Arbeit - das halbe Leben? - Debatten über Stress am Arbeitsplatz, Sonntagsarbeit, Pflege und Rente - Landtag SH
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Nr. 03Nr. / September 01 / April 2017 Arbeit – das halbe Leben? Debatten über Stress am Arbeitsplatz, Sonntagsarbeit, Pflege und Rente
Inhalt Liebe Leserinnen, liebe Leser, „Arbeit ist das die politischen Debatten im Landtag wurden zuletzt überschattet von der Trauer um halbe Leben“ 5 – 12 Axel Bernstein. Der CDU-Parlamentarier war am 24. August tödlich verunglückt. Gute Arbeit, schlechte Arbeit 5 A bgeordnete und Mitarbeiter sind noch immer bestürzt über den plötzlichen Tod des Christdemokraten, der nur 43 Jahre alt wurde. Diskussion um Sonntagsarbeit 6 An den Debatten im Juli über die Ladenöffnung am Sonntag und über gestresste Lehrer Gesundheitsmanagement für Lehrer 7 hat Axel Bernstein noch teilgenommen. Diese Themen sind Teil unseres inhaltlichen Umfrage: Abgeordnete und Schwerpunktes – der Ausgestaltung der Arbeitswelt. Wir haben außerdem bei Abgeordneten nachgefragt, wie sich ihr beruf liches „Vorleben“ auf ihre jetzige politische ihre erlernten Berufe 8 Tätigkeit auswirkt. Und wir blicken zurück ins Jahr 1956, als die Metallarbeiter im Im Rückblick: Norden für eine soziale Errungenschaft in den Streik traten, die heute selbstverständlich Der Metallarbeiterstreik 1956/57 10 scheint: die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Debatten über Renten und Pflege 12 Am 31. Oktober feiern die evangelischen Christen das 500. Jubiläum der Kirchen reformation. Wir haben dazu den Luther-Biografen Prof. Heinz Schilling befragt, der im Sommer im Landtag zu Gast war. Der 13-jährige Niklas Bruhn aus Dithmarschen Die Seite für das Ehrenamt 13 hat sich ebenfalls mit dem Reformator beschäftigt. Der Nachwuchs-Historiker hat Personalien 14 einem geplanten Mord an Martin Luther nachgespürt und damit einen ersten Preis beim Landesgeschichtswettbewerb gewonnen. Wir stellen seine Arbeit vor. Im Zentrum Viel Freude beim Lesen Die Wappen im Landeshaus 16 – 17 und einen schönen Herbst wünscht ZÄHLBARES Ihre Redaktion 5,4 Millionen Plenarberichte 18 – 19 Bafög, Fairness im Wahlkampf 18 Haus der Geschichte 19 So viele Menschen zwischen 15 und 74 Jahren wollen in Deutschland mehr arbeiten als zurzeit. Das besagt die Arbeitskräfteerhebung des Altenparlament für höhere Renten 20 Statistischen Bundesamtes. Ausschüsse: Endlagersuche, Mehr zum Thema Wahlprüfung, Straßenverwaltung 21 ab Seite 5. Leichte Sprache: Behinderte Menschen ohne Wahl-Recht 22 Die Bundestagswahl im Lande 23 Parlamentarismus 24 – 25 Was ist erlaubt im Plenum? 24 Trauer um Axel Bernstein Neue Abgeordnete über ihre Mit einer Schweigeminute hat der Landtag zu Beginn seiner September-Sitzung ersten Eindrücke 25 des langjährigen Abgeordneten Axel Bernstein gedacht. Der CDU-Politiker war am 2 4. August auf seinem Grundstück in Wahlstedt (Kreis Segeberg) tödlich verun- glückt. „Wir haben einen engagierten, humorvollen und über alle Fraktionsgrenzen 500 Jahre Reformation 26 – 28 hinweg hoch geachteten Kollegen verloren“, sagte Landtagspräsident Klaus Schlie. Gespräch mit dem Luther-Biografen Bernstein, der in Neumünster geboren wurde und seit seiner Jugendzeit in Wahl Prof. Heinz Schilling 26 stedt wohnte, hinterlässt Ehefrau Melanie und zwei Kinder. Er wurde 43 Jahre alt. Schlie sprach der Familie das Mitgefühl aller Abgeordneten aus. Geschichtswettbewerb: Der Historiker und Kommunikationsberater zog 2005 erstmals in den Landtag ein. Kriminalfall Luther 28 2009 erlangte Bernstein den Doktortitel und wurde, bis 2012, Parlamentarischer Ge- schäftsführer seiner Fraktion. Ab 2015 agierte er als Landesgeschäftsführer der CDU, Bücherecke, Impressum 29 den Posten gab Bernstein Ende vergangenen Jahres ab. Im Landtag hatte er sich auf die Im Porträt: Bereiche Innen und Recht sowie Medien spezialisiert. Bei der Wahl im Mai hatte Axel Katrin Wagner-Bockey (SPD) 30 Bernstein seinen Wahlkreis Segeberg-Ost erneut klar gewonnen. Landtagspräsident Schlie hob hervor, dass Axel Bernstein zwar akzentuiert und mit Ins Bild gerückt: Entschiedenheit für seine Überzeugung eingetreten sei – „dies aber mit einem ganz Zu Besuch im Landeshaus 31 eigenen, besonders feinen und fairen Stil, dem er auch in jeder noch so hart geführten Termine, Termine, Termine 32 Debatte treu blieb“. 2 DER LANDTAG 03 /2017
AKTUELL Anette Röttger Haushalt 2018 erst im Februar neu im Landtag Erst im kommenden Februar will die Koalition den Landeshaushalt In der September-Sitzung 2018 beschließen. Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) hat dem hat Landtags präsident Klaus Finanzausschuss einen entsprechenden Zeitplan vorgelegt. Demnach Schlie die Lübecker CDU- sollen bis Anfang Oktober die Haushaltseckwerte neu gefasst und vom Politikerin Anette Röttger Kabinett beschlossen werden. Ende November will die Regierung über als Landtagsabgeordnete ihren Haushaltsentwurf entscheiden. Die Erste Lesung im Landtag ist verpflichtet. Röttger trat die für Mitte Dezember vorgesehen, anschließend beraten die Ausschüsse Nachfolge des verstorbenen und die Fraktionen. Die Zweite Lesung ist dann für die Sitzung vom Axel Bernstein an. Sie ist die 21. bis 23. Februar 2018 angesetzt. nächstfolgende Kandidatin Die Neubildung der Landesregierung und der veränderte Zuschnitt auf der CDU-Landesliste zur der Ressorts erforderten eine Korrektur der bisherigen Planungen, so Wahl am 7. Mai. Die 53-Jährige ist Diplom-Ernährungswissenschaft- Heinold. Normalerweise werden die Haushalte jeweils im Dezem- lerin, verheiratet und hat drei erwachsene Söhne. Seit 2008 gehört sie ber des Vorjahres verabschiedet. Die Opposition kritisierte den Plan: der Lübecker Bürgerschaft an, seit 2012 ist sie CDU-Kreisvorsitzende Damit würden sämtliche Landesverwaltungen zwei Monate lang zur in der Hansestadt. Tatenlosigkeit gezwungen, rügte Lars Harms (SSW). „Rockeraffäre“ wohl bald im Wortwörtlich Untersuchungsausschuss „Ich finde das Relativieren der Krawalle und die Realitäts verweigerung von zahlreichen linken Aktivisten, Publizisten und Die SPD-Fraktion will einen Parlamentarischen Untersuchungs- auch Politikern wirklich unerträglich. Es ist schlichtweg unsinnig, ausschuss (PUA) zur Aufklärung der sogenannten Rockeraffäre be- unhistorisch und gefährlich, wenn behauptet wird, antragen. Das hat der innenpolitische Sprecher Kai Dolgner Anfang dass Gewalt per se nicht links motiviert sein könne.