BUND MAGAZIN - WAS LEBT DENN DA? 03 19 - Bund für Umwelt und Naturschutz ...
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BUND FAKTEN, ANALYSEN, AKTIONEN UND TIPPS FÜR UMWELTBEWUSSTE 03 19 MAGAZIN ZUR ZEIT GRÜNES BAND Grüne Geldanlage 30 Jahre Lebenslinie Klimaschutz jetzt! BUND-Sommerabend WAS LEBT DENN DA? Artenkenntnis und Naturschutz
© salvia77 / photocase.de Was bleibt, wenn wir gehen? Was bleibt, wenn wir gehen? Ihr BUND-Ratgeber rund um das Thema Testament 1 nd Jetzt kostenfrei u ellen! unverbindlich best Almuth Wenta BUND-Ansprechpartnerin für (0 30) 275 86 474 Erbschaften und Vermächtnisse Kaiserin-Augusta-Allee 5 10553 Berlin Almuth.Wenta@bund.net
BUNDmagazin 3 | 19 › INHALT 3 INHALT 10 20 LIEBE LESERINNEN UND LESER, seit Mitte Juni sind in Deutschland -Tretroller erlaubt. Als Spielwiese hat E man ihnen die Radwege zugeteilt. Keine gute Idee: Gerade in den Städten benötigt der Radverkehr nicht weniger, sondern T. Stephan deutlich mehr Platz als bisher. Die meist 28 ohnehin zu schmalen Radwege nun auch für Roller mit fragwürdiger Ökobilanz frei- zugeben, weist in die falsche Richtung. AKTUELLES ZUR ZEIT Zu einem anderen, ungleich schädlicheren 4 Kurznachrichten 26 »Lass brummen« – ein Fazit Verkehrsmittel: Neun von zehn Menschen 7 Gerettete Landschaft 27 15 Jahre Rettungsnetz Wildkatze weltweit haben noch nie ein Flugzeug von 8 Kommentar 28 Grüne Geldanlage innen gesehen. In Deutschland aber 30 Klimaschutz jetzt! boomt das Fliegen, selbst innerdeutsch SONDERTHEMA 31 Gas statt Kohle? wird immer mehr geflogen. Wie sehr 10 30 Jahre Grünes Band müssen die Temperaturen steigen, bevor 12 Grünes Band Europa NATUR IM PORTRÄT dieser Trend gestoppt wird? Auf Seite 25 13 BUND-Sommerabend 32 Bedroht: Meerneunauge finden Sie Tipps zum Thema Fliegen. 34 Grüne Insel in Gefahr TITELTHEMA Ein weiterer Trend macht dem BUND 14 Was lebt denn da? AKTIV Sorgen: Immer weniger Menschen 16 Rettet die Artenkenner! 36 Klaus Milde im Gespräch verfügen zumindest über ein Grundwissen 18 BUND aktiv 38 Neues aus dem BUND der heimischen Tiere, Pflanzen und Pilze. 20 Citizen Science 40 Internationales Und die, die sich gut auskennen, werden 42 Die junge Seite immer älter. Warum das ein Problem ist? GUT LEBEN Weil wir Arten umso besser schützen 24 Virtuelles Wasser SERVICE können, je mehr wir über sie wissen. 25 Tipps zum Fliegen 44 Leserbriefe Lesen Sie dazu unser Titelthema ab S.14. 46 Marktplatz 48 Medien: Neu erschienen 50 Kontakte und Impressum Das BUNDmagazin ist die Severin Zillich Mitgliederzeitschrift des BUND. Redaktion
4 BUNDmagazin 3 | 19 › AKTUELLES AKTUELLES DIE ZAHL: CHEMIE- GIFT MAL ZWEI? Giftige Laborchemikalien sind heu- te überall zu finden: in der Arktis, in Tiefseegräben – und auch in unserem Körper. Bald dürfte sich die chemische Belastung deutlich MEHR NATUR IN DER STADT erhöhen: Chemiefirmen haben von zu bewahren. Auch will man das »Bundes- 2000 bis 2017 ihre Produktions- programm biologische Vielfalt« erweitern. kapazität und ihren Umsatz welt- In der Praxis bleibt jedoch viel zu tun: weit um hundert Prozent gesteigert. So genügt das Baugesetzbuch noch lang Bis 2030 wird sich ihr Umsatz wohl nicht dem Anspruch, Eingriffe in Natur erneut verdoppeln. und Landschaft zu minimieren. Kontrol- Dies schreibt das Umweltprogramm len des BUND Schleswig-Holstein zeigen der UN in seinem »Global Chemical zudem, wie schlecht vor Ort meist darauf Outlook«. Zum Umgang mit den M. Wessel geachtet wird, dass solche Eingriffe mög- Chemikalien zitiert es die Welt- lichst gering ausfallen und ausgeglichen gesundheitsorganisation. Demnach werden, wie es das Gesetz vorschreibt. starben 2016 mindestens 1,6 Millio- Natur in der Stadt ist wichtig nicht nur für Viele Kommunen kommen ihren Aufga- nen Menschen durch Chemikalien. die Gesundheit und Lebensqualität derer, ben beim Natur- und Umweltschutz in der Sind es bald doppelt so viele und die in Ballungsräumen wohnen. Gerade Bauleitplanung nicht (ausreichend) nach. mehr? Folgen der Klimakrise und Kindern kommt es zugute, wenn sie die Wohl auch, weil sie fachlich und personell dem Verlust der biologischen Viel- Natur direkt erleben. Aufgrund der Arbeit teilweise überfordert sind. falt bald die Konsequenzen der des BUND und vieler Verbündeter hat die Höchste Zeit, die »grüne Infrastruktur« steigenden Chemikalienflut? Mit Bundesregierung jüngst einen »Master- der Kommunen aufzuwerten – für eine mehr Krebserkrankungen und Stoff- plan Stadtnatur« beschlossen. zukunftsfähige Entwicklung unserer Städ- wechselstörungen oder geringerer Seine Eckpunkte begrüßen wir: So soll der te und Dörfer ist sie unverzichtbar. Der Fruchtbarkeit? Das muss nicht sein! Artenschutz an Gebäuden gestärkt werden, BUND wird sich in den nächsten zwei Jah- Auf gefährliche Chemikalien im All- besonders bei der drängenden Gebäude- ren fit für mehr Stadtnatur machen – ge- tag lässt sich gut verzichten. Siehe: sanierung. Eine kommunale Landschafts- fördert vom Bundesamt für Naturschutz www.bund.net/chemie planung soll dafür sorgen, die Stadtnatur aus Mitteln des Umweltministeriums. NEUE HEIMAT bei, welche Pflanzen für Bienen gut sind«, erinnert sie sich an ihre Jugend. Müll ver- Die Wiedervereinigung war eine emotio- nale Erfahrung für die einstige »Flüchtlings- Die Bochumer Literaturwissenschaftlerin meiden, Ressourcen schonen, die Natur familie«. »Diesen menschenverachtenden Karin Yeşilada wünschte sich zu ihrem schützen, das wurde zu wichtigen Lebens- Grenzstreifen in eine Lebensoase für die Geburtstag Spenden statt Geschenke. prinzipien. Regelmäßig spendet sie für Natur zu verwandeln, ist genial«, begeis- Natur kann Heimat sein, besonders wenn Naturschutzprojekte des BUND. tert sich Karin. »Aus dem Fluch wurde ein die gesamte Familie woanders geboren Segen!« Den ersten Anteilschein für das ist als man selbst. Vielleicht ist es das, Grüne Band schenkte sie sich selbst zum was sie am Grünen Band so fasziniert. 50. Geburtstag. Die Idee zum »Spenden Karin Yeşilada – Mutter aus Schlesien, wünschen« übernahm sie dann von einem Vater aus der Türkei – lernte den Natur- engagierten Freund. Nun sammelt sie all- schutz von ihren schlesischen Großeltern, jährlich mit ihren Geburtstagsgästen für die in Nordhessen ansässig wurden. »Im weitere Anteilscheine. Frühjahr sammelten wir regelmäßig Kräu- ter. Und meine Großmutter brachte mir www.bund.net/spenden-statt-geschenke
