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Anwalts 09 2021 ÖSTERREICHISCHES 417 – 484 blatt 433 ABHANDLUNGEN Berechtigung des § 153c StGB? Neuerungen in der Forderungsexekution durch die Gesamtreform des Exekutionsrechts (GREx) Zum neuen Staatsschutz- und Nachrichtendienst-Gesetz – SNG und zur Neufassung des § 112 a StPO Effektuierung der Fortbildungsverpflichtung 448 IM GESPRÄCH Mag. Petra Cernochova Vorsitzende des AK Berufsaus- und Fortbildung und VPräs Dr. Bernhard Fink – Lebenslanges Lernen 431 3 FRAGEN AN . . . Jorge Martí Moreno www.rechtsanwaelte.at Österreichische Post AG · MZ 02Z032542 M · Österreichischer Rechtsanwaltskammertag, Wollzeile 1 – 3, 1010 Wien · ISSN 1605-2544
Straube/Ratka/Rauter (Hrsg) Wiener Kommentar zum AUCH AUF GmbHG rdb.at Faszikelwerk in 4 Leinenmappen. Inkl. 133. Lieferung 2021. Im Abonnement zur Fortsetzung vorgemerkt. ISBN 978-3-214-18623-4 398,00 EUR inkl. MwSt. AKTUALISIERUNGEN 2021 Jetzt aktualisiert: Vereinfachte Gründung, Stammeinlagen, Aufsichtsrat Aktualisiert 2021: • §§ 9a-10a: Vereinfachte Gründung, Stammeinlagen • §§ 30g, 30k-36: Aufsichtsrat, Generalversammlung shop.manz.at
417 Editorial Die Stimme der Rechtsanwaltschaft I m Zeitraum Juni bis August 2021 hat der ÖRAK zu zahl- reichen Gesetzes- und Verordnungsvorlagen Stellung- nahmen abgegeben bzw Einladungen zur Begutachtung er- praxisnahe, fundierte Gesetzgebung und für unseren Rechtsstaat. Gleichzeitig lade ich alle Kolleginnen und Kol- legen ein, sich bei Interesse zur Begutachtung in bestimm- 2021/199 halten, darunter insb: ten Rechtsmaterien bei mir zu melden: wolff@oerak.at • Änderung des Unternehmensserviceportalgesetzes; Auch die Redaktion des Anwaltsblattes freut sich über • Änderungen des Vereinsgesetzes 2002 und des Waffenge- Ihre Beiträge und Abhandlungen. Reichen Sie diese unter setzes 1996; anwaltsblatt@oerak.at ein. • Verordnung über den Elektronischen Rechtsverkehr ua; Je breiter gefächert die Kommentare aus der Praxis sind, • Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz 2021: Neu daran desto lauter ist die Stimme der Rechtsanwaltschaft insge- die Formulierung statt wie bisher „Anstalt für geistig ab- samt. norme Rechtsbrecher“ nunmehr „forensisch-therapeuti- Von 24. bis 26. Juni fand der Anwaltstag 2021 in Ossiach sches Zentrum“; die freiheitsentziehende Maßnahme ist statt. Die Teilnahme war sowohl in Präsenz als auch via vom Gericht alljährlich (bisher) „zu prüfen“, nunmehr Live-Stream möglich. neu: „zu entscheiden“; die bedingte Nachsicht von vor- Mein Dank gilt allen Beteiligten, die mit der Vorberei- beugenden Maßnahmen (bisher § 45 StGB) entfällt; neu tung und Organisation des Anwaltstages beschäftigt waren. geregelt wurde das Verfahren zur Unterbringung in ei- Den Kärntner Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten nem forensisch-therapeutischen Zentrum (§§ 430 ff und ihrem Präsidenten Univ.-Prof. Dr. Gernot Murko dan- StPO) und Anstalten; ebenso neu im Strafvollzugsgesetz ke ich für die herzliche Gastfreundschaft und rege Teilnah- das vorläufige Absehen vom Vollzug der Unterbringung me. (§ 157 a) und Krisenintervention, Bewährungshilfe, Ent- Der Anwaltsakademie unter der Leitung von Mag. Ruth wöhnung (§ 157 a – k); neu auch Bestimmungen des Weixler danke ich für die digitale Aufbereitung der Veran- JGG und Strafregistergesetzes; staltung. • Erstes EU-Informationssysteme-Anpassungsgesetz; Noch nie hatte ein Anwaltstag so viele Teilnehmerinnen • WEG-Novelle 2022; und Teilnehmer – trotz (oder vielleicht sogar wegen) der • Verordnung, mit der die Anwendung der Kronzeugenre- nach wie vor herausfordernden und schwierigen Zeit, in gelung nach dem Wettbewerbsgesetz konkretisiert wird; der wir uns befinden. • Verordnung, mit der die Zustellung und Vollstreckung im Europäischen Wettbewerbsnetz konkretisiert wird; RUPERT WOLFF • Änderung des Bundesstatistikgesetzes und Forschungsor- Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages ganisationsgesetzes; (ÖRAK) • Zivilverfahrensnovelle 2021; • Umsetzung der RL zur Bekämpfung von Betrug und Fäl- schung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmit- teln. Ich möchte mich bei allen Kolleginnen und Kollegen be- danken, die ihre Expertise und Arbeitszeit zur Begutach- tung von RL-, Gesetzes- und Verordnungsentwürfen zur Verfügung stellen. Ich danke auch all jenen, die für den ÖRAK an den zahlreichen Arbeitsgruppen in Ministerien teilnehmen. Ihr Einsatz ist essentiell – für eine möglichst österreichisches anwaltsblatt 09_2021
418 Inhalt 09_2021 417 Editorial 433 ABHANDLUNGEN 447 SERVICE 419 Wichtige Informationen 420 Werbung & PR 434 Berechtigung des § 153 c StGB? 448 Im Gespräch 421 Recht kurz & bündig Johannes Derntl 453 Termine 425 Europarecht kurz & bündig 438 Neuerungen in der Forderungsexekution durch die 454 Chronik 427 Europa aktuell Gesamtreform des Exekutionsrechts (GREx) 460 Aus- und Fortbildung 431 3 Fragen an . . . Eric Heinke und Stefanie Hoffmann 468 Rezensionen 442 Zum neuen Staatsschutz- und Nachrichtendienst- Gesetz – SNG und zur Neufassung des § 112 a StPO Richard Soyer, Philip Marsch und Nikolai Schäffler 475 RECHTSPRECHUNG 443 Effektuierung der Fortbildungsverpflichtung Petra Cernochova 476 Außenauftritt und Werbung einer Rechtsanwalts-Gesell- schaft 477 Doppelvertretung 479 Zur Identifizierbarkeit von Testamentszeugen Jorge Martí Moreno © Uria Menendez Law Firm 482 Inserate 484 Indexzahlen AUTOREN DIESER AUSGABE: RA Dr. Manfred Ainedter, Wien RAA Ing. Mag. Niyazi Bahar, Wien em. RA Dr. Gerhard Benn-Ibler, Wien RA Dr. Michael Buresch, Wien RA Mag. Petra Cernochova, Wien Dr. Johannes Derntl, St. Pölten RA Mag. Franz Galla, Wien RA Ing. Dr. Wolfgang Gappmayer, LL.M., Wien RA Dr. Rainer Hable, MSc (LSE), Wien RA Dr. Eric Heinke, Wien RA Dr. Thomas Hofer-Zeni, Wien RAA Mag. Stefanie Hoffmann, Wien RA Dr. Wolfgang Kleibel, Salzburg RA Britta Kynast, ÖRAK Büro Brüssel em. RA Prof. Dr. Nikolaus Lehner, Wien RA Mag. Philip Marsch, Wien Mag. Christian Moser, ÖRAK RA Dr. Ullrich Saurer, Graz Mag. Nikolai Schäffler, Linz RA Univ.-Prof. Dr. Richard Soyer, Wien RA Mag. Ines Windisch, Wien RA Dr. Alexander Wittwer, LL.M., Dornbirn Mag. Rainer Wolfbauer, Wien RA Dr. Rupert Wolff, Salzburg 09_2021 österreichisches anwaltsblatt
