EILDIENST 12 /2014 - Aus dem Inhalt: Denkwerk Zukunft

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EILDIENST 12 /2014 - Aus dem Inhalt: Denkwerk Zukunft
EILDIENST
                                            12/2014

Aus dem Inhalt:
   Große Landkreisversammlung am 17. November 2014
   Frauen in Führung
   Regierungsentwurf für ein Gemeindefinanzierungsgesetz 2015
EILDIENST 12 /2014 - Aus dem Inhalt: Denkwerk Zukunft
EILDIENST Heft 12/2014                                                                                Auf ein Wort

Unterlassene Hilfeleistung?
Zu beispiellosen zeitlichen Abläufen
bei der Novellierung des Rettungs-
gesetzes NRW
Kaum zu glauben, aber wahr: Das Gesetzgebungsverfahren zur Novellierung des
Rettungsgesetzes Nordrhein-Westfalen dauert inzwischen stolze zehn Jahre! Seit
einem Jahrzehnt fordern alle Akteure im Rettungsdienst grundlegende Veränderun-
gen dieses Gesetzes, um Rechtsprechung umzusetzen und Regelungen an die ein-
getretenen rapiden Veränderungen des technischen und organisatorischen Umfelds
anzupassen. Ziel ist dabei immer ein Mehr an Qualität bei erhöhter Leistungseffi­
zienz zur Rettung und zum Schutz von Menschenleben in Nordrhein-Westfalen.
Änderungen des Gesetzes wären schon damals und seither zu jedem Zeitpunkt
möglich und nötig gewesen. Gleichwohl wurde das federführende Gesundheits­
ministerium – über alle Regierungen dieser Zeit hinweg – nicht initiativ. Viele
Verbände – auch der Landkreistag – haben ihre Forderungspapiere über die Jahre
immer wieder aktualisiert. Mediziner würden das, was das Gesundheitsministerium
mit dem Rettungsgesetz tat – oder vielmehr: nicht tat – wohl als unterlassene Hilfeleistung bezeichnen. Viele Verbände
haben daher sogar gefordert, die Zuständigkeit für den Rettungsdienst angesichts seiner Nähe zum Katastrophenschutz
und seiner organisatorischen Nähe zum Feuerwehrwesen in das für Inneres zuständige Ministerium zu überweisen.
Stets schob ein desinteressiertes Gesundheitsministerium die erforderliche Novelle unter Hinweis auf Wahltermine – auf
Landes-, Bundes-, kommunaler oder EU-Ebene – oder noch ausstehende Gerichtsentscheidungen – des Oberverwaltungs-
gerichts, des Bundesgerichtshofs oder des Europäischen Gerichtshofs vor sich her. Erst im Herbst 2012, nachdem das Ver-
fahren in Gremiensitzungen aller Akteure im Beisein des Gesundheitsministeriums nur noch als „running gag“ bezeichnet
wurde, legte das Ministerium einen Referentenentwurf vor.
Danach dauerte es wiederum 21 Monate, um daraus im Gesundheitsministerium eine Kabinettvorlage zu fertigen. Als das
Ganze schließlich im Sommer 2014 den Landtag erreichte, zeigte sich, dass sich alle maßgeblichen Akteure bereits hinsicht-
lich sämtlicher Inhalte der notwendigen Änderungen einig waren: Die kommunalen Spitzenverbände, die Feuerwehrfach-
verbände, die Hilfsorganisationen, die Gewerkschaften, die Ärzteschaft und die Verbände der privaten Krankentransport-
unternehmer. Das Verlangen nach den dringend erforderlichen Änderungen ist so groß, dass alle Differenzen unter den
Beteiligten überwunden sind.
Nach der von Einvernehmen unter den Anzuhörenden geprägten Landtagsanhörung im Oktober und des sich ebenfalls
ergebenden inhaltlichen Einvernehmens unter den im Landtag vertretenen Fraktionen schien die Verabschiedung des
Gesetzentwurfs im Plenum am 17. Dezember 2014 als „gesetzt“, zumal auch hinsichtlich aller noch erforderlichen
Änderungen Konsens im Wortlaut bestand.
Doch wenige Tage vor diesem Termin trat erneut das Gesundheitsministerium auf den Plan und streute, die Parteien seien
sich uneinig, insbesondere die Hilfsorganisationen hätten Bedenken, auch liefen noch Verhandlungen zwischen kommu-
nalen Spitzenverbänden und Kassen zur Refinanzierung der Notfallsanitäterausbildung. Auch der letzte Rekurs jedes nicht
mehr weiterwissenden Ministerialen wurde genutzt: Es bestünden möglicherweise – nicht sicher, aber vielleicht und
gegebenenfalls – Probleme mit EU-Recht. Die Verabschiedung müsse bis auf Weiteres vertagt werden.
Daraufhin wandten sich in einem einzigartigen Appell am 11. Dezember alle Verbände und Institutionen, die im Rettungs-
dienst in Nordrhein-Westfalen einen Namen haben, an die Vorsitzenden aller Landtagsfraktionen. Richtig gestellt wurde,
dass alles Gerede von Uneinigkeit und andauernden Verhandlungen falsch sei. Die Landtagsabgeordneten wurden
dringend gebeten, das Gesetz noch im Jahr 2014 abschließend zu beraten und zu verabschieden.
Gründe für Verzögerungen dieser seit Jahren überfälligen Novellierung sind tatsächlich nicht ersichtlich und angesichts des
erforderlichen Beginns der Notfallsanitäterausbildung auch nicht verantwortbar. Einen Popanz angeblicher – „man weiß es
nicht“ – EU-rechtlicher Probleme aufzubauen, ist schlicht abwegig. Allein in einem einzigen Punkt wird dem Landtag die
Entscheiderrolle auch inhaltlich nicht erspart bleiben: Der Gesetzentwurf sieht richtigerweise die erforderliche Refinanzier-
barkeit der Notfallsanitäterausbildung über kommunale Rettungsdienstgebühren vor. Es ist nun Sache des Gesetzgebers,
politisch zu entscheiden, ob er eine solche Refinanzierung – wie in anderen Bundesländern bereits geregelt – über die
Krankenkassen oder aber eine solche über einen Belastungsausgleich nach dem Konnexitätsausführungsgesetz zu Lasten
des Landeshaushalts bevorzugt.

                                                                             Dr. Martin Klein
                                                                             Hauptgeschäftsführer
                                                                             des Landkreistages Nordrhein-Westfalen

                                                                                                                          493
EILDIENST 12 /2014 - Aus dem Inhalt: Denkwerk Zukunft
Inhalt                                                                                                       EILDIENST Heft 12/2014

EILDIENST                                                                                       12/2014

                                                Auf ein Wort
                                                        Wort                                                                   493

                                                Thema aktuell
                                                      ektuell
 Kavalleriestraße 8
 40213 Düsseldorf                               Regierungsentwurf für ein
 Telefon 0211/ 300 491-0                        Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) 2015                                        497
 Telefax 02 11/ 300 491-660
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                                                Aus dem Landkreistag
 Impressum
                                                Große Landkreisversammlung des LKT NRW
 EILDIENST – Monatszeitschrift                  am 17. November 2014 in Kleve                                                 502
 des Landkreistages
 Nordrhein-Westfalen                            Beschluss der Landkreisversammlung zur „Drei-Prozent-Sperrklausel“
                                                im Kommunalwahlrecht                                                          510
 Herausgeber:
 Hauptgeschäftsführer                           Wiederwahl des Präsidiums des Landkreistages NRW                              511
 Dr. Martin Klein
                                                Vorstand des Landkreistages NRW am 17. November 2014                          511
 Redaktion:
 Erster Beigeordneter Dr. Marco Kuhn
 Beigeordneter Reiner Limbach
 Referent Dr. Markus Faber                      Schwerpunkt:
 Referentin Dorothée Heimann
 Hauptreferent Dr. Christian v. Kraack
                                                Gleichstellung / Frauen in der Kreisverwaltung
 Referentin Dr. Esther Rabeling
 Referentin Kirsten Rüenbrink                   Fachtagung „Frauen in Führung“ im Kreis Herford                               512
 Referent Dr. Kai Zentara
                                                Führen in Teilzeit bei der Kreisverwaltung Herford                            514
 Quelle Titelbilder:
 Sergey Nivens - Fotolia.com
                                                Führen in Teilzeit in der Kreisverwaltung Gütersloh                           516
 Redaktionsassistenz:
 Heike Schützmann                               Erfolgreiches Projekt zur Förderung junger Mütter
 Astrid Hälker                                  im Kreis Siegen-Wittgenstein                                                  517
 Monika Borgards
                                                Interkommunale Zusammenarbeit – Mentoring im Münsterland                      518
 Herstellung:
 ALBERSDRUCK GMBH & CO KG                       Frauen als Beamtinnen vom 19. Jahrhundert bis heute
 Leichlinger Straße 11                          – ein historischer Überblick                                                  520
 40591 Düsseldorf