BUNDmagazin 3 | 19 › AKTUELLES 5 KURZ & GUT »Only bad news is good news« Im Thüringer Wildkatzendorf Hüt- scheroda am Hainich hat der BUND heißt es, vor allem ein Luchsgehege eröffnet. Unter schlechte Nachrichten den Gästen waren der Leiter des Nationalparks Hainich, Manfred erregen also unsere UMWELTPREIS Großmann, und unser Vorsitzender Aufmerksamkeit. Für eine digitale Rad- und Infokarte Hubert Weiger. Die neue Schauanla- ge mit zwei Tieren soll dazu anregen, Doch positive Neuig- entlang seines Projektgebietes die Tiere besser kennenzulernen »Hohe Garbe« erhielt der BUND keiten aus unserem den Umweltpreis 2019 des Landes und sich über ihre Schutzwürdigkeit zu informieren. Wie die Wildkatze – Verband und aus dem Sachsen-Anhalt. Die Tour unter dem von der im Dorf derzeit vier Tiere zu Motto »Natur entdecken auf vielen Umwelt- und Natur- Wegen« umfasst 26 Stationen zur sehen sind – firmiert der Luchs als ein Botschafter für die Wiederver- schutz tun einfach gut. Natur sowie zu geschichtlichen und netzung artenreicher Wälder. Sein kulturellen Aspekten. Entstanden ist Einige aus jüngster Zeit sie im Rahmen des Projekts »Leben- Fortbestand in Deutschland gilt als stark gefährdet. haben wir wie immer dige Auen für die Elbe« und in enger www.wildkatzendorf.de Zusammenarbeit mit den Anwohne- für Sie ausgewählt. r*innen des Gebietes. www.bund.net/auentour DEUTSCHE UMWELTHILFE Erstmals konnte der BUND in Nordost- Noch ein Erfolg vor Gericht: Die Deutsche deutschland eine Wildkatze nachweisen. Die EU darf das Hormongift Bisphe- Umwelthilfe – einst mitgegründet vom Im Fläming, nur 25 Kilometer südlich von nol A (BPA) als besonders gefähr BUND – kann als Verbraucherschutz- Berlin, ließ sich ein – leider überfahrenes – lichen Stoff einordnen, gemäß der verband weiter Unternehmen abmahnen Weibchen eindeutig dieser Art zuordnen. Chemikalienverordnung REACH. und gegen sie klagen. Sie bewege sich Dazu Carsten Preuss, Vorsitzender des Mit diesem Sieg für Umwelt und Ge- im gesetzlichen Rahmen, beschied der BUND Brandenburg: »Viele Jahre haben sundheit ist am 11. Juli eine Klage Bundesgerichtshof einem Autohändler. wir auf die Rückkehr der Wildkatze gewar- der Plastikindustrie gescheitert. Das Die DUH hatte sich auch in der Politik tet. Nun hoffen wir hier weitere der Tiere Gericht der Europäischen Union Feinde gemacht, weil ihre Klagen auf sau- aufzuspüren.« So geeignet der waldreiche machte somit deutlich: Der Schutz bere Luft zu etlichen Diesel-Fahrverboten Höhenzug als Lebensraum wirkt: Erneut von Umwelt und Gesundheit geht führten. Bundesgeschäftsführer Jürgen erweist sich der Straßenverkehr als lebens- vor Konzerninteressen – ein klares Resch betonte: »Wir kontrollieren nicht bedrohlich für die Katzen. Deshalb fordert Bekenntnis zum Vorsorgeprinzip. Geringfügigkeiten, sondern nur schwer- der BUND Wälder besser zu vernetzen BPA findet sich unter anderem in wiegende Verstöße gegen den Umwelt- und mehr Grünbrücken über große Stra- Konserven und Kassenzetteln. und Klimaschutz.« Für die eigentlich der ßen zu bauen. Staat Verantwortung zeigen sollte …
6 BUNDmagazin 3 | 19 › AKTUELLES Rolf Vennenbernd/dpa RISKANTER RECHTSVERSTOSS Viele Chemikalien sind potenziell gefähr- lich für Mensch und Umwelt. Trotzdem werden sie massenhaft für Alltagspro- dukte verwendet. Der Grund: Etliche Kon- zerne haben gegen die Auskunftspflicht verstoßen, die das EU-Chemikalienrecht REACH bei der Registrierung ihrer Stoffe fordert. Dies hat der BUND aufwendig Schadstofftest beim TÜV Rheinland. recherchiert und die säumigen Firmen beim Namen genannt. Doch das Prinzip »Keine Daten, kein stoffmix ist mitverantwortlich für Krebs, Unsere Recherche beruht auf Angaben Markt« funktioniert nicht: Rund 60 Pro- Unfruchtbarkeit, Immunschwäche, Diabe- des Bundesinstituts für Risikoforschung. zent der registrierten Stoffe werden trotz tes oder Übergewicht. Der BUND fordert Die Behörde übermittelte eine Liste mit der fehlenden Sicherheitsdaten für den die Europäische Chemikalienagentur auf, 941 Stoffen, für die keine vollständigen Handel freigegeben. So bleibt unklar, wel- alle unvollständig registrierten Stoffe und Daten eingereicht wurden. Damit ermittel- che Produkte wirklich sicher sind. Die von ihre Hersteller bekanntzugeben. Sie muss ten wir die Namen der Stoffe und der re- uns identifizierten Chemikalien werden in auch für die gesetzlich vorgesehenen gistrierenden Firmen. Zu ihnen zählen Mengen von jährlich 12 bis 121 Millionen Sanktionen sorgen und erteilte Freigaben BASF, Dow Chemicals, ExxonMobil, Merck, Tonnen gehandelt. Sie finden sich überall zurückziehen. Bayer, KiK-Textilien, RWE und Vattenfall. – im Essen, im Wasser, in Spielzeug und Sie alle müssen eigentlich nachweisen, Kosmetik, in Wohnungen und in Büros, i dass ihre Stoffe Mensch und Umwelt selbst im Amazonas oder in der Arktis. MEHR ZUM THEMA www.bund.net/reach-verstoss nicht bedrohen. Die tägliche Belastung mit diesem Schad- Neu ist, dass interne Angebote auch auf öffentlichen bund.net-Seiten präsen- tiert werden und direkt nach dem Login genutzt werden können. Neu ist auch der Warenkorb: Stoßen Sie auf einer Seite von bund.net auf interessante Publikationen oder Materialien, können Sie diese in den Warenkorb legen, weitersurfen und Ihre JETZT gen Zugangsdaten unserer Gruppen