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Anwalts
09 2021
ÖSTERREICHISCHES 417 – 484
blatt 433 ABHANDLUNGEN
Berechtigung des § 153c StGB?
Neuerungen in der
Forderungsexekution durch
die Gesamtreform des
Exekutionsrechts (GREx)
Zum neuen Staatsschutz- und
Nachrichtendienst-Gesetz –
SNG und zur Neufassung des
§ 112 a StPO
Effektuierung der
Fortbildungsverpflichtung
448 IM GESPRÄCH
Mag. Petra Cernochova
Vorsitzende des AK Berufsaus-
und Fortbildung und VPräs
Dr. Bernhard Fink –
Lebenslanges Lernen
431 3 FRAGEN AN . . .
Jorge Martí Moreno
www.rechtsanwaelte.at
Österreichische Post AG · MZ 02Z032542 M · Österreichischer Rechtsanwaltskammertag, Wollzeile 1 – 3, 1010 Wien · ISSN 1605-2544Straube/Ratka/Rauter (Hrsg)
Wiener Kommentar zum
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AKTUALISIERUNGEN
2021
Jetzt aktualisiert:
Vereinfachte Gründung,
Stammeinlagen,
Aufsichtsrat
Aktualisiert 2021:
• §§ 9a-10a: Vereinfachte Gründung, Stammeinlagen
• §§ 30g, 30k-36: Aufsichtsrat, Generalversammlung
shop.manz.at417
Editorial
Die Stimme der
Rechtsanwaltschaft
I m Zeitraum Juni bis August 2021 hat der ÖRAK zu zahl-
reichen Gesetzes- und Verordnungsvorlagen Stellung-
nahmen abgegeben bzw Einladungen zur Begutachtung er-
praxisnahe, fundierte Gesetzgebung und für unseren
Rechtsstaat. Gleichzeitig lade ich alle Kolleginnen und Kol-
legen ein, sich bei Interesse zur Begutachtung in bestimm-
2021/199
halten, darunter insb: ten Rechtsmaterien bei mir zu melden: wolff@oerak.at
• Änderung des Unternehmensserviceportalgesetzes; Auch die Redaktion des Anwaltsblattes freut sich über
• Änderungen des Vereinsgesetzes 2002 und des Waffenge- Ihre Beiträge und Abhandlungen. Reichen Sie diese unter
setzes 1996; anwaltsblatt@oerak.at ein.
• Verordnung über den Elektronischen Rechtsverkehr ua; Je breiter gefächert die Kommentare aus der Praxis sind,
• Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz 2021: Neu daran desto lauter ist die Stimme der Rechtsanwaltschaft insge-
die Formulierung statt wie bisher „Anstalt für geistig ab- samt.
norme Rechtsbrecher“ nunmehr „forensisch-therapeuti- Von 24. bis 26. Juni fand der Anwaltstag 2021 in Ossiach
sches Zentrum“; die freiheitsentziehende Maßnahme ist statt. Die Teilnahme war sowohl in Präsenz als auch via
vom Gericht alljährlich (bisher) „zu prüfen“, nunmehr Live-Stream möglich.
neu: „zu entscheiden“; die bedingte Nachsicht von vor- Mein Dank gilt allen Beteiligten, die mit der Vorberei-
beugenden Maßnahmen (bisher § 45 StGB) entfällt; neu tung und Organisation des Anwaltstages beschäftigt waren.
geregelt wurde das Verfahren zur Unterbringung in ei- Den Kärntner Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten
nem forensisch-therapeutischen Zentrum (§§ 430 ff und ihrem Präsidenten Univ.-Prof. Dr. Gernot Murko dan-
StPO) und Anstalten; ebenso neu im Strafvollzugsgesetz ke ich für die herzliche Gastfreundschaft und rege Teilnah-
das vorläufige Absehen vom Vollzug der Unterbringung me.
(§ 157 a) und Krisenintervention, Bewährungshilfe, Ent- Der Anwaltsakademie unter der Leitung von Mag. Ruth
wöhnung (§ 157 a – k); neu auch Bestimmungen des Weixler danke ich für die digitale Aufbereitung der Veran-
JGG und Strafregistergesetzes; staltung.
• Erstes EU-Informationssysteme-Anpassungsgesetz; Noch nie hatte ein Anwaltstag so viele Teilnehmerinnen
• WEG-Novelle 2022; und Teilnehmer – trotz (oder vielleicht sogar wegen) der
• Verordnung, mit der die Anwendung der Kronzeugenre- nach wie vor herausfordernden und schwierigen Zeit, in
gelung nach dem Wettbewerbsgesetz konkretisiert wird; der wir uns befinden.
• Verordnung, mit der die Zustellung und Vollstreckung
im Europäischen Wettbewerbsnetz konkretisiert wird; RUPERT WOLFF
• Änderung des Bundesstatistikgesetzes und Forschungsor- Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages
ganisationsgesetzes; (ÖRAK)
• Zivilverfahrensnovelle 2021;
• Umsetzung der RL zur Bekämpfung von Betrug und Fäl-
schung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmit-
teln.
Ich möchte mich bei allen Kolleginnen und Kollegen be-
danken, die ihre Expertise und Arbeitszeit zur Begutach-
tung von RL-, Gesetzes- und Verordnungsentwürfen zur
Verfügung stellen. Ich danke auch all jenen, die für den
ÖRAK an den zahlreichen Arbeitsgruppen in Ministerien
teilnehmen. Ihr Einsatz ist essentiell – für eine möglichst
österreichisches anwaltsblatt 09_2021418
Inhalt 09_2021
417 Editorial 433 ABHANDLUNGEN 447 SERVICE
419 Wichtige Informationen
420 Werbung & PR
434 Berechtigung des § 153 c StGB? 448 Im Gespräch
421 Recht kurz & bündig
Johannes Derntl 453 Termine
425 Europarecht kurz & bündig
438 Neuerungen in der Forderungsexekution durch die 454 Chronik
427 Europa aktuell
Gesamtreform des Exekutionsrechts (GREx) 460 Aus- und Fortbildung
431 3 Fragen an . . .
Eric Heinke und Stefanie Hoffmann 468 Rezensionen
442 Zum neuen Staatsschutz- und Nachrichtendienst-
Gesetz – SNG und zur Neufassung des § 112 a StPO
Richard Soyer, Philip Marsch und Nikolai Schäffler 475 RECHTSPRECHUNG
443 Effektuierung der Fortbildungsverpflichtung
Petra Cernochova 476 Außenauftritt und Werbung
einer Rechtsanwalts-Gesell-
schaft
477 Doppelvertretung
479 Zur Identifizierbarkeit von
Testamentszeugen
Jorge Martí Moreno
© Uria Menendez Law Firm
482 Inserate
484 Indexzahlen
AUTOREN DIESER AUSGABE:
RA Dr. Manfred Ainedter, Wien
RAA Ing. Mag. Niyazi Bahar, Wien
em. RA Dr. Gerhard Benn-Ibler, Wien
RA Dr. Michael Buresch, Wien
RA Mag. Petra Cernochova, Wien
Dr. Johannes Derntl, St. Pölten
RA Mag. Franz Galla, Wien
RA Ing. Dr. Wolfgang Gappmayer, LL.M., Wien
RA Dr. Rainer Hable, MSc (LSE), Wien
RA Dr. Eric Heinke, Wien
RA Dr. Thomas Hofer-Zeni, Wien
RAA Mag. Stefanie Hoffmann, Wien
RA Dr. Wolfgang Kleibel, Salzburg
RA Britta Kynast, ÖRAK Büro Brüssel
em. RA Prof. Dr. Nikolaus Lehner, Wien
RA Mag. Philip Marsch, Wien
Mag. Christian Moser, ÖRAK
RA Dr. Ullrich Saurer, Graz
Mag. Nikolai Schäffler, Linz
RA Univ.-Prof. Dr. Richard Soyer, Wien
RA Mag. Ines Windisch, Wien
RA Dr. Alexander Wittwer, LL.M., Dornbirn
Mag. Rainer Wolfbauer, Wien
RA Dr. Rupert Wolff, Salzburg
09_2021 österreichisches anwaltsblatt419
Wichtige Informationen
Verlängerung der Corona- (EU) 2019/1023 (RL über Restrukturierung und Insolvenz) CHRISTIAN
MOSER (CM)
Sonderregelungen in nationales Recht umgesetzt.