419 Wichtige Informationen Verlängerung der Corona- (EU) 2019/1023 (RL über Restrukturierung und Insolvenz) CHRISTIAN MOSER (CM) Sonderregelungen in nationales Recht umgesetzt. ÖRAK, Juristischer Am 30. 6. 2021 wurden folgende befristete Sonderregelun- Hauptgesichtspunkt ist die Einführung eines auf drei Dienst gen, die in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie auf- Jahre verkürzten Abschöpfungsverfahrens, das – zunächst recht sind, erneut bis 31. 12. 2021 verlängert: für die kommenden fünf Jahre befristet – auch für Verbrau- • Die zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 cher zur Anwendung kommen soll. Die Anforderungen an geschaffenen Voraussetzungen, eine Briefwahl bzw Brief- die Redlichkeit des Schuldners werden beim vorzulegenden abstimmung zur Erledigung der der Plenarversammlung Tilgungsplan gegenüber dem Abschöpfungsplan im weiter- zugewiesenen Aufgaben auch dann anordnen zu können, hin bestehenden fünfjährigen Abschöpfungsverfahren ver- wenn die Geschäftsordnung der Rechtsanwaltskammer schärft. diese Möglichkeit bislang nicht oder nur eingeschränkt Weiters wird ein sogenanntes „präventives Restrukturie- eröffnet (Änderung der RAO und des DSt, BGBl I rungsverfahren“ eingeführt, das den Eintritt der Zahlungs- 2021/106). unfähigkeit vermeiden soll. Dazu kann bei drohender Insol- • Die Möglichkeit, bestimmte gerichtliche Anhörungen, venz ein individueller, auf das jeweilige Unternehmen zuge- mündliche Verhandlungen und Beweisaufnahmen unter schnittener Restrukturierungsplan vorgelegt werden, über Verwendung geeigneter Kommunikationsmittel zur den die Gläubigermehrheit bei Gericht abzustimmen hat. Wort- oder Bildübertragung durchzuführen (Änderung Im Gegensatz zu Insolvenzen müssen in diesem Fall also des 1. und 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetzes, BGBl I nicht alle Gläubiger einbezogen werden. 2021/106). Dies gilt auch für die Sonderbestimmungen Nach Abschluss des Begutachtungsverfahrens wurde in zu Verhandlungen und Versammlungen mittels Video- § 192 IO das Wort „Rekurses“ durch“ Revisionsrekurses“ technologie im Exekutions- und Insolvenzverfahren. Zu- ersetzt. Damit müssen Rechtsmittel, die von einer aner- dem werden Entscheidungen auf Gewährung von Unter- kannten Schuldenberatungsstelle erhoben werden, nicht haltsvorschuss noch bis Ende des Jahres gebührenfrei mehr mit der Unterschrift eines Rechtsanwalts versehen sein. sein. Ein Abänderungsantrag, um diese Aufweichung zu • Der Einsatz von Videotechnologie in Verwaltungsverfah- verhindern, blieb erfolglos. CM ren und bei Verwaltungsgerichten, wobei der Wahrung von Parteienrechten ein besonderes Augenmerk gewid- met ist. Zudem sollen Organe wie Gemeinderäte im Falle außergewöhnlicher Umstände weiterhin Beschlüsse per Videokonferenz bzw im Umlaufweg fassen dürfen. Ähn- Wissenschaftspreis liches gilt für den Ministerrat (Verlängerung des Verwal- des österreichischen Notariats 2022 tungsrechtlichen COVID-19-Begleitgesetzes und des CO- VID-19 Begleitgesetzes Vergabe, BGBl I 2021/107). CM Die Österreichische Notariatskammer unterstützt alle zwei Jahre eine hervor- Einheitswertanfragen über FinanzOnline ragende praxisbezogene wissenschaftliche Bei Einheitswertanfragen und Amtshilfeersuchen in Fi- Arbeit, die Recht ohne Streit durch Notars- nanzOnline wird der Bodenwert (soweit elektronisch er- tätigkeit fördert, mit einem Preis in der fasst) angezeigt bzw mitübermittelt. Eine diesbezügliche In- formation des BMF finden Sie auf www.rechtsanwaelte.at Höhe von 15.000,– Euro. im ÖRAK-Mitgliederbereich unter Informationen/Gebüh- ren und Steuern/Grunderwerbsteuer (GrESt). Trotz dieser Die Teilnahmebedingungen finden Sie Abfragemöglichkeit und Anzeige der Bodenwerte werden immer noch viele Eingaben als „Sonstiger Antrag/Kopie unter www.notar.at/wissenschaftspreis. von Einheitswertbescheiden/Bodenwertanfragen“ angelegt, die so nicht erforderlich wären. Das BMF bittet, von der Einsendeschluss 31. Jänner 2022 neuen Abfragemöglichkeit Gebrauch zu machen. CM Restrukturierungs- und Insolvenz- Richtlinie-Umsetzungsgesetz Mit dem am 26. 7. 2021 im BGBl I 2021/147 kundgemach- ten Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umset- zungsgesetz (RIRUG) werden die Bestimmungen der RL Ö Anwaltsblatt_76x115_sw.indd 1 29.07.2021 14:36:15 österreichisches anwaltsblatt 09_2021
420 Werbung & PR BESTELLFORMULAR BAUMWOLLTASCHE Preis €/Stk. Anzahl Gesamt WERBEARTIKEL Navy, 2-seitig „Immer an Ihrer Seite!“ sowie „Wir lassen Sie nicht hängen!“ mit Logo „Die österreichischen Rechtsanwältinnen“ bzw „Die österreichi- 6,00 schen Rechtsanwälte“, 35x39x13,5cm, Träger: 58cm, 100% Baumwolle MANNERSCHNITTEN Preis €/Stk. Anzahl Gesamt 2 knusprige Waffeln gefüllt mit Haselnusscreme mit beidseitiger Banderole „Bevor es Brösel gibt...“ und „Sollten Sie mal Brösel haben...“ mit R-Logo, 0,50 ca. 15 g BONBONS Füllmenge Preis €/Pkg. Anzahl Gesamt Bonbon in Wickler aus blauer Folie, Aufdruck „Fruchtgenuss“ mit R-Logo, Fruchtmix (Himbeere, Zitrone und Pfirsich) ½ kg 17,00 1 kg 32,00 METALLKUGELSCHREIBER 2IN1 Preis €/Stk. Anzahl Gesamt Stilvoller Metallkugelschreiber (blau) mit integriertem Textmarker (gelb) 3,00 2-in-1 KUGELSCHREIBER WEISS Preis €/Stk. Anzahl Gesamt Weiß mit Aufdruck 1,00 ANSTECKPIN „R“ Preis €/Stk. Anzahl Gesamt R-Logo ausgestanzt als Ansteck-Pin, 2,50 ø ca 15 mm LANYARD ZWEISEITIG Preis €/Stk. Anzahl Gesamt Blau-weiß, Karabiner, Logoaufdruck, L(ohne Karabiner)=44 cm Aufdruck blaue Seite „Wir sprechen für Ihr Recht“ 1,50 Aufdruck weiße Seite „www.rechtsanwaelte.at“ STOCKSCHIRM MIT HOLZGRIFF & KUNSTLEDERDETAIL Preis €/Stk. Anzahl Gesamt Stockschirm, marineblau, Fiberglas, teflonbeschichtet, mit Aufdruck 20,00 Ø 115 cm NOTIZBÜCHER Format Preis €/Pkg. Anzahl Gesamt 100 Blatt, Hardcover kratzfest laminiert, Kern kariert, gelocht und perforiert, mit Leseband und Kapitalband A5 8,90 A4 9,90 POST IT HAFTNOTIZBLOCK Preis €/Stk. Anzahl Gesamt Weiß, mit Aufdruck DIN A7, 50 Blatt 1,75 SCHREIBBLOCK Preis €/Stk. Anzahl Gesamt Weiß, mit Aufdruck DIN A4, 50 Blatt kopfgeleimt 2,00 AUFKLEBER Preis €/Stk. Anzahl Gesamt Logo Maße: 12 x 3 cm 1,00 USBSTICK Preis €/Stk. Anzahl Gesamt Sonderform R-Logo in 3D, 16 GB Datenvolumen, USB 2.0 7,50 GESAMT zuzüglich Spesen für Versand und Verpackung Preis € AUSFÜLLEN UND BESTELLEN Name bzw Firma: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Straße: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . PLZ/Ort:. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Datum: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterschrift:. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Retournieren Sie dieses Formular bitte an die RADOK GmbH per Fax an die Fax-Nummer 01 / 535 12 75-13 oder per E-Mail an bestellung@radok.at. RADOK Gesellschaft für Organisation, Dokumentation und Kommunikation Gesellschaft m.b.H., Wollzeile 1-3, 1010 Wien Preise Netto in Euro zzgl. USt. 09_2021 österreichisches anwaltsblatt
