Bots & Co - Die Zukunft der Interaktionsarbeit? - Praeview

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Bots & Co - Die Zukunft der Interaktionsarbeit? - Praeview
Bots & Co. – Die Zukunft
                der Interaktionsarbeit?
Zeitschrift für innovative Arbeitsgestaltung und Prävention   12,50 Euro | ISSN 2190-0485   Nr. 1 | 2022
Bots & Co - Die Zukunft der Interaktionsarbeit? - Praeview
impressum
præview – Zeitschrift für innovative                         Diese Ausgabe der Zeitschrift præview basiert auf         Das Projekt „iAtA – Intelligente Assistenz für die techni-
Arbeitsgestaltung und Prävention                             Konzepten und Ergebnissen der folgenden Projekte:         sche Ausbildung“ wird gefördert vom Ministerium für
13. Jahrgang 2022 – ISSN 2190-0485                                                                                     Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des
                                                             Die Projekte
Erscheinungsort Essen                                                                                                  Landes Nordrhein-Westfalen und betreut vom Projekt-
                                                             æ AnEffLo – Anti-Effizienzlogiken: Reflexiv-nachhaltige   träger Jülich (PtJ), Geschäftsbereich TRI.
Verlag: GMF /Gathmann Michaelis und Freunde                    Perspektiven auf Interaktionsarbeit am Beispiel
Kommunikationsdesign                                           Pflege (FKZ: 02L18A090-94)
v.i.S.d.P.: Andre Michaelis                                  æ BeDien – Begleitforschung zur Förderlinie personen-
Lektorat: Sabine Schollas                                      nahe Dienstleistungen (FKZ: 02K17A080)
Druck: print24.de                                            æ INSTANT – Intelligente Zusammenarbeit von               Das Projekt „Ethische und sozial verträgliche KI in Unter-
Layout: Q3 design GbR, Dortmund                                Menschen und sprachbasierten Assistenten                nehmen. Empirisch fundierte Empfehlungen zur Gestal-
                                                               (FKZ: 02L18A110ff)                                      tung und Einführung von KI in und für KMU in Baden-
Bezugsadresse / Kontakt:                                     æ InWiGe – Interaktionsarbeit: Wirkungen von und          Württemberg“ wird aus Mitteln des Ministeriums für
Zeitschrift præview c/o GMF                                    Gestaltung des technologischen Wandels                  Wirtschaft, Arbeit und Tourismus des Landes Baden-
Julienstraße 28, 45130 Essen                                   (FKZ: 02L18A001)                                        Württemberg gefördert.
https://gmf-design.de                                        æ PARCURA – Partizipative Einführung von Daten-
sk@gmf-design.de                                               brillen in der Pflege im Krankenhaus (FKZ 02L18A160)
                                                             æ RespectWork – Entwicklung gegenseitigen Respekts
                                                               in der Kundeninteraktion zur Verbesserung von
Bildnachweis Porträts: Sören Pekka Bode (S. 7, Bode);
                                                               Arbeits- und Dienstleistungsqualität
Hoffotografen (S. 8, Thorein); Studioline Photography
                                                               (FKZ: 02L18A020-024)                                    Das Projekt „Erweiterung sozialer Teilhabe durch Telero-
(S.13. Dopslaff, S. 41, Schriek); KIT (S.13. Lucumi); Pho-
                                                             æ UMDIA – Unterbrechungsmanagement bei digital            botik in der Pflege“ (FKZ SW-1-378-C) wird gefördert
togenika (S. 20, Dunkel, S. 39, Porschen-Hueck); Silke
                                                               gerahmter Interaktionsarbeit (FKZ: 02L18A120-125)       von der Stiftung Wohlfahrtspflege NRW im Rahmen des
Laenen (S. 27, Dörflinger); Torsten van Briel (S. 27,
                                                                                                                       Sonderprogramms „Zugänge erhalten – Digitalisierung
Wehrmann); Olaf Jaeschke (S. 33, Robra-Bissantz);            werden im Rahmen des Programms „Zukunft der Arbeit“
                                                                                                                       stärken“.
DAA Westfalen (S. 43, Schlüpmann); Dagmar Siebecke           vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und
(S. 43, Ciesinger); Photostudio Pure Shots (S. 45, Reck-     dem Europäischen Sozialfonds gefördert.
fort); Michael Kosel (S. 47, Großmann, Paul Fuchs-
Frohnhofen); Sabine Schmidt (S. 47, Jordans); Lorenz
Widmaier (S. 49, Hallensleben); Jennifer John GMF
                                                                                                                       Die Verantwortung für den Inhalt der Beiträge liegt bei
(S. 53, Ciesinger); Falko Wübbecke (S. 57, Schollas);
                                                                                                                       den Autor*innen.
Julia Heinlein (S. 59, Böhle)

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Bots & Co - Die Zukunft der Interaktionsarbeit? - Praeview
Vorwort des Redaktionsteams
                                                   Diese Ausgabe der præview basiert auf Arbeiten der Fokusgruppe „Direkte Interaktion
                                                   zwischen Dienstleistungsgebern und -nehmern“ im Förderschwerpunkt „Arbeiten an und mit
                                                   Menschen“. Im Rahmen der Diskussionen um das integrierte Modell der Interaktionsarbeit
                                                   nach Böhle et al. stellte jemand die Frage: „Was ist eigentlich, wenn der Dienstleister in der
                                                   Interaktionsarbeit kein Mensch, sondern eine Maschine ist?“

                                                   Diese Frage war so schlicht und doch so komplex, wenn man erst einmal unter die Oberfläche
                                                   der ersten, spontanen Antwort schaute, und erzeugte so viel Interesse (und auch Zündstoff),
                                                   dass wir als Fokusgruppe beschlossen, die Gedanken unbedingt in der Form einer præview
                                                   niederzuschreiben.

                                                   Die Arbeit als Redaktionsteam hat dabei unglaublich viel Spaß gemacht, weil die beteiligten
                                                   Autor*innen engagiert, diszipliniert und vor allem extrem kreativ mitgearbeitet haben. Wir
                                                   haben selten eine so inspirierte und inspirierende Zusammenarbeit über alle Disziplinen-
                                                   grenzen hinweg wie bei der Arbeit an dieser præview erlebt. Herausgekommen ist eine Zeit-
                                                   schrift, auf die wir alle sehr stolz sind.

                                                   Wir möchten uns daher bei den Autor*innen, aber auch bei all denen, die mitdiskutiert, aber
                                                   nicht mitgeschrieben haben, bedanken. Die Arbeit an der Zeitschrift war zumindest für uns
                                                   als Redaktionsteam ein Highlight.

                                                   Kurt-Georg Ciesinger, Tanja Fink-Cvetnic, Marc Jungtäubl, Jonas Wehrmann, Margit Weihrich

… und direkt noch eins
„Die Technologie hat bereits viele Aufgaben        Diese kluge Einleitung für die hier vorliegende    wir die Anzahl der Fehler in den Manuskripten
übernommen, die der Mensch früher verrichtet       Ausgabe der præview wurde tatsächlich nicht        anführen, denn an diesem Kriterium unterschei-
hat. Und in Zukunft wird die Technik nur noch      von uns selbst, sondern von der Schreib-KI Rytr    det sich die Maschine noch vom Menschen, wie
besser – und mehr Arbeitsplätze werden bedroht.    verfasst. Sie basiert auf der Eingabe des Themas   Marc-Uwe Kling in seinem Buch Qualityland
Einerseits bedeutet es, dass sich der Mensch auf   „Maschinelle Interaktionsarbeit“ und einem ein-    schreibt: „Korrekte Orthographie, korrekte Inter-
das konzentrieren kann, was er am besten kann      zigen weiteren Mausklick zur Auswahl eines         punktion, korrekte Grammatik = Bot“.
– kreative Aufgaben und emotionale Aufgaben.       von mehreren KI-generierten Subthemen. Mit
Das Problem ist jedoch, dass dadurch viele Men-    etwas Übung wäre ein kompletter præview-           Das Redaktionsteam
schen arbeitslos werden. Wie sollten wir uns       Artikel in absolut unauffälliger Qualität in we-
also auf eine Welt vorbereiten, in der Roboter     nigen Minuten generiert.
all unsere Jobs übernehmen? Es ist noch nicht
klar, aber es ist wichtig, jetzt darüber nachzu-   Wir versichern Ihnen aber, liebe Leser*innen,
denken, bevor die Änderungen zu schnell pas-       dass alle Texte dieser Ausgabe von echten Men-
sieren, als dass wir reagieren könnten.“           schen verfasst wurden. Als finalen Beleg können

præview Nr. 1 | 2022                                                                                                                                 3
Bots & Co - Die Zukunft der Interaktionsarbeit? - Praeview
Bots & Co. – Die Zukunft
      der Interaktionsarbeit?

