Das Wirtschaftsmagazin Nr. 2/2016 - Entwicklung der Wirtschaftsverbände Strukturwandel in der Ostschweiz seit 1880 Ostschweizer Kräfte besser ...

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Das Wirtschaftsmagazin Nr. 2/2016 - Entwicklung der Wirtschaftsverbände Strukturwandel in der Ostschweiz seit 1880 Ostschweizer Kräfte besser ...
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SC HWER PU NK T 55 0 JAH RE I HK

Entwicklung der
Wirtschaftsverbände

W I R T SC HA F T & P OL I T I K
                                   Das Wirtschaftsmagazin   Nr. 2/2016
Strukturwandel in der
Ostschweiz seit 1880

W I R T SC HA F T & P OL I T I K

Ostschweizer Kräfte
besser bündeln
Das Wirtschaftsmagazin Nr. 2/2016 - Entwicklung der Wirtschaftsverbände Strukturwandel in der Ostschweiz seit 1880 Ostschweizer Kräfte besser ...
DANKE
                            FÜR DEN
                            SPITZEN-
                            AUFTRAG

                               Die neue ZERA Bed ist eine
                               Bettwandleuchte für Spitäler
                               und Pflegeeinrichtungen, die mit
                               verschiedenen Lichtszenen und
                               Lichtfarben überrascht. Besonderes
                               Highlight ist das klar abgegrenzte
                               Untersuchungslicht. Mit einem
                               hohen Farbwiedergabeindex von
DAS SMARTLIGHT IM SPITAL.      Ra >90 und einer mittleren
ZERA BED.                      Beleuchtungsstärke von 1.000 Lux
                               bzw. 300 Lux am Bettende schafft
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                               Bed perfekte Rahmenbedingungen
                               für Untersuchungen.

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EDITORIAL

1466 – da war doch was? Aber ja! Der polnische König Kasimir IV. be-
siegte den Deutschen Orden, in Strassburg wurde die erste deutsche
Bibel gedruckt, Mühlhausen schloss ein Schutzbündnis mit der Eidge-
nossenschaft – und die «loblich Gesellschaft des Nottenstains» wurde
in St. Gallen gegründet. Es waren vor allem Kaufleute, die als Fern-
händler Leinwand aus St. Gallen in halb Europa vertrieben und sich zu
einer Interessensgemeinschaft zusammengeschlossen hatten. Auf
fremden Märkten wie auch in der Stadtrepublik nahmen sie die wirt-
schaftlichen und handelspolitischen Belange ihrer Mitglieder wahr. So-
mit darf man mit Fug und Recht feststellen: Die Gesellschaft «Zum
Notenstein» (die sich 1730 als «Kaufmännische Corporation» neu or-
ganisierte) ist die Vorläuferin der IHK St. Gallen-Appenzell.

Seit 550 Jahren also existiert unser Wirtschaftsverband, der älteste sei-
ner Art in der Schweiz und der bedeutendste in der Ostschweiz. Und
damals wie heute ist unsere Vereinigung von Unternehmern aus der            Peter Spenger
                                                                            Präsident IHK St. Gallen-Appenzell
Region als erfolgreiche Interessensvertreterin unserer Mitglieder und
als liberales Forum wirtschaftspolitischer Anliegen aktiv und – wie es
so schön heisst – in St. Gallen-Appenzell daheim und in der Welt zu
Hause. Aus dieser langen Erfolgsgeschichte der IHK St. Gallen-Appen-
zell lassen sich zweifellos viele eindrucksvolle Beispiele unternehmeri-
schen Wagemuts und gesellschaftlichen Engagements, innovativer
Projekte und bemerkenswerter Visionen, ja sogar abenteuerlicher Han-
delsfahrten in ferne Länder erzählen. Daher widmet sich die vorlie-
gende Ausgabe der IHKfacts in der Rubrik «Schwerpunkte» auch ei-
nigen Facetten unserer IHK zwischen gestern und heute.

Als Organisation blicken wir zwar stolz auf unsere traditionsreiche Ver-
gangenheit zurück, aber als Unternehmer schauen wir vor allem auf
die Erfordernisse unserer Gegenwart und blicken den Herausforderun-
gen der Zukunft zielstrebig und entschlossen entgegen. Dafür, das ist
mein grösster Wunsch als IHK-Präsident, möge unser Wirtschaftsver-
band auch in den Jahren, welche unserem 550-jährigen Jubiläum fol-
gen werden, Ihr Partner und unser Garant sein.