und Aktiven konnten nicht übertragen werden. Bestellung zu einem späteren Zeitpunkt anpassen und abschicken. REGISTRIEREN Bitte registrieren Sie sich deshalb neu. Mit der Registrierung für www.bund- Viele bewährte Angebote haben wir intern.net erhalten Sie zudem unseren Der neue zugangsbeschränkte Bereich übernommen: Sie finden aktuelle, verbands- Aktiven-Newsletter, der Sie regelmäßig für BUND-Gruppen und Aktive ist seit interne Informationen zu BUND-Aktionen über verbandsinterne Neuigkeiten und Anfang August freigeschaltet. Damit ist und zum Verbandsleben. Und Sie erhalten Angebote informiert. www.bund-intern.net auf dem neuesten Unterstützung für Ihre Aktivitäten vor Ort. Sicherheitsstandard, nutzerfreundlicher Auch können Sie kostenlose Aktionspakete JETZT REGISTRIEREN: und direkt mit bund.net verwoben. genauso bestellen wie Publikationen und www.bund-intern.net Mit dem Neustart mussten wir auch die Materialien des BUND. Und Sie finden hier Kontakt: stefan.euen@bund.net Registrierung neu entwickeln. Die bisheri- schnell geeignete Ansprechpartner*innen. Tel. 0 30 /2 75 86-574
GERETTETE LANDSCHAFT Um der Natur bei Bitterfeld eine zweite Chance zu geben, erwarb der BUND 1300 Hektar einstige Tagebauflächen, die heute im Besitz der BUNDstiftung sind. Seit knapp 20 Jahren erobern viele Arten das Mosaik neuer Lebensräume in der »Goitzsche«-Wildnis zurück. Ein besonderes Kleinod ist der Zöckeritzer See. Die Kreisgruppe Anhalt-Bitterfeld unter- stützt die Stiftung hier dabei, Amphibien, Schmetterlinge und Pflanzen zu dokumentieren. In und um den See lassen sich Moorfrosch, Eisvogel, Fisch- und Seeadler, Kranich und Schwarzstorch sowie Biber und Fischotter beobachten. Frank Koch
8 BUNDmagazin 3 | 19 › AKTUELLES KOMMENTAR NATUR VERBINDET Ein Todesstreifen wird zur Lebenslinie. 30 Jahre nach dem Fall der Mauer trägt das vom BUND ini- tiierte »Grüne Band« reiche Früchte HUBERT WEIGER – in doppelter Hinsicht. ist der Vorsitzende des BUND. A uf 50 bis 200 Meter Breite schlängelt sich ein grünes Band durch Deutschland. Es verläuft dort, wo einst eine todbrin- gende Grenze Deutschland in zwei Teile schnitt. Vom Ostsee- Hoffnung gibt da das Beispiel Südkorea. Hier ergreift eine de- mokratische Regierung wieder verstärkt Anstrengungen, um die Teilung zu überwinden. Der BUND hilft Institutionen und Verbän- strand bei Lübeck über Schaalsee, Elbe, Drömling, Harz, Werra- den dort bereits seit Jahren, ein Grünes Bandes im Grenzbereich tal und Rhön bis zum Thüringer und Frankenwald erstreckt sich zu schaffen. dieses Band, fast 1400 Kilometer lang. Europa ist nicht gefeit vor jenen Kräften, die mit Vorliebe Gräben Im Schatten von Stacheldraht, Wachtürmen und Grenzpatrouil- vertiefen. Mit der EU-Wahl haben die Fliehkräfte erfreulicherweise len entstand und überdauerte hier eine Kette natürlicher Lebens- an Einfluss verloren. Mehr noch gibt das Wahlergebnis selbst An- räume. Ihren Wert erkannten ehrenamtliche Naturschützer früh lass zur Freude: Die hohe Wahlbeteiligung hat gezeigt, dass ein – der heutige Sprecher unseres Arbeitskreises Naturschutz, Kai vereintes Europa nach wie vor einer großen Mehrheit der Deut- Frobel, schon als Schüler. Seit Mitte der 1970er Jahre erforschte schen am Herzen liegt. Und wer hätte gedacht, dass der Klima- er mit Freunden der BUND-Kreisgruppe Coburg die Tier- und und Umweltschutz so rasch einmal Wahlen mitentscheidet? Pflanzenwelt im Grenzgebiet. Gemeinsam dann organisierten Grenzen trennen – Natur verbindet. Wie notwendig das Grüne wir 1989 – direkt nach dem Mauerfall – in Hof ein Treffen von Band als Denkmal der Einheit ist, werden wohl schon in Kürze die Naturschützern aus Ost und West. Bei dieser Veranstaltung wurde Wahlen in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen zeigen. der Begriff »Grünes Band« geprägt: Das erste gesamtdeutsche Naturschutzprojekt war damit geboren. ZUM ABSCHIED 30 Jahre ist das jetzt her. Seitdem engagiert sich der BUND Dieser Kommentar, liebe Mitglieder des BUND, ist übrigens dafür, diese Lebenslinie zu bewahren. Mit Erfolg: Über 5000 ver- mein letzter als Bundesvorsitzender. Anfang November werde schiedene Tiere und Pflanzen leben heute hier. Zum Rückzugsort ich mich nach zwölf Jahren nicht mehr zur Wahl stellen. Ich bin wurde das Grüne Band unter anderem für mindestens 1200 Arten, dankbar für die Zeit, in der ich als Ihr Vorsitzender den BUND ver- die bei uns gefährdet oder gar vom Aussterben bedroht sind. treten durfte, um mitzuwirken am endgültigen Ausstieg aus der Atomenergie und am überfälligen Einstieg in den Ausstieg aus EINEN STATT TRENNEN der Kohleenergie. Auch ist es uns in diesem Zeitraum gelungen, Erfolgreich war unser Einsatz nicht nur für die Natur. Das Grüne Europas Landwirtschaft weitgehend frei von der Agrogentechnik Band wurde nämlich auch zum Symbol der deutschen Einheit, zu halten. zu einer Erinnerungslandschaft an die jüngere deutsche und Große Aufgaben liegen aber vor uns, wie die, den Verlust der europäische Zeitgeschichte. Was die Menschen einst trennte, Biodiversität zu stoppen und gegen die Klimakrise zu kämpfen. verbindet sie heute. Die größte Aufgabe wird sein, unsere Industriegesellschaft zu Gerade dafür sollten wir das Grüne Band besonders schätzen. wandeln in eine der Nachhaltigkeit verpflichtete Gesellschaft. Schließlich erleben wir in vielen Weltregionen, wie das Trennende Der BUND ist dafür gut gerüstet, dank dem großen Einsatz unse- wieder Raum gewinnt. Länder wie die USA schotten sich heute rer Mitglieder und Förderer. Auch weiterhin wird sich der BUND nach außen ab wie kaum zuvor. Auch in Europa werden erneut sicherlich beispielgebend für das Gemeinwohl und damit für die Grenzen errichtet: in Ungarn, wo einst der Eiserne Vorhang verlief, Interessen künftiger Generationen engagieren. den wir als Grünes Band Europa zu schützen fordern.
