City-Logistik neu gedacht - Impulse für das Stuttgarter Rosensteinviertel - IHK Region Stuttgart
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Impressum Herausgeber Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart Jägerstraße 30, 70174 Stuttgart Postfach 10 24 44, 70020 Stuttgart Telefon 0711 2005-0 Telefax 0711 2005-1354 www.stuttgart.ihk.de info@stuttgart.ihk.de Konzeption Abteilung Industrie und Verkehr Redaktion Götz Bopp Dr. Hans-Jürgen Reichardt Jörg Schneider IHK Region Stuttgart Abteilung Industrie und Verkehr Autoren Planersocietät Dr.-Ing. Frehn, Steinberg & Partner Stadt- und Verkehrsplaner Philipp Hölderich, Manuel Weiß, Pascal Wolff Pesch Partner Architekten Stadtplaner GmbH Mario Flammann, Gabriella Micciche Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML Dr.-Ing. David Rüdiger, Jan-Philipp Jarmer Visualisierungen und Layout Pesch Partner Architekten Stadtplaner GmbH Titelbild Pesch Partner Architekten Stadtplaner GmbH © 2020 Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder Vervielfältigung auf Papier und elektronischen Datenträgern sowie Einspeisungen in Datennetze nur mit Genehmigung des Herausgebers. Alle Angaben wurden mit größter Sorgfalt erarbeitet und zusammengestellt. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Inhalts sowie für zwischenzeitliche Änderungen übernimmt die Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart keine Gewähr. Bei allen planerischen Projekten gilt es die unterschiedlichen Sichtweisen und Lebenssituationen von allen Personen zu berücksichtigen. In der Wort- wahl dieses Dokuments werden deshalb geschlechtsneutrale Formulierun- gen bevorzugt oder alle Geschlechter gleichberechtigt erwähnt. Wo dies aus Gründen der Lesbarkeit unterbleibt, sind ausdrücklich stets alle Geschlech- ter angesprochen. 4
Inhaltsverzeichnis Grußwort 6 Vorwort 7 1. Einführung und Anlass 8 2. Thematische Anordnung im Kontext des Rosensteinviertels 9 2.1 Zusammenhang und Wechselwirkungen zwischen Logistik, Stadt- und Verkehrsplanung 9 2.2 Besonderheiten von Mischquartieren im Kontext von Mobilität und Logistik 10 2.3 Aktuelle Trends und Entwicklungen in Logistik, Verkehr und Gesellschaft 11 2.4 Bestehende Konzepte mit Bezug zur städtischen Logistik in Stuttgart 16 3. Benefits einer innovativen Logistik für zukunftsfähige Städte 18 4. Nutzergruppen des Rosensteinviertels 20 5. Impulse für innovative, urbane Logistikansätze 26 5.1 Private Paketemfangsanlagen 28 5.2 Online-Supermarkt-Hub 30 5.3 Privilegiertes Parken für elektromobile Dienstleister und Handwerker 32 5.4 Untergrundverteilungs- und -entsorgungsebene 34 5.5 Multi-User Mikro-Hub 36 5.6 Öffentliche Quartiersboxen 38 5.7 Sensorgestütztes Lieferzonenmanagement 40 5.8 Quartierslogistikmanagement 42 5.9 Multi-Use-Parkhäuser 44 5.10 Autonome Paketzustellung 46 5.11 Leise-Logistik-Umschlagzonen 48 5.12 Unterirdisches Transportsystem 50 6. Zusammenführung und Fazit 52 7. Literaturverzeichnis 54 Anschriften 56 5
Grußwort Das Rosensteinviertel ist für die Internationale Bauausstellung 2027 StadtRegion Stuttgart (IBA’27) ein Schlüsselprojekt. Gerade weil die Planungen über die ganze Laufzeit der IBA’27 laufen und im Präsentationsjahr 2027 auf den freiwerdenden Gleisflächen noch keine Ge- bäude stehen werden, ist das Rosensteinviertel ein Projektionsraum, für den die IBA’27 an- dernorts bereits in den kommenden Jahren Konzepte ausprobiert. Die Dimension des Gebiets und die Langfristigkeit der Entwicklung werfen die Frage nach der Zukunft der Stadt, ihrer Gestalt und ihrer Funktion auf. Während in den 1920ern auf dem Weissenhof eine junge Architektenavantgarde endlich die seit Beginn des Jahrhunderts entwickelten Elemente einer Moderne zu einer zukunftsprä- genden Gestalt verbinden konnte, befinden wir uns heute in der umgekehrten Situation: Wir wissen, dass die Zukunft völlig neue Herausforderungen bringt, es fehlen aber die Bilder, die uns auf diesem Weg begleiten könnten. Dies führt angesichts der Dringlichkeit fundamenta- ler Transformationen im Bereich des Klimaschutzes, der gesellschaftlichen Organisation, des Zusammenlebens, der Wohn- und Arbeitsorganisation zu einer erschreckenden Rückständig- keit. Wie verändern sich Warenströme, wie kann die Mobilität von Menschen und Gütern um- weltgerecht und effizient funktionieren? Dass die IHK für diese Fragen am Beispiel Rosen- stein innovative Ansätze entwickelt, ist ein wichtiger Schritt hin zu einem neuen Denken über die Stadt. An einem wichtigen Beispiel wird zukunftsgerichtet zu kommenden Anfor- derungen an die Stadt geforscht. Die vorliegende Studie zeigt konkret, wie städtische Infra- struktur als logistisches Rückgrat neu gedacht und als integrierter Teil der Planung Mehr- werte generieren kann. Wenn dieses Vorgehen von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik auf weitere Handlungsfelder ausgedehnt wird, kann das Rosensteinviertel zu einem Referenzfall neuer Stadtplanung und resilienter Quartierentwicklung werden. Mit dieser Studie ist dazu ein erster Schritt getan. Andreas Hofer Intendant und Geschäftsführer Internationale Bauausstellung 2027 StadtRegion Stuttgart GmbH 6
Vorwort Stuttgart bekommt in einigen Jahren die Chance, im Rosensteinviertel städtisches Leben und Arbeiten neu zu definieren. Wo heute Gleise, Bahninfrastruktur und eine der größten Bau- stellen Europas dominieren, soll die Stadt der Zukunft entstehen, die Wohnen, Arbeiten und Freizeit auf kurzen Wegen gut verbindet, die auf hohe Aufenthaltsqualität und umwelt- freundliche Mobilität setzt. Natürlich weiß heute noch niemand, wie die Welt in zehn Jahren aussehen wird. Die gegen- wärtige globale Krise zeigt eindrücklich, wie rasant sich tiefgreifende Veränderungen in vie- len Sphären des Alltags vollziehen und neue Normalitäten Einzug halten, die man sich weni- ge Monate zuvor nur schwer hätte vorstellen können. Warum also veröffentlicht die IHK Region Stuttgart für ein Stadtviertel, dessen Realisierung erst in einigen Jahren ansteht eine Studie, die konkrete und spezifische logistische Ansätze und Lösungen in einer derart volatilen Zeit präsentiert? Weil wir den Blick weiten und auch schärfen wollen für einen Themenkomplex, der in der Vergangenheit bei der Gestaltung von städtischen Räumen und Strukturen in aller Regel kei- ne Rolle gespielt hat. Dass Unternehmen täglich oder mehrfach pro Woche mehr oder min- der große Gütermengen empfangen oder versenden und auch die Stadtbewohner immer häufiger Waren des täglichen Bedarfs online bestellen und bequem an die Wohnungstür ge- liefert bekommen, spiegelt sich in den gewachsenen städtischen Strukturen nicht wieder. Dieser Güterverkehr kann nur bei sehr wenigen