“ August erklärt. Dolgner kündigte den entsprechenden Antrag für (Christopher Vogt, FDP) die Oktober- oder Novembersitzung an und skizzierte acht mög liche T hemenkomplexe. Im Kern geht es um Vorwürfe von Mobbing, „Der Linksextremismus hat, wenn auch nur vorübergehend, Aktenmanipulation und der Unterdrückung von Beweismitteln gegen den Staat entmachtet. Der Linksextremismus hat den Krieg erklärt das Landeskriminalamt. Die Behörde soll Ermittlungen erschwert und in Hamburg offenen Terror ausgeübt.“ haben, um einen vermeintlichen V-Mann aus der Rocker-Szene zu (Claus Schaffer, AfD) decken. Die Reaktion auf den SPD-Vorstoß war verhalten. Die anderen „Wenn Leute glauben, sie seinen links, und wenden Gewalt an, dann Fraktionen verwiesen auf die bereits laufenden Untersuchungen im sind sie alles Mögliche, aber nicht links, sondern Gewalttäter.“ Innen- und Rechtsausschuss, der Akteneinsicht zu dem sieben Jahre (Ralf Stegner, SPD) alten Fall beantragt hat. Diese sei noch nicht abgeschlossen, so dass ein PUA zu früh komme. Der Landtag muss einen Untersuchungs ausschuss einsetzen, wenn ein Fünftel seiner Mitglieder dies verlangt. „Rechtsfreie Räume wie die ‚Rote Flora‘ darf es nicht länger geben. Das wären 15 der 73 Abgeordneten. Die SPD verfügt über 21 Mandate. Wir können nicht weiter tolerieren, dass damit Vorbereitungs- und Rückzugsräume für gewalttätige Extremisten vorhanden sind.“ (Tobias Koch, CDU) Immunität von Volker Schnurrbusch „Warum wurden über 20.000 Polizistinnen und Polizisten nicht so eingesetzt, dass sie geschätzte 1.500 autonome Gewalttäterinnen aufgehoben und Gewalttäter im Schanzenviertel in Schach gehalten haben?“ (Eka von Kalben, Grüne) Der Landtag hat Ende Juli die Immunität des AfD-Abgeordneten Volker Schnurrbusch teilweise aufgehoben. Dafür stimmten CDU, „Für uns stellt sich die Frage nach der Tauglichkeit des SPD, Grüne, FDP und SSW, die AfD enthielt sich. Die Aufhebung der Austragungsortes. Vorrangig sollte es um die Frage gehen, welcher Immunität für den Vollzug eines Durchsuchungsbeschlusses der Kieler Ort über die besten Voraussetzungen verfügt. Pragmatismus Staatsanwaltschaft wurde auf die Beschlagnahmung elektronischer vor Prestige, so sollte die zukünftige Maxime zur Auswahl von Geräte beschränkt. Bei den Ermittlungen geht es dem Vernehmen nach deutschen Austragungsorten lauten.“ um einen mehrere Monate zurückliegenden Facebook-Eintrag, in dem (Lars Harms, SSW) die Antifa mit der nationalsozialistischen SA gleichgesetzt worden sei. Schnurrbusch betonte, er selbst habe den beanstandeten Beitrag nicht verbreitet und legte Mitte August Beschwerde beim Amtsgericht Kiel Aus der Debatte am 19. Juli ein. über die Krawalle beim Hamburger G20-Gipfel DER LANDTAG 03 /2017 3
AKTUELL Ostseeparlamentarier Die schleswig-holsteinische Delegation bestand aus Landtagsvizepräsident Rasmus für Tourismus und Andresen, der auch die Grünen vertrat, sowie Hartmut Hamerich (CDU), Wolfgang Baasch gegen Hasskommentare (SPD), Stephan Holowaty (FDP), Volker Der Ostseeraum soll als Urlaubsregion bes- Schnurrbusch (AfD) und Jette Waldinger- ser vermarktet werden. Deshalb forderte die Thiering (SSW). 2018 werden die finnischen Ostseeparlamentarier-Konferenz (Baltic Sea Åland-Inseln den BSPC-Vorsitz übernehmen. Parliamentary Conference, BSPC) bei ihrem 26. Jahrestreffen Anfang September in Ham- burg in einer Resolution die Regierungen der Personalwechsel Ostseeregion auf, ein gemeinsames Ostsee- Label zu entwickeln. Mit Blick auf die sinken- bei der FDP de Wahlbeteiligung und Teilhabe an demo Nach der Bundestagswahl zeichnen sich kratischen Prozessen in etlichen L ändern personelle Veränderungen in der FDP- setzte sich die Versammlung zudem dafür Fraktion ab. Der langjährige Fraktions- ein, über Möglichkeiten einer strafrecht chef Wolfgang Kubicki, der einen Sitz im lichen Verfolgung von Hasskommentaren Berliner Reichstag errungen hat, kündig- und Falschnachrichten zu beraten. In vielen te an, sein Landtagsmandat im Dezember Ländern zögen Menschen sich „auf scheinbar niederzulegen. Für ihn wird wahrscheinlich einfache, ausschließlich auf den Nationalstaat der Polizeibeamte Jörg Hansen aus Stockels bezogene Lösungen“ zurück, um komplexen dorf (Kreis Ostholstein) nachrücken. Als Herausforderungen zu begegnen, erklärte die Nachfolger im Amt des F raktionschefs schlug Blutspender kamen BSPC-Vorsitzende, die Hamburger Bürger- schaftspräsidentin Carola Veit. Kubicki den bisherigen Parlamentarischen Geschäftsführer Christopher Vogt vor. FDP- ins Landeshaus Seit ihrer Gründung 1991 fördert die Ost- Sozialminister Heiner Garg will sein Land- 62 Blutspender, davon 17 Erstspender, seeparlamentarierkonferenz die Zusammen- tagsmandat ebenfalls aufgeben und sich auf wurden Mitte September im Landeshaus arbeit nationaler und regionaler Parlamente seinen Ministerposten konzentrieren. Für zur Ader gelassen. Der Landtag und das im Ostseeraum. In ihr sind Abgeordnete aus Garg wird voraussichtlich der Rechtsanwalt Deutsche Rote Kreuz (DRK) rufen seit Deutschland, Russland, Polen, Schweden, Jan-Marcus Rossa aus Dassendorf (Kreis 2005 jedes Jahr auf, bei einer eintägigen Norwegen, Finnland, Dänemark, Island, Herzogtum Lauenburg) in den Landtag ein- Aktion Blut zu spenden. Auch Minister- Estland, Lettland und Litauen vertreten. ziehen. präsident Daniel Günther steuerte einen halben Liter bei (s. Foto). Schirmherr war wieder Parlamentspräsident Klaus Schlie. DRK und Politik rühren die Werbetrom- mel für die Blutspende, denn die Zahl der Spender ist rückläufig. Deutschlandweit wurden im vergangenen Jahr 2,93 Milli- onen Spenden gezählt, 48.500 weniger als im Jahr zuvor. Allein in Schleswig- Holstein und Hamburg werden pro Tag etwa 550 Blutkonserven benötigt. Seit kurzem werden homo- und bisexuelle Männer nicht mehr pauschal von der Blutspende ausgeschlossen. Die Antidiskriminierungsstelle des Landtages begrüßt grundsätzlich diese neue Richt linie der Bundesärztekammer. „Allerdings hat man eine Diskriminierung durch eine andere ersetzt“, kritisierte die Lei- terin der Diskriminierungsstelle Samiah Landtag auf der Norla El Samadoni Ende August. Von homo- und bisexuellen Männern werde vor der Der Landtag war Anfang September erneut auf der Landwirtschafts- und Spende eine einjährige Enthaltsamkeit Verbrauchermesse Norla vor Ort. Auf dem Rendsburger Messegelände standen Ab- gefordert, von heterosexuellen Männern geordnete und Mitarbeiter zu Gesprächen bereit. Infobroschüren und eine digitale jedoch nicht. Die Richtlinie berücksichti- Präsentation lieferten Informationen über das Parlament. Ein interaktives Quiz ge in keiner Weise Männer, die in festen lockte mit zahlreichen Preisen. Auf der größten Agrarmesse in Norddeutschland Partnerschaften lebten oder die geschütz- präsentierten sich in diesem Jahr rund 600 Aussteller aus ganz Deutschland und ten Sexualverkehr mit anderen Männern dem Ausland. Die Norla lockte erneut rund 70.000 Besucher an. hätten. 4 DER LANDTAG 03 /2017
