wer sich auf dem Jahrmarkt gruseln möchte
     der Kirche St. Adelheid statt.                  dreht eine Runde in der Geisterbahn.

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NEU IM ILR

mos, in dem sich sogar Gottesdienst und
Geisterbahn nicht ausschließen. Denn der
Festgottesdienst am Sonntag findet nicht
in der Kirche, sondern im Festzelt inmitten
des Kirmesplatzes statt.

    Bereits Ende der 1970er Jahre weckten
Volksfest und die Adelheidiswallfahrt so
sehr das Interesse des damaligen Amtes
für rheinische Landeskunde (unser heuti-
ges ILR), dass gleich drei Filmdokumenta-
tionen entstanden sind. Die volkskundlich-
filmischen Interessen lagen damals eher
im minutiösen Nachzeichnen des Ablaufs
von Wallfahrt und Kirmes in ihren einzel-
nen Elementen. Aus heutiger Sicht sind
diese Dokumentationen daher nicht nur
eine wertvolle Fundgrube, um einen Ein-
druck von der damaligen Festkultur zu
bekommen, sondern auch ein Beleg für
veränderte Ansätze des volkskundlichen
Arbeitens.

    Das aktuelle Filmprojekt läuft nun un-
ter neuen kulturwissenschaflichen Frage-
stellungen an und bietet die Möglichkeit,
exemplarisch am Phänomen Kirmes ge-           Dreharbeiten Ende der 1970er Jahre.
sellschaftlichen Wandel zu beobachten.
Pützchens Markt steht für ein Stück kul-
turelles Erbe, das sich dynamisch entwi-
ckelt und an veränderte gesellschaftliche
Rahmenbedingungen anpasst, um leben-
dig zu bleiben. Auch diesen Prozessen ver-
sucht der Film auf die Spur zu kommen.
Fertiggestellt wird er in der ersten Jah-
reshälfte 2017, damit das LVR-Institut für
Landeskunde und Regionalgeschichte ihn
pünktlich zum Jubiläumsprogramm prä-
sentieren kann.

Alltag im Rheinland 2016                                                             11
NEU IM ILR

Der „Sprachatlas Rheinland“
Im ILR ensteht ein neues Kartenwerk

                                                               von Georg Cornelissen

Der erste Fragebogen                          schen gesprochen, die den Dialekt nicht
    Vor 16 Jahren, also 2000, verschickte     (mehr) beherrschen. Diese Alltagssprache
das ILR, das da noch Amt für rheinische       ist mit dem Dialekt nicht zu verwechseln.
Landeskunde hieß, erstmals einen Fra-         Vom Hochdeutschen, wie es in der Schule
gebogen zum Regiolekt. Vorangehende           gelehrt wird, unterscheidet sie sich unter
Spracherhebungen hatten dem Dialekt           anderem durch viele regionale Sprach­
(Platt) gegolten, nun wollten wir ausloten,   eigenheiten. Beispiele aus verschiedenen
ob sich durch eine solche schriftliche Er-    Gebieten des Rheinlandes enthalten die
hebung auch das Wissen der Gewährsleu-        folgenden Sätze: Der hat Dinger erzählt,
te zur regionalen Umgangssprache „an-         dat is wirklich unglaublich! (Er hat Sa-
zapfen“ ließ. Da unsere Korrespondenten       chen erzählt, die wirklich unglaublich
und Korrespondentinnen an Fragebogen          sind!) Hasse auch dran jedacht, datte den
zu den örtlichen Dialekten gewöhnt waren,     Stuten mitbringen solls? (Hast du auch
fand sich im Kopf des Regiolekt-Bogens        daran gedacht, dass du das Weißbrot mit-
eine längere Erläuterung:                     bringen sollst?) Dat haste schön gesacht!
                                              (Das hast du schön gesagt!) Nää, wat hat
   „In diesem Fragebogen geht es nicht        dér große Quanten! (Nein, wie groß des-
um die örtlichen Dialekte im Rheinland,       sen Füße sind!) Die hat mir nix mitje­
sondern um die regionale Sprechsprache,       bracht. (Sie hat mir nichts mitgebracht.)“
die zwischen Dialekt und ‚reinem‘ Hoch-
deutsch angesiedelt ist. Ausfüllen kann       Das Sprachmaterial für den
den Fragebogen deshalb jeder Rheinlän-        „Sprachatlas Rheinland“ (SpARh)
der und jede Rheinländerin, Dialektbe-           Wie sich 2000 zeigte, wusste ein gro-
herrschung ist keine Voraussetzung dafür!     ßer Teil unserer KorrespondentInnen
                                              zwischen Regiolekt und Dialekt zu un-
   Regionale Sprechsprache nennen wir         terschieden (wenn es auch ausgefüllte
die regionale Alltagssprache, die in der      Fragebogen gab, die eindeutig dialektale
Regel nicht geschrieben, sondern nur          Belege enthielten, so dass sie für die Un-
gesprochen wird. Sie wird auch von Men-       tersuchung der regionalen Umgangsspra-

12                                                                      Alltag im Rheinland 2016
NEU IM ILR

                                                                                                                                               Hubbel oder Huckel
                                                          Emmerich
                                                                                                                                                            Hubbel

                                             Kleve
                                                                                                                                                            Huckel
              Kranenburg                                                    Rees
                                                                                                                                                            andere
                                                                                                    Hamminkeln
                             Bedburg-Hau
                                                              Kalkar       Rh                                            Schermbeck
                              Goch
                                                             Uedem

                                                                               ei
                                                                                               Wesel

                                                                                n
                                     Weeze                                  Xanten                                  Hünxe
                                                     Sonsbeck
                                                                                   Alpen               Voerde
                                                                                                                    Dinslaken
                                        Kevelaer
                                                                   Issum    Rheinberg
                                                Geldern                                                                   Oberhausen
                                                                                          Kamp-
                                                                                          Lintfort
                                                                                              Moers
                                                                           Rheurdt
                                                          Kerken                                               Duisburg                        Essen
                                          Straelen

                                                                                        Neukirchen-
                                                                                        Vluyn
                                                                                  Kempen                                        Mülheim/Ruhr
                                         Wachtendonk
                                                                                                                              Heiligenhaus
                                                                                Krefeld                                                             Velbert
                                                                                                              Ratingen
                                         Nettetal
                                                                                            Meerbusch
                                                             Tönisvorst
                                                                                      Willich
                                                                                                               Düsseldorf
                                                                                                                                                              Wuppertal
                                       Schwalmtal                     Viersen                       Kaarst                               Mettmann
                                                                                                                                                                                   Radevormwald
                                                                                                                                                              Remscheid
                       Niederkrüchten                           Korschenbroich                                      Erkrath
                                                                                                                     Hilden                      Solingen
                                       Wegberg
                                                                                              Neuss
                          Wassenberg                                            Jüchen                                      Langenfeld
                                                               Mönchen-                                    Dormagen                                Leich-                               Wipperfürth
                                                               gladbach                   Grevenbroich                                             lingen         Wermels-
              Waldfeucht                                                                                                                                          kirchen
                                           Hückelhoven             Erkelenz
                                                                                                                          Monheim                                      Kürten
                                                                                                                                                                                                                  Bergneustadt
         Selfkant                                                                                         Rommerskirchen                                                           Lindlar
                                                                           Titz
                                      Heinsberg                                             Bedburg                 Pulheim           Leverkusen
                                                                                                                                                            Odenthal
                                   Gangelt                  Linnich                                                                                                                            Gummersbach
                                                                                                                            Köln                                 Engelskirchen
                       Geilenkirchen                                                                                                                                                              Wiehl
                                                                                                          Bergheim                        Bergisch-Gladbach
                                                                      Jülich                                                                                                  Overath
                                                                                                                 Frechen
                                                                                             Elsdorf                                            Rösrath
                                                                                                                                                                                        Much
                              Baesweiler                    Aldenhoven                                                      Hürth                                                                      Waldbröl
                                                                                                                                                                       Lohmar                                        Morsbach
                    Herzogenrath                                                                                                                                                Neunkirchen-
                                                  Alsdorf              Inden                             Kerpen                                                                 Seelscheid
                                                                                                                                Wesseling          Troisdorf
                                                                                           Merzenich
                                                             Eschweiler                                          Brühl                                                                     Ruppicheroth
                                                                                                Nörvenich
                            Würselen                                                                                                                                                                      Windeck