Unternehmen auf eigener Infrastruktur abge- wickelt werden. Im Regelfall, und bei der Versorgung der Bürger fast immer, läuft der Güter- verkehr über die öffentliche Straße, was zu Ineffizienzen, Interessenkonflikten und vielerorts zu handfesten Problemen führt. Wenn das Rosensteinviertel die Stadt der Zukunft werden soll, wollen wir über diese Studie und unser weiteres Engagement in den kommenden Jahren dazu beitragen, dass die Fehler der Vergangenheit hinsichtlich der städtischen Ver- und Entsorgung nicht wiederholt wer- den. Wir wollen aufzeigen, welchen Mehrwert moderne Logistiklösungen für die Bürger und Unternehmen bereithalten und dass die dafür notwenigen Infrastrukturen schon in der frü- hen Planungsphase mitgedacht und integriert werden müssen. So kann es gelingen, dass Lo- gistik leise, emissionsfrei und in weiten Teilen auch unsichtbar stattfindet. Unser besonderer Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landeshauptstadt, die ihre Ideen und ihr Fachwissen in diese Studie eingebracht haben. Marjoke Breuning Johannes Schmalzl Präsidentin Hauptgeschäftsführer 7
1. Einführung und Anlass Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart Darüber hinaus wird im zentralen Bereich der Landeshaupt- bringt sich seit langem in den Diskussionsprozess rund um stadt Stuttgart eine circa 85 Hektar große Fläche, die künf- die Weiterentwicklung der Landeshauptstadt ein und beglei- tig nicht mehr für den Bahnbetrieb benötigt wird, für neue tet das Thema Innenstadtlogistik seit vielen Jahren intensiv. Nutzungen zur Verfügung stehen. Ein Kernstück der Entwick- In diesem Kontext stehen die im Jahr 2017 verfassten wirt- lungsfläche Rosenstein ist das Rosensteinviertel, welches ei- schaftspolitischen Positionen der IHK Region Stuttgart, die nen wichtigen Baustein für die Stadtentwicklung Stuttgarts unter anderem für verschiedene grundlegende Aspekte bei darstellt. Das Rosenstein-Quartier „soll zu einem urbanen der Entwicklung des Rosensteinviertels plädieren1. Darin wird Stadtteil mit hoher Nutzungsvielfalt, attraktiven öffentlichen die Chance hervorgehoben, die die Neuentwicklung für die Räumen, identitätsstiftenden Orten und international ange- logistische Innenerschließung eines Quartiers der Zukunft sehenen kulturellen Angeboten ausgebaut werden“6 , was vor bietet. Dies ist in unmittelbarem Zusammenhang mit dem allem besondere Potenziale und Chancen für die städtebauli- Handlungsfeld „Zukunftsfähige Mobilität“ zu sehen, welches che Entwicklung, aber auch Herausforderungen insbesondere die Landeshauptstadt Stuttgart unter anderem auf Basis der im Verkehrs- und Logistikbereich mit sich bringen wird. Ergebnisse der „Informellen Bürgerbeteiligung Rosenstein“2 in den Auslobungsunterlagen zum städtebaulichen Wettbewerb Ferner befasst sich die internationale Bauausstellung (IBA) Rosenstein (Wettbewerbsphase 2, April 2019) verankert hat. 2027 in Stuttgart mit der Leitfrage „Wie leben, wohnen, ar- beiten wir im digitalen und globalen Zeitalter?“. Auch vor die- In den letzten Jahren kommt den diversen und sich wandeln- sem Hintergrund stellt sich die Aufgabe, Antworten auf Her- den Mobilitätsanforderungen von Bürgerinnen und Bürgern ausforderungen der innerstädtischen Logistik zu finden. Gro- eine steigende Beachtung in der Stadtplanung und -entwick- ße Teile des Quartiers Rosenstein werden voraussichtlich erst lung zu. Neben der Ebene des Personenverkehrs wird auch die nach der IBA fertiggestellt. Da wesentliche Erkenntnisse im Betrachtung der komplexen und vielfältigen Wege von Waren Zusammenhang mit den Planungsansätzen für das Rosen- und Gütern vor dem Hintergrund möglicher Effizienzsteige- steinviertel auch auf andere Neuplanungen übertragbar sind, rungen und verbesserter Wettbewerbsfähigkeit für Unterneh- können dafür erarbeitete Impulse auch als Ideengeber für an- men immer wichtiger und wurde bislang nicht ausreichend dere, früher realisierte IBA-Projekte herangezogen werden. berücksichtigt. Die Landeshauptstadt Stuttgart hat mit dem Unter Berücksichtigung des derzeitigen Planungsstands und Aktionsplan „Nachhaltig mobil in Stuttgart“3 beziehungswei- den weiteren Planungsprozessen zur Realisierung des Rosen- se dem Verkehrsentwicklungskonzept 20304 bereits Grund- steinviertels, die sich an den aktuellen städtebaulichen Wett- lagen für die Verkehrs- und Mobilitätsentwicklungen in der bewerb anschließen, bietet sich mit den in dieser Studie ent- Stadt und auch dem Rosensteinviertel geschaffen. Um das haltenen Handlungsmöglichkeiten die besondere Chance, be- Leitziel der Verkehrsentwicklungsplanung „Mehr Lebensqua- reits mit Beginn der Siedlungsentwicklung proaktiv geeignete lität in der Landeshauptstadt Stuttgart“ zu erreichen, wurden Logistiklösungen vorzusehen und umzusetzen. Dadurch un- neun Handlungsfelder mit zum Teil konkreten Maßnahmen terscheidet sich dieses Projekt vom Regelfall, bei dem nach- für eine nachhaltige Mobilität formuliert. Eines davon um- träglich auf vorhandene städtebauliche Strukturen reagiert fasst den Wirtschaftsverkehr5. Konkret wird an dieser Stelle werden muss. die Maßnahme zur „Entwicklung von Konzepten und Erpro- bung von Lösungsansätzen im Bereich City-Logistik“ genannt. Aufgrund der genannten besonderen und aussichtsreichen Noch nicht veröffentlicht hat die Landeshauptstadt Stuttgart Gegebenheiten hat die IHK Region Stuttgart die vorliegen- ihr im Jahr 2018 weitgehend fertiggestelltes City-Logistik- de Impulsstudie in Auftrag gegeben, bei der vor einem stadt- Konzept. Da die Stuttgarter Kerninnenstadt innerhalb des Ci- und verkehrsplanerischen Hintergrund Impulse und Ansätze ty-Rings künftig „autofrei“ werden soll, ergeben sich durch aufgezeigt werden, die zukunftsfähige Antworten zum Um- die Auswirkungen und „Gegenmaßnahmen“ auf die Liefer- gang mit der zunehmend wichtigeren urbanen Logistik geben und Entsorgungsvorgänge in diesem Areal noch Anpassungs- und damit das Ziel der höheren Lebensqualität in der Landes- bedarfe am City-Logistik-Konzept. hauptstadt Stuttgart verfolgen. 1 IHK Region Stuttgart 2017: 207f 5 Zum Wirtschaftsverkehr zählen grundsätzlich die Beförderung von jegli- 2 Mediator GmbH 2017 chen Gütern von A nach B und alle Wege und Fahrten, welche in Ausübung 3 LHS Stuttgart 2017 der beruflichen Tätigkeiten von Personen durchgeführt werden und nicht 4 LHS Stuttgart 2014 der unmittelbaren Befriedigung privater Bedürfnisse des Verkehrsteilneh- mers selbst dienen. 6 LHS Stuttgart 2018a: 31 8