ÖRAK, Juristischer
Am 30. 6. 2021 wurden folgende befristete Sonderregelun- Hauptgesichtspunkt ist die Einführung eines auf drei Dienst
gen, die in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie auf- Jahre verkürzten Abschöpfungsverfahrens, das – zunächst
recht sind, erneut bis 31. 12. 2021 verlängert: für die kommenden fünf Jahre befristet – auch für Verbrau-
• Die zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 cher zur Anwendung kommen soll. Die Anforderungen an
geschaffenen Voraussetzungen, eine Briefwahl bzw Brief- die Redlichkeit des Schuldners werden beim vorzulegenden
abstimmung zur Erledigung der der Plenarversammlung Tilgungsplan gegenüber dem Abschöpfungsplan im weiter-
zugewiesenen Aufgaben auch dann anordnen zu können, hin bestehenden fünfjährigen Abschöpfungsverfahren ver-
wenn die Geschäftsordnung der Rechtsanwaltskammer schärft.
diese Möglichkeit bislang nicht oder nur eingeschränkt Weiters wird ein sogenanntes „präventives Restrukturie-
eröffnet (Änderung der RAO und des DSt, BGBl I rungsverfahren“ eingeführt, das den Eintritt der Zahlungs-
2021/106). unfähigkeit vermeiden soll. Dazu kann bei drohender Insol-
• Die Möglichkeit, bestimmte gerichtliche Anhörungen, venz ein individueller, auf das jeweilige Unternehmen zuge-
mündliche Verhandlungen und Beweisaufnahmen unter schnittener Restrukturierungsplan vorgelegt werden, über
Verwendung geeigneter Kommunikationsmittel zur den die Gläubigermehrheit bei Gericht abzustimmen hat.
Wort- oder Bildübertragung durchzuführen (Änderung Im Gegensatz zu Insolvenzen müssen in diesem Fall also
des 1. und 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetzes, BGBl I nicht alle Gläubiger einbezogen werden.
2021/106). Dies gilt auch für die Sonderbestimmungen Nach Abschluss des Begutachtungsverfahrens wurde in
zu Verhandlungen und Versammlungen mittels Video- § 192 IO das Wort „Rekurses“ durch“ Revisionsrekurses“
technologie im Exekutions- und Insolvenzverfahren. Zu- ersetzt. Damit müssen Rechtsmittel, die von einer aner-
dem werden Entscheidungen auf Gewährung von Unter- kannten Schuldenberatungsstelle erhoben werden, nicht
haltsvorschuss noch bis Ende des Jahres gebührenfrei mehr mit der Unterschrift eines Rechtsanwalts versehen
sein. sein. Ein Abänderungsantrag, um diese Aufweichung zu
• Der Einsatz von Videotechnologie in Verwaltungsverfah- verhindern, blieb erfolglos.
CM
ren und bei Verwaltungsgerichten, wobei der Wahrung
von Parteienrechten ein besonderes Augenmerk gewid-
met ist. Zudem sollen Organe wie Gemeinderäte im Falle
außergewöhnlicher Umstände weiterhin Beschlüsse per
Videokonferenz bzw im Umlaufweg fassen dürfen. Ähn-
Wissenschaftspreis
liches gilt für den Ministerrat (Verlängerung des Verwal- des österreichischen Notariats 2022
tungsrechtlichen COVID-19-Begleitgesetzes und des CO-
VID-19 Begleitgesetzes Vergabe, BGBl I 2021/107).
CM
Die Österreichische Notariatskammer
unterstützt alle zwei Jahre eine hervor-
Einheitswertanfragen über FinanzOnline ragende praxisbezogene wissenschaftliche
Bei Einheitswertanfragen und Amtshilfeersuchen in Fi- Arbeit, die Recht ohne Streit durch Notars-
nanzOnline wird der Bodenwert (soweit elektronisch er-
tätigkeit fördert, mit einem Preis in der
fasst) angezeigt bzw mitübermittelt. Eine diesbezügliche In-
formation des BMF finden Sie auf www.rechtsanwaelte.at Höhe von 15.000,– Euro.
im ÖRAK-Mitgliederbereich unter Informationen/Gebüh-
ren und Steuern/Grunderwerbsteuer (GrESt). Trotz dieser
Die Teilnahmebedingungen finden Sie
Abfragemöglichkeit und Anzeige der Bodenwerte werden
immer noch viele Eingaben als „Sonstiger Antrag/Kopie
unter www.notar.at/wissenschaftspreis.
von Einheitswertbescheiden/Bodenwertanfragen“ angelegt,
die so nicht erforderlich wären. Das BMF bittet, von der
Einsendeschluss 31. Jänner 2022
neuen Abfragemöglichkeit Gebrauch zu machen.
CM
Restrukturierungs- und Insolvenz-
Richtlinie-Umsetzungsgesetz
Mit dem am 26. 7. 2021 im BGBl I 2021/147 kundgemach-
ten Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umset-
zungsgesetz (RIRUG) werden die Bestimmungen der RL
Ö Anwaltsblatt_76x115_sw.indd 1 29.07.2021 14:36:15
österreichisches anwaltsblatt 09_2021420
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Straße: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . PLZ/Ort:. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Datum: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterschrift:. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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09_2021 österreichisches anwaltsblatt421
Recht kurz & bündig
Diese Ausgabe von
Art 58 UMV sämtliche Gewinne, Verluste und Entnahmen auf dem Ka- „Recht kurz & bündig“
pitalkonto II verbucht werden. entstand unter
2021/200 Mitwirkung von
7. Die Verbuchung von Verlusten auf einem Konto zusam-
Zum Verfall einer Unionsmarke nach Art 58 Abs 1 lit c men mit der Verbuchung von entnahmefähigen und nicht ULLRICH SAURER (US)
Rechtsanwalt
UMV entnahmefähigen Gewinnen wirft eine eigenkapitalbezoge-
1. Für den Verfall einer Unionsmarke nach Art 58 Abs 1 ne Problematik auf. Die Folge ist, dass dem Kommanditis- MANFRED
AINEDTER (MA)
lit c UMV ist ausschlaggebend, ob eine Unionsmarke allein ten auch bei einem positiven Saldo kein unmittelbares For- Rechtsanwalt
durch ihre Verwendung zu einer Irreführung des Publi- derungsrecht zukommt. Es ist ein den Entnahmebeschrän-
FRANZ GALLA (FG)
kums führen kann. kungen des § 122 UGB unterliegender Gesellschafterbe- Rechtsanwalt
2. Insbesondere wird berücksichtigt, ob das Publikum über schluss notwendig.
die Art, die Beschaffenheit oder die geografische Herkunft 8. Für den Charakter einer Forderung kann ebenfalls eine
in die Irre geführt wird. feste Verzinsung auf dem Kapitalkonto II ausgewiesener
3. Die Eignung zur Irreführung hat sich auf die Merkmale Beträge sowie die Befugnis, das Guthaben jederzeit oder
und die Eigenschaften der gekennzeichneten Ware oder nach Kündigung abzuheben, sprechen.
