Mitteilungen DMG 3 l 2019 - DMG - Deutsche Meteorologische ...
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DMG Deutsche Meteorologische Gesellschaft Mitteilungen DMG 3 l 2019 Wolkenformation Ein sonniger und heißer Tag an der Save (Davor, Kroatien). In der feuchten Luft konnten sich nicht nur Cumuluswolken, sondern auch prächtige Cumulonimben entwickeln. Die Gewitter blieben lokal begrenzt, so dass sie von den Wetterstationen in dem Gebiet nicht erfasst wurden (Meteorologischer Kalender 2020, Bild Mai, © Ivica Brlic).
Hinterm Mond Dieter Etling „Du lebst wohl hinterm Mond“ heißt ein Sprichwort im Volksmund. Man meint damit eine Person, die über laufende Entwicklungen und den Fortschritt (auf der Erde) nicht im Bilde ist. Von der Rückseite des Mondes kann man die Erde bekanntlich nicht sehen. Zum 50. Jahrestag der ersten Mondlandung (auf der Vorderseite) muss man dieses Vorurteil wohl etwas revidieren. Wenn man sich weit genug hinter dem Mond aufhält, wie das neue „Deep Space Climate Observatory“ (DSCOVR) der NASA, welches die Erde in einem Abstand von etwa 1 Millionen Meilen umkreist, kann man nicht nur die Erde sehen, sondern gelegentlich auch gleichzeitig die von der Sonne beschienene Rückseite des Mondes, wie auf diesem Foto. Mehr beleuchtete Erde und Mond geht nicht, Dank des Fortschritts in der Satellitentechnik. Weitere Informationen zu- diesem neuen Weltraumobservatorium unter: www.nesdis.noaa.gov/content/dscovr-deep-space-climate-observatory Abb.: Ansicht der beleuchteten Rückseite des Mondes vor der Erdkugel, aufgenommen mit der EPIC-Kamera an Bord des NASA Observatoriums DSCOVR am 5. August 2015 (© NASA/NOAA).
Inhalt Liebe Leserinnen und Leser, wenn Sie diese Zeilen lesen, ist der diesjährige Sommer focus 2 fast vorbei. Möglicherweise haben einige von Ihnen unter den zum Teil recht hohen Lufttemperaturen gelitten, die kommunikation wetter und klima 11 uns besonders der Juli bescherte. So wurden am 25. Juli an 25 offiziellen Messstationen des DWD und der Bundes- wir 13 wehr Temperaturen von 40 °C und höher gemessen. Dabei wurde an der Station Lingen im Emsland mit 42,6 °C die höchste bisher in Deutschland beobachtete Temperatur mitgliederforum 30 erreicht. Ein Temperaturrekord also. Dieser wurde sogleich von einigen privaten Wetterdiensten in Zweifel gezogen medial 36 und nicht anerkannt. Es wurde hierbei als Argument vor- gebracht, dass der Standort Lingen nicht den Vorgaben der WMO (Weltorganisation für Meteorologie) für offizielle news 42 Wetterstationen genügt (es wurde z. B. eine zu hohe Hecke im Nahbereich der Temperaturmessung bemängelt). tagungen 46 Nun könnte man diesen Fall von der WMO selbst untersu- chen lassen, führt sie doch ein Archiv über Klima-Extreme, anerkennungsverfahren 49 in dem die gemessenen Extremwerte verschiedener mete- orologischer Parameter wie Temperatur, Niederschlag und Windgeschwindigkeit gesammelt werden (https://wmo. korporative Mitglieder 51 asu.edu). Bevor ein Rekord darin aufgenommen wird, un- tersucht eine eigens dafür eingesetzte Kommission, ob die assoziierte Mitglieder 52 Messung dem WMO-Standard entsprochen hat. In dieser Liste findet man als globalen Rekord für die höchste Tem- peratur den vor über hundert Jahren (am 10. Juli 1913) in impressum 52 Furnace Creek, Death Valley, USA gemessenen Wert von Rubrik Rubrik 56,7 °C. Für die WMO-Region Kontinentaleuropa (zu der auch Lingen gehört) wird eine Messung in Athen vom 10. Juli 1977 mit 48,0 °C als bisheriger Temperaturrekord aufge- listet. Für die einzelnen Mitgliedsländer der WMO werden im obengenannten Archiv der Klimaextreme keine sepa- raten Aufstellungen über Wetterrekorde geführt, die WMO ist für nationale Rekorde wohl nicht zuständig. Ein kurzer Blick in das Archiv zeigt, dass sich in den verschiedenen Re- kordsparten kein einziger in Deutschland gemessener Wert befindet. Es ist doch irgendwie beruhigend, dass sich unser Wetter und Klima im erträglichen Bereich befindet. Im Übrigen heißt der neue WMO-Präsident (ein Ehren- amt) Gerhard Adrian, im Hauptberuf Präsident des DWD (siehe nachfolgenden Bericht). Mit freundlichen Grüßen Dieter Etling
DWD-Präsident Prof. Dr. Gerhard Adrian erster deutscher WMO-Präsident DWD Prof. Dr. Gerhard Adrian (62), Präsident des Deutschen Wet- terdienstes (DWD), wurde am 13. Juni 2019 in Genf auf dem 18. Kongress der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) als erster Deutscher zum Präsidenten gewählt. Der ehren- amtliche WMO-Präsident wird von den Mitgliedsstaaten der UN-Organisation für vier Jahre gewählt. Er ist Vorsitzen- der des alle vier Jahre stattfindenden Kongresses der WMO, leitet die Sitzungen des Exekutivrats und beaufsichtigt die Aktivitäten der Organisation und ihres hauptamtlichen Ge- neralsekretärs. Adrian: „Die WMO ist die Schaltzentrale aller internationalen meteorologischen Aktivitäten. Sie schafft die Grundlagen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit der Abb.: Prof. Dr. Gerhard Adrian, Präsident der Weltorganisation für Meteorolo- Mitgliedstaaten – damit diese ihre wichtigen Aufgaben gie (WMO) und des Deutschen Wetterdienstes (DWD), © DWD. zum Wohl ihrer Gesellschaften erbringen können. Es ist deshalb unsere gemeinsame Verantwortung und mein In- teresse, die WMO zu stärken. Meine Wahl ist aber auch eine der WMO erstreckt sich auf die Meteorologie, Hydrologie Anerkennung des weltweiten deutschen Engagements und Klimatologie. Sie ist das weltweite Forum für die Zu- beim Schutz vor Wettergefahren und der Anpassung an sammenarbeit der nationalen Wetterdienste und hydrolo- den Klimawandel.“ gischen Dienste. Gerhard Adrian ist seit Mitte 2010 Präsident des DWD Die Mitglieder bei der Weltorganisation für Meteorologie und ständiger Vertreter Deutschlands bei der WMO. Von (WMO) sind – mit Ausnahme der wenigen Territorien – die 1999 bis 2011 war der 1993 habilitierte Meteorologe Lei- Staaten. Momentan hat die WMO 193 Mitglieder, von de- ter des Geschäftsbereichs Forschung und Entwicklung des nen jeder einen „Ständigen Vertreter“ (Permanent Repre- nationalen Wetterdienstes, von 2006 bis 2010 auch dessen sentative with WMO) benennt, der oder die in der Regel focus Vizepräsident. Seit 1998 lehrt Adrian als Privatdozent für den nationalen Wetterdienst leitet. Nur diese ständigen Meteorologie und seit 2003 als außerplanmäßiger Profes- Vertreter können für die Ämter des WMO-Präsidenten oder sor für Meteorologie an der Universität Karlsruhe. der drei Vizepräsidenten kandidieren. Diese Ämter sind Aufgaben und Ziele der WMO Ehrenämter und die Amtsinhaber bleiben weiterhin Direk- Die 1950 gegründete WMO (World Meteorological Orga- toren ihrer jeweiligen Wetterdienste. nization) mit Sitz in Genf ist die Nachfolgeorganisation der Mehr Informationen unter: 1873 entstandenen „International Meteorological Organi- https://public.wmo.int/en/about-us zation“. 1951 erhielt die WMO den Status einer Sonderor- ganisation der Vereinten Nationen. Der Aufgabenbereich Quelle: Pressemitteilung des DWD vom 13.06.2019 Interview der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft (DMG) mit Prof. Dr. Gerhard Adrian, Präsident des Deutschen Wetterdienstes (DWD) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) DMG und DWD Welche Schwerpunkte wollen Sie in Ihrer Amtszeit setzen? Die Schwerpunkte sind durch den neuen, vom Kongress Das Interview mit Prof. Adrian wurde im Juli 2019 nach sei- beschlossenen strategischen Plan der Weltorganisation ner Wahl zum neuen WMO-Präsidenten durchgeführt. Die für Meteorologie (WMO) festgelegt. Die darin formulierten Fragen der DMG, vertreten durch den Vorstand, sind fett übergeordneten Langzeitziele sind gedruckt. 2 Mitteilungen DMG 3/2019