ARBEIT „Arbeit ist das halbe Leben“ Stimmt dieser Spruch? Zumindest ist die Arbeit für die meisten Menschen sehr wichtig. Entweder, weil sie einen großen Teil ihrer Zeit damit verbringen. Oder, weil sie dafür nicht das Geld bekommen, das sie für angemessen halten. Oder, weil sie zu wenig oder gar keine Arbeit haben und sich ausgegrenzt fühlen. Die Erwerbsarbeit hat im abgelaufenen Bundestagswahlkampf eine wichtige Rolle gespielt, und auch der Landtag hat Einerseits ... sich in jüngster Zeit mit verschiedenen Aspekten vermeldet der deutsche Arbeitsmarkt seit des Themas befasst. Auf den folgenden Seiten e inigen Jahren einen Rekord nach dem anderen. 44,3 Millionen Menschen gehen einer Erwerbs- greifen wir einige Gesichtspunkte heraus. tätigkeit nach, so viele wie noch nie. Gleichzeitig sinkt die Arbeitslosenquote beständig. Im August lag sie in Schleswig-Holstein bei 6,1 Prozent. Vor zehn Jahren waren es noch 8,3 Prozent. Ein gro- ßer Teil der Beschäftigten in Deutschland scheint zufrieden: 45 Prozent sind seit mindestens zehn Jahren beim selben Arbeitgeber. Und: Die Gefahr, bei der Arbeit zu verunglücken, ist inzwischen gering. Pro Jahr gibt es statistisch gesehen einen tödlichen Arbeitsunfall pro 100.000 Erwerbs tätige. 1995 lag der Wert noch dreimal so hoch. Andererseits ... gibt es auch negative Zahlen. 40 Prozent der Er- werbstätigen leiden unter einer zu hohen Arbeits intensität. Deutschlandweit haben 2,8 Millionen Beschäftigte über 25 Jahren nur einen befristeten Vertrag – meistens für weniger als ein Jahr. Das sind neun Prozent aller Arbeitnehmer und da- mit ein Drittel mehr als vor 20 Jahren. Fast jede zweite Neueinstellung ist befristet. Bundesweit 8,8 Millionen Beschäftigte stehen regel mäßig nachts, an Feiertagen oder an Wochenenden auf dem Posten. Schleswig-Holstein schneidet im Bundesvergleich teilweise schlecht ab, etwa beim durchschnittlichen Brutto-Stundenlohn. Der liegt im Lande bei 20,62 Euro, weit unter dem westdeutschen Schnitt. DER LANDTAG 03 /2017 5
ARBEIT Ladenöffnung: Wird der Sonntag zum Werktag ? Das Grundgesetz schützt die Sonntagsruhe, aber der Urlauber schätzt den Sonntags einkauf. Die Jamaika-Koalition will deswegen gemeinsam mit Wirtschaft, Gewerkschaften und Kirchen prüfen, ob die Öffnungszeiten am siebten Wochentag ausgeweitet werden sollten. SPD und SSW pochten im Juli hingegen auf die seit 2013 gültige Bäderregelung. In der Debatte ging es um die Interessen der Tourismuswirtschaft und des Einzelhandels wie auch der Beschäftigten. Insbesondere die FDP wolle offenbar „auf Es geht nicht nur Kosten der Arbeitnehmer die bestehende um Badeorte Rechtssicherheit unnötig aufkündigen“, schimpfte Regina Poersch (SPD). Ihre Forde- Neben der Bäderregelung geht es auch rung: Die Bäderverordnung, die Ende 2018 um die vier verkaufsoffenen Sonntage pro ausläuft, soll um weitere fünf Jahre verlängert Jahr, die jede Kommune im Land ausrufen werden. Die Jamaika-Partner betonten hin kann – also nicht nur Ferienorte. Laut einem gegen, dass es zunächst um eine ergebnis Gerichtsurteil können diese Shopping- offene Prüfung gehe, denn die Situation in Sonntage allerdings nicht willkürlich ter- der Tourismusbranche und im Einzelhandel miniert werden. Sie müssen an ein örtliches habe sich in den vergangenen Jahren m assiv Groß ereignis, etwa ein Volksfest, ange- ge ändert. Der CDU-Abgeordnete Klaus dockt werden. Diese Regelung sei ungenau, Jensen von der Urlaubsinsel Pellworm merk- monierte Oliver Kumbartzky (FDP). Die te an: „Das Einkaufserlebnis als eines der Koalition wolle für „Vereinfachung und Top- Urlaubsaktivitäten hat an Bedeutung Rechtssicherheit“ sorgen, denn der Sonntag gewonnen.“ Und Wirtschaftsminister Bernd sei „teilweise der umsatzstärkste Tag“. Buchholz (FDP) unterstrich: „Schleswig- Flemming Meyer (SSW) kritisierte, dass Regina Poersch Holstein ist ein Tourismusland“, und kein Jamaika nur über eine Flexibilisierung reden (SPD): „Arbeit Gast stehe gerne vor verschlossenen Türen. wolle, nicht aber über eine Einschränkung nehmer haben ein Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Eka von der Sonntagsöffnung. Dabei sei unklar, ob Recht auf Freizeit Kalben erwartete komplizierte Verhandlun- längere Öffnungszeiten tatsächlich im gan- und Feiertage.“ gen. Nicht nur Urlauber, Arbeitgeber, Arbeit- zen Lande gewünscht werden. „Hat sich die Zudem seien nehmer mit ihren Familien und die Kirchen, Bäderverordnung in Tönning bewährt, aber Arbeitsplätze in Gefahr, „wenn kleine Geschäfte sondern auch das Ehrenamt und der Sport in Travemünde nicht?“, fragte er. Hierüber den Wettbewerb gegen die Großen verlieren“. seien betroffen. „Wenn die Interessen so weit lägen bislang keine „systematischen Zahlen“ auseinander gehen, dann kann die Lösung nur vor. in einem Kompromiss liegen“, so von Kalben. Die AfD äußerte sich in der Debatte nicht, Klaus Jensen unterstütze aber bei der Schlussabstimmung (CDU): „Der die Position der Regierungskoalition. Online-Handel entwickelt sich zunehmend zu einer echten Kon kurrenz für den Einzelhandel.“ Deswegen sei es nicht sinnvoll, die jetzige Bäderverordnung einfach zu verlängern. Stichwort Wirtschafts Bäderverordnung minister Bernd Die Absprache zwischen Wirtschaft, Gewerkschaften und Kirchen sieht vor, dass die Buchholz (FDP): Läden in etwa 100 Urlaubsorten vom 17. Dezember bis 8. Januar sowie vom 15. März bis „Man kann einen 31. Oktober sechs Stunden pro Sonntag öffnen dürfen, und zwar im Zeitrahmen von 11 bis Feiertag nicht nur 19 Uhr. Dies gilt für Supermärkte oder Souvenirläden, die Waren des täglichen Bedarfs an- dann heiligen, bieten. Baumärkte, Autohäuser oder Möbelgeschäfte sind ausgenommen. Das Abkommen wenn die Geschäfte geschlossen sind.“ Weniger läuft im Dezember 2018 aus. Sonntagsöffnung als jetzt sei für ihn „keine Option“. 6 DER LANDTAG 03 /2017