421 Recht kurz & bündig Diese Ausgabe von Art 58 UMV sämtliche Gewinne, Verluste und Entnahmen auf dem Ka- „Recht kurz & bündig“ pitalkonto II verbucht werden. entstand unter 2021/200 Mitwirkung von 7. Die Verbuchung von Verlusten auf einem Konto zusam- Zum Verfall einer Unionsmarke nach Art 58 Abs 1 lit c men mit der Verbuchung von entnahmefähigen und nicht ULLRICH SAURER (US) Rechtsanwalt UMV entnahmefähigen Gewinnen wirft eine eigenkapitalbezoge- 1. Für den Verfall einer Unionsmarke nach Art 58 Abs 1 ne Problematik auf. Die Folge ist, dass dem Kommanditis- MANFRED AINEDTER (MA) lit c UMV ist ausschlaggebend, ob eine Unionsmarke allein ten auch bei einem positiven Saldo kein unmittelbares For- Rechtsanwalt durch ihre Verwendung zu einer Irreführung des Publi- derungsrecht zukommt. Es ist ein den Entnahmebeschrän- FRANZ GALLA (FG) kums führen kann. kungen des § 122 UGB unterliegender Gesellschafterbe- Rechtsanwalt 2. Insbesondere wird berücksichtigt, ob das Publikum über schluss notwendig. die Art, die Beschaffenheit oder die geografische Herkunft 8. Für den Charakter einer Forderung kann ebenfalls eine in die Irre geführt wird. feste Verzinsung auf dem Kapitalkonto II ausgewiesener 3. Die Eignung zur Irreführung hat sich auf die Merkmale Beträge sowie die Befugnis, das Guthaben jederzeit oder und die Eigenschaften der gekennzeichneten Ware oder nach Kündigung abzuheben, sprechen. Dienstleistung zu beziehen. OGH 15. 3. 2021, 6 Ob 254/20 a JusGuide 2021/20/ 4. Das zuvor Genannte gilt ebenfalls für eine Traditionsan- 19461. US gabe in der Unionsmarke, welche nachträglich zu Fehlvor- stellungen über bestimmte Qualitätsmerkmale führt. Die Ir- reführung wird in einem solchen Fall allein durch die Be- §§ 10, 10 a, 52 MarkSchG; § 1 UWG; Art 9 UMV nutzung der Marke als solche herbeigeführt. 2021/202 OGH 15. 3. 2021, 4 Ob 221/20 h JusGuide 2021/2/ 19462. US Zum markenrechtlichen Anspruch auf Löschung einer Domain 1. Als Rechtsgrundlage für einen markenrechtlichen Lö- §§ 109, 122 UGB schungsanspruch einer Domain kann § 52 MarkSchG he- rangezogen werden. 2021/201 2. Dieser Anspruch auf Löschung wurde in der früheren Zum Rechtscharakter des Kapitalkontos II (KG) Rsp generell als geeignete Maßnahme zur Beseitigung einer 1. Es entspricht der Rsp des OGH zu gesellschaftsvertragli- rechtswidrigen Verwendung eines Namens als Domainna- chen Regelungen eines Zweitkontenmodells, dass die Kapi- me gesehen. talanteile der Gesellschafter durch Zu- oder Abflüsse von 3. Dabei erkannte der OGH bei Verletzung von Kennzei- Vermögenswerten nicht verändert werden dürfen, das Ka- chenrechten durch die Domain einer Website den An- pitalkonto II – Privatkonto, Verrechnungskonto – aber ei- spruch des Verletzten auf Beseitigung des störenden Zu- nen Teil der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung oder eine stands durch Abgabe einer Löschungs- bzw Verzichtserklä- rein schuldrechtliche Forderung ausweisen kann. rung gegenüber der Registrierungsstelle an. 2. Der Rechtscharakter des Kapitalkontos II richtet sich 4. Ein solcher Anspruch wurde in der Abkehr von der bis- nach dem Gesellschaftsvertrag sowie nach den Gesellschaf- herigen Rsp im Bereich des § 10 Abs 1 MarkSchG durch terbeschlüssen und nach der Art der seiner Bildung zugrun- den OGH verneint. Wird eine Domain gelöscht, kann sie deliegenden Geschäftsvorgänge. auch nicht mehr zu erlaubten Zwecken genutzt werden. 3. Es besteht die Möglichkeit der Begründung einer still- Entscheidend für die Beurteilung, ob eine Verwendung ei- schweigenden Vereinbarung der Gesellschafter durch bspw nes Zeichens iSd § 10 a MarkSchG vorliegt und ob dadurch die ständige Übung über die Verbuchung gewisser Beträge eine Verwechslungsgefahr iSd § 10 Abs 1 Z 2 MarkSchG sowie die Zweckbestimmung bestimmter Konten. begründet wird, ist der Inhalt der Website, welche unter 4. Werden Verluste auf dem Kapitalkonto II verbucht, der Domain im Internet abrufbar ist. spricht das dafür, dass diesem die Funktion eines echten 5. Es wurde festgehalten, dass ein Domain-Löschungsan- Einlagenkontos zukommt. Daher stellt das Kapitalkonto II spruch zu verneinen ist, wenn die Nutzung einer Domain des Kommanditisten dann ein Forderungskonto dar, es sei nach materiellem Recht nicht untersagt werden kann. Wei- denn, es werden auf diesem Konto ebenfalls Verluste ver- ters wurde klargestellt, dass das Verbot der Domain-Nut- bucht. zung nicht weiter reichen kann als die materiell-rechtliche 5. Die Abgrenzung zwischen Fremd- und Eigenkapital wird Unterlassungspflicht. Selbiges gilt auch für einen marken- durch eine unterschiedslose Erfassung aller für den Kom- rechtlichen Anspruch auf Löschung einer Firma. Auch ein manditisten relevanten Buchungsvorgänge über das Kapi- solcher Beseitigungsanspruch muss durch einen gleich weit talkonto II äußerst schwierig und nahezu unmöglich. reichenden Unterlassungsanspruch gedeckt sein. 6. Das verbuchte Vermögen ist als Eigenkapital der Gesell- OGH 20. 4. 2021, 4 Ob 19/21 d JusGuide 2021/23/ schaft einzustufen, wenn im System fester Kapitalanteile 19513. US österreichisches anwaltsblatt 09_2021
422 Recht kurz & bündig § 69 IO; §§ 1295, 1296, 1297 ABGB § 223 StGB 2021/203 2021/206 Zur Haftung des De-facto-Geschäftsführers einer Schriftlichkeit für Urkunde entscheidend GmbH für Insolvenzverschleppung Die für Urkundenqualität maßgebliche Schriftform liegt 1. Als „faktischer Geschäftsführer“ oder „De-facto-Ge- nicht vor, wenn ein Screenshot aus einem Online-Ban- schäftsführer“ wird zumeist eine Person verstanden, die, king-System per E-Mail übermittelt wird. ohne (wirksam) zum Geschäftsführer bestellt worden zu OGH 3. 11. 2020, 14 Os 102/20 m EvBl-LS 2021/53 MA sein, das Unternehmen führt oder zumindest maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung ausübt. § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO 2. Es ist dabei nicht von Bedeutung, ob es sich bei der Per- 2021/207 son um einen Angestellten, einen Gesellschafter, einen An- gehörigen oder einen außenstehenden Dritten handelt. Sanktionsrüge nur gegen rechtsfehlerhafte Häufig wird die Stellung als „De-facto-Geschäftsführer“ be- Beurteilung für die Sanktionsfindung maßgeblich jaht, wenn die eigentlich bestellten Geschäftsführer als gewordener Tatumstände Strohmänner ihre Organfunktion nicht ausüben und statt- Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO begrün- dessen ein anderer das Unternehmen tatsächlich leitet. det ein Sachverhaltssubstrat nur, wenn es vom Gericht of- 3. Der „faktische Geschäftsführer“ hat auf den formellen fenbar unrichtig als entscheidend für die Anwendung oder Geschäftsführer – den De-iure-Geschäftsführer – aktiv ein- Nichtanwendung einer Rechtsvorschrift der Strafbemes- zuwirken, damit dieser seiner Pflicht nach § 69 Abs 2 iVm sung beurteilt und solcherart verfehlt beim Strafausspruch Abs 2 IO zur Beantragung eines Insolvenzverfahrens nach- in Anschlag gebracht wurde, für diesen also maßgebend kommt. war. 4. Kommt es zu einer Konkursverschleppung, ist aus der OGH 9. 