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Das Grüne Band zwischen Mitwitz und Neustadt. MONUMENTAL GESCHÜTZT 30. Geburtstag feiert das Grüne Band zum Ende dieses Jahres. Die Jubiläumsbilanz kann sich sehen lassen. Der BUND hat daran großen Anteil. Otmar Fugmann LIANA GEIDEZIS KAI FROBEL leitet den BUND-Fachbereich Grünes Band. Vater des Grünen Bands. V ogelgezwitscher, Bienensummen, Bachgesprudel, dazu der Geruch von frischem Gras. Andernorts schon ver- schwundene oder bedrohte Tiere und Pflanzen tummeln sich ten Reflex der Nachwende-Zeit, die Grenze auszuradieren, brach- te vor allem der BUND eine bessere Idee auf den Weg: Aus dem Todesstreifen sollte eine Lebenslinie der Erinnerung werden. Ein in blühenden Wiesen, glitzernden Fließen und vielfältigen modellhafter Verbund von Lebensräumen. Und ein Denkmal für Wäldern. Ein ganzer Fächer seltener Lebensräume entfaltet die Einheit Europas, das überdies Perspektiven für einen natur- sich zu einem hochkarätigen Naturerbe, dem Grünen Band an nahen Tourismus schafft. der ehemals innerdeutschen Grenze. Heute gilt diese Idee als anerkannt. Das Grüne Band präsentiert Den 30. Geburtstag feiert das Grüne Band in guter Verfassung: sich als eines der bedeutendsten und komplexesten Naturschutz- politisch akzeptiert, administrativ getragen, institutionell veran- projekte Deutschlands. kert und ökologisch weitgehend in Schuss. Gegen den verbreite-
BUNDmagazin 3 | 19 › SONDERTHEMA 11 Mit Banner am Grenzdenkmal in Wanderung mit Eseln am Grünen Band, vom Denkstein der Deutschen Einheit Kleintettau (Thüringen-Bayern). bei Wenigentaft zur historischen Buchenmühle im Biosphärenreservat Rhön. LÜCKEN SCHLIESSEN Anteil aller Anrainer – 343 Kilometer – will diesem Beispiel noch Doch nur gut zwei Drittel des 177 Quadratkilometer großen Grü- im Jubiläumsjahr 2019 folgen. Besonders erfreulich: Erstmals nen Bandes stehen bisher unter effektivem Schutz. Rund ein entwickeln westlich angrenzende Bundesländer wie Hessen und Achtel wird derzeit noch intensiv beackert. Dies schränkt die Bayern ebenfalls Pläne für ein räumlich abgegrenztes Grünes Funktion des knapp 1400 Kilometer langen Biotopverbundes Band. Denn auch hier existieren wertvolle Lebensräume und kul- deutlich ein. Wer geht schon gerne über eine Holzbrücke, bei der turhistorische Anlagen. Hessen plant gar die Ausweisung als so manche Bohle fehlt – oder auch mal zwei oder drei hinterein- Nationales Naturmonument. ander? Noch zählen wir 26 markante Lücken, insgesamt etwa 170 Kilometer lang. … UND WELTERBE? Diese Lücken zu schließen, darum bemüht sich der BUND mit Dass diese Schutzkategorie in Deutschland umgesetzt wird, ist viel Einsatz, Geld und Geduld (und gefördert vom Bundesprogramm auch ein starkes Signal für das Grüne Band Europa. Die Motive Biologische Vielfalt). Wir überzeugen Menschen, ihr Grundeigen- und Gründe gelten nämlich genauso im größeren europäischen tum naturverträglich zu nutzen, zum Beispiel auf großer Fläche Maßstab. Sie beflügeln die Nominierung des Grünen Bandes als von robusten Rindern beweiden zu lassen. Oder wir bewegen sie UNESCO-Welterbe – in den Kategorien Natur und Kultur. zum Verkauf oder Flächentausch. Seit dem Jahr 2000 konnte Der Dauereinsatz des BUND darf nicht nachlassen: Wir müs- der BUND mit eigenen Ankäufen und dank vieler Spender*innen sen die Lücken schließen, die Defizite bei der Pflege der Lebens- über tausend Hektar erwerben. So tragen wir erfolgreich dazu bei, räume angehen und dafür sorgen, dass jegliche Nutzung endet, die Lebensräume besser zu verbinden. die dem Naturschutz zuwiderläuft. Die Ausweisung als Natur- monument muss auch in den übrigen Bundesländern erfolgen. NATURMONUMENT … Zudem wollen wir in die Breite gehen und das Grüne Band künf- Immer ist sich der BUND aber auch seiner Verantwortung für tig mit angrenzenden Lebensräumen in West und Ost verbinden. einen sensiblen Umgang mit der Geschichte bewusst. Dies bele- gen unsere vielen Projekte und Kooperationen mit den Grenz- i landmuseen. Ohne das Grüne Band wäre so manches Relikt MEHR ZUM THEMA www.bund.net/gruenes-band längst verschwunden. Unser Angebot von Führungen und Grenz- wanderungen und die physische Unmittelbarkeit des Grünen Bandes haben unzählige – gerade junge – Menschen für die his- torische Dimension der deutschen Teilung und die Tragik der NATURSCHUTZTAGE AN DER ELBE 2019 Grenzopfer sensibilisiert. Das Grüne Band ist damit kein Gleich- nis für Trennung, sondern Ausdruck einer Symbiose von Natur- 27. – 29. September schutz und Erinnerungskultur. 30 Jahre Grünes Band Deutschland: Verbindende Die Dimensionen Ökologie und Geschichte verleihen dem Landschaften – Spürbare Geschichte Biotopverbund Grünes Band das, was man im Marketing ein Infos und Anmeldung unter: »Alleinstellungsmerkmal« nennt. Im November 2018 wies Thü- www.bund.net/naturschutztage ringen als erstes Bundesland seine gesamten 763 Kilometer am Grünen Band als Nationales Naturmonument aus. Diese neue Schutzkategorie bezieht auch kulturhistorisch-landeskund- Eine von vielen bedrohten Arten liche Aspekte mit ein. Sachsen-Anhalt mit dem zweitlängsten im Grünen Band: der Fischotter.
12 BUNDmagazin 3 | 19 › SONDERTHEMA GRÜNES BAND EUROPA MELANIE KREUTZ ÖKOLOGISCHES BUND-Fachbereich Grünes Band. RÜCKGRAT BEDEUTUNG BESTÄTIGT Über 150 zivilgesellschaftliche und staatliche Organisatio- nen in 24 Ländern arbeiten in der Initiative Grünes Band Europa zusammen. Der BUND hat die »European Green Belt Association« 2014 mitgegründet – ein wichtiger Schritt da- Auch europaweit geht es mit mals, um dieses paneuropäische Netzwerk sichtbarer zu dem Grünen Band vorwärts. machen, zu koordinieren und voranzubringen. Das Herzstück dieser Initiative sind grenzübergreifende Und wieder ist der BUND und transnationale Projekte. Solche zu starten ist eine der entscheidend beteiligt. Aufgaben des BUND-Fachbereichs Grünes Band, der den zentraleuropäischen Abschnitt betreut. Aktuelle Analysen zeigen: Mit zunehmender Nähe zum ehemaligen Eisernen Vorhang steigt der Anteil an Schutzgebieten, und ihre Ver- F ast 40 Jahre lang teilte der Eiserne Vorhang ganz Europa. In seinem Schatten entstand ein 12 500 Kilo- meter langer Verbund von Lebensräumen, vom Eismeer netzung wird enger. Bemerkenswert ist, dass dieser Effekt auf der Ostseite wie auf der Westseite messbar ist. Damit ist das Grüne Band als wichtiger Bestandteil von Europas im hohen Norden bis zur Adria und dem Schwarzen Meer grüner Infrastruktur bestätigt. Als ökologisches Rückgrat im mediterranen Süden. Dieses Grüne Band dient heute als des Kontinents erfüllt es eine wichtige Aufgabe. Refugium für viele bedrohte Arten. Und als Landschaft der Erinnerung daran, dass der Kalte Krieg überwunden ist. ZWEI NEUE VORHABEN Im EU-geförderten Projekt »DaRe to Connect« (Wage es, zu verbinden, 2018 bis 2021) übernahm der BUND als »Lead-Partner« die Hauptverantwortung. Mittels hoch- auflösender Satellitendaten werden in zehn europäi- schen Ländern grenzübergreifende Biotopverbünde ermittelt. Vor Ort