Bildungs- und - Bundesinstitut für ...

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Bildungs- und - Bundesinstitut für ...
BWP
ZEITSCHRIFT
DES BUNDESINSTITUTS
FÜR BERUFSBILDUNG
W. B E R T E L S M A N N V E R L A G
38. JAHRGANG
H 20155

                                                                         4 / 2 0 0 9

                                        B E R U F S B I L D U N G
                                        I N    W I S S E N S C H A F T
                                        U N D       P R A X I S

            Bildungs- und
                 Berufsberatung
            Kommentar
            Gute Beratung will gelernt sein!

            Ein Netzwerk zur Weiterentwicklung
            der Beratung in Deutschland
            Professionalität als Herausforderung:
            Ein Kompetenzprofil für das
            Beratungspersonal
            Berufsberatung der BA: Ziele und
            Perspektiven
            Weiterbildungsberatung als Motor
            des lebenslangen Lernens
            Berufs- und Bildungsberatung
            per Telefon
Bildungs- und - Bundesinstitut für ...
I N H A LT

                       K O M M E N TA R                                          POSITIONEN

                   3   Gute Beratung will gelernt sein!                     45   Der DQR in der Entwicklung – Würdigung und
                       Reinhold Weiß                                             Vorausschau
                                                                                 Friedrich Hubert Esser

                       IM BLICKPUNKT                                             WEITERE THEMEN
                       B I L D U N G S - U N D B E R U F S B E R AT U N G
                                                                            50   Anforderungen und Herausforderungen bei der
                  5    Ein Netzwerk zur Weiterentwicklung der Beratung           Entwicklung angepasster Berufe in den Vereinigten
                       in Deutschland                                            Arabischen Emiraten
                       Interview mit Karen Schober                               Winfried Heusinger

                  9    Professionalität als Herausforderung: Ein Kompe-     54   Regionales Übergangsmanagement:
                       tenzprofil für das Beratungspersonal im Feld Bil-         Handlungsbedarf und Handlungsstrategien
                       dung, Beruf und Beschäftigung                             Frank Braun, Peter Munk
                       Christiane Schiersmann, Peter Weber

                 14    Berufsberatung weiter stärken                             RECHT
                       Zielsetzungen und Perspektiven der Bundesagentur
                       für Arbeit                                           56   Voller Lohn nur bei voller Lernleistung?
                       Matthias Rübner                                           Stellungnahme zur Vergütung bei Teilzeitberufs-
                                                                                 ausbildung
                 19    Weiterbildungsberatung als Motor des                      Hermann Nehls
                       lebenslangen Lernens?
                       Marcel Walter
                                                                                 H A U P TA U S S C H U S S
                 23    Telefonische Berufs- und Bildungsberatung in Groß-
                       britannien: Büchse der Pandora oder Ariadnefaden?    57   Bericht über die Sitzung 2/2009
                       Bernd Käpplinger                                          Gunther Spillner

                 27    Der Atlas für Bildungsberatung                            Empfehlung „Stand der Arbeiten zu einer inter-
                       Eine webbasierte Navigation schafft Struktur und          nationalen Vergleichsstudie in der Berufsbildung
                       Transparenz in einem komplexen Feld                       („Large-Scale-Assessment“)“ (Beilage)
                       Erika Kanelutti
                                                                                 Empfehlung „Rahmenplan für die Ausbildung der
                                                                                 Ausbilder und Ausbilderinnen“ (Beilage)
                 31    Weiterbildungsdatenbanken im Kontext der
                       Weiterbildungsplanung und Beratung
                       Erwin Maier
                                                                                 REZENSIONEN
                 33    Dran bleiben …
                       Sicherung des Ausbildungserfolgs durch ein                ABSTRACTS
                       integriertes Unterstützungsangebot in Bremen
                       Peter Mehlis, Eva Quante-Brandt                           IMPRESSUM / AUTOREN

                 38    Qualifizierungsberatung in KMU
                       Eine Fallstudie aus dem Förderprogramm
                       „Lernende Regionen – Förderung von Netzwerken“
                       Karl Düsseldorff, Marcel Fischell, Jendrick Scholz

                 41    Personenbezogene (Weiter-)Bildungsberatung
                       im Fernlernen
                       Anforderungen und Bedarfe in einem wachsenden
                       Bildungssegment
                       Angela Fogolin

                 43    Bildungsberatung an der Universität –
                       Hochschulen als Weiterbildungsanbieter
                       Maria Kondratjuk                                          Diese Ausgabe enthält die BWPplus als Einhefter sowie
                                                                                 Empfehlungen des Hauptausschusses des BIBB und Beilagen
                                                                                 des W. Bertelsmann Verlags, Bielefeld

Diese Netzpublikation wurde bei der Deutschen
Nationalbibliothek angemeldet und archiviert.
URN: urn:nbn:de:0035-bwp-09400-8
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K O M M E N TA R

                                            Gute Beratung will gelernt sein!

                                                                                                             REINHOLD WEIß
                                                                                                             Prof. Dr., Ständiger Vertreter des
                                                                                                             Präsidenten des Bundesinstituts
                                                                                                             für Berufsbildung und
                                                                                                             Forschungsdirektor, Bonn

Liebe Leserinnen und Leser,

es ist fast schon eine Binsenweisheit:      Ratsuchenden. Es herrscht kaum Trans-        teilweise ehrenamtlich – so etwa in der
Die Arbeits- und Berufswelt befindet        parenz über die Anbieterstrukturen,          Funktion der Lehrlingswarte – und viel-
sich in einem stetigen Wandel. Chan-        über welche Qualifikationen Berater/         fach in zeitlich befristeten Projekten.
cen und Risiken sind dabei für den Ein-     -innen verfügen und wie sie sich fort-       Transparenz, Kontinuität und Profes-
zelnen nur schwer einzuschätzen. Von        bilden. Auch die Qualität der Beratung       sionalität sind unter diesen Bedingun-
daher besteht ein erhöhter Bedarf an        – ihre Wirkung und die Zufriedenheit         gen kaum gewährleistet.
Information und Beratung. Dies wird         der Adressaten – ist weitgehend unklar.
vor allem an den Schnittstellen deutlich,   All dies ist nicht zuletzt die Folge einer   Die Vielfalt der Trägerlandschaft könnte
bei den Übergängen im Bildungssystem,       nicht geklärten Rolle von Beratung im        als Ausdruck eines differenzierten, auf
bei der Anerkennung von Bildungs-           öffentlichen Bildungsbereich.                unterschiedliche Bedürfnisse reagie-
abschlüssen, beim Berufseinstieg sowie                                                   renden Beratungssystems interpretiert
generell bei Krisen und Wechseln in der     Höchst unterschiedlich sind die Formen       werden. Dazu müssten die Angebote
Berufsbiografie. Im Hinblick auf die        und Kontexte von Beratung: Sie findet        allerdings stärker aufeinander bezogen
individuelle Entwicklung, aber auch die     sowohl in privater wie auch in öffentli-     und miteinander vernetzt sein, oder
Optimierung des Ressourceneinsatzes         cher Trägerschaft statt. Teilweise stellt    sich die Anbieter auf gemeinsame Leit-
sollten diese Veränderungen möglichst       sie eine gesetzliche Aufgabe dar wie         linien und Arbeitsgrundsätze verstän-
reibungslos und zielführend verlaufen.      die Ausbildungsberatung der zustän-          digt haben. Dies ist aber weitgehend
                                            digen Stellen oder die Berufsberatung        nicht der Fall.
                                            der Bundesagentur für Arbeit. Die Teil-
Viele Modelle – wenig System                nahme ist größtenteils freiwillig, zum
Bildungsberatung stellt eine öffentliche,   Teil ist sie aber auch obligatorisch. Dies   Professionalität und
das heißt öffentlich verantwortete          ist dann der Fall, wenn öffentliche Mit-     Professionalisierung
Dienstleistung dar. Sie muss als selbst-    tel zur Finanzierung von Weiterbildung       Wer eine Bildungsberatung – gleich
verständlicher Teil eines lebensbeglei-     in Anspruch genommen werden, so              welcher Art – aufsucht, hat Anspruch
tenden Lernens allen Interessenten          z. B. bei der Weiterbildung nach SGB III,    auf eine professionelle Dienstleistung.
offenstehen und eine professionelle         der Inanspruchnahme von Bildungsprä-         Beratung muss fachkundig sein, das
Unterstützung für Ratsuchende bereit-       mien oder Bildungsschecks.                   heißt, die Berater/-innen müssen über
halten. Darauf hat vor über dreißig Jah-                                                 den Gegenstand, über den sie beraten,
ren bereits der Deutsche Bildungsrat        Beratung wird als eine Dienstleistung        Bescheid wissen. Sie müssen in der
hingewiesen. Von diesem Anspruch ist        von darauf spezialisierten Einrichtungen     Lage sein, den Zugang zu Quellen her-
die Realität der Bildungsberatung           angeboten und ist damit in der Regel         zustellen, relevante Informationen be-
jedoch noch ein gutes Stück entfernt.       anbieterneutral. Oftmals wird sie aber       reithalten und so aufbereiten, dass sie
Wir wissen wenig über die Bildungs-         auch von den Bildungsanbietern selbst        von den Adressaten genutzt werden
beratung, ihre Anlässe, Prozesse und        erbracht und dient dann zugleich als         können.
Instrumente und die Motivation der          Marketinginstrument. Berater arbeiten