ARBEIT Viele Lehrer leiden unter Stichwort Stress im Klassenzimmer Lehrer und Gesundheit Mehrere aktuelle Studien beschreiben die Der Landtag will Schleswig-Holsteins Verwaltungs aufgaben oder eine bessere Arbeitsbelastung der Lehrer. gestresste Lehrer entlasten. Die Koalition Ausstattung der Arbeitsplätze. Laut dem Verband Bildung und Erzie- will zunächst die Pädagogen im Lande Das Vorhaben der Koalition stieß im hung betrachtet knapp die Hälfte der befragen, Experten sollen dann im Grundsatz auch bei den Oppositions Lehrer die gestiegene Zahl an internen kommenden Jahr ein „Konzept zur Ver fraktionen auf Zustimmung. Umstritten war Konferenzen und Besprechungen als besserung des Gesundheitsmanagements“ lediglich, wann das Gesundheitskonzept vor- Stressursache. erstellen. liegen soll. SPD und SSW schlugen vor, das Das Deutsche Ärzteblatt weist darauf stressige Ende des Schuljahres abzuwarten. hin, dass psychische und psychosoma- Grund für die Sorge: Die Belastung steigt Entsprechend würde es bis 2019 dauern, um tische Erkrankungen bei Lehrkräften seit Jahren. Lehrer müssen mit unterschied- die Bestandsaufnahme zu erstellen. Kai Vogel sehr viel häufiger vorkommen als bei lich begabten Kindern klarkommen, die (SPD) warf dem Jamaika-Bündnis einen anderen Berufsgruppen. Zu den Symp Digitalisierung managen, die Inklusion „unnötigen Schnellschuss“ vor. Die „Belas- tomen gehören Erschöpfung, Müdig- behinderter Schüler stemmen und Jungen tungsveränderungen im Laufe des Schul keit und Kopfschmerzen. und Mädchen mit ausländischen Wurzeln jahres“, etwa die Zeugniskonferenzen und Der Philologenverband streicht heraus, integrieren. Hinzu kommen „administrative Abschlussprüfungen im Frühjahr, blende die dass die Arbeitszeit von Lehrern – Un- Aufgaben“, wie Konferenzen und Elternge- Koalition aus. Das Ergebnis der Lehrer terricht, Vorbereitung, Korrekturen, spräche, so Bildungsministerin Karin Prien befragung sei bereits absehbar, meinte Jette Konferenzen und Gespräche – erheb- (CDU). „Jeder fünfte Lehrer denkt an eine Waldinger-Thiering (SSW). Die Pädagogen lich über dem Durchschnitt der Lan- Frühpensionierung“, verwies Anita Klahn würden voraussichtlich mehr Personal an den desbeamten liege: um 215 Stunden pro (FDP) auf eine aktuelle Studie. „Das ist mehr Schulen fordern. „Wir hoffen sehr, dass die Jahr. als ein Alarmsignal.“ Tobias Loose (CDU) Landesregierung dann die richtigen Schlüsse Die Technische Universität München verwies auf den Lärm im Klassenzimmer zieht“, so W aldinger-Thiering. hat herausgefunden, dass 40 Prozent und das manchmal gestörte Betriebsklima: Frank Brodehl (AfD) hielt es ebenfalls für der Grundschullehrer dauerhaft er- „Schülerinnen und Schüler, aber auch Leh- „realistischer“, mehr Zeit für das Konzept schöpft sind. 25 Prozent leiden häufig rerinnen und Lehrer sind nicht immer nett.“ einzuplanen. Als Mittel gegen Lehrer-Stress unter Nacken- oder Rückenschmerzen, Als Lösungsansätze nannte Ines Strehlau forderte er „einen Verzicht auf permanente 17 Prozent haben Schlafstörungen. (Grüne) mehr Teamarbeit, Entlastung bei Schulreformen und ständig neue Erlasse“. DER LANDTAG 03 /2017 7
ARBEIT Umfrage Anita Klahn, FDP, Industriemeisterin Druck: „Meine berufliche Erfahrung „Nach meinem Realschulabschluss habe ich mich ganz bewusst für eine duale ist das Fundament meiner Berufsausbildung in der Druckindustrie entschieden, die mir stabil und zukunfts- sicher erschien, aber auch Perspektiven zu parlamentarischen Arbeit“ weiteren Qualifikationen ermöglichte. Wurden damals Zeitungen, Kataloge und so weiter noch mit viel händischer Arbeit in mittelständischen Unternehmen vor Ort Politiker zu sein, das ist kein Lehrberuf. Abgeordnete bringen erstellt, so sind heute viele Arbeitsschritte Erfahrungen aus ihrem Arbeitsleben mit ins Parlament. durch Technik ersetzt, werden die Druck- erzeugnisse in wenigen Großdruckereien Wir haben bei Parlamentariern aus allen Fraktionen produziert. Aktuell erleben wir, dass die nachgefragt, wie diese Erfahrungen im Landtag helfen, gedruckte Zeitung zunehmend von der digitalen Lesefassung abgelöst wird. Diesen und folgende Antworten bekommen. Wandel erleben wir auch in anderen Berufs- feldern. Fachkräfte werden europa- und auch weltweit in Konkurrenz um gute Arbeits- plätze stehen. Unsere Kinder müssen mit einer guten schulischen Bildung darauf vor- bereitet werden. Jette WaldingerThiering, Gleichzeitig veränderte sich das Familien- SSW, Lehrerin: bild. Ich wollte in meinem Beruf arbeiten und gleichzeitig Familie haben. Nicht nur, dass in der männerdominierten Druckindustrie „Als Lehrerin hatte ich in meinem Berufs- kaum Teilzeitarbeitsplätze angeboten wur- alltag mit ganz unterschiedlichen Menschen den, es fehlten auch Kita-Plätze. Als wir diese zu tun: vom Erstklässler bis zum jungen dann bekamen, waren die Elternbeiträge un- Erwachsenen, vielfältigen Kolleginnen und säglich hoch. Aus der Gesamtschau resultiert Kollegen und Eltern – und damit im Grun- mein politisches Engagement: beste Bildung de mit allen Altersgruppen und Menschen für unsere Kinder, damit diese ein selbst- unterschiedlichster Herkunft. Das war eine bestimmtes Leben führen können! Familien- ganz wunderbare Zeit, an die ich oft und und Wirtschaftspolitik gehören einfach gerne zurückdenke. Und gerade die intensive zusammen – es gibt noch viel zu tun!“ Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern vermisse ich bis heute. Denn junge Menschen sind häufig besonders offen und freuen sich auf neue Begegnungen. Vor diesem Hintergrund habe ich mich für meine Tätigkeit als Abgeordnete für die Be- reiche Bildung, Gleichstellung und Europa entschieden. Gleiche Startchancen, der es wichtiger denn je, dass wir über Grenzen barrierefreie Zugang zu Bildung und echte hinweg denken und über Grenzen hinweg Teilhabemöglichkeiten sind die Voraus- zusammenarbeiten. Für unser aller Zukunft setzungen für ein selbstbestimmtes Leben. ist nicht zuletzt die konstruktive und vertrau- Diese Dinge liegen mir besonders am Herzen ensvolle Zusammenarbeit im Ostseeraum und gerade hier bringe ich mein Wissen und unerlässlich. Hierfür und für ein solidarisches meine Erfahrung besonders gerne ein. und friedliches Europa werde ich mich auch Als Mitglied der dänischen Minderheit weiterhin einsetzen.“ bin ich es gewohnt, Brücken zu bauen um Barrieren zu überwinden. Gerade heute ist 8 DER LANDTAG 03 /2017