2. Thematische Einordnung im Kontext des Rosensteinviertels Am Beispiel des Rosensteinviertels sollen die Möglichkeiten In diesem Kontext sind auch Entwicklungen der Gesellschaft innovativer urbaner Logistiklösungen und deren Mehrwert für und des Handels zu betrachten: Im Zuge einer alternden Ge- das Quartier aufgezeigt werden. Dazu bedarf es zunächst ei- sellschaft und Veränderungen in den Haushaltsstrukturen ner thematischen Einordnung, da zahlreiche Einflussfaktren (vergleiche Kapitel 2.3) gewinnen individuelle Serviceleistun- in Zusammenhang stehen und Wechselwirkungen entfalten. gen des Lieferns und Abholens an Bedeutung. Gleichzeitig Gleichzeitig sind Mischquartiere durch vielseitige Gegeben- verändern sich die Strukturen der Sendungen, so dass unter heiten gekennzeichnet: Sie zeichnen sich durch eine Nut- anderem mehr Güter des täglichen Bedarfs geliefert werden8. zungsmischung aus Wohnen und kleineren Handels- und Ge- Hinzu kommt der nachweisbare Güterstruktureffekt9, welcher werbebetrieben sowie Freizeitnutzungen aus und befinden die Zustellung zum Endkunden mittels Transporter und klei- sich meist in zentraler Lage innerhalb der Stadt. Um diesen nerer Fahrzeuge begünstigt. unterschiedlichen Themen zu begegnen, kann die Landes- hauptstadt Stuttgart bereits auf einige bestehende Konzep- Gleichzeitig drängen die Entwicklungen im Onlinehandel zu te und Studien zurückgreifen, welche Ziele, Strategien und schnelleren Logistikdienstleistungen und führen zu einem Maßnahmen zu den aktuellen Entwicklungen in Logistik, Ver- schnelleren Wachstum der Kurier-, Paket- und Expressbran- kehr und Gesellschaft definieren. che (KEP) im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbereichen ins- gesamt10. Dies hat zur Folge, dass der größte Teil der Zustel- Im Mittelpunkt dieser Themenvielfalt steht die heterogene lung und Abholung bei Bewohnern, Geschäften und Unter- Gesellschaft mit unterschiedlichsten Ansprüchen und Be- nehmen innerhalb städtischer Ballungsräume stattfindet. Der dürfnissen. Dieses Spektrum im Kontext des Rosensteinvier- hierdurch induzierte Wirtschaftsverkehr konkurriert sowohl tels wird anhand unterschiedlicher privater und gewerblicher mit dem motorisierten Individualverkehr als auch mit dem Nutzergruppen, zum Beispiel einer (jungen) Familie oder dem Fuß- und Radverkehr, dem öffentlichen Personennahverkehr Inhaber einer Werbeagentur, charakterisiert. und anderen Nutzungsansprüchen um die begrenzten Flä- chen im öffentlichen Raum. Die vorgeschlagenen Ansätze haben exemplarischen Charak- ter, deren Implementierung und räumliche Konkretisierung Nicht nur durch die Zunahme des (Wirtschafts-)Verkehrsauf- bei der weiteren Planung für das Rosensteinviertel berück- kommens als solches, sondern auch durch Klimaschutzbestre- sichtigt werden sollen. Die an den städtebaulichen Wettbe- bungen, die Pflicht zur Einhaltung von Lärm- und Luftschad- werb Rosenstein anschließenden Planungsschritte (unter an- stoffgrenzen sowie die Forderung eines effizienten Ressour- derem Rahmenplanung, Bauleitplanung, Erschließungspla- ceneinsatzes sind Kommunen mehr denn je zur aktiven Steu- nung, stufenweise Umsetzung von Teilquartieren) bieten die erung aufgefordert, um entsprechende Rahmenbedingungen Möglichkeit, urbane Logistikansätze bereits in einem frühen und Weichenstellungen zukunftsgerichtet vorzunehmen. Da- Planungsstadium auf allen Maßstabsebenen zu berücksich- bei kommt einer nachhaltigen Logistik eine wesentliche Rol- tigen. le zu: Zum einen stellt der Transport von Gütern und Waren in städtischen Räumen eine besondere Herausforderung dar, zum anderen ist er gleichzeitig auch ein effektiver Hebel, um Städte lebenswerter zu gestalten und die lokale Wirtschafts- 2.1 Zusammenhang und Wechselwirkung entwicklung zu begünstigen. zwischen Logistik, Stadt- und Verkehrs- planung Eine leistungsfähige Infrastruktur kann diese Trends nicht al- leine auffangen – sie ist nur die notwendige Voraussetzung. Bereits heute leben rund drei Viertel der deutschen Bevölke- Vielmehr sind stadtverträgliche, ressourcen- und infrastruk- rung in Städten und es wird ein weiteres Wachstum der Städ- turschonende Logistikkonzepte und neue Technologien er- te angenommen7. Damit einhergehend erhöht sich der Bedarf forderlich. Daher ist es Aufgabe insbesondere der kommuna- an Gütern und Dienstleistungen, wodurch die Anforderungen len Stadt- und Verkehrsplanung, die Flächen- und Nutzungs- an die Verkehrsinfrastruktur und die zur Verfügung stehenden konkurrenzen im öffentlichen Raum mit den Ansprüchen an Flächen steigen. Lebens- und Aufenthaltsqualität, des Umweltschutzes, der 7 Statistisches Bundesamt 2018a: 29 8 HDE 2019: 9 9 Güterstruktureffekt: Er bezeichnet die Veränderung der Produktionsstruk- tur von Massengütern zu hochwertigen Gütern. Dieser Wandel bedeutet auch einen zunehmend individualisierten Transport hochwertiger Güter, der zu großen Teilen durch die KEP-Branche geleistet wird. 10 BIEK 2018: 23 9
2. Thematische Einordnung im Kontext des Rosensteinviertels wirtschaftlichen Aktivitäten, der Verkehrssicherheit und des Mischgebiete gemäß § 6 Baunutzungsverordnung (BauNVO) Verkehrs im Allgemeinen in Einklang zu bringen. Nicht zu- letzt haben diese Faktoren einen wesentlichen Einfluss auf (1) Mischgebiete dienen dem Wohnen und der Unterbrin- die Qualitäten von Städten und Regionen, um im Standort- gung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wettbewerb konkurrenzfähig aufgestellt zu sein. wesentlich stören (2) Zulässig sind: Hierbei offenbaren sich die Chancen und Potenziale für Kom- 1. Wohngebäude, 2. Geschäfts- und Bürogebäude, 3. Ein- munen bei der Gestaltung von Neubauquartieren: Gegen- zelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften so- über gewachsenen Bestandsquartieren mit begrenzten Ver- wie Betriebe des Beherbergungsgewerbes, 4. sonstige Ge- kehrsflächen im öffentlichen Raum können im Zuge von neu- werbebetriebe, 5. Anlagen für Verwaltungen sowie für en Siedlungsentwicklungen Rahmenbedingungen geschaffen kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sport- und Ansätze eines nachhaltigen Flächenmanagements ver- liche Zwecke, 6. Gartenbaubetriebe, 7. Tankstellen, 8. Ver- wirklicht werden, indem beispielsweise Flächen für logisti- gnügungsstätten im Sinne des § 4a Abs. 3 Nr. 2 in den Tei- sche Zwecke von Beginn an berücksichtigt beziehungsweise len des Gebiets, die überwiegend durch gewerbliche Nut- für Mehrfachnutzungen vorgesehen werden. So kann es ge- zungen geprägt sind lingen, den öffentlichen Raum im Sinne einer hohen Lebens- qualität aktiv und flexibel zu gestalten und Städte für die Zu- Urbane Gebiete gemäß § 6a BauNVO kunft zu positionieren. (1) Urbane Gebiete dienen dem Wohnen sowie der Unter- bringung von Gewerbebetrieben und sozialen, kulturellen 2.2 Besonderheiten von Mischquartieren im und anderen Einrichtungen, die