                                                                                                        BWP 4/ 2009              3
KOMMENTAR

     Zu einer professionellen Bildungsbera-      Ausbau und Verstetigung der                    die Arbeits-, Lebens- und Lernprozesse
     tung gehört weit mehr als eine Infor-       Strukturen                                     begleitet und unterstützt, wird sich die-
     mation über Bildungsangebote. Diese         Angesichts der Heterogenität der Bera-         sem Fazit nicht entziehen können.
     ließe sich auch Broschüren oder Daten-      tungslandschaft stellt sich die Aufgabe
     banken entnehmen. Relevant für Ent-         einer besseren Verzahnung der Ange-
     scheidungen, die weitreichende Konse-       bote. Eine wichtige, ja zentrale Rolle         Beratung offensiver
     quenzen für die gesamte Biografie           beim Aufbau einer bundesweiten und             vermarkten
     haben, ist eine am Einzelfall orientierte   trägerunabhängigen Beratungsinfra-             Beratung, so heißt es immer wieder, soll
     Beratung über die Verwertung von            struktur kommt dabei der Berufsbera-           offen sein für alle Interessenten. Ange-
     Qualifikationen am Arbeitsmarkt, über       tung der Bundesagentur für Arbeit zu.          bote sollen deshalb niedrigschwellig
     berufliche Anforderungen und indivi-        Vorzüge sind ihre bundesweite Präsenz,         sein. Dies ist leicht gefordert, aber
     duelle Karrierechancen, über Zulas-         die langjährigen Erfahrungen ihrer             schwierig zu realisieren, vor allem auch
     sungsvoraussetzungen für Prüfungen          Berater/-innen sowie die Verbindung zu         in ländlichen Regionen und für bil-
     oder eine Beratung in Finanzierungs-        den Berufsinformationszentren. Aller-          dungsferne Schichten. Dabei könnte
     fragen. Zunehmend relevant ist dane-        dings hat die Berufsberatung im Zuge           gerade eine aufsuchende Beratung
     ben die Frage, inwieweit berufliche         der sogenannten Hartz-Reformen an              Hemmnisse abbauen und latentes Inter-
     Kompetenzen – seien sie in formalen,        Stellenwert eingebüßt. Personelle Kapa-        esse aktivieren.
     nonformalen oder informellen Kontex-        zitäten wurden zugunsten der Vermitt-
     ten erworben – in weiterführenden Bil-      lung umgeschichtet; auch die unter-            Neben den klassischen Präsenzbera-
     dungsgängen, bei einem beruflichen          schiedlichen Organisationsmodelle der          tungen im Vier-Augen-Gespräch wer-
     Wiedereinstieg oder Umstieg nutzbar         regionalen Arbeitsmarktpolitik waren           den neue Formen zu entwickeln und zu
     gemacht werden können. Professionel-        der Qualitätssicherung und Professio-          erproben sein. Beispiele aus dem Aus-
     les Beraten bedeutet, dass Ratsuchen-       nalisierung nicht eben förderlich. Nut-        land, wie die in Großbritannien erprob-
     de und beratende Fachkraft in einem         zer/-innen beklagen lange Wartezeiten          te telefonische Berufs- und Bildungs-
     längeren Prozess gemeinsam eine             auf Beratungstermine, zu kurze Zeiten          beratung (vgl. K Ä P P L I N G E R in diesem
     Lösung für ein Problem finden. Bera-        für eine individuelle Beratung und das         Heft) können neue Wege weisen. Sol-
     tung wird so zu einem diskursiven und       mangelnde Eingehen auf den Einzelfall.         che Modelle gilt es zu sichten und auf
     reflexiven Prozess. Für ein Gelingen ist    Das neue Beratungskonzept der BA               Übertragbarkeit zu testen. Generell
     die Mitwirkung der Ratsuchenden             (vgl. R Ü B N E R in diesem Heft) verheißt     wäre es sinnvoll, das Internet sehr viel
     ebenso wichtig wie die Kompetenz der        eine qualitative Weiterentwicklung.            intensiver zu nutzen. So könnten Weiter-
     ratgebenden Personen, die über ein                                                         bildungsdatenbanken mit elaborierten
     hohes Maß an Sensibilität, Dialog-          Im Sinne eines Beitrags zum lebens-            Suchstrategien und Wissensmanage-
     fähigkeit, Kreativität und Reflexions-      begleitenden Lernen müsste sich die            mentsystemen ausgestattet werden.
     vermögen verfügen sollten.                  Berufsberatung von einer Einrichtung           Auf diese Weise könnte die Abfrage
                                                 zur Information und Beratung von jun-          von Bildungsangeboten beispielsweise
     Eine Voraussetzung für die Beratungs-       gen Menschen, die eine erste Ausbil-           mit Hintergrundinformationen zu Beru-
     tätigkeit dürfte ein grundständiges,        dung oder einen ersten Berufseinstieg          fen und Arbeitsmärkten, zu Verwer-
     nicht unbedingt speziell auf Beratungs-     suchen, zu einer Einrichtung wandeln,          tungsmöglichkeiten und Verdienst-
     situationen ausgerichtetes Studium sein.    die umfassend über Ausbildung und              strukturen flankiert werden (vgl. M AIER
     Es reicht aber kaum aus, um das kom-        Karriere, Weiterbildung und (berufli-          und K ANELUTTI in diesem Heft).
     plexe Anforderungsprofil abzudecken.        ches) Lernen informieren. Dies sollte
     Ebenso wichtig wie Berufserfahrung in       zugleich mit einer inhaltlichen Neuaus-        Auch sollten Beratungsstellen ein akti-
     einschlägigen Arbeitsmarktsegmenten         richtung, einer Qualifizierung des Bera-       veres Marketing in eigener Sache betrei-
     ist die berufliche Weiterbildung. Spe-      tungspersonals und einer Qualitätssiche-       ben. Allzu Vieles blüht immer noch im
     zielle Weiterbildungsgänge, in denen        rung verbunden sein. Es handelt sich           Verborgenen. Um Kunden zu gewin-
     Berater/-innen gezielt auf ihre Aufga-      hierbei allerdings um Leistungen, die          nen, wäre es notwendig, auf potenzielle
     ben vorbereitet bzw. in der Wahrneh-        mit dem Versicherungsprinzip nicht in          Nutzer zuzugehen, Leistungen aktiver
     mung unterstützt werden, sind indes-        Einklang zu bringen sind. Zu Recht wird        darzustellen und nicht zu warten, bis
     sen rar. Vieles bleibt dem Zufall und der   in einem Rechtsgutachten von D URNER /         irgendwann Kunden vor der Tür stehen
     Initiative des Einzelnen überlassen. Eine   F A S S B E N D E R eine Verselbstständigung   und um einen Termin bitten. 
     systematische Weiterbildung wäre not-       der Beratungsaufgaben der Bundes-
     wendig. Einen Beitrag dazu leistet ein      agentur und eine Steuerfinanzierung
                                                                                                1 Das Gutachten wurde vom Deutschen
     gestuftes Aus- und Weiterbildungskon-       der Beratungsleistungen gefordert.1
                                                                                                  Verband für Bildungs- und Berufsberatung
     zept (vgl. S CHIERSMANN / W EBER in die-    Wer die (Berufs-)Beratung zu einer pro-          e. V. (dvb) in Auftrag gegeben und ist über
     sem Heft).                                  fessionellen Einrichtung machen will,            die Website des Verbands abrufbar.