                                                                                        Impressum
                                                                                                       02

                                                                   Vorwort des Redaktionsteams
                                                                                                       03

                                                                                Inhaltsverzeichnis
                                                                                                       04

                                                                                 æ Einführung

      Wenn das Dutzend voll ist, könnte es 13 schlagen, wie wild sie auch immer sein mag …
                                                                                                       06
                                                                                 Otto F. Bode

    Interaktionsarbeit und Digitalisierung – Gemeinwohl als Maßstab, Gute Arbeit als Prinzip
                                                                                                       08
                                                                                Anke Thorein

                                                            Gestaltung interaktiver Arbeit –
                                                                                                       10
                 Der Förderschwerpunkt „Zukunft der Arbeit: Arbeiten an und mit Menschen“
                                                            Jennifer Dopslaff, Alexander Lucumi

                                          Interaktionsarbeit im Kontext des digitalen Wandels:
                                                                                                       12
                                                      Herausforderungen für den Arbeitsschutz
                                                                   Beate Beermann, Armin Windel

                            æ menschliche versus „maschinelle“ interaktionsarbeit

                 Mensch, Maschine! Die Herausforderungen der Mensch-Maschine-Interaktion
                                                                                                       14
                                                                         Christopher Zirnig

        Was wird aus der Interaktionsarbeit, wenn der Interaktionspartner eine Maschine ist?
                                                                                                       16
                                                            Fragen an ein soziologisches Konzept
                                                                                 Margit Weihrich

Was gibt es hier noch auszuhandeln? Zur Kooperationsarbeit von Menschen und Maschinen
                                                                                                       18
                                                           Wolfgang Dunkel, Margit Weihrich

    Gefühls- und Emotionsarbeit in der Mensch-Maschine-Interaktion – mit Gefühl und ohne
                                                                                                       20
                                             Margit Weihrich, Marc Jungtäubl, Tanja Fink-Cvetnic

                      Und dann fragt sich der Pilot: „Was macht er denn jetzt schon wieder?“
                                                                                                       22
                         Vom erfahrungsgeleitet-subjektivierenden Umgang mit technischen Systemen
                                                                                Tanja Fink-Cvetnic

                                                Paraformale Aktivitäten bei Interaktionsarbeit?
                                                                                                       24
                                                                                 Marc Jungtäubl

                                   æ wie verändert technik die interaktion(sarbeit)?

                                 Von der Mensch-Mensch zur Mensch-Maschine-Interaktion?
                                                                                                       26
                              Mögliche Implikationen für Beschäftigte, Kundschaft und Organisationen
                                                                   Nadja Dörflinger, Jonas Wehrmann

                   Maschineller „Autismus“ – Können und sollen Maschinen Regeln brechen?
                                                                                                       28
                                                                               Anil K. Jain

                                         „Ups, was meinst du?“ – Eine Zukunft mit Chatbots?!
                                                                                                       30
                                                                Marvin Heuer, Tom Lewandowski

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Bots & Co - Die Zukunft der Interaktionsarbeit? - Praeview
inhalt

                       32 Bots im Kundenservice – gute digitale Interaktionsarbeit für alle?!
                          Susanne Robra-Bissantz, Louisa Hellenbrecht
                       34 „Männliche“ Technik(-entwicklung) für „weibliche“ (Interaktions-)Arbeit?!
                          Gender bei Arbeit und Technik
                          Sabrina Sobieraj, Marc Jungtäubl
                       36 Gendering und De_Gendering informatischer Artefakte oder:
                          Wie „männlich“ ist Siri?
                          Änne Hildebrandt
                       38 „Verstehen wir uns?“ – Herausforderung automatisierter Interaktionsarbeit.
                          Oder: Annäherung an einen unterbrechungs- und interaktionssensiblen Chatbotprozess
                          Stephanie Porschen-Hueck, Faranak Jahromi, Thorsten Zylowski
                       40 Learning Analytics und Augmented Reality –
                          Veränderung von Lehren und Lernen durch den Einsatz von intelligenter Assistenz
                          Rabea Bödding, Simon Schriek, Hendrik Oestreich, Marc Brünninghaus, Dominik Bentler
                       42 Künstliche Intelligenzen in der Bildung –
                          Das Ende des Lehrberufs oder der „Beginn einer wunderbaren Freundschaft“?
                          Jörg Schlüpmann, Kurt-Georg Ciesinger
                       44 Überlegungen zur User Experience bei der Interaktion
                          mit menschenähnlichen Pflegerobotern
                          Jürgen Reckfort
                       46 Alltagsunterstützende Roboter für die Altenpflege im Praxischeck –
                          Luft nach oben?
                          Heidrun Großmann, Paul Fuchs-Frohnhofen, Melanie Jordans
                       48 Erfahren und Erleben in der Mensch-Maschine-Interaktion
                          (Neben-)Folgen beim Einsatz von Robotik in der Pflege
                          Tobias Hallensleben

                          æ interaktionsarbeit durch menschen – ein auslaufmodell?
                       50 PRINTCAST
                          „Maschinen betrügen mich nicht“ – Die Sicht der Gen Z auf Bots & Co.
                          Finja Siebecke, Jannis Siebecke
                       52 „Worin genau besteht der Unterschied?“ –
                          Von Companion-Apps, Flirt-KIs und Sexrobotern
                          Kurt-Georg Ciesinger
                       54 Herrschen und beherrscht werden – aktuelle wie künftige Gestaltung der
                          Entwicklung intelligenter Technik bei Arbeit in interaktiven Settings
                          Simon Jungtäubl, Marc Jungtäubl
                       56 „Help, I need somebody“: von Menschen und Maschinen, die Support leisten
                          Sabine Schollas
                       58 Ein „anderer“ Blick auf „Anderes“
                          Fritz Böhle

præview Nr. 1 | 2022                                                                                            5
Bots & Co - Die Zukunft der Interaktionsarbeit? - Praeview
æ einführung

Wenn das Dutzend voll ist, könnte es 13 schlagen,
wie wild sie auch immer sein mag …
Otto F. Bode

Zwei Redewendungen und eine Anspielung auf ein Kinderbuch                                              Der Chatbot tut alles, damit er nicht als Ma-
                                                                                                       schine erkannt wird. Es ist fast sein Charakter
(Jim Knopf und die wilde 13) in einer Überschrift! Was soll das?                                       (seine Programmierung), nicht als Bot erschei-
Nun gut, der Autor dieser Zeilen ist Ministerialbeamter, da muss es                                    nen zu wollen (sollen). Aber was bedeuten dann
                                                                                                       Kooperation, Emotion, Kollaboration etc.? Bauen
nicht intuitiv zugänglich sein. Aber gleich so verworren?                                              diese Ideen nicht fundamental auf dem Konzept
Also dann, die Auflösung – und zwar wild durcheinander und nicht                                       des Vertrauens auf?
etwa der Reihe nach:                                                                                   Natürlich fallen auch gut programmierte Chat-
Sie lesen gerade die Ausgabe „Bots & Co – Die      nicht alle gewettet, die am Prozess teilgenom-      bots als nicht natürlich auf. Doch es wird
Zukunft der Interaktionsarbeit“ in der 32. Aus-    men haben. Und so wie es aussieht, kommen ja        schwieriger. Technische Leistungsfähigkeit und
gabe der Zeitschrift præview (wenn die beiden      noch einige Jahre hinzu. Zunächst einmal das        neue intelligente Programmierungen sowie
Sonderausgaben mitgezählt werden, die diese        wilde 13. Jahr.                                     schnelle Analysen gigantischer Datenbestände
Zeitschrift herausgegeben hat). Und richtig: Das                                                       lassen die Maschinen durchaus über mehrere
hat mit den Zahlen in der Überschrift gar nichts   Wie konnte es geschehen, dass dieses Projekt        Kommunikationsschritte hinweg menschlich
zu tun. Um das Geheimnis der Überschrift zu        so erfolgreich wurde? Wahrscheinlich liegt es       wirken. Und nicht immer ist es den Menschen
ergründen, muss hinter die Zahlen geguckt wer-     daran, dass ein interessantes Gebiet – Arbeits-     bewusst, dass sie sich mit einem Algorithmus
den. Der Anfang der Ausgaben führt uns näm-        gestaltung und Arbeitsforschung – auf enga-         unterhalten haben.
lich zurück in das Jahr 2010. Damals veröffent-    gierte Menschen und Institutionen traf und im-
lichte die Fokusgruppe „Innovationsstrategie       mer noch trifft.                                    Für einige Handys wird offensiv mit der Fähig-
und Gesundheit“ des BMBF-Förderprogramms           Auf der Seite der Themen sind zu finden: Prä-       keit geworben, dass diese autonom Restaurant-
„Arbeiten – Lernen – Kompetenzen entwickeln.       vention, demografischer Wandel, Wertschät-          buchungen durchführen oder Flüge stornieren
Innovationsfähigkeit in einer modernen Arbeits-    zung, Personalentwicklung, Kompetenzmana-           können – und zwar so, dass die Menschen, mit
welt“ ihre Ergebnisse im Förderschwerpunkt         gement, Respekt, künstliche Intelligenz etc. Bei    denen das Mobiltelefon spricht, nicht merken,
„Innovationsstrategien jenseits traditionellen     den Institutionen sind es ver.di, BAuA, DAA,        dass sie einen Auftrag einer Maschine entge-
Managements“. Daraus lassen sich zwei Erkennt-     Hochschulen und Forschungseinrichtungen etc.        gengenommen haben. Die Chatbots hierbei re-
nisse ziehen:                                      In der Kombination ergaben und ergeben sich         den, d.h. sie formulieren nicht nur wie Men-
                                                   daraus viele Fachbeiträge und Projekte, die für     schen, sie klingen auch so. Und die Chats sind
1. Geschmeidig waren die Titel der ministeriel-    weit mehr als zwölf Jahre „Denk- und Lesestoff“     nicht mehr nur in Textnachrichten möglich, sie
    len Veröffentlichungen schon damals.           liefern können.                                     sind schon heute (rudimentäre) Smalltalks.