1. Bessere Erfüllung gesellschaftlicher Anforderungen nach autorisierter, leicht zugänglicher, nutzerorientierter und anforderungsgerechter Information und Dienstlei- stungen. 2. Verbesserung der Beobachtung und Vorhersage des Erd- systems, Stärkung der technischen Grundlagen für die Zukunft. 3. Stärkung zielgerichteter Forschung zur Verbesserung des Verständnisses des Erdsystems und darauf aufbau- ender erweiterter Dienstleistungen. 4. Schließung von Kapazitätslücken in der Bereitstellung von Dienstleistungen für Wetter, Klima, Wasser und damit zusammenhängender Umweltthemen, Unter- stützung der Entwicklungsländer bei der Bereitstellung Abb.: Prof. Gerhard Adrian, neuer Präsident der WMO, im Interview mit der grundlegender Informationen und Leistungen für ihre DMG-Vorsitzenden Inge Niedek (© DWD). Regierungen, Wirtschaft und Bewohner. 5. Strategische Neuausrichtung der WMO-Strukturen und Wie ist die Initiative der WMO zum Austausch zwischen -Programme zur effektiven Umsetzung dieser Ziele. nationalen, privaten und wissenschaftlichen Instituti- Die erste große Herausforderung ist das letztgenannte, onen mit der „Open Consultative Platform“ (OCP) zu be- fünfte Ziel, die unverzügliche Implementierung der jetzt werten? Wer werden die Gewinner, wer die Verlierer sein? vom WMO-Kongress und dem anschließenden Exekutivrat Private Provider von Infrastruktur und Information und der beschlossenen Reform der Arbeits- und Entscheidungs- akademische Sektor tragen im zunehmenden Maße zur strukturen („Governance Reform“), um die WMO arbeits- meteorologischen Wertschöpfungskette bei. Die WMO hat fähig zu halten. Dieser Aufgabe werde ich mich zunächst jetzt die Initiative mit der „Open Consultive Platform“ über- verstärkt widmen. Mit dieser Reform erwarte ich, dass die nommen, diese Bereiche mit dem öffentlichen Bereich ins WMO die oben genannten Ziele 1 bis 4 effektiver umset- Gespräch zu bringen. Dabei wächst die Erkenntnis, dass alle zen und auf neue Anforderungen schneller reagieren kann genannten Bereiche voneinander abhängen. Bisher wurde als bisher. Statt bisher acht gibt es jetzt nur noch zwei zwi- diese Diskussion sehr einseitig mit einfach ansprechbaren schenstaatliche Technische Kommissionen, die auf ihren Partnern des privaten Sektors geführt. Damit meine ich glo- Sitzungen sich nur noch, wie in der Konvention der WMO bal tätige Informations- und Technologieunternehmen, die vorgesehen, auf die Verabschiedungen von Empfehlungen im zunehmenden Maße neue Geschäftsmodelle im Bereich an Kongress und Exekutivrat beschränken. Die nachgeord- Meteorologie entwickeln und die bisher die Diskussion mit focus neten Arbeitsgruppen werden sich öffnen, um mehr Bei- der WMO geprägt haben. träge aus Universitäten und anderen Forschungseinrich- Eine Herausforderung für die WMO ist, dass es beliebig tungen sowie aus der Wirtschaft einbeziehen zu können. viele Geschäftsmodelle und damit Interessen im privaten Daneben bewerte ich meine Wahl als einen großen Ver- Sektor gibt. Bisher ist es aus meiner Sicht nicht gelungen, trauensbeweis und gleichzeitig als Würdigung der wich- diese Breite der Interessen in die Diskussion mit einzubrin- tigen Rolle Deutschlands für die WMO. gen. Damit ist das Risiko groß, dass kleine und mittlere Dienstleister in dieser Diskussion nicht sichtbar werden Kann die Wahl als Signal gewertet werden, dass eine und damit leicht zu den Verlierern werden können. Der Mehrheit der Staaten am freien und kostenfreien Aus- akademische Sektor kann eine zunehmend wichtige Rolle tausch von Wetterdaten festhalten will? spielen, im Rahmen der Governance Reform wurden neue Aus meiner Sicht ist der freie und uneingeschränkte, d. h. Gremien etabliert um die Rolle der Wissenschaft in der diskriminierungsfreie globale Austausch eines essenti- WMO zu stärken. ellen Datensatzes unverzichtbar, sowie es vom 12. WMO- Kongress in seiner Resolution beschlossen wurde. Dieser In den USA ist die Sorge wissenschaftlicher Einrich- Datensatz erlaubt es jedem Staat, die Sicherung von Leben tungen groß, dass die Freiheit der Klimaforschung ein- und Eigentum seiner Bürgerinnen und Bürger durch mete- geschränkt werden könnte. Kann die Wahl auch als Hoff- orologische und klimatologische Information zu unterstüt- nung verstanden werden, dass die Unabhängigkeit von zen. Das setzt aber auch voraus, dass jeder Staat in die Lage Forschung und Lehre vor allem im Bereich der Klimafor- versetzt werden muss, seinen Beitrag zu diesem Datensatz schung gestärkt wird? zu leisten. Hier gibt es einen großen Unterstützungsbedarf. Die Freiheit von Forschung und Lehre, wie wir es in Deutsch- In den Gesprächen mit vielen Botschafterinnen und Bot- land kennen und die hierzulande eine lange Tradition hat, schaftern vieler WMO-Mitgliedsstaaten, die mir die deut- ist für mich ein hohes Gut und ist sicher ein Erfolgsmodell. sche ständige Vertretung bei den Vereinten Nationen in Ich werde mich dafür auch in der WMO einsetzen. Genf vermittelt hatte, wurden vor allem die Themen Kli- mawandel und Klimaanpassung angesprochen. Hier gibt Wie kann die Rolle der WMO innerhalb der UN gestärkt es die Erwartungshaltung an die WMO, dass die WMO die werden? Bereitstellung umfassender, relevanter und verlässlicher In einer Panel-Diskussion während der hydrologischen Informationen über das Erdsystem, d.h. über Wetter, Klima, Versammlung beim letzten WMO-Kongress verwies dazu Wasser und Umwelt, und seine zu erwartende Entwicklung Botschafter von Ungern-Sternberg von der deutschen als Grundlage für politische Entscheidungen global koor- Ständigen Vertretung bei den Vereinten Nationen in Genf diniert. Mitteilungen DMG 3/2019 3