 ISSN 1860-3319                                 Themen
                                                Gesetzentwurf der Landesregierung
                                                zur Stärkung des Regionalverbandes Ruhr                                       521
                                                Zweites Gesetz zur Änderung
                                                des Rettungsgesetzes Nordrhein-Westfalen                                      523
                                                Open Days – Europäische Woche der Regionen und Städte                         530
                                                Vorbeugender Schutz zur Verhinderung von Wasserschäden                        531

                                                Im Fokus
                Kreise in Nordrhein-Westfalen
                                                Der Märkische Kreis wird E-mobil                                              533

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EILDIENST 12 /2014 - Aus dem Inhalt: Denkwerk Zukunft
EILDIENST Heft 12/2014                                                       Inhalt

EILDIENST                                                               12/2014

Medien-Spektrum: Aktuelle Pressemitteilungen

Erste Tourismuskonferenz für kommunale Entscheidungsträger
in Nordrhein-Westfalen                                            535

Präventionsgesetz: Landkreistag NRW
fordert stärkere Rolle der Gesundheitsämter                       535

Kurznachrichten

Allgemeines
Kreis Unna schaltet eigenes Nachrichtenportal frei                536

Arbeit und Soziales
Schulterschluss aller Arbeitsmarktakteure im Kreis Unna           536
Weniger Ausbildungsverträge in NRW                                536
Armutsgefährdung Geringqualifizierter in NRW weiter gestiegen     536
Leichter Anstieg von sozialer Mindestsicherung
am Jahresende 2013                                                537

Familie, Kinder und Jugend
„Vereinbarkeit von Beruf und Pflege“ – Projekt im Kreis Coesfeld
für Beschäftigte von Kreisverwaltung und Polizei                  537
345.000 alleinerziehende Mütter und Väter im Jahr 2011            538

Gesundheit
Mikrozensus-Zusatzbefragung zum Gesundheitszustand,
Gewicht und Rauchen                                               538
Weniger Todesfälle infolge von Diabetes                           538

Kultur
Die 36. Ausgabe des Jahrbuchs zum Kreisjubiläum in Wesel          539
Aufsätze und Bilderreise zur Industriekultur in NRW               539

Schule und Weiterbildung
2,7 Millionen Studierende im Wintersemester 2014/2015             539
Anzahl der Medizinstudenten
an NRW-Hochschulen gestiegen                                      540
IT.NRW legt Broschüre „Hochschulen in NRW“ vor                    540

                                                                                 495
EILDIENST 12 /2014 - Aus dem Inhalt: Denkwerk Zukunft
Inhalt                                                                EILDIENST Heft 12/2014

EILDIENST                                                  12/2014

          Umwelt
          Rhein-Sieg-Kreis mit dem European Energy Award® (eea®) ausgezeichnet         540

          Wirtschaft und Verkehr
          Landrat Wolfgang Spreen zum Verbandsvorsteher des
          Nahverkehrs-Zweckverbands Niederrhein gewählt                                540
          „Genuss auf der Karte“ am Niederrhein                                        541

          Persönliches
          Beeindruckende Vita –
          Oberkreisdirektor a. D. Rudolf H. Müller ist 90 Jahre alt                    541

          Hinweise auf Veröffentlichungen
                       Veröffentlichungen                                               542

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EILDIENST 12 /2014 - Aus dem Inhalt: Denkwerk Zukunft
EILDIENST Heft 12/2014                                                                                        Thema aktuell

      Regierungsentwurf für ein
      Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) 2015
 Am 24.10.2014 fand im Landtag die öffentliche Anhörung zum Regierungsentwurf eines Gemeindefinanzierungsgesetzes (GFG)
 2015 statt. Zu diesem am 10.09.2014 in den Landtag eingebrachten Entwurf und vier weiteren Anträgen der Fraktionen haben sich
 der Landkreistag Nordrhein-Westfalen (LKT NRW) und der Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen (StGB NRW) in einer
 Stellungnahme geäußert. Nach Auffassung von LKT NRW und StGB NRW verfehlt der Regierungsentwurf das Ziel interkommunaler
 Verteilungsgerechtigkeit, da die wissenschaftlichen Ergebnisse des FiFo-Gutachtens der Landesregierung darin nur teilweise – hin-
 sichtlich der Datenbasis zur Berechnung der Verteilungsparameter der Gemeindeschlüsselmasse – umgesetzt werden. So werden
 Parameter für die Verteilung der Mittel von Teilschlüsselmassen genutzt, die nach den wissenschaftlichen Maßgaben eine deutlich
 andere Dotierung hätten. Die vorgesehene Teilumsetzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse führt damit zu einer Schieflage des
 kommunalen Finanzausgleichs. Die einseitige Nichtumsetzung der dem kreisangehörigen Raum zugutekommenden Ergebnisse des
 FiFo-Gutachtens tragen LKT NRW und StGB NRW nicht mit, da sie – anders als eine konsequente Vollumsetzung – willkürlich ist.
 LKT NRW und StGB NRW fordern demgegenüber gemeinsam die kommunale Finanzausstattung durch Wiederanhebung des Ver-
 bundsatzes auf 28,5 v. H. auch landesseitig zu verbessern, den Vorschlag des FiFo-Gutachtens zur Umstellung auf Auszahlungen
 aus allgemeinen Deckungsmitteln vollständig umzusetzen und die zulasten kleinerer kreisangehöriger Gemeinden gehende Nicht-
 berücksichtigung der Gewerbesteuerumlage zu revidieren, einen Einstieg in die vom FiFo-Gutachten vorgeschlagene Anpassung
 der Teilschlüsselmassen für die Kreise/Städteregion und Landschaftsverbände auf Grundlage einer Relation der Auszahlungen aaD
 der drei Gebietskörperschaftsgruppen, die Ermittlung der gemeindliche Einnahmekraft unter Nutzung nach Gemeindegrößenklassen
 gestaffelter fiktiver Hebesätze und die Abschaffung der Einwohnerveredelung nach der Hauptansatzstaffel. Die gemeinsame Stel-
 lungnahme der beiden Verbände zum Regierungsentwurf wird nachstehend dokumentiert.