2. Im Jahr 2022 sind zwölf Jahre Publikations-     Was dabei herauskommt, wenn der Blick auf die       Diese Bots können heute schon viel, aber sind
    geschichte der Zeitschrift præview vorbei.     Frage gerichtet wird, wie sich „Arbeiten an und     noch weit von Perfektion entfernt. Die Über-
                                                   mit Menschen“ (so der Titel der BMBF-Förder-        schrift dieses Artikels dürfte noch zu viele Ver-
Das ging schnell! Und obgleich die Zeit wie im     bekanntmachung) gestaltet, wenn Chatbots,           weise auf Redewendungen und Verweise ent-
Fluge vergangen ist, lässt sich ohne Übertrei-     Roboter und andere Maschinen in ein typisches       halten, um von Algorithmen verstanden zu
bung sagen: Dass damals der Startschuss für        Feld interaktiver Arbeit drängen, das war der       werden. Aber: wie lange noch?
eine zwölf Jahre dauernde Publikationsge-          Denkraum der Beiträge dieser Ausgabe. Und das
schichte gelegt werden würde, darauf hätten        Thema ist nicht trivial, fangen doch viele dieser
                                                   Beziehungen mit einer großen Täuschung an:

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Bots & Co - Die Zukunft der Interaktionsarbeit? - Praeview
Im Vergleich zu „Chat-Bots“ haben „Ro-Bots“          Fußballergebnisse, werden mit einem freundli-         Der Autor
es schwer. Sie sind physisch anwesend und müs-       chen „gute Nacht“ dazu überredet, die „Abend-         Ministerialrat Dr. Otto F. Bode, Volkswirt und
sen nicht nur formulieren wie Menschen und           routine“ zu starten – und sie hören sich wahr-        Pädagoge, ist Leiter des Referats „Zukunft von
ggf. klingen wie Menschen, sie müssten, um           scheinlich viel derbere Beleidigungen an als          Arbeit und Wertschöpfung; Industrie 4.0“ im
täuschen zu können, auch aussehen wie Men-           mancher unbeliebte Mitmensch (nicht zufällig          Bundesministerium für Bildung und Forschung.
schen. Davon sind wir heute noch weiter ent-         gibt es für all diese Systeme einen Befehl der
fernt. Aber vielleicht lenkt dieser Nachteil der     Art „Lösche alles, was ich gesagt habe“).
Roboter den Fokus auch nur auf eine andere
Ebene der Mensch-Technik-Beziehung in der            Wie weit die gesellschaftliche Akzeptanz der
Interaktionsarbeit. Interaktion ist immer ein ge-    Bots gehen wird, lässt sich heute nicht sagen.
sellschaftliches System. Und in diesem System        Junge Generationen wachsen mit diesen Bots
spielen Kategorien wie Vertrauen und Akzeptanz       auf. Für sie ist eine Unterrichtsstunde via Tablet,
eine große Rolle.                                    eine Flugbuchung via Chatbot-Handy oder ein
                                                     Pflegeroboter so selbstverständlich wie ein Blei-
Roboter starten nicht mit einer Lüge, sie zeigen,    stift für die Generation der 60er oder ein Fern-
dass sie keine Menschen sind, auch wenn sie          seher für die Kinder der 80er. Vielleicht ist diese   Otto F. Bode
sich in mancher Hinsicht wie Menschen ver-           Akzeptanz eine Voraussetzung dafür, dass die
halten können: Sie hören, sie reden, sie ver-        Fähigkeiten der Systeme weiter gesteigert wer-
handeln (in gewissen Grenzen) etc., ohne dabei       den? Vielleicht sind aber auch die Fähigkeiten
zu verschleiern, dass sie dies alles als Maschinen   so überzeugend, dass die Bots akzeptiert wer-
tun. Vielleicht ist es einfacher zu akzeptieren,     den. Natürlich kann auch die Skepsis gegenüber
dass ein Roboter interagiert, weil bekannt ist,      den Systemen deren Akzeptanz und Verwen-
dass es kein Mensch ist. In der Pflege können        dung einschränken.
sogar Gefühle wie Scham, Peinlichkeit etc. ver-
mieden werden, wenn die Patientinnen und Pa-         Wie es aussieht, liefert die Arbeitsforschung
tienten von Maschinen gewaschen, gepflegt,           und -gestaltung auch weiterhin gute Gründe,
gefüttert etc. werden. Nicht alle Interaktion mit    um „Denk- und Lesestoff“ zu produzieren. Und
Maschinen muss zwangsläufig als unmenschlich         Bots hin oder her: Im Vertrauen auf die Men-
empfunden werden.                                    schen, die sich für diese Themen einsetzen, ist
                                                     eine These nicht allzu gewagt: Das könnte für
Es kann durchaus angenommen werden, dass             weitere zwölf Jahre der præview locker reichen.
Menschen in vielen Bereichen der Interaktion
gar nicht darauf bestehen, mit Menschen zu           Viel Spaß also beim Lesen, Denken, Forschen
interagieren. Wird also die personennahe             und Entwickeln in diesem Feld. Es lohnt sich!
Dienstleistung weiterhin das Feld von Personen
sein? Wahrscheinlich in vielen Bereichen nicht.
Einen Vorgeschmack geben heute schon Assis-
tenzsysteme wie Alexa, Siri oder der Google-
Assistent. Sie sagen das Wetter an, geben Koch-
tipps, singen Schlaflieder, informieren über

præview Nr. 1 | 2022                                                                                                                                 7
Bots & Co - Die Zukunft der Interaktionsarbeit? - Praeview
æ einführung

Interaktionsarbeit und Digitalisierung –
Gemeinwohl als Maßstab, Gute Arbeit als Prinzip
Anke Thorein

Selten ausgesprochen wird die Tatsache, dass Erwerbsarbeit zwischen-
zeitlich – auch mit digitalen Mitteln – überwiegend Arbeiten mit
Menschen ist: Interaktionsarbeit. 63% der abhängig Beschäftigten
über alle Sektoren und Branchen hinweg und 70% der im Dienst-
leistungssektor Tätigen arbeiten sehr häufig oder oft mit Menschen
als Patient*innen, Kund*innen, Klient*innen. Allerdings: Ob im Arbeits-               Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di
                                                                                      hat in den vergangenen Jahren angesichts die-
schutz, in der Arbeitspolitik oder in den Arbeitswissenschaften –                     ser Defizite die Anstrengungen verstärkt, auch
Interaktionsarbeit findet insgesamt zu wenig Berücksichtigung und                     mit Veranstaltungen und Veröffentlichungen
                                                                                      das Thema „Arbeit mit Menschen – Interakti-
Erkenntnisse über ihre gute und belastungsarme Gestaltung gibt es                     onsarbeit humanisieren“1 in Arbeitspolitik, be-
vergleichsweise wenige. Dabei nimmt die Bedeutung und Verbreitung                     triebliche Praxis und Forschung zu tragen (ver.di,
                                                                                      2018). Sehr erfreulich und dringend notwendig
dieser Arbeit weiter zu – nicht zuletzt durch die Digitalisierung.                    war, dass der Förderschwerpunkt „Zukunft der
                                                                                      Arbeit: Arbeiten an und mit Menschen“ des
                                                                                      Bundesministeriums für Bildung und Forschung
                                                                                      (BMBF) entstand.

                                                                                      Arbeiten mit Menschen kann, wenn die Arbeits-
                                                                                      bedingungen stimmen, eine bereichernde und
                                                                                      erfüllende Tätigkeit sein. Derzeit gibt es aller-
                                                                                      dings erhebliche Defizite in der Gestaltung der
                                                                                      Arbeitsbedingungen. Eine ver.di-Veröffentli-
                                                                                      chung zeigte bereits 2011 auf, dass die Arbeit
                                                                                      mit Kund*innen, Patient*innen und Klient*innen
                                                                                      besondere und zusätzliche Belastungen bei Ar-
                                                                                      beitsintensität, Arbeitszeit sowie emotionalen
                                                                                      Anforderungen mit sich bringt (ver.di, 2011).
                                                                                      Dieser Befund hat sich durch weitere ver.di-
                                                                                      Veröffentlichungen bestätigt. Die ver.di-Son-
                                                                                      derauswertung „Arbeiten mit Menschen – Inter-
                                      Anke Thorein                                    aktionsarbeit“ auf Basis des DGB-Index Gute
                                                                                      Arbeit 2018 für den Dienstleistungssektor
                                      Die Autorin                                     brachte weitere Erkenntnisse insbesondere zu
                                      Anke Thorein, Diplom-Sozialökonomin, war        den Mehrfachbelastungen zutage (ver.di, 2019):
                                      langjährige Fachreferentin im Bereich Inno-     So gaben 38 % der Beschäftigten mit Interakti-
                                      vation und Gute Arbeit in der ver.di-Bundes-    onsarbeit an, sehr häufig oder oft ihre Gefühle
                                      verwaltung in Berlin. Seit April 2022 wirkt     verbergen zu müssen; unter den nicht interaktiv
                                      sie in der Tarifpolitische Grundsatzabteilung   Arbeitenden im Dienstleistungssektor sind dies
                                      von ver.di.                                     mit 18 % deutlich weniger. Auch kommt es bei
                                                                                      interaktiver Arbeit häufig zu Konflikten und

