EILDIENST 12 /2014 - Aus dem Inhalt: Denkwerk Zukunft
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
EILDIENST 12/2014 Aus dem Inhalt: Große Landkreisversammlung am 17. November 2014 Frauen in Führung Regierungsentwurf für ein Gemeindefinanzierungsgesetz 2015
EILDIENST Heft 12/2014 Auf ein Wort Unterlassene Hilfeleistung? Zu beispiellosen zeitlichen Abläufen bei der Novellierung des Rettungs- gesetzes NRW Kaum zu glauben, aber wahr: Das Gesetzgebungsverfahren zur Novellierung des Rettungsgesetzes Nordrhein-Westfalen dauert inzwischen stolze zehn Jahre! Seit einem Jahrzehnt fordern alle Akteure im Rettungsdienst grundlegende Veränderun- gen dieses Gesetzes, um Rechtsprechung umzusetzen und Regelungen an die ein- getretenen rapiden Veränderungen des technischen und organisatorischen Umfelds anzupassen. Ziel ist dabei immer ein Mehr an Qualität bei erhöhter Leistungseffi zienz zur Rettung und zum Schutz von Menschenleben in Nordrhein-Westfalen. Änderungen des Gesetzes wären schon damals und seither zu jedem Zeitpunkt möglich und nötig gewesen. Gleichwohl wurde das federführende Gesundheits ministerium – über alle Regierungen dieser Zeit hinweg – nicht initiativ. Viele Verbände – auch der Landkreistag – haben ihre Forderungspapiere über die Jahre immer wieder aktualisiert. Mediziner würden das, was das Gesundheitsministerium mit dem Rettungsgesetz tat – oder vielmehr: nicht tat – wohl als unterlassene Hilfeleistung bezeichnen. Viele Verbände haben daher sogar gefordert, die Zuständigkeit für den Rettungsdienst angesichts seiner Nähe zum Katastrophenschutz und seiner organisatorischen Nähe zum Feuerwehrwesen in das für Inneres zuständige Ministerium zu überweisen. Stets schob ein desinteressiertes Gesundheitsministerium die erforderliche Novelle unter Hinweis auf Wahltermine – auf Landes-, Bundes-, kommunaler oder EU-Ebene – oder noch ausstehende Gerichtsentscheidungen – des Oberverwaltungs- gerichts, des Bundesgerichtshofs oder des Europäischen Gerichtshofs vor sich her. Erst im Herbst 2012, nachdem das Ver- fahren in Gremiensitzungen aller Akteure im Beisein des Gesundheitsministeriums nur noch als „running gag“ bezeichnet wurde, legte das Ministerium einen Referentenentwurf vor. Danach dauerte es wiederum 21 Monate, um daraus im Gesundheitsministerium eine Kabinettvorlage zu fertigen. Als das Ganze schließlich im Sommer 2014 den Landtag erreichte, zeigte sich, dass sich alle maßgeblichen Akteure bereits hinsicht- lich sämtlicher Inhalte der notwendigen Änderungen einig waren: Die kommunalen Spitzenverbände, die Feuerwehrfach- verbände, die Hilfsorganisationen, die Gewerkschaften, die Ärzteschaft und die Verbände der privaten Krankentransport- unternehmer. Das Verlangen nach den dringend erforderlichen Änderungen ist so groß, dass alle Differenzen unter den Beteiligten überwunden sind. Nach der von Einvernehmen unter den Anzuhörenden geprägten Landtagsanhörung im Oktober und des sich ebenfalls ergebenden inhaltlichen Einvernehmens unter den im Landtag vertretenen Fraktionen schien die Verabschiedung des Gesetzentwurfs im Plenum am 17. Dezember 2014 als „gesetzt“, zumal auch hinsichtlich aller noch erforderlichen Änderungen Konsens im Wortlaut bestand. Doch wenige Tage vor diesem Termin trat erneut das Gesundheitsministerium auf den Plan und streute, die Parteien seien sich uneinig, insbesondere die Hilfsorganisationen hätten Bedenken, auch liefen noch Verhandlungen zwischen kommu- nalen Spitzenverbänden und Kassen zur Refinanzierung der Notfallsanitäterausbildung. Auch der letzte Rekurs jedes nicht mehr weiterwissenden Ministerialen wurde genutzt: Es bestünden möglicherweise – nicht sicher, aber vielleicht und gegebenenfalls – Probleme mit EU-Recht. Die Verabschiedung müsse bis auf Weiteres vertagt werden. Daraufhin wandten sich in einem einzigartigen Appell am 11. Dezember alle Verbände und Institutionen, die im Rettungs- dienst in Nordrhein-Westfalen einen Namen haben, an die Vorsitzenden aller Landtagsfraktionen. Richtig gestellt wurde, dass alles Gerede von Uneinigkeit und andauernden Verhandlungen falsch sei. Die Landtagsabgeordneten wurden dringend gebeten, das Gesetz noch im Jahr 2014 abschließend zu beraten und zu verabschieden. Gründe für Verzögerungen dieser seit Jahren überfälligen Novellierung sind tatsächlich nicht ersichtlich und angesichts des erforderlichen Beginns der Notfallsanitäterausbildung auch nicht verantwortbar. Einen Popanz angeblicher – „man weiß es nicht“ – EU-rechtlicher Probleme aufzubauen, ist schlicht abwegig. Allein in einem einzigen Punkt wird dem Landtag die Entscheiderrolle auch inhaltlich nicht erspart bleiben: Der Gesetzentwurf sieht richtigerweise die erforderliche Refinanzier- barkeit der Notfallsanitäterausbildung über kommunale Rettungsdienstgebühren vor. Es ist nun Sache des Gesetzgebers, politisch zu entscheiden, ob er eine solche Refinanzierung – wie in anderen Bundesländern bereits geregelt – über die Krankenkassen oder aber eine solche über einen Belastungsausgleich nach dem Konnexitätsausführungsgesetz zu Lasten des Landeshaushalts bevorzugt. Dr. Martin Klein Hauptgeschäftsführer des Landkreistages Nordrhein-Westfalen 493
Inhalt EILDIENST Heft 12/2014 EILDIENST 12/2014 Auf ein Wort Wort 493 Thema aktuell ektuell Kavalleriestraße 8 40213 Düsseldorf Regierungsentwurf für ein Telefon 0211/ 300 491-0 Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) 2015 497 Telefax 02 11/ 300 491-660 E-Mail: presse@lkt-nrw.de Internet: www.lkt-nrw.de Aus dem Landkreistag Impressum Große Landkreisversammlung des LKT NRW EILDIENST – Monatszeitschrift am 17. November 2014 in Kleve 502 des Landkreistages Nordrhein-Westfalen Beschluss der Landkreisversammlung zur „Drei-Prozent-Sperrklausel“ im Kommunalwahlrecht 510 Herausgeber: Hauptgeschäftsführer Wiederwahl des Präsidiums des Landkreistages NRW 511 Dr. Martin Klein Vorstand des Landkreistages NRW am 17. November 2014 511 Redaktion: Erster Beigeordneter Dr. Marco Kuhn Beigeordneter Reiner Limbach Referent Dr. Markus Faber Schwerpunkt: Referentin Dorothée Heimann Hauptreferent Dr. Christian v. Kraack Gleichstellung / Frauen in der Kreisverwaltung Referentin Dr. Esther Rabeling Referentin Kirsten Rüenbrink Fachtagung „Frauen in Führung“ im Kreis Herford 512 Referent Dr. Kai Zentara Führen in Teilzeit bei der Kreisverwaltung Herford 514 Quelle Titelbilder: Sergey Nivens - Fotolia.com Führen in Teilzeit in der Kreisverwaltung Gütersloh 516 Redaktionsassistenz: Heike Schützmann Erfolgreiches Projekt zur Förderung junger Mütter Astrid Hälker im Kreis Siegen-Wittgenstein 517 Monika Borgards Interkommunale Zusammenarbeit – Mentoring im Münsterland 518 Herstellung: ALBERSDRUCK GMBH & CO KG Frauen als Beamtinnen vom 19. Jahrhundert bis heute Leichlinger Straße 11 – ein historischer Überblick 520 40591 Düsseldorf ISSN 1860-3319 Themen Gesetzentwurf der Landesregierung zur Stärkung des Regionalverbandes Ruhr 521 Zweites Gesetz zur Änderung des Rettungsgesetzes Nordrhein-Westfalen 523 Open Days – Europäische Woche der Regionen und Städte 530 Vorbeugender Schutz zur Verhinderung von Wasserschäden 531 Im Fokus Kreise in Nordrhein-Westfalen Der Märkische Kreis wird E-mobil 533 494