Dienstleistung zu beziehen. OGH 15. 3. 2021, 6 Ob 254/20 a JusGuide 2021/20/
4. Das zuvor Genannte gilt ebenfalls für eine Traditionsan- 19461. US
gabe in der Unionsmarke, welche nachträglich zu Fehlvor-
stellungen über bestimmte Qualitätsmerkmale führt. Die Ir-
reführung wird in einem solchen Fall allein durch die Be- §§ 10, 10 a, 52 MarkSchG; § 1 UWG; Art 9 UMV
nutzung der Marke als solche herbeigeführt.
2021/202
OGH 15. 3. 2021, 4 Ob 221/20 h JusGuide 2021/2/
19462. US Zum markenrechtlichen Anspruch auf Löschung einer
Domain
1. Als Rechtsgrundlage für einen markenrechtlichen Lö-
§§ 109, 122 UGB schungsanspruch einer Domain kann § 52 MarkSchG he-
rangezogen werden.
2021/201
2. Dieser Anspruch auf Löschung wurde in der früheren
Zum Rechtscharakter des Kapitalkontos II (KG) Rsp generell als geeignete Maßnahme zur Beseitigung einer
1. Es entspricht der Rsp des OGH zu gesellschaftsvertragli- rechtswidrigen Verwendung eines Namens als Domainna-
chen Regelungen eines Zweitkontenmodells, dass die Kapi- me gesehen.
talanteile der Gesellschafter durch Zu- oder Abflüsse von 3. Dabei erkannte der OGH bei Verletzung von Kennzei-
Vermögenswerten nicht verändert werden dürfen, das Ka- chenrechten durch die Domain einer Website den An-
pitalkonto II – Privatkonto, Verrechnungskonto – aber ei- spruch des Verletzten auf Beseitigung des störenden Zu-
nen Teil der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung oder eine stands durch Abgabe einer Löschungs- bzw Verzichtserklä-
rein schuldrechtliche Forderung ausweisen kann. rung gegenüber der Registrierungsstelle an.
2. Der Rechtscharakter des Kapitalkontos II richtet sich 4. Ein solcher Anspruch wurde in der Abkehr von der bis-
nach dem Gesellschaftsvertrag sowie nach den Gesellschaf- herigen Rsp im Bereich des § 10 Abs 1 MarkSchG durch
terbeschlüssen und nach der Art der seiner Bildung zugrun- den OGH verneint. Wird eine Domain gelöscht, kann sie
deliegenden Geschäftsvorgänge. auch nicht mehr zu erlaubten Zwecken genutzt werden.
3. Es besteht die Möglichkeit der Begründung einer still- Entscheidend für die Beurteilung, ob eine Verwendung ei-
schweigenden Vereinbarung der Gesellschafter durch bspw nes Zeichens iSd § 10 a MarkSchG vorliegt und ob dadurch
die ständige Übung über die Verbuchung gewisser Beträge eine Verwechslungsgefahr iSd § 10 Abs 1 Z 2 MarkSchG
sowie die Zweckbestimmung bestimmter Konten. begründet wird, ist der Inhalt der Website, welche unter
4. Werden Verluste auf dem Kapitalkonto II verbucht, der Domain im Internet abrufbar ist.
spricht das dafür, dass diesem die Funktion eines echten 5. Es wurde festgehalten, dass ein Domain-Löschungsan-
Einlagenkontos zukommt. Daher stellt das Kapitalkonto II spruch zu verneinen ist, wenn die Nutzung einer Domain
des Kommanditisten dann ein Forderungskonto dar, es sei nach materiellem Recht nicht untersagt werden kann. Wei-
denn, es werden auf diesem Konto ebenfalls Verluste ver- ters wurde klargestellt, dass das Verbot der Domain-Nut-
bucht. zung nicht weiter reichen kann als die materiell-rechtliche
5. Die Abgrenzung zwischen Fremd- und Eigenkapital wird Unterlassungspflicht. Selbiges gilt auch für einen marken-
durch eine unterschiedslose Erfassung aller für den Kom- rechtlichen Anspruch auf Löschung einer Firma. Auch ein
manditisten relevanten Buchungsvorgänge über das Kapi- solcher Beseitigungsanspruch muss durch einen gleich weit
talkonto II äußerst schwierig und nahezu unmöglich. reichenden Unterlassungsanspruch gedeckt sein.
6. Das verbuchte Vermögen ist als Eigenkapital der Gesell- OGH 20. 4. 2021, 4 Ob 19/21 d JusGuide 2021/23/
schaft einzustufen, wenn im System fester Kapitalanteile 19513. US
österreichisches anwaltsblatt 09_2021422
Recht kurz & bündig
§ 69 IO; §§ 1295, 1296, 1297 ABGB § 223 StGB
2021/203 2021/206
Zur Haftung des De-facto-Geschäftsführers einer Schriftlichkeit für Urkunde entscheidend
GmbH für Insolvenzverschleppung Die für Urkundenqualität maßgebliche Schriftform liegt
1. Als „faktischer Geschäftsführer“ oder „De-facto-Ge- nicht vor, wenn ein Screenshot aus einem Online-Ban-
schäftsführer“ wird zumeist eine Person verstanden, die, king-System per E-Mail übermittelt wird.
ohne (wirksam) zum Geschäftsführer bestellt worden zu OGH 3. 11. 2020, 14 Os 102/20 m EvBl-LS 2021/53 MA
sein, das Unternehmen führt oder zumindest maßgeblichen
Einfluss auf die Geschäftsführung ausübt. § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO
2. Es ist dabei nicht von Bedeutung, ob es sich bei der Per-
2021/207
son um einen Angestellten, einen Gesellschafter, einen An-
gehörigen oder einen außenstehenden Dritten handelt. Sanktionsrüge nur gegen rechtsfehlerhafte
Häufig wird die Stellung als „De-facto-Geschäftsführer“ be- Beurteilung für die Sanktionsfindung maßgeblich
jaht, wenn die eigentlich bestellten Geschäftsführer als gewordener Tatumstände
Strohmänner ihre Organfunktion nicht ausüben und statt- Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO begrün-
dessen ein anderer das Unternehmen tatsächlich leitet. det ein Sachverhaltssubstrat nur, wenn es vom Gericht of-
3. Der „faktische Geschäftsführer“ hat auf den formellen fenbar unrichtig als entscheidend für die Anwendung oder
Geschäftsführer – den De-iure-Geschäftsführer – aktiv ein- Nichtanwendung einer Rechtsvorschrift der Strafbemes-
zuwirken, damit dieser seiner Pflicht nach § 69 Abs 2 iVm sung beurteilt und solcherart verfehlt beim Strafausspruch
Abs 2 IO zur Beantragung eines Insolvenzverfahrens nach- in Anschlag gebracht wurde, für diesen also maßgebend
kommt. war.
