Die letzte SIEGESSÄULE? - YOUR - WE ARE QUEER BERLIN
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SIEGESSAULE WE ARE QUEER BERLIN MAI 2020 • SIEGESSAEULE.DE Die letzte SIEGESSÄULE? R L E O U ÄU Y SS S G E ED ! I E NE OU BERLINS MEISTGELESENES STADTMAGAZIN S IN ENGLISH EXPANDED CONTENT Y
INHALT 3 Es geht um viel ... Die Lage ist ernst – Chefredakteur Jan Noll zur Situation der SIEGESSÄULE in der Corona-Krise Ist dieses Heft die letzte SIEGESSÄULE? Vielleicht. Was What’s at stake ... auf dem Cover dieser Ausgabe angedroht ist, liegt durch die Corona-Krise im Bereich des Möglichen. Als ein journalistisch unabhängiges Heft, das sich durch Editor-in-Chief Jan Noll on the grave situation of the Anzeigen finanziert, leben wir von der Werbung, die SIEGESSÄULE due to the corona crisis Kulturevents, Clubs, Bars, Theater und andere bei uns schalten. Schließungen und Absagen stürzen nicht nur Is this the last issue of the SIEGESSÄULE? Possibly. die Betreiber*innen selbst, sondern auch uns in eine Due to the corona crisis, the threat portrayed on this tiefe finanzielle Krise. Ohne Anzeigengeschäft keine issue’s cover is real. As an independent news maga- Einnahmen. Deshalb brauchen wir jetzt eure Hilfe! zine financed by advertising, we rely on ads from cul- Die Lage der SIEGESSÄULE geht uns alle an. Es geht tural events, clubs, bars, theaters and others. Closures dabei nicht nur um die – durchaus berechtigten – wirt- and cancellations have plunged all of us into a deep schaftlichen Interessen eines Verlages und um etliche financial crisis. That’s why we need your help now! Arbeitsplätze. Es geht hier um nicht weniger als die Ret- The crisis of the SIEGESSÄULE extends beyond the tung des 1984 aus der Schwulenbewegung heraus ge- economic interests of one company and the many schaffenen journalistischen Erbes jobs that depend on it. It’s about der Berliner Community. Um Lasst uns alles tun saving the journalistic heritage of ... um dieses Erbe zu wahren FOTO: MARCUS WITTE die Bewahrung einer a queer Berlin institution, which Institution, eines mitt- Let’s do all we can was born in 1984 from the gay emancipa- lerweile fast 40 Jahre ... to safeguard the legacy of queer Berlin tion movement. For nearly 40 years, this währenden Stücks Ber- institution has chronicled Berlin’s LGBTI* „Those were the days history. Let’s do everything we can to preserve and liner LGBTI*-Geschichte. Lasst uns alles dafür tun, um my friend/We thought protect this legacy. In the words of Wolfgang Tillmans dieses Erbe zu wahren und zu schützen. Denn wie sagt they‘d never end“ from our interview on page 6: “What’s gone today isn’t Wolfgang Tillmans im Interview auf Seite 6 so treffend? (Gene Raskin) back by tomorrow.” „Was einmal weg ist, ist eben nicht morgen wieder da.“ Unter dem Claim „Your SIEGESSÄULE Needs You!“ haben Your donations help maintain the SIEGESSÄULE, and Viel Spaß mit der our fundraising campaign “Your SIEGESSÄULE Needs wir eine Spendenaktion gestartet und erhalten dan- Maiausgabe You!” is described more fully in these pages. Thank kenswerterweise bereits viel Unterstützung. Infos zur der SIEGESSÄULE you for your continued support. Kampagne findet ihr auf den folgenden Seiten. Helft wünscht Please donate! uns, die SIEGESSÄULE am Leben zu erhalten. Chefredakteur Translation: Joe von Hutch Bitte spendet! Jan Noll Special Media SDL GmbH SIEGESSÄULE Ritterstr. 3 10969 Berlin Themen Kultur Service Redaktion, Tel.: 23 55 39-0 4 YOUR SIEGESSÄULE 28 MUSIK 42 PROGRAMMINFO redaktion@siegessaeule.de NEEDS YOU! Neues Album: Austra im Interview Wegen des Shutdowns erschei- SIEGESSÄULE.DE Die Spendenkampagne zur Rettung der nen wir in diesem Monat ohne Redaktionsschluss: 04.05. SIEGESSÄULE 30 BÜHNE Programmteil, Infos zu Livestre- Programmtermine: -33, -46 Das „BKA Theater Hauptstadtstudio“ ams auf SIEGESSÄULE.DE termine@siegessaeule.de 12 COMMUNITY Terminschluss: 06.05. Zur Situation von queeren Menschen mit 32 BUCH 43 KLEINANZEIGEN Fluchthintergrund in Zeiten von Corona Kultursenator Klaus Lederer über Anzeigen: -13 Jens Biskys „Berlin“ 50 DAS LETZTE anzeigen@siegessaeule.de Anzeigenschluss: 13.05. 14 STADT Kolumne von FaulenzA Massenkündigung am Vivantes 36 FILM Kleinanzeigen Auguste-Viktoria-Klinikum Neu auf DVD: Die kontroverse Doku 50 IMPRESSUM kleinanzeigen@siegessaeule.de „Lord of the Toys” Kleinanzeigenschluss: 10.05. 20 BRANDENBURG Das Antidiskriminierungs-Seminarhaus Abonnement: -55 Quecke in Falkenberg abo@siegessaeule.de SIEGESSÄULE 06/2020 38 ENGLISH erscheint am 29.05. Interview with Perfume Genius
4 YOUR SIEGESSÄULE NEEDS YOU! Bitte, bleibt da!! I need Siegessäule, FCK CORONA with love und Solidarität Haltet durch! Ihr seid ein Teil des queeren Berlins und leistet tolle journalistische Arbeit! Nutzt aber auch die staatlichen Hilfsprogramme. Love you, stay safe + positive Rettet die Unsere SIEGESSÄULE ist ein in Europa einzigar- SIEGESSÄULE tiges Medium und Kulturgut, das für viele queere Berliner*innen auch ein ganz persönliches Stück ihrer eigenen Emanzipationsgeschichte Spenden via Pay- Auch uns haben die Auswirkungen der Coro- darstellt. Wir vertreten die queeren Belange na-Krise hart getroffen. Denn die SIEGESSÄULE Berlins, die sonst wenig sichtbar sind, und wol- Pal unter Betreff len dies auch weiterhin tun. lebt zum größten Teil von den Werbeanzeigen im Heft – und nur zu einem sehr viel geringeren Seit 1984 gehört das Magazin zur Berliner Com- „Support SIEGES- Teil von Online-Anzeigen. Diese Werbung für munity, seit Mitte der 90er Jahre ist es jeden Monat kostenlos überall in der Stadt erhältlich. SÄULE“, einfach Veranstaltungen, Kultur, Gastronomie und Han- del ist wegen der Absagen und Schließungen Die SIEGESSÄULE ist ein journalistisch unab- QR-Code scannen: verständlicherweise massiv geschrumpft. Zwar hängiges, aber allein durch Anzeigen finan- sind uns trotz Krise etliche treue Anzeigen- ziertes Heft mit einer monatlichen Druckauflage kund*innen erhalten geblieben, wie in diesem von regulär mindestens 50.000 Heften pro Monat Heft zu sehen ist, dennoch: weit über die Hälfte und einer Reichweite von geschätzt 100.000 unserer üblichen Einnahmen fehlt. Damit sind Leser*innen. die SIEGESSÄULE und der dahinter stehende Verlag in einer bedrohlichen finanziellen Lage. So könnt ihr uns unterstützen und die SIEGESSÄULE retten: Um die SIEGESSÄULE zu erhalten, seid ihr, die Leser*innen und Menschen der LGBTI*-Com- Direkt per Überweisung auf unser Konto: Special Media SDL GmbH, munity, gefragt! Betreff „Support SIEGESSÄULE”, Unser Gedankenspiel: Wenn alle schätzungs- IBAN Nummer: DE22 1005 0000 0190 0947 29 weise 100.000 SIEGESSÄULE-Leser*innen in Berlin ausnahmsweise dazu bereit wären, Über PayPal (siehe QR-Code) 1,50 Euro zu bezahlen, könnten wir die Um- satzeinbrüche vermutlich auffangen. Mit dem Auf der Spenden-Plattform Startnext: Spendenziel von 150.000 Euro sowie anderen https://www.startnext.com/your-siegessaeu- Maßnahmen (Kurzarbeit, Förderungen) hoffen le-needs-you (inklusive Kunst-Aktion von wir, Berlins queeres Magazin am Leben halten Wolfgang Tillmans u. a.) zu können.