8
Bots & Co - Die Zukunft der Interaktionsarbeit? - Praeview
Streitigkeiten mit Kund*innen. Als häufige Stress-   In der betrieblichen Praxis – so insbesondere        Menschen zeigte sich somit ein auffälliger Zu-
ursache wurden kundenunfreundliche Vorgaben          bei der Gefährdungsbeurteilung – werden die          sammenhang: Je stärker persönliche Kontakte
angegeben. Hinzu kommt, dass interaktiv Arbei-       besonderen Herausforderungen und Belastun-           zu Kund*innen etc. durch digitale Kommunika-
tende sehr häufig oder oft negativen, psychisch      gen in der Arbeit mit Menschen leider kaum           tion ersetzt wurden, desto ausgeprägter war
belastenden Erlebnissen ausgesetzt sind. Bei der     berücksichtigt. ver.di hat daher konkrete An-        die Belastungszunahme (DGB, 2021).
Arbeitszeit wurde u.a. deutlich, dass mehr Be-       satzpunkte zur Integration von Interaktionsar-
schäftigte mit Interaktionsarbeit Überstunden        beit in die beteiligungsorientierte Gefährdungs-     Solche Hinweise zeigen die Dringlichkeit für die
leisten als Beschäftigte ohne Interaktionsarbeit     beurteilung 2 entwickelt und setzt sich u.a. in      Entwicklung von Wissen und humanen Lösun-
(55 % gegenüber 45 %). Dies geschieht oftmals        der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutz-             gen bei Interaktionsarbeit und Digitalisierung
auch ohne Bezahlung: 18 % der Beschäftigten,         strategie für entsprechende Regelungen und           auf. Digitalisierungsprozesse und die Weiter-
die interaktiv arbeiten, geben an, sehr häufig       Schritte ein. Wichtig ist hierbei die grundle-       entwicklung von KI-Anwendungen werden
oder oft unbezahlte Arbeit außerhalb ihrer nor-      gende Beteiligung von Beschäftigen insgesamt         weitreichende Folgen für die Gesellschaft und
malen Arbeitszeit für den Betrieb zu leisten.        bei der Beurteilung ihrer eigenen Arbeitsbedin-      die Arbeitswelt haben. Um diese Veränderungen
Unter den nicht interaktiv Arbeitenden liegt         gungen und ihre Einschätzung auf die Auswir-         sozial, menschengerecht und gemeinwohlori-
dieser Anteil mit 11 % niedriger. Sie sind außer-    kungen der Dienstleistungsqualität. Nur wenn         entiert, und das heißt für ver.di selbstverständ-
dem der Anforderung einer ständigen Erreich-         die Beschäftigten systematisch, und das heißt        lich unter Wahrnehmung der Interessen der Be-
barkeit im höheren Maße ausgesetzt (25 % zu          auch bei der Entwicklung von Lösungen, zu-           schäftigten, zu gestalten, sind Gute Arbeit als
18 %).                                               sammen mit den betrieblichen Interessensver-         Leitidee, Gemeinwohl als Maßstab, Technikfol-
                                                     tretungen einbezogen werden, lassen sich             genabschätzungen als Pflichtprogramm und
Auf der Basis eines insgesamt hohen Stresslevels     schlechtere Arbeitsbedingungen verhindern.           Vernunft als Grundlage unabdingbar. Niemals
im Dienstleistungssektor wurden Unterschiede         Dies gilt auch für die Einführung und Anwen-         darf es so weit kommen, dass wir der Technik
zwischen den Angaben von Beschäftigten mit           dung digitaler Techniken.                            einen Subjektstatus zumessen, und auf jeden
und ohne Interaktionsarbeit verdeutlicht: Die                                                             Fall sollten wir Interaktionsarbeit – die Arbeit
Anteile derjenigen, die von (sehr) häufigen un-      Dass der Einsatz von Technologien nicht einer        von Menschen mit Menschen – auch begrifflich
erwünschten Arbeitsunterbrechungen und               Logik der Technik folgen darf, sondern im Sinne      von der Arbeit mit Rechnern und digitalen Ver-
Arbeitshetze berichten, sind bei interaktiv Ar-      der Menschen und das heißt insbesondere auch         fahren unterscheiden. In diesem Sinne entwi-
beitenden höher als bei nicht interaktiv Arbei-      der Beschäftigten gestaltet werden muss, zeigen      ckelt ver.di Diskussions- und Positionspapiere,
tenden. Zugleich erweisen sich auch die damit        auch die Erfahrungen in der Umstellung der           Leitlinien, Handreichungen und Empfehlungen
verbundenen Belastungen als höher. Zudem             Kommunikation während der Corona-Pandemie:           zum Thema Digitalisierung 3.
wurde festgestellt, dass Interaktionsarbeit          So bedeutet der Wechsel der Kommunikation
                                                                                                          1
                                                                                                              https://innovation-gute-arbeit.verdi.de/themen/interaktions-
gleichzeitig oft von körperlich schwerer Arbeit      auf digitale Mittel für viele Beschäftigte mit In-       arbeit, zuletzt abgerufen am 01.02.2022.
oder von Arbeit in ungünstiger Körperhaltung         teraktionsarbeit keine Arbeitserleichterung. Ein     2
                                                                                                              https://www.verdi-gefaehrdungsbeurteilung.de/page.php?view
                                                                                                              =&lang=1&si=6202771c49169&k1=main&k2=strategieak-
begleitet ist. 55 % der Beschäftigten mit Inter-     Drittel nahm dabei eine Zunahme der Belastung            teure&k3=interaktionsarbeit&k4=, zuletzt abgerufen am
aktionsarbeit geben an, dass sie sehr häufig         wahr. 54% sahen keine Veränderung und ledig-             01.02.2022.
                                                                                                          3
                                                                                                              https://innovation-gute-arbeit.verdi.de/themen/digitale-
oder oft bei ihrer Arbeit eine ungünstige Kör-       lich 13 % spürten Entlastungen. Bei der Digita-          arbeit/beschluesse-und-positionen, zuletzt abgerufen am
perhaltung einnehmen müssen (ver.di, 2019).          lisierung von Kommunikation bei der Arbeit mit           01.02.2022.

                                                                                                          Literatur
                                                                                                          ver.di (Hrsg., 2011). Arbeitsberichterstattung aus Sicht der Be-
                                                                                                            schäftigten. Nr. 2 „Arbeit mit Kunden, Patienten, Klienten“.
                                                                                                            Berlin: ver.di.
                                                                                                          ver.di (Hrsg., 2018). Arbeiten mit Menschen – Interaktionsarbeit
                                                                                                            humanisieren. Band 1: Gestaltungskonzepte und Forschungs-
                                                                                                            bedarf. Frankfurt am Main: Bund-Verlag.
                                                                                                          ver.di (Hrsg., 2019). Arbeiten mit Menschen – Interaktionsarbeit.
                                                                                                            Eine Sonderauswertung auf Basis des DGB-Index Gute Arbeit
                                                                                                            2018 für den Dienstleistungssektor. Berlin: ver.di.
                                                                                                          DGB (2021). DGB-Index Gute Arbeit – Jahresbericht 2021. Berlin:
                                                                                                            Institut DGB-Index Gute Arbeit.

præview Nr. 1 | 2022                                                                                                                                                     9
Bots & Co - Die Zukunft der Interaktionsarbeit? - Praeview
æ einführung

Gestaltung interaktiver Arbeit –
Der Förderschwerpunkt „Zukunft der Arbeit:
Arbeiten an und mit Menschen“
Jennifer Dopslaff, Alexander Lucumi

Technologische Wandlungsprozesse beeinflussen zunehmend unser aller Arbeitsalltag in unterschiedlicher
Form oder Tragweite. Unterstützende digitale Anwendungen, virtuelle Teammeetings oder hochkomplexe
Maschinen zählen in vielen Berufen und Branchen bereits zur geübten Normalität. Doch welche Rolle kann
Technisierung bei einer spezifischen Form von Erwerbsarbeit spielen, bei der insbesondere das menschliche
Miteinander den Kern der Arbeit darstellt? Wie können technische Hilfsmittel sinnstiftend und gesundheits-
förderlich eingesetzt werden, wenn diese Arbeit vor allem durch eine wechselseitige Kooperation, situatives
Handeln sowie durch den Umgang mit Emotionen geprägt ist?