ARBEIT Hauke Göttsch, CDU, Sandra Redmann, SPD, Agraringenieur: Buchhändlerin: „Nach meinem Studium der Agrarwissen- „Meine Erfahrung als Buchhändlerin hilft schaften habe ich im vor- und nachgelagerten mir sehr oft bei meiner Tätigkeit als Parla- Bereich der Landwirtschaft gearbeitet, wo mentarierin, denn in beiden Bereichen gehe ich bis heute tätig bin. Parallel übernahm ich ich mit Menschen um. Als Buchhändlerin ab 1998 kommunalpolitische Mandate und habe ich gelernt, mit Menschen ins Gespräch Ämter in meiner Heimatgemeinde Ehndorf zu kommen und ihnen zuzuhören, sie zu (Kreis Rendsburg-Eckernförde) und bin seit beraten und ihnen Lösungen aufzuzeigen, 2013 Bürgermeister der Gemeinde. zum Beispiel wenn sie ein Buch als Geschenk suchten, aber nicht genau wussten, welche Art von Buch, welcher Autor, welches Thema dem Beschenkten Freude machen würden. Dazu gehört natürlich auch, dass ich mich mit Büchern gut auskennen und wissen muss, wovon ich rede. In der Politik geht es auch darum, mit Men- schen darüber zu sprechen, was sie bewegt und was ich Ihnen als Lösung anbieten kann, natürlich auf der Grundlage meiner Grund- Marret Bohn, Grüne, werte und Überzeugungen. Ich habe schon immer SPD gewählt. Eine meiner Kundin- Ärztin: nen war im Ortsverein Bad Schwartau und fragte mich, ob ich nicht mal in eine Sitzung „Da ich im Landtag die einzige Ärztin bin, kommen möchte. Dies war der Einstieg in die werde ich oft gefragt, auf welchem Weg ich Kommunalpolitik.“ in die Politik gekommen bin und warum ich mich für Gesundheits- und Sozialpolitik engagiere. Meine berufliche Erfahrung ist das Fundament meiner parlamentarischen Arbeit. Ich bin von Hause aus Internistin und habe im Friedrich-Ebert-Krankenhaus in Neumünster mit großer Begeisterung Zwar macht mir die Kommunalpolitik bis auf der Intensivstation gearbeitet. Da liegt zum heutigen Tage sehr viel Spaß, dennoch es für mich auf der Hand, dass ich in meiner entwickelte sich im Laufe der Zeit auch durch Fraktion für Gesundheitspolitik engagiere. die Arbeit in meinem Beruf der Wunsch, Mein Lieblingsbeispiel: Der Abbau des Sanie- landespolitisch tätig zu werden. Auf Landes- rungsstaus der Krankenhäuser in Schleswig- ebene sind die Gestaltungsspielräume für Holstein. Mit vielen Beispielen aus meiner eine Verbesserung der hiesigen Landwirt- täglichen Arbeit im Krankenhaus konnte schaftspolitik, der ich mich sehr verbunden ich meine Fraktion überzeugen, dies zum fühle, deutlich größer als auf kommunaler Schwerpunkt unseres Sanierungsprogramms Ebene. Seit 2009 gehöre ich dem Landtag als zu machen. Am Ende war der Beschluss sogar Mitglied des Umwelt- und Agrarausschusses einstimmig – darüber habe ich mich riesig an, dem ich zwischen 2012 und 2017 vorstand. gefreut. Ob es um die Arbeitsbelastung im Für mich war von Anbeginn meiner landes- UKSH, um die Situation der Pflege oder in politischen Tätigkeit klar, dass ich meine im der Geburtshilfe geht, ich habe immer die Studium und im Berufsleben angeeigneten Patienten im Blick und ein offenes Ohr für die Kenntnisse und Fähigkeiten in jenem Aus- Beschäftigten. Für meine parlamentarische schuss am effektivsten anwenden kann. Ich Arbeit sind auch meine guten Kontakte als kenne die aktuellen Herausforderungen der ehemalige Betriebsrätin sehr hilfreich.“ Landwirtschaft durch meinen Beruf, dem ich nach wie vor nachgehe, sehr genau und kann daher die Landwirte in meinem Ausschuss wirkungsvoll unterstützen.“ DER LANDTAG 03 /2017 9
IM RÜCKBLICK VOR 61 JAHREN Was hat die Landespolitik in früheren Zeiten bewegt? In dieser Serie blicken wir ins Archiv und spüren nach, was den Landtag in vergangenen Zeiten beschäftigt hat. Diesmal geht es ins Jahr 1956, als die schleswig-holsteinischen Metallarbeiter in einem viermonatigen Streik für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall kämpften. Alle Räder stehen still: Streikposten vor dem Werkstor 1956: Ein Relikt aus dem Jahr 1897 sorgte knapp 60 Jahre später für einen der längsten Streiks in der deutschen Geschichte. Ende des 19. der Kieler Howaldt-Werft Metallarbeiter Jahrhunderts beschloss der Reichstag ein Gesetz, das Angestellten im Krankheitsfall die volle Lohnfortzahlung für sechs W ochen hatte die Industriegewerkschaft Metall die Lohnfortzahlung im September 1956 zum an der Küste garantierte. Arbeiter blieben jedoch von dieser sozialpolitischen Errungenschaft aus- geschlossen, und sie blieben es nicht nur „Dreh- und Angelpunkt gewerkschaftlicher Politik der nächsten Zeit“ erklärt. Die Metallarbeiter in Schleswig-Holstein im im Kaiserreich, sondern auch während der Weimarer Republik, der Nazi-Zeit und der ersten Jahre der Bundesrepublik. waren die ersten, die diese Forderung durch- setzen wollten. Nachdem Verhandlungen mit den Arbeitgebern gescheitert waren, Rekord-Streik Kein Geld an den ersten drei Tagen traten am Mittwoch, den 24. Oktober 1956, zu Beginn der Frühschicht 32.000 Beschäftigte aus 25 Betrieben in Kiel, Lübeck, Flensburg, Das hatte gravierende Auswirkungen. Elmshorn und Lauenburg in den Ausstand. Wurde ein Arbeiter krank, musste er zunächst Schwerpunkt war der Schiffbau, allein in Kiel drei „Karenztage“ überstehen, in d enen er gar beteiligten sich 11.000 Arbeiter der Howaldt- keinen Lohn bekam. Anschließend gab es ein Werft. „Haus- und Krankengeld“, das nur etwa die „Gefährdung der Hälfte des Arbeitslohns betrug. Männer w aren Wirtschaftskraft“ in den 1950er-Jahren in der Regel Allein verdiener, und ein Fabrikarbeiter brachte im Der Landtag beriet am 14. November über Schnitt 350 D-Mark nach Hause. Fiel er über die angespannte Lage. Der Streik wirkte sich längere Zeit aus, nagte die g esamte Familie inzwischen auf das gesamte Wirtschaftsleben am Hungertuch. Und die Zeiten waren hart in im Norden aus, und eine Lösung war auch den Fabriken und auf den Werften. Im stren- nach drei Wochen nicht absehbar. Minister- gen Winter 1955/56 zog eine Erkältungswelle präsident Kai-Uwe von Hassel (CDU), der durchs Land. Während des Jahres 1955 hatte mehrere erfolglose Vermittlungsversuche fast jeder vierte Werftarbeiter an Nord- und unternommen hatte, warnte vor den „gefähr- Ostsee einen Unfall. Vor diesem Hintergrund lichen Folgen für unsere mit großen Opfern 10 DER LANDTAG 03 /2017