erfassen die Partner detailliert, wo Barrieren wie etwa Zäune bestehen. Diese Informa- tionen sind eine wichtige Planungshilfe. Wir wollen das Netz der Lebensräume und Schutzgebiete ökologisch Ru durchgängiger gestalten. Tieren soll es besser möglich do lf Ritt werden, sich auszubreiten und zu wandern. Ein weiteres EU-Projekt trägt den Titel »LIFE for MIRES« (Leben für Moore, 2018 bis 2024). Verortet ist es am Grü- nen Band Bayern-Tschechien, wo die Nationalparks Bayeri- scher Wald und Šumava sowie die artenreiche Kulturland- ha Ri schaft der Bischofsreuter Waldhufen aneinandergrenzen. c rd K raf t Hier arbeiten wir bereits daran, die europäischen Schutz- gebiete besser zu verknüpfen. Der BUND kauft Flächen an und kooperiert dabei grenzübergreifend mit dem National- Zwei von vielen: Waldbirkenmaus und Hochmoorgelbling – beide gefährdet – profitieren davon, dass der BUND am park Šumava. Damit können wir Moore und Feuchtgebiete Grünen Band Bayern-Tschechien diverse Moore wiederbelebt. renaturieren und wiedervernässen, die Lebensräume von seltenen Arten wie Hochmoorgelbling, Waldbirkenmaus oder Kreuzotter. i MEHR ZUM THEMA www.bund.net/gruenes-band-europa
BUNDmagazin 3 | 19 › SONDERTHEMA 13 BUND-SOMMERABEND GRÜNES BAND: GESTERN – HEUTE – MORGEN 30 Jahre Grünes Band – unter diesem Motto feierte der BUND am 5. Juni sein politisches Sommerfest mit 350 Gästen. Und das direkt am Berliner Spreeufer, wo vor 30 Jahren noch die Grenze des geteilten Berlins verlief. W as für ein Ausblick! Von der Terrasse reicht der Blick nach Westen bis zur Oberbaumbrücke, wo einst ein Grenzüber- gang die innerdeutsche Grenze markierte. Im Osten glänzt die monumentale Skulptur des »Molecul Man« am Treptower Park. Je später der Abend, desto mehr Gäste drängen sich an den Ti- schen entlang der Spree. Eine leichte Brise sorgt hier für etwas Abkühlung – am bis dato heißesten Tag des Jahres. Weniger hitzig war die Atmosphäre zuvor drinnen auf dem Po- dium gewesen. Umweltministerin Svenja Schulze und Annegret Kramp-Karrenbauer bestätigten beide die Bedeutung des Grü- Bei 35 Grad waren Sonnenschirme und nen Bandes: für den Naturschutz wie auch als Mahnmal der Kaltgetränke überlebensnotwendig. deutschen Teilung. Die Ministerin sagte zu, den Lückenschluss an der fast 1400 Kilometer langen Lebenslinie weiter mitzufinanzieren und sich in Brüssel für das Grüne Band Europa starkzumachen. Die CDU-Chefin mahnte Konflikte derer, die das Land nutzen und die die Natur schützen, so zu lösen, dass das Grüne Band nicht erneut die Menschen trenne. Ein Heimspiel hatte Thüringens Umweltministerin Anja Sieges mund mit ihrem »Herzensprojekt«. Hat sie doch großen Anteil Ausgezeichnet mit dem Forschungs- daran, dass der längste Abschnitt des innerdeutschen Grünen preis des BUND: Lou Böhm, Fabian Das Maskottchen des Bands heute als Nationales Naturmonument geschützt ist. Ge- Wirth und Sarah Redlich (von links). Grünen Bands mit Fans. meinsam mit dem BUND-Vorsitzenden Hubert Weiger forderte sie, die Vision des Grünen Bands europaweit stärker zu fördern – etwas wenn die Bundesregierung 2020 die EU-Ratspräsident- schaft übernimmt. Auch durch den dritten Sommerabend des BUND führte als Moderator wieder der souveräne Max Moor. Das Podium verließ er nur, als die Slamerin Jessy James LaFleur bissig mit den Ver- säumnissen der Regierung beim Klimaschutz abrechnete. Vor Beginn des Sommerabends überreichte Hubert Weiger den diesjährigen Forschungspreis des BUND. Geehrt wurden J. Farys (4) drei junge Wissenschaftler*innen: Sarah Redlich für ihre Disser- Moderator Max Moor, Annegret Kramp-Karrenbauer, tation zu »Chancen und Hürden ökologischer Intensivierung«; Svenja Schulze, Anja Siegesmund und Hubert Weiger. Fabian Wirth für seine Masterarbeit zur Zukunft des deutschen Schienengüterverkehrs; und Lou Böhm für ihre Bachelorarbeit i »Beteiligungsstrukturen in der nationalen Umsetzung des Welt WWW.BUND.NET/SOMMERABEND aktionsprogramms Bildung für nachhaltige Entwicklung«. WWW.BUND.NET/FORSCHUNGSPREIS
WAS LEBT DENN DA? Mal ehrlich: Wissen Sie, welches der häufigste heimische Vogel ist? Nicht mal jede*r zehnte Deutsche dürfte ihn erkennen. Es ist der Buchfink. Nun ist Ihnen – als BUND-Mitglied – wohl diese Weisheit vertraut: Nur was man kennt, kann man schützen. Das lässt sich weiterführen: Nur was man kennt, nimmt man zumeist überhaupt wahr. Erst mit etwas Artenkenntnis entpuppen sich die Meisen im Garten als Kohl- und Blau-, Hauben- oder Weidenmeise. Nur wer ein wenig geübt hat, filtert aus dem vielstimmigen Konzert der Vögel mehr als den Kuckuck heraus. Nur wer botanisch belesen ist, bemerkt, wo rare Pflanzen besonderen Schutz verdienen. An Flechten, Pilze oder den Mikrokosmos der Insekten gar nicht zu denken ... Um die Fülle unserer biologischen Vielfalt zu schützen, brauchen wir Leute, die sich auskennen: Naturkundige, die registrieren, wenn die Vielfalt bedroht ist. Und die uns sagen, was wir unternehmen können. Um sie geht es auf den nächsten Seiten.
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16 BUNDmagazin 3 | 19 › TITELTHEMA NATURSCHUTZ RETTET DIE ARTENKENNER! KAI FROBEL W ie geht es dem Kiebitz im Land- kreis? Hat der Laubfrosch die neu angelegten Tümpel besiedelt? Wird die Doch wie sollen wir wissen, wie es un- serer natürlichen Umwelt geht, wenn nie- mand mehr erkennt, was da kreucht und lehrt Biogeographie an der Uni Bayreuth und ist Sprecher Speerazurjungfer wegen der Klimakrise fleucht, und Alarm schlägt, wenn Arten ver- des BUND-Arbeitskreises seltener? Typische Fragen im Naturschutz schwinden oder keinen Nachwuchs mehr Naturschutz. vor Ort. Wer sie beantworten will, braucht haben? Ohne ehren- und hauptamtliche Daten: Wo kommen welche Arten warum Artenkenner ist Naturschutz schlicht un- Nicht nur viele Tier- bei uns vor? Halten sie sich, nehmen sie zu möglich. Ihr Wissen und ihre langjährige oder ab? Ohne dieses Wissen bleibt unser Erfahrung bilden dafür erst die Grundlage. und Pflanzenarten BUND-Engagement orientierungslos. werden immer seltener. Hier sind wir auf Artenkundige angewie- BLEIBENDE LÜCKE sen: Menschen, die sich privat, ehrenamt- Artenkenntnis – ein Leben lang erweitert Gleiches gilt auch für lich oder beruflich mit bestimmten Tier- – ist eine oft unterschätzte Qualifikation. die Menschen, die sie und Pflanzengruppen befassen, diese be- Wir brauchen Menschen, die Tiere und stimmen und draußen in der Landschaft Pflanzen erkennen und beobachten und erkennen können: kartieren. Was sie beobachten, zeigt die aus eigener Anschauung die biologische Ihre Zahl schwindet. Verbreitung und – oft dramatische – Ent- Vielfalt »messen« können. Sie wirken wie wicklung bestimmter Arten. So waren es ein Frühwarnsystem. Nehmen sie doch Für den N aturschutz ist Krefelder Ehrenamtliche, die den langfristi- Veränderungen im Gelände oft viel eher das ein großes Problem. gen Niedergang der Insekten nachwiesen. wahr als die, die im Labor sitzen. Melanka Helms/GEO Käferexperte bei einem Tag der Arten- vielfalt, veranstaltet von GEO und BUND.