                                                Langerwehe                                                                                                              Siegburg
                                                                                  Düren                                                  Niederkassel
                          Aachen                                                                                    Erftstadt
                                                                      Kreuzau                      Vettweiß                                                                                  Eitorf
                                                                                                                            Bornheim      Alfter       St.Augustin
                                        Stolberg                                                                                                                                Hennef
                                                                                                        Zülpich
                                              Hürtgenwald
                                                                                                             Weilerswist                                                    Königswinter
                                                               Nideggen                                                                                Bonn
                                                                                                                                    Swisttal
                                      Roetgen                                      Heimbach         Euskirchen                                                               Bad Honnef

                                                                                                                                                          Wachtberg
                                             Simmerath                                                              Rheinbach
                                                                                Schleiden              Mechernich                              Meckenheim
                                                                                                                          Bad Münstereifel
                                                                                            Kall
                                                            Monschau

                                                                           Hellenthal
                                                                                                        Nettersheim                                                     0                             20 km
                                                                                ©LVR-ILR 2015
                                                                                     Dahlem               Blankenheim

                                                                                                                                               ILR-Fragebogen 10 (2012), Frage 9
                                                                                                                                               Altersgruppe 45-64 Jahre

che nicht heranzuziehen sind). Deshalb                                                                                     und auf dem Fragebogen von 2012 basie-
folgten auf diesen ersten Regiolekt-Frage-                                                                                 rend, zeigte den Raum, der auf den Haupt-
bogen drei weitere: 2002, 2005 und 2012.                                                                                   karten des SpARh zu sehen sein wird: Er
Insgesamt vier Fragebogenrunden aus                                                                                        deckt sich mit dem Grundgebiet des Land-
dem Zeitraum zwischen 2000 und 2012 ist                                                                                    schaftsverbandes Rheinland, mithin mit
also das Material zu verdanken, das für                                                                                    dem Teil des „Rheinlands“, der zu NRW
den SpARh zur Verfügung steht. Die Karte                                                                                   gehört. Er reicht von Kleve im Norden bis
„Plümmo oder Oberbett“, abgebildet auf                                                                                     nach Bonn im Süden, von Aachen im Wes-
dem Umschlag des AiR-Jahrgangs 2015                                                                                        ten bis zur westfälischen Grenze im Osten.

Alltag im Rheinland 2016                                                                                                                                                                                                         13
NEU IM ILR

                                              gebogen vor, wurden die zehn (gemessen
                                              am Lebensalter der Gewährsleute) „mitt-
                                              leren“ Bogen berücksichtigt. Gab es für
                                              die Altersgruppe 45–64 überhaupt keine
                                              Daten, basiert die Karte ersatzweise auf
                                              den Fragebogen der Gruppe 65 Jahre und
                                              älter bzw. der Gewährsleute im Alter von
                                              25 bis 44 Jahre. Insgesamt wurden für den
                                              SpARh vier Altersgruppen gebildet: 16–24,
     Scan: Aus dem ILR-Sprachfragebogen von   25–44, 45–64, 65+.
     2012.
                                                  Auf dieser wie auf allen weiteren
                                              Hauptkarten sind einfarbige und farblich
    Die Karte „Hubbel oder Huckel“ geht       unterteilte Diagramme zu finden. Wurde
ebenfalls auf den Fragebogen des Jahres       auf allen Fragebogen einer Kommune nur
2012 zurück. Wie die betreffende Frage 9      eine einzige Variante genannt, zeigt die
damals lautete, zeigt die Abbildung. Die      Karte einen einfarbig gefüllten Kreis (in
Karte dazu lässt auf den ersten Blick eine    diesem Fall: rot oder grün). Kommen nach
Zweiteilung des Gebiets erkennen: Wäh-        den Angaben der Gewährspersonen zwei
rend im Norden – also am unteren Nie-         Bezeichnungen mit gleicher Häufigkeit
derrhein, in den Städten des Ruhrgebiets      vor, ist das Halbe-Halbe-Diagramm auf
und im Niederbergischen – Huckel (rot) do-    der Karte zu finden (hier etwa für Sonsbeck
miniert, wurde anderswo vor allem Hub-        oder Geilenkirchen). Dreivierteldiagramme
bel (grün) genannt. Die Farbe Lila steht      präsentieren die häufigste (oben) und die
für „andere“ Lexeme (siehe unten). Die        zweithäufigste Variante (unten). Die Farbe
drei Komponenten des SpARh bilden die         Lila hat zwei Funktionen: Sie kann erstens
Hauptkarten, die Nebenkarten sowie die        (in allen drei Diagrammtypen) für eine Be-
Kartenkommentare. Bei „Hubbel oder Hu-        zeichnung stehen, die nicht in der Legende
ckel“ handelt es sich um eine Hauptkarte,     aufgeführt ist. Zweitens tritt Lila auf, wenn
für diesen Kartentyp wird stets die Alters-   mehr als zwei Varianten zu berücksichti-
gruppe der 45- bis 64-Jährigen herange-       gen gewesen wären, wenn also drei oder
zogen. Jede Kommune, für die auswert-         mehr Bezeichnungen in derselben Häufig-
bare Fragebogen vorlagen, ist mit einem       keit für den ersten Platz (ungeteilter Kreis)
Kreisdiagramm (Kuchendiagramm) ver-           oder für den zweiten Platz (unteres Feld im
treten; in diesem Fall fehlen genau 12 der    Dreiviertelsymbol) darzustellen gewesen
insgesamt 165 Kommunen im Rheinland.          wären. Für die Hauptkarten wird demnach
Hinter einem Diagramm können sich ein         in vier Hinsichten reduziert:
bis zehn Fragebogen verbergen; lagen für      1. w
                                                  erden alle Orte einer Kommune
diese Altersgruppe mehr ausgefüllte Fra-         zusammengefasst.