YOUR SIEGESSÄULE NEEDS YOU! 5 Seit dem 9. April läuft die Spendenkampagne. Viele Leser*innen haben per PayPal gespendet und Liebesbotschaften mitgeschickt. Die schönsten und motivierendsten haben wir hier ausgewählt. Danke – wir lieben euch auch! Danke für eure Arbeit. Ich hoffe, es reicht und Ist nur eine kleine Hilfe, Durchhalten! viele machen mit ... aber kommt vom Herzen! Danke Euch und bleibt gesund! Alles Gute Vielen Dank für eure Spende für die Siegessäule, damit ihr auch weiterhin uns für euch! Arbeit und alles Gute erhalten bleibt. Vielen lieben Dank für die wert- Ihr lieben guten Wortakrobaten, ich hoffe, volle und qualitative Arbeit, die die Knete kommt zusammen und ich kann ihr leistet. Ihr seid wichtig für die noch viele, viele Heftchen aufsammeln und Community. Es ist schön, dass es Haltet durch, darin lesen, wenn ich allein in einer Kneipe sitze – was soll ich sonst ohne euch tun? euch gibt, und ich hoffe von gan- ihr seid toll! Ich hoffe, meine Spende hilft euch . . . zem Herzen, dass ihr diese Krise überleben werdet. Ich sende viel Danke für all die schönen Interviews und Liebe und Courage aus Luxemburg. die Inspiration im Magazin und vor allem Bleibt den Zwang, auch über meinen Tellerrand tapfer! zu schauen, wenn ich in der Siegessäule stöber! Merci Fight, Liebes Siegessäule-Team. Bitte durchhalten, wir Queenz! Liebe! schaffen es gemeinsam durch die Krise. Ihr leistet Auf die Vielfalt großartige und wichtige Alles Liebe und eine Arbeit! Schön, Ihr müsst bleiben kl. Unterstützung dass es EUCH gibt! Wir schaffen Never gonna stop, give Damit es euch das gemeinsam! it up, such a dirty mind I Bleibt noch lange gibt always get it up, for the touch of the younger kind stark! Danke für alles – die Infos, My, my, my, aye-aye, whoa! M-m-m-my Corona! Toi, toi, toi, dass Ihr gut Beiträge und euer durch die Krise kommt. Engagement über all Die Siegessäule muss die Jahre! Ich bin Fan. bleiben. Sie ist eine Ihr habt mich jahrelang Institution in Berlin. kostenfrei begleitet und Danke, dass eine kleine Spende ist Stay es euch gibt!!! das Mindeste ... :-) strong!
6 YOUR SIEGESSÄULE NEEDS YOU! Foto: deiner Kunst und der Kunst von ande- Wolfgang Tillmans in ren, die du quasi zusammengetragen seinem Berliner Atelier hast, zu unterstützen. Wie kam es zu dieser Entscheidung? Als die Coro- na-Krise begann, war mir schnell klar, dass ich mich da selber auch engagieren möch- te. Einerseits mit meiner Stiftung Between Bridges und auch privat. So wie ich mich auch in den letzten Jahren engagiert habe und gespendet habe. Ich empfinde das als meine Pflicht. Viele können jetzt kein Geld ausgeben. Aber die, die können, sollten das unbedingt tun. Das hilft, viele Sachen am Laufen zu halten. Dann kam ich auf die Idee, die im Kunstbetrieb oft praktizierte Fundraising-Idee einer limitierten Edition zu erweitern auf eine größere Posteraktion mit ganz vielen verschiedenen Künst- ler*innen. So entstand „2020Solidarity“. Das Projekt stellt diese Kunstposter Organisa- tionen, die in Not sind, für ihre Crowdfun- dings zur Verfügung. Das hatte sich alles innerhalb von einer Woche entwickelt. Und jetzt haben wir beides bei euch auf der Seite: Ein paar limitierte teurere Arbei- FOTO: MARCUS WITTE ten und die ersten Poster von der Aktion „2020Solidarity“, die dann hoffentlich von ganz vielen für ihre Fundings genutzt wer- den können. Wie hast du denn von der misslichen Freiräume bewahren Lage der SIEGESSÄULE erfahren? SIE- GESSÄULE und ich werden beide von der- Mit der Aktion „2020Solidarity“ unterstützen der Künstler Wolfgang selben IT-Firma beraten. Im Gespräch mit Tillmans und seine Stiftung Between Bridges die Spendenkampagne meinem Techniker kam das so rüber. Aber zur Rettung der SIEGESSÄULE. Jan Noll traf Wolfgang zum Gespräch man braucht ja nicht lange drüber nach- zudenken, dass ihr doppelt betroffen seid. Ausführliches Inter- Wolfgang, weißt du noch, wann und wo du deine erste SIE- Die Verteilungswege sind gleichzeitig auch view mit Wolfgang GESSÄULE in der Hand hattest? Ich denke, das war 1984. Wir die Anzeigenkund*innen und beide haben Tillmans auf waren aus dem Rheinland auf Klassenfahrt in Berlin und in einer geschlossen. Ich finde, ihr dürft nicht ein- SIEGESSÄULE.DE Jugendherberge untergebracht, die direkt neben dem damaligen fach verschwinden. Was einmal weg ist, ist schwulen Zentrum lag. Da bin ich reingestolpert, und ich schätze, eben nicht morgen wieder da. Ich möchte dass ich dort alle Infomaterialien mitgenommen habe, die ein helfen, die queere Szene zu bewahren. Sie For the English version Sechzehnjähriger so mitnimmt. (lacht) Ab1990 war ich dann ja in ist wertvoll und eben nicht nur Spaß und of this interview, visit England und habe Berlin seitdem regelmäßig besucht. Dabei habe ein bisschen was trinken. Das sind essen- SIEGESSAEULE.DE ich immer die SIEGESSÄULE mitgenommen. Ich schätze an ihr zielle Freiräume, die durch Medien wie die journalistische Qualität. In London hast du halt Boyz und QX, SIEGESSÄULE vernetzt werden. Ich finde, Zur Kampagne: die null Journalismus haben, sondern eigentlich nur Partyfotos, das ist etwas sehr Identitätsstiftendes und siegessaeule.de/ und wo der gesamte Inhalt abgeglichen ist mit zahlenden Anzei- für ganz viele Leute das Erleben einer Frei- magazin/your-sieges- genkund*innen. In New York ist das ähnlich. Das ist ein extremer heit, die sie dort, wo sie herkommen, nicht saeule-needs-you/ Unterschied. Allein deshalb habe ich die SIEGESSÄULE oder ähn- haben. liche Magazine immer schon sehr geschätzt. Warum ist es dir als Künstler startnext.com/ Warum ist die SIEGESSÄULE generell ein wichtiges Me- wichtig, selbst und mit deiner Stif- your-siegessaeu- dium, eine wichtige Institution für diese Stadt? Ich finde, tung gemeinnützige Dinge für die le-needs-you bei allem In-der-Mitte-der-Gesellschaft-angekommen-Sein von LGBTI*-Community zu tun? Weil ich es Schwulen und Lesben ist es trotzdem wichtig, dass es ein Medium kann, würde ich es als Mangel oder Weg- gibt, das diese Szene und alle Aspekte des kulturellen und politi- ducken empfinden, wenn ich es nicht tun schen Lebens aus dieser Perspektive betrachtet. Manche mögen würde. Und auch aus Dankbarkeit gegen- vielleicht fragen: „Wozu braucht es das?“ Ich finde, Emanzipation über den Leuten, die Kämpfe gefochten ist nie abgeschlossen, und es gibt einfach auch gesellschaftliche haben, um die Gesellschaften in Deutsch- Themen, die da verhandelt werden. Alle Themen, die uns betref- land, UK und Amerika so zu öffnen, dass fen, werden in der SIEGESSÄULE auch diskutiert. ich mein Leben so frei und offen leben Du hast dich dafür entschieden, unsere Spendenaktion mit kann, wie ich das kann.