BUNDmagazin 3 | 19 › TITELTHEMA 17 Seit etlichen Jahren beschäftigt sich der BUND mit einer Entwicklung, die wir 2016 mit einer Studie erstmals belegen konnten: der Erosion der Artenkenner. In den letzten 20 Jahren ging ihre Zahl bun- Thomas Stephan desweit um 21 Prozent zurück. Viele von ihnen sind schon über 60. Und es mangelt an qualifiziertem Nachwuchs. So ist ab- sehbar: Viele Expert*innen werden uns in zehn, zwanzig Jahren verloren gehen. Und Lernen im Gelände: Jugendliche mit K eschern bei Wertvolles Wissen: Botanisch versierter einer BUND-Exkursion. Ehrenamtlicher des BUND. werden Lücken hinterlassen, weil Schulen und Universitäten kaum Nachwuchs lie- fern. Da fehlt eine ganze Generation von KAUM ANGEBOTE Profundes Artenwissen entsteht nicht Menschen mit Artenkenntnis. Hier müssen Ein Großteil der Artenkundigen erfuhr die von heute auf morgen. Der Nachwuchs wir schleunigst gegensteuern. Natur als Kind in der nächsten Umgebung: muss langfristig und gesamtgesellschaft- in heckenreicher Kulturlandschaft, viel- lich gefördert werden. Gefragt sind Um- VIELE URSACHEN fältigen Wäldern, geheimnisvollen Auen. weltbehörden, Naturschutzzentren, Schu- Es ist kurios: Die Unterstützung für den Dort erlebten sie Tiere und Pflanzen, ihre len, Universitäten – und wir alle. Schutz der Biodiversität steigt sprunghaft Schönheit und Faszination. Heute wach- Viele der heutigen Artenkenner sagen, – siehe das erfolgreiche Volksbegehren sen Kinder oft inmitten von Fichtenforsten, ihre Eltern hätten den Grundstein für ihre »Artenvielfalt in Bayern«. Gleichzeitig aber Maisäckern und Güllewiesen auf. Was gibt Naturbegeisterung gelegt. Dabei kam es schwindet die Artenkenntnis. Ohne genug es da noch zu entdecken? nicht darauf an, ob die Eltern Spezialisten Expertise droht uns ein regelrechter Blind- Daran ändert auch die Schule wenig. waren. Wichtiger war, dass sie Neugierde flug durch diese Zukunftsfrage. Wem selbst jede Artenkenntnis fehlt, und Interesse für die Natur weckten. Der eklatante Mangel ist ein weltweiter. kann sie auch nicht vermitteln. Und ver- So warnt US-Ökologe E. O. Wilson vor ei- meidet wohl eher, gemeinsam ins Grüne FÜR DIE ZUKUNFT nem »schwarzen Loch der Unwissenheit«. zu gehen, aus Angst vor peinlichen Fragen. Nötig sind auch Lehrer*innen, die draußen Er fordert angesichts des Artensterbens Die Universitäten wiederum versagen, da zumindest einen Teil der Artenfülle ver- mehr Wertschätzung für Feldbiologen – die Drittmittel der Industrie oder des Staates mitteln können. Ihre Ausbildung braucht einst an der Spitze ihrer Disziplin standen. andere Prioritäten setzen. So wurden Be- in der Didaktik der Biologie also andere Die Gründe für den Negativtrend sind stimmungskurse und freilandorientierte Schwerpunkte. Und die Universitäten vielfältig: Kinder erleben heute zu wenig Lehrstühle massiv gestrichen, die Stellen müssen wieder Leute mit Artenkenntnis Natur in ihrem Umfeld. Lange hat man die von Artenkennern nicht neu besetzt. Im ausbilden, das ist schlicht ihre gesell- Artenkenntnis gesellschaftlich kaum wert- Studium ist das Interesse an Arten und schaftliche Aufgabe. geschätzt. Viele Lehrer*innen sind zudem Geländekartierungen unverändert groß. Im BUND sollten wir unser reiches An- selbst ohne Artenkenntnis. Kein Wunder: Nur fehlen oft Angebote und die Wert- gebot an Naturerfahrung für Kinder erwei- An den Universitäten wurde die freiland- schätzung für entsprechende Abschluss- tern – um zusätzliche Möglichkeiten für biologische Ausbildung stark dezimiert, arbeiten. Deshalb suchen Planungsbüros angehende Artenkenner. Bewährt haben verdrängt von hoch geförderten Disziplinen und Behörden heute händeringend Nach- sich Artenkundige, die in kleinen Gruppen wie der Gentechnik. wuchs mit guter Artenkenntnis. im Gelände ihr Wissen an Interessierte weitergeben. Gerade Berufsanfänger so- WER IST GEFRAGT? wie Frauen mittleren Alters nehmen diese WAS LEBT Die BUND-Studie war ein Weckruf. So Angebote gerne an. Eine gute Ergänzung nahm das Bundesumweltministerium un- zur manchmal sperrigen Bestimmungs- DENN DA? ser Anliegen in die »Naturschutzoffensive literatur sind auch digitale, bildbasierte 2020« auf. Der Deutsche Naturschutztag Wege der Arterkennung über Apps. entwickelte ein eigenes Forum für Ju- Welche Konzepte versprechen heute gendliche mit diesem Schwerpunkt. Und besonderen Erfolg, um die Artenkenntnis neue Initiativen entstanden, um die zu fördern? Um das herauszufinden, for- Artenkenntnis zu fördern. Viele kleine dert der BUND Modellprojekte staatlich zu Anstöße vereinen sich gerade zu einer unterstützen. Damit die Vielfalt der Arten schwungvollen Bewegung. (-kenner) eine Zukunft hat!
