BUND MAGAZIN - AGRARWENDE JETZT 01 19 - Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland

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BUND MAGAZIN - AGRARWENDE JETZT 01 19 - Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
BUND        FAKTEN, ANALYSEN,
           AKTIONEN UND TIPPS
         FÜR UMWELTBEWUSSTE
                                01
                                19

MAGAZIN
                WIE WEITER?
                       Votum der
                Kohlekommission

                  GUTER RAT
           Vogelschlag vermeiden
                    Grüner Strom
                 Asyl für Insekten

    AGRARWENDE
                  JETZT
    EU-Landwirtschaft reformieren
BUND MAGAZIN - AGRARWENDE JETZT 01 19 - Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
BUNDstiftung
         Wildnis schaffen, NAtur bewahren

                                                             © Fotolia/kyslynskyy

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                                Jetzt kostenfrei un
Nicole Anton                                        ellen!
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BUNDmagazin 1 | 19   ›   INHALT 3

                                           INHALT
  17

                                                                                           10

                                                                     J. Farys                             LIEBE LESERINNEN
                                                                                                             UND LESER,

                                                                                                     ein niedliches Hausschwein als Titelheld,
                            31                                                                       dazu propere Hühner bei der Futtersuche
                                                                                                    im Gras, zum Auftakt unseres Titelthemas
                                                                                                     Landwirtschaft auf Seite 10: Verletzt eine
                                                                                Stefan Börnecke

                                                                                                    Redaktion, die derart schönfärbt, nicht ihre
                    M. Post/GdO

                                                                                                          journalistische Sorgfaltspflicht?
                                                                                                     Hat sie nicht einfach das Thema verfehlt,
                                                                                                    angesichts dessen, was unseren Hühnern,
                                                                                                        Schweinen und Rindern heute in der
  AKTUELLES                                                  ZUR ZEIT
                                                                                                        industriellen Tierhaltung widerfährt?
4 Kurznachrichten                                         26 Umwelt und Digitalisierung
                                                                                                       Andererseits: Wer mag schon ein Heft
7 Gerettete Landschaft                                    27 Atomkraft: Risiken ausgeblendet
                                                                                                       aufschlagen, dessen Cover einem das
8 Kommentar                                               28 Klimaschutz und Verkehr
                                                                                                     ganze Elend der Nutztiere entgegenhält?
                                                          29 Demos für den Klimaschutz
                                                                                                           Trotz unserer Heile-Welt-Bilder
     TITELTHEMA                                           30 Grünes Band wird Naturmonument
                                                                                                     verschließen wir nicht die Augen vor dem
10   Agrarwende jetzt                                     31 Schmetterling und Libelle des Jahres
                                                                                                     massenhaften Tierleid. Davon können Sie
12   Landwirtschaft reformieren
                                                                                                       sich im Heftschwerpunkt überzeugen.
14   Interview: Das geht auch anders                         NATUR IM PORTRÄT
16   Agrarökologie: Mehr als Ökolandbau                   32 Amphibien auf Wanderschaft
                                                                                                      Einer der ersten, der auf Missstände in
17   Wir machen was                                       34 Diepholzer Moorniederung
                                                                                                    der Tierhaltung hinwies, war Horst Stern.
18   Gentechnik: Alte Heilsversprechen
                                                                                                    Der Journalist und Filmemacher bewegte
19   Pestizide: Genauer hinkucken!                           AKTIV
                                                                                                     Anfang der 70er Jahre mit der TV-Serie
                                                          36 Sabine Wiedmann im Gespräch
                                                                                                      »Sterns Stunde« die Nation – auch mit
   AKTIONEN                                               38 Neues aus dem BUND
                                                                                                       Filmen zum Rind, Schwein und Huhn.
22 Rette unser Wasser                                     40 Internationales
                                                                                                     1975 gründete er mit Weggefährten wie
23 Kohle: Wald und Dörfer sichern                         42 Die junge Seite
                                                                                                     Bernhard Grzimek den BUND. Am 17.1.
                                                                                                     starb er in hohem Alter. Seinem Pionier-
   GUT LEBEN                                                 SERVICE
                                                                                                      geist hat der BUND viel zu verdanken.
24 Was tun gegen Vogelschlag?                             44 Leserbriefe
                                                                                                    Wir werden sein Andenken in Ehren halten.
25 Stromwechsel + Insektenburg                            46 Marktplatz
                                                          48 Medien: Neu erschienen
                                                          50 Kontakte und Impressum

                                                                                                                   Severin Zillich
                                  Das BUNDmagazin ist die                                                              Redaktion
                                  Mitgliederzeitschrift des BUND.
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4 BUNDmagazin 1 | 19   ›   AKTUELLES

                                                                                AKTUELLES
WIR STREIKEN, BIS IHR HANDELT!
Die globale Untätigkeit beim Klimaschutz                                                         for Future« inspirierte sie viele Schülerin-
treibt immer mehr junge Menschen auf                                                             nen und Schüler in anderen Ländern.
die Straße – zunehmend auch in unseren                                                              Am 26. November starteten Aktive der
Städten.                                                                                         BUNDjugend den ersten Streik in Berlin.
»Deutschland gibt sich international als                                                         Mit 200 Schüler*innen demonstrierten sie
Klimaschützer, schafft es aber nicht, sei-                                                       vor dem Ministerium für Wirtschaft und
ne eigenen Klimaziele einzuhalten. Dabei                                                         Energie. Sie forderten rasch aus der Kohle
geht es um nichts weniger als unsere Le-                                                         auszusteigen und das Klima besser zu
bensgrundlage. Wir möchten in einer Welt                                                         schützen. Seitdem unterstützt die BUND-
leben, in der uns nicht ständig Stürme,                                                          jugend alle, die selbst einen Klimastreik in
Hochwasser oder Dürren drohen«, so Ani                                                           ihrer Stadt organisieren wollen – siehe
Ortiz, Berliner Schülerin einer 9. Klasse.                                                       die Kurzanleitung unter bundjugend.de/
Jakob Blasel, 18-jähriger Mitorganisator       Streikende Jugendliche am 25. Januar in Berlin.   klimastreik. Mitte Dezember erfasste der
des Schulstreiks in Kiel, bekräftigt: »Ich                                                       Schulstreik 14, Ende Januar schon über
streike hier, bis ihr handelt. Es bringt mir   Greta Thunberg. Die Schwedin ging im              50 deutsche Städte. Weitere Streiks sind
nichts, für die Zukunft zu lernen, wenn        Sommer drei Wochen lang nicht zur Schu-           in Planung!
diese jetzt gerade verspielt wird.«            le. Stattdessen setzte sie sich mit ihren
  Von Schweden bis Australien streiken         Schulbüchern vors Parlament – als Auf­
Schüler*innen für den Klimaschutz. Be-         forderung an die Regierung, mehr für den                   MEHR ZUM THEMA
gonnen hat die weltweite Bewegung der
»Climate Strikes« mit der 15-jährigen
                                               Klimaschutz zu tun. Seitdem streikt Greta
                                               jeden Freitag. Mit ihrem Motto »Fridays
                                                                                                   i      Eine Übersicht der nächsten Streik­
                                                                                                          termine bietet fridaysforfuture.de

DIE ZAHL:
1 BILLION EURO
Was sind eigentlich die wahren Kosten
des Verkehrs? Jetzt gibt es eine Zahl:
europaweit 1000 000 000 000 Euro jedes
Jahr, in Worten: eintausend Milliarden!
Diese Zahl veröffentlichte die Europäi-
sche Kommission kurz vor Weihnachten
                                               Besonders teuer: der Straßenverkehr
– ein Vorab-Ergebnis ihrer Studie zu den       – im Bild die Brüsseler Innenstadt.
negativen Effekten des Verkehrs auf Um-        (Das Flugzeug ist nur Montage ...)
welt und Gesundheit, auf die Luftqualität
und das Klima.                                 Verkehrsträger ließ die Kommission fer-             Bei Weitem am teuersten schlägt der
Als weitere Kosten für die Allgemeinheit       ner untersuchen, wer für die externen             Straßenverkehr zu Buche, er verursacht
überschlug die Studie, wie viel Geld die       Kosten aufkommt. Und egal, ob Straße,             drei Viertel der ermittelten Gesamtkosten.
Infrastruktur für den Verkehr benötigt,        Schiene oder Flugverkehr: Die Kosten tra-         1 Billion Euro sind übrigens fast sieben
und berücksichtigte auch Unfälle, Staus        gen nur zu einem kleinen Teil die Nutzer,         Prozent des Bruttosozialprodukts aller 28
und Verspätungen. Für jeden einzelnen          zum größten Teil aber jede*r von uns.             EU- Mitgliedsstaaten.
BUND MAGAZIN - AGRARWENDE JETZT 01 19 - Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
Bücher für Garten & Haus
                                                           BUNDmagazin 1 | 19   ›   AKTUELLES 5