Dabei ist zu beachten, dass interaktive Arbeit,    tion, Dienstleistung und Arbeit von morgen“         greifenden Rahmen stellt. Diese Rolle über-
also das menschliche Miteinander, z.B. mit         sowie des nachfolgenden Fachprogramms „Zu-          nimmt das wissenschaftliche Metaprojekt „In-
Kund*innen, Klient*innen oder Patient*innen,       kunft der Wertschöpfung – Forschung zu Pro-         teraktionsarbeit: Wirkungen und Gestaltung des
nicht immer messbar und nur schwer objekti-        duktion, Dienstleistung und Arbeit“ durchge-        technologischen Wandels (InWiGe)“, bestehend
vierbar ist. Dies wird beispielsweise im Dienst-   führt. Die Verbünde von „Zukunft der Arbeit:        aus der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und
leistungssektor sichtbar, denn Dienstleistungen    Arbeiten an und mit Menschen“ werden vom            Arbeitsmedizin (BAuA, Koordination) und dem
sind vor allem durch soziale Beziehungen ge-       BMBF gefördert und vom Europäischen Sozial-         Internationalen Institut für Empirische Sozial-
prägt und werden überwiegend an und mit            fonds (ESF) kofinanziert.                           ökonomie gGmbH (INIFES).
Menschen als interaktive Tätigkeiten erbracht.
Zu berücksichtigen sind hier sachbezogene und      In diesem Kontext entwickeln die Projekte über-     Einerseits soll auf Basis eigener Forschungsar-
personenbezogene Dienstleistungen, aber auch       tragbare Konzepte und Modelle, die die spezi-       beiten und im Kontext des Förderschwerpunkts
die innerbetriebliche soziale Interaktion am       fischen Anforderungen der Arbeit an und mit         ein Instrumentarium mit Lösungsansätzen zur
Arbeitsplatz wie zwischen Vorgesetzten und         Menschen im technologischen und digitalen           Analyse und Gestaltung von Interaktionsarbeit
Kolleg*innen. Infolge des Anstiegs hybrider        Wandel abbilden sollen. Dabei werden drei the-      entwickelt sowie für die Praxis aufbereitet wer-
Wertschöpfungssysteme werden Kund*innen,           matische Forschungs- und Entwicklungsberei-         den. Andererseits soll durch die Begleitung der
Klient*innen und Patient*innen zudem verstärkt     che, je in unterschiedlicher Ausprägung, von        18 Verbundprojekte eine Vernetzung, Integra-
in den Arbeitsprozess von Dienstleistungen ein-    jedem Verbund übergeordnet bearbeitet:              tion und Generalisierung der Erkenntnisse aus
bezogen, wodurch sich wiederum auch weiter-        æ Methoden und Instrumente für die Arbeit an        verschiedenen Branchen entstehen. Dies soll
führende Veränderungen für Arbeitsaufgaben,           und mit Menschen im digitalen Wandel,            insgesamt die langfristige Anschlussfähigkeit
Qualifikationen und Berufsbilder ergeben.          æ Gestaltung und prozessbegleitende Analyse         des Themas „Arbeiten an und mit Menschen“
                                                      von Geschäftsmodellen der interaktiven Ar-       auch über den Förderschwerpunkt hinaus in
Insgesamt wird ersichtlich, dass die Herausfor-       beit,                                            wissenschaftlichen, praktischen und gesell-
derungen technologischer Veränderungen für         æ neue Formen der Organisation innerbetrieb-        schaftlichen Kontexten ermöglichen.
die Arbeit an und mit Menschen einer beson-           licher Zusammenarbeit und Führung.
deren Betrachtung bedürfen. Pilothafte Erpro-                                                          Die Vernetzung der Verbundprojekte im Förder-
bungen mit praxisorientierten Handlungsemp-        Die einzelnen Forschungsverbünde aus Wissen-        schwerpunkt erfolgt dabei neben verschiedenen
fehlungen können dabei als eine unterstützende     schaft, Praxis und Sozialpartnern betrachten        Veranstaltungs- und Publikationsformaten ins-
Maßnahme verstanden werden.                        unternehmensbezogene, vorwettbewerbliche            besondere durch die Konzeption von drei the-
                                                   Anwendungsfälle aus verschiedenen Berufs-           matischen Fokusgruppen, in denen Vertreter*in-
Seit 2019 setzen sich deshalb 18 verschiedene      gruppen und Branchen. Um nur auszugsweise           nen der Verbundprojekte zu folgenden Themen
Verbundprojekte im Förderschwerpunkt „Zu-          ein paar Beispiele zu nennen: Das Spektrum der      gemeinsam im Austausch stehen und Gestal-
kunft der Arbeit: Arbeiten an und mit Men-         einzelnen Bereiche reicht von Anwendungssze-        tungskonzepte interaktiver Arbeit aus interdis-
schen“ des Bundesministeriums für Bildung und      narien innerhalb der Pflege und im Kundenser-       ziplinären Blickwinkeln erarbeiten:
Forschung (BMBF) mit dieser Thematik intensiv      vice bis hin zum produzierenden Gewerbe und         æ Fokusgruppe 1: Direkte Interaktion zwischen
auseinander.                                       technischen Dienstleistungen.                          Dienstleistungsgeber*innen und Dienstleis-
                                                                                                          tungsnehmer*innen,
Der Förderschwerpunkt wird im Rahmen der           Neben den 18 Verbundprojekten wird zudem            æ Fokusgruppe 2: Zwischenbetriebliche Inter-
Programmlinie „Zukunft der Arbeit“ als Teil des    ein wissenschaftliches Projekt gefördert, das die      aktionsarbeit – Zusammenarbeit von Dienst-
Dachprogramms „Innovationen für die Produk-        Ergebnisse der Verbundprojekte in einen über-          leister*innen,

10
æ Fokusgruppe 3: Die Bedeutung von Kompe-
  tenzentwicklung und Führung für die Inter-
  aktionsarbeit – die innerbetriebliche Perspek-
  tive.

Seit dem Start im Oktober 2020 ist die inhaltli-
che Fokusgruppenarbeit vor allem durch zahl-
reiche Diskussionen und verschiedene Formate
der interdisziplinären Zusammenarbeit geprägt
                                                     Jennifer Dopslaff, Alexander Lucumi
gewesen. Inspiriert von den Gesprächen inner-
halb der Fokusgruppenarbeit ist die vorliegende
Publikation als ein erstes Ergebnis der Fokus-
gruppe 1 zu verstehen. Hierbei ist jedoch an-        Die Autor*innen
zumerken, dass sich die darin enthaltenen            Jennifer Dopslaff, M.A. Soz., ist Projektbevoll-
Beiträge nicht nur auf die Fokusgruppenteil-         mächtigte beim Projektträger Karlsruhe
nehmenden selber begrenzen. Vielmehr konnte          (PTKA) am Karlsruher Institut für Technologie
die Thematik bereits jetzt schon in diversen         (KIT). Im Rahmen ihrer Tätigkeit beim PTKA ist
Kontexten ein den Förderschwerpunkt über-            sie u.a. verantwortlich für den Förderschwer-
greifendes Interesse auch über die Arbeitsfor-       punkt „Zukunft der Arbeit: Arbeiten an und
schungscommunity hinaus wecken. Beispiels-           mit Menschen“ des Bundesministeriums für
weise ließen sich thematische Verknüpfungen          Bildung und Forschung (BMBF).
mit einem weiteren wissenschaftlichen Projekt
„Begleitforschung Personennahe Dienstleistun-        Dr.-Ing. Alexander Lucumi ist Leiter der Abtei-
gen (BeDien)“ aus dem Förderschwerpunkt „Per-        lung „Innovationen für die Arbeit“ beim Pro-
sonennahe Dienstleistungen“ (ebenfalls aus dem       jektträger Karlsruhe (PTKA) am Karlsruher In-
bereits genannten Dachprogramm des BMBF)             stitut für Technologie (KIT) und beschäftigt
herstellen. Hierbei wurden und werden vor allem      sich mit der Betreuung des Fachprogramms
Schnittmengen bezüglich der Thematik „Arbei-         „Zukunft der Wertschöpfung. Forschung zur
ten an und mit Menschen“ aus der Perspektive         Produktion, Dienstleistung und Arbeit“ aus
der Dienstleistungs- und Arbeitswissenschaften       Sicht der Arbeitsforschung und im Auftrag
identifiziert, diskutiert und gegenseitige Impulse   des Bundesministeriums für Bildung und For-
für die weitere Forschungsarbeit entwickelt.         schung (BMBF).

Die vorliegende Zeitschriftenausgabe kann so-
mit neben den beschriebenen diversen Arbeits-
und Vernetzungskonzepten innerhalb des För-
derschwerpunkts als ein Ergebnisbeitrag zur Er-
höhung der Breitenwirksamkeit der Thematik
verstanden werden. Es soll einen anschaulichen
Überblick über entsprechende Chancen und Ri-
siken interaktiver Arbeit im technologischen
und demografischen Wandel geben und ebenso
das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer
zukunftsorientierten Arbeitsgestaltung stärken.

Wir danken allen, die sich in die Erstellung der
Publikation eingebracht haben und wünschen
den Leser*innen zahlreiche inspirierende Im-
pulse sowie neue Denkansätze für die Gestal-
tung von Interaktionsarbeit.