EILDIENST Heft 12/2014 Inhalt EILDIENST 12/2014 Medien-Spektrum: Aktuelle Pressemitteilungen Erste Tourismuskonferenz für kommunale Entscheidungsträger in Nordrhein-Westfalen 535 Präventionsgesetz: Landkreistag NRW fordert stärkere Rolle der Gesundheitsämter 535 Kurznachrichten Allgemeines Kreis Unna schaltet eigenes Nachrichtenportal frei 536 Arbeit und Soziales Schulterschluss aller Arbeitsmarktakteure im Kreis Unna 536 Weniger Ausbildungsverträge in NRW 536 Armutsgefährdung Geringqualifizierter in NRW weiter gestiegen 536 Leichter Anstieg von sozialer Mindestsicherung am Jahresende 2013 537 Familie, Kinder und Jugend „Vereinbarkeit von Beruf und Pflege“ – Projekt im Kreis Coesfeld für Beschäftigte von Kreisverwaltung und Polizei 537 345.000 alleinerziehende Mütter und Väter im Jahr 2011 538 Gesundheit Mikrozensus-Zusatzbefragung zum Gesundheitszustand, Gewicht und Rauchen 538 Weniger Todesfälle infolge von Diabetes 538 Kultur Die 36. Ausgabe des Jahrbuchs zum Kreisjubiläum in Wesel 539 Aufsätze und Bilderreise zur Industriekultur in NRW 539 Schule und Weiterbildung 2,7 Millionen Studierende im Wintersemester 2014/2015 539 Anzahl der Medizinstudenten an NRW-Hochschulen gestiegen 540 IT.NRW legt Broschüre „Hochschulen in NRW“ vor 540 495
Inhalt EILDIENST Heft 12/2014 EILDIENST 12/2014 Umwelt Rhein-Sieg-Kreis mit dem European Energy Award® (eea®) ausgezeichnet 540 Wirtschaft und Verkehr Landrat Wolfgang Spreen zum Verbandsvorsteher des Nahverkehrs-Zweckverbands Niederrhein gewählt 540 „Genuss auf der Karte“ am Niederrhein 541 Persönliches Beeindruckende Vita – Oberkreisdirektor a. D. Rudolf H. Müller ist 90 Jahre alt 541 Hinweise auf Veröffentlichungen Veröffentlichungen 542 496
EILDIENST Heft 12/2014 Thema aktuell Regierungsentwurf für ein Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) 2015 Am 24.10.2014 fand im Landtag die öffentliche Anhörung zum Regierungsentwurf eines Gemeindefinanzierungsgesetzes (GFG) 2015 statt. Zu diesem am 10.09.2014 in den Landtag eingebrachten Entwurf und vier weiteren Anträgen der Fraktionen haben sich der Landkreistag Nordrhein-Westfalen (LKT NRW) und der Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen (StGB NRW) in einer Stellungnahme geäußert. Nach Auffassung von LKT NRW und StGB NRW verfehlt der Regierungsentwurf das Ziel interkommunaler Verteilungsgerechtigkeit, da die wissenschaftlichen Ergebnisse des FiFo-Gutachtens der Landesregierung darin nur teilweise – hin- sichtlich der Datenbasis zur Berechnung der Verteilungsparameter der Gemeindeschlüsselmasse – umgesetzt werden. So werden Parameter für die Verteilung der Mittel von Teilschlüsselmassen genutzt, die nach den wissenschaftlichen Maßgaben eine deutlich andere Dotierung hätten. Die vorgesehene Teilumsetzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse führt damit zu einer Schieflage des kommunalen Finanzausgleichs. Die einseitige Nichtumsetzung der dem kreisangehörigen Raum zugutekommenden Ergebnisse des FiFo-Gutachtens tragen LKT NRW und StGB NRW nicht mit, da sie – anders als eine konsequente Vollumsetzung – willkürlich ist. LKT NRW und StGB NRW fordern demgegenüber gemeinsam die kommunale Finanzausstattung durch Wiederanhebung des Ver- bundsatzes auf 28,5 v. H. auch landesseitig zu verbessern, den Vorschlag des FiFo-Gutachtens zur Umstellung auf Auszahlungen aus allgemeinen Deckungsmitteln vollständig umzusetzen und die zulasten kleinerer kreisangehöriger Gemeinden gehende Nicht- berücksichtigung der Gewerbesteuerumlage zu revidieren, einen Einstieg in die vom FiFo-Gutachten vorgeschlagene Anpassung der Teilschlüsselmassen für die Kreise/Städteregion und Landschaftsverbände auf Grundlage einer Relation der Auszahlungen aaD der drei Gebietskörperschaftsgruppen, die Ermittlung der gemeindliche Einnahmekraft unter Nutzung nach Gemeindegrößenklassen gestaffelter fiktiver Hebesätze und die Abschaffung der Einwohnerveredelung nach der Hauptansatzstaffel. Die gemeinsame Stel- lungnahme der beiden Verbände zum Regierungsentwurf wird nachstehend dokumentiert. A. Zum Regierungsentwurf Finanzausgleich erfolgt eine sich verstär- dungen in den Landschaftsverbänden auf eines GFG 2015 kende Umverteilung von Mitteln in den 6,5 Mrd. Euro (+ 297 Mio. Euro) gestiegen kreisfreien Bereich, die dort verausgabt sind. 1. Zusammenfassung und nach der Logik des Verteilungssystems Dabei ist zu konstatieren, dass – trotz der wiederum als Indikatoren für einen höhe- Entlastung durch die in den Jahren 2012 Der vorliegende Regierungsentwurf ren Bedarf gewertet werden. bis 2014 schrittweise erfolgte Vollüber- eines GFG 2015 verfehlt das Ziel inter- Die damit einhergehende einseitige Nicht nahme der Kosten der Grundsicherung im kommunaler Verteilungsgerechtigkeit im umsetzung der dem kreisangehörigen Alter und bei Erwerbsminderung durch den kommunalen Finanzausgleich. Denn die Raum zugute kommenden Ergebnisse des Bund – die Netto-Aufwendungen für lan- wissenschaftlichen Ergebnisse des FiFo- FiFo-Gutachtens können wir nicht mittra- des- und oder bundesrechtlich veranlasste Gutachtens der Landesregierung (Goerl/ gen, da sie – anders als eine konsequente soziale Leistungen allein in den Bereichen Rauch/Thöne, „Weiterentwicklung des Vollumsetzung – willkürlich ist. Hilfe zur Pflege, Eingliederungshilfe für kommunalen Finanzausgleichs in Nord- Menschen mit Behinderungen, Hilfe zum rhein-Westfalen“, Finanzwissenschaft 2. D otierung Lebensunterhalt, Hilfe zur Gesundheit, liches Forschungsinstitut an der Universi- des Steuerverbunds Hilfe zur Überwindung besonderer sozi- tät zu Köln [FiFo-Institut], Köln 2013 – im aler Schwierigkeiten und Hilfe in anderen Folgenden: FiFo-Gutachten) werden darin Die kommunale Haushaltssituation bleibt Lebenslagen, Kinder- und Jugendhilfe nur teilweise – hinsichtlich der Datenbasis trotz des Stärkungspaktes Stadtfinanzen sowie Kosten der Unterkunft und Heizung zur Berechnung der Verteilungsparame- und aller weiteren Maßnahmen der