                                                                                                  Anders gärtnern. Margit Rusch 94 S.,               13,95 €
                                                                                                  Mein Selbstversorger-Garten. K. Forster 125 S.     15,95 €
                                                                                                  Mein kleiner Permakultur-Garten. J. Chauffrey 94S. 14,95 €

                                                                Ralf Goehring
                                                                                                  Naturkeller. C. Lorenz-Ladener 139 S., geb.          19,90 €
IN EIGENER SACHE                              Neue Anschrift
                                              Vermissen Sie schon die Zuwendungs-
                                                                                                  Kleine Baumhäuser. D. Stiles 93 S.
                                                                                                  Ideenbuch Garten. P. Himmelhuber 124 S.
                                                                                                                                                       12,95 €
                                                                                                                                                       15,95 €

Neue Beiträge                                 bescheinigung für Ihren Mitgliedsbeitrag
Wie wir Ihnen im BUNDmagazin schon            2018? Wir verschicken sie in Kürze, am
mitgeteilt haben, hat der BUND 2018 zum       20. Februar. Der Grund für die Verspätung
ersten Mal seit 30 Jahren seine Mitglieds-    ist, dass die Bundesgeschäftsstellen von
beiträge angepasst. Die neuen Beiträge        BUND und BUNDjugend kürzlich umge-
hier noch einmal im Überblick:                zogen sind. Dieser Kraftakt führte – auf
                                              Bahn-Deutsch gesagt – zu unvermeid­
                                                                                                  Trockenmauern f. d. Garten. Spitzer, Dittrich 93 S. 13,95 €
 Art der Mitgliedschaft     neuer             lichen Verzögerungen im Betriebsablauf.             Permakultur im Hausgarten. J. Gampe 141 S.          16,95 €
                            Jahresbeitrag                                                         Spalierobst im Hausgarten. P. Himmelhuber 109 S. 14,95 €
                                              Wir bitten freundlich um Nachsicht!
 Einzelmitgliedschaft       ab 60 €              Nach 18 Jahren am Köllnischen Park in
 Familienmitgliedschaft     ab 72 €           Berlin-Mitte bezogen die hauptamtlichen
 Ermäßigte Mitgliedschaft   ab 24 €           Mitarbeiter*innen des Bundesverbands
                                              Ende Januar ihr neues Domizil in Berlin-­
Bis Ende März wird diese Anpassung nun        Moabit. Es ist einige Kilometer weiter im
umgesetzt sein – wir danken für Ihr Ver-      Westen gelegen, direkt an der Spree. Sie
ständnis. Ihr Beitrag garantiert so auch in   finden uns nun in der Kaiserin-Augusta-­
                                                                                                  Dächer begrünen. Gernot Minke 93 S.                  14,95 €
Zukunft, dass der BUND schlagkräftig und      Allee 5, 10553 Berlin. Mailadressen und             Kompost-Toiletten. W. Berger 102 S., geb.            17,95 €
finanziell unabhängig bleibt.                 Telefonnummern sind die alten geblieben.            Lauben und Hütten. C. Lorenz-Ladener 158 S.          16,95 €

NACHRUF: MATHIAS GRÜNWALD
                                              BUND aktiv. Neben seinem vielfältigen
                                              Engagement für die Kreisgruppe Neu-                 Milchsauer eingelegt. Cl. Lorenz-Ladener, 117 S. geb. 16,95 €
                                              brandenburg stand er seit 2002 dem Lan-             Backöfen in Haus u.Garten. Spitzer, Dittrich 94 S. 14,95 €
                                                                                                  Das Holzbackofen-Kochbuch. H.u.D. Jones 128 S. gb. 19,95 €
                                              desverband vor. Auch setzte sich Mathias
                                              Grünwald im Bundesarbeitskreis Natur-
                                              schutz, im Verbands- und Gesamtrat des
                                              BUND ein. Außerdem war er Präsident der
                                              Deutschen Naturschutzakademie.
                                                Ein besonderes Anliegen war dem ge-
Überraschend verstarb mit 63 Jahren           bürtigen Kieler die Landschaftspflege und
Mitte Januar der Landesvorsitzende des        der Naturschutz, hier legte er selbst gerne         Möbel aus Wildholz. Daniel Mack 141 S.             16,95 €
BUND in Mecklenburg-Vorpommern.               Hand an. Den BUND hat sein plötzlicher              Steine kreativ bemalen. F. Sehnaz Bac 93 S.        13,95 €
                                                                                                  Terrassen u. Decks aus Holz. P. Himmelhuber 102 S. 14,95 €
Der Hochschullehrer für angewandte Zoo­       Tod erschüttert. Wir werden ihn als Men-
logie, Tierökologie und Naturschutz war
seit Jahrzehnten auf allen Ebenen für den
                                              schen und engagierten Vorsitzenden sehr
                                              vermissen.
                                                                                                    ökobuch                    Verlag &
                                                                                                                                Versand
                                                                                                                                 GmbH
                                                                                                                                          Postfach 1126
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                                                                                                       Katalog anfordern oder gleich im Shop bestellen:
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6 BUNDmagazin 1 | 19   ›   AKTUELLES

                                            KURZ & GUT
        »Only bad news
          is good news«
     heißt es, vor allem                                                          Länger haltbar: Mitgliedsstaaten
schlechte Nachrichten                                                             und EU-Kommission haben die
                                                                                  Hersteller von Produkten wie Fern-
   erregen also unsere                      Fünf Prozent Waldwildnis: Auf         seher, Kühlschrank oder Waschma-
      Aufmerksamkeit.                       26 500 Hektar Wald sollen in Thü-     schine erstmals dazu verpflichtet,
                                            ringen künftig die Sägen ruhen.       deren Reparatur zu erleichtern. Zu
  Doch positive Neuig-                      Zwei Drittel dieser Fläche hat die    den neuen Ökodesign-Vorgaben
   keiten aus unserem                       Forstwirtschaft bereits geräumt,      zählt, dass Geräte einfacher aus-
                                            zum Beispiel in dem Nationalpark      einanderzubauen und Ersatzteile
 Verband und aus dem                        Hainich. Bis Ende 2029 werden nun     sowie Informationen zur Reparatur
   Umwelt- und Natur-                       über 30 Waldgebiete zu »Urwäldern«    bereitzustellen sind – ein wichtiger
                                            rückgebaut – das größte im Possen-    Schritt für die nachhaltige Produkt­
schutz tun einfach gut.                     wald bei Sondershausen. Thüringen     gestaltung.
Einige aus jüngster Zeit                    erfüllt mit diesem Beschluss als
                                            erstes Bundesland eine langjährige
  haben wir wie immer                       Forderung des BUND. Im Gegenzug
    für Sie ausgewählt.                     entschädigt es die Forstwirtschaft
                                            mit 750 000 Euro pro Jahr.