A. Zum Regierungsentwurf                       Finanzausgleich erfolgt eine sich verstär-      dungen in den Landschaftsverbänden auf
eines GFG 2015                                 kende Umverteilung von Mitteln in den           6,5 Mrd. Euro (+ 297 Mio. Euro) gestiegen
                                               kreisfreien Bereich, die dort verausgabt        sind.
1. Zusammenfassung                             und nach der Logik des Verteilungssystems       Dabei ist zu konstatieren, dass – trotz der
                                               wiederum als Indikatoren für einen höhe-        Entlastung durch die in den Jahren 2012
Der      vorliegende     Regierungsentwurf     ren Bedarf gewertet werden.                     bis 2014 schrittweise erfolgte Vollüber-
eines GFG 2015 verfehlt das Ziel inter-        Die damit einhergehende einseitige Nicht­       nahme der Kosten der Grundsicherung im
kommunaler Verteilungsgerechtigkeit im         umsetzung der dem kreisangehörigen              Alter und bei Erwerbsminderung durch den
kommunalen Finanzausgleich. Denn die           Raum zugute kommenden Ergebnisse des            Bund – die Netto-Aufwendungen für lan-
wissenschaftlichen Ergebnisse des FiFo-        FiFo-Gutachtens können wir nicht mittra-        des- und oder bundesrechtlich veranlasste
Gutachtens der Landesregierung (Goerl/         gen, da sie – anders als eine konsequente       soziale Leistungen allein in den Bereichen
Rauch/Thöne, „Weiterentwicklung des            Vollumsetzung – willkürlich ist.                Hilfe zur Pflege, Eingliederungshilfe für
kommunalen Finanzausgleichs in Nord-                                                           Menschen mit Behinderungen, Hilfe zum
rhein-Westfalen“,       Finanzwissenschaft­    2. D
                                                   otierung                                   Lebensunterhalt, Hilfe zur Gesundheit,
liches Forschungsinstitut an der Universi-        des Steuerverbunds                           Hilfe zur Überwindung besonderer sozi-
tät zu Köln [FiFo-Institut], Köln 2013 – im                                                    aler Schwierigkeiten und Hilfe in anderen
Folgenden: FiFo-Gutachten) werden darin        Die kommunale Haushaltssituation bleibt         Lebenslagen, Kinder- und Jugendhilfe
nur teilweise – hinsichtlich der Datenbasis    trotz des Stärkungspaktes Stadtfinanzen         sowie Kosten der Unterkunft und Heizung
zur Berechnung der Verteilungsparame-          und aller weiteren Maßnahmen der Lan-           für Langzeitarbeitslose seit dem Jahr 2007
ter der Gemeindeschlüsselmasse – umge-         desregierung weiter schwierig. So hat die       um über 4 Milliarden Euro – und damit um
setzt. So werden Parameter für die Ver-        aktuelle Haushaltsumfrage des Städte-           fast 40 Prozent – zugelegt haben (vgl. Gra-
teilung der Mittel von Teilschlüsselmassen     und Gemeindebundes NRW unter seinen             phik und Aufstellung auf Seite 498).
genutzt, die nach den wissenschaftlichen       359 Mitgliedskommunen gezeigt, dass             Der sozialaufwendungsbedingte Bela-
Maßgaben eine deutlich andere Dotierung        nur 47 Mitgliedskommunen einen struk-           stungsanstieg bei den NRW-Kommunen
hätten. Die vorgesehene Teilumsetzung          turell ausgeglichenen Haushalt erreichen:       hat daher die im Grundsicherungsbereich
der wissenschaftlichen Erkenntnisse führt      Dies bedeutet, dass nur etwa jede zehnte        bewirkte Entlastung wieder überholt.
damit zu einer Schieflage des kommunalen       Mitgliedskommune den eigentlich von der         Daher muss nun auch das Land seiner aus
Finanzausgleichs. Diese wird noch dadurch      Gemeindeordnung als Normalfall gefor-           Art. 28 Abs. 2 und 3 GG i. V. m. 79 Satz
besonders ausgeprägt, dass das System der      derten Zustand erreichen kann.                  1 Verf NRW folgenden Verantwortung für
Einwohnerveredelung         einwohner­starke   Dies gilt, obwohl die Umlageentwicklung         die angemessene Finanzausstattung der
Städte durch die Anerkennung (realer)          bei den Kreisen (jeweils einschließlich Städ-   nordrhein-westfälischen Kommunen nach-
Ausgaben als Bedarf favorisiert, während       teregion Aachen) und den Landschafts-           kommen.
bei der Berechnung der Steuerkraft erheb-      verbänden nicht mit der eingetretenen           Es ist daher erforderlich, den Verbundsatz
liche Einnahmevorteile der größeren Städ-      Aufwandssteigerung mithält: So sind die         mittelfristig wieder deutlich anzuheben.
te durch die Wirkung einheitlicher fiktiver    Kreisumlagen im Jahr 2014 gegenüber             Die Absenkung des Verbundsatzes von
Realsteuerhebesätze        „weggerechnet“      dem Vorjahr auf insgesamt 5,2 Mrd. Euro         28,5 v. H. Mitte der 1980er-Jahre auf
werden. Dies führt dazu, dass die für einen    (+ 146 Mio. Euro) und die Landschaftsum-        nur noch nominelle 23 v. H. entzieht den
Einwohner im kreisfreien Bereich und im        lagen auf 4,2 Mrd. Euro (+ 188 Mio. Euro)       Kommunen jährlich – gemessen an der
kreisangehörigen Bereich zur Verfügung         gestiegen, während die Gesamtaufwen-            dem Regierungsentwurf eines GFG 2015
stehenden Ressourcen immer weiter aus-         dungen in den Kreisen auf 12,2 Mrd. Euro        zugrundeliegenden Verbundmasse – 2,3
einanderklaffen. Über den kommunalen           (+ 518 Mio. Euro) und die Gesamtaufwen-         Mrd. Euro. Dabei weisen die Haushalte

                                                                                                                                      497
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Thema aktuell                                                                                                  EILDIENST Heft 12/2014

der Kommunen landesweit nach dem dem          satzes in den GFG der Jahre 1982, 1983       te Übergang bei der fiktiven Bedarfsermitt-
Stärkungspakt zugrundeliegenden Gut-          und 1986, die zeitlich auch den Beginn des   lung auf die Auszahlungen aaD anstelle
achten der Landesregierung selbst bei einer   Aufwuchses der Kommunalverschuldung          des Zuschussbedarfs II wird begrüßt, eben-
rein kameralen Betrachtung ein jährliches,    in Nordrhein-Westfalen markiert.             so die vorgesehene Umstellung auf eine
konjunkturzyklusbereinigtes, strukturelles                                                 Mehrjahresdatenbasis (pooled OLS).
Defizit in Höhe von ca. 2,155 Mrd. € zzgl.    3. Zur Frage der Umstellung                 Die Umstellung vom kameralen „Zuschuss-
Zinsen für bestehende Liquiditätskredite,        der Datenbasis und der                    bedarf IIa“ auf die vom FiFo-Gutachten
mithin in Höhe von etwa 2,5 Mrd. € auf.                                                    vorgeschlagene doppische Basis der „Aus-
Daher liegt eine Hauptursache der kom-
                                                 Grunddatenaktualisierung                  zahlungen aus allgemeinen Deckungsmit-
munalen Unterfinanzierung in Nordrhein-       Der der Umstellung auf das Neue Kommu-       teln (Auszahlungen aaD)“ zur Glättung
Westfalen in der Absenkung des Verbund-       nale Finanzmanagement (NKF) geschulde-       jährlicher Schwankungen, zudem unter

498
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EILDIENST Heft 12/2014                                                                                      Thema aktuell