4. Kommt es zu einer Konkursverschleppung, ist aus der OGH 9. 12. 2020, 13 Os 102/20 d EvBl-LS 2021/60. MA
Teleologie des § 69 Abs 3 IO eine Orientierung an der for-
mellen Organfunktion zu fordern. Daher ist zu verlangen,
§ 21 StGB
dass es sich beim „De-facto-Geschäftsführer“ um eine Per-
2021/208
son handelt, welche dauerhaft und ausgeprägt den Platz ei-
nes zum Insolvenzantrag legitimierten Organs einnimmt. Prognosetat muss der Art nach umschrieben sein
OGH 19. 5. 2021, 17 Ob 5/21 s JusGuide 2021/26/ Die Prognosetat ist im U ihrer Art nach näher zu umschrei-
119559. US ben.
OGH 7. 12. 2020, 12 Os 122/20 p EvBl-LS 2021/61. MA
§ 70 StGB
§ 51 Abs 1 Satz 1 StPO (Art 6 Abs 3 lit b und c MRK)
2021/204
2021/209
Wiederkehrende Begehung
Akteneinsicht beim SV
Gewerbsmäßigkeit verlangt neben bestimmten objektiven
Unterlagen, die ein gerichtlich bestellter SV nach Relevanz
Kriterien die Absicht des Täters, sich durch die wiederkeh-
für die Erstattung von Befund und GA sichtet, stellen keine
rende Begehung einer „Tat“ eine längere Zeit hindurch ein
Beweismittel dar, die der StA nach § 101 Abs 1 StPO als
nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu ver-
Grundlage für die im Ermittlungsverfahren zu treffenden
schaffen. Eine fortlaufende Verwertung der Beute aus einer
Entscheidungen dienen.
einzigen Tat wird dem Begriff der Gewerbsmäßigkeit nicht
OGH 18. 2. 2021, 12 Os 140/20 k (LG Korneuburg 404 HR
gerecht.
256/14 z) EvBl 2021/62. MA
OGH 10. 9. 2020, 15 Os 85/20 v (LG Klagenfurt 72 Hv 39/
20 w) EvBl 2021/49. MA
§ 384 Abs 1 StPO
2021/210
§ 126 Abs 4 StPO (§ 281 Abs 1 Z 3 StPO)
Telefonischer Rechtsmittelverzicht wirkungslos
2021/205
Eine mündliche RMErklärung ist zwar unmittelbar nach
Nicht jede Befangenheit von SV begründet UVerkündung gegenüber dem Verhandlungsrichter mög-
ausdrückliche Nichtigkeit lich, nicht aber zu einem späteren Zeitpunkt innerhalb der
Beiziehung eines nach § 47 Abs 1 Z 1 oder 2 StPO befange- dreitägigen Frist außerhalb der zum U führenden Gerichts-
nen SV bewirkt Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 3 StPO, sitzung. Ein telefonisch erklärter RMVerzicht ist – ebenso
nicht aber Befangenheit nach § 47 Abs 1 Z 3 StPO. wie eine solche RMAnmeldung – unwirksam.
OGH 3. 11. 2020, 14 Os 97/20 a EvBl-LS 2021/52. MA OGH 28. 12. 2020, 11 Os 110/20 s EvBl-LS 2021/68. MA
09_2021 österreichisches anwaltsblatt423
Recht kurz & bündig
§ 302 Abs 1 StGB (§ 310 Abs 1 StGB) Wien studieren werde. Zu beachten war bei dem der Ent-
2021/211 scheidung zugrunde liegenden Sachverhalt weiters, dass die
Tochter seit einigen Jahren nicht mehr mit der Beklagten im
Unbefugte Datenweitergabe nur ausnahmsweise gemeinsamen Haushalt lebte. Sie war also keine eintrittsbe-
Missbrauch der Amtsgewalt rechtigte Person iSd § 14 Abs 3 MRG mehr.
Liegt einem (Polizei-)Beamten zur Last, Daten in für die OGH 20. 5. 2021, 3 Ob 59/21 d. FG
dienstliche Aufgabenerfüllung eingerichteten (elektroni-
schen) Datenbanken abgefragt und das Ergebnis jemandem
§ 1118 ABGB; § 33 Abs 2 und 3 MRG
mitgeteilt zu haben, ist unter dem Aspekt von Missbrauch
der Amtsgewalt zwischen der Beschaffung von (amtsgehei- 2021/213
men) Informationen und deren Weitergabe zu unterschei- Wirksamkeit der Aufhebung eines
den: Das Ermitteln der Daten erfüllt das Tatbild, wenn der Bestandverhältnisses nach § 1118 ABGB
Beamte ohne dienstliche Rechtfertigung handelt und sol- Die Aufhebung eines Bestandverhältnisses nach § 1118
cherart seine (abstrakte) Befugnis (zu hoheitlicher Aufga- ABGB erfolgt schon durch die Aufhebungserklärung, also
benerfüllung) missbraucht. Hingegen wird bei der Daten- spätestens mit einem im Gerichtsverfahren eingebrachten
weitergabe nur ausnahmsweise eine tatbildliche Befugnis Schriftsatz. Dies gilt auch dann, wenn zu diesem Zeitpunkt
in Anspruch genommen. Davon abgesehen kommt Miss- noch unklar ist, ob der Mieter die Räumungsverpflichtung
brauch der Amtsgewalt durch Geheimnisverrat nur dann allenfalls mangels groben Verschuldens am Rückstand
in Betracht, wenn der Beamte dies aufgrund einer ihn durch Nachzahlung nach § 33 Abs 2 und 3 MRG abwenden
(iZm einer bestimmten hoheitlichen Maßnahme) konkret wird können. In einem solchen Fall wird die Aufhebungs-
treffenden Pflicht zu unterlassen hat. Ansonsten ist Straf- erklärung des Vermieters nur dann rückwirkend unwirk-
barkeit einer (unzulässigen) Informationsweitergabe primär sam, wenn der Mieter den Mietzinsrückstand bis zu dem
nach § 310 StGB zu prüfen, welcher Tatbestand bei voran- in § 33 Abs 2 MRG angeführten Zeitpunkt entrichtet.
gegangener missbräuchlicher Beschaffung der Information Eine Kündigung ist für rechtsunwirksam zu erklären, wenn
(des Geheimnisses) mit § 302 Abs 1 StGB real konkurrieren eine dasselbe Bestandverhältnis betreffende, zu einem frü-
kann. Verwirklicht die Informationsweitergabe für sich heren Kündigungstermin eingebrachte Kündigung bereits
nicht den Tatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt, für rechtswirksam erklärt worden ist. Da nämlich in einem
scheidet ihre Zusammenfassung mit der Informationsbe- solchen Fall das Bestandverhältnis bereits durch diese (frü-
schaffung im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungs- here) Kündigung aufgelöst ist, kann es nicht zu einem spä-
einheit unter dem Aspekt des § 302 Abs 1 StGB aus. Miss- teren Termin noch einmal aufgelöst werden.
brauch der Amtsgewalt setzt zudem voraus (arg: „da- OGH 20. 5. 2021, 3 Ob 64/21 i Zak 2021/429, 238. FG
durch“), dass die Rechtsschädigung nach dem Vorsatz des
Täters gerade durch den Befugnismissbrauch bewirkt
§ 568 ZPO; § 349 Abs 1 EO
werde.