     4                BWP 4/ 2009
INTERVIEW              B I L D U N G S - U N D B E R U F S B E R AT U N G

                                            Ein Netzwerk zur Weiterentwicklung
                                            der Beratung in Deutschland
                                            Interview mit Karen Schober

 Unter der Leitlinie „Beratung für Lebens-                                               KAREN SCHOBER
                                                                                          Dipl.-Soziologin, Jahrgang 1945
langes Lernen stärken“ hat sich im September

2006 das Nationale Forum Beratung in Bildung,

Beruf und Beschäftigung (nfb) gegründet. Ziel

ist es, einen aktiven Beitrag zum Ausbau und
                                                                • Vorsitzende des Nationalen Forums für Beratung in Bildung, Beruf &
                                                                 Beschäftigung e. V.
zur inhaltlichen Weiterentwicklung der Bera-
                                                                • Vizepräsidentin der Internationalen Vereinigung für Bildungs- und
tung sowie zur Vernetzung der Akteure in die-                    Berufsberatung (IAEVG / AIOSP)
                                                                • Bis 2005 Leiterin des Referats für Berufsorientierung und berufliche
sem Feld zu leisten. Karen Schober, Vorsitzen-                   Beratung der Bundesagentur für Arbeit
                                                                • Projektleiterin Nationaler Pakt für Ausbildung und Fachkräftenach-
de des Nationalen Forums, benennt aktuelle                       wuchs in Deutschland in der Bundesagentur für Arbeit (2004 – 2008)
                                                                • Mitglied der Expertengruppe Lifelong Guidance bei der
Herausforderungen beim Ausbau eines kohä-                        EU-Kommission (2002 – 2007), seit 2007 Mitarbeit im European
                                                                 Lifelong Guidance Policy Network – ELGPN)
renten und transparenten Beratungsangebots

und gibt Einblicke in die Arbeitsschwerpunkte

des Forums.
                                                               BWP_ Was wissen wir tatsächlich über die Wirkungen von
                                                               Beratung?

BWP_ Frau Schober, die Erwartungen an Beratung sind hoch-      Schober_ Der Bedarf an belastbaren Daten über die Wirkun-
gesteckt. Beratung soll einen Betrag dazu leisten, die Effi-   gen von Bildungs- und Berufsberatung ist groß – nicht nur
zienz der Bildungssysteme und der Arbeitsmärkte zu erhö-       in der Praxis, sondern auch in Politik und Verwaltung.
hen. Zudem soll sie insbesondere bildungsferne Schichten       Wir müssen unterscheiden zwischen kurz- und länger-
mobilisieren und so einen Beitrag zu mehr sozialer Gerech-     fristigen Wirkungen, zwischen individuellen und gesell-
tigkeit leisten. Sind diese Erwartungen zu erfüllen?           schaftlichen bzw. ökonomischen Auswirkungen.
                                                               Gängige „harte“, kurzfristig messbare Erfolge sind beispiels-
Schober_ Da möchte ich mit Horst Köhler antworten, der in      weise die Verringerung der Schul- oder Studienabbruch-
seiner Rede anlässlich der Feier zum 60. Geburtstag des        quoten oder der Anteil der Jugendlichen, die einen Aus-
Grundgesetzes gesagt hat, mit der deutschen Einheit sei        bildungsplatz gefunden haben. Hier wissen wir aus der
es wie mit der Demokratie: Sie ist nie vollendet, sondern      internationalen Forschung, dass intensivierte Beratungs-
bedarf ständiger Anstrengungen zu ihrer Vollendung. Ich        angebote in der Regel eine Verringerung der Abbruchquo-
will damit sagen: Wir arbeiten daran und wollen zur Errei-     ten zur Folge haben. Diese Ergebnisse sind durch Kontroll-
chung dieser Ziele beitragen – soweit Beratung hierzu einen    gruppenuntersuchungen relativ gut abgesichert. Anders
Beitrag leisten kann. Denn eines ist auch klar: Auch noch      sieht es mit den „weichen“ Wirkungsfaktoren aus. Dass
so gute und umfassende Beratung kann nicht alle Proble-        durch Beratung die individuelle Berufswahlkompetenz und
me des Bildungs- und Beschäftigungssystems lösen. Die          Entscheidungsfähigkeit eines Ratsuchenden verbessert wer-
Erwartungen dürfen nicht zu hoch gesteckt sein.                den und spätere berufliche Zufriedenheit und Erfolge
                                                               größer sind als ohne Beratung, ist zwar plausibel, muss aber
                                                               durch weitere empirische Forschung belegt werden.

                                                                                                              BWP 4/ 2009                5
INTERVIEW

                                                                   BWP_ Der Innovationskreis Weiterbildung empfiehlt, qua-
                                                                   litative Aspekte von Beratungsprozessen und die ökono-
                                                                   mischen und gesellschaftlichen Effekte der Bildungsbera-
                                                                   tung zu erforschen. Wo sollten hier Ihrer Meinung nach
    Zentrale Berichte                                              Schwerpunkte gesetzt werden?
    und Beschlüsse auf
                                                                   Schober_ Die gesellschaftlichen und ökonomischen Wir-
    einen Blick                                                    kungen guter und umfassender Beratung und deren soziale
                                                                   Folgekosten sind schwer nachzuweisen. Zu viele nur schwer
    BMBF (Hrsg.): Bestandsaufnahme der Bildungs-, Berufs- und      zu kontrollierende Einflussfaktoren und der Zeitfaktor spie-
    Beschäftigungsberatung in Deutschland, durchgeführt von
    Ramboll Management, Berlin/Bonn 2007 – URL: www.bmbf.          len eine Rolle. Es bedarf daher sehr aufwändiger und lang-
    de/pub/berufsbildungsforschung.pdf (Stand: 27. 5. 2009)        fristig angelegter Forschungsprojekte. Insofern sind die Emp-
    BMBF: Empfehlungen des Innovationskreises Weiterbildung
    für eine Strategie zur Gestaltung des Lernens im Lebenslauf.
                                                                   fehlungen des Innovationskreises für mehr Forschung in
    Berlin 2008 – URL: www.bmbf.de/pub/empfehlungen_innova-        diesem Bereich zu begrüßen. Schwerpunkte sollten aus Sicht
    tionskreis_weiterbildung.pdf (Stand: 27. 5. 2009)
                                                                   des nfb zum einen bei einer vertieften Analyse der indi-
    CEDEFOP: Establishing National Guidance Forums. Luxemburg
    2008                                                           viduellen Wirkungen von Beratung ansetzen, d. h. For-
    CEDEFOP: Strategien zur Bildungs- und Berufsberatung in        schungsansätze, die über die gängigen, eher oberflächlichen
    Europa. Synthesebericht Thessaloniki 2004 – URL: http://
    www2.trainingvillage.gr/etv/publication/download/panorama/
                                                                   Kundenzufriedenheitsbefragungen hinausgehen. Hier gibt
    5152_de.pdf (Stand: 27. 5. 2009)                               es z. B. in Großbritannien sehr viel elaboriertere Forschungs-
    CEDEFOP: Verbesserung der Politik und Systeme der lebens-      ansätze als bei uns. Zum anderen sollte mehr über die Wirk-
    begleitenden Bildungs- und Berufsberatung. Thessaloniki
    2005 – URL: http://www2.trainingvillage.gr/etv/publication/    samkeit verschiedener Beratungsansätze und Methoden in
    download/panorama/4045_de.pdf (Stand: 27. 5. 2009)
                                                                   Bezug auf unterschiedliche Beratungsanliegen und Ziel-
    EU: Entschließung zu einer besseren Integration lebensum-
    spannender Beratung in die Strategien für lebenslanges         gruppen geforscht werden, um das Methodeninventar zu
    Lernen. Ratsbeschluss 15030/08 v. 31. 10. 2008 – URL:          verbessern. Schließlich sollten wir drittens – trotz aller
    http://register.consilium.europa.eu/ pdf/de/08/st15/st15030.
    de08.pdf (Stand: 27. 5. 2009)                                  methodischen Schwierigkeiten und Einschränkungen –
    EU: Entschließung über den Ausbau der Politiken, Systeme       nicht nachlassen in dem Bemühen, soziale und ökonomi-
    und Praktiken auf dem Gebiet der lebensbegleitenden
    Beratung. Ratsbeschluss 9286/04 v. 18. 5. 2004 – URL:          sche Auswirkungen messbar zu machen. Ich halte es für legi-
    http://ec.europa.eu/education/policies/2010/doc/resolution     tim und notwendig, den Nutzen, den Wirtschaft und Gesell-
    2004_de.pdf (Stand: 27. 5. 2009)
                                                                   schaft von den Investitionen in gute Beratung haben,
    Hauptausschuss des BIBB: Empfehlung zur Berufsorientierung
    vom 14. Dezember 2005. In: BWP 35 (2006) 1, Beilage –          sichtbar und nachvollziehbar zu machen.
    URL: www.bibb.de/dokumente/pdf/a1_bwp-2006-h1-ha.pdf
    (Stand: 27. 5. 2009)
    KMK/BA: Rahmenvereinbarung über die Zusammenarbeit von
    Schule und Berufsberatung vom 15. 10. 2004 – URL:              BWP_ Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung befin-
    www.kmk.org/fileadmin/pdf/PresseUndAktuelles/2004/RV_
    Schule_Berufsberatung.pdf (Stand: 27. 5. 2009)                 det sich im Spannungsfeld von Bildungs-, Arbeits- und Sozi-
    Nationales Forum Beratung (nfb): Leitdokument des nfb          alpolitik. Welche Schritte sind erforderlich, um sektorale
    (Mission Statement), Berlin 2005 – URL: www.forum-bera-
    tung.de (Stand: 27. 5. 2009)                                   und föderale Abgrenzungen im Sinne einer verbesserten
    Nationales Forum Beratung (nfb): Qualitätsentwicklung und      Kohärenz zu überwinden?
    Professionalität in der Beratung für Bildung, Beruf und
    Beschäftigung. Dokumentation des Expertenworkshops vom
    19. und 20. November 2008 – URL: www.forum-beratung.de/        Schober_ Das nfb hat in seinem Eckpunktepapier zu not-
    cms/upload/Publikationen/Veranstaltungsdokumentationen/
    Dokumentation_WS_Herbst_2008.pdf (Stand: 27. 7. 2009)          wendigen Reformansätzen darauf verwiesen, dass die föde-
    Nationales Forum Beratung (nfb): Eckpunkte für ein zeitge-     ralen Strukturen in Deutschland – um es vorsichtig zu for-
    mäßes und zukunftsfestes Beratungsangebot in Deutschland       mulieren – nicht unbedingt zur Transparenz und Kohärenz
    – Plädoyer für notwendige Reformen der Struktur, des
    Zugangs und der Transparenz, Berlin 2009 –                     der Beratungsangebote beitragen. Nun werden wir das föde-
    URL: www.forum-beratung.de/cms/upload/aktuelles.pdf
    (Stand: 27. 5. 2009)
                                                                   rale System deswegen nicht aus den Angeln heben wollen
    OECD: Career Guidance and Public Policy – Bridging the Gap.    und können. Es muss vielmehr darum gehen, die durch den
    Paris 2004 – URL: www.oecd.org/dataoecd/33/45/34050171.pdf     Föderalismus mit beeinflusste Zersplitterung der Zustän-
    (Länderbericht Deutschland unter www.oecd.org/dataoecd/
    28/35/1939079.pdf) (Stand: 27. 5. 2009)                        digkeiten und Angebotsstrukturen in der Bildungsberatung
    OECD/EU: Berufsberatung. Ein Handbuch für politisch            durch Anreize zur Verzahnung und Vernetzung zu über-
    Verantwortliche, OECD Publikationen 2004. (Englische
    Originalfassung: OECD/EU [2004]. Career Guidance.              winden. Das nfb hat hierzu Vorschläge gemacht – bei-
    A Handbook for Policy Makers.)                                 spielsweise mehr und bessere Ausstattung von Schulen mit
                                                                   Beratungspersonal, die Qualifizierung von Lehrpersonen
                                                                   für Beratungsaufgaben sowie eine bessere lokale und sek-
                                                                   torübergreifende Vernetzung der unterschiedlichen Bera-
                                                                   tungsanbieter. Es gibt zahlreiche Beispiele für gelungene
                                                                   Vernetzungen, so die seit langem bestehende Rahmenver-