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NEU IM ILR

                                                                                                                                                  bolzen, kicken oder pöhlen
                                                             Emmerich
                                                                                                                                                               bolzen

                                               Kleve
                                                                                                                                                               kicken
                 Kranenburg                                                     Rees
                                                                                                                                                               pöhlen
                                                                                                     Hamminkeln
                                Bedburg-Hau                                                                                                                    Fußball spielen
                                                                              Rh                                           Schermbeck
                                 Goch
                                                                 Uedem                                                                                         fußballen

                                                                                ei
                                                                                   n
                                                                                                                                                               flabben
                                                                               Xanten                                  Hünxe
                                                        Sonsbeck
                                                                                       Alpen              Voerde                                               andere
                                                                                                                       Dinslaken
                                           Kevelaer
                                                                               Rheinberg
                                                   Geldern                                                                  Oberhausen
                                                                                              Kamp-
                                                                                              Lintfort
                                                                                                  Moers
                                                                              Rheurdt
                                                             Kerken                                             Duisburg                          Essen
                                             Straelen

                                                                                            Neukirchen-
                                                                                            Vluyn
                                                                                      Kempen                                       Mülheim/Ruhr
                                            Wachtendonk
                                                      Grefrath                                                                   Heiligenhaus
                                                                                   Krefeld                                                             Velbert
                                                                                                               Ratingen
                                            Nettetal
                                                                                               Meerbusch
                                                                 Tönisvorst
                                                                                         Willich
                                                                                                                Düsseldorf
                                                                                                                                                                 Wuppertal
                                          Schwalmtal                     Viersen                     Kaarst                                 Mettmann
                                                                                                                                                                                      Radevormwald
                                                                                                                                                                 Remscheid
                          Niederkrüchten                            Korschenbroich                                     Erkrath
                                                                                                                        Hilden                      Solingen
                                          Wegberg
                                                                                                  Neuss
                             Wassenberg                                            Jüchen                                      Langenfeld
                                                                   Mönchen-                                   Dormagen                                Leich-                               Wipperfürth
                                                                   gladbach                  Grevenbroich                                             lingen         Wermels-
                                                                                                                                                                     kirchen
                                                                      Erkelenz
                                                                                                                            Monheim                                       Kürten
                                                                                                                                                                                                                     Bergneustadt
            Selfkant                                                                                         Rommerskirchen                                                           Lindlar
                                                                               Titz
                                         Heinsberg                                              Bedburg                Pulheim           Leverkusen
                                                                                                                                                               Odenthal
                                      Gangelt                  Linnich                                                                                                                            Gummersbach
                                                                                                                               Köln                                 Engelskirchen
                          Geilenkirchen                                                                                                                                                              Wiehl
                                                                                                             Bergheim                        Bergisch-Gladbach
                                                                         Jülich                                                                                                  Overath
                                                                                                                    Frechen
                                                                                                Elsdorf                                            Rösrath
                                                                                                                                                                                           Much
                                 Baesweiler                    Aldenhoven                                                      Hürth                                                                      Waldbröl
                                                                                                                                                                          Lohmar                                        Morsbach
                       Herzogenrath                                                                                                                                                Neunkirchen-
                                                     Alsdorf              Inden                             Kerpen                                                                 Seelscheid
                                                                                                                                                      Troisdorf
                                                                                               Merzenich
                                                                 Eschweiler                                        Brühl                                                                      Ruppicheroth
                                                                                                    Nörvenich
                               Würselen                                                                                                                                                                      Windeck

                                                   Langerwehe                                                                                                              Siegburg
                                                                                      Düren                                                 Niederkassel
                             Aachen                                                                                    Erftstadt
                                                                         Kreuzau                    Vettweiß                                                                                    Eitorf
                                                                                                                               Bornheim      Alfter       St.Augustin
                                           Stolberg                                                                                                                                Hennef
                                                                                                           Zülpich
                                                Hürtgenwald
                                                                                                                Weilerswist                                                    Königswinter
                                                                   Nideggen                                                                               Bonn
                                                                                                                                       Swisttal
                                         Roetgen                                       Heimbach      Euskirchen                                                                 Bad Honnef

                                                                                                                                                             Wachtberg
                                                Simmerath                                                              Rheinbach
                                                                                   Schleiden              Mechernich                              Meckenheim
                                                                                                                            Bad Münstereifel

                                                               Monschau

                                                                              Hellenthal
                                                                                                           Nettersheim                                                     0                             20 km
                                                                                   ©LVR-ILR 2015
                                                                                         Dahlem              Blankenheim

                                                                                                                                                  ILR-Fragebogen 10 (2012), Frage 20
                                                                                                                                                  Altersgruppe 45-64 Jahre

2. wird nur eine der vier hier gebildeten                                                                                  Diese sprachkartografischen Entschei-
    Altersgruppen, die Gruppe 45–64,                                                                                    dungen dienen dem Ziel, gut „lesbare“ und
    berücksichtigt.                                                                                                     übersichtliche Kartenbilder zu präsentie-
3. wird die Zahl der herangezogenen                                                                                    ren. Eine Karte dieses Typs soll einerseits
    Fragebogen gegebenenfalls auf zehn                                                                                  Worträume darstellen und andererseits
    beschränkt.                                                                                                         örtliche (kleinräumige) Varianten in gewis-
4. wird die darzustellende Varianz mit                                                                                 sem Umfang ins Blickfeld rücken. Auch
    Hilfe einer Sammelkategorie (lila)                                                                                  wer nicht Linguistik studiert hat und über
    begrenzt.                                                                                                           keine große Erfahrung im „Kartenlesen“

Alltag im Rheinland 2016                                                                                                                                                                                                            15
NEU IM ILR

verfügt, soll, wenn er sich für die Sprache    flabben besonders in Betracht. Über die
der Region interessiert, imstande sein, die    geografische Verbreitung der einzelnen Sy-
Karten dieses Atlas aufzunehmen. In den        nonyme über die Grenzen des Rheinlands
zu schreibenden Kartenkommentaren las-         hinaus geben andere Kartenwerke Aus-
sen sich dann viele Details nachtragen.        kunft; im Fall von „Fußball spielen“ bieten
                                               sich die Karte in Jürgen Eichhoffs „Wort-
    Ein ganz anderes Kartenbild als die        atlas der deutschen Umgangssprachen“
räumlich übersichtliche Verteilung der         (1977–2000, Band 3, Karte 30) und die Kar-
beiden Synonyme Hubbel und Huckel zeigt        te in dem von Stephan Elspaß und Robert
sich bei den Bezeichnungen für „Fußball        Möller verantworteten „Atlas zur deut-
spielen (außerhalb des Vereins)“. Das          schen Alltagssprache“ (hier Runde 4) an.
Material stammt wiederum aus der Er-
hebung des Jahres 2012, allerdings war             Der Deutsche Fußballbund offerier-
in diesem Fall eine offene Fragestellung       te Anfang 2016 in seinem „Fanshop“ ein
ohne Antwortvorgabe gewählt worden             Shirt, dessen Brustaufschrift „BOLZEN KI-
(„20. Wenn Kinder außerhalb des Fußball-       CKEN PÖHLEN“ (untereinander geschrie-
vereins miteinander ‚Fußball spielen‘: Wie     ben) lautete. Viele Menschen im Rheinland
nennen Sie das?“). Am häufigsten wurde         werden sich (bzw. ihre Sprache) darin wie-
von der Altersgruppe 45–64 bolzen (grün)       dergefunden haben. Zu erwähnen ist noch,
genannt, diese Bezeichnung kommt über-         dass diese Fußballerwörter – zumindest
all im Rheinland vor. Verbreitet, allerdings   bolzen und pöhlen – auch eine negative
deutlich seltener belegt, sind kicken (oran-   Bedeutung haben können; sie verweisen
ge) und Fußball spielen anzutreffen (rosa;     dann, in Spielen auf dem Bolzplatz wie im
wahrscheinlich meist Fussball spielen          großen Stadion, auf ein bescheidenes Ni-
ausgesprochen); pöhlen (blau), das auch        veau der gezeigten sportlichen Leistungen
in Westfalen bekannt ist, begegnet im          (unkontrolliertes Balltreten, „Dreschen“
Rheinland eher am Niederrhein als wei-         des Balles). Das Gesamt des Bolzens oder
ter südlich im Raum Aachen-Köln-Gum-           Pöhlens wird dann auch gern Gekicke ge-
mersbach. Nur kleinräumig bekannt sind         nannt. Bei jungen Leuten (Altersgruppe
flabben (gelb, im Raum Düren-Voreifel) und     16–24) ist heute, wie die Fragebogenaus-
fußballen (rot, am unteren Niederrhein,        wertung ergab, auch zocken (oder Fußball
fussballen auszusprechen).                     zocken) zu hören, wenn das Spielen auf
                                               dem Bolzplatz gemeint ist.
    Im Kartenkommentar des SpARh kön-
nen die unter „andere“ (lila) verbuchten           Als der vorliegende Aufsatz verfasst
Bezeichnungen vorgestellt werden. Ety-         wurde (Juni 2016), war im Internet ein digi-
mologische Sondierungen drängen sich           taler Fragebogen zu finden, in dem es um
bei manchen der Verben mehr auf als bei        die Verwendung des Neutrums bei weibli-
anderen, hier kommen etwa pöhlen und           chen Rufnamen ging (dat Anna usw.). Der