           6,8
      PROZENT
                                            Flussnatur gerettet: Unterstützt
                                            vom BUND-Partner »Friends of the
                                            Earth Bosnien-Herzegowina« ge-
                                                                                     FREI VON
                                                                                    PESTIZIDEN
                                                                                  Schon über 460 Städte und Ge-
                                                                                  meinden verzichten bei der Pflege
                                            lang es den Bewohnern des Dorfes      ihrer Grün- und Freiflächen auf
Mitgliederrekord: Zum Jahresende freute     Kruščica im Dezember, zwei Was-       chemisch-synthetische Pestizide.
sich der BUND über exakt 440 849 Mit-       serkraftwerke gerichtlich zu ver-     Seit dem Sommer 2016 ruft der
glieder – 6,8 Prozent mehr als im Vorjahr   hindern. Diese hätten Trinkwasser-    BUND Kommunen dazu auf, etwas
und so viele wie noch nie! Besonders        quellen bedroht und den noch natur-   gegen das Insektensterben zu tun.
unsere kleinen Landesverbände konnten       nahen Lauf des gleichnamigen          In den letzten zwölf Monaten hat
überproportional zulegen. Mitsamt aller     Flusses zerstört. Um den Bau zu       sich die Zahl der pestizidfreien
Spenderinnen und Förderer zählt der         verhindern, hatten die Anwohner       Städte und Gemeinden nun ver-
BUND nun weit über 600 000 Unterstüt-       monatelang Tag und Nacht Wache        fünffacht. Informationen dazu­–
zer*innen. Ihnen allen unser bester Dank    am Fluss gehalten. Viele Flüsse auf   etwa ein Ratgeber für interessierte
für Ihr Be­kenntnis zum Schutz von Natur    dem Balkan sind akut durch Stau-      Kommunen – unter: www.bund.net/
und Umwelt!                                 dämme gefährdet.                      pestizidfreie-kommune
BUND MAGAZIN - AGRARWENDE JETZT 01 19 - Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
GERETTETE
            LANDSCHAFT
           Der BUND Lübeck übernahm vor etwa dreißig Jahren eine brach
    gefallene Nasswiese bei Bliestorf im Südosten der Hansestadt. Hier blühten auf
etwa einem Hektar nur noch weniger als zwanzig Exemplare des Breitblättrigen Knaben-
     krauts. Durch jährliche Mahd gelang es der Kreisgruppe, die einst artenreiche
       Orchideenwiese zu neuem Leben zu erwecken. In einigen Wochen werden
         hier wieder ein- bis dreitausend Knabenkräuter blühen, mit w
                                                                    ­ eiteren
               gefährdeten Arten wie Fieberklee oder Kleiner Baldrian.
                                                                                       Reinhard Degener
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                                              KOMMENTAR

              KOMPROMISS
               FÜRS KLIMA
          Nach zähen Verhandlungen
      hat die Kohlekommission einen
      Kompromiss zustande gebracht.
                                                                                                                      HUBERT WEIGER
        Die Zustimmung dazu ist dem
                                                                                                              Der Vorsitzende des BUND war
           BUND nicht leichtgefallen.                                                                         Mitglied der Kohlekommission.

W      ie oft mussten wir schon leidvoll erfahren, dass die Inte-
       ressen des Natur- und Klimaschutzes im politischen All-
tag unter die Räder kommen. Auch und gerade in der deutschen
                                                                     der BUND kämpft seit Jahren auch juristisch dagegen. Und das
                                                                     Kraftwerk Jänschwalde in der Lausitz, eine der größten deut-
                                                                     schen Dreckschleudern, soll 2025 ersetzt oder stillgelegt sein.
Klimapolitik. Über viele Jahre verzeichnete sie kaum einen             Bis spätestens 2030 sollen alle alten Kohlekraftwerke vom
Fortschritt: ungenügende Ziele, zu schwache Maßnahmen, kei-          Netz. Die Kraftwerksleistung wird dann von 42 auf 17 Gigawatt
ne CO2-Minderung. Als Eingeständnis ihres langen Versagens           gesenkt sein. Damit können auch alle Dörfer gerettet werden, die
berief die Große Koalition im Herbst eine Kommission, die über       noch vom Tagebau bedroht sind.
den Ausstieg aus der Kohle und den damit verbundenen Struk-
turwandel beraten sollte. Als einer von drei Vertretern der Um-      ZU SPÄT, ZU VAGE
weltverbände wurde ich für den BUND zur Mitarbeit eingeladen.        Klar ist aber auch: Für die Umsetzung des Pariser Klimavertrags
Mein Ziel war, den Kohleausstieg zu besiegeln und den klima-         liefert der Beschluss viel zu wenig. Das Enddatum 2038 mit der
politischen Stillstand aufzubrechen.                                 Option, es auf 2035 vorzuziehen, ist schlicht unzureichend. Und
                                                                     der Ausstiegspfad ab 2023 wurde nicht konkret beschrieben. In
VIEL DURCHGESETZT                                                    einem Minderheitenvotum haben wir uns deshalb von diesen
Nach vielen Sitzungen und langem Ringen kam die Kommission           beiden Punkten klar distanziert.
am frühen Morgen des 26. Januar zu einem Ergebnis. Auch ich             Außerdem wird es jetzt zentral darauf ankommen, wie die Bun-
und meine Mitstreiter von Greenpeace und dem Deutschen Na-           desregierung und auch die Landesregierungen den Beschluss
turschutzring stimmten dem Kompromiss im Grundsatz zu. Eine          der Kommission umsetzen. Die Bundesregierung muss einen
Entscheidung, die uns – ehrlich gesagt – nicht leichtgefallen ist.   klaren Pfad festlegen, der zumindest sicherstellt, dass Deutsch-
Unser Ja galt dem ersten wichtigen Schritt, der jetzt – endlich –    land seine Klimaziele erreicht. Spätestens das Jahr 2023 (wenn
in Richtung Kohleausstieg gegangen werden soll.                      der Kommissionsbeschluss überprüft wird) muss genutzt wer-
   Wir konnten durchsetzen, dass im Rheinland alte Braunkohle-       den, um den klimapolitischen Ehrgeiz deutlich zu erhöhen.
kraftwerke mit einer Leistung von drei Gigawatt vom Netz gehen.         Der Kohlekompromiss ist der Auftakt zum Ende der Kohle. Die-
Und dass das, was vom wertvollen Hambacher Wald verschont            ses Ende wird deutlich früher kommen, als die Kohlekommission
geblieben ist, erhalten werden soll. Das heißt auch: Deutschlands    festlegen wollte – davon bin ich überzeugt. Die Arbeit für uns vom
größter Tagebau wird hier in wenigen Jahren zum Stillstand           BUND geht daher unvermindert weiter: dafür, den Kompromiss
kommen – statt (wie bisher geplant) erst 2040.                       nun konsequent umzusetzen, schneller aus der Kohle auszustei-
   Zugleich soll es keine neuen Tagebaue mehr geben. Auch neue       gen, den Hambacher Wald und die von den Baggern bedrohten
Kohlekraftwerke sollen in Deutschland nicht mehr anlaufen.           Dörfer zu retten und die erneuerbaren Energien voranzutreiben.
Das beinahe fertige, 1000 Megawatt große Kraftwerk Datteln 4         Der Wind hat sich gedreht, er bläst der Kohle nun noch schärfer
und ein geplanter Neubau in Stade wären damit Geschichte –           ins Gesicht – ein Verdienst der gesamten Klimabewegung!
BUND MAGAZIN - AGRARWENDE JETZT 01 19 - Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
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BUND MAGAZIN - AGRARWENDE JETZT 01 19 - Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
10 BUNDmagazin 1 | 19   ›   TITELTHEMA

                                         AGRAR
                                    WENDE
                                         JETZT
Stefan Börnecke
So gut wie diesen Demeter-Hühnern
auf dem Bauckhof bei Uelzen geht es
in Deutschland nur ganz wenigen Nutz-
tieren. Tageslicht, genügend Auslauf,
artgerechtes Futter, eine natürliche
Umgebung – davon können die meisten
unserer Hühner, Schweine und Rinder
nur träumen. In Massen eingepfercht,
oft verstümmelt, mit Kraftfutter und
(häufig) Medikamenten vollgestopft,
fristen sie ihr erbärmliches Dasein als
Fleisch-, Eier- oder Milchlieferanten
der Agrarindustrie.

Während sich in immer größeren
Ställen Millionen von Tieren drängen,
verödet draußen die Kulturlandschaft.
Auf weiter Fläche erwartet uns in
einigen Wochen ein stummer Frühling.
Wildpflanzen, Insekten und Vögel
haben das Feld geräumt, ihr Lebensraum
ist vielerorts verschwunden. Der Preis
ist hoch, den wir für billige Nahrungs-
mittel zahlen. Zu hoch, meint der BUND.
Lesen Sie auf den nächsten Seiten,
warum die Agrarwende jetzt wirklich
fällig ist. Und welche Weichen die EU
und die deutsche Bundesregierung
dafür stellen müssen.
12 BUNDmagazin 1 | 19   ›   TITELTHEMA

                                               LANDWIRTSCHAFT

       JETZT
REFORMIEREN!
                                                                                                                         AGRAR
Die Agrarpolitik der EU hat die deut-                                                                                   WENDE
sche und europäische Landwirtschaft                                                                                     JETZT
in eine Sackgasse manövriert. Mit der
fortschreitenden Industrialisierung unterhöhlt
sie das eigene Fundament – fruchtbare Böden, biologische
Vielfalt, gesunde Nutztiere. Der BUND fordert eine rasche
Reform, ökologisch und sozial.

                  TILMAN UHLENHAUT                                                  CHRISTIAN REHMER

                  ist Sprecher des Arbeitskreises Landwirtschaft.                   leitet die Agrarpolitik des BUND.