Lan- für Langzeitarbeitslose seit dem Jahr 2007 ter der Gemeindeschlüsselmasse – umge- desregierung weiter schwierig. So hat die um über 4 Milliarden Euro – und damit um setzt. So werden Parameter für die Ver- aktuelle Haushaltsumfrage des Städte- fast 40 Prozent – zugelegt haben (vgl. Gra- teilung der Mittel von Teilschlüsselmassen und Gemeindebundes NRW unter seinen phik und Aufstellung auf Seite 498). genutzt, die nach den wissenschaftlichen 359 Mitgliedskommunen gezeigt, dass Der sozialaufwendungsbedingte Bela- Maßgaben eine deutlich andere Dotierung nur 47 Mitgliedskommunen einen struk- stungsanstieg bei den NRW-Kommunen hätten. Die vorgesehene Teilumsetzung turell ausgeglichenen Haushalt erreichen: hat daher die im Grundsicherungsbereich der wissenschaftlichen Erkenntnisse führt Dies bedeutet, dass nur etwa jede zehnte bewirkte Entlastung wieder überholt. damit zu einer Schieflage des kommunalen Mitgliedskommune den eigentlich von der Daher muss nun auch das Land seiner aus Finanzausgleichs. Diese wird noch dadurch Gemeindeordnung als Normalfall gefor- Art. 28 Abs. 2 und 3 GG i. V. m. 79 Satz besonders ausgeprägt, dass das System der derten Zustand erreichen kann. 1 Verf NRW folgenden Verantwortung für Einwohnerveredelung einwohnerstarke Dies gilt, obwohl die Umlageentwicklung die angemessene Finanzausstattung der Städte durch die Anerkennung (realer) bei den Kreisen (jeweils einschließlich Städ- nordrhein-westfälischen Kommunen nach- Ausgaben als Bedarf favorisiert, während teregion Aachen) und den Landschafts- kommen. bei der Berechnung der Steuerkraft erheb- verbänden nicht mit der eingetretenen Es ist daher erforderlich, den Verbundsatz liche Einnahmevorteile der größeren Städ- Aufwandssteigerung mithält: So sind die mittelfristig wieder deutlich anzuheben. te durch die Wirkung einheitlicher fiktiver Kreisumlagen im Jahr 2014 gegenüber Die Absenkung des Verbundsatzes von Realsteuerhebesätze „weggerechnet“ dem Vorjahr auf insgesamt 5,2 Mrd. Euro 28,5 v. H. Mitte der 1980er-Jahre auf werden. Dies führt dazu, dass die für einen (+ 146 Mio. Euro) und die Landschaftsum- nur noch nominelle 23 v. H. entzieht den Einwohner im kreisfreien Bereich und im lagen auf 4,2 Mrd. Euro (+ 188 Mio. Euro) Kommunen jährlich – gemessen an der kreisangehörigen Bereich zur Verfügung gestiegen, während die Gesamtaufwen- dem Regierungsentwurf eines GFG 2015 stehenden Ressourcen immer weiter aus- dungen in den Kreisen auf 12,2 Mrd. Euro zugrundeliegenden Verbundmasse – 2,3 einanderklaffen. Über den kommunalen (+ 518 Mio. Euro) und die Gesamtaufwen- Mrd. Euro. Dabei weisen die Haushalte 497
Thema aktuell EILDIENST Heft 12/2014 der Kommunen landesweit nach dem dem satzes in den GFG der Jahre 1982, 1983 te Übergang bei der fiktiven Bedarfsermitt- Stärkungspakt zugrundeliegenden Gut- und 1986, die zeitlich auch den Beginn des lung auf die Auszahlungen aaD anstelle achten der Landesregierung selbst bei einer Aufwuchses der Kommunalverschuldung des Zuschussbedarfs II wird begrüßt, eben- rein kameralen Betrachtung ein jährliches, in Nordrhein-Westfalen markiert. so die vorgesehene Umstellung auf eine konjunkturzyklusbereinigtes, strukturelles Mehrjahresdatenbasis (pooled OLS). Defizit in Höhe von ca. 2,155 Mrd. € zzgl. 3. Zur Frage der Umstellung Die Umstellung vom kameralen „Zuschuss- Zinsen für bestehende Liquiditätskredite, der Datenbasis und der bedarf IIa“ auf die vom FiFo-Gutachten mithin in Höhe von etwa 2,5 Mrd. € auf. vorgeschlagene doppische Basis der „Aus- Daher liegt eine Hauptursache der kom- Grunddatenaktualisierung zahlungen aus allgemeinen Deckungsmit- munalen Unterfinanzierung in Nordrhein- Der der Umstellung auf das Neue Kommu- teln (Auszahlungen aaD)“ zur Glättung Westfalen in der Absenkung des Verbund- nale Finanzmanagement (NKF) geschulde- jährlicher Schwankungen, zudem unter 498
EILDIENST Heft 12/2014 Thema aktuell Nutzung von Mehrjahresdurchschnitten basis und der daraus folgenden Grundda- schaftsverbände] [werde] im Gutachten (pooled OLS), ist sinnvoll: Die Umstel- tenaktualisierung einhergehenden Verän- nicht konkretisiert. Sie würde jedenfalls zu lung stellt die Voraussetzung dafür dar, derungen werden daher – vorbehaltlich einer Reduzierung der Teilschlüsselmasse die Ermittlung der für das GFG benötig- der vorstehenden Problematik und einer der Gemeinden führen. Die auf Grund einer ten Grunddaten nach Einführung des NKF nach dem Regierungsentwurf bislang nicht solchen Aufstockung denkbare künftige fortführen zu können. Zwar führt die Nut- vorgesehenen Vollumsetzung des FiFo- Senkung der Kreis- bzw. Landschaftsum- zung von Mehrjahresdurchschnitten zum Gutachtens (vgl. dazu: A.1.) – grundsätz- lagesätze [sei] hierbei nicht gewährleistet jetzigen Zeitpunkt sogar zu einem Wieder- lich unterstützt, da sie in Anbetracht der und würde ggf. hauptsächlich steuerstarke anstieg der Gewichtung des Soziallasten- Maßgabe erfolgen, dass der Gesetzgeber Kommunen begünstigen[,]“ (Regierungs- ansatzes. Dies wird von uns angesichts der den kommunalen Finanzausgleich sach- entwurf eines GFG 2015, S. 39) zumindest damit einhergehenden künftigen Anstiegs- gerecht, folgerichtig und ohne Anlegung irreführend ist, denn der Gutachter hat dämpfung und des für alle Kommunen in willkürlicher Gesichtspunkte zu gestalten diese Konkretisierung vorgenommen, wie NRW eintretenden Vorteils größerer Ver- hat und daher Korrekturbedarfe vollziehen die Landesregierung selbst in LT-Vorlage lässlichkeit des GFG aber akzeptiert. Auch muss, die sich aus einer aktuelleren Daten- 16/842 vom 30.04.2013 (dort auf S. 3 die für die Folgejahre vorgesehene Auswei- grundlage ergeben. [zu 2.]) vorträgt: Die Gemeindeschlüssel- tung des Betrachtungszeitraums auf einen masse betrüge danach 67,5 Prozent, die Fünfjahreszeitraum und die automatische 4. Zu den Strukturen und Kreisschlüsselmasse 16,6 Prozent und die jährliche Aktualisierung der Grunddaten Parametern des GFG 2015 Landschaftsverbandsschlüsselmasse 15,9 werden von uns unterstützt. Prozent der Gesamtschlüsselmasse. Zu beachten ist mit Blick auf den vorge- im Einzelnen Das dagegen teilweise angeführte Argu- sehenen Zuschnitt der „Auszahlungen a) Verbundsatz ment, dem Gesetzgeber stehe es frei, zu aaD“ allerdings, dass dieser in folgendem Der Verbundsatz muss mittelfristig wieder entscheiden, ob er die Kreise und Land- gewichtigen Punkt von den wissenschaft- auf das bis 1982 bestehende Niveau von schaftsverbände eher über Schlüsselzu- lichen Ergebnissen des FiFo-Gutachtens 28,5 v.H. angehoben werden (s. o.). weisungen oder über Umlagen als „alter- abweicht: Der Vorschlag des Gutachters nativen Finanzierungskanal“ finanzieren zur Umstellung aus Auszahlungen aaD b) Aufteilung der Gesamtschlüsselmasse wolle, ist nicht zu Ende gedacht: Denn (FiFo-Gutachten, S. 65) sah vor, schlicht Es muss ein Einstieg in die vom FiFo- über Umlagen kann zwischen den Betei- alle Auszahlungen für laufende Verwal- Gutachten der Landesregierung (Goerl/ ligten nur umverteilt werden, was ihnen tungstätigkeit der Kontengruppen 70 bis Rauch/Thöne, aaO, S. 115 und 149 f.) zunächst zugewiesen wurde. Die einsei- 75 abzüglich aller Einzahlungen für lau- vorgeschlagene Anpassung der Teilschlüs- tige Anpassung allein der Datenbasis zur fende Verwaltungstätigkeit in allen Pro- selmassen für die Kreise/Städteregion Berechnung der Verteilungsparameter in duktbereichen außer Produktbereich 61 und Landschaftsverbände auf Grundlage der Gemeindeschlüsselmasse führt jedoch (Allgemeine Finanzwirtschaft) der Konten- einer Relation der Auszahlungen aaD der dazu, dass die entsprechenden Mittel den gruppen 60 bis 66 zugrunde zu legen. Der drei Gebietskörperschaftsgruppen erfol- kreisangehörigen Gemeinden entzogen Regierungsentwurf sieht nun vor, diese gen. Die herausgestellte Erforderlichkeit werden, ohne dass die Kreise/Städteregion Einheitlichkeit zu durchbrechen und die einer Anpassung der seit 1980 nicht mehr und Landschaftsverbände zusätzliche Mit- Gewerbesteuerumlage nicht zu berück- grundjustierten Teilschlüsselmassenauf- tel erhalten. Das Argument von der „Ent- sichtigen. teilung auf die einzelnen Schlüsselmassen scheidung für den Kreisfinanzausgleich“ Sie trägt damit Bedenken des Städtetages für Gemeinden, Kreise und Landschafts- stellt damit nichts anderes dar als eine aus den Gesprächen zur FiFo-Umsetzung verbände bestätigt sowohl die einstimmi- wohlklingende Verpackung der „Entschei- Rechnung, der darauf verwiesen hatte, ge Empfehlung 16 der FiFo-Kommission dung für die einseitige Berücksichtigung dass die Gewerbesteuerumlage auch im aus dem Jahr 2010, die Aufteilung der der Soziallasten kreisfreier Städte“. Denn Rahmen des bisher genutzten Zuschuss- Schlüsselmasse auf Grundlage von Daten was eine kreisangehörige Gemeinde im bedarfs II nicht berücksichtigt worden sei. der Jahresabschlussstatistik nach der Rela- GFG nicht erhält, kann auch nicht im Wege Der Gutachter dagegen hatte im Rahmen tion der Zuschussbedarfe von Gemeinden, der Erhebung der Kreisumlage geschaffen der Gespräche zur FiFo-Umsetzung dar- Kreisen und Landschaftsverbänden im werden. auf verwiesen, eine solche Nichtberück- GFG jeweils im Rahmen der Grunddaten- sichtigung werde zu einem Nachteil für anpassung zu aktualisieren, als auch die c) Einnahmekraftermittlung solche Städte und Gemeinden führen, die wissenschaftlichen Ergebnisse von Jun- Die gemeindliche Einnahmekraft muss niedrige Gewerbesteuersätze nutzten – kernheinrich/Micosatt aus dem Jahr 2011. unter Nutzung nach Gemeindegrößenklas- also tendenziell kleine und/oder periphere Die damit verbundene Anhebung der sen gestaffelter fiktiver Hebesätze ermit- Gemeinden. Einen Vorteil dagegen werde Teilschlüsselmassen für die Kreise und die telt werden. Die Ausführungen des FiFo- diese Nichtberücksichtigung für solche Landschaftsverbände wird den Gemein- Gutachtens bestätigen den Befund, dass es Gemeinden mit sich bringen, die über- den nach gesetzlich in § 56 Abs. 1 Satz 1 einen signifikanten Zusammenhang zwi- durchschnittlich hohe Gewerbesteuersätze KrO NRW und § 22 Abs. 1 Satz 1 LVerbO schen der tatsächlichen Hebesatzhöhe und nutzten, d. h. tendenziell für große und NRW bestimmtem Mechanismus über die der Einwohnerzahl gibt. Die gestaffelten zentrale Städte und Gemeinden. Umlageeffekte zugutekommen und die fiktiven Hebesätze bilden die tatsächliche Vorliegend führt diese Abweichung dazu, mit niedrigeren Schlüsselzuweisungen der Hebesatzlandschaft in Nordrhein-West dass die Hauptansatzstaffel bei 148 und kreisangehörigen Gemeinden einherge- falen deutlich realitätsgerechter ab als ein- nicht bereits bei 145 endet: Allein dies henden Verluste überkompensieren. heitliche fiktive Hebesätze. Nach unserer führt bei einem GFG 2015 nach dem vor- Hierbei ist deutlich darauf hinzuweisen, Auffassung – aber auch gestützt durch liegenden Regierungsentwurf zu einem dass die für die Nichtvornahme seitens der entsprechende Aussagen aus der Recht- Nachteil kreisangehöriger Gemeinden in Landesregierung angeführte Begründung, sprechung des Verfassungsgerichtshofs einem landesweiten Volumen von etwa 20 „[d]ie eventuelle Aufstockung [der Teil- NRW – ist es in erster Linie Aufgabe der Mio. €. Die mit der Umstellung der Daten- schlüsselmassen für die Kreise und Land- Steuerkraftberechnung im kommunalen 499
Thema aktuell EILDIENST Heft 12/2014 Finanzausgleich, die Steuerkraft einerseits deutlich geringere Hebesätze leisten und d) Einwohnergewichtung bei der Bedarfs fiktiv (und damit gestaltungsunabhängig), würden so freiwillig auf Einnahmepoten- ermittlung auf der anderen Seite aber auch realitäts- tiale verzichten (können) und eine solche Die Einwohnerveredelung nach der nah zu erfassen. Strategie dürfe systembedingt nicht auch Hauptansatzstaffel ist abzuschaffen: Alle Das mit zunehmender Gemeindegrößen- noch durch höhere Schlüsselzuweisungen Einwohner aller Gemeinden müssen mit klasse steigende Niveau der tatsächlichen belohnt werden, ist falsch. Dies belegt dem einheitlichen Gewicht von 100 Pro- Hebesätze bei der Grundsteuer B und v. schon die hohe Zahl kreisangehöriger zent in die Bemessung des Hauptansatzes a. bei der Gewerbesteuer ist keine Beson- Gemeinden im Stärkungspakt. Tatsächlich eingehen. Soweit signifikante Spezialbe- derheit Nordrhein-Westfalens und damit müssen Kommunen im kreisangehörigen darfe einzelner Gemeinden nachweisbar kein Reflex einer mit der Einwohnerzahl Raum den Anreiz niedrigerer Hebesätze sein sollten, haben diese nichts mit der quasi automatisch größeren Finanznot bieten, damit sie im landesweiten Stand- Gemeindegröße (Einwohneranzahl) an sich der Gemeinden hierzulande, sondern ein ortwettbewerb um Unternehmen, Arbeits- zu tun, sondern mit einer bestimmten Son- bundesweites Phänomen, und zwar unab- kräfte und Wertschöpfungspotentiale, also dersituation, und müssen ggf. – wie beim hängig vom finanzwirtschaftlichen Status im Bemühen um eine positive Entwick- Soziallastenansatz, Zentralitätsansatz und der jeweiligen Kommune. Die häufig von lung ihres Gemeinwesens mit Aussicht auf Flächenansatz – transparent durch weitere interessierter Seite vorgebrachte Argu- Erfolg bestehen und