18 BUNDmagazin 3 | 19 › TITELTHEMA BUND AKTIV VIELFÄLTIGE ANGEBOTE Die Umweltbildung gehört zu den wichtigsten Säulen des BUND-Engagements. Getragen Bernd Quellmalz von vielen ehren- und hauptamtlich Aktiven, dient sie zumeist auch (und teilweise ganz gezielt) dazu, Artenkenntnis zu vermitteln. »Aktion Wasser«: Bestimmung von Wasserorganismen an der Umweltstation Iffens/Niedersachsen. K lar: Bei jeder kleinen BUND-Tour ins Grüne fallen ein paar Tier- und Pflanzennamen. Und jede Broschüre über ein Schutzgebiet führt exemplarisch einige seiner Bewohner mit auf. noch mehr Streuobst-Pädagogen: Über 70 können ihr Wissen zu diesem artenreichen Lebensraum bereits landesweit teilen. Last, but not least hat der BUND überall dort, wo Wildkatzen So fördert unser öffentlicher Einsatz für die Natur immer auch leben, auch für diese seltene Art Botschafter*innen ausgebildet. das Allgemeinwissen zur Artenvielfalt. Doch damit allein ist dem Schwund der Artenkenner nicht beizukommen. Der BUND ANGEBOTE FÜR KINDER hat deshalb spezifische Angebote entwickelt. Eine Investition in die Zukunft ist die Arbeit mit Kindern. Die »Artenkenntnis erhalten – Entdecke Dein NaturTalent« lautet meisten BUND-Kindergruppen eint das Anliegen, Umweltver- eine Kampagne des BUND in Bayern. Von Oberbayern bis Unter- ständnis und Artenkenntnis zu fördern. Das ist vielleicht nicht franken bieten etliche Kreisgruppen und Naturschutzzentren seit immer spektakulär, kann als dauerhaftes Angebot aber prägend Jahren Bestimmungskurse für Jugendliche und Erwachsene. sein. Wie auch die Aktion »Naturtagebuch« der BUNDjugend: Das inhaltliche Spektrum ist groß und reicht von Pilzen und Pflan- Jahr für Jahr regt sie Kinder zwischen 8 und 12 dazu an, einmal zen über diverse Insekten bis zu Vögeln und Fledermäusen. eingehender bestimmte Tiere oder einen Lebensraum zu erfor- Im Saarland leistet der BUND Überzeugungsarbeit für eine schen – und ihre Erlebnisse in einem Naturtagebuch festzuhalten. »Akademie für Artenkenner«. Sie soll Fachleute für Vier Bundesländer richten hierzu verschiedenste Artengruppen ausbilden. Die Landes- Wettbewerbe aus. Wer weiß, wie regierung hat sich das Projekt zu eigen gemacht viele Kinder das schon zum Anlass und erarbeitet derzeit ein Konzept. nahmen, sich in die Bestimmungs- literatur zu vertiefen? BOTSCHAFTER DER NATUR Damit sich Artenkenntnis verbreitet, bildet der BUND Zeichenkurs im Haus der BUNDten Natur, gerne Multiplikator*innen aus, die ihr Wissen an Hamburg: Ob aus dieser Künstlerin mal andere weitergeben. So etwa in Baden-Württemberg: eine große Artenkennerin wird? 40 »Schmetterlingsguides« bieten hier inzwischen Exkursionen, Schulausflüge oder Erlebnistage an. Sehr gefragt ist eine Fortbildung des BUND Rheinland-Pfalz. Im AKTIV AN SCHULEN Mittelpunkt seiner Kurse für Wildbienenbotschafter*innen stehen Diverse BUND-Angebote sind darauf gemünzt, Schulkinder für Artenkenntnis und Naturschutz. »Die Leute rennen uns die Bude den Artenschutz zu gewinnen. So können Klassen etwa Paten- ein«, heißt es dazu aus dem Landesverband. Der BUND Nieder- schaften für Bäche abschließen und deren Lebenswelt erkunden. sachsen qualifiziert ebenfalls »Wildbienenkennerinnen« – und Herauszuheben ist das fahrende Klassenzimmer des BUND Saar:
BUNDmagazin 3 | 19 › TITELTHEMA 19 WAS LEBT DENN DA? Axel Schreiner Andre Maslo Was sitzt denn da? Naturkundliche Führungen Insektenkurs im Bildungszentrum zählen zum Standardprogramm vieler BUND-Gruppen. Wartaweil am Ammersee. Im KunterBUNDmobil können über 2500 Schüler*innen pro Jahr unterscheiden? Artenkundige Ehrenamtliche geben bei solchen wirbellose Tiere unter der Lupe betrachten. Aktivitäten gerne Auskunft. Einer wichtigen Zielgruppe nimmt sich der BUND Bremen an: Wer weitab der Natur in Ballungsräumen wohnt, kann in Städten Kinder mit Migrationshintergrund und aus sozial schwachen wie Herten, Hamburg oder Bremen zudem Erlebnisgärten des Stadtteilen. Neugierde und Forscherdrang will er fördern bei de- BUND aufsuchen – und dort die heimische Natur kennenlernen. nen, die oft sehr wenig über die Natur vor ihrer Haustür wissen. Um Schüler*innen ganz allgemein Spinnen, Wildbienen, Wasser- SPEZIALISTEN AM WERK insekten oder Amphibien nahezubringen, bietet der Landesver- Hier und da hat sich in Gruppen und Arbeitskreisen besonderes band Materialkisten zu »Bremens Vielfalt unter der Lupe« an. Knowhow versammelt. Zwei Beispiele vom Bodensee: Die Projekttage und -wochen für Schulklassen vermitteln Wissen BUND-Gruppen aus Gottmadingen (Fokus: Fledermäuse) und speziell über Insekten. Radolfzell (Orchideen) gewinnen mittels vielfältiger Aktivitäten Die Schule meist schon beendet hat, wer bei der Kreisgruppe Verbündete und kundigen Nachwuchs. Köln Studienpraktika in Biologie und Geographie absolviert – Oder der Arbeitskreis »Feldherpetologie« in Sachsen-Anhalt: und dabei Grundkenntnisse in der Artenbestimmung erlangt. Er hat sich ganz der Erforschung und dem Schutz der Amphibien und Reptilien verschrieben. Dazu treibt er viel Öffentlichkeits- FÜR JEDEFRAU UND JEDERMANN arbeit: In Aschersleben betreut er einen Lehrgarten mit Schau- Zahllose BUND-Gruppen führen naturkundliche Exkursionen in gehegen. Außerdem organisiert er Camps für Kinder und Jugend- ihrem Programm. Je nach Jahreszeit stehen hier verschiedene liche sowie Exkursionen zu Frosch, Eidechse und Co. Tiere oder Pflanzen im Fokus. Um dauerhaft auf die Flora und Oder der Berliner Arbeitskreis »Pilzkunde & Ökologie«. Er wirbt Fauna eines Schutzgebietes hinzuweisen, haben viele Gruppen mit Vorträgen und Seminaren dafür, das so bunte – und doch Naturlehrpfade eingerichtet oder Infotafeln aufgestellt. Was ge- vielen ganz unbekannte – Reich der Pilze zu entdecken. nau wächst und gedeiht hier? Und was unternimmt der BUND vor Wer also seinen Blick für die Artenvielfalt öffnen und seinen Ort, um die Vielfalt zu bewahren? Horizont erweitern möchte, ist beim BUND vielerorts bestens Ein klassischer Anlass, um Artenkenntnisse zu vermitteln, ist aufgehoben. Kontaktieren Sie Ihre Kreisgruppe oder Ihren Landes- der GEO-Tag der Natur. Gruppen wie der BUND Neubrandenburg verband, wenn Sie sich schlauer machen wollen! sz nutzen ihn alljährlich, um mit Fachleuten bestimmte Flächen ge- nauer unter die Lupe zu nehmen. Dazu laden sie regelmäßig auch die Öffentlichkeit ein. Für Laien lässt sich da viel lernen! Wie bei i MEHR INFORMATIONEN so vielen Einsätzen draußen: Welche Molche und Frösche sind zum Bildungsangebot des BUND finden Sie unter diesmal am Krötenschutzzaun gestrandet? Und wie sind sie zu www.bund.net/umweltbildung