B    äuerinnen und Bauern haben in unserer Gesellschaft nicht
     nur die Aufgabe, hochwertige Lebensmittel herzustellen.
Sie sollen auch vielfältige und artenreiche Landschaften be-
                                                                    TIERHALTUNG UMBAUEN
                                                                    Nicht nur auf den Äckern sieht es oft düster aus. Auch in den
                                                                    Ställen liegt vieles im Argen. In der Tierhaltung übliche Verfahren
wahren, den Boden für künftige Generationen fruchtbar halten,       sind damit verbunden, dass Nutztiere standardmäßig verstüm-
Arbeitsplätze auf dem Land schaffen und dabei das Wohl von          melt werden: Da werden Ferkelschwänze und Hühnerschnäbel
Mensch, Tier und Pflanze beachten. Beitragen sollen sie ferner      kupiert – und Ferkel ohne jede Betäubung kastriert. Ende 2018
zu sauberem Trinkwasser und lebendigen Dörfern.                     verschob die schwarzrote Mehrheit im Bundestag das Verbot
Doch diese Erwartung erfüllt die Landwirtschaft immer seltener.     dieser grausamen Praxis für weitere zwei Jahre. Und das, ob-
Im Gegenteil: Sie schädigt heute Natur und Umwelt teilweise         wohl die Fleischbranche fünf Jahre Zeit hatte, um schmerzarme
ganz erheblich. Wo chemisch-synthetische Pestizide eingesetzt       Alternativen einzuführen – ein Skandal!
und Düngemittel im Überschuss verwendet werden, schwindet             Vielerorts wächst der Widerstand gegen riesige Ställe und
die Vielfalt der Agrarlandschaft schnell: Ehemals weit verbreite-   enorme Tierzahlen. Viele BUND-Gruppen und Bürgerinitiativen
te Vögel wie Rebhuhn (minus 95 Prozent in 25 Jahren), Kiebitz       engagieren sich gegen neue Mastanlagen. In einigen Regionen
(minus 75 Prozent) oder Feldlerche (minus 35 Prozent) nehmen        Deutschlands ist die Belastung des Grundwassers durch Gülle
im Bestand stark ab. Schmetterlinge, Bienen und andere Insekten     sowie Gärreste aus Biogasanlagen so groß, dass das Nitrat im
finden heute kaum noch Nahrung. Bei lokalen Untersuchungen          Trinkwasser seit Jahren deutlich die Grenzwerte übersteigt.
brach die Menge der Fluginsekten in nur fünfzehn Jahren um 80         Wir brauchen also dringend eine sozial-ökologische Agrarwende
Prozent ein.                                                        – weg von instabilen und anfälligen Hochleistungssystemen mit
                                                                    Massenproduktion und Überschüssen; hin zum ökologischen
BUNDmagazin 1 | 19   ›   TITELTHEMA 13

Anbau, der Bäuerinnen und Bauern eine Zukunft bietet und unsere

                                                                      DREI
Ernährung sichert. Die Agrarpolitik muss dafür die Weichen stel-
len. Sie muss denen, die unsere Lebensmittel erzeugen, helfen,
ihre Wirtschaftsweise nachhaltig und grundlegend zu verändern.

                                                                                                                                          P. Schmenger
  Sei es die Förderung des Ökolandbaus passend zum Ziel der
Bundesregierung (20 Prozent im Jahre 2030); oder sei es der           FRAGEN
Umbau der Nutztierhaltung hin zu artgerechten Ställen und zur
Weidehaltung: Das alles kostet Geld. Und das können weder die
Bauern und Bäuerinnen allein finanzieren, noch wir alle komplett
                                                                      AN …
über die Einkaufspreise tragen. Was von unserem Steuergeld in
                                                                      Lutz Ribbe, stellvertretender
die Fördertöpfe der Landwirtschaft fließt, muss deshalb viel ge-
zielter die Agrarwende unterstützen.                                  Sprecher des BUND-Arbeitskreises
                                                                      Landwirtschaft und seit 20 Jahren
LEISTUNG STATT FLÄCHE BELOHNEN
58 Milliarden Euro gibt die EU jedes Jahr für ihre Agrarpolitik aus   Mitglied im Europäischen Wirt-
– 114 Euro von jedem von uns. Doch das Geld ist ungerecht ver-
                                                                      schafts- und Sozialausschuss.
teilt: Wer viel Fläche hat, bekommt viel. 80 Prozent des Geldes
landen deshalb bei nur 20 Prozent der Betriebe. Gesellschaftlich
gewünschte Leistungen werden hingegen kaum honoriert.                 Wie stark sind die Chemie-          Es ist absurd: Der Europäi-
  Der BUND fordert daher eine Reform, die das Geld gezielt in         und Agrarlobby in Brüssel?          sche Rechnungshof übt
Umwelt-, Natur- und Klimaschutz, in das Tierwohl und die Erhal-       Überall dort, wo Geld verteilt      offen scharfe Kritik an den
tung bäuerlicher Betriebe steckt. Wir wollen, dass für jeden Euro     und gesetzliche Rahmen fi-          Flächenprämien. Doch der
aus Brüssel gilt: öffentliches Geld nur für öffentliche Leistungen!   xiert werden, sind die Lobby-       Ministerrat diskutiert dessen
Künftig darf es kein Geld mehr bloß dafür geben, dass sich            isten der Chemie- und Agrar-        Argumente nicht einmal.
jemand an die Gesetze hält. Die EU sollte Leistungen für den          industrie präsent. In Brüssel
Schutz von Natur, Klima und Tieren vergüten, da sich damit am         sind sie perfekt vernetzt.          Was muss sich neben der
Markt kein Gewinn erwirtschaften lässt.                               Dennoch erscheint mir               Verteilung des Geldes vor
  Was die EU-Kommission aber für die künftige EU-Agrarpolitik         ihr Einfluss auf nationaler         allem ändern?
vorschlägt, ist völlig unzureichend. Denn die mächtige Agrarlobby     Ebene stärker. Oft entwickelt       Agrarpolitik muss mehr sein,
hält an der pauschalen Flächenprämie fest, auch Agrarministerin       die EU ja durchaus umwelt-          als nur Geld gerechter zu
Klöckner. Gleichzeitig drohen die wenigen guten Vorschläge            politisch sinnvolle Vorschlä-       verteilen. Wichtig wären
weiter verwässert zu werden. Um für die nächste Förderperiode         ge, die dann erst von den           Ordnungsmaßnahmen, um
(ab 2021) trotzdem Positives zu erreichen, muss zum Beispiel          Regierungen der Mitglieds-          die Märkte zu stabilisieren.
das von der EU geplante Instrument der Öko-Regelungen genutzt         staaten verhindert oder             Die konsequente Umsetzung
werden. Es bietet die Chance, Zahlungen auf Klima und Umwelt          massiv geschwächt werden.           des EU-Umwelt- und Tier-
zu konzentrieren und Leistungen der Bauernhöfe zu belohnen.                                               schutzrechtes könnte einige
Auch könnten so der Ökolandbau ausgebaut und die Tierhaltung          Wieso ist die pauschale             der schlimmsten Exzesse
umgebaut werden. Ebenso nötig ist es, die Prämien für die Groß-       Flächenprämie nicht längst          beenden. Und wenn sich
betriebe zu deckeln und kleine Bauernhöfe stärker zu fördern.         abgeschafft?                        Brasiliens neuer Präsident
  Wir alle sollten uns daher intensiv einmischen in die Debatte       Das ist ein klassischer Fall        vom Klimaschutz verab-
um die Zukunft der EU-Agrarpolitik. Die Wahl zum Europäischen         für erfolgreichen Lobbyismus.       schieden, am Amazonas die
Parlament im Mai ist dafür ein wichtiger Termin. Auf dem Weg          Und passt zu dem, was ich           Rechte der Indigenen verlet-
dorthin wird der BUND die agrarpolitische Ausrichtung öffentlich      eben ausgeführt habe:               zen und die Agrarindustrie
diskutieren und alle, die kandidieren, an ihre Verantwortung für      Die EU-Kommission zeigte            fördern will, muss die Han-
eine sozial-ökologische Reform erinnern.                              in den letzten 25 Jahren            delspolitik greifen. Brüssel
                                                                      immer wieder zaghafte               muss daher das geplante
                                                                      Ansätze, das System der             Handelsabkommen mit den
                                                                      Flächenprämien zumindest            Mercosur-Staaten (darunter
                                                                      partiell zu reformieren.            Brasilien) sofort stoppen.
         MEHR ZUM THEMA
  i      im neuen Agrar-Atlas unter www.bund.net/
         eu-agrarpolitik; Bezug der Druckversion gratis
                                                                      Stets scheiterte sie am
                                                                      Widerstand von Ministerrat
                                                                                                          In unsere Futtertröge dürfen
                                                                                                          keine Produkte aus solchen
         über info@bund.net, online: www.bund.net/agraratlas          und auch Europaparlament.           Ländern gelangen.
14 BUNDmagazin 1 | 19   ›   TITELTHEMA

                                                                                                     AGRAR

                                                                                                                                              M. Ruppaner
                                                                                              WENDE
                                                                                                   JETZT

                                                                Bäuerliche Landwirtschaft: Isabella Hirsch hat auf ihrem konventionellen Hof die
                                                                 Anbinde- durch eine Laufstallhaltung ersetzt und das Futter für ihre Kühe selbst
                                                             angebaut oder in der Region eingekauft. Schon lange verzichtet sie auf Totalherbizide
                                                                  wie Glyphosat. Streuobst und Fotovoltaik gehören zum wirtschaftlichen Erfolg.