YOUR SIEGESSÄULE NEEDS YOU! 7 Wolfgang Tillmans und andere renommierte Künstler*innen stiften 18 Werke, um damit die SIEGESSÄULE-Spendenkampagne auf Startnext zu unterstützen Wolfgang Tillmans, „I feel safer in the city“, 2018, 24,1cm x 23,5 cm, limitierte Auflage Spyros Rennt, „The arm over his shoulder“, 2020, Wolfgang Tillmans, „still life (Bühnenbild)“, 42cm x 59,4 cm 2020, 42cm x 59,4 cm Piotr Nathan, Entwurf der Arbeit „Die Rituale des Verschwindens“, 2003. Realisiert im Club Berghain in Berlin 2004, 42 cm x 59,4 cm Melanie Bonajo, „Night Soil – Economy of Love“, Klara Lidén, „Butter“, 2020, Stefan Fähler, „Kiss Me“, 2020, Claire Nicole Egan und Bobby Glew, 2015, 42cm x 59,4 cm 59,4 cm x 42 cm, limitierte Auflage 59,4 cm x 42cm, limitierte Auflage „Hard Fond“, 2020, 59,4 cm x 42 cm Isa Genzken, Untitled, 2015, Ebecho Muslimova, „Fatebe Yoga“, Betty Tompkins, „Sex Painting #4“, Marlene Dumas, „James Baldwin Felipe Baeza, „Desapareces II“, 59,4 cm x 42 cm 2015, 59,4 cm x 42 cm 2013, 59,4 cm x 42 cm (from the series Great Men) “, 2014, 2012, 59,4 cm x 42 cm 59,4 cm x 42cm David Lindert, „Soul scrub“, 2019, Heike-Karin Föll, „AbExGruau 7“, Karl Holmqvist, „Siegessäule Colla- Peter Berlin, „Damiani Book Cover“, Ralf Marsault und Heino Muller, 59,4 cm x 42 cm 2017, 59,4 x 42 cm ge“, 2020, 59,4 x 42 cm, limitierte 2019, 59,4 cm x 42 cm „Mr. Plus, J-P., Mickey, Paris 1987“, Auflage 1987, 59,4 cm x 42cm
8 YOUR SIEGESSÄULE NEEDS YOU! SIEGESSÄULE fundraising campaign Your SIEGESSÄULE Needs You! Uncomplicated via Paypal with the sub- In order for you to be able to enjoy the SIEGESSÄULE in the future, ject “Support Siegessäule” (see QR-code) we need your help right now! Or via our campaign at startnext.com: The corona crisis has hit us hard. Advertisers make up the major part startnext.com/en/your-siegessae- of the SIEGESSÄULE’s revenues and due to the mass cancellation of ule-needs-you (including art rewards by all events as well as the shuttering of most every venue in the city, Wolfgang Tillmans and others, see p. 7) this has led to a collapse in our cash flow. This means, of course, that the SIEGESSÄULE as well as the Special Media company which Berlin without the SIEGESSÄULE? Unthink- publishes us, are currently facing sheer unsurmountable financial able! The magazine has been part of the challenges. Help us to save a Berlin institution! Berlin community since 1984, and since For us to be able to guarantee that the SIEGESSÄULE remains a free the mid-1990s it has been available free of queer city magazine, we need you, the readers* of the LGBTI* com- charge every month throughout the city. munity! The SIEGESSÄULE is a journalistically in- A little thought experiment: If each of our estimated 100,000 readers dependent magazine but financed solely of the SIEGESSÄULE in Berlin were willing to pay 1.50 euros, we are through advertisements. It is widely avail- convinced we would be able to compensate for the current drop in able to all Berliners* and has a regular print sales. With our donation target of 150,000 euros as well as with other run of at least 50,000 per month and a reach measures (short-time work, subsidies), we are confident that we will of 100,000 readers*. be able to keep Berlin’s queer magazine up and running. Our SIEGESSÄULE is a unique media platform and cultural asset in Europe, which for many queer Berliners* also represents a very per- sonal piece of their own individual coming-out story – the magazine has established itself as a consistent and often hotly debated part of Berlin’s attitude to life. We represent the queer interests of Berlin, which are otherwise barely visible elsewhere, and we want to con- tinue to do so. Support us now. Donate here: Directly by bank transfer with the subject “Support Siegessäule” to our account: Special Media SDL GmbH, IBAN: DE22 1005 0000 0190 0947 29
10 MAGAZIN FOTO: DAVIDS/ SVEN DARMER Nachruf Jörn Kubicki, der langjährige Partner von Berlins ehemaligem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), ist tot. Der Neurologe starb am 28. März im Alter von 54 Jahren in der Berliner Charité an Herzversagen. Kubicki litt an der Lungenkrank- Vernetzt heit COPD und hatte sich zusätzlich Unter dem Hashtag #LeaveNoOneBe- eine Coronavirus-Infektion zugezo- hind sind derzeit Menschen in ganz gen. Nach Wowereits öffentlichem Europa und darüber hinaus aktiv. Das Coming-out 2001 mit dem histori- Ziel: gezielt jene zu unterstützen, die schen Satz „Ich bin schwul und das den Folgen der Pandemie jetzt am ist auch gut so“ waren er und Jörn stärksten ausgesetzt sind, darunter Kubicki regelmäßig als Paar in der z. B. Geflüchtete, obdach- oder mit- Öffentlichkeit aufgetreten und tru- tellose Personen. Auch das Netzwerk gen so maßgeblich zur Sichtbarkeit Verbunden Lesben gegen Rechts beteiligt sich und Akzeptanz von LGBTI* in Berlin an der Aktion. Im April wurden eine und darüber hinaus bei. Die Berli- Protest im Netz: In der Corona-Krise Woche lang Fotos mit selbst gemalten ner Community reagierte geschockt greifen viele auf „digitale“ Aktions- Schildern gesammelt und auf lgrleave- auf den Tod Kubickis. „Mein Herz formen zurück. So auch am diesjähri- noonebehind.wordpress.com hochge- weint“, schrieb beispielsweise Sän- gen 17. Mai, dem Internationalen Tag laden. Forderungen von Lesben gegen Versorgt gerin Romy Haag auf Facebook. gegen Homo-, Bi-, Inter- und Trans- Rechts u. a.: Evakuierung der überfüll- phobie (IDAHOT). Unter dem Hashtag ten Camps für Geflüchtete auf Lesbos, Anfang April eröffnete am Winter- #wirfürqueer wird ein Soli-Event als mehr Frauenhausplätze oder mehr feldtplatz in Schöneberg eine neue Stream gezeigt, organisiert von der Lohn und Schutz für Arbeiter*innen in HIV-Schwerpunktpraxis unter der Präventionskampagne IWWIT („Ich „systemrelevanten“ Berufen. Leitung von Dr. med. Gal Goldstein weiß was ich tu“) der Deutschen (Foto). In sieben Sprachen (Deutsch, Aids-Hilfe. Sprecher*innen und Künst- Englisch, Hebräisch, Ungarisch, Ara- ler*innen aus der Community seien dafür bereits angefragt worden, er- bisch, Türkisch und Russisch) werden zählt Tim Schomann, Kampagnenleiter bei IWWIT. Unter #wirfürqueer hier in Zukunft unter anderem HIV-In- werden auch Spendenaufrufe gelistet, um durch die Krise akut bedrohte fektionen behandelt sowie PEP/PrEP-Beratungen und STI-Behandlungen an- Community-Strukturen zu unterstützen. Die Botschaft: „Ihr seid nicht geboten. Zusätzlich gibt‘s hausärztliche Versorgung sowie reisemedizinische allein!“ Ebenfalls am 17. Mai rufen der Lesben- und Schwulenverband Beratung und Impfungen. „Unser Angebot richtet sich in erster Linie, jedoch und das Bündnis gegen Homophobie zu einer Online-Kundgebung auf. nicht ausschließlich, an schwule Männer“, erklärte Goldstein in einer Presse- Zu finden unter den Hashtags #stayathome #proudathome! mitteilung. Kontakt unter: doctor-goldstein.com