die Wohnnutzung nicht Kontext von Mobilität und Logistik wesentlich stören. (2) Zulässig sind: Für das Rosensteinviertel wird eine kleinteilige funktionale 1. Wohngebäude, 2. Geschäfts- und Bürogebäude, 3. Ein- Durchmischung angestrebt, in der Kombinationen, Schich- zelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften so- tungen und Überlagerungen diverser Nutzungen gelingen wie Betriebe des Beherbergungsgewerbes, 4. sonstige Ge- können. Nachbarschaften von produzierenden Arbeitsstätten, werbebetriebe, 5. Anlagen für Verwaltungen sowie für Büros, Kultur- und Kreativwirtschaft, Sport und Bewegung, kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sport- Handel und Dienstleistungen mit Wohnen und Wohnfolge- liche Zwecke. einrichtungen (zum Beispiel Kindertagesstätten und Schulen) (3) Ausnahmsweise können zugelassen werden … stehen im Fokus einer nachhaltigen Stadtteilentwicklung für 1. Vergnügungsstätten, soweit sie nicht wegen ihrer ein lebendiges urbanes Quartier. Zweckbestimmung oder ihres Umfangs nur in Kerngebie- ten allgemein zulässig sind, 2. Tankstellen. Begünstigen veränderte Arbeitswelten, Digitalisierungspro- zesse und technologische Innovationen die Entwicklung neuer Die Vielfalt der Nutzungen in enger und unmittelbarer räum- Nachbarschaften von Arbeiten und Wohnen, so stellen räum- licher Nachbarschaft bewirkt gerade auch für den Mobilitäts- liche Nähe und Funktionsmischung zugleich hohe Anforderun- und Logistiksektor höchst unterschiedliche Anforderungen. In gen an die Konzeption von Stadträumen und Gebäuden. Nach- keinem anderen Gebietstypus ist es derart komplex, die Viel- barschaften auf Baufeldebene, Gebäudetypologien und Grund- falt von Ansprüchen unterschiedlicher Nutzer und Investoren risskonzeptionen sind sorgfältig und vorausschauend zu ent- in ökonomischer, ökologischer, funktionaler und sozialer Hin- wickeln, um spezifischen Nutzungsansprüchen Rechnung zu sicht mit der konkreten städtebaulichen Situation in Einklang tragen und der Gefahr von Nutzungskonflikten vorzubeugen. zu bringen. Mit der jüngsten Novellierung der Baunutzungsverordnung Durch die funktionale und bauliche Charakteristik nutzungs- 2017 wurde ergänzend zu Mischgebieten mit dem Typus „Ur- gemischter Quartiere bedingt, sind Transporte von großen banes Gebiet“ eine Gebietskategorie eingeführt, die im Sin- und schweren Gütern – wie beispielsweise bei vorwiegender ne eines urbanen Nutzungsmix höhere bauliche Dichten und (groß-)industrieller Nutzung – nicht zu erwarten. Es ist je- erweiterte Nutzungsmischung insbesondere in innerstädti- doch insbesondere der kleinteiligere Warenverkehr (Paket-, schen Lagen ermöglichen soll. aber auch Stückguttransporte) zu betrachten. Daher sind nut- zer- und betreiberoptimierte Logistikansätze von entschei- dender Bedeutung. Eine stadtverträgliche, umweltschonen- de und möglichst an den Empfängerbedürfnissen orientierte Feindistribution im Waren- und Wirtschaftsverkehr sollte das vorrangige Ziel sein. 10
2. Thematische Einordnung im Kontext des Rosensteinviertels Die zunehmende Digitalisierung beeinflusst mit umfangrei- dessen sind gesellschaftliche Veränderungen (Demographie, chen Anforderungen im Bereich Mobilität und Logistik die Lebensstile etc.) sowie übergeordnet Veränderungen in der Konzeption nutzungsgemischter Quartiere. Dabei sind schnel- Raumstruktur zu beobachten. Aus umfassenden Studien und le und effizient terminierte Lieferungen, die Vermeidung von Statistiken können Kennzahlen entnommen werden, anhand Emissionen, eine optimale Nutzung des öffentlichen Raums derer sich ein Trendszenario für die zukünftigen Entwicklun- und der Einsatz neuer Technologien einer digitalen und in- gen in den Bereichen Logistik, Verkehr und Gesellschaft ab- telligenten Stadt wichtige Säulen. Hinzu kommt das verän- leiten lässt. Zwar sind durch die zahlreichen Einflussfaktoren derte individuelle Mobilitätsverhalten breiter Bevölkerungs- beständige Prognosen erschwert, doch unterstreichen diese schichten. Auch der zunehmende Onlinehandel (insbesondere Kennzahlen die Notwendigkeit, bereits jetzt das breite The- auch Waren des täglichen Bedarfs wie Lebensmittel o. ä.) be- menfeld der urbanen Logistik zielgerichtet zu bearbeiten, um stimmt mit wachsender Intensität und steigendem Liefervo- zukünftig die Lebensqualität in Städten weiter zu erhöhen. lumen den Warenverkehr (vergleiche Kapitel 2.3). Eine bedeutende Entwicklung im Logistiksektor zeichnet sich durch das starke Wachstum im Onlinehandel aus, durch das 2.3 Aktuelle Trends und Entwicklungen in sich die Herausforderungen im urbanen Lieferverkehr in den Logistik, Verkehr und Gesellschaft nächsten Jahren weiter verschärfen werden: Der wachsende Anteil kleinteiliger Sendungen in kürzeren Bestell-/Lieferzyk- Insbesondere der Logistikmarkt unterliegt dynamischen Ent- len sowie die größere Dynamik bei logistisch anspruchsvollen wicklungen und ist durch einen hohen Innovationsgrad sowie Warengruppen (FMCG11, Heimwerkerprodukte sowie Möbel neue Wettbewerber und neue Ansätze im Zusammenhang und Haushaltswaren)12 wird vor allem in städtischen Räumen mit der fortschreitenden Digitalisierung gekennzeichnet. Auswirkungen entfalten. Insbesondere bei jungen Personen Demnach wird für den Wirtschaftsverkehrssektor ein über- liegt der Anteil der Online-Ausgaben deutlich höher als bei proportionales Wachstum prognostiziert, wodurch steigen- älteren, so dass durch Kohorteneffekte13 auch ein Wachstum de Emissionen und weiteren Folgen einhergehen. Im Kontext des Anteils bei älteren Personengruppen zu erwarten ist14. Aktuelle Trends und Entwicklungen – Logistik Der Onlinehandel wächst und differenziert sich zunehmend aus 57,8 39,9 20 20,2 05 6,4 20 2005 2010 2015 Prognose 19 2019 Entwicklung des Onlineumsatzes in Deutschland (in Mrd. Euro) Daten: HDE 2019: 6, Hinweis: Umsatzangaben netto; ohne Umsatzsteuer 11 Fast Moving Consumer Goods (FMCG): Als FMCG werden Güter des 13 Kohorteneffekt: Als Kohorten werden Personengruppen bezeichnet die täglichen Bedarfs bezeichnet. zu ähnlicher Zeit geboren wurden. Der Kohorteneffekt beschreibt somit 12 HDE 2019: 13 die Veränderungen durch Generationenwechsel. 14 GfK 2015: 8 11