                                                                                                                            INTERVIEW

                        DAS GEHT AUCH ANDERS
                                         Isabella, zuerst einmal: Wie kamst du zu           verbandes, wir glaubten noch an die heilige
  Die Agrarexpertin des                  diesem Hof?                                        Dreifaltigkeit – Bauernverband, Raiffeisen-
                                         Ich bin zwei Kilometer von hier geboren.           verband und CSU.
        BUND in Bayern,                  1990 habe ich meinen Mann geheiratet,
       Marion Ruppaner,                  mitsamt dem Bauernhof. Von Beruf bin               Und davon seid ihr abgekommen?
                                         ich Krankenschwester, habe das aber erst           Ja, vielleicht auch deshalb, weil ich Quer-
sprach in Mittelfranken                  eingeschränkt und schließlich ganz auf-            einsteigerin war und schon immer über
     mit Isabella Hirsch.                gegeben, als wir entschieden, den Hof im           regionale Wirtschaftskreisläufe nachge-
                                         Vollerwerb zu führen. Mein Mann hat ihn            dacht habe. Jedenfalls stand ich irgend-
       Diese betreibt mit                mit 22 Jahren von den Eltern übernom-              wann im Stall und fragte mich: Warum
      ihrem Mann einen                   men. Wir haben einen Milchviehlaufstall            kaufe ich eigentlich regionale Lebens-
                                         gebaut und diesen später noch erweitert,           mittel, und unsere Kuh frisst Soja aus
   konventionellen Hof                   sodass wir von anfangs 22 Kühen auf 80             Südamerika? Das kann ja wohl nicht sein!
 bei Feuchtwangen und                    Kühe wuchsen.                                         Um uns herum – im Bauernverband, im
                                           Damals meinten wir den Betrieb inten-            Landwirtschaftsamt, in der Ausbildung –
     ist Vorsitzende der                 siv führen zu müssen, mit hoher Milch-             lag der Fokus immer darauf, Menge zu
   Arbeitsgemeinschaft                   und Zuchtleistung. Als Ausbildungsbetrieb          produzieren. Wir begannen dann zu re-
                                         hatten wir Lehrlinge oder Studenten, die           flektieren, welche Schäden etwa der Soja-
   bäuerliche Landwirt-                  Hauptarbeit aber haben wir getan. Mein             anbau in Südamerika verursacht. Und be-
      schaft in Franken.                 Mann war damals Obmann des Bauern-                 schlossen: Das muss auch anders gehen.
BUNDmagazin 1 | 19   ›   TITELTHEMA 15

Da wir damals keine gentechnikfreie Soja       Wie alle Landwirte erhaltet ihr öffentliche   Betriebe sind bereit, umweltgerechter zu
bekamen, entschieden wir gar kein Eiweiß-      Zahlungen?                                    wirtschaften, wenn sie ihre Erzeugnisse
futter mehr zu importieren. Stattdessen        Richtig. Vor allem diese Direktzahlungen      richtig vermarkten können und angemes-
kauften wir regionalen Raps, bauten Klee,      steuern seit Langem die Landwirtschaft.       sen unterstützt werden.
Erbsen, Ackerbohnen und Luzerne an.            Der Bauernverband behauptet immer, das
                                               käme den kleinen Betrieben zugute. Doch       Was erwartest du von der Politik?
Wie groß ist eure Betriebsfläche?              das Geld landet bei den großen, das ist       Die Landwirtschaft ist ja nicht nur reine
19 Hektar sind Eigentum, und 60 Hektar         die Crux. Wer viel ausgeräumte Fläche be-     Produktion, sondern eine vielschichtige
pachteten wir dazu: halb Acker, halb Grün-     wirtschaftet, bekommt mehr als der, der       Lebensform, eine Agrarkultur, auf die wir
land, die ganze Ernte wurde an die Tiere       auf seinem kleinstrukturierten Land auch      uns rückbesinnen müssen. Da haben wir
verfüttert. Mit der Arbeitsbelastung kamen     noch Hecken, Randstreifen oder Obstbäu-       heute ethische Grenzen überschritten: das
wir damals an ein Limit: Man kann 60 bis       me bewahrt und dadurch viel mehr Arbeit       Schreddern der männlichen Küken, auch
80 Stunden pro Woche arbeiten, aber            hat. Wir von der AbL fordern, den Bauern,     die Bullenkälber des Milchviehs lohnt es
nicht auf Dauer. Ich war dann häufiger bei     die heute noch vielfältige, kleine Schläge    nicht mehr aufzuziehen; die Gentechnik
Treffen des Bauernverbands dabei, oft als      bewirtschaften, für ihre höhere Leistung      und der sorglose Umgang mit Totalherbi-
einzige Frau, und nicht immer gern gese-       auch mehr Geld zuzugestehen.                  ziden; oder der Humusverlust und Flächen-
hen. Aktiv wurde ich im Verband deutscher                                                    verbrauch … So kann’s nicht weitergehen,
Milchviehhalter, da war ich als politisch                                                    da muss sich gewaltig etwas ändern. Die-
interessierte Frau sofort akzeptiert.
  Trotz all der Arbeit aber fraß jede Milch-
                                               »Warum kaufe                                  se Welt liegt ja in unserer Verantwortung.
                                                                                             Wir müssen runter vom Gaspedal.
preiskrise unsere Rücklagen wieder auf.
Die Milchquote stützte den Preis noch ein
                                                 ich regional,                               Hast du einen Wunsch an die Mitglieder
bisschen – als 2003 ihr Ende beschlos-
sen wurde und wir Bauern für den Welt-         und unsere Kuh                                des BUND?
                                                                                             Zum einen, dass sie und alle Menschen