          6                   BWP 4/ 2009
einbarung zwischen der Kultusministerkonferenz und der            BWP_ In Deutschland erfolgt ein Großteil der Beratung im
Bundesagentur für Arbeit zur Zusammenarbeit von Schule            Rahmen der öffentlichen Arbeitsverwaltung oder träger-
und Berufsberatung oder die in den „Lernenden Regionen“           gebunden. Wie sind diese Strukturen mit Blick auf den
vereinbarte Zusammenarbeit lokaler Akteure in Weiterbil-          Anspruch zu bewerten, eine unvoreingenommene Infor-
dung und Beratung sowie die vom Bundesjugendministe-              mation und Beratung zu leisten, die sich konsequent an
rium geförderten „Kompetenzagenturen“ zur Förderung der           den Bedarfen der Ratsuchenden orientiert?
Integration benachteiligter Jugendlicher. Sie reichen jedoch
bei weitem nicht aus, da viele dieser Ansätze nur punktu-         Schober_ Beratung – das gehört zu den Grundprinzipien
ell vorhanden und nicht von Dauer sind.                           und ethischen Standards, die von der Internationalen Ver-
                                                                  einigung für Bildungs- und Berufsberatung (AIOSP/IAEVG)
                                                                  herausgegeben wurden – darf nicht interessengeleitet sein,
BWP_ Beratung soll dazu beitragen, Transparenz in einem           sondern muss objektiv, neutral und unparteiisch sein.
zunehmend differenzierten Bildungsangebot zu schaffen.            Wenn sie das nicht ist, muss dies dem Kunden/Ratsuchen-
Seit einigen Jahren boomt der Beratungsmarkt. Wie kann            den gegenüber transparent gemacht werden (wie z. B. in
verhindert werden, dass die Angebote von Beratungsdienst-         § 289 SGB III festgelegt). Beratung muss deswegen ja nicht
leistern selbst so unübersichtlich werden, dass es einer Bera-    schlecht sein – im Gegenteil – jemand, der sein Produkt ver-
tung für die Auswahl der passenden Beratung bedarf?               kauft, ist in der Regel auf diesem Gebiet sehr kenntnisreich.
                                                                  Was wir aber brauchen ist eine Verpflichtung der Anbieter
Schober_ Die Intransparenz der Beratungsangebote ist tat-         und Beratenden auf die Prinzipien der Objektivität und
sächlich ein zunehmendes Problem. Hilfreich wären hier            Neutralität. Aus diesem Grund sind auch Mindeststandards
gemeinsame Anlaufstellen – etwa in Verantwortung der              für die Aus- und Fortbildung des Beratungspersonals so
Kommunen – sowie Internetportale, auf denen das Ange-             wichtig.
botsspektrum und Qualitätsnormen übersichtlich und kun-           In Bezug auf die Beratung durch die Bundesagentur für
denfreundlich aufgelistet sind. Eine weitere Möglichkeit,         Arbeit (BA) ist im Gesetz klar festgelegt, woran sich die Bera-
den Markt für Bildungs- und Berufsberatung vor allem in           tung zu orientieren hat: „Art und Umfang richten sich nach
qualitativer Hinsicht transparent zu machen, ist eine Zer-        dem Beratungsbedarf des Ratsuchenden … Dabei sind die
tifizierung bzw. Akkreditierung der Beratungsanbieter und         Neigung, Eignung und Leistungsfähigkeit sowie die Beschäf-
des Beratungspersonals. Nach den Erfahrungen der Finanz-          tigungsmöglichkeiten zu berücksichtigen.“ (§§ 29–31 SGB
krise fordern Politiker Regelungen für die Berufsausübung         III). Die Beratung durch die Arbeitsagenturen ist insofern
und die Qualifikation der Finanzberater. Sollte dies nicht        „unvoreingenommen“ – sie hat aber einen klaren gesetz-
mit noch höherer Priorität für jene gefordert werden, die         lichen Auftrag, der auf die berufliche Integration zielt, d. h.,
sich um unser „Humankapital“ kümmern?                             die Realisierbarkeit auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt
                                                                  ist Bestandteil der Aufgabe.
BWP_ Gerade in der beruflichen Weiterbildung werden viele
Beschäftigte innerbetrieblich qualifiziert. Wie können per-
sonen- und betriebsbezogene Beratungskonzepte besser              BWP_ Wir wissen, dass es Zielgruppen gibt, die nur schwer
miteinander verzahnt werden?                                      Zugang zu Bildungsangeboten finden. Was ist zu tun, damit
                                                                  nicht ähnliche Barrieren die Inanspruchnahme von Bera-
Schober_ Selbstverständlich ist die Frage der Qualifizierungs-    tungsangeboten verhindern?
beratung, insbesondere in KMU, eine ganz zentrale, wenn
es um die Sicherung des künftigen Fachkräftebedarfs geht.         Schober_ Einen nutzerfreundlichen, niedrigschwelligen
Die Bundesregierung hat in diesem Zusammenhang eine               Zugang zu Beratungsangeboten für alle Bürger zu garan-
Reihe von Projekten gefördert, die Beratungskonzepte für          tieren, gehört zu den zentralen Zielen der europäischen
Unternehmen entwickelt haben. Allerdings stellt sich m. E.        Politik im Bereich lebensbegleitender Bildungs- und Berufs-
die Frage, ob Qualifizierungsberatung für Betriebe eine öffent-   beratung. In den internationalen und europäischen Studien
liche Aufgabe ist, die aus Steuergeldern zu finanzieren ist.      wurde u. a. festgestellt, dass öffentlich verantwortete, un-
Fragen der betrieblichen Weiterbildung betreffen natürlich        entgeltliche Beratung meist an den Übergangsschwellen
auch die Beschäftigten und ihre Chancen, sich beruflich           zwischen Bildung und Beschäftigung sowie bei Arbeits-
weiterzuentwickeln und ihre Beschäftigungsfähigkeit zu            losigkeit angeboten wird, seltener jedoch für Berufstätige,
sichern. Eine Verzahnung von betrieblicher Qualifizie-            die sich weiterbilden oder beruflich neu orientieren wollen.
rungsberatung sowie Berufslaufbahn- und Weiterbildungs-           Ähnliches gilt für schwer erreichbare Zielgruppen, die den
beratung für Beschäftigte sollte daher angestrebt werden.         Kontakt zu den herkömmlichen Institutionen des Bil-
Dabei muss auch sichergestellt sein, dass es sich um eine         dungswesens und des Arbeitsmarkts verloren haben.
objektive, neutrale und unparteiische Beratung handelt, die       Es gibt in Deutschland eine Reihe von öffentlich geförder-
nicht allein die betrieblichen Interessen im Blick hat.           ten Einrichtungen, die sich der gezielten Ansprache solcher