2. Thematische Einordnung im Kontext des Rosensteinviertels Aktuelle Trends und Entwicklungen – Logistik Die Sendungsvolumina der Kurier-, Express- und Paketdienstleister (KEP)steigen weiter an Sendungsvolumina (in Mrd.) Trendfortschreibung (ab 2018) Prognose Entwicklung und Prognose des KEP-Sendungsvolumina in Deutschland von 2005 bis 2022 (in Mrd. Sendungen) Daten: BIEK 2018: 13 In starkem Zusammenhang mit den Entwicklungen im Online- Dies führte bereits in der Vergangenheit zu anteiligen Ver- handel stehen die Wachstumsraten der Kurier-Express-Paket- schiebungen der KEP-Marktsegmente. Logistik (KEP), welche im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbe- reichen überdurchschnittlich stark wächst15. So wurden im Jahr Steigende Kundenansprüche erfordern neue Zustellkonzepte 2017 allein in Deutschland 3,35 Milliarden Sendungen beför- Gleichzeitig sind die Logistikdienstleister aufgrund der stei- dert, was fast einer Verdoppelung im Vergleich zum Jahr 2000 genden Ansprüche der Endkunden mit einem hohen Innova- entspricht (1,69 Milliarden Sendungen). Auch für die Zukunft tionsdruck konfrontiert. Unter betriebswirtschaftlichen Ge- wird weiterhin ein starkes Wachstum auf rund 4,3 Milliarden sichtspunkten ist es besonders wichtig, Sendungen beim ers- Sendungen im Jahr 2022 prognostiziert. ten Zustellversuch abzuliefern. Um den hohen Wert von der- zeit über 90 Prozent18 trotz steigender Herausforderungen Innerhalb des KEP-Marktes gibt es eine Verlagerung zwi- (Same Day Delivery, frische beziehungsweise gekühlte Le- schen den Marktsegmenten „Business to Business“ (B2B) und bensmittelsendungen etc.) aufrecht zu erhalten, nehmen al- „Business to Consumer“ (B2C)16, die sich den Prognosen zu- ternative Zustellkonzepte wie zum Beispiel die Lieferung an folge fortführen wird: So wird dem B2C-Marktsegment eine Paketstationen oder in die Einzelhandelsfilialen zu. Gleich- Wachstumsrate des Sendungsvolumens von acht bis neun zeitig besteht ein sehr großes Interesse daran, die Kosten pro Prozent für das Jahr 2018 unterstellt, dem B2B-Marktseg- Paketsendung im Kontext der Anforderungen der Verlader wie ment dahingegen nur ein Zuwachs von ein bis zwei Prozent17. auch der Empfänger zu optimieren. Schätzungen zufolge be- 15 BIEK 2018: 23; GfK 2015: 10 17 BIEK 2018: 8 16 B2B = Business-to-Business; B2C = Business-to-Consumer; C2C = Consu- 18 BVOH 2016; mer-to-Consumer Hinweis: Als Erstzustellung werden auch Abgaben bei einem Nachbarn, Paketshop etc. definiert. 12
2. Thematische Einordnung im Kontext des Rosensteinviertels Zustellungen an Privatkunden gewinnen immer größere Bedeutung im wachsenden KEP-Markt Entwicklung der KEP-Marktsegmente in Deutschland Daten: BIEK 2018: 18 laufen sich die Gesamtkosten je Sendung unabhängig vom Der Wirtschaftsverkehr erzeugt rund 39 Prozent des werktäg- Anlieferungsort auf circa 3,50 bis 3,90 Euro und haben eine lichen Verkehrsaufkommens21 und hat damit einen beträcht- tendenzielle Steigerung aufgrund zunehmender Kundenser- lichen Anteil an den Emissionen des Verkehrssektors. vices (zum Beispiel Zustellung an den Wunschort und/oder zur Wunschzeit) trotz der Erwartung des kostenfreien Ver- Auch wenn die gesamten Treibhausgasemissionen in Deutsch- sands, so dass gleichzeitig Effizienzgewinne im Ablauf der land seit 1990 deutlich sanken und derzeit auf einem relativ Zustellung erzielt werden müssen19. konstanten Niveau liegen (rund 910 Mio. Tonnen CO2 Äquiva- lente pro Jahr), steigen die Treibhausgasemissionen des (Stra- Die Entwicklungen des Logistikmarktes drücken sich stark in ßen-)Verkehrssektors weiter an und liegen absolut sogar über der Verkehrsleistung in Deutschland aus. Die Verkehrsleis- dem Wert des Jahres 1990. Somit wächst auch der relative tung des Straßengüterverkehrs steigt im Zeitvergleich deut- Anteil und der Verkehrssektor ist mit knapp 19 Prozent wei- lich stärker als die Verkehrsleistung im Straßenpersonenver- terhin der drittgrößte Verursacher in Deutschland. Der Stra- kehr. Im betrachteten Zeitraum von 2000 bis 2015 nahm die ßenverkehr alleine verursachte im Jahr 2017 rund 17,8 Pro- Verkehrsleistung im Straßengüterverkehr um rund 33 Pro- zent der Treibhausgasemissionen22. zent zu; die des Straßenpersonenverkehrs um rund elf Pro- zent. Eine ähnliche Entwicklung setzt sich auch in den Lang- fristprognosen fort20. 19 Gevaers et al. 2014: 407; PwC 2017: 11 21 BMVBS 2012: 11 20 BMVI 2018: 84f; 218f; 346f 22 UBA 2019 13
2. Thematische Einordnung im Kontext des Rosensteinviertels Aktuelle Trends und Entwicklungen – Verkehrssektor Der Straßengüterverkehr wächst erheblich schneller als der Straßenpersonenverkehr Verkehrsleistung Güterverkehr Verkehrsleistung Personenverkehr Entwicklungen der Güterverkehrsleistung (in Tonnenkilometern) und der Personenverkehrsleistung im motorisierten Individualverkehr (in Personenkilometern) Daten: BMVI 2018a: 84f, 218f Die Luftschadstoffe und Treibhausgasemissionen nehmen zu und der wachsende Wirtschaftsverkehr trägt zur Verschärfung dieser Problematik bei. Wirtschaftsverkehr 39% 2015 2016 2017 910 Mio.t CO2-Aquivalente CO2 Emissionen 162 Mio. t 157 Mio. t 160 Mio. t 17,8% 40% 17,5% 17,3% NOx 60% Treibhausgasemissionen. CO2 Treibhausgasemissionen. NOx Entwicklung der Treibhausgasemissionen des Straßenverkehrssektors und Anteil an den NOx-Emissionen in Deutschland Daten: UBA 2018, UBA 2019; CO2-Emissionen in Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Dargestellt sind nur die THG-Emissionen des Straßenverkehrs 14
2. Thematische Einordnung im Kontext des Rosensteinviertels Aktuelle Trends und Entwicklungen – Gesellschaft Städtisch, älter, Single und erwerbstätig: Trends unserer Gesellschaft, die Veränderungen in der Logistik erfordern 2050 84% 16% 2040 82% 18% 2030 79% 21% 2020 78% 22% 2010 77% 23% 2000 75% 25% 1900 73% 27% Stadtbevölkerung Landbevölkerung Entwicklung der Stadt- und Landbevölkerung in Deutschland (Grad der Verstädterung) Daten: UN DESA 2018 In Bezug auf Stickstoffoxide ist der Verkehrsbereich mit ei- Die Region Stuttgart ist einer dieser wachsenden Räume. So nem Emissionsanteil von 40 Prozent mit Abstand der größte wird ausgehend vom Referenzjahr 2017 ein Bevölkerungszu- Verursacher23. wachs um 3,1 Prozent bis zum Jahr 2035 erwartet26. Als ein bedeutendes Zentrum von Technologie, Industrie und Wirt- Dahingehend drücken sich die Entwicklungen der Gesellschaft schaft herrscht ein besonderer Bedarf an neuen Siedlungs- etwas differenzierter aus. Zunächst wird eine weitere Ver- entwicklungen. Mit dem Quartier Rosenstein als einem ur- städterung in Deutschland angenommen, so dass sich das oh- banen und durchmischten Quartier werden die richtigen Vo- nehin schon hohe Niveau von rund drei Viertel der in Städten raussetzungen zum Umgang mit den aktuellen Trends und lebenden Bevölkerung auf einen Verstädterungsgrad von rund Entwicklungen der verschiedenen Bereiche geschaffen. Hier- 84 Prozent in den nächsten 30 Jahren erhöhen wird24. Gleich- bei werden insbesondere Belange für eine zukunftsfähige zeitig wird neben einer Gesellschaft mit einem höheren Anteil Mobilität und eine innovative urbane Logistik erfasst. Das älterer Personen (silver society) auch die Zunahme von Sing- Quartier Rosenstein wird mit rund 5.600 Wohneinheiten und lehaushalten und Erwerbstätigenhaushalten festgestellt25, so einer Vielzahl an Arbeitsplätzen konzipiert und soll Wohn- dass insgesamt die Zahl der Haushalte und auch die individu- raum für mindestens 14.000 Bewohner bieten. Somit werden ellen Ansprüche zum Beispiel hinsichtlich der Konsummög- dort unterschiedliche Nutzer- und Bevölkerungsgruppen par- lichkeiten, einer flexibleren Alltagsgestaltung und stärkerer tizipieren. Selbstentfaltung weiter wachsen werden. 23 UBA 2018 25 Statistisches Bundesamt 2018b; 2018c 24 UN DESA 2018 26 Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2019 15