12. 2020, 13 Os 102/20 d EvBl-LS 2021/60. MA Teleologie des § 69 Abs 3 IO eine Orientierung an der for- mellen Organfunktion zu fordern. Daher ist zu verlangen, § 21 StGB dass es sich beim „De-facto-Geschäftsführer“ um eine Per- 2021/208 son handelt, welche dauerhaft und ausgeprägt den Platz ei- nes zum Insolvenzantrag legitimierten Organs einnimmt. Prognosetat muss der Art nach umschrieben sein OGH 19. 5. 2021, 17 Ob 5/21 s JusGuide 2021/26/ Die Prognosetat ist im U ihrer Art nach näher zu umschrei- 119559. US ben. OGH 7. 12. 2020, 12 Os 122/20 p EvBl-LS 2021/61. MA § 70 StGB § 51 Abs 1 Satz 1 StPO (Art 6 Abs 3 lit b und c MRK) 2021/204 2021/209 Wiederkehrende Begehung Akteneinsicht beim SV Gewerbsmäßigkeit verlangt neben bestimmten objektiven Unterlagen, die ein gerichtlich bestellter SV nach Relevanz Kriterien die Absicht des Täters, sich durch die wiederkeh- für die Erstattung von Befund und GA sichtet, stellen keine rende Begehung einer „Tat“ eine längere Zeit hindurch ein Beweismittel dar, die der StA nach § 101 Abs 1 StPO als nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu ver- Grundlage für die im Ermittlungsverfahren zu treffenden schaffen. Eine fortlaufende Verwertung der Beute aus einer Entscheidungen dienen. einzigen Tat wird dem Begriff der Gewerbsmäßigkeit nicht OGH 18. 2. 2021, 12 Os 140/20 k (LG Korneuburg 404 HR gerecht. 256/14 z) EvBl 2021/62. MA OGH 10. 9. 2020, 15 Os 85/20 v (LG Klagenfurt 72 Hv 39/ 20 w) EvBl 2021/49. MA § 384 Abs 1 StPO 2021/210 § 126 Abs 4 StPO (§ 281 Abs 1 Z 3 StPO) Telefonischer Rechtsmittelverzicht wirkungslos 2021/205 Eine mündliche RMErklärung ist zwar unmittelbar nach Nicht jede Befangenheit von SV begründet UVerkündung gegenüber dem Verhandlungsrichter mög- ausdrückliche Nichtigkeit lich, nicht aber zu einem späteren Zeitpunkt innerhalb der Beiziehung eines nach § 47 Abs 1 Z 1 oder 2 StPO befange- dreitägigen Frist außerhalb der zum U führenden Gerichts- nen SV bewirkt Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 3 StPO, sitzung. Ein telefonisch erklärter RMVerzicht ist – ebenso nicht aber Befangenheit nach § 47 Abs 1 Z 3 StPO. wie eine solche RMAnmeldung – unwirksam. OGH 3. 11. 2020, 14 Os 97/20 a EvBl-LS 2021/52. MA OGH 28. 12. 2020, 11 Os 110/20 s EvBl-LS 2021/68. MA 09_2021 österreichisches anwaltsblatt
423 Recht kurz & bündig § 302 Abs 1 StGB (§ 310 Abs 1 StGB) Wien studieren werde. Zu beachten war bei dem der Ent- 2021/211 scheidung zugrunde liegenden Sachverhalt weiters, dass die Tochter seit einigen Jahren nicht mehr mit der Beklagten im Unbefugte Datenweitergabe nur ausnahmsweise gemeinsamen Haushalt lebte. Sie war also keine eintrittsbe- Missbrauch der Amtsgewalt rechtigte Person iSd § 14 Abs 3 MRG mehr. Liegt einem (Polizei-)Beamten zur Last, Daten in für die OGH 20. 5. 2021, 3 Ob 59/21 d. FG dienstliche Aufgabenerfüllung eingerichteten (elektroni- schen) Datenbanken abgefragt und das Ergebnis jemandem § 1118 ABGB; § 33 Abs 2 und 3 MRG mitgeteilt zu haben, ist unter dem Aspekt von Missbrauch der Amtsgewalt zwischen der Beschaffung von (amtsgehei- 2021/213 men) Informationen und deren Weitergabe zu unterschei- Wirksamkeit der Aufhebung eines den: Das Ermitteln der Daten erfüllt das Tatbild, wenn der Bestandverhältnisses nach § 1118 ABGB Beamte ohne dienstliche Rechtfertigung handelt und sol- Die Aufhebung eines Bestandverhältnisses nach § 1118 cherart seine (abstrakte) Befugnis (zu hoheitlicher Aufga- ABGB erfolgt schon durch die Aufhebungserklärung, also benerfüllung) missbraucht. Hingegen wird bei der Daten- spätestens mit einem im Gerichtsverfahren eingebrachten weitergabe nur ausnahmsweise eine tatbildliche Befugnis Schriftsatz. Dies gilt auch dann, wenn zu diesem Zeitpunkt in Anspruch genommen. Davon abgesehen kommt Miss- noch unklar ist, ob der Mieter die Räumungsverpflichtung brauch der Amtsgewalt durch Geheimnisverrat nur dann allenfalls mangels groben Verschuldens am Rückstand in Betracht, wenn der Beamte dies aufgrund einer ihn durch Nachzahlung nach § 33 Abs 2 und 3 MRG abwenden (iZm einer bestimmten hoheitlichen Maßnahme) konkret wird können. In einem solchen Fall wird die Aufhebungs- treffenden Pflicht zu unterlassen hat. Ansonsten ist Straf- erklärung des Vermieters nur dann rückwirkend unwirk- barkeit einer (unzulässigen) Informationsweitergabe primär sam, wenn der Mieter den Mietzinsrückstand bis zu dem nach § 310 StGB zu prüfen, welcher Tatbestand bei voran- in § 33 Abs 2 MRG angeführten Zeitpunkt entrichtet. gegangener missbräuchlicher Beschaffung der Information Eine Kündigung ist für rechtsunwirksam zu erklären, wenn (des Geheimnisses) mit § 302 Abs 1 StGB real konkurrieren eine dasselbe Bestandverhältnis betreffende, zu einem frü- kann. Verwirklicht die Informationsweitergabe für sich heren Kündigungstermin eingebrachte Kündigung bereits nicht den Tatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt, für rechtswirksam erklärt worden ist. Da nämlich in einem scheidet ihre Zusammenfassung mit der Informationsbe- solchen Fall das Bestandverhältnis bereits durch diese (frü- schaffung im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungs- here) Kündigung aufgelöst ist, kann es nicht zu einem spä- einheit unter dem Aspekt des § 302 Abs 1 StGB aus. Miss- teren Termin noch einmal aufgelöst werden. brauch der Amtsgewalt setzt zudem voraus (arg: „da- OGH 20. 5. 2021, 3 Ob 64/21 i Zak 2021/429, 238. FG durch“), dass die Rechtsschädigung nach dem Vorsatz des Täters gerade durch den Befugnismissbrauch bewirkt § 568 ZPO; § 349 Abs 1 EO werde. OGH 15. 12. 