IM RÜCKBLICK der gesamten Bevölkerung aufgebaute junge Walter Damm von der oppositionellen „Man soll nicht dramatisieren, was an einzel- schleswig-holsteinische Wirtschaft und die SPD warf Konservativen und Liberalen hin- nen Stellen einmal passiert“, entgegnete der mit erheblichen Mühen erreichte Verbes- gegen vor, kein Verständnis für die Lebens- Sozialdemokrat Damm. serung des sozialen Lebensstandards“. Der wirklichkeit „an der Drehbank oder vor dem Auf den verwaisten Werften, wo nur noch Streik führe zu Produktionsausfällen, und Hochofen“ zu haben: „Man muss einmal Angestellte und Lehrlinge zum Dienst an die Werften hätten „fast keine Neuaufträge“ an der Stelle des Arbeiters gestanden haben traten, herrschte weitgehender Stillstand. Die mehr. Auch in Zulieferbetrieben drohten Ent- und muss spüren, wie eine Krankheit auf Lübecker Flender-Werft sagte den Stapellauf lassungen und Kurzarbeit. Ein Nebeneffekt, einen zukommt und man nicht in der Lage eines Neubaus ab. Die Taufpatin, die Frau so der Regierungschef: „Allein im Raum Kiel ist, rechtzeitig zum Arzt zu gehen, weil die eines indischen Ministers, reiste ab, ohne ist der Verbrauch an elektrischer Energie seit Kinder dann nicht mehr versorgt wären und die Sektflasche geschleudert zu haben. Die Beginn der Streiks um 25 bis 40 Prozent zu- weil die Miete nicht mehr bezahlt werden Werktätigen mussten mit etwa 70 D-Mark rückgegangen“. Hans Kersig (FDP) erinnerte könnte.“ Damm setzte, wie der gesamte Streikgeld pro Woche auskommen. Um sie an die bevorstehenden Feiertage und die dro- Landtag, auf eine baldige Schlichtung: „Ich und ihre Angehörigen bei Laune zu halten, henden Einbußen im Einzelhandel: „Denken glaube, dass es, sobald die Partner an einem organisierte die IG Metall Kinovorstellungen, wir doch einmal an die Auswirkungen, die Tisch sitzen, keine 24 Stunden dauern wird, Revue-Abende und „Hausfrauennach dieser Streik jetzt zum Weihnachtsfest hat, bis der Streik zu Ende ist.“ mittage“. Ganz so freudlos wie befürchtet wenn die Hausfrauen von ihren Männern wurden die Feiertage dann doch nicht: Zu Feindschaft und oder von ihren Söhnen Geld erbitten, um Weihnachten trafen Päckchen und Geld Weihnachtspakete Geschenke zu kaufen, mit denen sie den An- spenden von solidarischen Mitbürgern aus gehörigen Freude machen wollen. Das wird Da irrte er sich. Die Fronten blieben ver- ganz Deutschland im Norden ein. in diesem Jahr schwerlich möglich sein.“ härtet, teilweise herrschte offene Feind- Am Ende stand ein schaft. Der Streik weitete sich aus, am Ende „Verständnis Teilerfolg waren 35.000 Menschen in 38 Betrieben be- für die Arbeiter“ teiligt. Die Wirtschaftsverbände schalteten Unterdessen liefen Schlichtungsver- Der damals 28 Jahre alte CDU-Abgeordnete Zeitungsanzeigen, in denen sie an Arbeits handlungen. Ein erster Vorschlag stand am Gerhard Stoltenberg, später lang jähriger willige appellierten: „Zeigt Zivilcourage! Sil vestertag 1956 zur Abstimmung – und Ministerpräsident, hielt den Streik ausge- Lasst Euch durch den Terror der Gewerk- fiel mit einem Nein-Votum von 97 Pro- rechnet im Armenhaus Schleswig-Holstein schaft nicht einschüchtern!“ Die konservative zent bei den Arbeitern glatt durch. Auch ein für fehl am Platze: „Warum verlangt „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ befürchte- zweites und ein drittes Kompromisspapier man bei uns mit der schweren Waffe des te eine „verstärkte Tendenz zum Krankfeiern fanden keine Mehrheit. Erst Urabstimmung Streiks, was in den blühenden Industrien und zur illegalen Arbeitszeitverkürzung“, Nummer vier am 14. Februar 1957 führte zum Nordrhein-Westfalens, was im reichen sollte die Lohnfortzahlung kommen. Ende des Streiks – nach 114 Tagen. Hamburg nicht vereinbart wurde?“ Zudem, Andererseits wurden arbeitsbereite Kolle- Die Metallarbeiter hatten einen Teilerfolg so Stoltenberg, habe es doch bereits einen gen als „Streikbrecher“ unter Druck gesetzt. erzielt. War ein Beschäftigter mehr als eine großen Schritt nach vorne für die Industrie- Die Flensburger Streikleitung versandte Woche krank, so wurden ihm 1,5 „Karenz arbeiter gegeben: das „Bremer Abkommen“ Briefe, in denen es hieß: „Judas verkaufte tage“ erstattet. Bei zwei Wochen Krank- zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften seinen Herrn für 30 Silberlinge. Wofür ver- schreibung wurden alle drei „Karenztage“ aus dem September 1956, das die Wochen kaufst Du Deine Kollegen?“ CDU-Mann bezahlt. Und: Das Krankengeld stieg auf 90 arbeitszeit von 48 auf 45 Stunden reduzierte – Stoltenberg beklagte in der Landtagsdebatte Prozent des Nettolohns. bei einem gleichzeitigen Lohn-Plus von acht die „Schmähungen von Arbeitswilligen“, die Allerdings: Diese Einigung wurde nur Prozent. teils auch in körperliche Angriffe ausarteten. per Tarifvertrag festgeschrieben. Die für die Arbeiter so folgenschwere gesetzliche Ungleichbehandlung aus dem Jahr 1897 galt zunächst weiter. Aber auch hier sei eine Lösung in Sicht, waren die Landtagsabgeord- neten im November 1956 überzeugt. Schließ- lich berate der Bundestag bereits über dieses Thema, müsse jedoch zuerst eine andere sozialpolitische Weichenstellung bewältigen: die umlagefinanzierte Rente. „Und man soll- te den Bundestagsabgeordneten bei dem Umfang dieser Arbeit nicht mehr zumuten“, betonte der FDP-Parlamentarier Kersig. Doch auch nach der wegweisenden Rentenreform dauerte es noch Jahre, bis die vollständige Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten im Bürgerlichen Gesetz- buch stand. Sie trat erst zum 1. Januar 1970 in Kraft. Unterschiedliche Meinungen zum Streik: der Landtag 1956 Karsten Blaas DER LANDTAG 03 /2017 11
ARBEIT Gesucht I: Gesucht II: Mehr Personal in der Pflege Rezepte für die sichere Rente Stichwort „Pflegenotstand“: In jüngster Zeit machten Am Ende jahrzehntelanger Arbeit steht für viele Menschen Meldungen die Runde, wonach an einigen Krankenhäusern eine spärliche Rente. Wie kann die Politik gegensteuern? im Lande Operationen abgesagt und ganze Stationen Im Landtag lagen im September verschiedene Konzepte geschlossen werden mussten – wegen Personalmangel. gegen Altersarmut auf dem Tisch: etwa die Garantie-Rente, Vor diesem Hintergrund hat der Landtag im September die private Vorsorge oder die Finanzierung des Rentensystems einmütig vom Bund strengere Standards gefordert. über Steuern. Birte Pauls (SPD) regte eine gesetzliche Regelung dazu an, wie Die SPD fordert, ein Rentenniveau von mindestens 48 Prozent des viele Patienten eine Pflegekraft höchstens betreuen darf. Erst wenn letzten Nettoeinkommens festzuzurren und gleichzeitig den Beitrags- genügend Personal auf der Station sei und der Dienstplan verlässlich satz von heute 18,7 Prozent bei 22 Prozent zu deckeln. Fraktionschef sei, „dann bleiben die Pflegekräfte auch wieder in diesem eigentlich Ralf Stegner warb für eine „Solidarrente“, die „sich deutlich von der wunderbaren Beruf.