Nutzung von Mehrjahresdurchschnitten          basis und der daraus folgenden Grundda-       schaftsverbände] [werde] im Gutachten
(pooled OLS), ist sinnvoll: Die Umstel-       tenaktualisierung einhergehenden Verän-       nicht konkretisiert. Sie würde jedenfalls zu
lung stellt die Voraussetzung dafür dar,      derungen werden daher – vorbehaltlich         einer Reduzierung der Teilschlüsselmasse
die Ermittlung der für das GFG benötig-       der vorstehenden Problematik und einer        der Gemeinden führen. Die auf Grund einer
ten Grunddaten nach Einführung des NKF        nach dem Regierungsentwurf bislang nicht      solchen Aufstockung denkbare künftige
fortführen zu können. Zwar führt die Nut-     vorgesehenen Vollumsetzung des FiFo-          Senkung der Kreis- bzw. Landschaftsum-
zung von Mehrjahresdurchschnitten zum         Gutachtens (vgl. dazu: A.1.) – grundsätz-     lagesätze [sei] hierbei nicht gewährleistet
jetzigen Zeitpunkt sogar zu einem Wieder-     lich unterstützt, da sie in Anbetracht der    und würde ggf. hauptsächlich steuerstarke
anstieg der Gewichtung des Soziallasten-      Maßgabe erfolgen, dass der Gesetzgeber        Kommunen begünstigen[,]“ (Regierungs-
ansatzes. Dies wird von uns angesichts der    den kommunalen Finanzausgleich sach-          entwurf eines GFG 2015, S. 39) zumindest
damit einhergehenden künftigen Anstiegs-      gerecht, folgerichtig und ohne Anlegung       irreführend ist, denn der Gutachter hat
dämpfung und des für alle Kommunen in         willkürlicher Gesichtspunkte zu gestalten     diese Konkretisierung vorgenommen, wie
NRW eintretenden Vorteils größerer Ver-       hat und daher Korrekturbedarfe vollziehen     die Landesregierung selbst in LT-Vorlage
lässlichkeit des GFG aber akzeptiert. Auch    muss, die sich aus einer aktuelleren Daten-   16/842 vom 30.04.2013 (dort auf S. 3
die für die Folgejahre vorgesehene Auswei-    grundlage ergeben.                            [zu 2.]) vorträgt: Die Gemeindeschlüssel-
tung des Betrachtungszeitraums auf einen                                                    masse betrüge danach 67,5 Prozent, die
Fünfjahreszeitraum und die automatische       4. Zu den Strukturen und                     Kreisschlüsselmasse 16,6 Prozent und die
jährliche Aktualisierung der Grunddaten          Parametern des GFG 2015                    Landschaftsverbandsschlüsselmasse 15,9
werden von uns unterstützt.                                                                 Prozent der Gesamtschlüsselmasse.
Zu beachten ist mit Blick auf den vorge-
                                                 im Einzelnen                               Das dagegen teilweise angeführte Argu-
sehenen Zuschnitt der „Auszahlungen           a) Verbundsatz                                ment, dem Gesetzgeber stehe es frei, zu
aaD“ allerdings, dass dieser in folgendem     Der Verbundsatz muss mittelfristig wieder     entscheiden, ob er die Kreise und Land-
gewichtigen Punkt von den wissenschaft-       auf das bis 1982 bestehende Niveau von        schaftsverbände eher über Schlüsselzu-
lichen Ergebnissen des FiFo-Gutachtens        28,5 v.H. angehoben werden (s. o.).           weisungen oder über Umlagen als „alter-
abweicht: Der Vorschlag des Gutachters                                                      nativen Finanzierungskanal“ finanzieren
zur Umstellung aus Auszahlungen aaD           b)	Aufteilung der Gesamtschlüsselmasse       wolle, ist nicht zu Ende gedacht: Denn
(FiFo-Gutachten, S. 65) sah vor, schlicht     Es muss ein Einstieg in die vom FiFo-         über Umlagen kann zwischen den Betei-
alle Auszahlungen für laufende Verwal-        Gutachten der Landesregierung (Goerl/         ligten nur umverteilt werden, was ihnen
tungstätigkeit der Kontengruppen 70 bis       Rauch/Thöne, aaO, S. 115 und 149 f.)          zunächst zugewiesen wurde. Die einsei-
75 abzüglich aller Einzahlungen für lau-      vorgeschlagene Anpassung der Teilschlüs-      tige Anpassung allein der Datenbasis zur
fende Verwaltungstätigkeit in allen Pro-      selmassen für die Kreise/Städteregion         Berechnung der Verteilungsparameter in
duktbereichen außer Produktbereich 61         und Landschaftsverbände auf Grundlage         der Gemeindeschlüsselmasse führt jedoch
(Allgemeine Finanzwirtschaft) der Konten-     einer Relation der Auszahlungen aaD der       dazu, dass die entsprechenden Mittel den
gruppen 60 bis 66 zugrunde zu legen. Der      drei Gebietskörperschaftsgruppen erfol-       kreisangehörigen Gemeinden entzogen
Regierungsentwurf sieht nun vor, diese        gen. Die herausgestellte Erforderlichkeit     werden, ohne dass die Kreise/Städteregion
Einheitlichkeit zu durchbrechen und die       einer Anpassung der seit 1980 nicht mehr      und Landschaftsverbände zusätzliche Mit-
Gewerbesteuerumlage nicht zu berück-          grundjustierten     Teilschlüsselmassenauf-   tel erhalten. Das Argument von der „Ent-
sichtigen.                                    teilung auf die einzelnen Schlüsselmassen     scheidung für den Kreisfinanzausgleich“
Sie trägt damit Bedenken des Städtetages      für Gemeinden, Kreise und Landschafts-        stellt damit nichts anderes dar als eine
aus den Gesprächen zur FiFo-Umsetzung         verbände bestätigt sowohl die einstimmi-      wohlklingende Verpackung der „Entschei-
Rechnung, der darauf verwiesen hatte,         ge Empfehlung 16 der FiFo-Kommission          dung für die einseitige Berücksichtigung
dass die Gewerbesteuerumlage auch im          aus dem Jahr 2010, die Aufteilung der         der Soziallasten kreisfreier Städte“. Denn
Rahmen des bisher genutzten Zuschuss-         Schlüsselmasse auf Grundlage von Daten        was eine kreisangehörige Gemeinde im
bedarfs II nicht berücksichtigt worden sei.   der Jahresabschlussstatistik nach der Rela-   GFG nicht erhält, kann auch nicht im Wege
Der Gutachter dagegen hatte im Rahmen         tion der Zuschussbedarfe von Gemeinden,       der Erhebung der Kreisumlage geschaffen
der Gespräche zur FiFo-Umsetzung dar-         Kreisen und Landschaftsverbänden im           werden.
auf verwiesen, eine solche Nichtberück-       GFG jeweils im Rahmen der Grunddaten-
sichtigung werde zu einem Nachteil für        anpassung zu aktualisieren, als auch die      c) Einnahmekraftermittlung
solche Städte und Gemeinden führen, die       wissenschaftlichen Ergebnisse von Jun-        Die gemeindliche Einnahmekraft muss
niedrige Gewerbesteuersätze nutzten –         kernheinrich/Micosatt aus dem Jahr 2011.      unter Nutzung nach Gemeindegrößenklas-
also tendenziell kleine und/oder periphere    Die damit verbundene Anhebung der             sen gestaffelter fiktiver Hebesätze ermit-
Gemeinden. Einen Vorteil dagegen werde        Teilschlüsselmassen für die Kreise und die    telt werden. Die Ausführungen des FiFo-
diese Nichtberücksichtigung für solche        Landschaftsverbände wird den Gemein-          Gutachtens bestätigen den Befund, dass es
Gemeinden mit sich bringen, die über-         den nach gesetzlich in § 56 Abs. 1 Satz 1     einen signifikanten Zusammenhang zwi-
durchschnittlich hohe Gewerbesteuersätze      KrO NRW und § 22 Abs. 1 Satz 1 LVerbO         schen der tatsächlichen Hebesatzhöhe und
nutzten, d. h. tendenziell für große und      NRW bestimmtem Mechanismus über die           der Einwohnerzahl gibt. Die gestaffelten
zentrale Städte und Gemeinden.                Umlageeffekte zugutekommen und die            fiktiven Hebesätze bilden die tatsächliche
Vorliegend führt diese Abweichung dazu,       mit niedrigeren Schlüsselzuweisungen der      Hebesatzlandschaft in Nordrhein-West­
dass die Hauptansatzstaffel bei 148 und       kreisangehörigen Gemeinden einherge-          falen deutlich realitätsgerechter ab als ein-
nicht bereits bei 145 endet: Allein dies      henden Verluste überkompensieren.             heitliche fiktive Hebesätze. Nach unserer
führt bei einem GFG 2015 nach dem vor-        Hierbei ist deutlich darauf hinzuweisen,      Auffassung – aber auch gestützt durch
liegenden Regierungsentwurf zu einem          dass die für die Nichtvornahme seitens der    entsprechende Aussagen aus der Recht-
Nachteil kreisangehöriger Gemeinden in        Landesregierung angeführte Begründung,        sprechung des Verfassungsgerichtshofs
einem landesweiten Volumen von etwa 20        „[d]ie eventuelle Aufstockung [der Teil-      NRW – ist es in erster Linie Aufgabe der
Mio. €. Die mit der Umstellung der Daten-     schlüsselmassen für die Kreise und Land-      Steuerkraftberechnung im kommunalen

                                                                                                                                    499
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Thema aktuell                                                                                                    EILDIENST Heft 12/2014