größen- und/oder Nebenansätze berücksichtigt werden. mentation, die Haushalts- und Finanzlage lageabhängige Nachteile wenigstens zum Die hinter dem gestaffelten Hauptansatz der kleineren und mittleren Gemeinden in Teil kompensieren können. Dies beweist stehende These der überproportionalen Nordrhein-Westfalen sei aufgaben- und die auch nach Einführung des Stärkungs- Kostensteigerung der Aufgabenerledigung strukturbedingt per se günstiger, sie könn- paktes unverändert eindeutige Datenlage. durch Agglomeration, nach der einwoh- ten sich daher im Vergleich zu den grö- Die tatsächliche Staffelung ist empirisch nerreichere Städte und Gemeinden in der ßeren, insbesondere kreisfreien Städten ablesbar: Regel höhere objektive Pro-Kopf-Ausga- ben haben als solche mit einer kleineren Einwohnerzahl, kann durch den statisti- Größenklassendifferenzierung der fiktiven Realsteuerhebesätze schen Nachweis mit der Gemeindegröße steigender tatsächlicher Pro-Kopf-Ausga- Anzahl ben nicht bewiesen werden. Die Annahme Gemeinden blendet die wirtschaftlichen Vorteile des Mittelwert Mittelwert Mittelwert höheren Agglomerationsgrades aus (etwa (nach maßgeb 2. Hj. 2012 2. Hj. 2013 1. Hj.2014 Unternehmensansiedlungs- und Arbeits- Steuerart Größenklasse licher Bevölke- (Hebesatz- (Hebesatz- (Hebesatz- kräftepotential) und steht im diametralen rung für den punkte) punkte) punkte) Widerspruch zur betriebswirtschaftlichen Hauptansatz GFG 2015) Erfahrung positiver Skaleneffekte: Die Menge der bei steigender Einwohnerzahl GewSt erbrachten Leistungen muss aufgrund der Klasse 1 150.000 EW 22 469 475 478 lierten Abgeltung kann daher mit dem Ver- gesamt 396 428 434 436 weis auf ein angeblich unterschiedliches Aufgabenspektrum im Bereich pflichtiger Aufgaben nicht gerechtfertigt werden. GrSt B Klasse 1 150.000 EW 22 523 553 556 ge sind für die betroffenen Kommunen unverzichtbar, da die besonderen Bedarfs- gesamt 396 431 455 462 situationen vor Ort mit dem Schlüssel 500
EILDIENST Heft 12/2014 Thema aktuell zuweisungssystem und den sonstigen pau- da die Einwohnerzahl zum letzten Stich- es allerdings für notwendig und richtig, schalen Zweckzuweisungen und Investi tag (31.12. des Vorjahres) zugrundegelegt weitere Hilfen aus nicht benötigten Gel- tionspauschalen nicht abgegolten werden. wurde. Die nunmehrige Nutzung einer dern aus dem 2013 eingerichteten Fluthil- Vergleichsrechnung, bei der die durch- fefonds von Bund und Ländern zu finan- B. Zum Antrag „Steuererhö schnittliche Einwohnerzahl zu den letzten zieren. Eine Mitfinanzierung von Hilfen hungsspirale der Kommu drei Stichtagen und die Einwohnerzahl zum aus kommunalen Geldern – und um nichts letzten Stichtag gegenübergestellt und der anderes handelt es sich bei Mitteln aus nalsteuern beenden – fiktive jeweils höhere Wert zugrundegelegt wird, der verteilbaren Verbundmasse – lehnen Hebesätze im kommunalen schwächt diese realitätsnahe Erfassung der wir angesichts der Belastungssituation ab, Finanzausgleich langfristig Einwohnerzahl bereits deutlich. Im Sinne in der sich die kommunalen Haushalte in absenken!“ einer Verzögerung der Wirkung von Ein- Nordrhein-Westfalen insgesamt befinden. wohnerrückgängen ist dieser 3-Jahreszeit- Es gehört zur örtlichen, in kommunaler Ziel des Finanzausgleichs muss es sein, raum angesichts existierender Kostenrema- Selbstverwaltung zu nutzenden Entschei- die den Kommunen zukommenden Mit- nenzen sinnvoll und tragbar. Ein noch wei- dungskompetenz, mit Blick auf künftige tel des Steuerverbundes unter Anlegung terer Rückbezug dagegen würde der Tat- Schadenereignisse Vorkehrungen zu tref- ihrer Einnahmekraft und ihrer Bedarfe zu sache nicht gerecht, dass auch wachsende fen. Dies geschieht vielfach über die Kom- verteilen. Auch wenn es dabei im Bereich fiktive Bedarfe über zusätzliche Einwohner munalversicherung oder den interkom- der Ermittlung der Realsteuereinnahme- in anderen Bereichen entstehen, die tat- munalen Schadenausgleich – und damit kraft nötig ist, fiktive Hebesätze zugrun- sächlich ausgleichsbedürftig sind. Ein wei- bereits solidarisch. Die Einrichtung eines dezulegen, um nicht über die kommuna- terer Rückbezug des sog. „Demografiean- speziellen Sondervermögens „Kommuna- lindividuelle Steuersatzentscheidung einen satzes“ würde daher nicht nur überhöhte ler Unwetterfonds“ auf Landesebene unter einzelgemeind lichen Hebel bei der Ver- Anreize zur Verzögerung unumgänglicher Zwangseinbehalt kommunaler GFG-Mittel teilung der Gemeindeschlüsselmasse zum Anpassungen in zurückgehenden Berei- in erheblichem Umfang ist daher weder Tragen zu bringen, müssen beide Größen chen setzen, sondern auch die Bedarfe bei erforderlich noch angemessen. In den Blick so reell als möglich gemessen und einge- der Mittelverteilung benachteiligen, die in zu nehmen ist dabei auch, dass besondere stuft werden. In diesem Sinne halten wir wachsenden Bereichen entstehen. Hinzu Belastungssituationen für Kommunen oft- die Wiedereinführung nach Gemeindegrö- kommt, dass ein weiterer Rückbezug zu mals und aus den verschiedensten Grün- ßenklassen gestaffelter fiktiver Hebesätze einer noch längeren Mischung „alter“ den eintreten: Besonders verwiesen sei hier für dringend geboten. Gerade dies wird Daten der fortgeschriebenen Ergebnisse auf die Belastungen der kreisangehörigen die mit den hohen einheitlichen fiktiven der Volkszählung 1987 und des fortge- Kommunen, die durch Krankheitskosten Hebesätzen verbundenen Nachteile ins- schriebenen ZENSUS 2011 führte. Dies aufgenommener Flüchtlinge entstehen. besondere der auch durchschnittlich mit wäre rechtlich problematisch. Diese traten allein im vergangenen Jahr in deutlich niedrigeren Hebesätzen arbei- mehreren Fällen ein und erreichten extre- tenden Gemeinden im kreisangehörigen D. Zum Antrag „Finanzielle me Spitzen, die betroffene Kommunen Raum vermeiden helfen. Eine Festschrei- Hilfen für die unwetter geplante Haushaltskonsolidierungsergeb- bung oder Gesamtabsenkung der einheit- nisse verfehlen ließen. Hinzu kommen lichen fiktiven Hebesätze würde die für die geschädigten Gemeinden, können aber auch Hochwasserereignisse Verteilungsgerechtigkeit essentielle Orien- Städte und Kreise auf den – wie 1994 im Rheinland – oder „Schnee tierung an der tatsächlichen Einnahmekraft Weg bringen – Soforthilfe katastrophen“ – wie 2005 im Münster- schwächen. Gleiches träfe auch auf die und Unwetterfonds partner land. Denkbar sind auch großflächige Vornahme größerer Abschläge im Rah- schaftlich zwischen Land und Waldbrände, Reaktorhavarien in Kraftwer- men des Verfahrens der jährlichen Ermitt- Kommunen umsetzen“ ken an Nordrhein-Westfalen angrenzender lung der fiktiven Hebesätze zu. Ein solches Räume, Pandemien und andere Ereignisse. Vorgehen geriete zudem in unauflöslichen Die speziell mit Hinblick auf die Folgen des Nun speziell einen Hochwasserfonds ein- systematischen Widerspruch zu der Tatsa- Pfingstmontagsturms „Ela“ geplanten und zurichten, ist schon mit Blick darauf frag- che, dass ein vergleichbares Vorgehen auf paritätisch aus Resten der Gemeindefinan- würdig. der Seite der fiktiven Bedarfe nicht erfolgt. zierungsgesetze der Vorjahre und landes- Wir sprechen uns demgegenüber dafür eigenen Mitteln zu finanzierenden Hilfen aus, die Kommunen durch eine aus- stellen für die betroffenen Kommunen reichende Dotierung des kommunalen C. Zum Antrag „Auswir einen notwendigen und nützlichen Bei- Finanzausgleichs in die Lage zu versetzen, kungen der Bevölkerungs trag dar, um Schäden zu beheben. Schon die vielfältigen Anforderungen künftiger schrumpfung abdämpfen hierbei aber ist aus unserer Sicht nicht trag- Schadenereignisse in kommunaler Selbst- – Demografieansatz im GFG bar, dass die Kreise – wie auch die Land- verwaltung bei finanzieller Eigenverant- stärken“ schaftsverbände und der Regionalverband wortung tragen zu können. Was Hilfen Ruhr – bei der Schadensregulierung nicht aus dem GFG angeht, können diese nur Ziel des Finanzausgleichs muss es sein, berücksichtigt werden sollen, obwohl diese eine nachgelagerte und untergeordnete die den Kommunen zukommenden Mit- gleichermaßen Schäden erlitten haben. Rolle haben. Die derzeitige Regelung des tel des Steuerverbundes unter Anlegung Auch hinsichtlich des Verteilungsmaßstabs § 19 Abs. 2 Nr. 5 GFG erscheint dabei aus ihrer Einnahmekraft und ihrer Bedarfe zu wäre es wünschenswert, dass auch jene unserer Sicht inhaltlich und hinsichtlich der verteilen. Im Bereich der Ermittlung der Kommunen mit deutlichen Schäden Hilfen Dotierung ausreichend. Anzudenken wäre fiktiven Bedarfe kommt der Einwohnerzahl erhalten, deren Gemeindegebiet zu weni- allerdings, die über § 19 Abs. 2 Nr. 5 des unverändert das größte Gewicht zu. Es ist ger als 30 Prozent vom Unwetter betroffen jährlichen GFG bereitgestellten Mittel – wie daher besonders wichtig, die Einwohner- war. vergleichbar im Bereich der Stärkungspakt- zahl realitätsnah zu erfassen. Dies erfolgte Was weitere Hilfen – auch bei künftigen gesetzes mit dem Stärkungspaktfonds bis zum GFG 2012 besonders realitätsnah, Ereignissen dieser Art – angeht, halten wir gesetz geschehen – überjährig verfügbar 501
Thema aktuell / Aus dem Landkreistag EILDIENST Heft 12/2014 zu machen und eine Entscheidung des für ten Mittel erscheint uns demgegenüber nicht „unvorhersehbar“, da auch andere kommunale Angelegenheiten zuständigen intransparent und willkürlich: So wurden Kommunen davon betroffen seien. Dies Ministeriums auf Grundlage mit den kom- in der Vergangenheit etwa durch extreme trifft allerdings im Grundzug auch auf die munalen Spitzenverbänden abgestimmter Heilbehandlungskosten im Flüchtlingsbe- nun in Rede stehenden Sturmereignisse zu. „Förderrichtlinien“ vorzusehen. Die jetzi- reich betroffenen Kommunen Hilfen mit ge Verfügung über die jährlich auf Grund der Begründung versagt, solche Belastun- EILDIENST LKT NRW von § 19 Abs. 2 Nr. 5 GFG bereitgestell- gen seien nicht „außergewöhnlich“ oder Nr. 11/November 2014 20.30.00 Kommunalfinanzen und Demographie im Fokus: Große Landkreisversammlung des LKT NRW am 17. November 2014 in Kleve Am 17. November kamen rund 300 Delegierte zur Großen Landkreisversammlung des Landkreistages Nordrhein-Westfalen, in der Hochschule Rhein-Waal in Kleve zusammen. Zu den zahlreichen Gästen, die der Einladung des Landkreistages gefolgt waren, gehör- ten insbesondere Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und der Erste Vizepräsident des nordrhein-westfälischen Landtages, Eckhard Uhlenberg. Z u Beginn des Öffentlichen Teils I stellte die Präsidentin der Hochschule Rhein- Waal, Frau Prof. Dr. Marie-Louise Klotz Als ersten Hauptredner begrüßte Präsident Thomas Hendele dann Prof. Dr. Meinhard Miegel, Vorstandsvorsitzender der Stiftung zur letzten Minute seines Vortrages. Der demographische Wandel müsse ange- nommen werden und ein Umdenken sei den Anwesenden die Hochschule vor, die „Denkwerk Zukunft“ in Bonn. Dieser wid- erforderlich, so die Kernthese Miegels. mit je einem Standort im Kreis Wesel und mete sich in seinem Vortrag den Heraus- Insbesondere Kommunen im ländlichen im Kreis Kleve vertreten ist. Aktuell stu- forderungen der Demographie und Infra- Raum müssten sich zu ihrer Andersartig- dierten hier insgesamt rund 5.000 junge struktur in NRW, insbesondere im Hinblick keit bekennen und sich offensiv positiv Frauen und Männer aus 107 Nationen. Das auf die Zukunftsfähigkeit des kreisangehö- vermarkten. Anwachsen der Hochschule erzeuge enor- rigen Raums. Der Vortrag von Prof. Miegel ist auf den mes Potential, von dem die Kreise Wesel Mit überraschenden Fakten und Zahlen folgenden Seiten dieses EILDIENST-Heftes und Kleve profitierten, so Klotz, denn diese fesselte er die Zuhörer von der ersten bis dokumentiert (vgl. S. 503 ff). rückten dadurch nicht nur regional und national, sondern auch international ins Blickfeld. Prof. Dr. Meinhard Miegel wurde bei seiner Ankunft im Hörsaalgebäude vom Präsidium Die Präsidentin der Hochschule Rhein- des LKT NRW in Empfang genommen (v.l.n.r. Prof. Dr. Meinhard Miegel, Erster Vizeprä- Waal, Prof. Dr. Marie-Louise Klotz, be- sident Landrat Dr. Arnim Brux, Präsident Landrat Thomas Hendele, Hauptgeschäftsführer grüßte die Anwesenden. Dr. Martin Klein, Zweiter Vizepräsident Landrat Thomas Kubendorff). 502