“ Grundsicherung abhebt“. Und: Das Rentenalter soll nicht über 67 Der Bund habe bereits reagiert, betonte Katja Rathje-Hoffmann Jahre hinaus erhöht werden. „Wir müssen jetzt handeln, damit das (CDU). Sie verwies auf das Pflegestellen-Förderprogramm in Höhe Rentenniveau 2030 nicht bei 43 Prozent liegt“, so Stegner. Eine „Min- von 660 Millionen Euro für die Jahre 2016 bis 2018 und den Pflege- destrente“ wäre auch für Flemming Meyer (SSW) ein richtiger Schritt. zuschlag von jährlich 500 Millionen Euro für mehr Personal. Zudem Der „große Wurf“ sei allerdings ein Systemwechsel zu einer steuer seien strikte Personaluntergrenzen erforderlich, „weil einige Kliniken finanzierten Rente nach dänischem Vorbild. in der Vergangenheit sehr gespart haben“, so Rathje-Hoffmann. Aller- CDU, Grüne und FDP betonten, dass „jeder Schritt zur Vollbeschäf- dings, mahnte Dennys Bornhöft (FDP), könne man nicht „mit einem tigung auch ein Schritt zur besseren Finanzierung der Renten ist“. Eine Federstrich eine Vielzahl neuer ausgebildeter Pflegekräfte“ anwerben. Anhebung des Rentenalters „streben wir nicht an“, heißt es in dem Er forderte die Kliniken auf, Tariflöhne zu zahlen, um den Job attrak- gemeinsamen Antrag. „Daneben werden aber auch private Vorsorge tiver zu gestalten. und betriebliche Alterssicherungselemente von Bedeutung sein“, un- Frank Brodehl (AfD) monierte ebenfalls die schlechte Bezahlung in terstrich Werner Kalinka (CDU). Das sah auch Dennys Bornhöft (FDP) der Branche: „Eine Krankenschwester beziehungsweise -pflegerstun- so: „Wer sich hinstellt und sagt, die gesetzliche Rentenversicherung de kann nur deshalb so viel weniger kosten als eine Monteurstunde, allein wird für ein gesichertes Einkommen im Alter sorgen, versündigt weil unter teils menschenunwürdigem Zeitdruck gearbeitet wird.“ sich an der jungen Generation.“ Wichtig sei es zudem, Menschen mit Und Flemming Meyer (SSW) forderte mehr Landesgeld für die Kran- niedriger Rente „in Zukunft nicht mehr zum Sozialamt zu schicken“, kenhäuser. Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) kritisierte die sagte Sozialminister Heiner Garg (FDP). bundesweit unterschiedlichen Fallpauschalen für die Kliniken, die im Ein Grund für geringe Rentenansprüche, so Frank Brodehl (AfD): Norden besonders niedrig ausfielen. Er kündigte für 2018 eine Million „Die prekären Arbeitsverhältnisse im Niedriglohnsektor steigen und Euro zusätzlich für Schulplätze in der Altenpflege an. steigen.“ Um gegenzusteuern forderte er eine „gesetzlich festgeschrie- Marret Bohn (Grüne) wies darauf hin, dass es in wenigen Jahren be- bene Obergrenze an Zeitarbeitsverträgen in allen Betrieben“. Die reits 125.000 Pflegebedürftige im Lande geben werde. Derzeit sind es Grünen-Abgeordnete Marret Bohn wies darauf hin, dass Altersarmut 89.000. Die Folge: Fachkräftemangel. Im Jahr 2035 könnte es deutsch- insbesondere Frauen treffe. In Schleswig-Holstein hätten Männer eine landweit insgesamt 270.000 Pflegekräfte zu wenig geben, so Bohn. Durchschnittsrente von 1098 Euro, Frauen jedoch nur von 603 Euro. Niedrigrenten seien „Sprengstoff für unsere Gesellschaft“. 12 DER LANDTAG 03 /2017
EHRENAMT Meldungen für das Ehrenamt Viele Beschlüsse, die der Landtag fasst, haben direkte Auswirkungen auf Kommunalpolitik, Vereins arbeit und Bürgerinitiativen. Auf dieser Seite finden ehrenamtlich engagierte Bürger diese Themen im Überblick. Ausbaubeiträge: Seit 2012 müssen Volker Schnurrbusch bemängelte, dass Gesetze, anders als Bundestag und Landtag. Kommunen Haus- und Wohnungsbesitzer Anlieger oft noch nach Jahren zur Kasse ge- Deswegen dürfe es dort auch keinen „der zur Kasse bitten, wenn die S traßen vor ihrer beten würden. Viele Kommunen hätten gar artig tiefgreifenden Eingriff in das Wahl- Tür ausgebaut werden. keine Satzungen, und wenn, dann würden recht“ wie eine Eintrittshürde für Parteien Das soll sich mit einem Gesetzentwurf der sie oft nicht oder intransparent umgesetzt. geben. Jamaika-Koalition ändern. CDU, Grüne und Der Innen- und Rechtsausschuss berät die Kay Richert (FDP) warf der SPD eine FDP wollen es den Städten und Gemeinden Gesetzentwürfe weiter. „Arroganz der Größe“ vor und verteidigte künftig wieder selbst überlassen, ob sie von die Vielfältigkeit der kommunalen Volks- Anwohnern Beiträge für den Straßenaus- Sperrklausel bei Kommunalwahlen: vertretungen: „Demokratie darf anstren- bau erheben oder nicht. Die Beträge seien Auch bei der Kommunalwahl am 6. Mai 2018 gend sein.“ Jörg Nobis (AfD) argwöhnte, eines „der meist beklagten Themen in den wird es voraussichtlich keine Sperrklausel die SPD strebe offenbar eine „bewusste Kommunen“, sagte Innenminister Hans- für kleine Parteien geben. Zwar will die SPD Beschneidung der Minderheitenrechte“ in Joachim Grote (CDU) in der September- eine Hürde von 2,5 Prozent errichten und den Kommunalvertretungen an. Und Lars Sitzung. Für manche Bürger seien die Bei- so eine „Zersplitterung“ der Stadträte und Harms (SSW) warnte davor, „die parla- träge ein existenzielles Problem. Mit dem Kreistage verhindern. Eine Mehrheit ist aber mentarische Demokratie auf kommunaler Gesetzentwurf von CDU, Grünen und FDP nicht in Sicht. Das liegt am Gegenwind von Ebene aufzuweichen“ und appellierte an werde nichts verboten. Aber: „Es sollte an- Grünen, FDP, AfD und SSW – und an der die Sozialdemokraten: „Mehr Demokratie hand der örtlichen, individuellen Verhält- Koalitionstreue der CDU. wagen!“ nisse entschieden werden.“ Es gebe mehrere Die Union hatte im Wahlkampf sogar Eine 2,5-Prozent-Hürde würde sich Alternativen, beispielsweise eine Erhöhung eine Vier-Prozent-Hürde gefordert, gab voraussichtlich nur in größeren Orten und der Grundsteuer oder Ratenzahlung. sich in der Juli-Sitzung aber ablehnend, mit den vier kreisfreien Städten Kiel, Lübeck, Der FDP-Abgeordnete Stephan Holowaty Rücksicht auf die Jamaika-Partner Grüne Flensburg und Neumünster sowie in den elf sprach von „einem der größten Ärgernisse“. und FDP. Sie habe „durchaus Sympathie“ Landkreisen auswirken. Die Beiträge seien eine „ständige Quelle für den SPD-Plan, so die Abgeordnete Petra für Unfrieden“. Nach Ansicht der CDU- Nicolaisen. Aber: „Wir halten uns an den Gemeinderäte: Einstimmig hat der Innenpolitikerin Petra Nicolaisen ist die Koalitionsvertrag.“ Landtag im Juli die Zahl der Gemeinde- Entscheidung vor Ort am besten zu treffen: Thomas Rother (SPD) warb dennoch bei vertreter in Boostedt (Kreis Segeberg) und „Das Zauberwort heißt kommunale Selbst- der Union um Zustimmung und lud für die Seeth (Kreis Nordfriesland) korrigiert. Dort verwaltung.