Finanzausgleich, die Steuerkraft einerseits      deutlich geringere Hebesätze leisten und     d)	Einwohnergewichtung bei der Bedarfs­
fiktiv (und damit gestaltungsunabhängig),        würden so freiwillig auf Einnahmepoten-          ermittlung
auf der anderen Seite aber auch realitäts-       tiale verzichten (können) und eine solche   Die Einwohnerveredelung nach der
nah zu erfassen.                                 Strategie dürfe systembedingt nicht auch    Hauptansatzstaffel ist abzuschaffen: Alle
Das mit zunehmender Gemeindegrößen-              noch durch höhere Schlüsselzuweisungen      Einwohner aller Gemeinden müssen mit
klasse steigende Niveau der tatsächlichen        belohnt werden, ist falsch. Dies belegt     dem einheitlichen Gewicht von 100 Pro-
Hebesätze bei der Grundsteuer B und v.           schon die hohe Zahl kreisangehöriger        zent in die Bemessung des Hauptansatzes
a. bei der Gewerbesteuer ist keine Beson-        Gemeinden im Stärkungspakt. Tatsächlich     eingehen. Soweit signifikante Spezialbe-
derheit Nordrhein-Westfalens und damit           müssen Kommunen im kreisangehörigen         darfe einzelner Gemeinden nachweisbar
kein Reflex einer mit der Einwohnerzahl          Raum den Anreiz niedrigerer Hebesätze       sein sollten, haben diese nichts mit der
quasi automatisch größeren Finanznot             bieten, damit sie im landesweiten Stand-    Gemeindegröße (Einwohneranzahl) an sich
der Gemeinden hierzulande, sondern ein           ortwettbewerb um Unternehmen, Arbeits-      zu tun, sondern mit einer bestimmten Son-
bundesweites Phänomen, und zwar unab-            kräfte und Wertschöpfungspotentiale, also   dersituation, und müssen ggf. – wie beim
hängig vom finanzwirtschaftlichen Status         im Bemühen um eine positive Entwick-        Soziallastenansatz, Zentralitätsansatz und
der jeweiligen Kommune. Die häufig von           lung ihres Gemeinwesens mit Aussicht auf    Flächenansatz – transparent durch weitere
interessierter Seite vorgebrachte Argu-          Erfolg bestehen und größen- und/oder        Nebenansätze berücksichtigt werden.
mentation, die Haushalts- und Finanzlage         lageabhängige Nachteile wenigstens zum      Die hinter dem gestaffelten Hauptansatz
der kleineren und mittleren Gemeinden in         Teil kompensieren können. Dies beweist      stehende These der überproportionalen
Nordrhein-Westfalen sei aufgaben- und            die auch nach Einführung des Stärkungs-     Kostensteigerung der Aufgabenerledigung
strukturbedingt per se günstiger, sie könn-      paktes unverändert eindeutige Datenlage.    durch Agglomeration, nach der einwoh-
ten sich daher im Vergleich zu den grö-          Die tatsächliche Staffelung ist empirisch   nerreichere Städte und Gemeinden in der
ßeren, insbesondere kreisfreien Städten          ablesbar:                                   Regel höhere objektive Pro-Kopf-Ausga-
                                                                                             ben haben als solche mit einer kleineren
                                                                                             Einwohnerzahl, kann durch den statisti-
          Größenklassendifferenzierung der fiktiven Realsteuerhebesätze                      schen Nachweis mit der Gemeindegröße
                                                                                             steigender tatsächlicher Pro-Kopf-Ausga-
                                    Anzahl                                                   ben nicht bewiesen werden. Die Annahme
                                  Gemeinden                                                  blendet die wirtschaftlichen Vorteile des
                                                   Mittelwert    Mittelwert    Mittelwert    höheren Agglomerationsgrades aus (etwa
                               (nach maßgeb­
                                                   2. Hj. 2012   2. Hj. 2013   1. Hj.2014    Unternehmensansiedlungs- und Arbeits-
 Steuerart     Größenklasse    licher Bevölke-
                                                   (Hebesatz-    (Hebesatz-    (Hebesatz-    kräftepotential) und steht im diametralen
                                 rung für den
                                                     punkte)       punkte)      punkte)      Widerspruch zur betriebswirtschaftlichen
                                 Hauptansatz
                                  GFG 2015)                                                  Erfahrung positiver Skaleneffekte: Die
                                                                                             Menge der bei steigender Einwohnerzahl
 GewSt                                                                                       erbrachten Leistungen muss aufgrund der
 Klasse 1     150.000 EW            22               469           475          478         lierten Abgeltung kann daher mit dem Ver-
 gesamt                             396               428           434          436
                                                                                             weis auf ein angeblich unterschiedliches
                                                                                             Aufgabenspektrum im Bereich pflichtiger
                                                                                             Aufgaben nicht gerechtfertigt werden.
 GrSt B
 Klasse 1     150.000 EW            22               523           553          556         ge sind für die betroffenen Kommunen
                                                                                             unverzichtbar, da die besonderen Bedarfs-
 gesamt                             396               431           455          462         situationen vor Ort mit dem Schlüssel­

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EILDIENST 12 /2014 - Aus dem Inhalt: Denkwerk Zukunft
EILDIENST Heft 12/2014                                                                                           Thema aktuell

zuweisungssystem und den sonstigen pau-         da die Einwohnerzahl zum letzten Stich-          es allerdings für notwendig und richtig,
schalen Zweckzuweisungen und Investi­           tag (31.12. des Vorjahres) zugrundegelegt        weitere Hilfen aus nicht benötigten Gel-
tionspauschalen nicht abgegolten werden.        wurde. Die nunmehrige Nutzung einer              dern aus dem 2013 eingerichteten Fluthil-
                                                Vergleichsrechnung, bei der die durch-           fefonds von Bund und Ländern zu finan-
B. Zum Antrag „Steuererhö­                      schnittliche Einwohnerzahl zu den letzten        zieren. Eine Mitfinanzierung von Hilfen
hungsspirale der Kommu­                         drei Stichtagen und die Einwohnerzahl zum        aus kommunalen Geldern – und um nichts
                                                letzten Stichtag gegenübergestellt und der       anderes handelt es sich bei Mitteln aus
nalsteuern beenden – fiktive                    jeweils höhere Wert zugrundegelegt wird,         der verteilbaren Verbundmasse – lehnen
Hebesätze im kommunalen                         schwächt diese realitätsnahe Erfassung der       wir angesichts der Belastungssituation ab,
Finanzausgleich langfristig                     Einwohnerzahl bereits deutlich. Im Sinne         in der sich die kommunalen Haushalte in
absenken!“                                      einer Verzögerung der Wirkung von Ein-           Nordrhein-Westfalen insgesamt befinden.
                                                wohnerrückgängen ist dieser 3-Jahreszeit-        Es gehört zur örtlichen, in kommunaler
Ziel des Finanzausgleichs muss es sein,         raum angesichts existierender Kostenrema-        Selbstverwaltung zu nutzenden Entschei-
die den Kommunen zukommenden Mit-               nenzen sinnvoll und tragbar. Ein noch wei-       dungskompetenz, mit Blick auf künftige
tel des Steuerverbundes unter Anlegung          terer Rückbezug dagegen würde der Tat-           Schadenereignisse Vorkehrungen zu tref-
ihrer Einnahmekraft und ihrer Bedarfe zu        sache nicht gerecht, dass auch wachsende         fen. Dies geschieht vielfach über die Kom-
verteilen. Auch wenn es dabei im Bereich        fiktive Bedarfe über zusätzliche Einwohner       munalversicherung oder den interkom-
der Ermittlung der Realsteuereinnahme-          in anderen Bereichen entstehen, die tat-         munalen Schadenausgleich – und damit
kraft nötig ist, fiktive Hebesätze zugrun-      sächlich ausgleichsbedürftig sind. Ein wei-      bereits solidarisch. Die Einrichtung eines
dezulegen, um nicht über die kommuna-           terer Rückbezug des sog. „Demografiean-          speziellen Sondervermögens „Kommuna-
lindividuelle Steuersatzentscheidung einen      satzes“ würde daher nicht nur überhöhte          ler Unwetterfonds“ auf Landesebene unter
einzelgemeind­  lichen Hebel bei der Ver-       Anreize zur Verzögerung unumgänglicher           Zwangseinbehalt kommunaler GFG-Mittel
teilung der Gemeindeschlüsselmasse zum          Anpassungen in zurückgehenden Berei-             in erheblichem Umfang ist daher weder
Tragen zu bringen, müssen beide Größen          chen setzen, sondern auch die Bedarfe bei        erforderlich noch angemessen. In den Blick
so reell als möglich gemessen und einge-        der Mittelverteilung benachteiligen, die in      zu nehmen ist dabei auch, dass besondere
stuft werden. In diesem Sinne halten wir        wachsenden Bereichen entstehen. Hinzu            Belastungssituationen für Kommunen oft-
die Wiedereinführung nach Gemeindegrö-          kommt, dass ein weiterer Rückbezug zu            mals und aus den verschiedensten Grün-
ßenklassen gestaffelter fiktiver Hebesätze      einer noch längeren Mischung „alter“             den eintreten: Besonders verwiesen sei hier
für dringend geboten. Gerade dies wird          Daten der fortgeschriebenen Ergebnisse           auf die Belastungen der kreisangehörigen
die mit den hohen einheitlichen fiktiven        der Volkszählung 1987 und des fortge-            Kommunen, die durch Krankheitskosten
Hebesätzen verbundenen Nachteile ins-           schriebenen ZENSUS 2011 führte. Dies             aufgenommener Flüchtlinge entstehen.
besondere der auch durchschnittlich mit         wäre rechtlich problematisch.                    Diese traten allein im vergangenen Jahr in
deutlich niedrigeren Hebesätzen arbei-                                                           mehreren Fällen ein und erreichten extre-
tenden Gemeinden im kreisangehörigen            D. Zum Antrag „Finanzielle                       me Spitzen, die betroffene Kommunen
Raum vermeiden helfen. Eine Festschrei-         Hilfen für die unwetter­                         geplante Haushaltskonsolidierungsergeb-
bung oder Gesamtabsenkung der einheit-                                                           nisse verfehlen ließen. Hinzu kommen
lichen fiktiven Hebesätze würde die für die
                                                geschädigten Gemeinden,                          können aber auch Hochwasserereignisse
Verteilungsgerechtigkeit essentielle Orien-     Städte und Kreise auf den                        – wie 1994 im Rheinland – oder „Schnee­
tierung an der tatsächlichen Einnahmekraft      Weg bringen – Soforthilfe                        katastrophen“ – wie 2005 im Münster-
schwächen. Gleiches träfe auch auf die          und Unwetterfonds partner­                       land. Denkbar sind auch großflächige
Vornahme größerer Abschläge im Rah-             schaftlich zwischen Land und                     Waldbrände, Reaktorhavarien in Kraftwer-
men des Verfahrens der jährlichen Ermitt-       Kommunen umsetzen“                               ken an Nordrhein-Westfalen angrenzender
lung der fiktiven Hebesätze zu. Ein solches                                                      Räume, Pandemien und andere Ereignisse.
Vorgehen geriete zudem in unauflöslichen        Die speziell mit Hinblick auf die Folgen des     Nun speziell einen Hochwasserfonds ein-
systematischen Widerspruch zu der Tatsa-        Pfingstmontagsturms „Ela“ geplanten und          zurichten, ist schon mit Blick darauf frag-
che, dass ein vergleichbares Vorgehen auf       paritätisch aus Resten der Gemeindefinan-        würdig.
der Seite der fiktiven Bedarfe nicht erfolgt.   zierungsgesetze der Vorjahre und landes-         Wir sprechen uns demgegenüber dafür
                                                eigenen Mitteln zu finanzierenden Hilfen         aus, die Kommunen durch eine aus-
                                                stellen für die betroffenen Kommunen             reichende Dotierung des kommunalen
C. Zum Antrag „Auswir­                          einen notwendigen und nützlichen Bei-            Finanzausgleichs in die Lage zu versetzen,
kungen der Bevölkerungs­                        trag dar, um Schäden zu beheben. Schon           die vielfältigen Anforderungen künftiger
schrumpfung abdämpfen                           hierbei aber ist aus unserer Sicht nicht trag-   Schadenereignisse in kommunaler Selbst-
– Demografieansatz im GFG                       bar, dass die Kreise – wie auch die Land-        verwaltung bei finanzieller Eigenverant-
stärken“                                        schaftsverbände und der Regionalverband          wortung tragen zu können. Was Hilfen
                                                Ruhr – bei der Schadensregulierung nicht         aus dem GFG angeht, können diese nur
Ziel des Finanzausgleichs muss es sein,         berücksichtigt werden sollen, obwohl diese       eine nachgelagerte und untergeordnete
die den Kommunen zukommenden Mit-               gleichermaßen Schäden erlitten haben.            Rolle haben. Die derzeitige Regelung des
tel des Steuerverbundes unter Anlegung          Auch hinsichtlich des Verteilungsmaßstabs        § 19 Abs. 2 Nr. 5 GFG erscheint dabei aus
ihrer Einnahmekraft und ihrer Bedarfe zu        wäre es wünschenswert, dass auch jene            unserer Sicht inhaltlich und hinsichtlich der
verteilen. Im Bereich der Ermittlung der        Kommunen mit deutlichen Schäden Hilfen           Dotierung ausreichend. Anzudenken wäre
fiktiven Bedarfe kommt der Einwohnerzahl        erhalten, deren Gemeindegebiet zu weni-          allerdings, die über § 19 Abs. 2 Nr. 5 des
unverändert das größte Gewicht zu. Es ist       ger als 30 Prozent vom Unwetter betroffen        jährlichen GFG bereitgestellten Mittel – wie
daher besonders wichtig, die Einwohner-         war.                                             vergleichbar im Bereich der Stärkungspakt-
zahl realitätsnah zu erfassen. Dies erfolgte    Was weitere Hilfen – auch bei künftigen          gesetzes mit dem Stärkungspaktfonds­
bis zum GFG 2012 besonders realitätsnah,        Ereignissen dieser Art – angeht, halten wir      gesetz geschehen – überjährig verfügbar