MAGAZIN 11 Sexarbeiter*innen ein. Es gibt eine große Spendenbereit- schaft für die durch die Corona-Maßnahmen bedrohten Orte wie Clubs, Bars oder Kinos, und es wurden zahlreiche Nachbarschaftshilfen organisiert, die Menschen aus Risiko- gruppen ganz konkret in ihrem Alltag unterstützen. Die lesbische Initiative RuT hat die Aktion „Zusammen schaffen wir das!“ ins Leben gerufen – eine Nachbar- schaftshilfe für die L*-Community. Ob es darum geht, Einkäufe vorbeizubringen, mit dem Hund Gassi zu gehen oder einfach ein Gespräch am Telefon zu führen – hier www.taxi-berlin.de findet sich ein Team, das engagiert zur Sache geht. Dabei geht es vor allem um die Belange von älteren Lesben, die z. B. chronische Erkrankungen oder körperliche sowie psy- chische Einschränkungen haben. Die Erfahrung von Iso- lation und „die Angst vor einer unsichtbaren Bedrohung“ werden von vielen Hilfesuchenden als traumatisierend Führerscheinfrei empfunden, erzählen Mitarbeiter*innen von RuT e. V. im bis 12 Personen, Gespräch mit SIEGESSÄULE. Daneben gilt es, auch sehr mit Grill, Catering & Getränken konkrete Fragen zu beantworten: wie man z. B. Skype ein- TOP: richtet oder wo man Gesichtsmasken herbekommt. in Berlin-Rummels- burg an der Spree RuT macht Mut Während das RuT in Krisenzeiten sein Hilfs- und Bera- Buchung online: tungsangebot erweitert, steht die Initiative vor etlichen, spreeboote.de Schwierige Zeiten setzen auch enorme Kräfte frei: Blitz- auch logistischen Herausforderungen. Weil ein Teil des schnell entstanden in Berlin während der Corona-Krise Teams selbst zur Risikogruppe gehört, wird größtenteils Supportnetzwerke und Hilfsangebote, die zeigen, dass vom Homeoffice aus gearbeitet, was die Kommunikation Engagement und gelebte Solidarität keine leeren Floskeln untereinander erschwert. Trotz der großen Sorge um die sind. So sammelt zum Beispiel die Aktion „United We Zukunft queerer Infrastruktur zeigt man sich dennoch Stream“ mithilfe von Livestreams Gelder für Clubs und Kul- optimistisch: „Wir wären nicht das RuT, wenn wir nicht turschaffende und der „Nightlife Emergency Fund“ setzt auch in Krisen beherzt die Ärmel aufrollen und auch un- sich für besonders vulnerable Gruppen im Nachtleben wie berechenbar scheinende Probleme anpacken würden.“ Ministerpräsidenten jetzt ein Regieren per Dekret – ohne jede zeitliche Begrenzung! Orbáns Griff nach der Macht FOTO: ABDULHAMID HOSBAS/ANADOLU AGENCY VIA GETTY IMAGES hat dabei auch unmittelbare Auswirkungen auf die queere Community in Ungarn. Denn die in der Folge vorgelegten Dekrete und Gesetzesentwürfe betreffen nicht nur das Co- ronavirus. So soll ein Gesetz verabschiedet werden, dass es trans* und inter* Personen zukünftig unmöglich macht, ihren Geschlechtseintrag und ihren Vornamen zu ändern. „Eine solche Maßnahme würde trans* Personen dazu zwingen, mit Dokumenten zu leben, die nicht ihrer wahren Identität und ihrem Aussehen entsprechen“, sagte Tamás Dombos von der Hungarian LGBT Alliance gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Zynischerweise wurde dieser Ge- setzesentwurf am 31. März, also dem Internationalen Tag FLOP: für Trans-Sichtbarkeit, vorgelegt. Für die Gesetzesänderung ist zwar noch eine Zustimmung im Parlament notwendig, diese dürfte aber aufgrund der Zweidrittelmehrheit kein Griff nach der Macht Problem darstellen. Dies wäre nicht der erste Schlag der Die Corona-Pandemie bringt nicht nur solidarisches Handeln ungarischen Regierung gegen die LGBTI*-Community. Be- zum Vorschein, sondern sie wird auch gnadenlos für Macht- reits 2018 ließ sie das Studienfach Genderstudies verbieten. interessen missbraucht: Die rechtspopulistische Regierung Das Europaparlament kritisierte derweil den Angriff auf in Ungarn unter Victor Orbán nutzt den Ausnahmezustand, die Rechte von trans* und inter* Personen in Ungarn. um ihre autoritäre Führung weiter auszubauen. Im Parla- 63 Europaabgeordnete unterzeichneten Mitte April einen ment besaß die Regierungspartei Fidesz in Koalition mit offenen Brief an den Kanzleramts- und den Justizminister FEINE Schlüterstraße 53 und Chausseestraße 49 der christlich-konservativen KDNP bereits eine Zweidrittel- des Landes. Darin wird die Regierung aufgefordert, den Ge- setzesentwurf zu widerrufen, da er im Widerspruch zu den AUGEN Herzlich Willkommen! mehrheit, die es ihr u. a. ermöglichte, die Pressefreiheit ein- zuschränken und eine neue Verfassung durchzusetzen. Ein europäischen Menschenrechtsstandards und den Standards OPTIK Ende März verabschiedetes Notstandsgesetz erlaubt dem des europäischen Parlaments stehe. IN BERLIN … wie man sieht. 190507_brillant_SIS_Stopper_190615_print.indd 1 07.05.19 10:4
12 COMMUNITY Foto: Problem sei auch die Langeweile. „Jemand Julie auf einem erzählte mir, er liege dauernd im Bett und Balkon der Unterkunft schaue an die Decke.” Auch Bewohnerin in Treptow Julie berichtet von ähnlichen Erfahrungen: „Der Alltag besteht nur noch aus Kochen, Essen, Filmeschauen und Schlafen. Vor Coro- na gingen wir regelmäßig in die Schule und lernten Deutsch, gingen feiern oder arbei- teten.” Die trans Frau Julie ist professionelle Tänzerin. Sie floh vor ihrer konservativen Familie aus Malaysia. Im Haus teilt sie sich eine Wohnung mit zwei anderen Personen. Sie versucht, sich jetzt die Zeit mit Bloggen und selbst gemachten Videos für YouTube zu vertreiben. „Trotzdem ist es schwer, ich fühle mich oft gestresst.” Vor dem Corona-Shut- down hat Julie Geld mit Performances in queeren Clubs verdient. Dieses Einkommen ist jetzt komplett weggebrochen. Auch die Schließung der Schulen, in denen Menschen mit Fluchterfahrungen Deutsch lernen können, erschwert die Situation. „Zeitweise hatte ich den Gedanken, ich hätte besser in ein englischsprachiges Land flüch- ten sollen. Mittlerweile geht es zwar besser, aber anfangs war es sehr schwer. Selbst Stresstest wenn ich etwas auf Englisch gefragt habe, wurde mir hier oft auf Deutsch geantwor- tet. Und ich habe mir Mühe gegeben, aber Die Corona-Maßnahmen stellen die Bewohner*innen der Unterkunft ich war ganz neu hier, und es war alles an- für LGBTI*-Geflüchtete in Treptow vor erhebliche Herausforderun- dere als einfach.” Zumal es für Geflüchtete gen. SIEGESSÄULE-Autor Jeff Mannes sprach mit der Leiterin der von ohne oder mit eingeschränkten Deutsch- der Schwulenberatung betriebenen Einrichtung und einer Bewohne- kenntnissen schwierig ist, die Nachrichten rin über die aktuelle Situation zu verfolgen. So können sie sich über die Corona-Maßnahmen in Deutschland oft D schwulenberatung- ie Unterkunft bietet 27 Wohnungen mit 122 Wohnplätzen. nur über die Heimleitung informieren. „Ein berlin.de Laut Heimleiterin Antje Sanogo sind aktuell 85 davon be- Schild wurde aufgestellt, das die Maßnah- legt. Ausgelegt sind die Wohnungen für vier bis fünf Men- men erklärt”, berichtet Julie. „Zwei Meter schen. Bereits im Januar und im Februar waren einige der Abstand halten, keine Besuche. Außerdem Bewohner*innen mit Fragen zur Ausbreitung des Coronavirus an sie wurden kostenlose Masken verteilt.