2020, 14 Os 47/20 y EvBl-LS 2021/69. MA 2021/214 Wirkungen eines prätorischen Vergleichs als § 14 Abs 3, § 30 Abs 2 Z 4 MRG Räumungstitel auf den Unterbestandnehmer § 568 ZPO ordnet an, dass ein gegen den Bestandnehmer 2021/212 erwirkter Räumungstitel auch gegenüber dem Unterbe- Dringendes Wohnbedürfnis bei gänzlicher standnehmer wirksam und vollstreckbar ist. Diese Regelung Weitergabe: Zukunftsprognose bewirkt, dass der – gegen den Hauptbestandnehmer erfolg- Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 Fall 2 MRG setzt reiche – Bestandgeber im Exekutionsverfahren gegen den voraus, dass der Mieter den gänzlich weitergegebenen Miet- Hauptbestandnehmer auch eine Delogierung des Unterbe- gegenstand offenbar in naher Zukunft weder für sich noch standnehmers und seiner Fahrnisse erreichen kann. Es wird für eintrittsberechtigte Personen iSd § 14 Abs 3 MRG drin- somit im Einklang mit § 349 Abs 1 EO eine erweiterte Mög- gend benötigen wird. Die Beweispflicht hierfür trifft den lichkeit des Exekutionsvollzugs gegen dritte Personen (Nut- Mieter. Bei der in diesem Zusammenhang anzustellenden zer) geschaffen, die ihr Benützungsrecht vom Verpflichte- Zukunftsprognose ist nach der Rechtsprechung nicht auf ten ableiten. den Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung, sondern Nach einhelliger Rechtsprechung gilt die Anordnung des auf jenen der Weitergabe des Mietgegenstands abzustellen. § 568 ZPO für eine Aufkündigung, einen Übergabsauftrag, Der Kündigungsgrund lag hier aus folgendem Grunde vor: ein stattgebendes Urteil aufgrund einer Räumungsklage Die Beklagte hatte anlässlich der gänzlichen Weitergabe der nach § 1118 ABGB sowie grundsätzlich auch für einen Räu- aufgekündigten Wohnung erklärt, sie werde die Wohnung mungsvergleich. Diese Grundsätze zu § 568 ZPO gelten nur für ihre damals knapp 13 Jahre alte Tochter ab dem Som- dann nicht, wenn der Bestandgeber und der Hauptbestand- mer in sechs Jahren wieder benötigen, weil diese dann in nehmer kollusiv zusammengewirkt haben oder der Räu- österreichisches anwaltsblatt 09_2021
424 Recht kurz & bündig mungsvergleich nur zum Schein abgeschlossen wurde, was Verschulden am Unfall vor. Da sich ein solches nicht ergab, hier nicht der Fall war. ist auch auf Seite des Klägers (für die Zurechnung seines OGH 20. 5. 2021, 3 Ob 71/21 v. FG Schadens) nur die von seinem Fahrzeug ausgehende Be- triebsgefahr in die Abwägung nach § 11 Abs 1 EKHG ein- zubeziehen. § 11 Abs 1 EKHG Da bei keinem Unfallbeteiligten eine außergewöhnliche Be- 2021/215 triebsgefahr vorlag, sind einander die gewöhnlichen Be- Schadenszurechnung bei ausschließlich auf das EKHG triebsgefahren beider Fahrzeuge gegenüberzustellen. Ein gestützten Ersatzansprüchen Lkw weist bereits aufgrund seiner Größe und seines Ge- Der Kläger war als Lenker eines Pkw an einem Verkehrsun- wichts gegenüber einem Pkw eine typischerweise höhere fall mit einem Müllwagen beteiligt. Für die Zurechnung des Betriebsgefahr auf. Da sich diese bei einem Müllfahrzeug Schadens des Klägers, der die Haftung der Erstbeklagten durch das laufende Anfahren und Stehenbleiben noch wei- ausschließlich auf das EKHG stützte, ist auf deren Seite ter erhöht, ist der Schaden am Fahrzeug des Klägers zu ei- nur die von ihrem (Müll-)Fahrzeug ausgehende Betriebsge- nem Drittel diesem und zu zwei Dritteln der Erstbeklagten fahr (und nicht auch das Verschulden des Lenkers) zu be- zuzurechnen. rücksichtigen. Die Beklagten warfen dem Kläger zwar ein OGH 18. 5. 2021, 1 Ob 41/21 t Zak 2021/391, 218. FG Bereits ab € 40,- pro User/Monat cloudANWALT WALT Cloud-Services für Völlig ortsunabhängiges Arbeiten mit elektronischer Daten- & Aktenverwaltung Anwaltskanzleien Maximale Sicherheit - DSGVO konform im österreichischen Rechenzentrum. Sofort durchstarten! cloudA cloudANWALT LT ist Ih Ihrr virtuell virtueller Arbe Arbeitsplatz. z. Kostenlose Beratung vereinbaren! Zeit- eit- und ortsunabhängiges ängiges und vo sunabhängiges vor allem sales@bds.info +43 2622 82 570-82 sicheres, jjuristisches tisches Arbeiten. Business Data Solutions GmbH | Fischauer Gasse 150, 2700 Wr. Neustadt | www.bds.info | T +43 2622 82 570 | office@bds.info 09_2021 österreichisches anwaltsblatt
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425 Europarecht kurz & bündig Diese Ausgabe von Wirtschafts- und Währungsunion mäßigkeit zu korrigieren, da gegen die Entscheidungen des „Europarecht kurz & 2021/216 SRB gerichtliche Rechtsbehelfe vorgesehen sind. bündig“ entstand unter Mitwirkung von EuGH 6. 5. 2021, C-551/19 P und C-552/19 P, ABLV Bank/ EuGH: Nichtigkeitsklagen gegen Bewertungen der EZB. RH RAINER HABLE Rechtsanwalt in Wien EZB über die Ausfallswahrscheinlichkeit eines Kreditinstituts sind unzulässig Institutionelles Recht Die ABLV Bank AS ist ein Kreditinstitut mit Sitz in Lettland 2021/217 und Muttergesellschaft der ABLV-Gruppe. Die ABLV Bank Luxembourg SA ist ein Kreditinstitut mit Sitz in Luxemburg EuG: Der Beschluss der Kommission, mit dem die und eine der Tochtergesellschaften der ABLV-Gruppe. Die Registrierung einer geplanten Bürgerinitiative ABLV Bank ist alleiniger Aktionär der ABLV Bank Luxem- abgelehnt wurde, ist wegen unzureichender bourg. Begründung nichtig Im Februar 2018 kündigte das US-Finanzministerium Maß- Im Juli 2019 reichten Herr Tom Moerenhout und sechs nahmen an, um den Zugang der ABLV-Gruppe zum US- weitere Personen die europäische Bürgerinitiative (EBI) Dollar-Finanzsystem zu unterbinden, wodurch die Gruppe „Gewährleistung einer mit den EU-Verträgen und dem Völ- in Schwierigkeiten geriet. kerrecht im Einklang stehenden gemeinsamen Handelspoli- Dies veranlasste die Einleitung einer Bewertung, ob die tik“ bei der Europäischen Kommission ein. Bank gemäß der Verordnung über den einheitlichen Ab- Im September 2019 lehnte die Kommission die Registrie- wicklungsmechanismus (SRM-Verordnung) abgewickelt rung der geplanten EBI mit der Begründung ab, dass ein werden sollte. Die EZB kam in ihrer Bewertung zum Rechtsakt, in dem der Gegenstand der geplanten EBI be- Schluss, dass die ABLV Bank und die ABLV Bank Luxem- handelt werde, nur auf der Grundlage von Art 215 AEUV bourg ausfallen oder wahrscheinlich ausfallen werden. Das (Beschluss über die Aussetzung, Einschränkung oder voll- Single Resolution Board (SRB) stellte jedoch fest, dass bei ständige Einstellung der Wirtschafts- und Finanzbeziehun- diesen Banken eine Abwicklung im öffentlichen Interesse gen zu einem Drittstaat) angenommen werden könne. Dazu nicht erforderlich war. sei die Kommission aber nicht befugt, einen Vorschlag für Die Rechtsmittelführerinnen erhoben Nichtigkeitsklage ge- einen Rechtsakt vorzulegen. gen die Handlungen der EZB, mit denen festgestellt wurde, Aus den Entscheidungsgründen: dass die Banken als zahlungsunfähig oder wahrscheinlich Nach der Rsp ist die Ablehnung der Registrierung der ge- zahlungsunfähig anzusehen waren. Das Gericht hatte die planten Bürgerinitiative geeignet, die tatsächliche Wirksam- Klagen als unzulässig abgewiesen. keit des in Art 24 Abs 1 AEUV verankerten Rechts der Bür- Aus den Entscheidungsgründen des Gerichtshofs: ger zu beeinträchtigen, eine derartige Initiative zu ergreifen. Es ist nicht anzunehmen, dass alle Handlungen der Organe Folglich muss aus einem