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                                                                                                                                              die / dat Maria
                                                         Emmerich
                                                                                                                                                           Maria

                                           Kleve
                                                                                                                                                           die Maria
               Kranenburg                                                   Rees
                                                                                                                                                           dat (et) Maria
                                                                                                   Hamminkeln
                             Bedburg-Hau                                                                                                                   andere
                                                              Kalkar      Rh                                            Schermbeck
                              Goch
                                                             Uedem

                                                                           ei
                                                                                              Wesel

                                                                               n
                                  Weeze                                    Xanten                                  Hünxe
                                                    Sonsbeck
                                                                                   Alpen              Voerde
                                                                                                                   Dinslaken
                                       Kevelaer
                                                                  Issum    Rheinberg
                                               Geldern                                                                   Oberhausen
                                                                                          Kamp-
                                                                                          Lintfort
                                                                                              Moers
                                                                          Rheurdt
                                                         Kerken                                               Duisburg                        Essen
                                         Straelen

                                                                                        Neukirchen-
                                                                                        Vluyn
                                                                                  Kempen                                       Mülheim/Ruhr
                                         Wachtendonk
                                                  Grefrath                                                                   Heiligenhaus
                                                                               Krefeld                                                               Velbert
                                                                                                             Ratingen
                                        Nettetal
                                                                                           Meerbusch
                             Brüggen                         Tönisvorst
                                                                                     Willich                                                    Wülfrath
                                                                                                              Düsseldorf
                                                                                                                                                               Wuppertal
                                       Schwalmtal                    Viersen                       Kaarst                               Mettmann
                                                                                                                                                                                  Radevormwald
                                                                                                                                                               Remscheid
                                                                Korschenbroich                                     Erkrath                    Haan
                     Niederkrüchten
                                                                                                                    Hilden                      Solingen
                                                                                                                                                                               Hückeswagen
                                       Wegberg
                                                                                              Neuss
                        Wassenberg                                                                                         Langenfeld
                                                               Mönchen-                                   Dormagen                                Leich-                               Wipperfürth
                                                               gladbach                                                                           lingen           Wermels-
               Waldfeucht                                                                                                                                          kirchen                           Marienheide
                                          Hückelhoven             Erkelenz                                                                               Burscheid
                                                                                                                         Monheim                                      Kürten
                                                                                                                                                                                                                   Bergneustadt
                                                                                                         Rommerskirchen                                                           Lindlar
                                                                           Titz
                                   Heinsberg                                                Bedburg                Pulheim           Leverkusen
                                                                                                                                                           Odenthal
                                Gangelt                    Linnich                                                                                                                            Gummersbach
                                                                                                                           Köln                                  Engelskirchen                                      Reichshof
                     Geilenkirchen                                                                                                                                                               Wiehl
                                                                                                         Bergheim                        Bergisch-Gladbach
                                                                     Jülich                                                                                                  Overath
                                                                                                                Frechen
              Übach-Palenberg                                                               Elsdorf                                            Rösrath
                                                                                                                                                                                       Much
                             Baesweiler                                                                                    Hürth                                                                        Waldbröl
                                                                                                                                                                      Lohmar                                          Morsbach
                                                                                   Niederzier
                 Herzogenrath                                                                                                                                                  Neunkirchen-
                                                 Alsdorf                                                Kerpen                                                                 Seelscheid
                                                                                                                               Wesseling          Troisdorf
                                                                                           Merzenich
                                                             Eschweiler                                         Brühl
                                                                                                Nörvenich
                            Würselen                                                                                                                                                                     Windeck

                                               Langerwehe                                                                                                              Siegburg
                                                                                  Düren                                                 Niederkassel
                        Aachen                                                                                     Erftstadt
                                                                     Kreuzau                      Vettweiß                                                                                  Eitorf
                                                                                                                           Bornheim      Alfter       St.Augustin
                                        Stolberg                                                                                                                               Hennef
                                                                                                       Zülpich
                                            Hürtgenwald
                                                                                                            Weilerswist                                                    Königswinter
                                                               Nideggen                                                                               Bonn
                                                                                                                                   Swisttal
                                     Roetgen                                       Heimbach        Euskirchen                                                               Bad Honnef

                                                                                                                                                         Wachtberg
                                            Simmerath                                                              Rheinbach
                                                                               Schleiden              Mechernich                              Meckenheim
                                                                                                                         Bad Münstereifel
                                                                                           Kall
                                                           Monschau
                                                                                                                                                                 0                          20 km
                                                                                                       Nettersheim
                                                                          Hellenthal
                                                                               ©LVR-ILR 2015
                                                                                                         Blankenheim

                                                                                                                                              ILR-Fragebogen 8 (2005), Frage 19
                                                                                                                                              Altersgruppe 45-64 Jahre

Fragebogen gehört/e zu einem Koope-                                                                                  Schauen Sie nach der Lektüre dieses AiR-
rationsprojekt der Universitäten Mainz,                                                                              Heftes ruhig einmal nach, ob die Erhebung
Luxemburg und Fribouerg (Schweiz). Das                                                                               im Internet, die zu dem Projekt „Das Anna
Phänomen ist in einem Gebiet zwischen                                                                                und ihr Hund“ gehört, noch andauert (Ad-
Nordrhein-Westfalen im Norden und der                                                                                resse im Literaturverzeichnis)!
Schweiz im Süden verbreitet und betrifft
auch das Luxemburgische. Im Süden ist                                                                                    Auf dem ILR-Fragebogen des Jahres
anstelle des rheinischen dat (et) Anna                                                                               2005 war eine entsprechende Frage mit
natürlich das (es/‘s) Anna gebräuchlich.                                                                             vier Antwortalternativen zu finden („19.