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æ einführung

Interaktionsarbeit im Kontext des digitalen Wandels:
Herausforderungen für den Arbeitsschutz
Beate Beermann, Armin Windel

Der immer häufiger werdende Einsatz digitaler Technologien in Organisa-                                  rauf hin, dass sich der Einsatz digitaler Techno-
                                                                                                         logien bei Erwerbstätigen, die mit Menschen
tionen führt zu Veränderungsprozessen, die die gegenwärtige Arbeitswelt
                                                                                                         arbeiten, nicht wesentlich von den Befragten
nachhaltig beeinflussen. Diese Entwicklung betrifft in unterschiedlichem                                 anderer Branchen unterschied (ebd.). Aus Sicht
                                                                                                         des Arbeitsschutzes müssen neue Anforderun-
Ausmaß und Tempo alle Branchen, Tätigkeiten und Formen der Erwerbs-
                                                                                                         gen identifiziert und bei arbeitsgestalterischen
arbeit – so auch die Interaktionsarbeit.                                                                 Maßnahmen berücksichtigt werden, um Fehl-
                                                                                                         beanspruchung zu vermeiden und zum Erhalt
Es ist zu erwarten, dass sich sowohl das Ausmaß       tergrund einer digitaler werdenden Arbeitswelt?    der Gesundheit von Beschäftigten beizutragen.
als auch das Erscheinungsbild dieser besonderen       Welche neuen oder veränderten Anforderungen        Auch der Förderschwerpunkt, mit dessen Arbeit
Form der Erwerbsarbeit unter den Einflüssen           stellt die zunehmende Interaktion mit Maschi-      sich dieses Heft auseinandersetzt, will dazu bei-
einer stetig digitaler werdenden Arbeitswelt          nen oder anderen technischen Lösungen? In          tragen, Erkenntnisse zur menschengerechten
verändern wird. Konkret manifestiert sich die         welchem Zusammenhang stehen digitale Tech-         Gestaltung von Interaktionsarbeit zu generieren.
Entwicklung darin, dass die klassische Interak-       nologien mit arbeitsbedingten Belastungen, Be-
tionsarbeit, wie sie zwischen Dienstleistenden        anspruchungen und Beanspruchungsfolgen?            Der Förderschwerpunkt und
und Kund*innen, Patient*innen und Klient*innen        Wie kann Interaktionsarbeit angesichts der Ein-    das Projekt InWiGe
stattfindet, mehr und mehr durch verschiedene         flüsse von Digitalisierung menschengerecht und     Um das Verständnis von Interaktionsarbeit im
technische Lösungen (z.B. Chatbots, Sprachas-         gesundheitsförderlich gestaltet werden?            Kontext des digitalen Wandels zu erforschen,
sistenten und Bestellterminals) ergänzt (oder                                                            hat das Bundesministerium für Bildung und
gar ersetzt) wird. So tritt als Interaktionspart-     Erste Einsichten zu jenen Fragestellungen gibt     Forschung den Förderschwerpunkt „Zukunft der
ner*in nicht mehr nur ein Mensch, sondern             die DiWaBe-Befragung (Digitalisierung und          Arbeit: Arbeiten an und mit Menschen“ ins Le-
immer häufiger auch eine Maschine in Erschei-         Wandel der Beschäftigung). Die Befragung zielte    ben gerufen. Einerseits sollen wissenschaftliche
nung. In diesem Kontext entstehen neue Po-            darauf ab, die Auswirkungen der digitalen Trans-   Erkenntnisse generiert werden, die dann ande-
tenziale, die die Arbeit von Beschäftigten in         formation zu erheben und wurde 2019 gemein-        rerseits dafür genutzt werden sollen, Gestal-
personenbezogenen Dienstleistungsberufen              sam von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz        tungsempfehlungen für die betriebliche Praxis
durch Technikeinsatz verändern. Dabei ergeben         und Arbeitsmedizin, dem Bundesinstitut für Be-     zu entwickeln. Die Vielfalt der Interaktionsarbeit
sich sowohl Chancen als auch Risiken; Chancen         rufsbildung und weiteren Partner*innen durch-      spiegelt sich dabei in den 19 beteiligten Pro-
vor allem dort, wo es z.B. um die Reduzierung         geführt. Befragt wurden hierbei annähernd          jekten wider, die verschiedensten Fragestellun-
physischer Belastungen oder um die Erleichte-         7.500 Erwerbstätige aus 2.000 deutschen Pro-       gen in unterschiedlichen Berufen, Organisatio-
rung von komplexen Arbeitsprozessen geht. Ri-         duktions- und Dienstleistungsbetrieben. Ge-        nen und Branchen nachgehen, wie dieses Heft
siken werden dagegen beispielsweise im Hinblick       nerell verweisen die Daten auf eine hohe Tech-     verdeutlicht.
auf die Frage der kognitiven Überforderung (z.B.      nologienutzung und einen wachsenden Digi-
durch eine höhere Technikaffinität der Beschäf-       talisierungsgrad in personenbezogenen Tä-          Unser Projekt „Interaktionsarbeit: Wirkungen
tigten) diskutiert (Meyer et al., 2019). In Zukunft   tigkeiten. So gaben 89 % der Befragten, die mit    und Gestaltung des technologischen Wandels
bedarf es daher einer tiefergreifenden wissen-        Menschen arbeiten, an, bei der Ausübung ihrer      (InWiGe)“ hat dabei eine Doppelrolle: Neben
schaftlichen Auseinandersetzung mit den Ein-          Tätigkeit häufig oder immer Informations-          unseren eigenen Forschungsarbeiten unterstüt-
flüssen des digitalen Wandels auf die zu leis-        und Kommunikationstechnologien zu nutzen           zen wir den Förderschwerpunkt, tragen zu seiner
tende Interaktionsarbeit. Im Zentrum der Be-          (Schlicht et al., 2020). Zugleich ergaben sich     Vernetzung bei und machen die erarbeiteten
trachtung sollten hierbei vor allem konkrete          damit neue Anforderungen an die Technikbe-         Ergebnisse für verschiedene Zielgruppen zu-
Gestaltungsmaßnahmen stehen, um im Sinne              herrschung und Technikaffinität der Beschäf-       gänglich. Der Bundesanstalt für Arbeitsschutz
einer prospektiven Arbeitsgestaltung mögliche         tigten. Während technologische Lösungen wie        und Arbeitsmedizin ist es dabei ein Anliegen,
Risiken schon in ihrer Entstehung zu verhindern.      Desktop-PC, Laptop und Smartphone weitge-          das vorhandene Wissen und die neuen Erkennt-
                                                      hend bei den Erwerbstätigen mit personenbe-        nisse der Verbundprojekte aufzubereiten und
Die menschengerechte Gestaltung                       zogener Tätigkeit verbreitet waren, kamen ver-     zu systematisieren. Ein besonderer Fokus unserer
von Interaktionsarbeit im Kontext                     netzende Technologien weniger zum Einsatz          Arbeit liegt dabei auf dem Themenfeld des Ar-
des digitalen Wandels                                 (ebd.). Zudem zeigt die Befragung, dass fast       beitsschutzes, das wir auch in unsere eigene
Aus Perspektive des Arbeitsschutzes treten der-       jede*r fünfte Erwerbstätige mit personenbezo-      empirische Studie integriert haben. Basierend
zeit zunehmend neue Fragestellungen und               gener Tätigkeit angab, immer oder häufig mit       auf einem tätigkeitsbezogenen Beobachtungs-
Herausforderungen in den Vordergrund: Wie             Störungen bei der Anwendung von Informati-         fokus erforschen wir über verschiedene Be-
verändern sich das Ausmaß und das Erschei-            ons- und Kommunikationstechnik konfrontiert        schäftigtengruppen und Branchen hinweg die
nungsbild von Interaktionsarbeit vor dem Hin-         zu sein (ebd.). Insgesamt deuten die Daten da-     Entstehung und Wirkung von Arbeitsbedingun-

12
Beate Beermann, Armin Windel

gen in der Interaktionsarbeit im Kontext des                           Die Autor*innen
digitalen Wandels. Denn dieses Verständnisses                          Dir'in und Prof'in Dr. Beate Beermann ist
bedarf es, um Implikationen für den Schutz der                         Vizepräsidentin der Bundesanstalt für
Beschäftigen, die Interaktionsarbeit leisten, ab-                      Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin und leitet
zuleiten. Unser Projekt InWiGe wie auch der                            das Metaprojekt InWiGe.
Förderschwerpunkt „Arbeiten an und mit Men-
schen“ möchten zu einer menschengerechten                              Dir. und Prof. Dr. Armin Windel ist Leiter der
und gesundheitsförderlichen Arbeitsgestaltung                          Stabstelle Internationales, wissenschaftliche
für Beschäftigte, die an und mit Menschen ar-                          Kooperationen der Bundesanstalt für Arbeits-
beiten, beitragen. Wir hoffen zudem, dass da-                          schutz und Arbeitsmedizin und begleitet das
durch die besonderen Anforderungen der In-                             Metaprojekt InWiGe in seiner Rolle als Pro-
teraktionsarbeit sichtbarer werden, und zwar                           jektleiter.
sowohl in der wissenschaftlichen als auch der
gesellschaftlichen Debatte.

Fazit
Der digitale Wandel verändert die Art und
Weise, wie Interaktionsarbeit geleistet wird. Wie
immer birgt auch diese Veränderung Chancen
wie Risiken. Um diese zu identifizieren, zu ana-
lysieren und deren Implikationen – insbesondere
im Hinblick auf den Arbeitsschutz – abzuleiten,
gilt es, das Themenfeld der Interaktionsarbeit
in seiner großen Heterogenität weiter zu erfor-
schen. Auch wenn bestehende Erkenntnisse da-
rauf verweisen, dass es nur schwer möglich ist,
Interaktionsarbeit durch Technik zu ersetzen
und gleichzeitig eine hohe Zufriedenheit der
Beschäftigten und Kund*innen zu gewährleisten
(Böhle, 2011), wird der Wandel der (Interakti-
ons-)Arbeit weiter voranschreiten. Daher ist es
wichtig, etwaige neue Anforderungen an die
Beschäftigten – beispielsweise die Interaktion
mit Maschinen oder anderen technischen Lö-
sungen – zu beobachten, zu kartieren und zu
analysieren. Die gewonnenen arbeitswissen-
schaftlichen Erkenntnisse sollten dann in kon-
krete Gestaltungsempfehlungen übersetzt wer-
den, um den Schutz der Beschäftigten, die an
und mit Menschen arbeiten, zu gewährleisten.