OGH 15. 12. 2020, 14 Os 47/20 y EvBl-LS 2021/69. MA
2021/214
Wirkungen eines prätorischen Vergleichs als
§ 14 Abs 3, § 30 Abs 2 Z 4 MRG Räumungstitel auf den Unterbestandnehmer
§ 568 ZPO ordnet an, dass ein gegen den Bestandnehmer
2021/212
erwirkter Räumungstitel auch gegenüber dem Unterbe-
Dringendes Wohnbedürfnis bei gänzlicher standnehmer wirksam und vollstreckbar ist. Diese Regelung
Weitergabe: Zukunftsprognose bewirkt, dass der – gegen den Hauptbestandnehmer erfolg-
Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 Fall 2 MRG setzt reiche – Bestandgeber im Exekutionsverfahren gegen den
voraus, dass der Mieter den gänzlich weitergegebenen Miet- Hauptbestandnehmer auch eine Delogierung des Unterbe-
gegenstand offenbar in naher Zukunft weder für sich noch standnehmers und seiner Fahrnisse erreichen kann. Es wird
für eintrittsberechtigte Personen iSd § 14 Abs 3 MRG drin- somit im Einklang mit § 349 Abs 1 EO eine erweiterte Mög-
gend benötigen wird. Die Beweispflicht hierfür trifft den lichkeit des Exekutionsvollzugs gegen dritte Personen (Nut-
Mieter. Bei der in diesem Zusammenhang anzustellenden zer) geschaffen, die ihr Benützungsrecht vom Verpflichte-
Zukunftsprognose ist nach der Rechtsprechung nicht auf ten ableiten.
den Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung, sondern Nach einhelliger Rechtsprechung gilt die Anordnung des
auf jenen der Weitergabe des Mietgegenstands abzustellen. § 568 ZPO für eine Aufkündigung, einen Übergabsauftrag,
Der Kündigungsgrund lag hier aus folgendem Grunde vor: ein stattgebendes Urteil aufgrund einer Räumungsklage
Die Beklagte hatte anlässlich der gänzlichen Weitergabe der nach § 1118 ABGB sowie grundsätzlich auch für einen Räu-
aufgekündigten Wohnung erklärt, sie werde die Wohnung mungsvergleich. Diese Grundsätze zu § 568 ZPO gelten nur
für ihre damals knapp 13 Jahre alte Tochter ab dem Som- dann nicht, wenn der Bestandgeber und der Hauptbestand-
mer in sechs Jahren wieder benötigen, weil diese dann in nehmer kollusiv zusammengewirkt haben oder der Räu-
österreichisches anwaltsblatt 09_2021424
Recht kurz & bündig
mungsvergleich nur zum Schein abgeschlossen wurde, was Verschulden am Unfall vor. Da sich ein solches nicht ergab,
hier nicht der Fall war. ist auch auf Seite des Klägers (für die Zurechnung seines
OGH 20. 5. 2021, 3 Ob 71/21 v. FG Schadens) nur die von seinem Fahrzeug ausgehende Be-
triebsgefahr in die Abwägung nach § 11 Abs 1 EKHG ein-
zubeziehen.
§ 11 Abs 1 EKHG
Da bei keinem Unfallbeteiligten eine außergewöhnliche Be-
2021/215 triebsgefahr vorlag, sind einander die gewöhnlichen Be-
Schadenszurechnung bei ausschließlich auf das EKHG triebsgefahren beider Fahrzeuge gegenüberzustellen. Ein
gestützten Ersatzansprüchen Lkw weist bereits aufgrund seiner Größe und seines Ge-
Der Kläger war als Lenker eines Pkw an einem Verkehrsun- wichts gegenüber einem Pkw eine typischerweise höhere
fall mit einem Müllwagen beteiligt. Für die Zurechnung des Betriebsgefahr auf. Da sich diese bei einem Müllfahrzeug
Schadens des Klägers, der die Haftung der Erstbeklagten durch das laufende Anfahren und Stehenbleiben noch wei-
ausschließlich auf das EKHG stützte, ist auf deren Seite ter erhöht, ist der Schaden am Fahrzeug des Klägers zu ei-
nur die von ihrem (Müll-)Fahrzeug ausgehende Betriebsge- nem Drittel diesem und zu zwei Dritteln der Erstbeklagten
fahr (und nicht auch das Verschulden des Lenkers) zu be- zuzurechnen.
rücksichtigen. Die Beklagten warfen dem Kläger zwar ein OGH 18. 5. 2021, 1 Ob 41/21 t Zak 2021/391, 218. FG
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Europarecht kurz & bündig
Diese Ausgabe von
Wirtschafts- und Währungsunion mäßigkeit zu korrigieren, da gegen die Entscheidungen des „Europarecht kurz &
2021/216 SRB gerichtliche Rechtsbehelfe vorgesehen sind. bündig“ entstand
unter Mitwirkung von
EuGH 6. 5. 2021, C-551/19 P und C-552/19 P, ABLV Bank/
EuGH: Nichtigkeitsklagen gegen Bewertungen der EZB. RH
RAINER HABLE
Rechtsanwalt in Wien
EZB über die Ausfallswahrscheinlichkeit eines
Kreditinstituts sind unzulässig
Institutionelles Recht
Die ABLV Bank AS ist ein Kreditinstitut mit Sitz in Lettland
2021/217
und Muttergesellschaft der ABLV-Gruppe. Die ABLV Bank
Luxembourg SA ist ein Kreditinstitut mit Sitz in Luxemburg EuG: Der Beschluss der Kommission, mit dem die
und eine der Tochtergesellschaften der ABLV-Gruppe. Die Registrierung einer geplanten Bürgerinitiative
ABLV Bank ist alleiniger Aktionär der ABLV Bank Luxem- abgelehnt wurde, ist wegen unzureichender
bourg. Begründung nichtig
Im Februar 2018 kündigte das US-Finanzministerium Maß- Im Juli 2019 reichten Herr Tom Moerenhout und sechs
nahmen an, um den Zugang der ABLV-Gruppe zum US- weitere Personen die europäische Bürgerinitiative (EBI)
Dollar-Finanzsystem zu unterbinden, wodurch die Gruppe „Gewährleistung einer mit den EU-Verträgen und dem Völ-
in Schwierigkeiten geriet. kerrecht im Einklang stehenden gemeinsamen Handelspoli-
Dies veranlasste die Einleitung einer Bewertung, ob die tik“ bei der Europäischen Kommission ein.
Bank gemäß der Verordnung über den einheitlichen Ab- Im September 2019 lehnte die Kommission die Registrie-
wicklungsmechanismus (SRM-Verordnung) abgewickelt rung der geplanten EBI mit der Begründung ab, dass ein
werden sollte. Die EZB kam in ihrer Bewertung zum Rechtsakt, in dem der Gegenstand der geplanten EBI be-
Schluss, dass die ABLV Bank und die ABLV Bank Luxem- handelt werde, nur auf der Grundlage von Art 215 AEUV
bourg ausfallen oder wahrscheinlich ausfallen werden. Das (Beschluss über die Aussetzung, Einschränkung oder voll-
Single Resolution Board (SRB) stellte jedoch fest, dass bei ständige Einstellung der Wirtschafts- und Finanzbeziehun-
diesen Banken eine Abwicklung im öffentlichen Interesse gen zu einem Drittstaat) angenommen werden könne. Dazu
nicht erforderlich war. sei die Kommission aber nicht befugt, einen Vorschlag für
Die Rechtsmittelführerinnen erhoben Nichtigkeitsklage ge- einen Rechtsakt vorzulegen.
gen die Handlungen der EZB, mit denen festgestellt wurde, Aus den Entscheidungsgründen:
dass die Banken als zahlungsunfähig oder wahrscheinlich Nach der Rsp ist die Ablehnung der Registrierung der ge-
zahlungsunfähig anzusehen waren. Das Gericht hatte die planten Bürgerinitiative geeignet, die tatsächliche Wirksam-
Klagen als unzulässig abgewiesen. keit des in Art 24 Abs 1 AEUV verankerten Rechts der Bür-
Aus den Entscheidungsgründen des Gerichtshofs: ger zu beeinträchtigen, eine derartige Initiative zu ergreifen.
Es ist nicht anzunehmen, dass alle Handlungen der Organe Folglich muss aus einem solchen Rechtsakt klar hervorge-
den Charakter einer Entscheidung haben. hen, mit welchen Gründen die Ablehnung gerechtfertigt
Jede Maßnahme muss den allgemeinen Grundsätzen des wird.