                                                frisst Soja aus
markt produzieren sollten, wussten wir:                                                      die Lebensmittel wieder mehr schätzen,
So können und wollen wir nicht arbeiten.                                                     da wird heute so viel weggeschmissen …
                                                                                             Ich will doch als Bäuerin nicht für die Müll-
Wie ging es dann weiter?
2011 gaben wir die Milchviehhaltung auf:
                                                Südamerika?«                                 halde produzieren!
                                                                                               Und ich wünsche mir wieder mehr Kon-
Die Pachtpreise stiegen ständig, dazu                                                        takt zur Landwirtschaft. Dass also nie-
kam die hohe Arbeitsbelastung, die wir         Der BUND unterstützt diese Umschichtung       mand einfach sagt: Der verschmutzt mit
nur mit mehr Technik hätten verringern         zugunsten der Umwelt. Warum geht da           seiner Gülle das Grundwasser! Sondern
können. Doch wollten wir uns nicht weiter      so wenig voran?                               dass beide Seiten das Gespräch suchen.
in die Abhängigkeit der Banken begeben.        Die Politik will das nicht. Bisher hat sie,   Auch viele Landwirte sehen den BUND als
Einer unserer Söhne plant später den Hof       beeinflusst vom Bauernverband, immer          Partner. Im Rahmen meines Bildungspro-
zu übernehmen. Er soll frei darin sein, ei-    die großen Strukturen favorisiert. Und sie    gramms im Winter lade ich Verbände wie
gene Ideen umzusetzen.                         hat dafür gesorgt, dass die vor- und nach-    den BUND, die Imker oder das »Netzwerk
   Wir entschieden dann Mastrinder auf-        gelagerte Industrie gut an der Landwirt-      Blühende Landschaften« ein. Echtes Ver-
zuziehen, auf Grünlandbasis. Unser Part-       schaft verdient. Natürlich ließe sich viel    ständnis füreinander entwickelt sich erst,
ner war die Bäuerliche Erzeugergemein-         ändern. Uns sagt man oft: Es liegt am Ver-    wenn man mehr vom anderen weiß.
schaft Schwäbisch Hall, an die wir zu ei-      braucher, der billig einkaufen will. Doch
nem besseren Preis verkaufen konnten.          welcher Verbraucher hat die Biogas-Ent-
   Seit letztem Frühjahr haben wir keine       wicklung gesteuert? Da hat die Politik ja
Tiere mehr – wegen längerer Krankheit,         auch gezielt Einfluss genommen.
und weil die Tierhaltung so aufwendig ist.
Wir haben die letzte Ernte zu Heu gemacht      Laut Bauernverband tragen vor allem
und schauen jetzt, wie es weitergeht.          Tierschutz und Umweltstandards heute
   Gleichzeitig haben wir alle Dächer mit      zum Bauernsterben bei …
Fotovoltaik bestückt. Seit 2014 führe ich      Die Vorschriften treffen vor allem kleine,
zudem den elterlichen Ferienwohnungs-          vielfältig wirtschaftende Betriebe und
                                                                                                                       Isabella Hirsch (links)
betrieb. Unser Einkommen speist sich also      Tierhalter hart. Doch die gesellschaft-
                                                                                                                       und Marion Ruppaner
aus mehreren Quellen.                          lichen Erwartungen verändern sich. Viele                                         im Gespräch.
16 BUNDmagazin 1 | 19   ›   TITELTHEMA

                                                 AGRARÖKOLOGIE
                            AGRAR
                        WENDTE                   MEHR ALS ÖKOLANDBAU
                             JETZ

      Wie sind ländliche
     Räume, Ernährung,
    Landwirtschaft und
      Natur harmonisch
      unter einen Hut zu
      bringen? Das fragt
   sich auch das BUND-
      Netzwerk »Friends                          Vorbildlich: 1988 gegründet, zählen zur Erzeuger-
                                                 Verbraucher-Gemeinschaft Landwege rund um Lübeck
                                                 etwa 30 ökologische Höfe, über 800 Mitglieder und
   of the Earth«. Warum                          mehr als 100 Mitarbeiter*innen. www.landwege.de

       die Agrarökologie                         Die Agrarökologie bietet nicht fertige Lö-          wächst ihr Zuspruch. Lokale Initiativen
   hierbei eine zentrale                         sungen, sondern einen Prozess: Ihre Ver-            und internationale Organisationen erken-
                                                 fahren werden von Indigenen entwickelt,             nen, dass sie vielfältige Vorteile bietet:
   Rolle spielt, erläutert                       von Bäuerinnen und Hirten, Fischerinnen             Frauen und jungen Menschen kommt eine
           Martin Drago.                         und anderen Kleinproduzenten.                       wesentliche Rolle zu. Agrarökologische
                                                                                                     Methoden können die Ernte stabilisieren
                 MARTIN DRAGO                    VIELE VORTEILE                                      und damit den Hunger bekämpfen.
                                                 Agrarökologie darf nicht mit Ökolandbau               Für unser Netzwerk »Friends of the
                 Koordinator des Netzwerks für   verwechselt werden. Beide Systeme äh-               Earth« ist die Agrarökologie ein zentraler
                 Ernährungssouveränität
                                                 neln sich zwar, doch liegt beim Ökoland-            Baustein für eine friedliche, gerechte und
                                                 bau der Fokus auf der Umweltverträglich-            umweltfreundliche Welt. Damit reicht ihre

A     grarökologie ist für uns eine Wissen-
      schaft, ein praktischer Erfahrungs-
schatz und eine soziale Bewegung. Wir
                                                 keit. Bei der Agrarökologie kommen dazu:
                                                 der Umbau des Lebensmittelsystems, ein
                                                 anderer Marktbegriff, veränderte Sozial-
                                                                                                     Bedeutung weit über Ernährung und Land-
                                                                                                     wirtschaft hinaus. Sie hat für uns eine ge-
                                                                                                     samtgesellschaftliche Dimension.
verfolgen dabei eine ganzheitliche und           und Machtbeziehungen. Die Agrarökologie
langfristige Vision mit dem Ziel der Ernäh-      konzentriert sich noch stärker auf die Be-
rungssouveränität. Damit meinen wir das          ziehung der Landwirtschaft zur Umwelt –
Recht der Völker, ihr eigenes Ernährungs-        und darauf, eine Kreislaufwirtschaft zu
system zu definieren und Strategien zu           entwickeln. Zu ihren Kernelementen zählt
entwickeln, wie sie Lebensmittel herstel-        die soziale Beteiligung, die Geschlechter-
len, verteilen und konsumieren wollen.           gerechtigkeit und die Bewahrung und
Agrarökologie erzeugt lokales Wissen,            Weiterentwicklung lokalen und traditio-
fördert soziale und Geschlechter-Gerech-         nellen Wissens. Dagegen ist der Ökoland-
                                                                                                     André Walther (2)

tigkeit, Identität und Kultur. Sie stärkt die    bau als zertifiziertes System enger an be-
ländlichen Regionen und macht sie wirt-          stehende Märkte gebunden, er schränkt
schaftlich lebensfähig. Agrarökologische         Bäuer*innen also stärker ein. Die Agrar-
Verfahren sind auch für Arme technisch           ökologie bietet lokale und partizipative
umsetzbar und erschwinglich. Sie sind            Chancen jenseits des Agrarhandels.
politisch, sozial und kulturell akzeptiert,
lokal angepasst und umweltverträglich.
                                                   In der Entwicklungszusammenarbeit
                                                 und in den Ländern des globalen Südens
                                                                                                                  i      WWW.BUND.NET/
                                                                                                                         AGRAROEKOLOGIE
BUNDmagazin 1 | 19   ›   TITELTHEMA 17

                                                                                                         tionell: Beim Natur- und Tierschutz bietet
                                                                                                         dieser Austausch neue Perspektiven.
                                                                                                         Wintertagungen: Viele Gespräche er-
                                                                                                         geben sich auch bei den Fachtagungen des
                                                                                                         »Agrarbündnisses M’burg-­Vorpommern«,
                                                                                                         die der BUND seit Jahren mit befreundeten
                                                                                                         Verbänden ausrichtet.
                                                                                                         Wiesenmeisterschaft: Viel Aufmerk-
                                                                                                         samkeit zollt der BUND der biologischen
                                                                                                         Vielfalt im Agrarland. So prämieren wir in
                                                                                                         Bayern – mit der Bayerischen Landesan-
                                                                                                         stalt für Landwirtschaft – jedes Jahr die
                                                                                                         schönsten und artenreichsten Wiesen:
                                                                                                         eine Anerkennung für jene, die wertvolle
J. Farys

                        Am 19. Januar gingen in Berlin wieder Zehntausende Menschen für eine bessere
                           Landwirtschaft auf die Straße. Zu den zentralen Forderungen zählte diesmal:   Wiesen so bewirtschaften, dass sie als
                          gutes Essen, klimagerechte Landwirtschaft und die Erhaltung der Bauernhöfe.
                                                                                                         vielfältiger Lebensraum erhalten bleiben.
                                                                                                         Streuobst: Ein besonders reicher Lebens-
                                                                              BUND AKTIV
                                                                                                         raum sind die Streuobstwiesen. BUND-­