Literatur
Böhle, F. (2011). Interaktionsarbeit als wichtige Arbeitstätigkeit
  im Dienstleistungssektor. WSI-Mitteilungen, 64(9), S. 456-461.
Meyer, S.-C., Tisch, A. & Hünefeld, L. (2019). Arbeitsintensivierung
  und Handlungsspielraum in digitalisierten Arbeitswelten –
  Herausforderung für das Wohlbefinden von Beschäftigten?
  Industrielle Beziehungen. Zeitschrift für Arbeit, Organisation
  und Management, 2/2019, S. 207-231.
Schlicht, L., Melzer, M. & Rösler, U. (2020). Personenbezogene
  Tätigkeiten im digitalen Wandel: Arbeitsmerkmale und Tech-
  nologieeinsatz. Dortmund: BAuA.

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æ menschliche versus „maschinelle“ interaktionsarbeit

Mensch, Maschine! Die Herausforderungen
der Mensch-Maschine-Interaktion
Christopher Zirnig

Aufgrund der potenziellen positiven Folgen der Digitalisierung für Effizienz und Wirtschaftlichkeit
liegt der Fokus der Forschung häufig überwiegend auf der technischen Entwicklung teilautonomer
Systeme, wie beispielsweise Cyber-Physical Systems (CPS) oder dem Internet der Dinge. Dabei besteht
die Gefahr, an der Realität vorbei zu forschen. Die eigentliche Herausforderung im Arbeitsalltag
besteht nämlich darin, die erfolgreiche Zusammenführung von Mensch und Maschine, auch Human-
Computer Interaction (HCI) genannt, zu meistern. Neue Technologien in bestehende Arbeitsprozesse
zu implementieren, ist also die drängendere Frage als die technische Entwicklung selbst. Besonders
die Akzeptanz neuer Technologien durch die Arbeitnehmer*innen ist dabei entscheidend. Der Erfolg
intelligenter und teilautomatisierter Technik wird hauptsächlich davon abhängen, Mensch-Maschine-
Interaktionen gut zu gestalten und für eine effiziente Zusammenarbeit zwischen motivierten Mit-
arbeiter*innen und neuer Technik zu sorgen.

Mensch-Maschine-Schnittstellen
Um zu klären, was mit interaktiven Maschinen            Gesichtserkennung
gemeint ist, soll zunächst einmal der aktuelle         Bewegungssensorik
Stand der Mensch-Maschine-Schnittstellen dar-            Objekterkennung
gelegt werden. Dazu haben Ren und Bao (2020)                Texterkennung
einschlägige Literatur auf dem Gebiet unter-                Sprachausgabe
sucht und folgende Kategorien festgelegt:                   Spracheingabe
                                                                Wearables
Zuhören und Sprechen: Gemeint sind die Fä-          Cyber-Physical Systems
higkeiten eines Systems, „zuzuhören“ (also von                               nie       sehr selten    selten     teils/teils   häufig    sehr häufig
Menschen gesprochene Befehle zu verarbeiten)
und zu „sprechen“ (also Output in Form von        Die Nutzung interaktiver Mensch-Maschine-Schnittstellen
gesprochener, natürlicher Sprache zu geben),
um die auditiven Fähigkeiten des Menschen im      Die Grafik zeigt die Häufigkeit der Nutzung der    zeigen drei grundsätzliche Hürden bei der Ein-
Interaktionsprozess zu imitieren.                 unterschiedlichen Schnittstellen zwischen Men-     führung von Automatisierung:
                                                  schen und Maschinen in der Arbeitswelt in
Lesen und Schreiben: Eine weitere Form der        Deutschland (Zirnig & Jungtäubl 2021). Die         Prozessintegration: Trotz Change Manage-
Mensch-Maschine-Interaktion sind Schriftzei-      repräsentative Befragung, aus der die Grafik       ments und Prozessanalysen bleibt es immer eine
chen, wie das Lesen (Verarbeiten) und Schreiben   hervorging, hat 1.980 Beschäftigte aus ganz        Herausforderung, genau die Prozessänderungen
(Ausgeben) von Buchstaben. Interaktive Systeme    Deutschland und aus allen Branchen zur Grund-      herauszukristallisieren, die für die Mitarbei-
mit den Fähigkeiten des Lesens und Schreibens     lage. Alles in allem betrachtet macht die Grafik   ter*innen einen subjektiven Vorteil bieten. Nur
fallen in die Kategorie der natürlichen Sprach-   deutlich, dass die Nutzung von interaktiven        so kann aber sichergestellt werden, dass die au-
verarbeitung (NLP oder Natural Language Pro-      Schnittstellen in Deutschland noch nicht sehr      tomatisierte Unterstützung nicht abgelehnt
cessing).                                         weit verbreitet ist. Gefragt danach, wie häufig    wird und sich eingespielte Verhaltensweisen
                                                  es vorkommt, dass einzelne Schnittstellen be-      und Prozesse wieder durchsetzen.
Visueller Sinn: Beim maschinellen „Sehen“         nutzt werden, liegen alle abgefragten Szenarien
geht es darum, ein System dazu zu bringen, die    auf einer Antwortskala von „nie“ bis „sehr häu-    Akzeptanz: Die Änderung von Prozessen und
Umgebung optisch wahrzunehmen. Dies be-           fig“ zwischen den Antwortkategorien „sehr sel-     insbesondere die Nutzung unterstützender
deutet, dass eine Kamera Bilder erfasst und ein   ten“ und „selten“.                                 Technik kann an sehr vielen Details scheitern
Computer diese so verarbeitet, dass die Ma-                                                          und die Akzeptanz der Nutzer*innen einbüßen.
schine Funktionen simulieren kann, die das        Automatisierung und HCI                            Menschen finden zum Beispiel je individuelle
menschliche Sehsystem nachahmen (z.B. Bild-       Die Einführung neuer und insbesondere inter-       Wege, mit einem Arbeitsprozess umzugehen
erkennung, Objekterfassung, Bewegungserken-       aktiver Technologien in bestehende Arbeitspro-     und ihn auszuführen. Eine neue Technik kann
nung usw.).                                       zesse ist stets komplex. Klumpp et al. (2019)      zu einer Disruption dieser individuellen Heran-

14
gehensweisen führen und so zur unsichtbaren,       derungsprozesse zu planen und dabei das Au-
nicht messbaren Stressquelle werden. Unter-        genmerk vor allem auf die Schnittstellen zwi-
stützende Technik kann auch das professionelle     schen Technologie und Menschen zu legen,
Selbstbild stören, indem identitätsstiftende       denn an diesen Schnittstellen wird über Erfolg
Grundkompetenzen abgegeben werden sol-             und Misserfolg entschieden.
len/müssen.

Kompetenz: Neben Prozessintegration und Ak-
zeptanz ist die Kompetenz der Beschäftigten
ein weiteres wichtiges Element zur erfolgreichen
Einführung automatisierter Technik. Neue Tech-
nologien erfordern Aus- und Weiterbildung, die
wiederum Raum und Zeit in Anspruch nehmen.