Unionsrechts einschließlich des Grundsatzes der Verhält- Der bloße Hinweis auf Art 215 AEUV lässt nicht erkennen,
nismäßigkeit entsprechen. Die Tatsache, dass die EZB die warum die Kommission der Ansicht war, dass die vorge-
betreffenden Rechtsakte mitteilt und veröffentlicht, bedeu- schlagene Maßnahme ausschließlich in den Bereich der Ge-
tet nicht, dass sie diese verbindlich machen wollte oder dass meinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) falle.
diese Rechtsakte an sich bindend sind. Die Kläger haben in der geplanten EBI mehrfach ausdrück-
Ein Ziel der SRM-Verordnung besteht darin, Entscheidun- lich auf die gemeinsame Handelspolitik Bezug genommen.
gen zügig zu treffen, damit die Finanzstabilität nicht gefähr- Im vorliegenden Fall musste die Kommission also die
det wird. Die Anerkennung des Entscheidungscharakters Gründe darlegen, die sie zu dem Schluss veranlasst hatten,
der Beurteilung durch die EZB, ob ein Unternehmen aus- dass die mit der geplanten EBI bezweckte Maßnahme im
fällt oder wahrscheinlich ausfällt, könnte die Schnelligkeit Hinblick auf ihren Gegenstand und ihre Ziele nicht in den
dieses Verfahrens erheblich beeinträchtigen. Bereich der gemeinsamen Handelspolitik falle und daher
Die Tatsache, dass eine gerichtliche Überprüfung nur für nicht auf der Grundlage von Art 207 AEUV erlassen wer-
Entscheidungen des SRB vorgesehen ist, scheint zu bestäti- den könne. Dieser Einschätzung kam im Beschluss der
gen, dass der Gesetzgeber der EZB in diesem Bereich keine Kommission über die Ablehnung der Registrierung der ge-
Entscheidungsbefugnis übertragen wollte. planten EBI eine wesentliche Bedeutung zu, da die gemein-
Der EZB kommt aufgrund ihrer Sachkenntnis und ihres same Handelspolitik im Unterschied zur GASP ein Bereich
Zugangs zu Informationen eine vorrangige Rolle bei der Be- ist, in dem die Kommission befugt ist, einen Vorschlag für
wertung zu. Das SRB ist jedoch nicht an die Einschätzung einen Rechtsakt der Union zu unterbreiten.
der EZB gebunden und muss dieser Einschätzung nicht zu- Die Frage der ausreichenden Begründung ist auch im Hin-
stimmen. Im Gegenteil, es obliegt dem SRB, eine Unregel- blick auf die Ziele der Bestimmungen der Verträge und der
österreichisches anwaltsblatt 09_2021426
Europarecht kurz & bündig
Verordnung über die Bürgerinitiative zu beurteilen, die da- zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden
rin bestehen, die Bürger zur Teilnahme am demokratischen sind.
Leben zu ermutigen und die Union zugänglicher zu ma- Was erstens den Begriff „Antrag auf internationalen
chen. Aufgrund dieser Ziele hatte die Kommission klar dar- Schutz“ bzw „Antrag“ anbelangt, so bezeichnet dieser ge-
zulegen, mit welchen Gründen die Ablehnung der Regist- mäß RL 2013/32 das Ersuchen eines Drittstaatsangehörigen
rierung einer geplanten EBI gerechtfertigt wurde. oder Staatenlosen um Schutz „durch einen Mitgliedstaat“.
Das Gericht erklärt den angefochtenen Beschluss daher we- Aus dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich
gen unzureichender Begründung für nichtig. somit, dass ein an einen Drittstaat gerichteter Antrag nicht
EuG 12. 5. 2021, T-789/19, Tome Moerenhout ua/Kommis- als „Antrag auf internationalen Schutz“ bzw „Antrag“ iS
sion. RH dieser Bestimmung verstanden werden kann.
Was zweitens den Begriff „bestandskräftige Entscheidung“
betrifft, so bezeichnet dieser gemäß RL 2013/32 eine Ent-
Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts
scheidung darüber, ob einem Drittstaatsangehörigen oder
2021/218
Staatenlosen gemäß RL 2011/95 die Flüchtlingseigenschaft
EuGH: Ein Antrag auf internationalen Schutz kann oder der subsidiäre Schutzstatus zuzuerkennen ist, und ge-
nicht mit der Begründung als unzulässig abgelehnt gen die kein Rechtsbehelf nach Kapitel V der RL 2013/32
werden, dass ein früherer Asylantrag desselben mehr eingelegt werden kann. Eine von einem Drittstaat ge-
Betroffenen von Norwegen abgelehnt wurde troffene Entscheidung kann nicht unter diese Definition fal-
Im Jahr 2008 stellte L.R., ein iranischer Staatsangehöriger, len.
in Norwegen einen Asylantrag, der abgelehnt wurde. Im Das Bestehen eines Übereinkommens zwischen der Union,
Jahr 2014 stellte L.R. einen weiteren Antrag in Deutschland. Island und Norwegen ändert hieran nichts. Denn dieses
Da die Dublin-III-Verordnung, durch die der für einen An- Übereinkommen sieht zwar vor, dass Norwegen bestimmte
trag auf internationalen Schutz zuständige Mitgliedstaat be- Vorschriften der Dublin-III-Verordnung umsetzt, jedoch
stimmt werden kann, auch von Norwegen umgesetzt wird, gilt dies nicht für die Vorschriften der Qualifikationsricht-
wandten sich die deutschen Behörden an die norwegischen linie oder der Verfahrensrichtlinie. Somit kann der Mit-
Behörden und ersuchten um Übernahme von L.R. Norwe- gliedstaat, in dem der Betroffene einen weiteren Antrag
gen vertrat jedoch die Auffassung, dass es nach der Dublin- auf internationalen Schutz gestellt hat, Norwegen zwar ge-
III-Verordnung für die Prüfung des Antrags nicht mehr zu- gebenenfalls um Wiederaufnahme des Betroffenen ersu-
ständig sei. In der Folge lehnten die deutschen Behörden chen. Ist eine solche Wiederaufnahme nicht möglich oder
den Asylantrag von L.R. als unzulässig ab, da es sich um erfolgt sie nicht, darf der betreffende Mitgliedstaat jedoch
einen „Zweitantrag“ handle und die in einem solchen Fall nicht davon ausgehen, dass der weitere Antrag einen „Fol-
geltenden Voraussetzungen für die Eröffnung eines weite- geantrag“ darstellt und daher gegebenenfalls für unzulässig
ren Asylverfahrens nicht vorlagen. Gegen diese Entschei- erklärt werden kann.
dung erhob L.R. Beschwerde. EuGH 20. 5. 2021, C-8/20, L.R./Bundesrepublik Deutsch-
In der Folge beschloss das Schleswig-Holsteinische Verwal- land. RH
tungsgericht, den Gerichtshof um Auslegung zum Begriff
„Folgeantrag“ in der RL 2013/32 („Verfahrensrichtlinie“).
Das Verwaltungsgericht führte aus, dass aus der Verfah-
rensrichtlinie zwar hervorgehe, dass ein Antrag auf interna-
tionalen Schutz nicht als „Folgeantrag“ eingestuft werden
könne, wenn das erfolglose Erstverfahren in einem Dritt-
staat durchgeführt worden sei. Allerdings sollte diese RL an-
gesichts dessen, dass Norwegen gemäß dem Übereinkom-
men zwischen der Union, Island und Norwegen am Ge-
meinsamen Europäischen Asylsystem beteiligt sei, erwei-
ternd ausgelegt werden, so dass die Mitgliedstaaten in der
vorliegenden Konstellation nicht verpflichtet seien, ein voll-
ständiges Asylerstverfahren durchzuführen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Mitgliedstaaten können einen Antrag auf internationa-
len Schutz als unzulässig ablehnen, wenn es sich um einen
Folgeantrag handelt, bei dem keine neuen Umstände oder
Erkenntnisse zu der Frage, ob der Antragsteller nach Maß-
gabe der RL 2011/95 („Qualifikationsrichtlinie“) als Person
mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist,
09_2021 österreichisches anwaltsblatt427
Europa aktuell
Disziplinarkammer des polnischen Obersten BRITTA KYNAST
Leiterin ÖRAK-Vertre-
Gerichts: Tätigkeit im Hinblick auf tung in Brüssel. Die Au-
torin ist in Deutschland
zugelassene Rechtsan-
wältin.