darauf, dass Wasser aufgrund des Klimawandels ein im- Wie sehen Sie die zukünftige Rolle der WMO im Wirken mer bedeutender sicherheitsrelevanter Faktor werde. Die hin zu einer Umsetzung der 17 „Sustainable Develop- WMO könne an Bedeutung gewinnen, da der Klimawandel ment Goals“ (SDGs) durch die internationale Staatenge- und Wasserkrisen mehr Aufmerksamkeit in der Weltpolitik meinschaft? Wird sich die WMO hier stärker einbringen, erhielten. Die WMO dürfe aber nicht nur auf ihre wissen- als bisher? schaftlich-technischen Kompetenzen vertrauen, sondern Die vom Kongress beschlossene Strategie der WMO ist sollte auch ihre politische Kommunikation verbessern. Das stark auf die Unterstützung der Sustainable Development ist im Übrigen auch ein Ziel des WMO-Generalsekretärs Goals (SDG) ausgerichtet. Die WMO unterstützt mit ihren Petteri Taalas. Programmen nahezu alle SDGs. Langstrecken-Segelregatten und Wettervorhersage Dieter Etling geht es aber um die Sicherheit der Mannschaften und der Schiffe, um Verletzte oder sogar Todesfälle sowie Schiffbrü- Im nachfolgenden Beitrag „Fastnet-Tragödie vor 40 Jahren che zu vermeiden. So wurde auf Grund einer Sturmlage der – Heute vermeidbar?“ untersuchen Tobias Schaaf und Rein- Start der Fastnet-Regatta 2007 um 1 Tag verschoben. Den- hard Strüfing, ob eine Wettervorhersage mit den heute zur noch gab es wegen der immer noch kritischen Wind- und Verfügung stehenden Modellen und Methoden die durch Wellenverhältnisse zahlreiche Schäden, von 271 gestar- einen Orkan verursachte Katastrophe bei der Langstre- teten Yachten gaben 207 das Rennen auf. ckenregatta „Fastnet Race“ im Jahr 1979 hätte vermeiden können. Als Ergänzung zu diesem Beitrag seien hier kurze Die Fastnet Tragödie 1979 Informationen über das „Fastnet Race“ sowie über eine Im Jahr 1979 kam es jedoch zum Desaster. Die Wettervor- weitere tragisch verlaufene Segelregatta (Sydney-Hobart hersagen des UK Met Office sagten zwar stärkeren Wind Rennen 1998) vorangestellt. für die Tage der Regatta (10-14 August) voraus, jedoch keine außergewöhnlichen Verhältnisse. Nachdem ein Teil Die Fastnet-Regatta des 303 Schiffe umfassenden Regattafeldes die Wende- Das Fastnet-Rennen, heute nach dem Hauptsponsor als marke Fastnet-Rock bereits umrunden hatte und sich auf focus „Rolex Fastnet Race“ bezeichnet, ist eine seit 1925 (ab dem Heimweg befand, fiel in wahrsten Sinne des Wortes 1931 alle zwei Jahre) vom Royal Ocean Racing Club (RORC) ein nicht in dieser Stärke vorhergesagtes kleines Sturmtief durchgeführte Hochseeregatta für Segelyachten. Der über das Regattafeld her. Es wurden Windstärken 10 Bft Start ist vor Cowes auf der Isle of Wight im Gezeitenrevier und haushohe Wellen gemeldet, zum Teil als Kreuzseen. des Solent und führt zunächst in westlicher Richtung um Eine genauere Beschreibung der Wettersituation findet Land’s End herum auf die Südwestküste Irlands zu (Abb.1). sich im anschließenden Beitrag von Schaaf und Strüfing. Die Wendemarke ist der mit einem Leuchtturm versehene Diesem Wetterchaos fielen 15 Segler und 4 Seenotretter Fastnet Rock, etwa 15 Meilen südlich der Küste gelegen. zum Opfer, fünf Schiffe sanken und 75 wurden zum Teil Zurück geht es an den Scilly-Inseln vorbei, wieder um schwer beschädigt. Die beteiligten Rettungsmannschaften Land’s End herum, bevor das Ziel vor Plymouth erreicht sprachen „von einem Schlachtfeld“. Von den insgesamt 303 ist. Die Gesamtstrecke beträgt auf dem kürzesten Weg 608 gestarteten Yachten erreichten nur 85 das Ziel in Plymouth. Seemeilen. Wenn man eine Fahrtgeschwindigkeit von 10 Das Drama um diese Fastnet-Regatta wird eindrucksvoll in Knoten annimmt, ein sehr guter Wert für eine Standard Se- den Büchern von Svante Domitzlaff (1980) und John Rous- rienyacht, so würde die Fahrtdauer selbst auf der kürzest maniere (1986) beschrieben (siehe Literatur). Der NDR hat möglichen Strecke etwa 60 Stunden oder zweieinhalb Tage eine Dokumentation der Fastnet-Regatta 1979 produziert, betragen. die auf seiner Mediathek abrufbar ist. Schauen wir einmal Ergebnisse des Fastnet-Rennens 2017 an. Das schnellste Einrumpf-Boot war die mit einer Die tragische Sydney-Hobart Regatta 1998 Proficrew besetzte 27 m lange Superrennyacht Rambler Auch auf der anderen Seite des Globus gibt es eine be- 88, welche den Kurs in 2 Tagen, 9 Stunden und 34 Minu- rühmte Langstreckenwettfahrt: Die Sydney-Hobart Regatta ten zurücklegte. Eine nicht einmal halb so große 12 m lan- (heute offiziell: Rolex Sydney Hobart Yacht Race). Diese wird ge Serienyacht vom Typ X-41 mit einer Amateurcrew aus seit 1945 jedes Jahr am „Boxing Day“ (26. Dezember) vom Greifswald benötigte 3 Tage, 20 Stunden und 54 Minuten. Cruising Yacht Club of Australia (CYCA) durchgeführt. Der Alle beteiligten Yachten sind somit etwa 2 bis 5 Tage un- Start ist in Sydney, Australien, das Ziel ist Hobart auf Tasma- terwegs. Dies bedeutet, dass zur Regattaplanung eine sehr nien (Abb. 2). Die Strecke ist mit 628 Seemeilen (kürzester gute Wettervorhersage über diesen Zeitraum hilfreich ist. Weg) etwa so lang wie die des Fastnet-Race. Demzufolge Natürlich erhalten heute alle Yachten ständig neue Wetter- liegen die typischerweise gesegelten Zeiten in der gleichen informationen auch während des einige Tage andauernden Größenordnung. Nehmen wir als Beispiel das Sydney-Ho- Rennens. Bei moderaten Wind- und Wellenverhältnissen bart Rennen 2018. Das schnellste Boot war die von einer werden diese eher zur Optimierung des Kurses und des professionellen Crew gesegelte 30 m lange Superrenn- Segeltrimms benötigt. Bei Sturm und hohem Wellengang yacht „Wild Oats XI“ mit 1 Tag, 19 Stunden und 7 Minuten, 4 Mitteilungen DMG 3/2019
Abb. 1: Satellitenaufnahme des Gebietes des Rolex-Fastnet-Race vom Abb. 2: Satellitenaufnahme des Gebietes des Rolex-Sydney-Hobart-Race 05.08.2018 mit der skizzierten Route. C: Cowes (Start), F: Fastnet Rock vom 27.12.2018 mit der skizzierten Route. S: Sydney (Start), H: Hobart (Ziel), (Wendemarke), P: Plymouth (Ziel), © NASA-Worldview. © NASA-Worldview. die damit diese Regatta bereits zum 9. Mal als schnellstes geographischen Lage einiges gemeinsam. Von der Wet- Boot gewann. Die einzigen deutschen Teilnehmer benötig- terlage her handelte es sich um die explosionsartige Ver- ten mit einer 15 m langen Serienyacht vom Typ XP-50 für stärkung eines sommerlichen Tiefdruckgebiets, welches die Strecke 3 Tage, 6 Stunden und 30 Minuten und waren die Regattafelder mit sehr hohen Windgeschwindigkeiten damit die schnellste Amateurcrew des Regattafeldes. und Wellen erst nach dem Start erreichte. In beiden Fällen Die Regatta Sydney-Hobart ist durchaus bekannt für konnte diese Entwicklung durch die damals vorhandenen schwierige Wind- und Wellenverhältnisse, führt sie doch Numerischen Wettervorhersagemodellen nicht richtig er- durch das Gebiet der etwa 200 km breiten Bass-Straße zwi- fasst und somit durch die Wetterdienste nicht in der aufge- schen der Südküste Australiens und der Nordküste Tasmani- tretenen Stärke vorhergesagt werden. Nachsimulationen ens, in welcher die Meerestiefe sehr rasch von etwa 5000 m der jeweiligen Situation mit verbesserten Modellen haben im Bereich der angrenzenden Tasmansee und der großen gezeigt, dass solche mit höherer Auflösung (10 km Gitter- australischen Bucht auf etwa 80 m abfällt. So gab es etwa in weite und geringer) durchaus die schnelle Verstärkung der einem Zehntel der Regattajahre schwere Schäden an den Tiefdruckgebiete und die damit verbundenen sehr hohen beteiligten Yachten und eine hohe Quote an Aufgabe der Windgeschwindigkeiten erfasst haben. Regatta durch die Bootsführer. Eine Tragödie, ähnlich wie Angenommen, den Regattaleitungen hätten diese Infor- die beim Fastnet-Rennen 1979, ereignete sich im Jahr 1998. mationen bereits für die Rennen 1979 bzw. 1998 zur Ver- focus Ausgang der Bass-Straße verstärkte sich am 2. Regattatag fügung gestanden, wären folgende Optionen zur Vermei- (27. Dezember 1998) ein vom Australischen Wetterdienst dung von Personen- und Sachschäden möglich gewesen. deutlich schwächer vorhergesagtes Tiefdruckgebiet der- 1. Die Regatta wird verschoben (wie beim Fastnet Ren- maßen, dass Teile des Regattafeldes von Windgeschwindig- nen 2007 geschehen), bis sich die Wetterlage normalisiert keiten um die 65 Knoten (Windstärke 12 Bft) erfasst