WAS LEBT DENN DA? Thomas Stephan Hat hier eine Wildkatze Haare gelassen? BUND- Aktive kontrollieren einen Lockstock in Sachsen. BÜRGERWISSENSCHAFT PATENT AUS PASSION MARTINA LÖW leitet die Abteilung Freiwilligenmanagement. Ehrenamtliche Artenkundige liefern wert- MAGNUS WESSEL volle Daten für Wissenschaft und Naturschutz. leitet die Naturschutzpolitik Und verdienen dafür alle Unterstützung. des BUND. C itizen Science hat in den vergangenen Jahren erheblich an Popularität ge- wonnen. Auch ist sie aus der Diskussion LANGE TRADITION Grundsätzlich ist das nichts Neues: Men- schen mit Interesse an der Natur erfas- WAS LAIEN LEISTEN Wie wichtig – und immer wichtiger – der bürgerwissenschaftliche Einsatz ist, um die Zukunft der Forschung nicht mehr sen ehrenamtlich Arten, sammeln Daten zeigt das Beispiel der Roten Listen ge- wegzudenken. Citizen Science – oft als oder ergründen Zusammenhänge und die fährdeter Arten: Ihr Fundament bilden »Bürgerwissenschaft« übersetzt – meint Ursachen von Veränderungen in Natur ganz überwiegend Daten und Schlussfol- vor allem zweierlei: die Beteiligung von und Umwelt. Das haben schon Goethe, gerungen, die außerhalb der universitä- Laien an wissenschaftlichen Projekten. Charles Darwin oder Jane Godall getan – ren Forschungswelt entwickelt wurden. Und die eigenständige Forschungsarbeit große Namen, lange bevor über Citizen So stammt der wichtigste Nachweis da- von Menschen jenseits der universitären Science gesprochen wurde. Schon seit für, dass unsere Insektenfauna nun seit Wissenschaft (oder nur lose verknüpft Jahrhunderten erforschen »Laien« Jahrzehnten verarmt, von pri- damit). Ihr Einsatz erfolgt dabei freiwillig Themen, die der institutionellen vat tätigen Insektenkundlern. und nicht im Rahmen einer beruflichen Wissenschaft oft abwegig erschie- Auch zentrale Artenschutz- Tätigkeit. nen. Sie entwickelten eigene Hy- projekte des BUND fußen auf pothesen und Theorien, zuweilen Citizen Science (> Kasten). sehr erfolgreich, wie Darwins Welche Herausforderungen Evolutionstheorie bezeugt. Oder zeichnen sich dafür ab? sie bleiben einer Passion wie Unsere Gesellschaft steht der Pflanzen-Taxonomie treu, vor der Jahrhundertauf- obwohl sie an vielen Unis gabe, schnell zu einer längst aufs Abstellgleis ran- wirklich nachhaltigen giert wurde. Lebensweise zu finden.
BUNDmagazin 3 | 19 › TITELTHEMA 21 Die biologische Vielfalt zu schützen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, ge- nauso wie viele Aspekte des Umweltschut- zes. Die Bürgerwissenschaft spielt dabei eine starke Rolle. Doch dauerhaft können Natur- und Umweltschutz nur erfolgreich sein, wenn der Staat seine Verantwortung hierbei angemessen wahrnimmt. Jutta Schreiner Ehrenamtliche befestigen in Rheinland-Pfalz einen Spurentunnel, um Gartenschläfer nachzuweisen. Der dafür nötige Wandel wird nur glücken, kritisch im Blick zu behalten. Das schützt wenn Zivilgesellschaft und Wissenschaft vor Missbrauch und »Greenwashing« und WILDKATZEN UND eng kooperieren. Kundige Freizeitforsche- bietet Chancen für beide Seiten. r*innen haben den Raum, über die Fach- Damit Citizen-Science-Projekte gelin- SCHLAFMÄUSE disziplinen hinaus den Blick zu öffnen, ihr gen und die Freiwilligen gut eingebunden Fachgebiet breiter zu denken und zu werden, müssen sie begleitet und koordi- »Als wir Handschuhe bekamen, überschauen. Wer ehrenamtlich forscht, niert werden. Wer ein solches Projekt wurde mir klar: Jetzt wird es wis- hat die Freiheit, seinen Blick auf größere plant, sollte deshalb immer einen Förder senschaftlich. Die Proben sollten Zusammenhänge zu werfen. Und das, anteil für das Management der Freiwilligen ja nicht verunreinigt werden.« ohne überlegen zu müssen, welche The- beantragen. Auch der nicht-universitäre men und Hypothesen sich wohl für die Partner sollte die Federführung und die Wissenschaftsjournale eigneten. Antragsrechte innehaben können. Ehren- Wer nicht hauptberuflich forscht, kann amtlich Aktiven darf es zudem nicht zu So berichtet ein ehrenamtlicher Hel- auch mal eine Außenseitermeinung ver- schwer gemacht werden: Kurze Fristen fer von seiner Teilnahme am Citizen- treten – faktenbasiert, versteht sich. Oder für die Antragstellung, zu wenig Anerken- Science-Projekt »Wildkatzensprung« sich in vernachlässigte Bereiche vertiefen. nung ehrenamtlicher Zeit und Ressourcen des BUND. Freiwillige sammelten Oder sein Wirken mit einem praktischen (für den Eigenanteil) sowie hohe formale jahrelang Haare von Wildkatzen, Naturschutzprojekt verbinden. akademische Hürden haben der Citizen begleitet von einem Forschungs- Science in der Vergangenheit oft Steine in institut. In sechs aufeinanderfol- WAS BRAUCHT CITIZEN SCIENCE? den Weg gelegt. genden Wintern kontrollierten sie Fruchtbar könnte sich ein engeres Mitein- regelmäßig über 3500 Lockstöcke. ander von Wissenschaft und Bürgerwis- STAAT IN DER PFLICHT Damit lieferten eine beachtliche senschaft auswirken. Und mehr Mut sei- Schließlich sollten wir nicht vergessen: Bei Datenbasis, um die Verbreitung der tens der Institutionen, auf Augenhöhe mit bestimmten Aufgaben steht primär der seltenen Art zu erforschen. den Laien zusammenzuarbeiten. Gemein- Staat in der Verantwortung – zum Beispiel Wie erfolgreich Citizen Science same Standards und Methoden, techni- bei der kontinuierlichen Überwachung und beim BUND zum Einsatz kommt, sche Unterstützung und Möglichkeiten Kontrolle europäischer Schutzgebiete. zeigt auch unser aktuelles Projekt der Veröffentlichung schaffen die Basis Wenn Behörden dieser Pflicht nicht ausrei- »Spurensuche Gartenschläfer«. der Kooperation – und sichern gleichzeitig chend nachkommen, können und sollten Viele freiwillige Helfer*innen wei- die Qualität der Ergebnisse. Ehrenamtliche diese Lücke nicht füllen. sen die Schlafmaus hier mithilfe Für die Eigenständigkeit von Citizen- Politisch bewegt sich sonst noch weniger. von »Spurentunneln« nach, die den Science-Projekten ist es wichtig, die Rech- Auch darf zum Beispiel, wer bei einem Ein- Pfotenabdruck der Tiere dokumen- te an Datengrundlagen und Ergebnissen griff Natur und Umwelt schädigt, nicht aus tieren. Außerdem kontrollieren sie zu wahren; sich intensiv auszutauschen; der Pflicht entlassen werden, selber nach- Nistkästen und bringen Wildtier- die Forschungsergebnisse transparent zu zuweisen, dass er diesen Schaden ausge- kameras in Aktion. verwenden; und politische Einflussnahme glichen hat (wie vom Gesetz gefordert).
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