Rechtsanwaltschaft rückt in den Fokus 2021/219
D er EGMR hat am 22. 7. 2021 zur Tätigkeit der Diszi-
plinarkammer des polnischen Obersten Gerichts im
Hinblick auf die Rechtsanwaltschaft geurteilt, dies zuguns-
an den EuGH zu begründen als auch eine Grundlage für
die Anwendbarkeit der Grundrechtecharta zu schaffen.
Die Disziplinarkammer des Obersten Gerichts wurde
ten der betroffenen antragstellenden Rechtsanwältin. seitens des EuGH bereits im Hinblick auf ihre Tätigkeit ge-
Es handelt sich dabei um die erste Entscheidung zur genüber Richtern als weder unparteiisch noch unabhängig
höchst umstrittenen Disziplinarkammer in Verbindung befunden,1 ist aber weiterhin in Bezug auf die Anwaltschaft
mit deren Tätigkeit auch im Bereich des anwaltlichen (potenziell) tätig.2
Disziplinarrechts. Generalanwalt Bobek hat in seinen Schlussanträgen das
Im zugrundeliegenden Sachverhalt wurde die antragstel- Vorliegen eines „Gerichts“ iSv Art 267 AEUV im Hin-
lende Rechtsanwältin zunächst durch das Disziplinargericht blick auf das Disziplinargericht der Kammer eindeutig
der Rechtsanwaltskammer Gdansk zu einer Disziplinarstra- bejaht. Allgemeine Kritik an einer angeblich mangelnden
fe verurteilt. Im Hinblick auf verschiedene standesrechtliche Unabhängigkeit der Disziplinargerichtsbarkeit durch „Kol-
Verstöße wurde ihr für eine Dauer von drei Jahren die Zu- legen“ aus dem Stand nennt der Generalanwalt „Unterstel-
lassung entzogen. Hiergegen legte die Antragstellerin lungen oder Vermutungen“ (Rn 56). Der Generalanwalt
Rechtsmittel ein, das Hohe Disziplinargericht der Rechtsan- geht von der Anwendbarkeit der allgemeinen Dienstleis-
waltskammer erhielt die Verurteilung allerdings aufrecht. tungsrichtlinie3 aus. Nach seiner Auffassung gelte Kapi-
Sodann stellte die Rechtsanwältin einen Kassationsantrag tel III der Dienstleistungsrichtlinie auch für rein inner-
vor dem Obersten Gericht. Letzteres lehnte diesen Antrag staatliche Sachverhalte, dh für die Erbringung von Rechts-
ohne Begründung in Besetzung mit drei Richtern der Dis- dienstleistungen durch Rechtsanwälte, die nicht von der
ziplinarkammer ab. Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben (Rn 78). Im Ergeb-
Nach Auffassung des EGMR ist die Disziplinarkammer nis werden gegen Rechtsanwälte eingeleitete Disziplinar-
des Obersten Gerichts kein „auf Gesetz beruhendes Ge- verfahren, deren Augang die Möglichkeit beeinträchtigen
richt“ iSv Art 6 Abs 1 EMRK. Die Unregelmäßigkeiten bei kann, weiterhin Rechtsdienstleistungen gemäß der Dienst-
der Ernennung der Richter hätten die Legitimität der Dis- leistungsrichtlinie zu erbringen, als Genehmigungen iSv
ziplinarkammer derart beeinträchtigt, dass dieser die Eigen- Art 9 und 10 Abs 2 DienstleistungsRL eingestuft (Rn 92,
schaft eines „rechtmäßigen Gerichts“ gefehlt habe und wei- 98). Ob der EuGH dieser weiten Interpretation des Anwen-
ter fehle. Der wesentliche Inhalt des Rechts nach Art 6 dungsbereichs der RL folgen wird, ist unklar.
Abs 1 EMRK sei daher beeinträchtigt (vgl Rn 280). Umso wichtiger erscheint, dass der Generalanwalt dane-
Auffällig ist, dass sich der EGMR in seinem 138 Seiten ben der Auffassung ist, dass auch ohne Anwendbarkeit der
starken Urteil ausführlich mit einer Vielzahl von unter- DienstleistungsRL eine Prüfung der Einhaltung von Art 47
schiedlichen Quellen zur Disziplinarkammer des Obersten Grundrechtecharta erfolgen könne. Es sei Art 19 Abs 1
Gerichts auseinandersetzt, so zB mit Einschätzungen ver- EUV, dessen Inhalt im Wesentlichen mit Art 47 der
schiedener Gremien des Europarats, aber auch mit Urteilen Grundrechtecharta übereinstimme, anwendbar. Eine Be-
des EuGH und verschiedenen Veröffentlichungen der Eu- stätigung dieser Einschätzung durch den EuGH würde weit-
ropäischen Kommission und des Europäischen Parlaments. reichende Auswirkungen für zukünftige Verfahren im Be-
Vor dem EuGH ist derzeit ebenfalls ein Verfahren an- reich der Rechtsstaatlichkeit haben.
hängig. In der dortigen Rs C-55/20, Ministerstwo Sprawied- Das Disziplinargericht der Warschauer Kammer fragt in
liwości, wurden am 17. 6. 2021 die Schlussanträge vorgelegt. seiner Vorlage auch, wie mit der Rechtsbelehrung umzuge-
In diesem Verfahren hat das Disziplinargericht der hen sei, die eigentlich auf die Disziplinarkammer des Obers-
Warschauer Rechtsanwaltskammer dem EuGH vorgelegt. ten Gerichts verweisen müsse. Generalanwalt Bobek ist der
Seine Fragen zielen im Kern darauf ab, ob und inwieweit es Auffassung, dass das (aktuelle) nationale Recht aufgrund des
verhindern kann, dass ein disziplinarrechtliches Verfahren Vorrangs des Unionsrechts unangewendet zu lassen und
gegen einen Anwalt in weiterer Instanz vor der Disziplinar- stattdessen das vorherige nationale Zuständigkeitsrecht an-
kammer des Oberstes Gerichts verhandelt wird. Das vorle-
gende Disziplinargericht der Rechtsanwaltskammer War-
1 Siehe zB Urteil vom 19. 11. 2019 in den verbundenen Rechtssachen C-
schau stellt dazu Fragen im Konnex der Dienstleistungs- 585/18; C-624/18 und C-625/18.
richtlinie. Damit soll offensichtlich eine Verbindung zum 2 Situation zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels.
3 RL 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom
Europarecht hergestellt werden, um sowohl eine Vorlage 12. 12. 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt.
österreichisches anwaltsblatt 09_2021428
Europa aktuell
zuwenden sei (Rn 139). Das nationale Gericht habe unter Das Urteil des EGMR können Sie hier abrufen:
den in den Schlussanträgen genannten Bedingungen die Be-
fugnis, nationalen Rechtsvorschriften oder gerichtlichen
Auffassungen eines höheren Gerichts nicht Folge zu leis-
ten und sie außer Acht zu lassen, wenn dies die einzige
Möglichkeit ist, die Einhaltung des Unionsrechts sicherzu-
stellen (Rn 141). Das Gericht könne eine bei ihm eingelegte
Beschwerde (Anm: bei der ein europarechtswidriger Instan-
zenzug absehbar ist) aber nicht unbearbeitet lassen (Rn 142).