“ Beratungen im Innen- und Rechtsausschuss war die Einwohnerzahl zwischenzeitlich Kritik kam von der SPD. „Mit einer Ab- zu einer „große Koalition der Vernunft“ stark gestiegen, wegen der Unterbrin- schaffung hat dieser Gesetzentwurf gar ein. Es müsse darum gehen, die „teilweise gung von Flüchtlingen. Beide Orte hatten nichts zu tun“, sagte die Innenpolitikerin Arbeitsunfähigkeit“ der Gremien zu behe- deswegen zum Stichtag 31. Dezember Beate Raudies. Tatsächlich verschiebe die ben, wo stabile Mehrheiten immer schwerer 2015 einen Grenzwert überschritten und Koalition die Verantwortung nur in die zu vereinbaren seien und eine längerfristi- müssten ihre Gemeindevertretungen um kommunalen Verwaltungen. Schwer taten ge, verlässliche Haushaltswirtschaft kaum zwei beziehungsweise vier Sitze aufstocken. sich die Grünen, die das derzeitige Gesetz noch möglich sei. Da die SPD nicht nur das Die Zahl der Asylbewerber ist inzwischen 2012 mitbeschlossen hatten. „Das war kein Gemeinde- und Kreiswahlgesetz, sondern allerdings wieder gesunken. Die Orte liegen leichter Gang für uns“, sagte die Abgeord- auch die Landesverfassung ändern will, nun wieder unter dem Grenzwert. Ent- nete Ines Strehlau: „Unsere Sorge war und wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Land- sprechend wurde auf Initiative von CDU, ist weiterhin: Es darf nicht zu einem Wett tag erforderlich. Grünen und FDP das Gemeinde- und bewerb unter den Kommunen kommen.“ Burkhard Peters (Grüne) sperrte sich Kreiswahlgesetz für die beiden Sonderfälle Auch der oppositionelle SSW hält den gegen eine Mindestklausel und verwies auf geändert. Für Boostedt und Seeth gilt nun Gesetzentwurf grundsätzlich für richtig. ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts der Stichtag 30. September 2015 – vor dem Die AfD legte einen eigenen Gesetzent- aus dem Jahr 2008, das er als Jurist selbst Zuzug der Flüchtlinge. Damit entspricht die wurf vor, der den Ermessensspielraum erfochten hatte. Kernpunkt: Kreistage wäh- Größe des neuen Gemeinderats der tatsäch- der Gemeinden betont. Der Abgeordnete len keine Regierung und beschließen keine lichen Einwohnerzahl. DER LANDTAG 03 /2017 13
PERSONALIEN Doris von Sayn-Wittgenstein, AfD- Kristin Alheit, von 2012 bis Juni 2017 Landtagsabgeordnete, ist neue Landesvorsit- Sozialministerin, wird neue Geschäftsführe- zende ihrer Partei. Sie setzte sich Mitte Juli auf rin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes einem Parteitag in Henstedt-Ulzburg (Kreis Hamburg. Sie übernehme das Amt des ge- Segeberg) gegen den bisherigen Landesvorsit- schäftsführenden Vorstands am 1. Oktober zenden und Fraktionsvorsitzenden im Land- von Joachim Speicher, der den Verband aus tag, Jörg Nobis, durch. Sayn-Wittgenstein familiären Gründen verlasse, teilte die Or- bekam nach Angaben eines Parteisprechers ganisation Mitte September mit. Vor ihrem im sogenannten Akzeptanzwahlverfahren 68 Ministeramt war die Sozialdemokratin unter Prozent der Stimmen. Nobis erhielt demnach anderem Bürgermeisterin von Pinneberg. 50 Prozent. Bei diesem Wahlverfahren kön- nen Wähler für mehrere Kandidaten votieren. Flemming Meyer steht für weitere zwei Jahre an der Spitze des SSW. Beim Landes- Klaus Buß, ehemaliger Innenminister parteitag Mitte September in Husum wurde und SPD-Landtagsabgeordneter, ist Sonder Meyer ohne Gegenstimme bei einer Enthal- beauftragter der Landesregierung im Zu tung im Amt bestätigt. Der Landtagsabgeord- sammenhang mit den Ermittlungen zur nete aus Handewitt ist seit 2005 Vorsitzender Rockerkriminalität. Innenminister Hans- der Partei der dänischen Minderheit. Joachim Grote (CDU) berief ihn Ende Juli auf diesen Posten. Hintergrund ist eine Affäre Anette Langner, SPD-Landtagsabgeord- um mögliche Aktenmanipulation und unter- nete von 2005 bis 2012 und anschließend drückte Beweismittel bei Ermittlungen gegen Staatssekretärin im Sozialministerium, Rocker im Jahr 2010. Außerdem ermittelt die gehört ab Anfang Oktober dem Vorstand des Jutta Schümann, ehemalige SPD- Staatsanwaltschaft Lübeck wegen des Ver- Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Schleswig Landtagsabgeordnete, ist neue Vorsitzende dachts der Überwachung von Journalisten der Holstein an. Das gab der DRK-Landesverband des NDR-Landesrundfunkrates Schleswig- „Kieler Nachrichten“ durch die Landespolizei. Ende Juli bekannt. Langner ist zuständig für Holstein. Das teilte der NDR Anfang Juli Buß saß von 2001 bis 2005 im L andtag, von die Bereiche Soziales, Personal und Bildung. mit. Die Neumünsteranerin, von 2000 bis 2000 bis 2005 war er Innenminister. Sie übernimmt den Posten des ehemaligen 2009 im Parlament, wurde für eine fünf- Landtagspräsidenten Torsten Geerdts, der jährige Amtsperiode gewählt. Der Landes- Britta Ernst, von 2014 bis Juni 2017 nach der Wahl im Mai als Staatsekretär ins rundfunkrat überwacht die Einhaltung der Bildungsministerin, ist seit Ende September Innenministerium gewechselt ist. Programmanforderungen für die Landes- in der Landesregierung von Brandenburg für programme in Radio und TV und berät den Bildung, Jugend und Sport zuständig. Die Landesfunkhausdirektor. SPD-Politikerin ist Nachfolgerin von Günter Baaske, der sein Ministeramt aus privaten Gründen niedergelegt hat. Runde Geburtstage Karenzzeiten: Einstimmig hat der Land- tag im Juli der Einrichtung des „Gremiums Egon Schübeler aus Rügge bei Kappeln, von 1967 bis 1987 für die CDU im Landtag, nach Paragraf 8a des Landesministergesetzes“ Landtagsvizepräsident von 1975 bis 1987, hat am 4. September seinen 90. Geburtstag zugestimmt. Dessen Aufgabe ist es, gegen- gefeiert. über der Landesregierung eine Empfeh- Friedrich-Carl Wodarz aus Bad Oldesloe, von 1996 bis 2005 für die SPD im Landtag, lung auszusprechen, ob und wie lange ein hat am 1. September seinen 75. Geburtstag gefeiert. Minister eine Karenzzeit einhalten muss, wenn er aus dem Amt scheidet und einen Frauke Walhorn aus Oelixdorf bei Itzehoe, von 1987 bis 2000 für die SPD im Landtag, Posten in der Wirtschaft annehmen will. hat am 6. September ihren 75. Geburtstag gefeiert. Das Gremium tagt nicht öffentlich, be- steht aus einem Mitglied pro Fraktion und Volker Lemke aus Lübeck, von 1983 bis 1987 für die CDU im Landtag, hat am 27. Sep- ist zur Verschwiegenheit verpflichtet. Als tember seinen 75. Geburtstag gefeiert. Mitglieder bestimmte das Parlament Tobias Anke Spoorendonk aus Busdorf bei Schleswig, von 1996 bis 2012 für den SSW im Koch (CDU), Ralf Stegner (SPD), Eka von Landtag, von 2012 bis 2017 Justizministerin, hat am 21. September ihren 70. Geburtstag Kalben (Grüne), Wolfgang Kubicki (FDP), gefeiert. Jörg Nobis (AfD) und Lars Harms (SSW). Ulrich Schley aus Kölln-Reisiek bei Elmshorn, von 1988 bis 1996 für die CDU im Landtag, hat am 28. September seinen 70. Geburtstag gefeiert. Herzlichen Glückwunsch! 14 DER LANDTAG 03 /2017
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