wur- hat, d.h. Wind- und Wellenverhältnisse eine Durchführung de und das Wellensystem in diesem Seegebiet chaotische der Wettfahrt ohne größere Risiken zulassen. Verhältnisse mit bis zu 15 m hohen Kreuzseen aufwies. Von 2. Wenn die Vorhersagemodelle die kritische Entwick- den insgesamt 115 gestarteten Yachten gaben 71 die Re- lung der Wettersituation erst nach dem Start anzeigen, hät- gatta auf, nur 44 erreichten das Ziel in Hobart. Trotz einer te die Regattaleitung die Regatta abbrechen oder alle Teil- groß angelegten Rettungsaktion kamen 6 Segler ums Le- nehmer über die kritische Wetterlage informieren können. ben, 55 wurden durch den Einsatz von Schiffen und Heli- Diese hätten dann selbst entweder das Rennen abbrechen koptern gerettet. Die Ereignisse in diesem tragischen Ren- und den nächsten Hafen anlaufen können oder das Rennen nen werden eindrucksvoll in einem Buch von Bruce Knecht (entsprechend internationalen Regattaregeln auf eigene (2004) beschrieben. Verantwortung) mit entsprechenden Vorbereitungen auf In einer Nachanalyse der synoptischen Situation des Extremwinde- und wellen fortgesetzt. Boxing Day Sturms zeigen Buckley und Leslie (2000), dass Die letztgenannten Optionen wurden denn auch in bei- es sich hierbei um ein in den Sommermonaten im Gebiet den Rennen von den Teilnehmern selbständig wahrge- Südwest-Australiens sehr selten auftretendes Phänomen nommen, nachdem sie von der Wetterentwicklung quasi einer explosiven Zyklogenese handelte, welche mit den ohne Vorwarnung überrascht wurden und den extremen Auflösungen der damals eingesetzten Vorhersagemodelle Wind- und Wellenverhältnissen ausgesetzt waren. Die trau- mit etwa 50 km Maschenweite nicht richtig erfasst wurde. rige Bilanz mit jeweils mehreren Todesopfern führte denn Anhand von Nachsimulation mit verschiedenen Vorhersa- auch hinterher zur Frage, wer an dem Desaster die Schuld gemodellen kommen die Autoren zu dem Schluss, dass die trug. Waren es die verantwortlichen Veranstalter (Segel- Vorhersage mit einem (damals noch nicht operationellen) clubs), welche auf die Wetterentwicklung nicht rechtzeitig Modell von höherer Auflösung (10 km Maschenweite) den und richtig reagiert hatten? Oder waren es die jeweiligen beobachteten Druck- und Windwerten ziemlich nahe ge- Wetterdienste, welche die Wetterentwicklung nicht richtig kommen wäre. vorhergesagt hatten? Diese Fragen wurden nicht nur in der Fachpresse und in der Öffentlichkeit diskutiert, sondern Wettervorhersage für die Durchführung von Segelregatten standen auch in zum Teil langwierigen Gerichtsverhand- Unabhängig von tragisch verlaufenen Rennverläufen ha- lungen (wegen der zu beklagenden Todesopfer) im Fokus ben beide genannten Fälle trotz der sehr unterschiedlichen der Argumentation der Beteiligten. Mitteilungen DMG 3/2019 5
Dass es trotz der heute verfügbaren Regionalen Wettervor- Literatur: hersagemodelle mit hoher Auflösung (etwa 2 km Maschen- Buckley, B. und L. Leslie (2000): The Australian Boxing Day weite), wie z. B. das COSMO-DE, keineswegs zu verhindern Storm of 1998 – Synoptic Description and Numerical Simu- ist, dass es bei einer länger andauernden Segelregatta zu lation. Weather and Forecasting, 15, 543-558. zum Teil erheblichen Schäden kommen kann, zeigt das Domizlaff, Svante (1990): Yachten im Orkan: Das Fastnet- Beispiel der Regatta „Silver Rudder“ im Jahr 2018, welche Rennen 1979. Edition Maritim. mit Start und Ziel in Svendborg rund um die dänische In- Knecht, Bruce (2004): Der Orkan. Die Todesregatta von Syd- sel Fünen (etwa 134 Seemeilen) durchgeführt wurde. We- ney nach Hobart. Frederik und Thaler. gen eines von den Modellen verschiedener Wetterdienste Rousmaniere, John (1986): Fastnet Force 10. Delius Klasing. vorhergesagten Sturmtiefs im Bereich Dänemarks wurde YACHT (2018): Solo mit 45 Knoten: Einhand-Regatta Silver- der Start vom 21. September auf den 22. September ver- rudder. Yacht, 22/2018, 45-54. schoben. Obwohl auch am 22. September noch sehr hohe Internet Windgeschwindigkeiten vorhergesagt waren, wurde die NDR Dokumentation Fastnet 1979: Regatta gestartet. Das Rennen wurde aber nur von 139 https://segelrepor ter.com/panorama/fast- der ursprünglich gemeldeten 418 Boote aufgenommen. net-unglueck-1979-ndr-veroeffentlicht- Aufgrund der schwierigen Wind- und Wellenverhältnisse dokumentation-als-19-segler-starben/ in den engen und teils flachen Gewässern rund um Fünen gaben 84 Yachten mit zum Teil schweren Schäden das Ren- Rolex Fastnet Race: nen auf. Nach dem Ende der Regatta wurde öffentlich am www.rolexfastnetrace.com Veranstaltungsort und in den Medien heftig darüber dis- Rolex Sydney Hobart Yacht Race: kutiert, ob der Veranstalter die Regatta hätte durchführen http://www.rolexsydneyhobart.com/ dürfen (siehe z. B. YACHT 22/2018). Fastnet-Tragödie vor 40 Jahren – Heute vermeidbar? Tobias Schaaf und Reinhard Strüfing dellanalysen erfolgten Bestimmung des Anfangsfeldes, der focus Reanalyse ERA 5 vom Europäischen Zentrum für mittelfri- Die Fastnet-Regatta ist eine der berühmtesten Segelre- stige Wettervorhersagen (EZMW), die damalige Wetterent- gatten der Welt. Alle zwei Jahre bildet sie im August den wicklung neu simuliert. Der Focus liegt dabei auf der Frage, Höhepunkt der Cowes Week auf der Isle of Wight. Dann ob auf der Basis der heutigen Wettervorhersagen die Wett- segelt die weltweite Segelelite über mehrere Tage die 608 fahrtleitung der Fastnet-Regatta in der Lage gewesen wäre, Seemeilen entlang der Südwestküste Englands, vorbei an das Rennen noch vor Beginn abzusagen oder im Verlauf so Lands End, zu einem kleinen Felsen an der Südwestecke anzupassen, dass die Teilnehmer den Durchzug des Orkans von Irland, dem Fastnet-Rock, anschließend geht es zurück in sicheren Häfen hätten erleben können. Es geht also letzt- nach Plymouth. lich darum, inwieweit die Präzision heutiger Wettervorher- 1979 endete diese Regatta in der schlimmsten Tragödie sagen Segelregatten auch über einen längeren Zeitraum im Segelsport, als die teilnehmenden Yachten nach etwa sicherer machen. 60 bis 72 Stunden in der Nacht vom 13. auf den 14. August Hier soll nicht die Tiefentwicklung in allen Einzelheiten im Bereich der Keltischen See südlich Irlands von einem dargestellt werden, da der Fastnet-Sturm schon in vielen überaus heftigen Sturm erfasst wurden. Dabei kamen be- Veröffentlichungen behandelt wurde. Hervorgehoben wer- sonders auf den kleineren Yachten 15 Segler und 3 Seenot- den vielmehr der Verlauf des Tiefs, die Wiedergabe durch retter ums Leben. das britische Vorhersagemodell, die Schwierigkeiten, mit Dieses Desaster ist auf mehrere Ursachen zurückzufüh- denen die diensthabenden Meteorologen damals zu kämp- ren, insbesondere aber auf eine unzureichende Wettervor- fen hatten, sowie die Ergebnisse der „Nachvorhersage“ hersage. Damalige Modellvorhersagen hatten ein Sturm- mit ICON. tief ungenügend erfasst, das besonders schnell über den Nordatlantik zog und sich erst im Bereich Irlands explosi- Das Tief und seine Folgen onsartig vertiefte. Ohne entsprechende Warnungen gerie- Das Fastnet-Tief befand sich am 11. August, 12 UTC, also ten die Regatta-Teilnehmer in ein Windfeld, das mit Orkan- kurz nach dem Start der Fastnet-Regatta, bei Neufundland böen die See zu haushohen Wellen aufpeitschte. Zusätzlich und zog in einer kräftigen Höhenströmung zwischen einem entstanden Kreuzseen infolge Windrichtungsänderungen ausgeprägtem Höhenrücken westlich von Großbritannien bei Durchzug des Tiefs. und einem Zentraltief südlich von Grönland nach Osten. Am Beispiel dieser fatalen Wettersituation sollen die Etwa 24 Stunden später, am 12. August um 12 UTC, er- Verbesserungen in der Wettervorhersage während der reichte es eine Position 300 Seemeilen östlich von Neufund- letzten 40 Jahre veranschaulicht werden. Dazu wurde mit land mit einem Kerndruck von 1006 hPa. Ohne erkennbare der aktuellen Version des ICON, dem globalen Wettervor- Vertiefung beschleunigte dieses Tief auf etwa 40 Knoten. hersagemodell des DWD, und der auf Messdaten und Mo- Etwa 24 Stunden später, also 12 Stunden vor Orkanstärke, 6 Mitteilungen DMG 3/2019