Fraglich ist, ob sich letztere Einschätzung des Generalanwalts
aufrechterhalten lässt. Im Falle eines weiteren Umbaus der
Justiz könnte kein alternativer, mit Unionsrecht in Einklang
Die Schlussanträge in der Rs C-50/20 finden Sie hier:
stehender Rechtsweg mehr zur Auswahl stehen.
Abschließend merkt der Generalanwalt in seinen
Schlussanträgen an, dass Vertragsverletzungsverfahren
wohl geeigneter seien als Vorlageverfahren, um mit „ins-
gesamt pathologischen Situationen in einem Mitglied-
staat umzugehen, in dem die normalen Regeln des recht-
lichen Zusammenwirkens und des ordnungsgemäßen Um-
gangs miteinander außer Kraft geraten zu sein scheinen“
(Rn 146). Dies kann durchaus auch als Kritik an der Eu-
ropäischen Kommission verstanden werden, die kein
Vertragsverletzungsverfahren im Hinblick auf die weite-
re Zuständigkeit der Disziplinarkammer des Obersten
Gerichts für die Anwaltschaft eingeleitet hatte.
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09_2021 österreichisches anwaltsblatt429
Europa aktuell
Bekämpfung von Geldwäsche und BRITTA KYNAST
Leiterin ÖRAK-Vertre-
Terrorismusfinanzierung: Europäische tung in Brüssel. Die Au-
torin ist in Deutschland
zugelassene Rechtsan-
wältin.
Kommission schlägt neue Regelungen vor 2021/220
D ie Europäische Kommission hat am 21. 7. 2021 ein
neues Geldwäschepaket, einschließlich eines Vor-
schlags für eine 6. Geldwäsche-RL, veröffentlicht.
werden. Durch das Rechtsinstrument der Verordnung sol-
len gezielt verspätete oder abweichende nationale Umset-
zungen vermieden werden.
Die vorgeschlagene 6. Geldwäsche-RL legt ua Befugnis-
Das vorgelegte Maßnahmenpaket besteht aus: se und Aufgaben von Aufsichtsbehörden und zentralen
• einer VO zur Schaffung einer „Anti-Money Laundering Meldestellen fest. Daneben sollen sowohl die nationalen
Authority“ (AMLA); als auch die verbundenen Bankregister effizienter gestaltet
• einer VO zur Prävention der Nutzung des Finanzsystems werden, hierzu sind verschiedene Regelungen enthalten (s
zu Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung; auch der ergänzende Vorschlag zum Zugang durch einen
• einem Vorschlag für eine 6. Geldwäsche-RL, ergänzt einzigen Zugangspunkt; abrufbar hier). Die Position der
durch einen Vorschlag zur Ergänzung der RL 2019/1153 FIUs soll klargestellt und deren Befugnisse gestärkt werden.
im Hinblick auf den Zugang der zuständigen Behörden Erstmals werden Vorschriften zu selbstverwalteten Einrich-
zu zentralen Bankenregistern durch einen einzigen Zu- tungen, die Überwachungsaufgaben übernehmen, in einem
gangspunkt; eigenen Abschnitt formuliert (s hierzu auch Analyse unten).
• einem Vorschlag zur Überarbeitung der VO (EU) 2015/ Mit dem Vorschlag zur Überarbeitung der Verord-
847 zur Übermittlung von Angaben bei Geldtransfers. nung zur Übermittlung von Angaben bei Geldtransfers
Die geplante neue Behörde zur Aufsicht über die Be- soll erreicht werden, dass im Hinblick auf alle Kryptowäh-
kämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung rungen die geltenden GW-TF-Vorschriften beachtet wer-
in der EU (AMLA) soll die nach Auffassung der Europä- den müssen. Transfers von Kryptowerten sollen stets nach-
ischen Kommission risikoreichsten, in einer Vielzahl von vollziehbar werden und anonyme Krypto-„Geldbörsen“ un-
Mitgliedstaaten tätigen Finanzinstitute direkt beaufsichti- tersagt werden.
gen. Im Hinblick auf die anderen Finanzunternehmen soll Nach erster Analyse geben Regelungen zur (nationalen
die AMLA die zuständigen nationalen Aufsichtsbehörden oder indirekten europäischen) Überwachung von selbstver-
beobachten und koordinieren. Die für die Nichtfinanzun- walteten Einrichtungen, einschließlich Weisungsrechten,
ternehmen zuständigen Aufsichtsbehörden sollen durch Anlass zur Sorge.
die AMLA ebenfalls koordiniert werden, wobei auch hier Zum einen werden spezifische Regelungen zur Überwa-
Maßnahmen mit überwachender Prägung und Weisungen chung von selbstverwalteten Einrichtungen durch staat-
möglich sind (s hierzu ausführlicher unten). Die neue Be- liche Stellen, einschließlich Weisungsbefugnisse, vorgese-
hörde soll die Zusammenarbeit zwischen den nationalen hen.4 Gerechtfertigt wird dies durch das angebliche Versa-
zentralen Meldestellen fördern und diesen Stellen die Koor- gen der Überwachung von GW/TF-Regelungen durch
dinierung untereinander sowie gemeinsame Analysen er- selbstverwaltete Einrichtungen.5 Es wird zwar eine aus-
leichtern. Grundsätzlich sollen für alle Sektoren einheitliche drückliche Ausnahme zum inhaltlichen Umfang der
Aufsichtsstandards und -methoden geschaffen werden. Überwachung durch staatliche Stellen im Hinblick auf an-
Dass es hier nicht, wie zunächst durch die Kommission an- waltliche Tätigkeiten geregelt, allerdings wirft die Möglich-
gedacht, auch zur direkten Überwachung der Rechtsanwalt- keit von „instructions“ doch erhebliche Zweifel daran auf,
schaft durch die AMLA kommen soll, dürfte in rechtsstaat- ob die Unabhängigkeit der Anwaltschaft gewahrt werden
lichen Erwägungen, aber auch der scharfen Kritik ua der kann. Auch ohne Zugriff auf durch das Verschwiegenheits-
europäischen Rechtsanwaltskammern und des CCBE be- gebot geschützte Informationen können durch missbräuch-
gründet liegen (s unter anderem damalige ÖRAK-Stellung- liche Instruktionen einzelne AnwältInnen oder die Kam-
nahme, per QR-Code unter diesem Artikel abrufbar). mern unter Druck gesetzt werden.
Die Europäische Kommission hat als weiteren Baustein Zum anderen sieht das mehrstufige Verfahren gegen
eine Verordnung für ein einheitliches EU-Regelwerk für nationale Überwachungsbehörden im nicht-finanziellen
die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinan- Sektor durch die europäische Aufsichtsbehörde auch die
zierung vorgeschlagen. In diesem sollen bestimmte GW-/ Möglichkeit verbindlicher Entscheidungen vor.6 Nach ei-
TF-Vorschriften EU-weit harmonisiert werden, so zB zu
Customer Due Diligence, wirtschaftlichen Eigentümern,
PEPs und zum Umgang mit Drittländern. Daneben sollen 4 Siehe Art 38 Vorschlag 6. Geldwäsche-RL.
5 Siehe ErwGr 69 AML-RL-Vorschlag.
auch Bargeldtransfers von mehr als € 10.000,– unterbunden 6 Siehe Art 32 AMLA-VO-Vorschlag.
österreichisches anwaltsblatt 09_2021Sie können auch lesen