                                                                                                           BWP 4/ 2009          7
INTERVIEW

      Personengruppen widmen: Kompetenzagenturen, Frauen-             BWP_ Dies führt zur Frage der Professionalisierung von Bera-
      beratungsstellen, Integrationsfachdienste, Migranten-Bera-      tungsfachkräften. Welche Initiativen sind vom Nationa-
      tungsstellen usw. Mit einer zielgruppenspezifischen Anspra-     len Forum zu erwarten, diesen Prozess mitzugestalten?
      che und aufsuchenden Beratungsangeboten versuchen sie,
      die Menschen anzusprechen, sie zu aktivieren und ihnen          Schober_ Qualität und Professionalität bedingen sich gegen-
      Zugang zu Förderangeboten, Ausbildung und Arbeit zu             seitig. Das nfb hat bei dem Expertenworkshop den Vor-
      verschaffen; dazu bedarf es einerseits eines diversifizierten   schlag gemacht, in einem offenen Koordinierungsprozess
      und niedrigschwelligen Angebots, andererseits einer guten       mit möglichst vielen Beteiligten und Betroffenen sich auf
      Vernetzung untereinander und zu den Regelinstitutionen.         Leitlinien für Qualität und Professionalität in der Bera-
      Wichtig ist, dass die Menschen an die für ihr Anliegen rich-    tung in Bildung, Beruf und Beschäftigung zu verständigen.
      tige Beratungsstelle gelangen und nicht erst den Marsch         Diese Diskussion wird kontrovers geführt, und wir werden
      durch die Institutionen antreten müssen, auf dem sie dann       Rahmenregelungen finden müssen, die den unterschied-
      meist auch verlorengehen. Für all diese Angebote gilt           lichen institutionellen Rahmenbedingungen der verschie-
      jedoch: Sie brauchen eine stabile, kontinuierliche Struktur     denen Anbieter ebenso wie den im Feld tätigen Praktikern
      und Finanzierung, wenn sie nachhaltig wirksam sein sollen.      gerecht werden. Das bedeutet auch, dass wir uns nicht aus-
                                                                      schließlich an formalen Zugangsregelungen und akademi-
                                                                      schen Abschlüssen orientieren können, sondern vorhan-
      BWP_ Als Ergebnis seiner Tagung im November 2008 fordert        dene Kompetenzen und deren Anrechnung einbeziehen
      das Nationale Forum u. a. die Orientierung an gemeinsam         müssen.
      geteilten, anbieterübergreifenden Standards und gleich-
      zeitig die beratungsspezifische Ausgestaltung von Quali-        BWP_ Das Nationale Forum setzt sich dafür ein, in Deutsch-
      tätsmanagement. Wie muss man sich dieses Verhältnis von         land ein zeitgemäßes Beratungssystem zu etablieren, das an
      übergreifenden Standards und spezifischen Qualitätskon-         europäische und internationale Standards anknüpft. Was
      zepten vorstellen?                                              sind auf dem Weg dorthin in den nächsten drei Jahren die
                                                                      wichtigsten Meilensteine?
      Schober_ Bildungsberatung hat in Deutschland – im Gegen-
      satz zur Berufsberatung – keine lange Tradition. Eine Bera-     Schober_ Ein ganz zentraler Meilenstein wird der erfolgrei-
      tungswissenschaft etabliert sich erst allmählich. Lange Zeit    che Abschluss dieses offenen Koordinierungsprozesses sein.
      war die BA Monopolist auf dem Gebiet der Berufsberatung         Wir hoffen, in zwei bis drei Jahren zu einem Ergebnis ge-
      und hat auf der Grundlage ihrer gesetzlichen Vorgaben           kommen zu sein, das im Einverständnis aller Beteiligten
      die Qualitätsstandards für ihre Beratungsaufgaben, die          umgesetzt werden kann – etwa in übergreifenden Ausbil-
      immer zugleich auch die Vermittlung in Ausbildung oder          dungsgängen oder in breit einsetzbaren Qualitätssiche-
      Arbeit einschlossen, selbst gesetzt. Mit dem Wegfall des        rungsinstrumenten.
      Monopols hat sich eine starke Pluralisierung der Bera-          Kurzfristig sollten in die aktuellen Bundes- und Länder-Pro-
      tungslandschaft entwickelt, die durch keinerlei Zugangs-        gramme zur Verzahnung der Akteure auf der regionalen
      oder Qualitätsbestimmungen mehr geregelt ist. Auch in der       und lokalen Ebene, wie z. B. „Lernen vor Ort“ oder Job-
      Studienberatung an Hochschulen gibt es keine einheitli-         Starter, Bildungsprämie oder Bildungsscheck (NRW), Hes-
      chen Normen. Insofern wächst der Bedarf an einheitlichen        senCampus etc., eine Intensivierung und Verzahnung der
      und verbindlichen Qualitätsstandards für die Aufgaben-          Beratungsangebote als wesentliche Aufgabe integriert wer-
      wahrnehmung und die Ausbildung des Beratungspersonals.          den. Dies könnte dazu beitragen, eine weitere Zersplitte-
      Nun sind die gesetzlichen und institutionellen Rahmen-          rung unterschiedlicher Handlungslogiken zu vermeiden.
      bedingungen der verschiedenen Beratungsbereiche und             Im Hinblick auf die strukturell notwendigen Reformen ist
      Beratungsanbieter zu unterschiedlich, um sie alle auf ein       unser Ziel eine bessere Verzahnung von Bildungs-, Jugend-
      und dasselbe Qualitätsmodell zu verpflichten. Es wird daher     und Arbeitsmarktpolitik im Sinne einer zwischen den Res-
      die Aufgabe sein, sich auf einen Bereich an „Kern-Quali-        sorts, Bund, Ländern und Kommunen abgestimmten, kohä-
      tätskriterien“ und „Kernkompetenzen“ zu verständigen, die       renten Politik. Dazu gehören auch Bemühungen, die Inve-
      für alle Beratungsfelder gelten, und darüber hinaus für die     stitionen für und die Wirkungen von Beratung besser
      unterschiedlichen Beratungsfelder je spezifische Qualitäts-     sichtbar zu machen – konkret der Appell an die Verantwort-
      kriterien und Kompetenzanforderungen zu erarbeiten. Das         lichen, in den Nationalen Bildungsbericht Kennziffern zur
      Ganze wäre dann in einen Qualitätsentwicklungsrahmen            Beratung aufzunehmen. Denn auch in der Politik zählt
      zu integrieren, der es den jeweiligen Beratungseinrichtun-      letztlich nur das, was gemessen werden kann: „You get
      gen ermöglicht, ihre Qualitätssicherungsmaßnahmen               what you measure!“ 
      daran zu orientieren.
                                                                      (Fragen: Peter Bieg/Christiane Jäger)

      8                BWP 4/ 2009
IM BLICKPUNKT                 B I L D U N G S - U N D B E R U F S B E R AT U N G

                                              Professionalität als Herausforderung:
                                              Ein Kompetenzprofil für das
                                              Beratungspersonal im Feld Bildung,
                                              Beruf und Beschäftigung