2. Thematische Einordnung im Kontext des Rosensteinviertels 2.4 Bestehende Konzepte mit Bezug zur geeigneter Umschlagknoten basiere34. Im Fokus steht dabei städtischen Logistik in Stuttgart eine Distribution mittels fester aber auch mobiler Umschlag- knoten (Hub-Flächen), beispielsweise durch Schließfächer Die Landeshauptstadt Stuttgart hat bereits unterschiedli- oder bereitgestellte Anhänger, die den jeweiligen Routen der che verkehrliche Konzepte erarbeitet, die Anknüpfungspunk- Endzusteller zugewiesen sind35. Moderne City-Hubs seien te zum Thema Quartierslogistik beinhalten. Im Wesentlichen nicht nur Auslieferungslager, sondern Orte der Kommunika- sollen die Anknüpfungspunkte basierend auf den fünf Kon- tion. Bei verkehrsgünstiger Platzierung könne auch eine Ver- zepten vorgestellt werden, die umfangreiche Aussagen zur knüpfung mit Paketstationen erfolgen. Das ermögliche ne- Thematik treffen. Erstens handelt es sich dabei um den Mas- ben der Funktion des Umschlagknotens bei Bedarf auch eine terplan zur Gestaltung nachhaltiger emissionsfreier Mobili- Endzustellung. Auch Unternehmenskooperationen, insbe- tät („Green City Plan“)27, der im Auftrag der Landeshaupt- sondere im Bereich der Lieferdienste, sollen dazu beitragen, stadt Stuttgart vor dem Hintergrund einer grenzwertüber- dass eine gebündelte effiziente Lieferung stattfindet und so- schreitender Stickstoffdioxidbelastung im Jahr 2018 erar- mit Wege eingespart werden können36. Ergänzend solle die beitet wurde. Auch das ebenfalls aktuelle „Konzept Urbane Infrastruktur für die emissionsarmen Fahrzeuge wie Lasten- Logistik“28 in Stuttgart bietet hier umfangreiche Anknüp- räder oder auch kleinere Elektrofahrzeuge gefördert und bei fungspunkte wie auch die von der IHK Region Stuttgart im Neubaumaßnahmen entsprechend geplant werden37. Bezüg- Jahr 2012 veröffentlichte Studie „Innenstadtlogistik mit Zu- lich der Anlieferung für Restaurants, den Einzelhandel und kunft“29. Des Weiteren sind das Verkehrsentwicklungskon- andere gewerblich genutzte Einrichtungen wird im Konzept zept 203030 und der Aktionsplan „Nachhaltig mobil in Stutt- „Innenstadtlogistik mit Zukunft“ eine Einrichtung zeitlich be- gart“31 zu nennen, die ebenfalls Aussagen zum Wirtschafts- grenzter Lieferzonen genannt. So können die Flächen auch verkehr allgemein und auch zur Quartierslogistik treffen. anderen Nutzungen zur Verfügung gestellt werden38. In den genannten Konzepten werden pilothafte Umsetzun- Das „Konzept Urbane Logistik“ fordert darüber hinaus, dass gen von innovativen Maßnahmen der urbanen Logistik ge- langfristig insbesondere bei Neubaumaßnahmen eine Integ- fordert. So wird im „Konzept Urbane Logistik“ in Stuttgart ration der Lieferinfrastruktur in die Bauleitplanung notwen- das Ziel vorgestellt, Stuttgart als Modellstadt für innovati- dig sei. Eine entsprechende Verlagerung der Anlieferung auf ve Citylogistik zu etablieren und in diesem Rahmen Förder- den privaten Raum führe zur Entlastung öffentlicher Flä- mittel einzuwerben sowie mögliche Sonderkonditionen, bei- chen39. Neben konzeptionellen Ansätzen wird auch die Be- spielsweise rechtlicher Art, aufgrund des Pilotcharakters zu deutung einer institutionellen Unterstützung der Innenstadt- prüfen32. und Quartierslogistik bekräftigt. So solle zusätzlich zu dem in Stuttgart bereits bestehenden Arbeitskreis Innenstadtlogistik Der wesentliche Aspekt, der in allen genannten Konzepten und der Stelle des Wirtschaftsverkehrsbeauftragten eine wei- aufgegriffen wird, ist die emissionsarme Lieferung auf der tere Unterstützung personeller oder finanzieller Art stattfin- sogenannten „Letzten Meile“33, die auf einer Infrastruktur den, um Logistikbelange entsprechend fördern zu können40. 27 LHS Stuttgart 2018b 34 LHS Stuttgart 2018b: 43 28 IAT 2018 35 IHK Region Stuttgart 2012: 19f 29 IHK Region Stuttgart 2012 36 IHK Region Stuttgart 2012: 51f 30 LHS Stuttgart 2014 37 IAT 2018: 8 31 LHS Stuttgart 2017 38 IHK Region Stuttgart 2012: 24 32 IAT 2018: 8ff 39 IAT 2018: 5 33 Letzte Meile: Bezeichnet in der Logistikbranche das letzte Wegstück zum 40 IAT 2018: 7 Endverbraucher. Meist wird dabei als letztes Wegstück der Weg vom letz- ten Verteilzentrum zum Kunden bezeichnet. 16
2. Thematische Einordnung im Kontext des Rosensteinviertels Zusammenfassend lassen sich die genannten Aspekte in drei Kategorien untergliedern. Mit der Einrichtung von Liefer- zonen und veränderter Distribution auf der „Letzten Meile“ entstehen neue Anforderungen an den Straßenraum, Mi- kro-Hubs41und Paketstationen sollten zudem in der Immo- bilienplanung berücksichtigt werden und auch organisato- risch werden Änderungen beispielsweise in Form institutio- neller Unterstützung gefordert. Solch innovative Ansätze las- sen sich insbesondere in Neubauquartieren pilothaft erpro- ben. Dementsprechend wurde auch in der Auslobung für den städtebaulichen Wettbewerb Rosenstein ein Einbezug von Logistikstrategien erwartet42. Planungsdimensionen innovativer Logistikansätze 41 Mikro-Hub: Sie stellen im Gegensatz zu großen Verteilzentren ein meist urban gelegenes und verhältnismäßig kleines Zwischendepot dar, von dem aus die Endzustellung stattfindet. 42 LHS Stuttgart 2018a: 43 17