           WIR MACHEN WAS
                                                                                                         Gruppen und Landesverbände sind hier-
                                                                                                         für vielerorts aktiv – vom Bodensee bis
                                                                                                         Flensburg. Hervorzuheben ist der BUND
                                                                                                         Lemgo mit seiner Datenbank zu mehr als
                                                                                                         3500 Obstsorten und allein über hundert
                                                                                                         Apfelsorten auf seinen Streuobstwiesen.
                                                                                                         Arbeitskreise: Wollen Sie eine bäuer-
           Seit Jahrzehnten engagiert sich der BUND für                                                  liche und naturverträgliche Landwirtschaft
           eine bessere Landwirtschaft, von der Saatgut-                                                 fördern? Dann sind Sie herzlich eingeladen,
                                                                                                         sich einem der Arbeitskreise des BUND
                initiative bis hin zur Großdemonstration.                                                auf der Bundes- und Landesebene anzu-
                  Hier eine Auswahl unserer Aktivitäten.                                                 schließen. Hier sammelt sich das Fach-
                                                                                                         wissen des Ehren- und Hauptamts.
Wir haben es satt: Auch diesen Januar             Neuland: Wie lassen sich unsere Nutz-
rief der BUND in einem großen Bündnis             tiere verantwortungsvoll halten? Dieser
zum Protest gegen die Agrarindustrie auf,         Frage geht der BUND u.a. beim Verein
parallel zur Grünen Woche. Ein bunter             »Neuland« nach, den er 1988 (mit)gründe-                 TIPPS
Demozug warb lautstark für eine umwelt-           te. Der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger
freundliche und tiergerechte bäuerliche           ist zugleich Vorsitzender von Neuland,                   Im Sinne einer naturverträglichen
Landwirtschaft. Im Vorfeld produzierten           das beweist die beiderseitige Verbunden-                 Landwirtschaft achten Sie bitte
BUND und Böll-Stiftung den »Agrar-­Atlas«.        heit. Damals wie heute zeigen wir Höfen,                 besonders darauf,
Er verdeutlicht, warum es sich lohnt, für         die ihre Tiere artgerecht halten wollen:                 •• möglichst oft Bioprodukte mit
eine bessere EU-Agrarpolitik zu kämpfen.          Eine bessere Tierhaltung ist möglich.                       regionaler und saisonaler
Massentierhaltung: Gegen eine be-                 Schafe: Der BUND selbst gibt ein Bei-                       Herkunft zu kaufen;
sonders hässliche Ausprägung der Agrar-           spiel: In Niedersachsen ist er unter die                 •• möglichst wenig Fleisch zu
industrie zieht der BUND seit Jahren vor          Schafhalter gegangen. Naturschutz und                       essen, und dieses aus
Gericht: die Massentierhaltung. Mit Klagen        die Bewahrung einer gefährdeten Rasse                       artgerechter Haltung;
gelang es mehrfach, neue Riesenställe zu          der Moorschnucke sind das Ziel in der                    •• möglichst wenige Lebensmittel
verhindern – etwa im brandenburgischen            Diepholzer Moorniederung.                                   zu verschwenden, also: gut zu
Haßleben. Wobei in der Regel nicht das            Landpartien: Wichtig ist uns die Nähe                       planen, Reste aufzubrauchen
Leid der Tiere gerichtlich anfechtbar ist,        zur Praxis. In NRW etwa besucht der                         und zu verarbeiten.
sondern die ungeklärte Entsorgung ihrer           BUND regelmäßig verschiedene Betriebe.                      Mehr dazu: www.bund.net/
Fäkalien oder die Belästigung der Nach-           Ob Tierhaltung, Obst- und Gemüseanbau,                      zu-bio-wechseln
barschaft.                                        Glashaus oder Freiland, bio oder konven-
18 BUNDmagazin 1 | 19   ›   TITELTHEMA

                                                                                                                 AGROGENTECHNIK

         AGRAR
       WENZDTE                                NEUE VERFAHREN –
            JET
                                         ALTE HEILSVERSPRECHEN
  Am 25. Juli 2018 ent-
schied der Europäische
                                                   D   as Urteil des Gerichtshofes hat die
                                                       neuen Verfahren nicht verboten, wie
                                                   Befürworter aus Industrie, Wissenschaft
                                                   und Medien suggerieren. Doch müssen
Gerichtshof: Auch neue                             die Risiken alter und neuer Gentechnik
gentechnische Verfah-                              im Sinne der Vorsorge gründlich über-
                                                   prüft werden, bevor sie draußen zum Ein-
ren (wie die Genschere

                                                                                                                                                www.demeter.de
                                                   satz kommen. Zudem sind alle derart
CHRISP/Cas) sind Gen-                              veränderten Organismen und Produkte zu
                                                   kennzeichnen, um die Wahlfreiheit von
  technik und entspre-                             Landwirten und Verbraucherinnen sicher-
   chend zu regulieren.                            zustellen.                                          Ökolandbau – aus Prinzip frei von Gentechnik.

 Der BUND begrüßt das                              GENTECHNIK UNTER DRUCK                        und klimaschädliche Landwirtschaft. Ei-
  Urteil und rüstet sich                           Mit seiner Entscheidung hat der Gerichts-     genschaften wie Dürreresistenz basieren
                                                   hof der Agrarindustrie einen ordentlichen     auf einem komplexen Zusammenspiel
  für den Gegenangriff                             Strich durch die Rechnung gemacht. Denn       verschiedener Gene, Steuerungsmecha-
  der Gentechniklobby.                             Bayer und Co hatten darauf gesetzt, die       nismen und der Umwelt. Sie erreicht man
                                                   neuen Gentechniken mit fadenscheinigen        viel eher durch klassische Züchtung.
                                                   Argumenten von der Risikoprüfung und
                                                   Kennzeichnung ausnehmen zu können             WIDERSTAND NÖTIG
                 MARTHA MERTENS                    und sie so auch in Europa marktfähig zu       Mit einem Bündnis aus Landwirt*innen,
                                                   machen. Nun erhöht die Gentechniklobby,       Wirtschaft und Zivilgesellschaft schaffte
                 ist die Sprecherin des Arbeits-
                 kreises Gentechnik.
                                                   unterstützt von Wissenschaftsvertretern,      es der BUND in den vergangenen Jahr-
                                                   den Druck auf die EU, das Gentechnik-         zehnten, dass in Deutschland keine gen-
                                                   recht aufzuweichen. Auch Agrarministe-        technisch veränderten Organismen ange-
                                                   rin Julia Klöckner kündigte bereits an,       baut werden. Diese Erfolgsgeschichte
                 SILVIA BENDER
                                                   sich für eine Deregulierung einzusetzen,      wollen wir fortsetzen. Nach wie vor lehnen
                 leitet die Abteilung              im Widerspruch zum Koalitionsvertrag.         79 Prozent der Deutschen die Agrogen-
                 Biodiversität des BUND.              Die Gentechnik-Befürworter behaupten,      technik ab, wie eine Studie des Bundes-
                                                   Europa verspiele mit einer strengen Regu-     umweltministeriums belegt. In den nächs-
                                                   lierung seine Innovationsfähigkeit. Gerade    ten Monate werden wir uns und alle Mit-
                                                   mit Blick auf den Klimawandel seien die       streiter*innen fit machen für den Konflikt
                                                   neuen Techniken nötig, um Pflanzen zum        um die neuen Gentechniken. Dazu wollen
                                                   Beispiel dürreresistent zu machen und         wir Workshops und Argumentations-
                                                   somit die Welternährung zu sichern.           material anbieten.
                                                      Doch das sind altbekannte Heilsver-
                                                   sprechen. Agrogentechnik – egal ob alt
                                                                                                           MEHR ZUM THEMA
                                                   oder neu – nutzt in erster Linie der Agrar-
                                                                                                   i
                                                                                                           Am 10. Mai findet ein BUND-interner
                                                   industrie. Sie macht Saatgut patentierbar               Workshop zu den neuen Gentechniken
                                                   und manifestiert die industrielle, umwelt-              statt: www.bund.net/gentechnik
BUNDmagazin 1 | 19   ›   TITELTHEMA 19

                                                 PESTIZIDE

                                                 GENAUER HINKUCKEN!
           Das derzeitige
   Zulassungsverfahren
     für Pestizide leistet
       nicht, was es soll:
                                                 blickwinkel/H.-J. Zimmermann

       Mensch, Tier und
     Umwelt umfassend
      vor Schäden durch
  Giftstoffe zu schützen.                                                           Wie lange noch? Im Westerwald spritzt ein Landwirt Glyphosat.