Aufgrund dieser Hürden ist es stets wichtig,
Veränderungsprozesse vom Menschen und nicht
von der technischen Machbarkeit her zu denken.                                           Christopher Zirnig
Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen
Menschen und Maschinen macht Sheridan              Der Autor
(2016) eine Reihe von Vorschlägen. Klumpp et       Christopher Zirnig ist wissenschaftlicher Mit-
al. (2019) fassen diese Vorschläge wie folgt zu-   arbeiter des Lehrstuhls für Soziologie am In-
sammen:                                            stitut für Bildung, Arbeit und Gesellschaft der
                                                   Universität Hohenheim mit den Forschungs-
1. Aufgaben müssen klar zwischen Menschen          schwerpunkten Soziale Ungleichheit, Aus-
   und Technik aufgeteilt werden, d.h. bei der     und Weiterbildung und der Transformation
   Entwicklung des Systems muss explizit de-       von Arbeit.
   finiert werden, welche (Teil-)Aufgaben von
   Menschen und welche von Maschinen aus-
   geführt werden.
2. Die physische Ausgestaltung eines CPS ergibt    Literatur
                                                   Klumpp, M., Hesenius, M., Meyer, O., Ruiner, C. & Gruhn, V. (2019).
   sich direkt aus dessen Aufgabe. Deswegen          Production logistics and human-computer interaction – state-
   ist das Design eines physischen Systems von       of-the-art, challenges and requirements for the future. The
                                                     International Journal of Advanced Manufacturing Technology,
   Beginn an vom Arbeitsprozess her zu denken.       105, S. 3691-3709.
3. Schließlich brauchen die Nutzer*innen eine      Koo, J., Kwac, J., Ju, W., Steinert, M., Leifer, L. & Nass, C. (2015).
                                                     Why did my car just do that? Explaining semi-autonomous
   genaue Vorstellung der Fähigkeiten eines          driving actions to improve driver understanding, trust, and
   Systems und umgekehrt. Menschen fühlen            performance. International Journal on Interactive Design and
                                                     Manufacturing (IJIDeM), 9, S. 269-275.
   sich wohler, wenn (teil-)autonome Maschi-       Meyer, O., Hesenius, M., Gries, S., Wessling, F. & Gruhn, V. (2018).
   nen ihre Handlungen erklären (Koo et al.          A decentralized architecture and simple consensus algorithm
                                                     for autonomous agents. Proceedings of the 12th European
   2015) und ihre Absichten mitteilen (Meyer         Conference on Software Architecture: Companion Proceed-
   et al. 2018).                                     ings, 2018, S. 1-4.
                                                   Ren, F. & Bao, Y. (2020). A review on human-computer interaction
                                                     and intelligent robots. International Journal of Information
Fazit                                                Technology & Decision Making, 19, S. 5-47.
                                                   Sheridan, T. B. (2016). Human-robot interaction: status and chal-
Mensch-Maschine-Interaktionen setzen an allen        lenges. Human Factors, 58, S. 525-532.
Sinnen des Menschen an. Aus diesem Grunde          Zirnig, C. & Jungtäubl, M. (2021). Intelligente Technik – Schnitt-
                                                     stellen zwischen Mensch und Maschine. Universität Hohen-
haben sie das Potenzial, die erlebte Arbeitswelt     heim, Stuttgart: Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Touris-
der sie nutzenden Personen einschneidend zu          mus Baden-Württemberg.
verändern. Noch sind sie zwar kein flächende-
ckendes Phänomen in Deutschland, sie werden
aber aller Wahrscheinlichkeit nach in einigen
Branchen zunehmend an Bedeutung gewinnen.
Deswegen ist jetzt die Zeit, anstehende Verän-

præview Nr. 1 | 2022                                                                                                        15
æ menschliche versus „maschinelle“ interaktionsarbeit

Was wird aus der Interaktionsarbeit, wenn
der Interaktionspartner eine Maschine ist?
Fragen an ein soziologisches Konzept
Margit Weihrich

Die Arbeit, die in Dienstleistungsbeziehungen mit Kontakt zu Kund*innen                               spruchsvolle Angelegenheit: Man muss aushan-
                                                                                                      deln, wie das Dienstleistungsergebnis aussehen
oder Patient*innen geleistet wird, ist etwas Besonderes: Sie ist im Kern                              und auf welchem Weg es erstellt werden soll;
Interaktionsarbeit. Um diese Art von Arbeit theoretisch erfassen und em-                              beide Parteien müssen aktive Beiträge leisten;
                                                                                                      man muss mit Konflikten umgehen können.
pirisch untersuchen zu können, wurde schon vor längerer Zeit – und in                                 Was geschieht nun aber, wenn Kund*innen auf
verschiedenen Ausbaustufen – das Konzept der Interaktionsarbeit entwi-                                Maschinen treffen? Maschinen führen das aus,
                                                                                                      was sie ausführen können; sie geben vor, wie
ckelt (Böhle & Weihrich, 2020).                                                                       die Dienstleistung aussieht und was ihr Gegen-
                                                                                                      über zu tun hat. Informationen können sie ver-
Beschäftigte in der Dienstleistung haben es –       „Dienstleistern“ zu tun, wenn auch nicht mit      mitteln – aber das, was Interaktionsarbeit aus-
anders als in der industriellen Produktion – mit    solchen aus Fleisch und Blut. Das geht los beim   macht, können sie nicht: Bedürfnisse erkennen,
besonderen „Arbeitsgegenständen“ zu tun: mit        analogen Einkaufswagen, der unsere Waren          Kompromisse machen, Vertrauen aufbauen und
Menschen, die (im Gegensatz zu Maschinen            trägt, die wir selbst eingesammelt haben; wir     Konflikte schlichten. Die Kund*innen müssen
oder Werkstücken) eigene Interessen und Be-         müssen ihn nur vorher mit einem Chip aus sei-     die vorgegebenen Bedingungen akzeptieren,
dürfnisse haben und oft genug auch eine eigene      ner Ankettung befreien. Der Einkauf endet neu-    wenn sie eine Dienstleistung erhalten wollen.
Vorstellung davon, auf welche Weise eine            erdings oftmals in der Begegnung mit einer        Oder ist das dann vielleicht gar keine Dienst-
Dienstleistung erbracht werden soll.                digitalen Self-Scanner-Kasse, die uns nun an-     leistung mehr?
                                                    befiehlt, für den Bezahlvorgang bestimmte Ak-
Was aber, wenn man nun aus der Perspektive          tionen auszuführen.                               Emotionsarbeit: Das Konzept besagt, dass
des*der Kund*in auf diese Beziehung blickt –                                                          Dienstleistende ihre eigenen Emotionen bear-
und dort an der Stelle des*der Dienstleister*in     Arbeitende Kund*innen checken im Hotel über       beiten müssen. Sie müssen zum Beispiel ihren
auf keinen lebendigen Menschen trifft, sondern      einen Code ein, vereinbaren Termine mit der       Ärger oder ihre Ungeduld im Zaum halten. Wir
auf ein technisches Artefakt?                       Verwaltung über Internetportale, bestellen im     können es hier kurz machen: Maschinen haben
                                                    Webshop und teilen einem Chatbot mit, wie         keine Emotionen und müssen die entsprechende
Wir stellen hier die Frage, was man sieht, wenn     zufrieden sie mit einer bestimmten Dienstleis-    Arbeit daher nicht leisten. Sie haben auch keine
man das Konzept der Interaktionsarbeit auf eine     tung waren. Sie ärgern sich, wenn sie in Reak-    Probleme damit, die Gefühlsregeln einzuhalten,
solche Beziehung anwendet. Kann man in              tion auf eine Reklamation vorgefertigte Text-     die die Organisation vorschreibt – eine wichtige
Dienstleistungsbeziehungen, die zwischen Men-       bausteine geschickt bekommen, und sie be-         Anforderung an Dienstleistende, die die US-
schen und Maschinen ablaufen, überhaupt von         schimpfen dann auch schon mal das Compu-          amerikanische Soziologin Arlie Hochschild he-
Interaktionsarbeit sprechen? Und wenn nein:         terprogramm. Und immer wieder müssen sie          rausgearbeitet hat. Alexa zum Beispiel wird
Was wären die Folgen?                               sich menschliche Dienstleister*innen suchen,      freundlich bleiben, auch wenn sie beschimpft
                                                    die ihnen aus der Patsche helfen.                 wird, und das wird ihr nicht schwerfallen. Neu-
Es wird zunehmend dringlich, diese Fragen zu                                                          erdings gebietet sie auch Einhalt, wenn ein*e
beantworten, denn Dienstleistungsbeziehungen,       Auf den ersten Blick sieht es so aus, als würde   Nutzer*in die rote Linie erkennbar überschrei-
die zwischen Kund*innen und Maschinen statt-        hier Interaktionsarbeit geleistet – oder doch     tet – darüber empören wird sie sich nicht.
finden, kennzeichnen unseren Dienstleistungs-       nicht? Oder nur von einer Partei? Was sieht
alltag schon lange – und tun das immer mehr.        man also, wenn man solche Dienstleistungen        Gefühlsarbeit: Zur Interaktionsarbeit gehört
Der „arbeitende Kunde“ (Voß & Rieder, 2005),        vor dem Hintergrund des Konzepts der Inter-       auch die Arbeit an den Gefühlen anderer. Pfle-
ist längst ein tragender Teil unserer Dienstleis-   aktionsarbeit betrachtet?                         gekräfte beruhigen Patient*innen vor einer Ope-
tungsgesellschaft geworden. Als Kund*innen                                                            ration, im Einzelhandel wird ein Einkaufserlebnis
machen wir vieles von dem, wofür früher Be-         Das Konzept der Interaktionsarbeit benennt vier   für die Kundschaft geschaffen und dort, wo
schäftigte zuständig gewesen sind, nun selbst:      Dimensionen, die die Arbeit an und mit Men-       Kontrolle zur Dienstleistung dazugehört, können
Wir bedienen uns selbst, wir beraten uns selbst,    schen kennzeichnen. Sie beziehen sich auf das,    Dienstleister*innen auch Strenge zeigen. Ma-
wir verwalten uns selbst und wir qualifizieren      was die Beschäftigten tun – aber auch die         schinen können Gefühle signalisieren und aus-
uns auch selbst für all das.                        Kund*innen spielen hierbei eine aktive Rolle.     lösen, und sie können inzwischen auch Gefühle
                                                                                                      erkennen – was aber bedeutet es für die Ge-
Und doch ist diese Beschreibung nicht ganz          Kooperationsarbeit: Beschäftigte und Kund-        fühlsarbeit, wenn sie selbst keine Gefühle ha-
richtig, denn der „arbeitende Kunde“ macht          *innen müssen zusammenarbeiten, um eine           ben? Arbeit ist es sicherlich nicht – aber Ma-
nicht alles selbst. Er hat es weiterhin mit         Dienstleistung zu realisieren. Das ist eine an-   schinen verfügen auch nicht über die Empathie,

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