“ Sorgen herangetreten. „So richtig angekommen ist die Situation dann aber macht sich Heimleiterin Sanogo insbesonde- erst, als die Kontaktbeschränkungen kamen”, berichtet Sanogo. Da- re um das psychische Wohlbefinden vieler durch änderte sich zum Beispiel die Essensausgabe, denn in der Kan- Bewohner*innen. Durch ihre Fluchterfah- tine der Unterkunft darf nicht mehr gemeinsam gegessen werden. rungen kämpfen viele mit psychischen Be- Die Gesundheitsversorgung der Geflüchteten sei allerdings ge- lastungen. Der Zugang zum psychiatrischen sichert. „Die ersten 18 Monate ihres Aufenthalts hier bekommen Versorgungssystem sei im Moment noch sie laut Gesetz noch begrenzte medizinische Leistungen, die grob schwieriger als zuvor, denn es würden nur gesagt bei akuten Erkrankungen und zur Vermeidung der Ver- noch die „ganz harten Fälle” bearbeitet. „Un- schlechterung chronischer Erkrankungen greifen”, erklärt Sanogo. sere Sozialarbeiter*innen können aber nicht „Das heißt, würde jetzt jemand im Heim an COVID-19 erkranken, einschätzen, ab wann etwas ein Notfall ist.“ dann wären die Kosten der Behandlung gedeckt. Nach 18 Monaten Und umso länger die Situation andauert, um sind sie dann ganz normal gesetzlich krankenversichert.” so problematischer wird es. Gesundheit ist das eine, das Zusammenleben unter diesen Umstän- „Die Geflüchteten haben aber vielleicht auch den das andere. Oft teilen sich die Bewohner*innen zu zweit ein eine Kompetenz, die andere nicht haben” Schlafzimmer. Das ist in Zeiten, in denen man möglichst zu Hause ,meint Sanogo. „Momentan muss man war- bleiben soll und sich nicht so gut aus dem Weg gehen kann, eine ten, bis sich die Situation verbessert. Und an besondere Herausforderung. „Wenn die Leute die ganze Woche lang das Warten sind sie gewöhnt, zum Beispiel jeden Tag aufeinanderhocken müssen, dann wird es natürlich an- auf eine Entscheidung des Asylverfahrens strengend”, erzählt Sanogo. „Das führt zu Spannungen. Auf der ande- oder auf den Anerkennungsbescheid.” Julie ren Seite muss man aber auch sagen, dass die Bewohner*innen sich bestätigt dementsprechend auch nüchtern: sehr solidarisch verhalten. Sie sind sehr kooperativ und verständ- „Es ist sehr langweilig. Aber ich akzeptiere nisvoll und versuchen, das Beste aus der Situation zu machen.” Ein die Situation so, wie sie ist.”
14 STADT Arastéh, der in den Ruhestand gegangen Mehr Zeit für Pflege ist. Dazu gehöre auch die Trennung der Be- reiche Infektiologie, Gastroenterologie und Onkologie. Die Arbeitsbedingungen in der Seit den 80er-Jahren galt das Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum als Pflege seien „angesichts der angespannten vorbildlich für seine stationäre HIV-Versorgung. Nun hat dort eine Personalsituation in Krankenhäusern bun- gesamte Abteilung gekündigt und ist an ein anderes Krankenhaus desweit schwierig“. Dies gelte insofern auch gewechselt. Warum? Und was bedeutet das für die Versorgung von für das AVK. Die Personalbesetzung sei je- HIV-positiven und Aids-erkrankten Menschen in Berlin? doch im Bereich der Infektiologie höher als in anderen Bereichen, „weil auch der pfle- Foto: Die stationäre HIV-Versorgung am Vivantes Auguste-Viktoria-Kli- gerische Schweregrad der Patient*innen Das Pflegeteam des nikum (AVK) ist eine Struktur von historischer Bedeutung in Ber- höher ist“. Grundsätzlich wisse man, dass Auguste-Viktoria-Kli- lin. Hier entstand das viel gelobte „Schöneberger Modell“, als in der mehr Personal zu mehr Zufriedenheit bei nikums (links) sowie Aids-Krise Ärzt*innen, Pfleger*innen und Ehrenamtliche ihre Kräfte Mitarbeiter*innen und Patient*innen führe. das Ärzt*innenteam vereinten, um HIV-positiven und an Aids erkrankten Menschen den Vivantes setze „daher alles daran, zusätz- des Hauses wechselten Zugang zu stationären, ambulanten und psychosozialen Angeboten liche Fachkräfte in der Pflege einzustellen, kürzlich geschlossen zu ermöglichen. Nun hat im AVK eine gesamte Abteilung gekün- um das vorhandene Personal zu entlasten ans St. Joseph Kran- digt: Wie im Februar bekannt wurde, verließen 38 Fachkräfte der und die Arbeitsbedingungen zu verbessern“. kenhaus Infektiologie das Vivantes-Krankenhaus. Geschlossen wechselten Im Hinblick auf das Team, das jetzt gegan- sie an das St. Joseph Krankenhaus in Tempelhof. Hier, in der neu gen ist, habe es „viele, intensive Gespräche vivantes.de eingerichteten Station 21 der Klinik für Infektiologie, arbeitet das auf unterschiedlichen Ebenen gegeben. Lei- sjk.de Team seit Anfang April. Wie kam es zu diesem radikalen Schritt? der ist es nicht gelungen, mit den Beteiligten Und was bedeutet dieser Bruch für HIV-positive und an Aids er- eine einvernehmliche Lösung zu finden, die krankte Personen in Berlin? auch im Hinblick auf das Klinikum als Gan- Auf die Meldung im Februar reagierten viele mit Bedauern, darunter zes vertretbar gewesen wäre.“ auch Holger Wicht, Sprecher der Deutschen Aids-Hilfe. In einem of- Stattdessen hat das Team nun anscheinend fiziellen Statement erklärte er: „Wir hätten uns gewünscht, dass die im St. Joseph gefunden, wonach es gesucht überwiegend landeseigene Klinikgesellschaft Vivantes dieses histo- hat: „Was wir hier erleben, ist die Möglich- rische Erbe bewahrt hätte.“ Laut den Ärzt*innen und Pfleger*innen, keit, mit mehr Personal und weniger Pa- die das AVK verlassen haben, waren schlechte Arbeitsbedingungen tient*innen zu arbeiten. Das reduziert den ausschlaggebend für ihre Entscheidung. Insbesondere zu wenig Druck und ermöglicht eine bedarfsgerechte Zeitressourcen: „Uns ist wichtig, die Versorgung der Menschen si- Versorgung“, erklärt Stationsleiter Volker cherzustellen. Dazu gehören viel Aufmerksamkeit, Zeit für Pflege Wierz, der ebenfalls vom Vivantes ans St. und Zuwendung zu den Patient*innen“, erklärt Dr. Hartmut Stocker, Joseph gewechselt ist. Zeitmangel ist allge- ehemals Oberarzt im AVK und nun Chefarzt der neuen Klinik für mein ein großes Problem im Gesundheitswe- Infektiologie am St. Joseph, gegenüber SIEGESSÄULE. Im AVK seien sen, findet Wierz. „Die Arbeitsprozesse sind Umstrukturierungen geplant gewesen, die den Fachbereich der In- oft durchstrukturiert und durchorganisiert.“ fektiologie eingeschränkt und Stellen abgebaut hätten. Die Notwendigkeit, sich Zeit zu nehmen, sei Mischa Moriceau, Pressereferentin des Vivantes, äußert sich auf jedoch gerade beim Thema HIV und Aids Anfrage von SIEGESSÄULE zu den Vorwürfen. Hintergrund für die nicht zu unterschätzen, da die Erkrankung Umstrukturierung sei die Nachfolgeplanung für den Chefarzt Dr. immer noch mit einem Stigma behaftet ist.