Alltag im Rheinland 2016                                                                                                                                                                                                          17
NEU IM ILR

Wie heißt es in dem Satz: Da is … Ma-          verschiedener Generationen oft durch si-
ria: die Maria/Maria/datMaria/et Maria/        gnifikante Unterschiede auszeichnet, wird
andere: …“). Der SpARh wird eine Karte         der Atlas für ausgewählte Fragestellun-
dazu enthalten: Der Atlas bezieht über den     gen auch kontrastive Regiolektkarten für
Wortschatz hinaus (s. dazu auch Honnen         die Altersgruppen 65+, 25–44 und/oder
2012) also auch grammatische Phänome-          16–24 enthalten. Mit abnehmendem Le-
ne ein. Ferner wird es im SpARh um Fra-        bensalter sinkt der Anteil der Dialektalis-
gen der Lautung in den Regiolekten gehen       men im Regiolekt. Andere Nebenkarten
(etwa um die Aussprachevarianten Jummi/        sind dem Dialekt vorbehalten. Auf ihnen
Gummi), und es wird auch die geografi-         wird die Verteilung der Varianten in den
sche Verteilung von Grußformeln unter-         örtlichen Dialekten des Rheinlands darge-
sucht (z. B. tschüss/tschö/tschau).            stellt, wobei u. a. auf die Ergebnisse einer
                                               Dialekt-Fragebogenerhebung aus dem
    Auf der Karte „die/dat Maria“ wird         Jahr 2011 zurückgegriffen werden kann.
nicht zwischen dat Maria und et Maria          Regiolekte (regiolektale Elemente) können
differenziert. Gut („auf den ersten Blick“)    durchaus dialektale Verhältnisse wider-
zu erkennen ist, dass die Neutrumformen        spiegeln, sie können sich aber auch stark
vom Süden her ins Rheinland hineinrei-         dem Standarddeutschen annähern oder,
chen und nördlich einer gedachten Linie        viel leichter als die „starren“ Dialekte, um-
Nettetal-Krefeld-Ratingen-Velbert        nur   gangssprachliche Varianten aus Nachbar-
noch selten genannt wurden. Die Belege         regionen und/oder aus anderen Teilen des
am nördlichen Niederrhein (in Bedburg-         deutschen Sprachraumes übernehmen.
Hau und Rees) sind vielleicht „Fehlern“
beim Ausfüllen zu verdanken, hier kreuzte          Die Entscheidung, die Auskünfte der
jeweils eine von mehreren Gewährsleuten        Altersgruppe 45–64 für die Hauptkarten
dat Maria bzw. et Maria an. Der untere         zugrundezulegen, basiert auf diesen Be-
Niederrhein erweist sich zugleich als Ge-      obachtungen. Zu erwarten ist, dass die
biet, in dem der weibliche Artikel (die Ma-    regiolektalen Register dieser Altersgrup-
ria, blau) die im Vergleich zur artikellosen   pe den „mittleren Bereich“ im heutigen
Form (Maria, rot) seltenere Variante ist.      Sprachspektrum des Rheinlands, das
                                               Standarddeutsche ausgeklammert, dar-
Nebenkarten                                    stellt. Es ist dabei hinsichtlich der regio-
   Für einen Teil der Hauptkarten wird         nalen Prägung mit folgender Staffelung zu
der SpARh Nebenkarten anbieten. Sie            rechnen (D: Dialekt; R: Regiolekt):
dienen der Kontrastierung, wobei entwe-            D – R 65+ – R 45-64 – R 25-44 – R 16-24
der regiolektale oder dialektale Fragebo-
gen zugrundeliegen. Da sich, wie in einer      Regionalsprachforschung 2016
früheren Veröffentlichung gezeigt werden          Regionalsprachforschung      hat   in
konnte (Cornelissen 2008), der Regiolekt       Deutschland derzeit Konjunktur. Das For-

18                                                                         Alltag im Rheinland 2016
NEU IM ILR

schungszentrum Deutscher Sprachatlas in               born und Siegen. Das Projekt bezieht, auch
Marburg führt im Augenblick sein großes,              wenn im Titel der „Dialekt“ hervorgehoben
von der Akademie der Wissenschaften und               wird, doch alle Ebenen regionalen Spre-
der Literatur (Mainz) gefördertes Lang-               chens zentral mit ein.
zeitprojekt „Regionalsprache.de (REDE)“
durch. Eine theoretische Fundierung der                   Der Sprachatlas Rheinland, dessen
modernen Regionalsprachforschung liegt                Planung einige Jahre zurückreicht, konnte
seit drei Jahren mit dem Werk „Sprachdy-              2014 dank der tatkräftigen Unterstützung
namik“ vor (Schmidt/Herrgen 2013). Das                durch die kartografischen Mitarbeiterin-
Verbundprojekt „Sprachvariation in Nord-              nen im ILR (Esther Weiß, Martina Schaper)
deutschland“ (SiN), von 2008 bis 2012 von             Fahrt aufnehmen. Das Jahr 2016 markiert
der Deutschen Forschungsgemeinschaft                  einen weitereren Meilenstein in der Pro-
gefördert, hat mit der Publikation seiner             jektgeschichte, da derzeit ein weiterer
Ergebnisse begonnen (s. S. 80 in dieser               Mitarbeiter (Tim Könenberg) die Arbeiten
Ausgabe). In diesem Jahr (2016) wurde in              unterstützt. Zwischen Platt und „Tages-
NRW das Sprachatlasprojekt „Dialektatlas              schau“ – wie die Rheinländer und Rhein-
Mittleres Westdeutschland“ gestartet, ge-             länderinnen den weiten und variantenrei-
fördert von der Nordrhein-Westfälischen               chen Sprachraum „dazwischen“ ausfüllen,
Akademie der Wissenschaften und der                   werden wir nach dem Abschluss des Pro-
Künste; beteiligt an diesem für den Zeit-             jekts sicherlich ein bisschen (bissken, biss-
raum 2016–2032 ausgelegten Projekt sind               jen) besser wissen.
die Universitäten Bonn, Münster, Pader-

Literatur
Atlas zur deutschen Alltagssprache (AdA) (2001ff.).   Eichhoff, Jürgen (1977–2000). Wortatlas der deut-
    Von Stephan Elspaß/Robert Möller. http://             schen Umgangssprachen. Band 1–4. Bern/
    www.atlas-alltagssprache.de/ (18.5.2016).             München.

Cornelissen, Georg (2008): Areale Strukturen          Honnen, Peter (2012): Kappes, Knies & Klüngel.
   und generationenabhängige Varianz auf Re-             Regionalwörterbuch des Rheinlands. 7. Aufl.
   giolektkarten des Rheinlands. In: Elspaß,             Köln.
   Stephan/König, Werner (Hrsg.): Sprachge-
   ographie digital. Die neue Generation der          Regionalsprache.de (REDE) (2008ff.). Von Jürgen
   Sprachatlanten (mit 80 Karten). (Germani-             Erich Schmidt/Joachim Herrgen/Roland Keh-
   stische Linguistik, 190–191). Hildesheim/Zü-          rein. https://regionalsprache.de (8.6.2016).
   rich/New York, S. 53–72.
                                                      Schmidt, Jürgen Erich/Herrgen, Joachim (2013):
Das Anna und ihr Hund. Weiblich Rufnamen                 Sprachdynamik. Eine Einführung in die mo-
   im Neutrum. Von Damaris Nübling/Helen                 derne Regionalsprachenforschung. (Grundla-
   Christen/Peter Gilles. http://www.namen-              gen der Germanistik, 49). Berlin.
   forschung.net/weibliche-rufnamen-im-neu-
   trum/projektvorstellung (8.6.2016).