solchen Rechtsakt klar hervorge- den Charakter einer Entscheidung haben. hen, mit welchen Gründen die Ablehnung gerechtfertigt Jede Maßnahme muss den allgemeinen Grundsätzen des wird. Unionsrechts einschließlich des Grundsatzes der Verhält- Der bloße Hinweis auf Art 215 AEUV lässt nicht erkennen, nismäßigkeit entsprechen. Die Tatsache, dass die EZB die warum die Kommission der Ansicht war, dass die vorge- betreffenden Rechtsakte mitteilt und veröffentlicht, bedeu- schlagene Maßnahme ausschließlich in den Bereich der Ge- tet nicht, dass sie diese verbindlich machen wollte oder dass meinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) falle. diese Rechtsakte an sich bindend sind. Die Kläger haben in der geplanten EBI mehrfach ausdrück- Ein Ziel der SRM-Verordnung besteht darin, Entscheidun- lich auf die gemeinsame Handelspolitik Bezug genommen. gen zügig zu treffen, damit die Finanzstabilität nicht gefähr- Im vorliegenden Fall musste die Kommission also die det wird. Die Anerkennung des Entscheidungscharakters Gründe darlegen, die sie zu dem Schluss veranlasst hatten, der Beurteilung durch die EZB, ob ein Unternehmen aus- dass die mit der geplanten EBI bezweckte Maßnahme im fällt oder wahrscheinlich ausfällt, könnte die Schnelligkeit Hinblick auf ihren Gegenstand und ihre Ziele nicht in den dieses Verfahrens erheblich beeinträchtigen. Bereich der gemeinsamen Handelspolitik falle und daher Die Tatsache, dass eine gerichtliche Überprüfung nur für nicht auf der Grundlage von Art 207 AEUV erlassen wer- Entscheidungen des SRB vorgesehen ist, scheint zu bestäti- den könne. Dieser Einschätzung kam im Beschluss der gen, dass der Gesetzgeber der EZB in diesem Bereich keine Kommission über die Ablehnung der Registrierung der ge- Entscheidungsbefugnis übertragen wollte. planten EBI eine wesentliche Bedeutung zu, da die gemein- Der EZB kommt aufgrund ihrer Sachkenntnis und ihres same Handelspolitik im Unterschied zur GASP ein Bereich Zugangs zu Informationen eine vorrangige Rolle bei der Be- ist, in dem die Kommission befugt ist, einen Vorschlag für wertung zu. Das SRB ist jedoch nicht an die Einschätzung einen Rechtsakt der Union zu unterbreiten. der EZB gebunden und muss dieser Einschätzung nicht zu- Die Frage der ausreichenden Begründung ist auch im Hin- stimmen. Im Gegenteil, es obliegt dem SRB, eine Unregel- blick auf die Ziele der Bestimmungen der Verträge und der österreichisches anwaltsblatt 09_2021
426 Europarecht kurz & bündig Verordnung über die Bürgerinitiative zu beurteilen, die da- zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden rin bestehen, die Bürger zur Teilnahme am demokratischen sind. Leben zu ermutigen und die Union zugänglicher zu ma- Was erstens den Begriff „Antrag auf internationalen chen. Aufgrund dieser Ziele hatte die Kommission klar dar- Schutz“ bzw „Antrag“ anbelangt, so bezeichnet dieser ge- zulegen, mit welchen Gründen die Ablehnung der Regist- mäß RL 2013/32 das Ersuchen eines Drittstaatsangehörigen rierung einer geplanten EBI gerechtfertigt wurde. oder Staatenlosen um Schutz „durch einen Mitgliedstaat“. Das Gericht erklärt den angefochtenen Beschluss daher we- Aus dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich gen unzureichender Begründung für nichtig. somit, dass ein an einen Drittstaat gerichteter Antrag nicht EuG 12. 5. 2021, T-789/19, Tome Moerenhout ua/Kommis- als „Antrag auf internationalen Schutz“ bzw „Antrag“ iS sion. RH dieser Bestimmung verstanden werden kann. Was zweitens den Begriff „bestandskräftige Entscheidung“ betrifft, so bezeichnet dieser gemäß RL 2013/32 eine Ent- Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts scheidung darüber, ob einem Drittstaatsangehörigen oder 2021/218 Staatenlosen gemäß RL 2011/95 die Flüchtlingseigenschaft EuGH: Ein Antrag auf internationalen Schutz kann oder der subsidiäre Schutzstatus zuzuerkennen ist, und ge- nicht mit der Begründung als unzulässig abgelehnt gen die kein Rechtsbehelf nach Kapitel V der RL 2013/32 werden, dass ein früherer Asylantrag desselben mehr eingelegt werden kann. Eine von einem Drittstaat ge- Betroffenen von Norwegen abgelehnt wurde troffene Entscheidung kann nicht unter diese Definition fal- Im Jahr 2008 stellte L.R., ein iranischer Staatsangehöriger, len. in Norwegen einen Asylantrag, der abgelehnt wurde. Im Das Bestehen eines Übereinkommens zwischen der Union, Jahr 2014 stellte L.R. einen weiteren Antrag in Deutschland. Island und Norwegen ändert hieran nichts. Denn dieses Da die Dublin-III-Verordnung, durch die der für einen An- Übereinkommen sieht zwar vor, dass Norwegen bestimmte trag auf internationalen Schutz zuständige Mitgliedstaat be- Vorschriften der Dublin-III-Verordnung umsetzt, jedoch stimmt werden kann, auch von Norwegen umgesetzt wird, gilt dies nicht für die Vorschriften der Qualifikationsricht- wandten sich die deutschen Behörden an die norwegischen linie oder der Verfahrensrichtlinie. Somit kann der Mit- Behörden und ersuchten um Übernahme von L.R. Norwe- gliedstaat, in dem der Betroffene einen weiteren Antrag gen vertrat jedoch die Auffassung, dass es nach der Dublin- auf internationalen Schutz gestellt hat, Norwegen zwar ge- III-Verordnung für die Prüfung des Antrags nicht mehr zu- gebenenfalls um Wiederaufnahme des Betroffenen ersu- ständig sei. In der Folge lehnten die deutschen Behörden chen. Ist eine solche Wiederaufnahme nicht möglich oder den Asylantrag von L.R. als unzulässig ab, da es sich um erfolgt sie nicht, darf der betreffende Mitgliedstaat jedoch einen „Zweitantrag“ handle und die in einem solchen Fall nicht davon ausgehen, dass der weitere Antrag einen „Fol- geltenden Voraussetzungen für die Eröffnung eines weite- geantrag“ darstellt und daher gegebenenfalls für unzulässig ren Asylverfahrens nicht vorlagen. Gegen diese Entschei- erklärt werden kann. dung erhob L.R. Beschwerde. EuGH 20. 5. 2021, C-8/20, L.R./Bundesrepublik Deutsch- In der Folge beschloss das Schleswig-Holsteinische Verwal- land. RH tungsgericht, den Gerichtshof um Auslegung zum Begriff „Folgeantrag“ in der RL 2013/32 („Verfahrensrichtlinie“). Das Verwaltungsgericht führte aus, dass aus der Verfah- rensrichtlinie zwar hervorgehe, dass ein Antrag auf interna- tionalen Schutz nicht als „Folgeantrag“ eingestuft werden könne, wenn das erfolglose Erstverfahren in einem Dritt- staat durchgeführt worden sei. Allerdings sollte diese RL an- gesichts dessen, dass Norwegen gemäß dem Übereinkom- men zwischen der Union, Island und Norwegen am Ge- meinsamen Europäischen Asylsystem beteiligt sei, erwei- ternd ausgelegt werden, so dass die Mitgliedstaaten in der vorliegenden Konstellation nicht verpflichtet seien, ein voll- ständiges Asylerstverfahren durchzuführen. Aus den Entscheidungsgründen: Die Mitgliedstaaten können einen Antrag auf internationa- len Schutz als unzulässig ablehnen, wenn es sich um einen Folgeantrag handelt, bei dem keine neuen Umstände oder Erkenntnisse zu der Frage, ob der Antragsteller nach Maß- gabe der RL 2011/95 („Qualifikationsrichtlinie“) als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist, 09_2021 österreichisches anwaltsblatt