EILDIENST Heft 12/2014 Aus dem Landkreistag Herausforderungen Demographie und Infrastruktur in NRW Sicherung der Zukunftsfähigkeit des kreisangehörigen Raums Von Prof. Dr. Meinhard Miegel Meine sehr verehrten Damen und Herren, Nettozuwanderung bei reichlich 400.000 weder vererben noch ein öffentliches erlauben Sie mir zunächst eine Vorbe- liegt – mehr als 1,2 Millionen Zuwanderern Amt ausüben. Aber das hielt sie nicht merkung: Die modernen Neurowissen- stehen knapp 0,8 Millionen Abwanderer davon ab, auf Kinder zu verzichten. schaften sind gerade dabei, eine uralte gegenüber – sinkt die Bevölkerungszahl Viele Jahrhunderte später bemühten sich Menschheitserfahrung zu bestätigen: im Vergleich zu 2003 um 1,5 Millionen auf Frankreich, aber auch Deutschland um Nirgendwo errichten Menschen höhere 80,8 Millionen, wobei diese auf Fortschrei- eine Erhöhung der Geburtenrate und und dickere Mauern als in ihren eigenen bungen beruhende Zahl wahrscheinlich erneut waren die Erfolge gering. Selbst Köpfen. Nicht selten stürzen sie sich eher noch zu hoch ist. Vermutlich hat Deutsch- den Nationalsozialisten gelang es nicht in ihr Verderben als dass sie von tief verin- land heute keine 80 Millionen Einwohner trotz intensiven Bemühens die Geburten- nerlichten Denk- und Handlungsmustern mehr. rate auf ein bestandserhaltendes Niveau ablassen. Für ihre „alten Götter“ geben Dieser Trend des Bevölkerungsrückgangs zu heben. sie – buchstäblich und metaphorisch – ihr wird sich in den kommenden Jahrzehnten Umso bemerkenswerter ist der Nach- Leben. Zu diesen „alten Göttern“ gehört mit großer Wahrscheinlichkeit fortsetzen. kriegsgeburtenboom, der weitgehend in unserer Zeit und unserem Kulturkreis Denn im Jahr 2020 wird der Sterbeüber- ohne staatliche oder politische Interven- der Gott immerwährender Expansion, schuss bei etwa 0,3 Millionen und 2050 tionen einsetzte und reichlich ein Jahr- immerwährenden Wachstums. Zwar hat bei 0,5 Millionen liegen. Um einen solchen zehnt anhielt. Zwar erreichte auch dieser sich dieser Gott zumindest hierzulan- Sterbeüberschuss durch Zuwanderung Boom kein bestandserhaltendes Niveau, de schon seit geraumer Zeit nicht mehr zu kompensieren, müssten beispielsweise aber er näherte sich ihm doch beträcht- blicken lassen, aber die Schar derer, die 2020 0,9 Millionen und 2050 1,5 Millionen lich an. Dieser Boom dürfte ein Beleg an ihn glaubt, ist noch immer stattlich. Menschen nach Deutschland kommen, da dafür sein, dass Kinderreichtum wenig Beginnen wir mit der Bevölkerungsent- erfahrungsgemäß von drei Zuwandern- mit Geld, Kitas, Ganztagsschulen und wicklung, der Demographie und neh- den zwei auch wieder abwandern. Die noch viel weniger mit Kinder- oder Fami- men wir als Ausgangsjahr 1648. In die- Folge hiervor wäre, dass bis 2060 bei einer liengeld oder sonstigen staatlichen Lei- sem Jahr endete der 30jährige Krieg, der durchschnittlichen jährlichen Nettozuwan- stungen zu tun hat. Deutschland befindet in Deutschland zu einem ungeheuren derung von 0,2 Millionen die Bevölkerung sich heute bei Geldleistungen für Kinder Bevölkerungsrückgang geführt hatte. um zehn Millionen zurückginge. Und sollte und Familien im historischen und interna- 1648 war die Wende. Von nun an nahm ab sofort die Geburtenrate, die gegenwär- tionalen Vergleich in der Spitzengruppe die Bevölkerungszahl wieder zu. Das ging tig bei 1,4 Kindern pro Frau liegt, auf 1,6 und bei Sachleistungen wie Kitas oder so weiter bis weit in das 20. Jahrhundert Kinder steigen, läge der Rückgang noch Ganztagsschulen im internationalen Ver- hinein. Doch schon im Jahre 1882 hatte immer bei sechs Millionen. gleich weit oben. Doch das alles hat noch sich weitgehend unbemerkt eine weitere Was könnte oder was sollte in einer sol- nicht einmal einen minimalen Geburten- Wende vollzogen. In diesem Jahr wurde chen Situation getan werden? Oder anders anstieg bewirkt. Das Beste was sich sagen nämlich in Deutschland der letzte Jahr- gewendet: Wie könnte der Bevölkerungs- lässt ist, dass die Geburtenzahlen nicht gang geboren, der sich in der Zahl seiner schwund zugleich mit der Bevölkerungsal- noch weiter zurückgegangen sind. Kinder ersetzt hat. Alle später Gebore- terung gestoppt oder zumindest verlang- Die Deutschen wie einige andere europä- nen hatten weniger Kinder als sie selbst samt und der Anteil jüngerer Menschen ische und außereuropäische Völker erset- zählten. dauerhaft auf heutigem oder besser noch zen sich seit den frühen 1970er Jahren Das blieb zunächst unbemerkt, weil zum auf höherem Niveau stabilisiert werden? weitgehend konstant zu zwei Dritteln in einen das demographische Echo – soll Zwei Strategien und deren Verbindung der Zahl ihrer Kinder. In den Jahrzehn- heißen, die Zahl der versterbenden Groß- kommen in Betracht: ten, die seitdem vergangen sind, hat sich eltern war kleiner als die Zahl der Enkel, – familienpolitische Maßnahmen trotz intensiven Bemühens von Seiten der aber die Zahl der Enkel war bereits klei- – migrationspolitische Maßnahmen Politik hieran nichts geändert. Und auch ner als die Zahl der Eltern – zum anderen Werfen wir zunächst einen Blick auf mög- für die vorhersehbare Zukunft gibt es kei- eine deutlich steigende Lebenserwartung liche familienpolitische Maßnahmen. Die nerlei Anzeichen für eine Trendwende. die Bevölkerungszahl nicht nur weiterhin historischen Erfahrungen sind hier wenig Offenbar ist die Bereitschaft zum Kind hoch hielt, sondern sogar noch ansteigen ermutigend. Wenn es etwas gibt, in das keineswegs nur von materiellen, sondern ließ. Doch 1972 übersteigt die Zahl der sich Menschen nur wenig hineinreden las- mindestens so sehr von anderen, nämlich Sterbefälle erstmals die Zahl der Gebur- sen, dann ist es ihr Zeugungs- und Gebär- immateriellen Faktoren abhängig. Zu sol- ten und dabei ist es seither geblieben. verhalten. Schon im antiken Griechenland chen immateriellen Faktoren zählen Zwar wird durch Zuwanderer die aus kämpfte die Gesellschaft gegen Ende ihrer ➪ die Bindungsfähigkeit und -bereit- dem Geburtendefizit erwachsende Bevöl- glorreichen Periode gegen drastischen schaft von Menschen und zwar nicht kerungslücke noch eine Weile geschlos- Geburtenschwund. Vornehme Griechen nur von Männern und Frauen, son- sen, so dass die Bevölkerungszahl bis beließen es bei der Ein-Kind-Familie. Nicht dern auch von Erwachsenen und 2003 weiter auf 82,3 Millionen ansteigt. anders war es in der Endphase des antiken Kindern. Werden Kinderlose befragt, Doch in den Folgejahren reichen die Roms. Der Staat tat alles, um die Gebär- warum sie kinderlos seien, so steht Zuwandererzahlen nicht mehr aus, um freudigkeit der Römerinnen zu erhöhen, weit oben auf der Liste der Gründe: die Lücke zwischen Geburten und Ster- aber die Erfolge waren extrem beschei- Ich habe keinen geeigneten Partner, befällen zu schließen. Obwohl 2013 die den. Zwar konnten Kinderlose zweitweise keine geeignete Partnerin. 503