Abb. 1: Nach dem ICON-Modellauf vom 11.08.79 00 UTC prognostizierter Stormtrack (durchgezogene graue Linie) mit Position und Kerndruck (kleine graue Käst- chen) des Fastnet-Sturms zu ausgewählten Zeiten in UTC mit Vergleich zur Analyse nach Woodroffe (1981) von Position und Kerndruck (große schwarze Kästchen), © DWD, Tobias Schaaf. lag es westsüdwestlich von Irland bei etwa 18° West, Kern- druck 997 hPa. Mit einer Vertiefung von 19 hPa innerhalb von 12 Stunden erreichte es die Südwestspitze Irlands am 14. August um 00 UTC, um dann zunehmend nach Nord- osten einzuschwenken und sich später etwas abzuflachen. Die Zugbahn des Tiefs ist nach der Analyse von Woodroffe (1981) in Abb. 1 (schwarze Kästchen) nachzuvollziehen. Auf seiner Südseite des Tiefs wurde dicht südlich von Irland ein Mittelwind von 50, vereinzelt bis 70 Knoten gemessen, also Windstärke 10 bis 12 mit entsprechenden Böen. Mit Durch- gang der Kaltfront des Tiefs drehte der Wind dabei von Süd- west auf West. Unter diesen Verhältnissen bauten sich Wellen von bis zu 15 Meter Höhe auf. Viele Yachten legten sich mit ihren Masten flach aufs Wasser, einige kenterten durch, machten also eine 360° Drehung und verloren ihren Mast. Wegen focus umherfliegender Gegenstände unter Deck blieben viele Segler an Deck, wurden aber von der sich brechenden See unter Wasser gedrückt oder sogar außenbords gespült. Viele konnten an ihren Sicherheitsgurten wieder an Bord Abb. 2: 72h-Prognose des ICON-Modells für den 14.08.1979 00UTC des Isoba- gezogen werden, leider aber nicht alle. In diesem Inferno renfeldes (schwarze Linien) mit Position und Kerndruck des Fastnet-Sturms drohten Yachten zu sinken. Deren Besatzungen gingen in (LY) sowie des Mittelwindes in 10m Höhe in Teilbereichen schattiert (Bft 7 bis die Rettungsinseln, die in einigen Fällen von der See zer- 10) und mit Windfiedern in Knoten (35 bis 50 kn), © DWD, Tobias Schaaf. schlagen wurden. Auch hier gab es Tote. In einer großan- gelegten Rettungsaktion wurden viele Segler von Schiffen behielten die Modelle die bereits vorhergesagte, eher un- und Hubschraubern gerettet. Von den 303 gestarteten spektakuläre Entwicklung bei. Wieder wurde der Kerndruck Yachten erreichten nur 85 das Ziel, vornehmlich die größe- vom diensthabenden Meteorologen des British Metoffice ren, die auf dem Rückweg bereits das Zentrum des Sturm- erheblich reduziert und erstmals fand stürmischer Wind Er- felds verlassen hatten, 24 Boote wurden aufgegeben. wähnung in den Prognoseberichten. Da den Teilnehmern aber kaum mehr als die von der BBC ausgestrahlten Vor- Entwicklung und Vorhersage 1979 hersagen zur Verfügung standen und diese den 14. August Am 10. und 11. August erfasste das damalige Vorhersage- noch nicht abdeckten, erfuhren die Segler nichts von dieser modell des Britischen Wetterdienstes die Entwicklung des Entwicklung. Fastnet-Tiefs in sehr groben Zügen: Die Verlagerung über Am Morgen des 13. August waren unglücklicherweise den Atlantik wurde wiedergegeben, allerdings zu langsam, alle Bodenwettermeldungen vom Nordatlantik ausgefal- und die Vertiefung vor Irland fand in der Modellvorhersage len, so dass nach dem damaligen Analyseverfahren keine nur unzureichend statt, ähnlich das amerikanische Modell. Aussage zum Kerndruck des Fastnet-Tiefs getroffen werden Die Meteorologen des British Metoffice korrigierten den konnte. Eine objektive Vorhersage mit dem Wettermodell Kerndruck des Fastnet Tiefs aufgrund der Erfahrung, dass blieb unzureichend, so dass Meteorologen gezwungen ihr Modell solche Entwicklungen zu unterschätzen neigte, waren die Situation rein subjektiv zu bewerten. Flugzeug- um 17 hPa nach unten. Keine Korrektur erfuhr jedoch meldungen und spärliche Satellitenbilder bestätigten eine die schnelle Verlagerung des Tiefs, so dass die Annahme schnelle Verlagerung des Tiefs (40 Knoten), die zu einer herrschte, die Regattateilnehmer würden dem vorherge- dann östlicher stattfindenden Vertiefung führen sollte, also sagten Sturmfeld vorwegsegeln. Letztlich wurde diese Ge- näher am Regattafeld. Gleichzeitig sollte eine dem Fastnet- fahr der Regattaleitung nicht übermittelt. Am 12. August, Tief vorweglaufende frontale Welle den Druckgradienten während die Teilnehmer meist noch vor der Südwestkü- über dem Regattafeld reduzieren – prognostisch gesehen ste Englands mit flauen Bedingungen zu kämpfen hatten, lag eine komplizierte Gemengelage vor. Die teils wider- Mitteilungen DMG 3/2019 7
sprüchlichen Bodendaten gegen Mittag des 13. August er- terdienstes 1979 zur Verfügung stand, und die aktuelle gaben kaum neue Erkenntnisse. Version des ICON vom Deutschen Wetterdienst, so tritt Erst am Nachmittag des 13. August zeigten die Mel- ein ähnlicher Kontrast wie bei der oben herausgestellten dungen des Wetterschiffes „R“ und der Vergleich des 6h- Satelliten- und Analyseentwicklung in Erscheinung. Die Modelllaufs von 06 UTC mit der 12-UTC-Analyse die mo- technischen Gegebenheiten der Computer ließen erst dellseitige Fehlvorhersage des Kerndrucks von 10 hPa. Die seit Anfang der 70iger Jahre überhaupt zu, alle Teile der Kombination aus dem neuen Modellergebnis und darauf prognostischen Gleichungen numerisch zu lösen. Ent- weiterhin angewandter Korrektur der Meteorologen er- sprechend einfach mussten die Wettermodelle formuliert gab erstmals die starken Druckgradienten auf dem Weg sein. Das Octagon 1979 wurde mit einem horizontalen Ab- des Tiefs über Südirland. Jedoch fehlte nach wie vor ein stand der Gitterpunkte eines Modells von 300 km auf 10 Signal, auf die in Kürze anstehende explosive Entwicklung Schichten in der Vertikalen gerechnet, ein räumlich stärker des Tiefs hinwies. begrenztes lokales Modell brach die Auflösung auf etwa Nach einem Computerausfall lieferten erst neue Wetter- 100 km herab. Die Länge der Vorhersagen war auf +72h meldungen vom 14. August um 00 und 06 UTC für diese beschränkt. Heute benutzt das ICON ein Gitter mit einem Jahreszeit sehr außergewöhnlichen Drucktendenzen und Abstand von 13 km auf 90 Schichten in der Vertikalen, das schweren Sturm, auch über Land. Die Segler befanden sich entspricht 265 Mio. Gitterpunkte global. Großrechner lösen zu diesem Zeitpunkt bereits voll im katastrophalen Gesche- ein riesiges Differenzialgleichungssystem von zur Zeit 10⁸ hen. bis 10⁹ Modellgleichungen innerhalb weniger Stunden und stellen für