3. Benefits einer innovativen Logistik für zukunftsfähige Städte Logistische Anforderungen stellen Städte vor allem in hoch- Innovative Logistik bedeutet eine Verbesserung der verdichteten Bereichen zunehmend vor verkehrliche Probleme. Verkehrssicherheit Eine innovative Logistik kann folglich in unterschiedlichen Di- mensionen zur Problemreduktion und -lösung beitragen. Zunehmendes Verkehrsaufkommen mindert vielerorts die Verkehrssicherheit. Steigende Lieferzahlen haben dazu ge- Innovative Logistik bedeutet Verkehrsreduktion führt, dass auch Transportdienstleister die Verkehrssicher- heit durch ein erhöhtes Verkehrsaufkommen und insbeson- In vielen innerstädtischen Quartieren stellen Verkehrsproble- dere durch Haltevorgänge im Straßenraum negativ beeinflus- me, auch bedingt durch Lieferverkehr, ein wesentliches Pro- sen. Ein dichtes Netz an speziell ausgewiesenen Ladezonen blem für die Erreichbarkeit dar. Umgekehrt führt eine Ver- reduziert die Behinderungen des Be- und Entladevorgangs für kehrsreduktion zu geringeren Verzögerungen im Verkehrs- den fließenden Verkehr. Unübersichtliche Verkehrssituatio- ablauf, sinkender Luftschadstoff- und Lärmbelastung sowie nen werden vermieden, was zu einer Erhöhung der Verkehrs- steigender Flächenverfügbarkeit. Auch die Lieferlogistik kann sicherheit führt. Auch die Verlagerung auf andere Verkehrs- einen wesentlichen Beitrag dazu leisten. So führt eine liefer- mittel wie Lastenräder oder eine lärmemissionsarme Liefe- dienstübergreifende Bündelung zu höheren Fahrzeugauslas- rung in Randzeiten haben das Potenzial, die Verkehrssicher- tungen im gleichen Gebiet und insgesamt zu einer Redukti- heit zu erhöhen. on des Lieferverkehrsaufkommens. Diese kann sowohl mittels Abstimmung durch die Kunden als auch durch die Transport- Innovative Logistik bedeutet reduzierte Flächeninan- dienstleister selbst initiiert werden. spruchnahme Innovative Logistik bedeutet Emissionsreduktion Innerstädtische Flächen sind wertvoller Lebensraum. Aus diesem Grund gilt es, für innovative Logistikkonzepte mög- Luftschadstoff- und Lärmemissionen sind für die menschliche lichst sparsam mit diesem Gut umzugehen. Integrierte Lö- Gesundheit nicht förderlich. Dieser Problematik müssen auch sungen, die keine zusätzliche Fläche in Anspruch nehmen, Lieferverkehre Rechnung tragen, indem eine entsprechende sind somit von besonderem Wert für die stadträumliche Auf- Anpassung stattfindet. So kann beispielsweise eine optimier- teilung. Paketstationen können zu diesem Zweck in Gebäu- te zeitliche Verlagerung nicht kritischer Lieferungen unter de integriert werden und bedürfen so keiner zusätzlichen Berücksichtigung erforderlicher Lieferzeitfenster eine bessere Grundfläche. Temporäre Mikro-Hubs, die nur zum Zeitpunkt Auslastung der Fahrzeuge bewirken, wodurch eine Reduzie- der Zustellung innerstädtische Fläche in Anspruch nehmen, rung der Verkehrsbelastung erreicht werden kann. Durch eine stehen für einen multifunktionalen öffentlichen Raum und Verlagerung des Lieferverkehrs auf emissionsarme, besten- verringern so die Flächeninanspruchnahme. falls lokal emissionsfreie Verkehrsträger – insbesondere bei der Endzustellung – kann in Quartieren mit sensiblen Nut- Innovative Logistik bedeutet verbesserte Aufent- zungen eine Emissionsreduktion stattfinden. Einsparpotenzi- haltsqualität ale ermöglichen sich hier beispielsweise durch den Einsatz von elektrisch angetriebenen Fahrzeugen, Lastenrädern oder Die Aufenthaltsqualität im Straßenraum leidet häufig unter auch Paketrobotern. Im Parkraummanagement könnte zudem der reinen Präsenz sowohl des fließenden als auch des ruhen- ein Anreiz durch die Bevorzugung emissionsarmer Fahrzeuge den Kfz-Verkehrs. Auch Lieferverkehre tragen zu dieser Prob- sowohl finanziell als auch durch speziell ausgewiesene Stell- lematik bei. Aufgrund des geringeren spezifischen Flächenbe- plätze gesetzt werden, die eine effizientere Be- und Entla- darfs der Transportmittel des Umweltverbundes (zum Beispiel dung ermöglichen. Fahrräder) gegenüber konventionellen Lieferfahrzeugen kann eine Verkehrsverlagerung von Logistikwegen zu einer Reduk- tion der Flächeninanspruchnahme und damit zu höherer Auf- enthaltsqualität führen, da die Straßenzüge weniger von gro- ßen Transportern etc. beeinträchtigt werden. Zudem lassen sich die Logistikprozesse mit dem intelligenteren und zweck- mäßigeren Einsatz geeigneter Transportfahrzeuge (zum Bei- spiel Lastenräder bei vielen kleinen Sendungen) störungsfrei- er in einen Straßenraum mit hoher Aufenthaltsqualität inte- 18
3. Benefits einer innovativen Logistik für zukunftsfähige Städte grieren. In Gebieten mit dichter Bebauung, hohen Logistik- anforderungen und hohen Sendungsvolumina ist auch eine vollständig separate Lieferinfrastruktur denkbar. Durch ein unterirdisches Versorgungssystem kann eine verzögerungs- freie Zustellung erfolgen, die hohes Potenzial hat, die ober- irdische Verkehrsmenge und die damit einhergehenden Luft- schadstoff- und Lärmemissionen zu reduzieren. Innovative Logistik bedeutet Zeitersparnis Die aktuellen Lieferkonzepte sind oft nicht optimal auf die Bedürfnisse der Verbraucher, die innerstädtische Verkehrsinf- rastruktur und das Verkehrsaufkommen zu unterschiedlichen Tageszeiten abgestimmt. So ist eine kundenfreundliche Zu- stellung häufig an die Anwesenheit des Empfängers gebun- den. Auch zustellerseitig können durch eine verbesserte Lie- ferinfrastruktur Zeitersparnisse und Effizienzgewinne erzielt werden. Eine breitere Nutzung von Paketstationen ermöglicht eine kundenfreundliche Zustellung auch in Abwesenheit des Empfängers, da dieser Pakete jederzeit und, sofern entspre- chende Stationen in größerer Anzahl als gegenwärtig vorhan- den sind, ohne großen Mehraufwand abholen kann. Für Zu- steller kann sich eine Zeitersparnis vor allem durch den Um- stieg auf angepasste Verkehrsmittel wie beispielsweise Las- tenräder und eine Sendungsbündelung in der Endzustellung ergeben. Auch eine entsprechende bauliche Infrastruktur wie beispielsweise unterirdische Zustell- und Verteilsysteme an dicht bebauten Einkaufs- und Handelsstraßen bedeuten eine Zeitersparnis für Zusteller, da die zeitaufwendige Lieferung auf der „Letzten Meile“ störungsfrei ablaufen kann. Innovative Logistik kann noch weitere positive Effekte erzielen Paketstationen können sich im unmittelbaren Wohnumfeld bei starker Frequentierung zum Raum sozialer Interaktion entwickeln. An Schnittstellen unterschiedlicher Verkehrs- träger, beispielsweise an Bahnhöfen, können sie das Ange- bot erweitern und so den Umweltverbund und multimoda- le Wegebeziehungen fördern. Lastenräder können außerhalb der Betriebszeiten auch der privaten Nutzung zur Verfügung gestellt werden und somit zur Reduktion der Pkw-Abhängig- keit beitragen. Mit dem Rosensteinviertel wird ein urbanes Quartier mit hoher Nutzungsvielfalt entstehen, dessen Charakter durch Wohnen, Gewerbe, Dienstleistungen und Freizeitaktivitäten geprägt wird. Entsprechend vielfältig werden die Mobilitäts- und Logistikanforderungen der Quartiersbevölkerung sein. 19