                                                                                                                                         501
Thema aktuell / Aus dem Landkreistag                                                                            EILDIENST Heft 12/2014

zu machen und eine Entscheidung des für         ten Mittel erscheint uns demgegenüber        nicht „unvorhersehbar“, da auch andere
kommunale Angelegenheiten zuständigen           intransparent und willkürlich: So wurden     Kommunen davon betroffen seien. Dies
Ministeriums auf Grundlage mit den kom-         in der Vergangenheit etwa durch extreme      trifft allerdings im Grundzug auch auf die
munalen Spitzenverbänden abgestimmter           Heilbehandlungskosten im Flüchtlingsbe-      nun in Rede stehenden Sturmereignisse zu.
„Förderrichtlinien“ vorzusehen. Die jetzi-      reich betroffenen Kommunen Hilfen mit
ge Verfügung über die jährlich auf Grund        der Begründung versagt, solche Belastun-               EILDIENST LKT NRW
von § 19 Abs. 2 Nr. 5 GFG bereitgestell-        gen seien nicht „außergewöhnlich“ oder          Nr. 11/November 2014   20.30.00

      Kommunalfinanzen und Demographie im Fokus:
      Große Landkreisversammlung des LKT NRW
      am 17. November 2014 in Kleve
 Am 17. November kamen rund 300 Delegierte zur Großen Landkreisversammlung des Landkreistages Nordrhein-Westfalen, in der
 Hochschule Rhein-Waal in Kleve zusammen. Zu den zahlreichen Gästen, die der Einladung des Landkreistages gefolgt waren, gehör-
 ten insbesondere Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und der Erste Vizepräsident des nordrhein-westfälischen Landtages, Eckhard
 Uhlenberg.

Z   u Beginn des Öffentlichen Teils I stellte
    die Präsidentin der Hochschule Rhein-
Waal, Frau Prof. Dr. Marie-Louise Klotz
                                                Als ersten Hauptredner begrüßte Präsident
                                                Thomas Hendele dann Prof. Dr. Meinhard
                                                Miegel, Vorstandsvorsitzender der Stiftung
                                                                                             zur letzten Minute seines Vortrages. Der
                                                                                             demographische Wandel müsse ange-
                                                                                             nommen werden und ein Umdenken sei
den Anwesenden die Hochschule vor, die          „Denkwerk Zukunft“ in Bonn. Dieser wid-      erforderlich, so die Kernthese Miegels.
mit je einem Standort im Kreis Wesel und        mete sich in seinem Vortrag den Heraus-      Insbesondere Kommunen im ländlichen
im Kreis Kleve vertreten ist. Aktuell stu-      forderungen der Demographie und Infra-       Raum müssten sich zu ihrer Andersartig-
dierten hier insgesamt rund 5.000 junge         struktur in NRW, insbesondere im Hinblick    keit bekennen und sich offensiv positiv
Frauen und Männer aus 107 Nationen. Das         auf die Zukunftsfähigkeit des kreisangehö-   vermarkten.
Anwachsen der Hochschule erzeuge enor-          rigen Raums.                                 Der Vortrag von Prof. Miegel ist auf den
mes Potential, von dem die Kreise Wesel         Mit überraschenden Fakten und Zahlen         folgenden Seiten dieses EILDIENST-Heftes
und Kleve profitierten, so Klotz, denn diese    fesselte er die Zuhörer von der ersten bis   dokumentiert (vgl. S. 503 ff).
rückten dadurch nicht nur regional und
national, sondern auch international ins
Blickfeld.

                                                Prof. Dr. Meinhard Miegel wurde bei seiner Ankunft im Hörsaalgebäude vom Präsidium
Die Präsidentin der Hochschule Rhein-           des LKT NRW in Empfang genommen (v.l.n.r. Prof. Dr. Meinhard Miegel, Erster Vizeprä-
Waal, Prof. Dr. Marie-Louise Klotz, be-         sident Landrat Dr. Arnim Brux, Präsident Landrat Thomas Hendele, Hauptgeschäftsführer
grüßte die Anwesenden.                          Dr. Martin Klein, Zweiter Vizepräsident Landrat Thomas Kubendorff).