Alltag im Rheinland 2016                                                                            19
ERINNERUNGSORTE

„Eigentlich soll sich nichts ändern hier“
– ein Erinnerungsort im ländlichen Raum

                                                                      von Dagmar Hänel

     Gebäude, Garten, Landschaft: Haus Esselt   standen die Menschen, die dort einen All-
     in Hünxe                                   tag im Umbruch gestalten: Die 90-jährige
                                                Eva Pankok und eine Reihe von Freunden

„E      igentlich soll sich nichts ändern
        hier“ – dieser Satz oder ganz ähn-
lich gemeinte Bemerkungen fielen häufig
                                                und Wegbegleitern, die sich vor allem eh-
                                                renamtlich für den Erhalt des Werks und
                                                das Museum engagieren. Schnell wurde
im Sommer 2015, während der Dreharbei-          deutlich, dass für alle Protagonisten der
ten zu einem Filmprojekt am Niederrhein,        Ort in seiner besonderen Gestaltung und
in der Nähe von Drevenack, Gemeinde             mit einer „Ausstrahlung“ von zentraler
Hünxe. Gedreht wurde ein Dokumentar-            Bedeutung ist: Dieser Ort ist vielschichtig
film über Haus Esselt und das dort ange-        und vielgestaltig: Ein altes Herrenhaus,
siedelte Pankok Museum. Im Mittelpunkt          dessen Innenausstattung einen ländlich-

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ERINNERUNGSORTE

bäuerlichen Charakter mit einer hetero-       Eva Pankok, die Tochter, lebte in Haus Es-
genen Kunstsammlung verbindet, eine           selt und war die wohl wichtigste Verwal-
umgenutzte Scheune, ein parkähnlicher         terin dieses Erbes. Sie sollte und wollte
Garten, das alles platziert im „Draußen“,     Auskunft geben zur Lebensgeschichte
der von Ackerbau und Wald geprägten           ihrer Eltern, zum Werk ihres Vaters und
Kulturlandschaft des Niederrheins.            zu ihren Erinnerungen über den Alltag
                                              ihrer Familie. Geboren 1925 war Eva Pan-
    Während der Film vor allem die Men-       kok eine noch lebende Zeitzeugin, die ihre
schen zu Wort kommen lässt und der um-        persönlichen Erinnerungen in die große
gebende Raum als eine Art „heimlicher         Geschichte des 20. Jahrhunderts erzäh-
Hauptdarsteller“ das Setting bildet, durch    lend einbetten konnte. Diese Interviews
Raumeindrücke Stimmungen vermittelt,          sollten als biographisches Archivmaterial
Aussagen verstärkt oder kontrastiert, soll    dienen und einen persönlichen Blick auf
im folgenden der Ort als besonderer Raum      Kunstwerke und Stationen eines Familien-
in den Blick genommen werden.1 Er wird        lebens dokumentieren. Sie waren gedacht
vorgestellt über die Wahrnehmungen der        als Ausgangsmaterial für etwas andere
Menschen, die sich dort aufhalten und die     Ausstellungsmedien: Kurzfilme, die in die
ihn für sich aneignen und nutzen. In seiner   neue Ausstellung eingebaut werden soll-
Bedeutung lässt er sich als kreativer Ort,    ten, um in medialer Form sowohl über ein-
Vermittlungsort und natürlich Alltagsort      zelne Werke der Pankoks ebenso wie über
lesen. Als symbolischer Ort wird er zu ei-    ihre Biographie zu informieren. Soweit der
nem Erinnerungsort und zur Heimat.            Plan.

Zum Projekt                                       Dieser erste Besuch in Haus Esselt
    Zunächst ging es nur um ein Interview,    erbrachte vielfältige Eindrücke von einem
ein mit der Kamera aufgezeichnetes Ge-        besonderen Ort, einer sozialen Dynamik
spräch mit Eva Pankok. Das war die An-        und Kommunikation, einem Bemühen um
frage aus dem LVR-Fachbereich Kultur,         ein Erbe, alles in einem Veränderungspro-
wo im Rahmen der Museumsförderung             zess befindlich. Spürbar war ein Bedürf-
die Neukonzeption und Umgestaltung des        nis nach Tradierung, nach Festhalten und
Pankok-Museums Haus Esselt in Dre-            Sicherheit, gepaart mit einer Aufbruchs-
venack begleitet wurde. Ein Schwerpunkt       stimmung, einem Veränderungs- und Ge-
dieser Begleitung lag auf der Sicherung       staltungswillen. Hier lief gerade ein kultur-
und Dokumentation des künstlerischen          wissenschaftlich hochspannender Prozess
und kulturellen Erbes von Otto und Hulda      ab: Die Aushandlung von kulturellem Erbe
Pankok. Ein Künstler und eine Journalis-      in räumlichen, sozialen, materiellen und
tin, die ein umfangreiches Werk hinterlas-    symbolischen Konfigurationen. Was so ab-
sen haben, das weit über Bilder, Skulptu-     strakt klingt, wird in der Forschung über-
ren, Druckplatten und Bücher hinausgeht.      wiegend anhand historischer oder zumin-

Alltag im Rheinland 2016                                                                 21
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dest halbwegs abgeschlossener Beispiele       lebnisort beschrieben, war in allen Inter-
untersucht: Wie wird ein lokales Fest wie     views hochgradig emotional aufgeladen.
der Karneval in Binche zum immateriellen
Kulturgut, wie funktionieren die Diskurse     Kultur und Raum – eine kurze theore­
um eine kollektive Selbstdarstellung im       tische Anmerkung
Kontext der Bewerbung als „Europäische            Raum ist neben Zeit und sozialer Kon-
Kulturhauptstadt“?2                           figuration eine der Grundkategorien von
                                              Kultur. „Landeskunde“ bezieht sich stets
    Nur selten ergibt sich die Gelegenheit,   auf einen bestimmten Raum, wobei Pro-
diese Diskurse quasi „life“ zu beobachten:    zesse von Adaption (kultur-)räumlicher
Was soll aus welchem Grund wie tradiert       Gegebenheiten und der Konstruktion und
werden? Welche Geschichte wird erzählt?       Verbreitung dieser als „Region“ oft stereo-
In welchen Formen und Materialitäten          typ zusammengefassten Größe ambivalent
wird kulturelles Erbe eingeschrieben?         und kritisch zu betrachten sind. Gerade in
Wie sind Menschen in ihrem subjektiven        der älteren Forschung zeigt sich ein Kon-
Empfinden an diesem Prozess beteiligt,        zept von Räumen als Container, „die wie
was bedeuten ihnen die Veränderungen?         Behälter kulturelle Erscheinungen um-
Wie verändert sich der Alltag an diesem       mantelten und aufbewahrten.“3 Auch die
Ort, an dem sich „eigentlich nichts ändern    Disziplin Volkskunde hat im Kontext der
soll“? Diesen Fragen wurde in dem ent-        „Kulturraumforschung“ nach regionalen
standenen Film „Eigentlich soll sich nichts   Spezifika gesucht, diese in Karten visuell
ändern hier“ – Haus Esselt, die Menschen,     verortet und damit Grenzen und Räume
die Kunst und die Zeit nachgegangen (sie-     von Kultur(en) definiert. Obwohl gerade
he hierzu auch S. 88). Eine besondere Note    das große Kartierungsprojekt „Atlas der
erhält der Film dadurch, dass er tatsäch-     deutschen Volkskunde“ in seiner Liebe
lich zum letzten audiovisuellen Dokument      zum alltagskulturellen Detail auch als
Eva Pankoks wurde: Kurz nach dem letz-        Ausdruck des Scheiterns dieses Ansat-
ten Drehtag in Haus Esselt ist Eva Pankok     zes gelesen werden kann: Vor allem in
im Februar 2016 gestorben.                    der vergleichenden Gesamtschau lassen
                                              sich aus dem Atlasmaterial kaum ein-
    Eine    weitergehende     Betrachtung     deutige Kulturräume oder klare Grenzzie-
nimmt nun das Thema Raum in den Blick:        hungen zwischen Regionen und Nationen
Welche Bedeutung kommt dieser kulturel-       festmachen. Trotzdem bleibt er bis heute
len Grundkategorie in diesem Prozess zu?      in der Kritik, galt in der Zeit nach dem 2.
Welche Aneignungen und Aushandlungen,         Weltkrieg die Kulturraumforschung als
Dinge und Symbole, materielle wie imma-       ns-ideologisch. Polemische Schlagworte
terielle Aspekte spielen eine Rolle? Denn     vom „Volk ohne Raum“ und dem „Lebens-
der Ort wurde von allen Gesprächspart-        raum im Osten“ sowie der rassische Na-
nern als besonderer Erfahrungs- und Er-       tionalismus des NS-Systems griffen das