STADT 15 RuT-Lesbenwohnprojekt zieht nach Berlin-Mitte! Trotz aller Hindernisse: Es geht weiter! Unterstützt uns: Gerade die psychosoziale Unterstützung sei für viele sehr wichtig. Spendenkonto: „Es ist nicht mehr so wie in den 80ern, als hauptsächlich schwule Männer zu uns kamen, die die medizinische Versorgung gebraucht Bank für Sozialwirtschaft haben, aber ansonsten sozial oft gut eingebunden waren.“ Heutzuta- IBAN: DE 53 1002 0500 0001 3573 00 ge sind die Zahlen der HIV-Neuansteckungen und der Aids-Erkran- RuT-Rad und Tat Berlin gGmbH kungen zwar niedriger und es gibt erfolgreiche medikamentöse Therapien. Doch die Fälle, mit denen das Team zu tun hat, sind oft noch kompliziert. Manche Patient*innen haben seltene Begleit- erkrankungen, für die eine besondere Expertise nötig ist. Einige leben in prekären Verhältnissen, sind obdachlos oder suchtkrank. Die HIV-/Aids-Schwerpunkt-Station fungiert dann nicht selten auch als eine der wenigen Anlaufstellen, von der die Betroffenen wissen, dass sie dort Hilfe erhalten. Wierz bringt es auf den Punkt: „Da tun sich Baustellen auf, die man intensiv bearbeiten muss.“ Das gehe nur in einem großen und perfekt eingespielten Team, finden Wierz und Stocker. Durch den Wechsel an das St. Joseph Krankenhaus sei es gelungen, das alte Team zu erhalten. Wierz und Stocker sehen deshalb keinen Grund zur Sorge, im Gegenteil: Die neue Station am St. Joseph, so hoffen sie, werde ihnen ermöglichen, ihrer Arbeit in der gewünschten Qualität nachzugehen. Was die HIV-Versorgung am AVK so berühmt gemacht hat, ist jedoch nicht nur die medizinische Qualität, sondern auch die Zusammenarbeit mit Strukturen wie der Berliner Aids-Hilfe oder Projekten wie dem Café Viktoria, bei dem regelmäßig der Besuchsraum des Klinikums zu einem Ort der Begegnung wurde. Wie steht es damit jetzt? „Unse- re Kooperation mit der Aidshilfe bleibt bestehen, ebenso mit dem Hospizdienst Tauwerk oder das Caféangebot der ‚Freunde im Kran- kenhaus‘“, sagt Wierz. Auch neue Projekte, wie Weiterbildungen für Pfleger*innen, seien geplant. Gute Zukunftsaussichten für das St. Joseph also. Aber was ist mit dem AVK? Durch die Kündigungen ist hier tatsächlich eine Lücke entstanden. Laut Pressestelle des Vivantes soll die interdisziplinäre Versorgung von Menschen mit HIV jedoch auch weiterhin einen Schwerpunkt der Klinik bilden, die dabei sei, sich „neu und differen- ziert“ aufzustellen. Derzeit würden alle Anstrengungen der Nach- besetzung der offenen Stellen gelten, insbesondere in der Pflege. Eine Ausschreibung, um die Position des Chefarztes/der Chefärztin nachzubesetzen, sei bereits im Januar erfolgt. Weitere Positionen für Ärzt*innen sowie Pflegekräfte seien ausgeschrieben. Im besten Fall wird Berlin also eine HIV- und Aids-Schwerpunkt-Station ver- lieren – aber dafür zwei neue gewinnen. Paula Balov 7561_LINKE-BLN_Anz_Siegessaeule_93x127_4c
16 COMMUNITY Foto: CSD 2019 mentan versuche man, wo dies möglich ist, Förderungen zu beantragen. Mit dem On- line-Pride könnten hoffentlich auch wieder Sponsoren gefunden werden. Ähnlich zu kämpfen hat das Team vom Lesbisch-Schwulen Stadtfest, das am 18./19. Juli hätte stattfinden sollen. Der „enorme wirtschaftliche Druck“ sei belastend, sagt Dieter Schneider vom Stadtfest. Es werde über einen Alternativtermin nachgedacht. FOTO: BRIGITTE DUMMER Tim Schomann, Kampagnenleiter von „Ich weiß was ich tu“ (IWWIT) der Deutschen Aids-Hilfe, kann mitfühlen, wie es vielen aus der Szene jetzt geht. „Die kleinen Commu- nity-Läden und Geschäfte sind bereits ge- beutelt. Mit dem CSD und dem Stadtfest fällt nun noch ein Hauptgeschäftspunkt weg, das Stay Proud ist schlimm. Ich denke auch an die vielen Ehrenamtlichen, die über einen langen Zeit- raum auf diese Veranstaltungen hingearbei- Einige Maßnahmen gegen das Coronavirus werden zwar gelockert, tet haben.“ Um Spendenaufrufe zu sammeln Großveranstaltungen bleiben aber noch bis Ende August verboten. und Community-Strukturen zu unterstüt- Berliner CSD-Parade und Stadtfest wurden abgesagt. Was bedeutet zen, hat IWWIT den Hashtag #wirfürqueer das für die Community? Und was für Alternativen gibt es, um unsere ins Leben gerufen. Unter anderem ist für Inhalte, trotz der Krise, auch in diesem Sommer sichtbar zu machen? den 17. Mai, dem Tag gegen Homo- und Transphobie, ein Online-Soli-Event geplant. W Ein Großteil der diesjährigen Pride-Saison Berliner Online-CSD, as wird aus der Pride-Saison 2020? Diese Frage be- wird also virtuell stattfinden. So schmerz- 25.07. schäftigt uns, seit im Frühjahr die Maßnahmen zur haft dies ist – es könne auch neue Chancen csd-berlin.de Eindämmung des Coronavirus in Kraft getreten sind. eröffnen, findet etwa Ronald Zinke vom CSD Einige Prides wurden recht schnell abgesagt oder ver- Deutschland e. V. Zum Beispiel auf Vernet- „Global Pride“- schoben. Andere, darunter auch der Berliner CSD, hofften und bang- zung über die Ländergrenzen hinaus: Be- Stream, 27.06. ten noch eine Zeit lang, ob sie doch wie geplant stattfinden können. reits für den 27. Juni haben internationale interpride.org Seit der Konferenz von Bund und Ländern Mitte April ist nun klar: Pride-Netzwerke einen „Global Pride“ als epoa.eu in Deutschland bleiben Großveranstaltungen noch bis mindestens 24-stündigen Stream angekündigt. Gesendet csd-deutschland.de 31. August untersagt. Die Nachricht habe man enttäuscht aufgenom- werden sollen Shows, Reden und Grußworte men, heißt es seitens des Berliner CSD e. V. in einer Pressemitteilung aus verschiedensten Ecken der Welt. Online-Aktion zum vom 17. April. Obwohl das Verbot „absolut verständlich“ sei: „Der Einige Berliner Initiativen haben schon In- IDAHOT, 17.05., Schutz von Menschenleben geht vor.