4. Nutzergruppen des Rosensteinviertels Die Familie Familie sind Pakete auch zurück zum Absender gesandt wor- den. Das war sehr unerfreulich, da es sich um ein zu reparie- Unsere Musterfamilie wohnt in einem Mehrfamilienhaus in rendes Elektrogerät handelte und der gesamte Prozess da- einer Anwohnerstraße. Beide Eltern sind berufstätig, das Kind durch verzögert und verkompliziert wurde. ist im Kindergartenalter. Da der Vater flexible Arbeitszeiten hat, versucht er in der Regel zuhause zu sein, wenn Pake- Zentrale Erwartungen an die Logistik im Quartier: te geliefert werden sollen. Leider treffen die Pakete häufig • Störungsarme Abwicklung der Lieferungen, die insbeson- nicht zur angegebenen Zeit ein und bei der steigenden Anzahl dere die Sicherheit im Straßenraum nicht beeinträchtigen. an Paketen wird die Terminkoordination für ihn zunehmend • Zustellmöglichkeiten, die nicht an die Anwesenheit des schwierig. Entsprechend häufig müssen Pakete bei Nachbarn Adressaten gebunden sind und dennoch nur geringen abgeholt werden, wenn diese die Pakete angenommen haben. Mehraufwand bedeuten. Der nächste Paketshop ist aufgrund der weiten Entfernung • Verstärkte Paketlieferung auch an zentrale Mobilitätssta- und der eingeschränkten Öffnungszeiten als Zustellort unat- tionen, um eine Wegekombination zu erreichen. traktiv. Sie kommt auf dem Heimweg von der Arbeit zwar an • Verbesserte Information über genaue Zustellzeit von Pake- einer Paketstation vorbei, die jedoch nur wenige Lieferdiens- ten, um besser auf diese reagieren zu können und gegebe- te nutzen (können). Während des letzten Sommerurlaubs der nenfalls anwesend zu sein. Die Möglichkeit, verschiedene Waren auch online zu bestellen und geliefert zu bekommen, bedeutet für uns eine große Erleichterung im Alltag. Nur die unterschied lichen Lieferzeiten und Umstände beim Abholen sorgen für Probleme. Wir würden uns eine zuverlässigere Zustellung wünschen. Eine Wegekombination zum Beispiel durch Lieferungen an einer U-Bahn-Station, aber auch genauere Informationen zu Lieferzeiten wären eine Hilfe bei unserer Alltagsgestal- tung. 20
4. Nutzergruppen des Rosensteinviertels Die junge, berufstätige und gutverdienende Person Deswegen hat sie sich einige wichtige Pakete zuletzt an ihre Arbeitsadresse bestellt. Aufgrund der Arbeitgeberhaftung für Nächstes Beispiel ist eine Juristin, die nach ihrem abgeschlos- den Paketinhalt wird dies jedoch nur ungern gesehen, wes- senen Studium nun in Vollzeit in einer renommierten Kanz- wegen sie nun weitestgehend darauf verzichtet. Neben den lei arbeitet. Aufgrund des anspruchsvollen Berufs und eini- üblicherweise bestellten Artikeln würde sie gerne auch auf ger Freizeitaktivitäten und -verpflichtungen hat sie nur sel- die Möglichkeit zurückgreifen, Waren des täglichen Bedarfs, ten Zeit, um einkaufen zu gehen. Aus diesem Grund bestellt wie beispielsweise Lebensmittel, zu bestellen. Dazu müsste sie Kleidung und weitere Artikel des mittel- und langfris- sie aber sicherstellen, dass sie selbst die Pakete am gleichen tigen Bedarfs überwiegend online. Da ein Rentner, den sie Tag noch entgegennehmen kann, was momentan aufgrund schon seit längerem kennt, ebenfalls in dem Vielparteienhaus ihrer langen Arbeitszeiten nicht möglich ist. wohnt, werden ihre Pakete häufig von ihm entgegengenom- men. Es wird ihr allerdings zunehmend unangenehm auf seine Zentrale Erwartungen an die Logistik im Quartier: Hilfsbereitschaft angewiesen zu sein, zumal er auch für wei- • Zustellmöglichkeiten, die nicht an die Anwesenheit des tere Bewohner die Pakete annimmt und sie vermutet, dass er Adressaten gebunden sind und dennoch nur geringen zu den üblichen Lieferzeiten bewusst zuhause bleibt, um Pa- Mehraufwand bedeuten. kete entgegennehmen zu können. Wenn Pakete jedoch nicht • Verstärkte Paketlieferung auch an zentrale Mobilitätssta- vom Nachbarn angenommen werden können, werden diese tionen, um eine Wegekombination zu erreichen. bei der nächsten Filiale des KEP-Dienstleisters abgegeben. • Liefermöglichkeiten, die auch Waren des täglichen Bedarfs Ein größerer Aufwand in der Abholung ist die Folge für sie. umfassen. Ich würde mir wünschen, dass meine Lieferun- gen problemlos auch an andere Orte als nur an meine Wohnadresse zugestellt werden können. Kühlmöglichkeiten der Lieferungen würden zu- dem meine Bestellmöglichkeiten erweitern und meinen Alltag vereinfachen. Schön, dass es so zahlreiche Bestellmöglichkeiten gibt und ich jetzt sogar Lebensmittel online bestellen kann. Aber dauerhaft auf die Hilfsbereit- schaft von Nachbarn angewiesen zu sein, ist schon störend. 21
4. Nutzergruppen des Rosensteinviertels Der Rentner die Pakete jedoch ungerne im Hausflur liegen lassen, da sonst letztendlich doch mal was gestohlen wird. Er selbst geht in Herr Mustermann ist nicht mehr berufstätig. Er lebte bereits die Stadt, um einzukaufen. Die Einkäufe nach Hause zu trans- vor dem Umzug in die neue Wohnung im Rosensteinviertel portieren, wird für ihn jedoch zunehmend zur Belastung. Ein viele Jahre in einem Mehrparteienhaus und hat auch dort Supermarkt in seiner Nähe liefert die Sachen mittlerweile auf schon regelmäßig Pakete für andere Bewohner angenommen. Wunsch nach Hause, wenn er jedoch zum Wochenmarkt geht So stand er in gutem Kontakt mit der Nachbarschaft, was oder in Fachgeschäfte, muss er die Sachen weiterhin selbst ihn gefreut hat. In den letzten Jahren haben die Bestellungen transportieren. Eine Nachbarin, für die er häufig Pakete an- jedoch stark zugenommen und in dem neuen Haus wohnen nimmt, hilft ihm dabei zwar gerne, sie ist allerdings am Wo- nun auch einige jüngere Berufstätige und Familien, die be- chenende häufig nicht zuhause und kann ihn somit nicht un- sonders häufig bestellen und selten anwesend sind. Deswe- terstützen. gen klingeln nun zu unterschiedlichen Uhrzeiten Lieferdiens- te und wollen Pakete abgeben. Da sie bereits wissen, dass er Zentrale Erwartungen an die Logistik im Quartier: meist zuhause ist, klingeln viele direkt bei ihm und die Be- • Reduktion der Zustellversuche an Dritte wie beispielswei- lastung nimmt stetig zu. Er weiß jedoch, dass die Nachbarn se Nachbarn. bei nicht erfolgreicher Zustellung zum nächsten Paketshop • Anbieterübergreifende Liefermöglichkeiten, die auch Le- oder zur Post laufen müssen, was einen erheblichen Zeit- bensmittellieferungen einschließen. aufwand bedeutet. Für ihn ungünstig sind zudem die unter- • Zustellerübergreifende Wegeverknüpfung im Lieferverkehr schiedlichen Tagesabläufe der Nachbarn, die sowohl morgens zur Reduktion der Zustellvorgänge. als auch nachmittags und abends bei ihm klingeln. Er möchte Es ist toll, wenn die Nachbarschaftshilfe so gut funk- tioniert. Aber die Zunahme an Paketsendungen wird für mich langsam zu einer Belastung. Ich würde mir wünschen, dass meine Lieferungen mehr gebündelt würden und auch Lebensmittellieferungen einschließen. So würde ich seltener in meinem Alltag gestört und könnte außerdem ab und zu auf den an- strengenden Einkaufsweg verzichten. 22
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