jeden Gitterpunkt eine Vielzahl von Vorhersage- Die numerische Wettervorhersage 1979 und 40 Jahre parametern zur Verfügung. Außerdem fließen subskalige später atmosphärische Prozesse wie z. B. Strahlung und Nieder- Anfang des 20. Jahrhunderts definierte der Norweger Vil- schlag durch sehr viel genauere Parametrisierungen in die helm Bjerknes die Wettervorhersage als mathematisch- Simulationen ein. physikalisches Anfangswertproblem, d.h. ein durch Wetter- Im hier vorliegenden Fall der Nach-Vorhersage des Fast- meldungen bestimmter Anfangszustand der Atmosphäre net-Tiefs mit dem ICON wird auf den kürzlich veröffentlich- wird mit Gleichungen, die die Atmosphäre und ihre Ent- ten Reanalysedatensatz ERA5 des EZMW zurückgegriffen, wicklung beschreiben, auf die nächsten Tage extrapo- der einen globalen Analysedatensatz des Zustands der liert. Für die Berechnungen werden die Messwerte auf die Atmosphäre während der letzten Dekaden bereit hält und Punkte eines Gittersystems für verschieden Höhen proji- ursprünglich vor allem für die Klimaforschung erstellt wur- ziert. Damals noch Theorie ermöglichte die Einführung von de. Reanalyse dient dem ICON als Ausgangspunkt für die Computern die Umsetzung in die Praxis. Stark vereinfacht Nach-Vorhersage des Fastnet-Sturms. Die Performancelei- ausgedrückt lässt sich die Wettervorhersage somit in zwei stung des ICON kann so an historischen Einzelereignissen focus Bestandteile aufteilen. Das ist zum einen der Anfangszu- getestet werden. stand (Analyse) und zum anderen die Entwicklung weg vom Anfangszustand (Wettermodell). Es liegt auf der Hand, Die Nach-Vorhersage des Fastnet-Sturms nach den dass die Güte einer Prognose nur mit der Genauigkeit und Standards 2019 Realitätsnähe der Analyse und der Leistung eines Wetter- Es wurden mehrere Modellläufe des ICON mit der histo- modells steigt. Diese Steigerung ist sehr stark abhängig rischen Wetterlage des Fastnet-Sturms gerechnet. Abb. 2 von den technischen Gegebenheiten des Beobachtungs- zeigt den ICON-Lauf vom 11.08.79 00UTC. Abgebildet netzes wie auch der Großrechner, auf denen die Simulati- ist die 72h-Prognose für den 14.08.79 00UTC des Boden- onen berechnet werden. Sowohl die technische Entwick- drucks sowie des Mittelwinds in 10 m Höhe für relevante lung der vergangenen 40 Jahre wie auch die Verfahren der Teilbereiche des Fastnet-Sturms (LY). Der ICON-Lauf prog- Analyse und Modellierung haben große Sprünge gemacht, nostiziert zu diesem Zeitpunkt einen Kerndruck von 981 so dass sich nachfolgend ein kurzer Vergleich von heute zu hPa dicht südwestlich Irlands und einen Mittelwind von bis 1979 anbietet. zu 50 Knoten an der Südflanke des Tiefs. Nach Abb. 1 wird Zum Zeitpunkt des Fastnet-Tiefs bestand die Analyse im ersichtlich, dass die Prognose von Kerndruck und Position Wesentlichen aus den Daten von Bodenwettermeldungen, des Tiefs LY für den 14.08.79 00UTC der Beobachtung hin- ergänzt durch Messungen von Radiosonden und Flugzeu- reichend nah liegt, jedoch auch, dass diese Nähe nicht zu gen. Daten geostationärer Satelliten spielten kaum eine jedem Zeitschritt gegeben ist. Es wird zwar der Kerndruck Rolle. Verbildlicht man sich diese Daten, so fallen sie raum- stets gut getroffen, die prognostizierte Zugbahn des Tiefs zeitlich sehr spärlich aus. Anders heute, so bilden die geo- LY weicht jedoch zeitweise leicht nach Norden hin ab und stationären wie auch in geringerer Höhe polumlaufenden hat im Bereich Irlands und den Britischen Inseln eine Ver- Satelliten mit ihren Instrumenten, die neben traditioneller spätung von etwa 3 bis 6 Stunden. Beobachtung der Bewölkung beispielsweise vielschichtig Nichtsdestotrotz hätte ein solches Modellergebnis am Temperatur und Feuchte messen können, den Großteil der Morgen des 11.08.1979 den Meteorologen vorgelegen, Anfangsdaten ab. Auch großflächige Bodenwinde und Wel- also noch vor Auslaufen des Regattafeldes, und einen lenhöhen werden aus den Satellitendaten errechnet. Insbe- qualitativ signifikanten Hinweis auf die sich entwickelnde sondere dieser flächige Datengewinn und die aufwändige schwere Sturmlage gegeben. Die Wettfahrtleitung sowie Integration dieser Daten in die Analyse eines Wettermodells Regattateilnehmer wären informiert und hätten ihr Vorge- (z. B. mit Verfahren wie 4D-Var, EDA) ist einem enormen For- hen mit großem zeitlichen Vorlauf anpassen können. schungsaufwand der vergangenen 40 Jahre zuzurechnen. Unter Einbeziehung von Satellitendaten findet eine ver- Vergleicht man die numerischen Wettermodelle, das gleichbare Prognose einer solchen Entwicklung heutzu- Octagon 1979, das den Meteorologen des Britischen Wet- tage noch genauer statt. Zudem hat die probabilistische 8 Mitteilungen DMG 3/2019
Betrachtung mittelfristiger Wetterberatungen Einzug Über die Autoren gehalten, so dass etwaige Prognoseunsicherheiten von Tobias Schaaf ist und Reinhard Strüfing war beim Seewet- einem Meteorologen besser abgeschätzt werden können. teramt des DWD in Hamburg beschäftigt. Zukünftige technische Entwicklungen, wie beispielsweise der Ausbau der Satellitendatengewinnung bzw. deren Pro- Literatur dukte (Meteosat Third Generation) sowie die zwei-Wege- A. Woodroffe, The Fastnet storm – a forecaster’s viewpoint, Koppelung zwischen Ozean- und Atmosphärenmodell The Meteorological Magazine, No. 1311, Oktober 1981, Vol. werden die Leistung der Wetterprognosen noch weiter 110, Seite 271-287. steigern. D. E. Pedgley, The Fastnet storm of 1979: A mesoscale surface Übrigens, den Reiz der Fastnet-Regatta hat die Tragödie jet, Weather, Royal Meteorological Society, August 1997, vor 40 Jahren nicht mindern können: Die 340 Teilnehmer- Volume 52, Issue 8, Seite 230-264. plätze für 2019 waren nach Öffnung des Meldeportals in- nerhalb von 5 Minuten vergeben. Ein weiter Weg – Heinrich von Fickers Berliner Vortrags- und Vorlesungsausarbeitungen im Archiv der Humboldt- Universität zu Berlin Cornelia Lüdecke Ich war damals Präsidentin der International Commission on History of Meteorology und erklärte mich in meiner Wie kommen Heinrich von Fickers Berliner Vortrags- und Antwort bereit, diese Zeitdokumente in ein passendes Ar- Vorlesungsausarbeitungen über Innsbruck nach Seattle in chiv zu geben. So bekam ich insgesamt 28 Archivalien aus die USA und dann über München ins Archiv der Humboldt- Seattle zugeschickt, die verschiedene meteorologische Universität nach Berlin? Dieser weite Weg soll hier näher Themen behandelten. Darunter befanden sich Vortrags- erläutert werden. und Vorlesungsmanuskripte über „Allgemeine Meteoro- focus Als ich im Jahr 1984 an einem Sommerkurs über Air- logie“, „Wettervorhersage“, „Synoptische Meteorologie“, Sea-Interaction am Institute of Atmospheric Sciences der „Kälte- und Wärmewellen, Föhn u. Bora“, “Statik der Atmo- University of Washington in Seattle (USA) teilgenommen sphäre“, „Dynamik“, „Klimatologie“ und „Geophysik“, so die hatte, konnte ich neben James Holton (1938-2004), dessen Titel der Loseblattsammlungen. Weitere Themen behan- 1972 erschienenes Lehrbuch „An introduction to dynamic deln „Luftschifffahrt und Meteorologie“, „Theorie und Praxis meteorology“ ich von meinem Meteorologiestudium her der Ballonführung“ und „Ballonfahren in den Alpen“. kannte, und