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deutlich ältere wissenschaftliche Konzept
des „Kulturraums“ gerne für ihre politi-
schen Instrumentalisierungen auf. Seit
den 1980er Jahren ist eine Neuperspek-
tivierung der Kategorie Raum in den Kul-
tur- und Geisteswissenschaften feststell-
bar.4 Das Ende des „Kalten Krieges“ mit
dem Verschwimmen tradierter Grenzen
(symbolischer wie nationaler) und der nun
neu verfügbare virtuelle Raum weckte ein         Haus Esselt, Eingang mit Wappenschild
neues kulturwissenschaftliches Interesse
an räumlichen Ordnungen. Der „spatial          einem konkreten Beispiel den Bedeutun-
turn“ versteht Raum als soziale Größe, die     gen von räumlichen Ordnungen für kultu-
sowohl Produkt sozialer Prozesse ist als       relle Bezüge nachzuvollziehen.
auch auf menschliches Handeln wirkt.5
Räume entstehen dabei im alltäglichen          Menschen machen Räume –
Handeln, werden im Alltag ausgehandelt,        Zur Herstellung von Räumen
gestaltet und angeeignet. Die Soziologin       am Ort „Haus Esselt“
Martina Löw identifiziert hierbei zwei Stra-       Haus Esselt stammt aus dem 17. Jahr-
tegien, das Spacing, mit dem Personen          hundert und ist eine typische Grachten­
und Dinge spezifisch arrangiert werden         hofanlage, wie sie in der Region charak-
und die Synthese, die räumliche Settings       teristisch als repräsentativer Wohnsitz der
in Wahrnehmung und Vorstellung zusam-          Oberschicht war. Barocke Architekturele-
menfasst und ordnet. Studien zu institu-       mente wie das Eingangsportal mit Sand-
tionellen Räumen wie Pierre Bourdieus          stein und der Wappenschild über dem
„Geburt der Klinik“ und Erving Goffmans        Portal verweisen auf seinen Status. Innen
„Asyle“, zu symbolischen Raumordnungen         erinnert das Haus eher an ein Bauern-
wie Michel Foucaults „Heterotope“ und          haus: ein offener Steinboden in Flur und
Marc Augés „Nicht-Orte“ sind inzwischen        Küche, in der Stube Holzdielen, ein Ka-
zu Klassikern avanciert und zeigen den         min, ein offenes Herdfeuer in der Küche.
Wert dieser Perspektiven für kulturanaly-      Gestaltet und ergänzt ist die niederrhei-
tische Forschungen.                            nisch-bäuerliche Einrichtung durch Kunst
                                               des 20. Jahrhunderts und Sammlungen
    Der Blick auf einen Ort wie Haus Es-       historischer Kunst und Kunsthandwerk
selt, das ich als ein komplexes Raumge-        sowie durch umfangreiche Buchbestände.
bilde mit Grenzen und Binnenstrukturen         Nicht nur Zeichnungen, Drucke und Bilder
wie Innen und Außen, Haus und Museum,          von Otto und Eva Pankok hängen an den
Arbeits- und Freizeitort verstehe, soll von    Wänden, auch Kunstwerke befreundeter
dieser Perspektive geleitet werden, um an      Künstlerinnen und Künstler. Im so ge-

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nannten Biedermeierzimmer findet sich             damit sie es hörte: ‚Ist gekauft!‘, Ja, und
eine Sammlung religiöser Kunst: eine höl-         dann schrie meine Mutter zurück: ‚Du bist
zerne Stifterfigur, Votivtafeln und Ikonen.       verrückt, wir haben es doch noch nie gese-
Diese Mischung, die durch die Familie             hen!‘ ‚Doch, da habe ich 1926 gemalt. Das
Pankok in dieser Form entstand, schafft           ist so schön, das können wir unbesehen
eine besondere Atmosphäre.                        kaufen‘.“

    Die Familie erwarb Haus Esselt 1958.              In dieser Erzählung wird deutlich, dass
Otto Pankok gab seine Professur aus Al-           Eva Pankok die Bedeutung des Hauses
tersgründen auf, die Familie wollte ge-           über die Erinnerung des Vaters, der es in
meinsam aufs Land ziehen. Nach erfolglo-          seiner Jugend gemalt hat, definiert. Die
ser Suche an der Schlei erinnert sich Eva         Familie zieht aus der Großstadt Düssel-
Pankok lebhaft an die Szene, wie ihnen            dorf an den Niederrhein. Die Betonung des
Haus Esselt angeboten wurde: „Das Te-             einfachen Lebens und eine Nähe zur Na-
lefon war auf dem Flur, also etwas weiter         tur zeigt sich einerseits im Alltag, der mit
weg und darum schrie meine Mutter laut:           Hunden, Katzen und Hühnern sowie einem
‚Da ist Eva Brinckmann‘, Bildhauerin aus          Nutz- und Ziergarten einen bäuerlichen
Wesel, eine Jugendfreundin von ihr. Und           Charakter erhält. Der Garten wird durch
die sagt, da gibt es ein altes Herrenhaus,        zahlreiche Bäume parkähnlich gestaltet,
Haus Esselt, das könnten wir vielleicht           wobei auch Kunstwerke harmonisch ein-
erwerben. Und mein Vater schrie zurück,           gefügt werden. Frau M., die in den ersten

     Blick in das so genannte Biedermeierzimmer

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   Haus Esselt, Kohlezeichnung von Otto Pankok, 1926 (Ausschnitt)

Jahren als Hausmädchen bei Familie Pan-          überliegende Raum als „Biedermeierzim-
kok arbeitete, beschreibt den Alltag als         mer“ als deutlich bürgerlich ausgestat-
ruhig: „Es war ein sehr stilles Haus. Hulda      teter Essraum wirkt. Der zentrale Tisch
ging nach dem Frühstück in ihr Büro und          hier ist aus poliertem Holz und deutlich
schrieb, Otto ging in sein Druckzimmer“,         filigraner gearbeitet als der Küchentisch;
oder er zeichnete, wobei die direkte Um-         als Sitzmöbel wirkt ein passendes Sofa
gebung sein zentrales Motiv wird.                mit geschwungenen Lehnen und elegant
                                                 hell-gestreiftem Bezug als Blickfang des
    Im Haus sind die Räume in ihrem Cha-         Raums. Ein weiterer Raum ist als Aufent-
rakter als eher bürgerlich bzw. eher bäu-        haltsraum gestaltet, wobei der Charak-
erlich abgestuft: Die Küche ist der Raum         ter dieses „blauen Zimmers“ wiederum
mit dem stärksten „Bauernhausambien-             deutlich bäuerlicher wirkt. Die Wände
te“. Die Möbel sind einfach und pragma-          sind hier hellblau gekälkt, eine typisch
tisch, bis heute ist auch die Küchentechnik      ländliche Technik, die von Familie Pankok
sehr einfach gehalten. Zentraler Ort ist ein     aufgegriffen wurde. Mit Holztisch, großen
langer Holztisch unter dem ehemaligen            Holzstühlen, einer Truhe und einem Ses-
Kaminabzug, mit Holzbank und großen              sel wird eine regionale Möblierung aufge-
Holzstühlen, in denen bunte Kissen liegen.       griffen, vor allem die Truhe gilt als typisch
Hier ist sozusagen der einfache, bäuerlich       niederrheinisches Möbelstück. Auch der
anmutende Essplatz mit kommunikativem            Garten wird als heterogener Ort gestal-
Charakter inszeniert, während der gegen-         tet: Rund um das Haus legt Otto Pankok