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EILDIENST Heft 12/2014                                                                        Aus dem Landkreistag

 Herausforderungen Demographie und Infrastruktur in NRW
 Sicherung der Zukunftsfähigkeit des kreisangehörigen Raums
 Von Prof. Dr. Meinhard Miegel
 Meine sehr verehrten Damen und Herren,          Nettozuwanderung bei reichlich 400.000        weder vererben noch ein öffentliches
 erlauben Sie mir zunächst eine Vorbe-           liegt – mehr als 1,2 Millionen Zuwanderern    Amt ausüben. Aber das hielt sie nicht
 merkung: Die modernen Neurowissen-              stehen knapp 0,8 Millionen Abwanderer         davon ab, auf Kinder zu verzichten.
 schaften sind gerade dabei, eine uralte         gegenüber – sinkt die Bevölkerungszahl        Viele Jahrhunderte später bemühten sich
 Menschheitserfahrung zu bestätigen:             im Vergleich zu 2003 um 1,5 Millionen auf     Frankreich, aber auch Deutschland um
 Nirgendwo errichten Menschen höhere             80,8 Millionen, wobei diese auf Fortschrei-   eine Erhöhung der Geburtenrate und
 und dickere Mauern als in ihren eigenen         bungen beruhende Zahl wahrscheinlich          erneut waren die Erfolge gering. Selbst
 Köpfen. Nicht selten stürzen sie sich eher      noch zu hoch ist. Vermutlich hat Deutsch-     den Nationalsozialisten gelang es nicht
 in ihr Verderben als dass sie von tief verin-   land heute keine 80 Millionen Einwohner       trotz intensiven Bemühens die Geburten-
 nerlichten Denk- und Handlungsmustern           mehr.                                         rate auf ein bestandserhaltendes Niveau
 ablassen. Für ihre „alten Götter“ geben         Dieser Trend des Bevölkerungsrückgangs        zu heben.
 sie – buchstäblich und metaphorisch – ihr       wird sich in den kommenden Jahrzehnten        Umso bemerkenswerter ist der Nach-
 Leben. Zu diesen „alten Göttern“ gehört         mit großer Wahrscheinlichkeit fortsetzen.     kriegsgeburtenboom, der weitgehend
 in unserer Zeit und unserem Kulturkreis         Denn im Jahr 2020 wird der Sterbeüber-        ohne staatliche oder politische Interven-
 der Gott immerwährender Expansion,              schuss bei etwa 0,3 Millionen und 2050        tionen einsetzte und reichlich ein Jahr-
 immerwährenden Wachstums. Zwar hat              bei 0,5 Millionen liegen. Um einen solchen    zehnt anhielt. Zwar erreichte auch dieser
 sich dieser Gott zumindest hierzulan-           Sterbeüberschuss durch Zuwanderung            Boom kein bestandserhaltendes Niveau,
 de schon seit geraumer Zeit nicht mehr          zu kompensieren, müssten beispielsweise       aber er näherte sich ihm doch beträcht-
 blicken lassen, aber die Schar derer, die       2020 0,9 Millionen und 2050 1,5 Millionen     lich an. Dieser Boom dürfte ein Beleg
 an ihn glaubt, ist noch immer stattlich.        Menschen nach Deutschland kommen, da          dafür sein, dass Kinderreichtum wenig
 Beginnen wir mit der Bevölkerungsent-           erfahrungsgemäß von drei Zuwandern-           mit Geld, Kitas, Ganztagsschulen und
 wicklung, der Demographie und neh-              den zwei auch wieder abwandern. Die           noch viel weniger mit Kinder- oder Fami-
 men wir als Ausgangsjahr 1648. In die-          Folge hiervor wäre, dass bis 2060 bei einer   liengeld oder sonstigen staatlichen Lei-
 sem Jahr endete der 30jährige Krieg, der        durchschnittlichen jährlichen Nettozuwan-     stungen zu tun hat. Deutschland befindet
 in Deutschland zu einem ungeheuren              derung von 0,2 Millionen die Bevölkerung      sich heute bei Geldleistungen für Kinder
 Bevölkerungsrückgang geführt hatte.             um zehn Millionen zurückginge. Und sollte     und Familien im historischen und interna-
 1648 war die Wende. Von nun an nahm             ab sofort die Geburtenrate, die gegenwär-     tionalen Vergleich in der Spitzengruppe
 die Bevölkerungszahl wieder zu. Das ging        tig bei 1,4 Kindern pro Frau liegt, auf 1,6   und bei Sachleistungen wie Kitas oder
 so weiter bis weit in das 20. Jahrhundert       Kinder steigen, läge der Rückgang noch        Ganztagsschulen im internationalen Ver-
 hinein. Doch schon im Jahre 1882 hatte          immer bei sechs Millionen.                    gleich weit oben. Doch das alles hat noch
 sich weitgehend unbemerkt eine weitere          Was könnte oder was sollte in einer sol-      nicht einmal einen minimalen Geburten-
 Wende vollzogen. In diesem Jahr wurde           chen Situation getan werden? Oder anders      anstieg bewirkt. Das Beste was sich sagen
 nämlich in Deutschland der letzte Jahr-         gewendet: Wie könnte der Bevölkerungs-        lässt ist, dass die Geburtenzahlen nicht
 gang geboren, der sich in der Zahl seiner       schwund zugleich mit der Bevölkerungsal-      noch weiter zurückgegangen sind.
 Kinder ersetzt hat. Alle später Gebore-         terung gestoppt oder zumindest verlang-       Die Deutschen wie einige andere europä-
 nen hatten weniger Kinder als sie selbst        samt und der Anteil jüngerer Menschen         ische und außereuropäische Völker erset-
 zählten.                                        dauerhaft auf heutigem oder besser noch       zen sich seit den frühen 1970er Jahren
 Das blieb zunächst unbemerkt, weil zum          auf höherem Niveau stabilisiert werden?       weitgehend konstant zu zwei Dritteln in
 einen das demographische Echo – soll            Zwei Strategien und deren Verbindung          der Zahl ihrer Kinder. In den Jahrzehn-
 heißen, die Zahl der versterbenden Groß-        kommen in Betracht:                           ten, die seitdem vergangen sind, hat sich
 eltern war kleiner als die Zahl der Enkel,      – familienpolitische Maßnahmen                trotz intensiven Bemühens von Seiten der
 aber die Zahl der Enkel war bereits klei-       – migrationspolitische Maßnahmen              Politik hieran nichts geändert. Und auch
 ner als die Zahl der Eltern – zum anderen       Werfen wir zunächst einen Blick auf mög-      für die vorhersehbare Zukunft gibt es kei-
 eine deutlich steigende Lebenserwartung         liche familienpolitische Maßnahmen. Die       nerlei Anzeichen für eine Trendwende.
 die Bevölkerungszahl nicht nur weiterhin        historischen Erfahrungen sind hier wenig      Offenbar ist die Bereitschaft zum Kind
 hoch hielt, sondern sogar noch ansteigen        ermutigend. Wenn es etwas gibt, in das        keineswegs nur von materiellen, sondern
 ließ. Doch 1972 übersteigt die Zahl der         sich Menschen nur wenig hineinreden las-      mindestens so sehr von anderen, nämlich
 Sterbefälle erstmals die Zahl der Gebur-        sen, dann ist es ihr Zeugungs- und Gebär-     immateriellen Faktoren abhängig. Zu sol-
 ten und dabei ist es seither geblieben.         verhalten. Schon im antiken Griechenland      chen immateriellen Faktoren zählen
 Zwar wird durch Zuwanderer die aus              kämpfte die Gesellschaft gegen Ende ihrer     ➪	 die Bindungsfähigkeit und -bereit-
 dem Geburtendefizit erwachsende Bevöl-          glorreichen Periode gegen drastischen             schaft von Menschen und zwar nicht
 kerungslücke noch eine Weile geschlos-          Geburtenschwund. Vornehme Griechen                nur von Männern und Frauen, son-
 sen, so dass die Bevölkerungszahl bis           beließen es bei der Ein-Kind-Familie. Nicht       dern auch von Erwachsenen und
 2003 weiter auf 82,3 Millionen ansteigt.        anders war es in der Endphase des antiken         Kindern. Werden Kinderlose befragt,
 Doch in den Folgejahren reichen die             Roms. Der Staat tat alles, um die Gebär-          warum sie kinderlos seien, so steht
 Zuwandererzahlen nicht mehr aus, um             freudigkeit der Römerinnen zu erhöhen,            weit oben auf der Liste der Gründe:
 die Lücke zwischen Geburten und Ster-           aber die Erfolge waren extrem beschei-            Ich habe keinen geeigneten Partner,
 befällen zu schließen. Obwohl 2013 die          den. Zwar konnten Kinderlose zweit­weise          keine geeignete Partnerin.