                                                 FATALE FOLGEN                                   komplettes Verbot steht weiter aus. Das
                KATRIN WENZ                      Viele Pestizide stehen im Verdacht, Krebs       derzeitige Verfahren schützt also Mensch,
                                                 zu erregen, die Fortpflanzung zu beein-         Tier und Umwelt nur unzureichend. Die EU
                BUND-Expertin für Agrarpolitik   trächtigen oder das Hormonsystem zu             muss es dringend reformieren.
                                                 stören. Noch nicht genügend untersucht
                                                 und besonders gefährlich könnten die lang-      BESSER PRÜFEN
                CORINNA HÖLZEL                   fristigen Folgen des hohen Gifteinsatzes        Gegenwärtig überprüft Brüssel seine Zu-
                                                 sein. Und die Wechselwirkung: Zahlreiche        lassungspraxis. Der BUND setzt sich für
                BUND-Expertin für Bienen         Lebensmittel enthalten Rückstände meh-          ein strengeres Verfahren und eine deut-
                und Pestizide
                                                 rerer Pestizide. Wie solche Giftcocktails       liche Reduktion der Pestizide ein. Ein klei-
                                                 wirken, ist nahezu unbekannt. Und falls es      ner Schritt ist bereits getan: In Zukunft
                                                 Studien dazu gibt, sie sind oft nicht frei      müssen Studien, die bei der Zulassungs-

U     m ihre Ernte zu steigern und Ausfäl-
      le zu vermeiden, nutzt vor allem die
Landwirtschaft große Mengen Pestizide.
                                                 zugänglich.
                                                    Pestizide sollen unerwünschte Tiere
                                                 und Pflanzen töten. Doch das verursacht
                                                                                                 behörde eingereicht werden, veröffentlicht
                                                                                                 werden.
                                                                                                    Doch das genügt nicht. So müssen die
Etwa 270 verschiedene Wirkstoffe sind            hohe Kollateralschäden. Wildbienen oder         Auswirkungen von Pestiziden – etwa auf
momentan bekannt, über 34 600 Tonnen             Schmetterlinge finden keine Nahrung             Insekten wie Wildbienen – künftig stärker
(reiner Wirkstoff) landeten 2017 bundes-         mehr, wenn alles totgespritzt wird. Pesti-      beachtet werden. Insekten sind nicht nur
weit in der Umwelt. Im Obstbau erhalten          zide wie die Neonikotinoide schädigen           einem Pestizid ausgesetzt. Wie wirken
einzelne Kulturen bis zu 20 Behandlungen         Bienen und andere Tiere auch direkt.            verschiedene Mittel in Kombination oder
pro Jahr.                                           Hieran wird deutlich: Das jetzige Zulas-     bei wiederholter Anwendung?
Durch Abfluss und Abdrift gelangen Pes-          sungsverfahren ist gescheitert. Sobald             Schließlich ist es nötig, vor einer Zulas-
tizide in Gewässer und schädigen deren           Hersteller mit eigenen Studien belegen,         sung die Langzeitfolgen von Pestiziden
biologische Vielfalt. Auch im Grundwasser        dass ihre Pestizide ungefährlich sind,          unter realistischen Bedingungen zu prüfen.
finden sich ihre Rückstände. Und die Ab-         werden diese zugelassen. Zeigen sich in         Und das finanziert von der Industrie, doch
hängigkeit der konventionellen Landwirt-         der Praxis dennoch Schäden, kann es             unabhängig von den antragstellenden
schaft von der Agrochemie nimmt stetig           Jahre dauern, bis ein Pestizid wieder vom       Firmen, mitsamt der Information, welche
zu. Pestizide sind ein lukratives Geschäft:      Markt verschwindet. Obwohl engagierte           Fachleute hier beteiligt sind.
Geschätzt wird der globale Umsatz damit          Wissenschaftler*innen und Umweltgrup-
auf derzeit 45 Milliarden Euro. Sechs Kon-       pen bewiesen haben, wie gefährlich Neo-
zerne teilen sich das Geschäft, darunter
Bayer, BASF und Syngenta.
                                                 nikotinoide für Bienen sind, wurde deren
                                                 Gebrauch bislang nur eingeschränkt. Ein
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                                                                                                                bestellung@bundladen.de · T. (0 30) 275 86-4 80

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22 BUNDmagazin 1 | 19   ›   AKTION

               RETTE
               UNSER
              WASSER
              Die EU-Kommission
            hat alle Bürger*innen erreichen,        D       ank der Unterstützung von über
                                                            115 000 Aktiven konnte der BUND
                                                                    dass sich Deutschland mit
                                                                                                  Nitrat und Schadstoffe beeinträchtigen
                                                                                                  die Wasserqualität, zudem sind viel zu
                                                                                                  viele Ufer verbaut. Im und am Wasser
              Europas aufgerufen, Umweltministerin Svenja Schulze für den                         schwindet die Vielfalt dramatisch.

          ihre Meinung über die Schutz                         unseres Wassers engagiert. Doch
                                                       jetzt steht die Entscheidung der EU und    Zeigen Sie mit Ihrer Nachricht an die EU:
                 Schutzgesetze des ihrer Mitgliedsländer an. Die Agrar- und                       Der Wasserschutz muss gewährleistet

                Wassers zu äußern. Industrielobby                       setzen alles daran, die
                                                       Schutzgesetze aufzuweichen. Viele EU-­
                                                                                                  bleiben! Schicken Sie eine klare Botschaft
                                                                                                  – jede Stimme zählt und ist ein wichtiger
            Diese garantieren die Länder drohen ihnen zu folgen. Das aber                         Schritt hin zu intakten Gewässern. Lassen

         Qualität unserer Flüsse dürfen wir nicht zulassen!                                       Sie die EU wissen: Ja, ich möchte starke
                                                                                                  Gesetze zum Schutz unseres Wassers.
                  und Seen, unseres Wir wollen die EU überzeugen, dass es
                   Grund- und damit gesundes                       Leben nur mit guter Wasser-
                                                       qualität gibt. Der Zustand der deutschen
                         Trinkwassers. Gewässer ist durchaus besorgniserregend:                     i      WWW.RETTE-UNSER-
                                                                                                           WASSER.DE
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                                                      Flüsse und Auen verbinden
                                                                     Tagung am 9. /10. April 2019
                                                                                   auf Burg Lenzen / Elbe
BUNDmagazin 1 | 19             ›   AKTION 23

                                                                                          Helfen Sie uns, Umweltministerin Schul-
                                                                                          ze und Energieminister Altmaier zu über-
                                                                                          zeugen. Unterstützen Sie unseren Appell:
                                                                                          Kohleausstieg jetzt!

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WALD UND DÖRFER
                                                                                            Vogelnisthöhlen Insektenquartiere Futtersäulen
                                                                                            und..und..und...Schwegler Artikel sind auch im BUNDLADEN erhältlich

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Der BUND fordert den Beschluss der Kohle-                                                    info@schwegler-natur.de www.schwegler-natur.de

kommission nun konsequent umzusetzen.
Unterstützen Sie uns dabei!                                                                 Schmelzfeuer
                                                                                            Stilvoll Kerzen recyceln
D    er Bericht der Kohle-Kommission
     fordert einen schnellen Einstieg in
den Kohleausstieg – und kurzfristig auch
                                                Bundes- und Landesregierungen sind
                                              hier in der Verantwortung. Sie müssen die
                                              Ärmel hochkrempeln und zeigen, dass sie
                                                                                                                                     A        O
                                                                                                                                            BS LU

                                                                                                                                                     T
drei Gigawatt Leistung in den Braunkohle-     es ernst meinen mit dem Kohleausstieg.
                                                                                                                                     WI

kraftwerken stillzulegen. Dies ist wichtig,   Der BUND appelliert daher an die Bundes-                                                  N
                                                                                                                                            DSIC     ER
                                                                                                                                                   H
um den Stillstand beim Klimaschutz end-       regierung sowie die Ministerpräsidenten
lich zu beenden. Bis zum Jahr 2030 soll       Michael Kretschmer, Armin Laschet und
die Leistung der Kohlekraftwerke um 60        Dietmar Woidke: Alle Dörfer müssen blei-
Prozent gesenkt sein. Damit können auch       ben, kein Baum darf mehr gefällt werden.
die vom Tagebau bedrohten Dörfer geret-
tet werden. Und der Hambacher Wald soll       Unterstützen auch Sie unseren Appell:
erhalten bleiben – das konnten wir in der     »Hambacher Wald und die Dörfer retten!
Kommission durchsetzen.                       Kohlekraftwerke stilllegen!« – Für unser
                                              Klima. Und für uns alle.
Aber noch ist der Hambacher Wald nicht
endgültig gesichert, noch sind nicht alle
bedrohten Dörfer gerettet. RWE sträubt
sich, und einzelne Politiker*innen drohen
                                                i      WWW.BUND.NET/
                                                       WALD-UND-DOERFER-RETTEN
                                                                                            Zu bestellen bei
                                                                                            www.bundladen.de
offen damit, die bedrohten Dörfer abzu-
baggern. Es kommt jetzt also auf die kon-
                                                                                                                      +49 (0)9563 5133 20
krete Umsetzung dessen an, was die                                                                                    www.denk-keramik.de
Kommission entschieden hat.
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