“ Am geplanten Datum der Pa- teresse gezeigt, sowohl am Global Pride als IWWIT rade, dem 25. Juli, soll nun stattdessen ein Online-CSD steigen. Wie auch am Online-CSD mitzuwirken. Darunter iwwit.de das im Detail aussehen wird, solle in den nächsten Wochen bekannt die Aktionsgruppe Travestie für Deutsch- #wirfürqueer gegeben werden. Auch eine zusätzliche Straßendemo zu einem spä- land (TfD). Ihren Plan, eine Soli-Fahrt zum teren Zeitpunkt schließt der Verein nicht aus. Da zu befürchten ist, Warschauer Pride auf die Beine zu stellen, Online-Kundgebung dass das Verbot von Großveranstaltungen über den August hinaus musste sie leider aufgeben. „Wir werden uns zum IDAHOT, 17.05., verlängert wird, gibt es dafür aber noch keinen Termin. erst mal von öffentlichen Großveranstaltun- LSVD und Bündnis Wichtig sei ihnen, die politischen Botschaften so sichtbar wie mög- gen fernhalten“, sagt Baffi von der TfD. Die gegen Homophobie lich zu machen – auch in diesem Sommer, trotz Corona, sagt Jasmin LGBTI*-Community Polens wollen sie aber, berlin.lsvd.de Senken vom Vorstand des Berliner CSD e. V. Es gibt viele Ideen: so gut es eben derzeit geht, weiter unter- von Regenbogenflaggen am Balkon bis hin zu kleineren Aktionen. stützen. Möglich ist, dass das Demoverbot in travestie-fuer-deutsch- Wie die Jahre zuvor sollen auch für den CSD 2020, gemeinsam mit Berlin bis zum Sommer gelockert wird und land.org der Community, ein Motto und Forderungen formuliert werden. z. B. kleinere Demos wieder stattfinden kön- So konstruktiv das Team versucht mit der Situation umzugehen nen. „Vielleicht“, sagt Jasmin Senken, „gehen stadtfest.berlin – die Absage der Parade bringt den Berliner CSD-Verein natürlich wir dann, ganz klassisch, einfach wieder zu- in Bedrängnis. Finanziell werde es nicht leicht, sagt Jasmin. Mo- sammen auf die Straße.“ fs
COMMUNITY 17 FOTO: 1977-2020 TOM OF FINLAND FOUNDATION dass es sich bei dem Kerl auf dem Cover um eine Zeichnung von Tom of Finland handel- te, noch hatte ich die Chuzpe und das Geld, mir das Magazin zu kaufen. Das änderte sich im Laufe der Jahre. Als Grafiker bei verschiedenen LGBTI*-Ver- lagen fügte es sich so, dass ich immer wie- Frauen und Füße der mit Tom in Berührung kommen sollte. Rückblickend möchte ich sagen, dass sein Werk für mich aber auch für die Emanzi- SIEGESSÄULE-Grafiker a. D. Volker Demand mit einem persönlichen pation eines nicht unerheblichen Teils der Beitrag zum 100. Geburtstag von Tom of Finland am 8. Mai Schwulenbewegung entscheidend war. Er selbst sagte einmal: „Ich achte sorgfältig Foto: Letzte Woche, inmitten der Beschränkungen, erreichte mich die darauf, dass ich nur Männer zeichne, die Tom of Finland Anfrage, ob ich nicht einen Kommentar zu 100 Jahre Tom of Finland ihren Sex mit Stolz und Freude ausleben!“ Untitled, 1977, schreiben könnte. Ruhig was Persönliches. Kurz ging ich in mich, Ich hätte mir trotzdem gewünscht, dass er Graphite on paper erschrak etwas ob des Jahrestags. Vor mir lag das lange, sonderbar früher als 1987 zu Aids und Safer Sex zeich- häusliche Osterwochenende. Durch mehrere chronische Erkran- nerisch Stellung bezogen hätte. Auch tre- 1983 auf dem Cover kungen risikobehaftet war ich schon einige Zeit vor dieser üblen ten Schwarze Männer recht spät in seinem von Torso Geschichte aus dem Verkehr gezogen. Lange aufgeschobene, lästige Werk auf, dafür dann allerdings zusammen Arbeiten hatte ich bereits erledigt. Ich sagte also freudig zu. Gleich- mit den ersten Punks, die ich in solch eroti- zeitig merkte ich, wie sich ein Kreis zu schließen begann, der sich schen Zusammenhängen noch nie gesehen an einem Märzmorgen im Jahr 1983 zu öffnen anschickte. hatte. Seinerzeit lebte ich in Hannover und befand mich auf dem Weg in Und um den Kreis sich schließen zu lassen die FH, mit Rucksack und der Zeichenmappe nahezu völlig beklei- ... Frauen und Füße konnte er nicht zeich- det, vorbei am bestsortierten Zeitschriftenladen der Stadt. My perso- nen. Darum verschwanden Erstere bald aus nal favourite. Es war die aufregende Zeit der Postmoderne, die sich seinem Œuvre und Letztere schlussendlich in Printerzeugnissen wie Tempo und dem überformatigen Manipu- in glänzenden schwarzen Stiefeln jeglicher lator besonders durch eine neue Art der Typografie ihren optischen Art. Es war mir eine Ehre und oftmals ein und grafischen Ausdruck suchte. Unser Held war Neville Brody. An ziemlich geiles Vergnügen, Herr Touko diesem Morgen war es aber etwas anderes, das mich in der Auslage Laaksonen. unwiderstehlich anzog. Was mich dort andräute, verschmitzt über PS: Der 8. Mai, eines dieser Daten, die es in die Schulter anblickte, Motorradjacke, die Ledermütze tief ins Ge- sich haben, ist auch der 112. Geburtstag mei- sicht gezogen, die Stupsnase fast berührend, der feine Schnäuzer die ner Großmutter Maria und der 75. Jahres- Oberlippe verdeckend, der Mund leicht geöffnet ... war das Cover des tag der Befreiung vom Faschismus. Immer Schwulenmagazins Torso. Ich kannte weder Torso noch wusste ich, diese sich schließenden Kreise ...