427 Europa aktuell Disziplinarkammer des polnischen Obersten BRITTA KYNAST Leiterin ÖRAK-Vertre- Gerichts: Tätigkeit im Hinblick auf tung in Brüssel. Die Au- torin ist in Deutschland zugelassene Rechtsan- wältin. Rechtsanwaltschaft rückt in den Fokus 2021/219 D er EGMR hat am 22. 7. 2021 zur Tätigkeit der Diszi- plinarkammer des polnischen Obersten Gerichts im Hinblick auf die Rechtsanwaltschaft geurteilt, dies zuguns- an den EuGH zu begründen als auch eine Grundlage für die Anwendbarkeit der Grundrechtecharta zu schaffen. Die Disziplinarkammer des Obersten Gerichts wurde ten der betroffenen antragstellenden Rechtsanwältin. seitens des EuGH bereits im Hinblick auf ihre Tätigkeit ge- Es handelt sich dabei um die erste Entscheidung zur genüber Richtern als weder unparteiisch noch unabhängig höchst umstrittenen Disziplinarkammer in Verbindung befunden,1 ist aber weiterhin in Bezug auf die Anwaltschaft mit deren Tätigkeit auch im Bereich des anwaltlichen (potenziell) tätig.2 Disziplinarrechts. Generalanwalt Bobek hat in seinen Schlussanträgen das Im zugrundeliegenden Sachverhalt wurde die antragstel- Vorliegen eines „Gerichts“ iSv Art 267 AEUV im Hin- lende Rechtsanwältin zunächst durch das Disziplinargericht blick auf das Disziplinargericht der Kammer eindeutig der Rechtsanwaltskammer Gdansk zu einer Disziplinarstra- bejaht. Allgemeine Kritik an einer angeblich mangelnden fe verurteilt. Im Hinblick auf verschiedene standesrechtliche Unabhängigkeit der Disziplinargerichtsbarkeit durch „Kol- Verstöße wurde ihr für eine Dauer von drei Jahren die Zu- legen“ aus dem Stand nennt der Generalanwalt „Unterstel- lassung entzogen. Hiergegen legte die Antragstellerin lungen oder Vermutungen“ (Rn 56). Der Generalanwalt Rechtsmittel ein, das Hohe Disziplinargericht der Rechtsan- geht von der Anwendbarkeit der allgemeinen Dienstleis- waltskammer erhielt die Verurteilung allerdings aufrecht. tungsrichtlinie3 aus. Nach seiner Auffassung gelte Kapi- Sodann stellte die Rechtsanwältin einen Kassationsantrag tel III der Dienstleistungsrichtlinie auch für rein inner- vor dem Obersten Gericht. Letzteres lehnte diesen Antrag staatliche Sachverhalte, dh für die Erbringung von Rechts- ohne Begründung in Besetzung mit drei Richtern der Dis- dienstleistungen durch Rechtsanwälte, die nicht von der ziplinarkammer ab. Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben (Rn 78). Im Ergeb- Nach Auffassung des EGMR ist die Disziplinarkammer nis werden gegen Rechtsanwälte eingeleitete Disziplinar- des Obersten Gerichts kein „auf Gesetz beruhendes Ge- verfahren, deren Augang die Möglichkeit beeinträchtigen richt“ iSv Art 6 Abs 1 EMRK. Die Unregelmäßigkeiten bei kann, weiterhin Rechtsdienstleistungen gemäß der Dienst- der Ernennung der Richter hätten die Legitimität der Dis- leistungsrichtlinie zu erbringen, als Genehmigungen iSv ziplinarkammer derart beeinträchtigt, dass dieser die Eigen- Art 9 und 10 Abs 2 DienstleistungsRL eingestuft (Rn 92, schaft eines „rechtmäßigen Gerichts“ gefehlt habe und wei- 98). Ob der EuGH dieser weiten Interpretation des Anwen- ter fehle. Der wesentliche Inhalt des Rechts nach Art 6 dungsbereichs der RL folgen wird, ist unklar. Abs 1 EMRK sei daher beeinträchtigt (vgl Rn 280). Umso wichtiger erscheint, dass der Generalanwalt dane- Auffällig ist, dass sich der EGMR in seinem 138 Seiten ben der Auffassung ist, dass auch ohne Anwendbarkeit der starken Urteil ausführlich mit einer Vielzahl von unter- DienstleistungsRL eine Prüfung der Einhaltung von Art 47 schiedlichen Quellen zur Disziplinarkammer des Obersten Grundrechtecharta erfolgen könne. Es sei Art 19 Abs 1 Gerichts auseinandersetzt, so zB mit Einschätzungen ver- EUV, dessen Inhalt im Wesentlichen mit Art 47 der schiedener Gremien des Europarats, aber auch mit Urteilen Grundrechtecharta übereinstimme, anwendbar. Eine Be- des EuGH und verschiedenen Veröffentlichungen der Eu- stätigung dieser Einschätzung durch den EuGH würde weit- ropäischen Kommission und des Europäischen Parlaments. reichende Auswirkungen für zukünftige Verfahren im Be- Vor dem EuGH ist derzeit ebenfalls ein Verfahren an- reich der Rechtsstaatlichkeit haben. hängig. In der dortigen Rs C-55/20, Ministerstwo Sprawied- Das Disziplinargericht der Warschauer Kammer fragt in liwości, wurden am 17. 6. 2021 die Schlussanträge vorgelegt. seiner Vorlage auch, wie mit der Rechtsbelehrung umzuge- In diesem Verfahren hat das Disziplinargericht der hen sei, die eigentlich auf die Disziplinarkammer des Obers- Warschauer Rechtsanwaltskammer dem EuGH vorgelegt. ten Gerichts verweisen müsse. Generalanwalt Bobek ist der Seine Fragen zielen im Kern darauf ab, ob und inwieweit es Auffassung, dass das (aktuelle) nationale Recht aufgrund des verhindern kann, dass ein disziplinarrechtliches Verfahren Vorrangs des Unionsrechts unangewendet zu lassen und gegen einen Anwalt in weiterer Instanz vor der Disziplinar- stattdessen das vorherige nationale Zuständigkeitsrecht an- kammer des Oberstes Gerichts verhandelt wird. Das vorle- gende Disziplinargericht der Rechtsanwaltskammer War- 1 Siehe zB Urteil vom 19. 11. 2019 in den verbundenen Rechtssachen C- schau stellt dazu Fragen im Konnex der Dienstleistungs- 585/18; C-624/18 und C-625/18. richtlinie. Damit soll offensichtlich eine Verbindung zum 2 Situation zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels. 3 RL 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom Europarecht hergestellt werden, um sowohl eine Vorlage 12. 12. 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt. österreichisches anwaltsblatt 09_2021