 Beratung stellt bis heute in Deutschland                       Beratungsverständnis und
                                                                 internationale Bezugspunkte
eine kaum geschützte Tätigkeit dar. Weder

gibt es eine gesetzliche Regulierung im Sinne                    Bevor ein Kompetenzprofil für Berater/-innen näher erläu-
                                                                 tert werden kann, ist zunächst zu klären, für welches Bera-
eines Berufs, noch existieren in Deutschland –
                                                                 tungsfeld diese Kompetenzen hilfreich sein sollen und wel-
anders als etwa in den USA oder in Kanada –                      ches Verständnis von Beratung dem zugrunde liegt. Unsere
                                                                 Überlegungen beziehen sich auf das Feld der Beratung in
starke Berufsverbände, die den Zugang zu die-
                                                                 Bildung, Beruf und Beschäftigung, wie es in den EU-Ent-
ser Tätigkeit steuern. Das Feld weist daher nur                  schließungen von 2004 und 2008 definiert worden ist.
                                                                 Das Beratungsverständnis der EU ist sehr individuumzen-
einen geringen Professionalisierungsgrad auf.                    triert. Wir implizieren eine Erweiterung um betriebs- bzw.
Folglich verwundert es nicht, wenn praktisch                     organisationsbezogene Anwendungsbereiche der Beratung
                                                                 in Bezug auf das definierte Feld, denn auch Betriebe sind
kein Konsens über eine klare Definition der                      zunehmend darauf angewiesen, ihr Personal optimal wei-
Anforderungen an die Kompetenzen des Bera-                       terzuqualifizieren. Von Beratung sprechen wir, wenn der
                                                                 Prozess selbstreflexiv angelegt ist und über Informations-
tungspersonals besteht. In diesem Beitrag                        vermittlung hinausgeht. Das Wechselspiel von Reflexion
                                                                 und Information ist demnach ein charakteristisches Merk-
wird unter Rückgriff auf ein systemisches Rah-
                                                                 mal von Beratung.
menkonzept ein Kompetenzprofil vorgestellt,                      Die im Folgenden ausgeführte Systematisierung des Kom-
                                                                 petenzprofils basiert auf einem systemischen Kontextmo-
in das alle relevanten Arbeiten aus dem natio-
                                                                 dell von Beratung, das an anderer Stelle bereits ausführ-
nalen und internationalen Raum eingeflossen                      lich dargestellt wurde (vgl. S CHIERSMANN u. a. 2008, S. 16).
                                                                 Es wird hier lediglich in Bezug auf daraus abgeleitete Kom-
sind. Darauf aufbauend werden Perspektiven
                                                                 petenzen erläutert. Bei der Erstellung dieses Kompetenz-
für die Gestaltung der Aus- und Weiterbildung                    profils wurden insbesondere internationale Kompetenz-
                                                                 kataloge zur Beratung einbezogen (vgl. Tabelle, S. 10). Als
des Beratungspersonals entwickelt. 1
                                                                 deutscher Kompetenzkatalog wurde das „Berufsbild“ für
                                                                 Berufsberater/-innen des Deutschen Verbands für Bildungs-
                                                                 und Berufsberatung (dvb) berücksichtigt (vgl. www.dvb-
                                                                 fachverband.de).
                 CHRISTIANE SCHIERSMANN                          Kennzeichnend für das nachfolgend vorgestellte Kompe-
                 Prof. Dr. phil., Institut für Bildungswissen-   tenzprofil ist ein Kompetenzbegriff, der sich an Outcomes
                 schaft, Universität Heidelberg
                                                                 von Lernprozessen orientiert (zum zugrundeliegenden
                                                                 Kompetenzbegriff vgl. ausführlich SCHIERSMANN u. a. 2008,
                                                                 S. 91 ff.).
                 PETER WEBER
                 Dipl.-Päd., wiss. Mitarbeiter im Institut für
                 Bildungswissenschaft, Universität Heidelberg    1 Die Ausführungen basieren im Wesentlichen auf einer Expertise, die
                                                                   für das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft im Rah-
                                                                   men der Arbeiten für den Innovationskreis Weiterbildung erstellt
                                                                   wurde (vgl. S CHIERSMANN u. a. 2008).

                                                                                                             BWP 4/ 2009            9
IM BLICKPUNKT

 Tabelle Internationale Kompetenzkataloge zur Beratung                                     ist in der Forschung als die entscheidende Voraussetzung
                                                                                           für einen erfolgreichen Beratungsprozess identifiziert wor-
Kompetenzkatalog                               Fundstelle im Web                           den (vgl. u. a. G RAWE u. a 1994). Da die Bearbeitung von
CEDEFOP – European Centre for Development      www.cedefop.europa.eu/etv/Upload/Informa-   Anliegen der Ratsuchenden mit Instabilität bzw. Destabi-
of Vocational Training                         tion_resources/Bookshop/531/5193_en.pdf     lisierung gewohnter Muster einhergeht, besteht eine zen-
IAEVG – Internationale Organisation für        www.iaevg.org/iaevg/nav.cfm?lang            trale Kompetenz der Berater/-innen darin, stabile Rah-
Schul- und Berufsberatung                      =3&menu=1&submenu=5
                                                                                           menbedingungen für den Veränderungsprozess zu schaffen
NBCC – National Board for Certified            www.nbcc.org/AssetManagerFiles/
Counselors                                     handbooks/NCSCE.pdf                         und so für strukturelle und emotionale Sicherheit bei den
KBSB – Schweizerische Konferenz der            www.kbsb.ch/Erklaerung_BSLB.pdf             Ratsuchenden zu sorgen (vgl. HAKEN/SCHIEPEK 2006). Hier-
Leiterinnen und Leiter der Berufs- und         und www.kbsb.ch/Profil_D_18.pdf             zu zählen alle Maßnahmen zur Schaffung eines „sicheren
Studienberatung
                                                                                           Ortes“. Dabei geht es um eine angenehme Ausgestaltung
Canadian Standards and Guidelines for          www.career-dev-guidelines.org/career_dev/
Career Development Practitioners                                                           des Settings und das Bemühen der Berater/-innen, das
CICA – Career Industry Council of Australia    www.cica.org.au/system/files/f15/o158/      geplante Vorgehen zu erläutern und damit transparent zu
                                               ProfessionalStandardsforAustralianCareer
                                                                                           machen. Sie müssen in diesem Kontext auch in der Lage
                                               DevelopmentPractitioners_Revised2007.pdf
                                                                                           sein zu entscheiden, ob sie die geeigneten Ansprechpartner
                                                                                           für das zu lösende Problem sind.

                  Dimensionen eines Kompetenzprofils                                       Im weiteren Verlauf des Beratungsprozesses spielt die
                  für Beraterinnen und Berater                                             Klärungsperspektive eine zentrale Rolle. Eine (potenzielle)
                                                                                           Veränderung bei den Ratsuchenden setzt eine energeti-
                  Der Beratungsprozess konstituiert sich unserem Modell                    sche Aktivierung des jeweiligen Systems voraus. Es geht in
                  zufolge aus den Subsystemen des Beraters/der Beraterin und               diesem Zusammenhang um die Kompetenz, motivations-
                  des ratsuchenden Systems, sei es eine Person, eine Gruppe/               fördernde Bedingungen herzustellen, Ressourcen zu akti-
                  ein Team oder eine Organisation sowie den organisatio-                   vieren sowie die emotionale und motivationale Bedeutung
                  nalen und gesellschaftlichen Kontexten dieses Kommuni-                   von Zielen, Anliegen und Visionen der Ratsuchenden her-
                  kationsprozesses. Dementsprechend gliedert sich das Kom-                 auszuarbeiten (vgl. HAKEN /S CHIEPEK 2006, S. 438). Ziel ist
                  petenzprofil in folgende sechs Bereiche: 2                               es, Faszination zu ermöglichen und eine Identifikation
                  • Kompetenzen zur Gestaltung von Beratungsprozessen                      mit Zielen und Wegen der Veränderung zu erreichen, Lei-
                  • Kompetenzen in Bezug auf die Ratsuchenden                              stungsangst und Druck zu vermeiden, (Zwischen-)Resultate
                  • Selbstreflexive Kompetenzen der Beraterin/des Beraters                 wertzuschätzen, das Selbstwertgefühl zu stärken und eigen-
                  • Organisationsbezogene Kompetenzen                                      verantwortliches Handeln zu fördern.
                  • Gesellschaftsbezogene Kompetenzen
                  • Ebenenübergreifende Kompetenzen.                                       Eine zentrale Fähigkeit der Berater/-innen besteht darin,
                                                                                           den Ratsuchenden neue Erfahrungsmöglichkeiten zu eröff-
                  Dieses Kompetenzprofil will nicht primär andere, bereits                 nen. Um dies zu erreichen, müssen bestehende Muster der
                  vorliegende Kompetenzkataloge ersetzen, vielmehr weist es                Kognition, des Erlebens und des Verhaltens destabilisiert
                  viele Übereinstimmungen mit diesen auf. Der Vorteil liegt                werden. Um bestehende Muster zu unterbrechen, müssen
                  vorrangig in einer theoriebezogenen Systematisierung, die                die Berater/-innen über die Kompetenz zum angemessenen
                  den Nachvollzug der Kategorien sowie die Umsetzung eines                 Einsatz unterschiedlicher Techniken verfügen, z. B. Übun-
                  solchen Kompetenzprofils erleichtern soll.                               gen und Rollenspiele, Verhaltensexperimente, Fokussierung
                                                                                           auf die Ausnahmen von einem Problemmuster, Erarbeitung
                                                                                           von veränderten Verständniszusammenhängen und Deu-
                  KOMPETENZEN ZU R G ESTA LTU N G D ES BERATU N G S-                       tungen (Reframing), konfrontative und provokative Ver-
                  PROZESSES A L S L ERN - U N D V ERÄ N D ERU N G SPROZESS                 fahren. Dabei ist es wichtig, begonnene Lernprozesse zu
                  Beim Beratungsprozess handelt es sich um einen Kommu-                    verstärken, Anreize zu identifizieren, veränderte Symbole,
                  nikationsprozess zwischen Ratsuchenden und Berater/-in.                  Sprachspiele und Interpretationen anzuregen (vgl. HAKEN /
                  Dabei ist es zentral, dass der Berater/die Beraterin in der              SCHIEPEK 2006, S. 439). Hier spielt ggf. auch die Kompetenz
                  Lage ist, einen dem Beratungsanliegen adäquaten Bezie-                   der beratenden Person eine Rolle, Beurteilungsverfahren
                  hungsaufbau zu leisten. Der Aufbau einer tragfähigen Bezie-              wie Tests oder andere Formen des Assessments zur Kom-
                  hung zwischen ratsuchendem und beratendem Subsystem                      petenzfeststellung adäquat anwenden zu können. Die
                                                                                           Berater/-innen sollten in der Lage sein, Ratsuchende bei der
                                                                                           Beschaffung von Informationen über Bildungs- und
                  2 Dieses Kompetenzprofil liegt auch dem an der Universität Heidel-
                    berg angebotenen Aufbaustudiengang „Berufs- und organisationsbe-
                                                                                           Beschäftigungsmöglichkeiten zu unterstützen und deren
                    zogene Beratungswissenschaft“ zugrunde (www.beratungswissen-           Kompetenz im Umgang mit Informationen erweitern.
                    schaft.de).