Joost Businger (geb. 1924), einer der dama- Einige dieser Themen lagen Ficker besonders am Herzen. ligen „Päpste“ der atmosphärischen Grundschicht, auch Er war begeisterter Bergsteiger und hat sich nicht von un- den Meteorologen und Polarforscher Norbert Untersteiner gefähr für ein Studium an der Leopold-Franzens-Universi- (1926-2012) kennenlernen. Zu diesem Zeitpunkt interes- tät in Innsbruck entschieden. Mit seinen Untersuchungen sierte ich mich überhaupt noch nicht für die Geschichte der über Kaltlufteinbrüche in den Zentralalpen und seinen Meteorologie. Föhnstudien, die er teilweise während abenteuerlichen Zu meiner Überraschung erhielt ich 22 Jahre später im Ballonfahrten über die Alpen betrieben hatte, konnte er August 2006 von dem damals bereits emeritierten Prof. sich schon bald einen Namen machen. Untersteiner eine E-Mail, in der er Vorlesungsmanuskripte Zwischen Fickers kurzen Texten bzw. auch nur einigen aus der Hand des Meteorologen Heinrich von Ficker (1881- Stichworten findet man in seinen Manuskripten häufig 1957) beschrieb. Ficker war zuletzt Professor für Physik der Abbildungen, die er während seiner Vorlesung wohl an die Erde an der Universität Wien und zugleich auch Direktor Tafel skizziert hatte. Von besonderem Interesse dürfte hier der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik ge- das Vorlesungsmanuskript über „Grundlage der Wetter- wesen und Untersteiner sein letzter Assistent. Anlässlich karte“ sein, das eine Version von Fickers ikonischer Abbil- von Fickers Emeritierung im Jahr 1953 bekam Untersteiner dung des Föhns enthält (Abb. 1). Unterhalb der Skizze er- dessen Manuskripte übereignet. wähnt Ficker die Stichworte „Regenseite der Gebirge“ und Es handelte sich um Vortragsmanuskripte und um Aus- „Monsunregen“, über die er wohl anschließend noch kurze arbeitungen von Vorlesungen, die Ficker vermutlich an der Hinweise geben wollte. Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin gehalten hatte, wo Darüber hinaus gibt es ein schönes Manuskript über die er von 1923 bis 1937 als Professor für Meteorologie und Pamirexpedition des Deutsch-Österreichischen Alpenver- zusätzlich als Direktor des Preußischen Meteorologischen eins im Jahr 1913. Sie enthält beispielsweise eine Darstel- Instituts seinen Wirkungskreis hatte. Nachdem Unterstei- lung der Temperaturverhältnisse im Pamir für Winter und ner nun seinerseits emeritiert war, ist er beim Ausräumen Sommer (Abb. 2). seines Universitätsbüros auf diese Skripte gestoßen und wollte nun einen guten Platz für sie finden. Mitteilungen DMG 3/2019 9
Außer Fickers eigenen Vorlesungen enthielt das Konvo- lut auch ein Manuskript von Fickers Doktorvater Wilhelm Trabert (1863-1921) aus dem Jahr 1904 über die „Wirkung der Sonnenstrahlung“. Ficker hatte 1906 bei Trabert in Innsbruck promoviert und wurde 1907 dessen Assistent. Die Habilitation in Meteorologie folgte 1909, während Tra- bert schon 1908 Meteorologieprofessor an der Wiener Uni- versität und Direktor der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik geworden war. Wie Traberts Manuskript in Fickers Hände kam, ist unbekannt. Des Weiteren sind noch drei literarische Arbeiten von Ficker überliefert, wie beispielsweise dreizehn Seiten über „Die letzte Fahrt des „Kondors" Nachdem dieses historische Material gut zehn Jahre von Abb. 1: Fickers Darstellung des Föhns aus seinem Vorlesungsmanuskript mir aufgehoben wurde, habe ich es schließlich dem Univer- (Quelle: Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin). sitätsarchiv der Humboldt-Universität zu Berlin übergeben, siehe untenstehende Kontaktdaten. Nun sind die Archivali- en für Forschungszwecke öffentlich zugänglich. Der Nachlass umfasst 28 Verzeichnungseinheiten und ist unter www.archiv-hu-berlin.findbuch.net recherchierbar. Er kann unter der Signatur HU UA, NL von Ficker, Nr. 1-28 bestellt und im Lesesaal eingesehen werden. Adresse Humboldt-Universität zu Berlin Universitätsarchiv Wagner-Régeny-Str. 5, 12489 Berlin Tel. +49(0)30-2093 99747. Literatur Geiger, R., 1961: Ficker, Heinrich von. Neue Deutsche Biogra- focus phie, Duncker & Humboldt, Berlin, Bd. 5, S. 132. Hammerl, Ch., Lenhardt, W., Steinacker, R. und P. Steinhau- ser (Hrsg.), 2001: Die Zentralanstalt für Meteorologie und Abb. 2: Fickers Darstellung des Föhns aus seinem Vorlesungsmanuskript Geodynamik 1851–2001. 150 Jahre Meteorologie und Ge- (Quelle: Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin). ophysik in Österreich. Leykam, Graz. Zu Ficker siehe S. 166, 283-284; zu Trabert siehe S. 109-114, 278; zu Untersteiner siehe S. 232. 10 Mitteilungen DMG 3/2019
Das IMuK Hannover auf der IdeenExpo 2019 Das Team Öffentlichkeitsarbeit am IMuK Dabei hatte auch die Gottfried Wilhelm Leibniz Universi- tät Hannover mit dem Titel “Mit Wissen Zukunft gestalten” Vorbemerkung der Redaktion einen großen Stand im Bereich “Lebensraum”. Teil dieses In Heft 1/2019 hatten wir in dieser Rubrik über „Informa- Stands, war das Institut für Meteorologie und Klimatologie tionsveranstaltungen über Meteorologie für Schulen“ (IMuK), mit dem Thema “Der Einfluss der Wolken auf das berichtet. Dabei wurden verschiedene Veranstaltungen Klima”. aufgeführt, in denen Informationen zu Wetter und Klima Während der neun Tage betreuten 18 Studierende aus an Schülerinnen und Schüler vermittelt werden. Unter Bachelor- und Masterstudiengang mit Begeisterung den „Großveranstaltungen“ wurde neben „Wetter.Wasser.Wa- Stand und brachten den Besucherinnen und Besuchern terkant“ in Hamburg auch die alle zwei Jahre in Hannover das Thema Wetter und Klima näher (Abb. 1). Unter den Be- stattfindende „IdeenExpo“ aufgeführt. Auf der diesjährigen suchern waren auch einige Politiker, wie zum Beispiel Nie- IdeenExpo war auch ein Team des Institut für Meteorolo- dersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (Abb. 2). gie und Klimatologie (IMuK) der Leibniz Universität Hanno- Eyecatcher war dabei ein vom Institut selbstgebauter, ein ver mit einem Informationsstand vertreten. Natürlich sind Meter hoher Tornado aus Wassertröpfchen (Abb. 3). Durch nicht alle 395.000 Besucherinnen und Besucher am Stand die neugierigen Blicke von Groß und Klein kamen die Stu- kommunikation wetter und klima des IMuK stehen geblieben, aber bei einer solch hohen dierenden mit interessierten Besuchern ins Gespräch. Eini- Besucherzahl findet doch ein gewisser Teil gezielt oder als ge wurden mit dem Flaschentornado vor eine knifflige Auf- „Laufkundschaft“ seinen Weg zu Informationen über Wet- gabe gestellt. Bei diesem Versuch sollte möglichst schnell ter und Klima. Hier nun der Bericht des IMuK-Teams über Wasser durch ein kleines Loch von einer Flasche in eine diese Veranstaltung. andere fließen. „Mach doch einfach!” – Unter diesem Motto wurde vom Auch informierte das Institut Interessierte über den Stu- 15. bis 23. Juni 2019 auf Hannovers Messegelände Euro- diengang und über die Meteorologie allgemein. Vor allem pas größtes Jugend-Event für Naturwissenschaften und über die Forschungsschwerpunkte in Hannover, wie zum Technik, die IdeenExpo, veranstaltet. Über 395.000 Besu- Beispiel mithilfe eines Allsky-Kamera Systems. Aber auch cherinnen und Besucher hatte die Möglichkeit kostenlos klassische Messinstrumente wie eine Radiosonde oder ein auf 110.000 Quadratmetern über 270 Unternehmen, Hoch- Schalenkreuzanemometer waren als Exponat ausgestellt schulen, wissenschaftliche Einrichtungen, Schulen und (Abb. 4). Wie üblich, durften viele Fragen zur Synoptik be- Ministerien kennen zu lernen. Außerdem gab es über 730 antwortet werden. Workshops und zahlreiche Bühnenshows, die dem Publi- kum die Faszination MINT näherbrachten. Abb. 1: Das Team des IMuK am ersten Veranstaltungstag. Von links: Jens Duffert, Jonathan Schumann, Sarah Stenzel und Martin Schmidt (© Jens Duffert). Abb. 2: Jens Duffert (links) erklärt Mitgliedern der niedersächsischen Landes- regierung (Ministerpräsident Stephan Weil, rechts, und Umweltminister Olaf Lies, Mitte) Exponate am Stand des IMuK (© Michael Matthey, ZSB, Leibniz Universität Hannover). Mitteilungen DMG 3/2019 11