18 COMMUNITY Zündstoffe Queere Positionen und Kritik Francis Seeck ist hungen ausgegangen. Es gibt kaum Forschungen zur Ungleichver- Autor*in, Antidiskrimi- teilung von Care-Arbeit über das binäre Geschlechtersystem hinaus nierungstrainer*in und – und das, obwohl selbst das Bundesverfassungsgericht mit seinem Doktorand*in. Seeck Entschluss zur „Dritten Option“ bestätigt hat, dass es mehr als zwei arbeitet zu den Themen Geschlechter gibt. Ein sehr guter Zeitpunkt also, um auf die Situa- Queer Care, Umgang tion von FLINT*-Personen in Care-Berufen aufmerksam zu machen. mit dem Tod und Zum Beispiel beschäftigt sich die Krankenschwester, trans Beraterin Klassismus und Lehrende Ilka Christin Weiß in ihren Publikationen mit der Situ- ation von trans* Personen in der Pflege. Im Rahmen meiner eigenen Doktor*innenarbeit forsche ich zu Formen von trans* und queerer Sorgearbeit: ob in Selbsthilfegruppen, bei der Transitionsbegleitung oder in queeren Friseursalons. Berufe, die in der Corona-Krise als „systemrelevant“ gelten, haben zwei Wer für wen Sorgearbeit leistet, ist auch eine Dinge gemeinsam: Sie sind oft schlecht bezahlt und werden meist nicht von Frage von Klasse. Dass Versorgungslücken von cis Männern ausgeübt. Francis Seeck wirft einen queer-feministischen Blick weißen Mittelklassefamilien durch ärmere, oft auf aktuelle Debatten zu Sorgearbeit von Rassismus betroffene Frauen ausgefüllt werden, haben Arlie Hochschild und Salazar Parreñas bereits in den 1990er-Jahren mit dem W enn wir streiken, steht die Welt still“ – unter diesem Konzept der „globalen Sorgeketten“ aufgezeigt. So sind es meist Motto protestiert das Bündnis „Feministischer Streik“ nicht die akademischen FLINT*-Personen, die wie ich im Homeof- jedes Jahr am 8. März, dem feministischen Kampf- fice arbeiten können, die jetzt in systemrelevanten Berufen Sorge- tag. In der Corona-Krise ist der Aufruf aktueller denn arbeit leisten und sich dabei auch dem Risiko aussetzen, sich mit je. Wieso? Ein Gedankenexperiment: Würden Frauen, Lesben, inter*, dem Virus anzustecken. Die Corona-Krise trifft Menschen beson- nicht binäre und trans* Personen (kurz: FLINT*) ihre Arbeit nie- ders, die von Mehrfachdiskriminierung betroffen sind. Sei es, weil derlegen, würde die gegenwärtige Gesellschaft zusammenbrechen. es Engpässe an Schutzausrüstung gibt oder aufgrund der höheren Sogenannte Sorgearbeit oder Care-Arbeit wird größtenteils von ökonomischen Unsicherheit, die es nicht erlaubt, jetzt „einfach mal FLINT*-Personen geleistet: im Krankenhaus, im Alters- und Pflege- zu Hause zu bleiben“. heim, als Reinigungskraft, in der Kita oder im Kindergarten. Diese „Euer Klatschen reicht nicht!“ Dies wird aktuell von Care-Arbei- Arbeit ist gleichzeitig systematisch unterbezahlt und, zumindest in ter*innen formuliert, die gegen die Verschärfungen ihrer Arbeits- Nichtkrisenzeiten, oft unsichtbar. bedingungen kämpfen. Denn: Die Bundesregierung erlaubt bis Ende Viel ist dieser Tage von „systemrelevanten“ Jobs die Rede. Mit diesem Juni die Ausweitung der täglichen Arbeitszeit auf zwölf Stunden und Etikett werden in der Corona-Krise z. B. Pfleger*innen, persönliche die Verkürzung der Ruhezeiten auf neun Stunden für systemrele- Assistent*innen, Kassierer*innen im Supermarkt und Erzieher*in- vante Berufe. Die „Abweichungen vom Arbeitszeitgesetz infolge der nen quasi symbolisch ausgezeichnet. Dies sind alles Berufe, in COVID-19-Epidemie“ gelten u. a. für Pfleger*innen und für medizi- denen wenig cis Männer arbeiten. In Deutschland liegt der Anteil nisches Personal. an Frauen in Pflegeberufen bei fast 76 Prozent. Auch gänzlich un- In der Corona-Krise lernen wir, dass wir voneinander abhängig sind. bezahlte Sorgearbeit – besser bekannt unter dem Label Hausarbeit Sie verdeutlicht den gesellschaftlichen Wert von Care. Nun geht es – wie Putzen, Kochen, Kinder- oder Altenbetreuung zu Hause wird, darum, für eine faire Bezahlung und gerechtere Verteilung dieser trotz großer gesellschaftlicher Veränderungen seit Beginn der ers- Arbeit zu kämpfen. Und innerhalb der queeren Community müssen ten Frauenbewegung, nach wie vor größtenteils von FLINT*-Per- wir Formen solidarischer Fürsorge entwickeln, zu der auch Men- sonen erledigt. Ebenso die emotionale Unterstützung in Familien, schen Zugang haben, die durch staatliche Versorgungssysteme Partner*innenschaften oder in Wohngemeinschaften, wie sie der- fallen. In der Krise wird vieles deutlicher als sonst. Das gibt uns Ge- zeit, krisenbedingt, an vielen Stellen benötigt wird. Weltweit leisten legenheit, den Blick auch auf unsere eigenen Strukturen zu richten: FLINT* drei Viertel der Sorgearbeiten. Die Corona-Pandemie wird Wer leistet eigentlich für wen Sorgearbeit? dieses Ungleichgewicht noch verstärken. Die öffentliche und nicht selten auch die akademische Debatte zur Feminisierung von Care-Arbeit ist dabei von Heteronormativi- tät durchzogen. So wird in Publikationen meist ausschließlich von Männern und Frauen gesprochen und von heterosexuellen Bezie-
Doris Belmont geistert durch die Berli- ner Szene, mesmeriert ihr Publikum mit dem Charme einer Gründer- zeit-Bibliothekarin und engagiert sich für diver- se politische Events facebook.com/ belmontdoris instagram.com/ doris_belmont FOTO: MATTHES VON BIBERSTEIN Abgeschminkt von Doris Belmont Auch in Zeiten von Corona schlägt das Tunten- lich mit nicht wenigen Uniformierten vor der Tür. herz, meine Lieben, und Ideen für etwaige neue Es folgte wohl eine unmittelbare Forderung, das Auftritte werden nicht zuletzt durch das anhal- Unternehmen zu beenden. Nach hitzigen Diskus- tend milde Wetter befeuert. Ja, der Frühling lässt sionen mit einer zu Recht sehr wütenden Shady sein Blaulicht wieder flackern durch die Lüfte … Darling und nachdem von allen Anwesenden die Ähm, ja. Mörike möge mir den schlechten Umbau Personalien aufgenommen worden waren, wurde seines Gedichts verzeihen, doch kürzlich endete den Beamten mutmaßlich auch klar, dass es sich eine solidarische Online-Tuntenshow eben mit bei der Veranstaltung nicht, wie wohl zuerst an- Polizeibesuch. genommen, um eine Coronaparty handelte. Als Aber von Anfang an. In Zeiten der coronabe- Ordnungswidrigkeit wurde der Abend trotzdem dingten Isolation hat es sich ja unter vielen der festgehalten. Da alle Anwesenden in der AHA die Berliner Clubs, DJs und extrem gut geschminkten getroffenen Regelungen gegen Corona eingehal- Damendarsteller*innen inzwischen etabliert, Ver- ten hatten und sich damit auch nichts zu Schulden anstaltungen unter Einhaltung der empfohlenen kommen ließen, wandten diese sich nun direkt an Schutzmaßnahmen via Stream der Öffentlichkeit den Kultursenator. Immerhin hatte der erst kürz- zur Verfügung zu stellen. Da dies derzeit dankend lich im Interview solche Livestreaming-Aktionen angenommen wird, wundert es nicht, dass auch befürwortet. Von der Polizei kann man nun hal- Finden Sie ein Urgestein der queeren Szene, die AHA, ihre ten, was man will, doch die Idee, dass an diesem Räume für diverse Shows zur Verfügung stellt. Abend eine Coronaparty steigen würde, ist sicher Ihren passenden So begab es sich, dass eines Freitags Ende April nicht auf deren Mist gewachsen. Die Anzeige kam Shady Darlings und Ceven Knowles Format „Drag aus der direkten Nachbarschaft. Anstatt sich erst Partner über Capsule“ von dort in die sozialen Medien ge- mal selbst ein Bild von der Lage zu machen und streamed wurde. Es ergoss sich ein buntes vor Ort zu fragen, wurde sofort vom Schlimmsten Potpourri begnadeter Performer*innen über ausgegangen und in urdeutscher Gartenzwerg- den Abend, inklusive einer gnadenlos guten mentalität die Exekutive eingeschaltet. Video-Einspielung meiner Wenigkeit im Nonnen- Abgeschminkt betrachtet dürfen wir uns von fummel. Die Show war eigentlich bereits am diesem primitiven Drang frustrierter Kleingeister, Ende, anwesende Performer*innen moderierten andere blind zu denunzieren, nicht davon ab- sich in Anbetracht des Social Distancings gegen- halten lassen, in Zeiten von Corona künstlerisch seitig noch mal einzeln auf die Bühne, als die aktiv zu sein. Diese Streams können echte Partys reizende Bang Bang Ladesh aus dem Off flötete: und Shows natürlich nie ersetzen, werden jedoch „Police is heeere, can‘t come!“ Leider handelte gerne gesehen und offenbaren weiterhin, dass es es sich dabei nicht um ein Intro für eine spontane in der Stadt auch in dieser Zeit eine lebendige und letzte Nummer, denn die Kavallerie stand tatsäch- bunte Szene gibt. Herzlich, eure virtuelle Doris Jetzt parshippen
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