                   10                     BWP 4/ 2009
In der sich anschließenden Phase des Beratungsprozesses,                 Neben der Reflexion der organisationalen Beratungskon-
die auf konkrete Veränderungen abzielt, sollten Berater/                 texte geht es in diesem Zusammenhang auch um die Mit-
-innen dazu beitragen, die gemeinsam herausgearbeiteten                  arbeit der Berater/-innen an der aktiven Gestaltung und
Intentionen, Ziele und potenziellen Wege in Handlungs-                   Weiterentwicklung der Beratungsorganisation. Aus diesem
schritte zu übersetzen. Werden im Zuge des Beratungspro-                 Grund müssen sie in der Lage sein, an der Entwicklung
zesses positiv bewertete Kognitions-, Emotions- oder Ver-                eines spezifischen, an den Bedürfnissen der Zielgruppe aus-
haltensmuster erreicht, so gilt es, diese zu stabilisieren.              gerichteten Selbstverständnisses ihrer Organisation und
                                                                         daraus abgeleiteten Strategien der Organisation mitzuwir-
K O M P E T E N Z E N I N B E Z U G A U F D I E R AT S U C H E N D E N   ken. Letzteres betrifft z. B. die Art und Weise des Umgangs
Berater/-innen müssen über die Kompetenz verfügen, Kennt-                miteinander, d. h. die Organisationskultur, ebenso wie die
nisse über Bildungs- und Berufsbiografien und Lebensver-                 Prozesse der Bedarfserfassung und der Angebotsentwick-
läufe angemessen in den Beratungsprozess einzubeziehen.                  lung sowie des Evaluierens von Beratungsangeboten, aber
Hierzu sind auch Kenntnisse über persönlichkeitstheoreti-                auch Supportprozesse wie Anmeldeverfahren, Weiterbil-
sche Modelle und die Dynamik individuellen Verhaltens,                   dung des Personals, Personalmanagement, Abrechnung
z. B. im Zusammenhang von Motivation, Selbstkonzept                      von Beratungsleistungen.
und Selbstwirksamkeit, Interesse, Entscheidungsverhalten                 Neben der Beratung im engeren Sinn kann eine weitere
oder Lern- und Kompetenzentwicklungsprozessen erfor-                     Aufgabe des Beratungspersonals sein, bei der Entwicklung
derlich.                                                                 von Programmen zur Bildungs- und Berufsentwicklung
Zudem müssen sie ihr Beratungshandeln auf die Vielfalt der               (z. B. in Form von Bildungsprogrammen an Schulen, Kur-
Ratsuchenden, z. B. in Bezug auf Alter, ethnische Zugehö-                sen in der Weiterbildung oder Gruppencoachings in Betrie-
rigkeit, Geschlecht oder sozioökonomischen Status abstim-                ben) mitzuwirken.
men und zielgruppenspezifisches Wissen, z. B. über spezi-
fische Unterstützungsmöglichkeiten, in die Beratung                      GESELLSCHAFTSBEZOGENE KOMPETENZEN
einbringen. Dies erfordert soziale und interkulturelle Sen-              In Bezug auf die gesellschaftliche Dimension sind in der
sibilität.                                                               Beratung Förderbedingungen, die Arbeitsmarktsituation,
Ebenso sollten sie in der Lage sein, das soziale Umfeld des              Beschäftigungsformen etc. ebenso von Bedeutung wie
Individuums entweder als für den Beratungsprozess rele-                  gesellschaftliche Megatrends, z. B. die zunehmende Dienst-
vante Einflussvariable oder real in das Beratungshandeln                 leistungsorientierung, Globalisierung, die gestiegene Bedeu-
einzubeziehen.                                                           tung der neuen Technologien oder der Wertewandel. Die
                                                                         Berater/-innen müssen daher in der Lage sein, in ihrem pro-
SELBSTREFLEXIVE KOMPETENZEN                                              fessionellen Handeln aktuelle gesellschaftliche Rahmen-
Berater/-innen bringen in die Beratungssituation auch ihre               bedingungen angemessen zu berücksichtigen und zu reflek-
individuelle Bildungs-, Berufs- und Lebensgeschichte ein.                tieren.
Für professionelles Handeln in einer Beratungssituation
ist in diesem Zusammenhang die selbstreflexive Kompetenz                 EBENENÜBERGREIFENDE KOMPETENZEN
der Berater/-innen hervorzuheben. Sie müssen in der Lage                 Neben den soeben erläuterten Dimensionen des Kompe-
sein, ihr professionelles Handeln kontinuierlich zu reflek-              tenzprofils, die sich auf die verschiedenen Systemebenen
tieren, blinde Flecke zu bearbeiten, die eigene Leistungs-               des Beratungsmodells beziehen, sind einige Kompetenzen
fähigkeit und die eigenen Grenzen wahrzunehmen. Dies                     von zentraler Bedeutung, die für alle Ebenen relevant sind.
setzt regelmäßige Weiterbildung und Supervision ebenso                   So besteht in der Fachliteratur weitgehend Konsens, dass
voraus wie professionellen Austausch, z. B. im Team, in kol-             Berater/-innen sich in ihrem Handeln vorrangig an den
legialen Gruppen oder in Berufsverbänden.                                Bedürfnissen und Ressourcen der Ratsuchenden / Kunden als
                                                                         kompetente Individuen orientieren. In diesen Kontext
O R G A N I S AT I O N S B E Z O G E N E K O M P E T E N Z E N           gehört auch die Kompetenz, ihr professionelles Handeln für
Beratung ist immer in organisationale und gesellschaftliche              alle Akteure transparent zu gestalten. Ebenso spielen ethi-
Rahmenbedingungen eingebunden. Bei den organisatio-                      sche Aspekte eine zentrale Rolle. Berater/-innen müssen
nalen Kontexten spielt in der personenbezogenen Beratung                 daher die Kompetenz und Bereitschaft mitbringen, diese im
eine Rolle, ob es sich z. B. um ein marktförmiges Beratungs-             Diskurs (im Team, in berufsständischen Organisationen
angebot zur Karriereberatung oder um eine – oft verpflich-               usw.) immer wieder neu zu konkretisieren. Schließlich ist
tende – Beratung gemäß SGB II/III handelt. Bei der orga-                 als ebenenübergreifend die Kompetenz hervorzuheben, das
nisationsbezogenen Beratung ist z. B. zu berücksichtigen,                Beratungshandeln an einem Qualitätskonzept auszurichten
ob es sich um einen Klein-, Mittel- oder Großbetrieb han-                und an der Entwicklung und Durchführung von Quali-
delt, ob um ein kommerzielles Unternehmen oder eine                      tätskonzepten mitzuwirken.
Non-Profit-Organisation.

                                                                                                               BWP 4/ 2009        11
IM BLICKPUNKT

             Konsequenzen für die Qualifizierung                             der Berufstätigkeit ausmacht, in ihrem Umfang und ihrer
             von Beraterinnen und Beratern                                   Tiefe jedoch beschränkt ist.