Besonders hingegen war der Strahlungsversuch zur Ver- deutlichung der Wirkungsweise von Wasserdampf beim natürlichen Treibhauseffekt. Dabei wurde die wellenlän- genabhängige Absorption von Wasserdampf deutlich. Mit diesem Versuch aus dem LeibnizLab (www.uni-hannover. de/de/studium/vor-dem-studium/die-universitaet-kennen- lernen/schule/angebote-klasse-5-9/leibnizlab/) wurden vor allem Oberstufenschülerinnen und -schüler angesprochen. Spannend war die Frage, was man selbst für das Klima tut und tun kann. An einer Flipchart wurden hierfür die verschiedenen Ideen der Besucherinnen und Besucher ge- sammelt und anschließend darüber diskutiert (Abb. 5). Für diejenigen, die vorerst keine Idee hatten, boten verschie- dene Klimawürfel zum Selberbasteln Informationen über den Klimaschutz. Insgesamt wurde festgestellt, dass sich immer mehr Men- schen über das Klima sowie ihr eigenes Handeln Gedanken machen und etwas aktiv tun wollen. Alles in allem war die IdeenExpo und der Stand des IMuKs ein voller Erfolg und kommunikation wetter und klima die Meteorologie und der Studiengang wurden wieder ein Abb. 4: Verschiedene Exponate am IMuK-Stand, rechts die All-Sky-Kamera Stück bekannter gemacht. Die nächste IdeenExpo startet (© Florian Behnsen). am 10. Juli 2021 in Hannover. Abb. 5: Flipchart zum Thema „Klima“ (© Florian Behnsen). Abb. 3: Große Tornado-Maschine und kleine Flaschentornados (© Florian Behnsen). 12 Mitteilungen DMG 3/2019
Essener Klimagespräche Christian Koch Die Sektion Rheinland lädt zusammen mit dem Universitätsprofessor Dr. Wilhelm Kuttler und dem Deutschen Wetterdienst Niederlassung Essen (Dipl.-Met. Guido Halbig) etwa alle 3 bis 6 Wochen zu einem Vortrag der Kolloquiumsreihe „Essener Klimagespräche“ ein. Die Vortragenden kommen aus der Meteorologie und benach- barten Wissenschaftsbereichen. Die Gesprächsreihe kann von allen an der Meteorologie interessierten Personen ko- stenfrei besucht werden. Abb. 2: Dipl.-Met. Guido Halbig (rechts) und Dipl.-Met. Christian Koch Am 22.01.2019 berichtete Herr Dr. Dirk Dütemeyer (© Wilhelm Kuttler). von der Umweltberatung Dr. Dütemeyer über das Thema „Bioklimatische Wirkungen von Pflanzen in der der Pflanzen als CO2-Binder deutlich überschreiten. Die vollverglasten Lobby eines Bürogebäudes“. Im Rahmen Untersuchung hat gezeigt, dass Pflanzen einen positiven der „Grünen Hauptstadt Europas – Essen 2017“ wurde von Beitrag zur Verbesserung des Innenraumklimas liefern Januar 2017 bis Januar 2018 das Projekt GRowEEN (Growing können. Green) an der Volkshochschule (VHS) Essen durchgeführt, Das Thema von Herrn Dipl.-Met Guido Halbig, Leiter einer künstlerischen Objektinstallation aus gespannten der Niederlassung Essen und des Regionalen Klimabüros Tuchelementen und Grünpflanzen, die sich über den Essen des Deutschen Wetterdienstes, am 19.02.2019 gesamten vertikalen Innenbereich des siebengeschossigen, war: „Weltklimarat-Sonderbericht mit 1,5 °C globale allseits verglasten Foyers des VHS-Gebäudes erstreckte. Die Erwärmung: Ist es (noch) möglich, die 1,5 Grad-Grenze klimatologische Begleitforschung zum Projekt GRowEEN des Paris-Abkommens vom 12.12.2015 einzuhalten?“ untersuchte den Einfluss der Objektinstallation aus Das Rahmenabkommen der Vereinten Nationen über gespannten Tuchelementen und Grünpflanzen auf das Klimaänderungen in Paris wurde von der Europäischen Innenraumklima im Glasfoyer der VHS Essen, insbesondere Union 2016 unterzeichnet und ratifiziert. Die COP auf die thermische Behaglichkeit und die Luftqualität. (Conference of Parties) hatte den IPCC gebeten, einen Hierbei wurden Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Sonderbericht über die Folgen einer globalen Erwärmung Kohlendioxid und Globalstrahlung auf fünf Etagen um 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau und die damit wir kontinuierlich sowie Luftströmung, Wärmestrahlung und verbundenen globalen Treibhausgasemissionspfade im Partikelkonzentrationen stichprobenartig gemessen. Das Zusammenhang mit einer Stärkung der weltweiten Klima des Foyers war durch große vertikale Unterschiede Reaktionen auf die Bedrohung durch den Klimawandel, geprägt. Im Foyer stieg Warmluft auf, die während des nachhaltiger Entwicklung und Anstrengungen zur Be- Sommers in den oberen Etagen zu lang andauernden seitigung von Armut zur Verfügung zu stellen. Mitwirkende Hitzewellen mit Wärmestau und Windstille führten. Die am IPCC-Bericht sind u. a. mehrere Tausend Wissenschaftler Pflanzen wirkten positiv auf das Innenraumklima, wenn und 195 Regierungen. Die Wissenschaftler haben den auch in unterschiedlicher Effektivität: die Evaporation Stand der Forschung zu bewerten, und die Regierungen erreichte fast das theoretische Maximum und bewirkte im verabschieden die Zusammenfassungen für die politischen Winter bei sehr trockener Außenluft im näheren Umfeld Entscheidungsträger. An dem Bericht beteiligt sind 133 eine spürbare Erhöhung der Luftfeuchtigkeit im Foyer. Autoren aus 40 Ländern, 1113 Gutachter mit etwa 6000 Über den Gesamtzeitraum betrachtet war dieser Effekt wissenschaftlichen Veröffentlichungen und rund 42000 jedoch gering. Auch die Partikelkonzentrationen waren Kommentaren. Von den 133 Autoren kommen sieben in Pflanzennähe niedriger als im übrigen Foyer. Eine Personen aus Deutschland. Nach der Entwicklung einer Reduzierung des Kohlendioxids durch die Pflanzen war Grobstruktur für den Bericht werden Fachleute nominiert, nachweisbar. Allerdings konnte im Lehrbetrieb während Leitungsgremien ausgewählt, Entwürfe erstellt, Fach- der Tagstunden die menschliche CO2-Abgabe die Wirkung und Regierungsbegutachtungen zu den Entwürfen formuliert, dann der Bericht vom IPCC verabschiedet und veröffentlicht. Beispiele für die 42000 Kommentare können auf Editorialebene erfolgen, aber auch substantielle und fundamentale Dinge betreffen. Zur Verabschiedung ent- senden alle Mitgliedsstaaten Regierungsdelegationen, die die Zusammenfassungen zum Teil satzweise oder auch einzelne Begriffe diskutieren und dann einstimmig verabschieden müssen (der Vortragende gehört zur deutschen Regierungsdelegation). Die Ergebnisse in den Zusammenfassungen beruhen auf Informationen, Abb. 1: Dr. Dirk Dütemeyer (© Christian Koch). die auf einem Vertrauensniveau (sehr gering bis sehr Mitteilungen DMG 3/2019 13
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