                                                                                                                                      503
Aus dem Landkreistag                                                                                                 EILDIENST Heft 12/2014

 ➪	 das Freiheitsverständnis und die            bemerkbar, aber in etwa zwei Genera-           aber Politik und Bürger wollten es nicht
     Bereitschaft zu Einschränkungen.            tionen dürften Veränderungen allgemein         sehen. Über Demographie zu sprechen,
     Dass Kinder nicht nur Freude berei-         sichtbar werden. Damit kommen wir zu           war in den siebziger, ja selbst in den
     ten und dem Leben Sinn zu verleihen         den migrationspolitischen Maßnahmen.           achtziger Jahren noch so etwas wie ein
     vermögen, wissen alle, die Kinder           Da die Weltbevölkerung bis auf Weiteres,       Spießrutenlauf, weil Fragen der Bevölke-
     haben. Ohne eine gewisse Bereit-            vielleicht bis zum Ende dieses Jahrhun-        rungsentwicklung immer wieder gerne
     schaft, Einschränkungen hinzuneh-           derts, zahlenmäßig stark weiter zuneh-         in die Nähe von Nationalsozialismus,
     men und auf einen Teil von Freiheiten       men dürfte, wäre es durchaus möglich, die      „Blut und Boden" und ähnliches gerückt
     zu verzichten, geht es also nicht. Wo       durch den Sterbeüberschuss hierzulande         wurden. Viele hatten noch das berühm-
     diese Bereitschaft fehlt, lässt sich auch   entstehenden Bevölkerungslücken quan-          te Diktum Konrad Adenauers im Ohr:
     durch Geld nur wenig bewirken.              titativ zu schließen, wobei dies allerdings    „Kinder haben die Leute immer" und all-
 ➪	 die Funktionsfähigkeit, insbesonde-         kein einmaliger Akt, sondern ein fortdau-      gemein hieß es, die Geburten seien nur
     re die soziale Funktionsfähigkeit von       ernder Prozess wäre. Nur woher kommen          verschoben worden und würden schon
     Familienverbänden und Nachbar-              die Zuwanderer?                                nachgeholt.
     schaften sowie der soziale Zusam-           Auf mittlere Sicht mit Sicherheit nicht aus    Bei einem Vortrag im Ruhrgebiet in der
     menhalt von Großeltern, Eltern und          Europa, denn ganz Europa befindet sich in      zweiten Hälfte der 1980er Jahre wurde
     Kindern. Hier ist insbesondere der          einer ähnlichen demographischen Situation      mir entgegengehalten, dass ein Bevöl-
     Verbund von Großeltern und Enkeln           wie Deutschland. Die künftigen Regionen        kerungsrückgang in dieser Region völlig
     hervorzuheben. Denn zwischen ihnen          mit starker Bevölkerungszunahme liegen         inakzeptabel sei. Mittlerweile dürften
     findet ein wichtiger Teil des Kultur-       in Südostasien und insbesondere in Afrika.     die Verantwortlichen auch dieser Region
     transfers in einer Gesellschaft statt.      Hier werden sich die Bevölkerungszahlen        dazugelernt haben. Die Thematik ist bei
     Wo aus was für Gründen auch immer           in den kommenden Jahrzehnten etwa ver-         den meisten angekommen, auch wenn
     die Verbindungen zwischen Groß-             doppeln. Menschen gibt es also genug. Die      sie noch immer auf jene hohen, dicken
     eltern und Eltern locker sind, ist es       Frage ist nur, ob ein Land wie Deutschland     Mauern prallt, von denen ich eingangs
     schwer, Kinder großzuziehen.                bereit und in der Lage ist, jährlich brutto    gesprochen habe. Wie – so heißt es – soll
 ➪	 der Stellenwert des Materiellen             etwa 1,2 bis 1,5 Millionen und netto 0,4       mit unseren auf Expansion angelegten
     gegenüber dem Immateriellen. Kon-           bis 0,5 Millionen Afrikaner und Asiaten        Denk- und Handlungsmustern weiter
     kret: Was ist das wirksamere Status-        aufzunehmen? Denn das würde Deutsch-           verfahren werden, wenn der Quell dieser
     symbol? Eine angesehene berufliche          land und in der Folge ganz Europa inner-       Expansion, die Zunahme der Bevölke-
     Tätigkeit, möglichst verbunden mit          halb eines überschaubaren Zeitraumes           rung, versiegt?
     einem hohen Einkommen oder Mut-             nachhaltig verändern. Schon jetzt glauben      Eine erste und wichtige Schlussfolgerung
     ter- und Vaterschaft?                       Demographen, dass am Ende dieses Jahr-         hieraus ist: Die anstehenden demographi-
 ➪	 der gesamtgesellschaftliche Kon-            hunderts ein Viertel der Europäer aus Asien    schen Veränderungen dürften nicht als
     sens in Bezug auf Kinder. In unserer        oder Afrika stammen wird.                      eine unverdiente Heimsuchung angese-
     Gesellschaft werden Kinder faktisch         Wie die ansässige Bevölkerung hierauf          hen werden, sondern als die unvermeid­
     als eine Last behandelt, die den Eltern     reagiert, ist nicht vorhersehbar. Nur sollte   liche Folge vorangegangenen jahrzehnte-
     nur bedingt zugemutet werden kann.          nicht die Möglichkeit ausgeschlossen wer-      langen Verhaltens. Jetzt gilt es, das Beste
     Die Reaktion hierauf ist: Wenn die          den, dass sie eher die Folgen zahlenmä-        aus der weiteren Entwicklung zu machen.
     Gesellschaft Kinder als eine solche         ßiger Schrumpfung und Alterung auf sich        Dabei hilft, dass nicht nur in Deutschland,
     Last ansieht, dann werden sie wohl          nimmt als eine derartige Zuwanderung.          sondern auch in weiten Teilen Europas
     auch eine Last sein. Warum also sol-        Dies umso mehr, als diese Zuwanderung          alle von dieser Entwicklung betroffen sind
     che Lasten schultern? Und schließlich       nicht, wie dies dem historischen Grundmu-      – die ländlichen Gemeinden etwas früher,
 ➪	 ist Kinderreichtum eher bedauerns-          ster entspräche, in eine wachsende, junge      die Städte später. Aber auch die Städte
     wert oder bewunderungswürdig?               Bevölkerung hinein erfolgte, sondern eben      werden sich auf Dauer ihr nicht entziehen
 So lange sich an diesen mentalen Grund-         in eine schrumpfende und alternde. Für         können. Wenn die Demographen Recht
 dispositionen nichts ändert, wird es kei-       diese Konstellation gibt es keine Erfahrun-    behalten, werden sich spätestens ab
 nen Wiederanstieg der Geburtenzahlen            gen, zumal die Bevölkerung künftig so alt      2050 alle Städte und Gemeinden, nicht
 geben, womit noch nichts zu der Frage           sein wird wie noch nie in der Menschheits-     nur in NRW, sondern auch in den ande-
 gesagt ist, ob es einen solchen Wieder-         geschichte.                                    ren Bundesländern, im Sog des Bevölke-
 anstieg überhaupt geben sollte. Doch das        Um 2030 werden in Deutschland etwa             rungsschwundes befinden.
 ist ein eigenes großes Thema, was hier          acht Prozent der Bevölkerung älter als         Aber noch ist es nicht soweit. Noch gibt
 nicht zu Debatte steht. Fest steht, dass        achtzig und weitere 19 Prozent zwischen        es Wachstums- und Schrumpfungsgebie-
 nicht nur in Deutschland und einigen            65 und 80 Jahre alt sein. Ihnen werden         te. So dürfte sich in Nordrhein-Westfalen
 weiteren europäischen und außereuro-            nur knapp 22 Prozent unter 20-Jährige          zwischen 2010 und 2030 die Bevölke-
 päischen Ländern der Übergang von der           gegenüberstehen. So etwas hat es in der        rungszahl Münsters um ein Sechstel, die-
 Bevölkerungsexpansion zur -kontraktion          Menschheitsgeschichte noch nie gegeben.        jenige Bonns um ein Neuntel, diejenige
 vollzogen worden ist, sondern mittler-          Die Völker Europas mit uns Deutschen an        Kölns um ein Zehntel und diejenige Düs-
 weile in etwa achtzig Ländern weltweit          der Spitze befinden sich also auf dem Weg      seldorfs um ein Siebzehntel vergrößern.
 die Geburtenraten unter das Bestands­           in eine stark schrumpfende, stark alternde     Alle anderen Städte verzeichnen hinge-
 erhaltungsniveau gesunken sind und              und ethnischkulturell immer heterogenere       gen Zuwächse im niedrigen einstelligen
 jedes Jahr weitere Länder hinzukommen.          Gesellschaft.                                  Bereich bzw. Bevölkerungsstagnation
 Das macht sich bei der globalen Bevöl-          Das alles war im Großen und Ganzen             oder, insbesondere im Ruhrgebiet, zum
 kerungsentwicklung zurzeit noch nicht           schon vor dreißig Jahren vorhersehbar,         Teil substanzielle Bevölkerungsverluste.

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