             Das hier nur grob skizzierte Kompetenzprofil, das für ein-      Die zweite Ebene umfasst Angebote, die auf theoretische
             zelne Teilbereiche der Beratung in Bildung, Beruf und           Vorkenntnisse (z. B. durch eine pädagogische, psychologi-
             Beschäftigung noch zu konkretisieren und auszudifferen-         sche oder andere geeignete sozialwissenschaftliche Vorbil-
             zieren ist, kann u. a. dazu dienen, die angebotenen Aus-        dung) sowie praktische Beratungserfahrung aufbauen. Auf
             und Weiterbildungen für Berater/-innen zu systematisieren       dieser Grundlage können notwendige Kompetenzen ver-
             und besser aufeinander abzustimmen. Eine solche Abstim-         mittelt werden, die es Beraterinnen und Beratern ermög-
             mung erscheint angesichts der vorhandenen Heterogenität         lichen, professionelle Beratung in einem ausgewählten Teil
             dringend erforderlich (vgl. zur Analyse bestehender Aus-        des Beratungsfelds durchzuführen.
             und Weiterbildungsangebote S CHIERSMANN u. a. 2008,
             S. 105 ff.). Dabei sollten auch die aktuellen internationalen   Auf der dritten Ebene werden Bachelorstudiengänge einge-
             und insbesondere europäischen Entwicklungen berück-             ordnet. Sie ermöglichen durch Kombination von Wissens-
             sichtigt werden (vgl. z. B. CEDEFOP 2009; OECD 2004;            erwerb und Praxiserfahrung einen grundständigen Einstieg
             Watts 2002). In diesem Zusammenhang ist auch auf das            in die Beratung oder können ggf. auch als aufbauende Wei-
             ELGPN (European Lifelong Guidance Policy Network)               terbildung konzipiert werden. Auf dieser Ebene werden
             (www.elgpn.net) zu verweisen, das die Weiterentwicklung         umfassende Kompetenzen erworben, die zur professionel-
             der Beratung in Europa begleitet.                               len Tätigkeit in unterschiedlichen Teilfeldern befähigen
                                                                             sollen.
             Um die vorhandene Vielfalt der Aus- und Weiterbildungs-
             möglichkeiten zu strukturieren, schlagen wir die Orientie-      Auf der vierten Ebene werden Masterstudiengänge angesie-
             rung an einem gestuften Aus- und Weiterbildungskonzept          delt. Diese bauen in der Regel auf einen vorhandenen Stu-
             vor, das vier Kompetenzebenen unterscheidet und sich an         dienabschluss sowie Beratungserfahrungen auf und zielen
             der Logik des Europäischen Qualifikationsrahmens bzw. des       – neben der wissenschaftlich basierten Beratungspraxis –
             Deutschen Qualifikationsrahmens (EQR/DQR) orientiert            auch auf weitere Beschäftigungsperspektiven, z. B.
             (vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaft 2005).           • die Leitung von Beratungseinrichtungen,
                                                                             • konzeptionelle Arbeiten,
             Auf der ersten Ebene werden Bildungsangebote verortet,          • Tätigkeiten in der Aus- und Weiterbildung von Berate-
             die ohne spezifische Voraussetzungen einen Einstieg in            rinnen und Beratern sowie
             die Beratungspraxis ermöglichen. Der Kompetenzerwerb in         • Beratungsforschung.
             der Beratung auf dieser Ebene ermöglicht nur eine einge-
             schränkte Tätigkeit im Beratungsfeld. Ein solches Qualifi-
             zierungsangebot ist beispielsweise für Personen sinnvoll,       Perspektiven
             für die bildungs- und berufsbezogene Beratung einen Teil
                                                                             Bei der Ausgestaltung eines solchen Stufenmodells zur Aus-
                                                                             und Weiterbildung sollten die Prinzipien der Durchlässig-
                                                                             keit und der Anerkennung von – auch informell erworbe-
Abbildung Strukturierung der Aus- und Weiterbildung
                                                                             nen – Kompetenzen konsequent verfolgt werden. Ebenso
                                                                             ist die durchgängige Modularisierung der Qualifizierungs-
                                                                             angebote anzustreben. Hierbei sind jedoch zwei Voraus-
                     Studiengänge mit Masterabschluss                        setzungen zu schaffen, die bisher noch nicht ausreichend
                                                                             entwickelt sind:
                                                                             • zum einen die fachlich begründete Differenzierung der
                    Studiengänge mit Bachelorabschluss
                                                                                Kompetenzen nach verschiedenen Handlungsfeldern
                                                                                (z. B. die Beratung im Hochschulbereich, in Betrieben, im
               Auf Beratungspraxis aufbauende Weiterbildung                     Rahmen des Übergangs Schule – Ausbildung) sowie nach
                                                                                Kompetenzentwicklungsstufen (parallel zum vorgestell-
                                                                                ten vierstufigen Modell),
                       Weiterbildung auf Basisniveau                         • zum anderen die Entwicklung von Kompetenzanerken-
                                                                                nungsverfahren, die sowohl fachlichen Anforderungen
                                                                                als auch den geltenden Standards der Kompetenzmes-
                                                                                sung genügen.

             12               BWP 4/ 2009
Wünschenswert wäre auch eine europäische Anschlussfä-
                                                               Literatur
higkeit bzw. Vergleichbarkeit der Aus- und Weiterbildungs-
angebote. Ein von der Universität Heidelberg im Rahmen         CEDEFOP: Professionalising career guidance. Practitioner competences
                                                               and qualification routes in Europe. CEDEFOP Panorama Series 164.
des Erasmus-Programms geplantes Projekt soll dies für die
                                                               Luxembourg 2009
Ebene von Studiengängen erarbeiten.
                                                               EU: Entschließung zu einer besseren Integration lebensumspannender
                                                               Beratung in die Strategien für lebenslanges Lernen. Ratsbeschluss
Die wissenschaftsbasierten Überlegungen können nur             15030/08 v. 31. 10. 2008 – URL: http://register.consilium.europa.eu/
einen Teilbaustein für die Realisierung eines Kompetenz-       pdf/de/08/st15/st15030.de08.pdf (Stand: 12. 6. 2009)

profils, nämlich dessen theoretische Fundierung, darstel-      EU: Entschließung über den Ausbau der Politiken, Systeme und Prakti-
                                                               ken auf dem Gebiet der lebensbegleitenden Beratung. Ratsbeschluss
len. Voraussetzung für die Realisierung eines solchen Kon-     9286/04 v. 18. 5. 2004 – URL: http://ec.europa.eu/education/policies/
zeptes ist, dass dieses von den relevanten Akteuren in         2010/doc/resolution2004_de.pdf (Stand: 12. 6. 2009)
Politik und Praxis nicht nur akzeptiert, sondern auch wei-     G RAWE , K. u. a.: Psychotherapie im Wandel. Von der Konfession zur
terentwickelt und gezielt und systematisch umgesetzt wird.     Profession. Göttingen u. a. 1994

Hierzu liegen Empfehlungen vor (vgl. S CHIERSMANN u. a.        H AKEN , H.; S CHIEPEK , G.: Synergetik in der Psychologie. Selbstorganisa-
                                                               tion verstehen und gestalten. Göttingen u. a. 2006
2008, S. 117 ff.).
                                                               K OMMISSION DER E UROPÄISCHEN G EMEINSCHAFT (2005): Auf dem Weg zu
                                                               einem europäischen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen.
Im November 2008 und Mai 2009 haben auf der Basis die-         Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen. Brüssel: Kommission
ser Empfehlungen vom Bundesministerium für Bildung             der Europäischen Gemeinschaft. National Steering Committee for
                                                               Career Development Guidelines and Standards 2003
und Wissenschaft (BMBF) sowie vom Nationalen Forum
                                                               Nationales Forum Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung:
Beratung (nfb) durchgeführte Workshops stattgefunden
                                                               Dokumentation Qualitätsentwicklung und Professionalität in der Bera-
(vgl. nfb 2009). Es besteht die konkrete Absicht, die weite-   tung für Bildung, Beruf und Beschäftigung. Berlin 2009
re Abstimmung über ein Kompetenzprofil sowie insgesamt         OECD: Berufsberatung: Ein Handbuch für politisch Verantwortliche.
über Qualitätsstrategien für die Beratung im Feld Bildung,     Paris 2004
Beruf und Beschäftigung im Prozess dieser Form der offe-       S CHIERSMANN , Ch. u. a.: Qualität und Professionalität in Bildungs- und
nen Koordinierung voranzubringen.                             Berufsberatung. Bielefeld 2008
                                                               WATTS , A. (2002): OECD-Gutachten zur Berufsberatung – Deutsch-
                                                               land. Länderbericht. In: Ibv Publikationen, Nr. 38, S. 2679–2697

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