Aus dem Landkreistag EILDIENST Heft 12/2014 ➪ das Freiheitsverständnis und die bemerkbar, aber in etwa zwei Genera- aber Politik und Bürger wollten es nicht Bereitschaft zu Einschränkungen. tionen dürften Veränderungen allgemein sehen. Über Demographie zu sprechen, Dass Kinder nicht nur Freude berei- sichtbar werden. Damit kommen wir zu war in den siebziger, ja selbst in den ten und dem Leben Sinn zu verleihen den migrationspolitischen Maßnahmen. achtziger Jahren noch so etwas wie ein vermögen, wissen alle, die Kinder Da die Weltbevölkerung bis auf Weiteres, Spießrutenlauf, weil Fragen der Bevölke- haben. Ohne eine gewisse Bereit- vielleicht bis zum Ende dieses Jahrhun- rungsentwicklung immer wieder gerne schaft, Einschränkungen hinzuneh- derts, zahlenmäßig stark weiter zuneh- in die Nähe von Nationalsozialismus, men und auf einen Teil von Freiheiten men dürfte, wäre es durchaus möglich, die „Blut und Boden" und ähnliches gerückt zu verzichten, geht es also nicht. Wo durch den Sterbeüberschuss hierzulande wurden. Viele hatten noch das berühm- diese Bereitschaft fehlt, lässt sich auch entstehenden Bevölkerungslücken quan- te Diktum Konrad Adenauers im Ohr: durch Geld nur wenig bewirken. titativ zu schließen, wobei dies allerdings „Kinder haben die Leute immer" und all- ➪ die Funktionsfähigkeit, insbesonde- kein einmaliger Akt, sondern ein fortdau- gemein hieß es, die Geburten seien nur re die soziale Funktionsfähigkeit von ernder Prozess wäre. Nur woher kommen verschoben worden und würden schon Familienverbänden und Nachbar- die Zuwanderer? nachgeholt. schaften sowie der soziale Zusam- Auf mittlere Sicht mit Sicherheit nicht aus Bei einem Vortrag im Ruhrgebiet in der menhalt von Großeltern, Eltern und Europa, denn ganz Europa befindet sich in zweiten Hälfte der 1980er Jahre wurde Kindern. Hier ist insbesondere der einer ähnlichen demographischen Situation mir entgegengehalten, dass ein Bevöl- Verbund von Großeltern und Enkeln wie Deutschland. Die künftigen Regionen kerungsrückgang in dieser Region völlig hervorzuheben. Denn zwischen ihnen mit starker Bevölkerungszunahme liegen inakzeptabel sei. Mittlerweile dürften findet ein wichtiger Teil des Kultur- in Südostasien und insbesondere in Afrika. die Verantwortlichen auch dieser Region transfers in einer Gesellschaft statt. Hier werden sich die Bevölkerungszahlen dazugelernt haben. Die Thematik ist bei Wo aus was für Gründen auch immer in den kommenden Jahrzehnten etwa ver- den meisten angekommen, auch wenn die Verbindungen zwischen Groß- doppeln. Menschen gibt es also genug. Die sie noch immer auf jene hohen, dicken eltern und Eltern locker sind, ist es Frage ist nur, ob ein Land wie Deutschland Mauern prallt, von denen ich eingangs schwer, Kinder großzuziehen. bereit und in der Lage ist, jährlich brutto gesprochen habe. Wie – so heißt es – soll ➪ der Stellenwert des Materiellen etwa 1,2 bis 1,5 Millionen und netto 0,4 mit unseren auf Expansion angelegten gegenüber dem Immateriellen. Kon- bis 0,5 Millionen Afrikaner und Asiaten Denk- und Handlungsmustern weiter kret: Was ist das wirksamere Status- aufzunehmen? Denn das würde Deutsch- verfahren werden, wenn der Quell dieser symbol? Eine angesehene berufliche land und in der Folge ganz Europa inner- Expansion, die Zunahme der Bevölke- Tätigkeit, möglichst verbunden mit halb eines überschaubaren Zeitraumes rung, versiegt? einem hohen Einkommen oder Mut- nachhaltig verändern. Schon jetzt glauben Eine erste und wichtige Schlussfolgerung ter- und Vaterschaft? Demographen, dass am Ende dieses Jahr- hieraus ist: Die anstehenden demographi- ➪ der gesamtgesellschaftliche Kon- hunderts ein Viertel der Europäer aus Asien schen Veränderungen dürften nicht als sens in Bezug auf Kinder. In unserer oder Afrika stammen wird. eine unverdiente Heimsuchung angese- Gesellschaft werden Kinder faktisch Wie die ansässige Bevölkerung hierauf hen werden, sondern als die unvermeid als eine Last behandelt, die den Eltern reagiert, ist nicht vorhersehbar. Nur sollte liche Folge vorangegangenen jahrzehnte- nur bedingt zugemutet werden kann. nicht die Möglichkeit ausgeschlossen wer- langen Verhaltens. Jetzt gilt es, das Beste Die Reaktion hierauf ist: Wenn die den, dass sie eher die Folgen zahlenmä- aus der weiteren Entwicklung zu machen. Gesellschaft Kinder als eine solche ßiger Schrumpfung und Alterung auf sich Dabei hilft, dass nicht nur in Deutschland, Last ansieht, dann werden sie wohl nimmt als eine derartige Zuwanderung. sondern auch in weiten Teilen Europas auch eine Last sein. Warum also sol- Dies umso mehr, als diese Zuwanderung alle von dieser Entwicklung betroffen sind che Lasten schultern? Und schließlich nicht, wie dies dem historischen Grundmu- – die ländlichen Gemeinden etwas früher, ➪ ist Kinderreichtum eher bedauerns- ster entspräche, in eine wachsende, junge die Städte später. Aber auch die Städte wert oder bewunderungswürdig? Bevölkerung hinein erfolgte, sondern eben werden sich auf Dauer ihr nicht entziehen So lange sich an diesen mentalen Grund- in eine schrumpfende und alternde. Für können. Wenn die Demographen Recht dispositionen nichts ändert, wird es kei- diese Konstellation gibt es keine Erfahrun- behalten, werden sich spätestens ab nen Wiederanstieg der Geburtenzahlen gen, zumal die Bevölkerung künftig so alt 2050 alle Städte und Gemeinden, nicht geben, womit noch nichts zu der Frage sein wird wie noch nie in der Menschheits- nur in NRW, sondern auch in den ande- gesagt ist, ob es einen solchen Wieder- geschichte. ren Bundesländern, im Sog des Bevölke- anstieg überhaupt geben sollte. Doch das Um 2030 werden in Deutschland etwa rungsschwundes befinden. ist ein eigenes großes Thema, was hier acht Prozent der Bevölkerung älter als Aber noch ist es nicht soweit. Noch gibt nicht zu Debatte steht. Fest steht, dass achtzig und weitere 19 Prozent zwischen es Wachstums- und Schrumpfungsgebie- nicht nur in Deutschland und einigen 65 und 80 Jahre alt sein. Ihnen werden te. So dürfte sich in Nordrhein-Westfalen weiteren europäischen und außereuro- nur knapp 22 Prozent unter 20-Jährige zwischen 2010 und 2030 die Bevölke- päischen Ländern der Übergang von der gegenüberstehen. So etwas hat es in der rungszahl Münsters um ein Sechstel, die- Bevölkerungsexpansion zur -kontraktion Menschheitsgeschichte noch nie gegeben. jenige Bonns um ein Neuntel, diejenige vollzogen worden ist, sondern mittler- Die Völker Europas mit uns Deutschen an Kölns um ein Zehntel und diejenige Düs- weile in etwa achtzig Ländern weltweit der Spitze befinden sich also auf dem Weg seldorfs um ein Siebzehntel vergrößern. die Geburtenraten unter das Bestands in eine stark schrumpfende, stark alternde Alle anderen Städte verzeichnen hinge- erhaltungsniveau gesunken sind und und ethnischkulturell immer heterogenere gen Zuwächse im niedrigen einstelligen jedes Jahr weitere Länder hinzukommen. Gesellschaft. Bereich bzw. Bevölkerungsstagnation Das macht sich bei der globalen Bevöl- Das alles war im Großen und Ganzen oder, insbesondere im Ruhrgebiet, zum kerungsentwicklung zurzeit noch nicht schon vor dreißig Jahren vorhersehbar, Teil substanzielle Bevölkerungsverluste. 504
Sie können auch lesen