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eine dem englischen Landschaftsgarten        den Erinnerungen an die bürgerliche Her-
nachempfundenen Anlage an, die in einen      kunft von Otto und Hulda Pankok, einer
Waldbereich übergeht. Nah am Haus ist        auch romantisch assoziierten Naturnähe
ein ebenfalls an historisierenden Vorbil-    und der Sehnsucht nach einem einfachen
dern angelehnter Bauerngarten mit Nutz-      Leben verstehen. Die klare Ordnung von
pflanzen (Obst und Gemüse kombiniert         innen und außen (Haus Esselt liegt abge-
mit typischen Bauerngartenpflanzen wie       schieden und ist nur durch einen verwin-
Rosen, Hortensien und Buchsbaumhecke)        kelten Eingang zu betreten) verstärkt die
angelegt (wobei schon seit einigen Jah-      Wirkung eines abgeschlossenen Ortes, an
ren kein Gemüse mehr angepflanzt wird).      dem die Zeit stillzustehen scheint. Dieser
Dieser Bauerngarten ist mit Bezug zum        Eindruck wird bestätigt: „Hier steht fast al-
barocken Eingangsbereich und dem die         les noch so, wie Otto und Hulda das einge-
ehemalige Gräfte markierenden Baumbe-        richtet haben“ erzählte bei einem ersten
stand konzipiert und leitet als Blickachse   Rundgang Frau D.
den Blick des Betrachters in die umge-
bende offene Landschaft. Haus und Garten     Raumaneignungen: Kreativer Raum,
wurden von der Familie Pankok nach be-       Vermittlungsraum, Kommunikations­
stimmten Kriterien gestaltet. Dabei wer-     raum und Erinnerungsort
den Kunst (eigene und die von Freunden           1926 malte Otto Pankok bei einer Rei-
und Weggefährten) und Repräsentationen       se an den Niederrhein Haus Esselt. Eva
eines bürgerlichen („Biedermeiermöbel“)      Pankok erzählt, dass er an einem heißen
wie intellektuell-akademischen Lebens        Sommertag hier vorbeikam und von einer
(Bibliothek) mit einer als „bäuerlich-nie-   Bewohnerin ein Glas Milch erhielt. Die da-
derrheinisch“ empfundene Ausstattung         mals entstandene Kohlezeichnung (S. Abb.
kombiniert. Es lassen sich die konkreten     4) zeigt Haus Esselt in seiner relativ qua-
Ausformungen als Ausdruck romanti-           dratischen Struktur, deutlich erkennbar
scher Vorstellungen (bäuerliches Leben),     ist der charakteristische Stein und die re-
                                             duzierte Form. Das Haus schmiegt sich in
                                             die umgebende Landschaft, zu sehen sind
                                             nur wenige Bäume, es dominiert eine Wie-
                                             sen- und Feldlandschaft unter bewegtem
                                             Himmel.

                                                 Nachdem Otto 1958 nach Haus Esselt
                                             zurückkehrt, werden Elemente dieses Or-
                                             tes in seinem künstlerischen Werk auf-
                                             gegriffen: vor allem die Mitbewohner des
                                             Hauses gehören zu seinen Lieblingsmo-
     Bronzestatue im Garten                  dellen: Hahn und Hühner, Hunde, Katzen

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HEIMAT

aber auch seine Frau und seine Tochter.       terlichen Erbes: Geboren 1925 erlebte Eva
Nach dem Tod Otto Pankoks 1966 begin-         Pankok fast das gesamte 20. Jahrhundert
nen Hulda und Eva mit dem Aufbau des          und konnte noch hochaltrig reflektiert ihre
Museums. Am Ort des Familienlebens, in        eigenen Erfahrungen mit historischen Er-
der Scheune von Haus Esselt, sollen die       eignissen und Prozessen verbinden. Diese
Werke erhalten und gezeigt werden. Das        Erzählungen präsentierte sie gerne den
Museum ist ein privates Familienmuseum,       Besuchern des Museums.
nach dem Tod Huldas 1985 übernimmt
Tochter Eva die Leitung, die sie nach ihrem       Das Museum als Ort mit seinen Po-
Unfall 2006 Stück für Stück an die Otto-      tentialen nutzen auch andere Akteure:
Pankok-Stiftung übergibt. Für Eva Pankok      Die Sammlung von Kohlezeichnungen und
war das Museum in erster Linie Erhalt des     Grafiken wird neu geordnet, sortiert, kate-
Erbes ihres Vaters, seine Kunst stand für     gorisiert. Hier schreiben sich spezifische
sie stets im Mittelpunkt. Während eines       Ordnungsmuster ein, die wiederum be-
Interviews erzählt sie amüsiert, dass an-     stimmte Aspekte eines Wertekanons, der
lässlich ihres Geburtstages eine Ausstel-     sich auf Otto Pankok beruft, repräsentie-
lung mit ihren Bildern zu sehen ist – „aber   ren. In dieser Ordnung sind beispielsweise
bald hängt hier wieder nur mein Vater.“       die so genannten Zigeunerbilder und der
Diese Bemerkung zeigt, dass sie das Pan-      Zyklus „Die Passion“ besonders herausge-
kok Museum als exklusiven Ort für die         hoben, an ihnen zeigen sich die Humanität
Kunst ihres Vaters definiert. Ihre eigenen    Pankoks und seine Widerständigkeit zum
Bilder empfindet sie als zu Gast bei beson-   Nationalsozialismus in besonderer Weise.
derem Anlass. Damit erzählen die Ausstel-     Diese Aspekte sind es wiederum, die als
lungen und der Ort immer auch ein Stück       prägend für den gesamten Ort definiert
weit die Geschichte Otto Pankoks aus der      werden: Im Kontext der Neuorientierung
Perspektive seiner Tochter.                   als Kulturort im ländlichen Raum soll die
                                              politisch-philosophische Ebene von Hu-
    Auch Haus und Garten dienen der Er-       manität, Interkulturalität, Integration und
innerung an die Eltern von Eva Pankok.        Verantwortung für zukünftige Besucher
Ausstattung und Charakter des Hauses          erfahrbar werden, auch in der Gestaltung
bleiben möglichst unverändert, der Alltag     als offener und gastfreundlicher Ort.
ebenso. Für Museumsbesucher erschließt
sich der Ort als Erinnerungsort an die Fa-        Eva Pankok war an diesem Prozess der
milie Pankok. Eva Pankok als Museums-         Neukonzeption aktiv unterstützend betei-
leiterin, Kuratorin und lebende Zeitzeugin    ligt. Mit ihrem Tod im Februar 2016 wird
war leidenschaftliche Erzählerin der Ge-      Haus Esselt auch zu einem Erinnerungs-
schichte ihrer Eltern. Dabei kombinierte      ort an sie: zum einen als eigenständige
sie ihre Erfahrungen als Zeitzeugin mit       Künstlerin, deren Werk im Museum einen
ihrer Perspektive der Verwalterin des el-     festen Platz bekommen soll. Damit wird

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