428 Europa aktuell zuwenden sei (Rn 139). Das nationale Gericht habe unter Das Urteil des EGMR können Sie hier abrufen: den in den Schlussanträgen genannten Bedingungen die Be- fugnis, nationalen Rechtsvorschriften oder gerichtlichen Auffassungen eines höheren Gerichts nicht Folge zu leis- ten und sie außer Acht zu lassen, wenn dies die einzige Möglichkeit ist, die Einhaltung des Unionsrechts sicherzu- stellen (Rn 141). Das Gericht könne eine bei ihm eingelegte Beschwerde (Anm: bei der ein europarechtswidriger Instan- zenzug absehbar ist) aber nicht unbearbeitet lassen (Rn 142). Fraglich ist, ob sich letztere Einschätzung des Generalanwalts aufrechterhalten lässt. Im Falle eines weiteren Umbaus der Justiz könnte kein alternativer, mit Unionsrecht in Einklang Die Schlussanträge in der Rs C-50/20 finden Sie hier: stehender Rechtsweg mehr zur Auswahl stehen. Abschließend merkt der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen an, dass Vertragsverletzungsverfahren wohl geeigneter seien als Vorlageverfahren, um mit „ins- gesamt pathologischen Situationen in einem Mitglied- staat umzugehen, in dem die normalen Regeln des recht- lichen Zusammenwirkens und des ordnungsgemäßen Um- gangs miteinander außer Kraft geraten zu sein scheinen“ (Rn 146). Dies kann durchaus auch als Kritik an der Eu- ropäischen Kommission verstanden werden, die kein Vertragsverletzungsverfahren im Hinblick auf die weite- re Zuständigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts für die Anwaltschaft eingeleitet hatte. Legal Tech – die Zukunft der Rechtsberatung • Industrialisierung des Rechts (Standardisierung) • Künstliche Intelligenz (Machine Learning) • Vernetzung (Blockchain) Breidenbach/Glatz (Hrsg) Rechtshandbuch Legal Tech 2. Auʐage 2021. XXV, 422 Seiten. Ln. ISBN 978-3-214-18144-4 129,00 EUR inkl. MwSt. shop.manz.at 09_2021 österreichisches anwaltsblatt
429 Europa aktuell Bekämpfung von Geldwäsche und BRITTA KYNAST Leiterin ÖRAK-Vertre- Terrorismusfinanzierung: Europäische tung in Brüssel. Die Au- torin ist in Deutschland zugelassene Rechtsan- wältin. Kommission schlägt neue Regelungen vor 2021/220 D ie Europäische Kommission hat am 21. 7. 2021 ein neues Geldwäschepaket, einschließlich eines Vor- schlags für eine 6. Geldwäsche-RL, veröffentlicht. werden. Durch das Rechtsinstrument der Verordnung sol- len gezielt verspätete oder abweichende nationale Umset- zungen vermieden werden. Die vorgeschlagene 6. Geldwäsche-RL legt ua Befugnis- Das vorgelegte Maßnahmenpaket besteht aus: se und Aufgaben von Aufsichtsbehörden und zentralen • einer VO zur Schaffung einer „Anti-Money Laundering Meldestellen fest. Daneben sollen sowohl die nationalen Authority“ (AMLA); als auch die verbundenen Bankregister effizienter gestaltet • einer VO zur Prävention der Nutzung des Finanzsystems werden, hierzu sind verschiedene Regelungen enthalten (s zu Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung; auch der ergänzende Vorschlag zum Zugang durch einen • einem Vorschlag für eine 6. Geldwäsche-RL, ergänzt einzigen Zugangspunkt; abrufbar hier). Die Position der durch einen Vorschlag zur Ergänzung der RL 2019/1153 FIUs soll klargestellt und deren Befugnisse gestärkt werden. im Hinblick auf den Zugang der zuständigen Behörden Erstmals werden Vorschriften zu selbstverwalteten Einrich- zu zentralen Bankenregistern durch einen einzigen Zu- tungen, die Überwachungsaufgaben übernehmen, in einem gangspunkt; eigenen Abschnitt formuliert (s hierzu auch Analyse unten). • einem Vorschlag zur Überarbeitung der VO (EU) 2015/ Mit dem Vorschlag zur Überarbeitung der Verord- 847 zur Übermittlung von Angaben bei Geldtransfers. nung zur Übermittlung von Angaben bei Geldtransfers Die geplante neue Behörde zur Aufsicht über die Be- soll erreicht werden, dass im Hinblick auf alle Kryptowäh- kämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung rungen die geltenden GW-TF-Vorschriften beachtet wer- in der EU (AMLA) soll die nach Auffassung der Europä- den müssen. Transfers von Kryptowerten sollen stets nach- ischen Kommission risikoreichsten, in einer Vielzahl von vollziehbar werden und anonyme Krypto-„Geldbörsen“ un- Mitgliedstaaten tätigen Finanzinstitute direkt beaufsichti- tersagt werden. gen. Im Hinblick auf die anderen Finanzunternehmen soll Nach erster Analyse geben Regelungen zur (nationalen die AMLA die zuständigen nationalen Aufsichtsbehörden oder indirekten europäischen) Überwachung von selbstver- beobachten und koordinieren. Die für die Nichtfinanzun- walteten Einrichtungen, einschließlich Weisungsrechten, ternehmen zuständigen Aufsichtsbehörden sollen durch Anlass zur Sorge. die AMLA ebenfalls koordiniert werden, wobei auch hier Zum einen werden spezifische Regelungen zur Überwa- Maßnahmen mit überwachender Prägung und Weisungen chung von selbstverwalteten Einrichtungen durch staat- möglich sind (s hierzu ausführlicher unten). Die neue Be- liche Stellen, einschließlich Weisungsbefugnisse, vorgese- hörde soll die Zusammenarbeit zwischen den nationalen hen.4 Gerechtfertigt wird dies durch das angebliche Versa- zentralen Meldestellen fördern und diesen Stellen die Koor- gen der Überwachung von GW/TF-Regelungen durch dinierung untereinander sowie gemeinsame Analysen er- selbstverwaltete Einrichtungen.5 Es wird zwar eine aus- leichtern. Grundsätzlich sollen für alle Sektoren einheitliche drückliche Ausnahme zum inhaltlichen Umfang der Aufsichtsstandards und -methoden geschaffen werden. Überwachung durch staatliche Stellen im Hinblick auf an- Dass es hier nicht, wie zunächst durch die Kommission an- waltliche Tätigkeiten geregelt, allerdings wirft die Möglich- gedacht, auch zur direkten Überwachung der Rechtsanwalt- keit von „instructions“ doch erhebliche Zweifel daran auf, schaft durch die AMLA kommen soll, dürfte in rechtsstaat- ob die Unabhängigkeit der Anwaltschaft gewahrt werden lichen Erwägungen, aber auch der scharfen Kritik ua der kann. Auch ohne Zugriff auf durch das Verschwiegenheits- europäischen Rechtsanwaltskammern und des CCBE be- gebot geschützte Informationen können durch missbräuch- gründet liegen (s unter anderem damalige ÖRAK-Stellung- liche Instruktionen einzelne AnwältInnen oder die Kam- nahme, per QR-Code unter diesem Artikel abrufbar). mern unter Druck gesetzt werden. Die Europäische Kommission hat als weiteren Baustein Zum anderen sieht das mehrstufige Verfahren gegen eine Verordnung für ein einheitliches EU-Regelwerk für nationale Überwachungsbehörden im nicht-finanziellen die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinan- Sektor durch die europäische Aufsichtsbehörde auch die zierung vorgeschlagen. In diesem sollen bestimmte GW-/ Möglichkeit verbindlicher Entscheidungen vor.6 Nach ei- TF-Vorschriften EU-weit harmonisiert werden, so zB zu Customer Due Diligence, wirtschaftlichen Eigentümern, PEPs und zum Umgang mit Drittländern. Daneben sollen 4 Siehe Art 38 Vorschlag 6. Geldwäsche-RL. 5 Siehe ErwGr 69 AML-RL-Vorschlag. auch Bargeldtransfers von mehr als € 10.000,– unterbunden 6 Siehe Art 32 AMLA-VO-Vorschlag. österreichisches anwaltsblatt 09_2021
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