Ich wünsche Ihnen eine ebenso anregende wie ertragreiche Lektüre!
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Mit Visualization CUBEs

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Zusammen
Zukunft
gestalten.                                                                  Reporting | Reporting Plus | Reporting SLA
                                                                    Werden IT Probleme zu spät er-
                                                                    kannt? Mangelt es an Messwerten
                                                                                                               Dann wird Service Management zum
                                                                                                               Thema. Damit dies auch für mittel-
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INHALT

                                                                   BLITZLICHT               06

Entwicklung der Wirtschaftsverbände in der Schweiz                 SCHWERPUNKT
Wo IHK draufsteht, ist auch IHK drin                               550 JAHRE IHK            08

«Von müssiggengern und köfflüt»
Weshalb 1466 als Gründungsjahr der IHK St. Gallen-Appenzell gilt

Siegeszug der Baumwolle und Stickereiblüte
Historische Bilder zur Ostschweizer Textilgeschichte

Ostschweizer Wirtschaftsgeschichte im Überblick
Zeittafel über 550 Jahre IHK St. Gallen-Appenzell

Von der Geschichte lernen
Wie die Ostschweiz den Strukturwandel wiederholt meisterte

IHK ist politisch heimatlos                                        WIRTSCHAFT UND POLITIK 20
Wie die IHK heute zu den Parteien steht

IHK-Cockpit – Wirtschaftskennzahlen aus der Ostschweiz
Erste Zeichen von Erholung

Das Problem mit der Kostenwahrheit
Vor dem Hintergrund der «Milchkuh»-Initiative

Die Ostschweiz aus Sicht von Bundesbern
Persönliche Einschätzung des ehemaligen Ständerats Hans Altherr

Kräfte bündeln und klare Schwerpunkte setzen
Die Ostschweizer Volkswirtschaftsdirektoren im Interview

Struktureller Wandel seit 1880
Wie sich die Bedeutung der Branchen in der Ostschweiz veränderte

Agrarprotektionismus auf Kosten der Arbeitsplätze                  KNOW-HOW                 36
Maestrani-CEO Markus Vettiger zur neuen Swissness-Gesetzgebung

IHK-Neumitglied                                                    IHK                      39
Eigenmann Unternehmungen, Wittenbach

                                                                   AKTUELLE FIRMENNEWS      40

                                                                   NETZWERK                 41

                                                                   AGENDA                   42
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BLITZLICHT

                                                                                                  Regional bis global
EcoOst-Symposium 2016:                                                                            Im April führte die IHK St. Gallen-Appenzell
KMU und ihr Wunsch nach                                                                           zusammen mit den Stadtarchiven von Orts-
Selbstständigkeit                                                                                 bürgergemeinde und Stadt St. Gallen sowie
Rund 150 Entscheidungsträgerinnen und                                                             der Privatbank Notenstein La Roche eine
-träger aus der Ostschweiz kamen für das                                                          zweiteilige Vortragsreihe zur St. Galler Wirt-
dritte «EcoOst – das Symposium» zusam-                                                            schaftsgeschichte vom Mittelalter bis ins 20.
men, um über das Tagungsthema «Der                                                                Jahrhundert durch. Wer die Veranstaltungen
Wunsch nach Selbstständigkeit: Erfolgsre-                                                         verpasst hat, bekommt im September noch
zept oder Stolperfalle für KMU?» zu disku-                                                        einmal eine Gelegenheit: IHK-Direktor Kurt
tieren. Neu war der Veranstaltungsort: Das                                                        Weigelt wird dann jeweils über Mittag in drei
Symposium wechselte von der Universität                                                           Regionen das Referat «Im Schnellzug durch
St. Gallen ins Einstein Congress.                                                                 die Ostschweizer Wirtschaftsgeschichte» hal-
Urs Frey vom KMU-Institut der Universität                                                         ten. Am 15. September in Heerbrugg, am 22.
St. Gallen zeigte in seinem Leadreferat auf,                                                      September in Rapperswil und am 29. Septem-
welche Auswirkungen die Digitalisierung                                                           ber in Wil.
auf die unternehmerische Unabhängigkeit
haben kann. In drei Sessions erzählten Füh-
rungspersönlichkeiten von ihrem eigenen
Blick auf das Tagungsthema: Christine Bolt      Politik setzt sich für IT-Bildungsoffensive ein
(stellvertretende Leiterin der St.Galler Tag-   Ende des letzten Jahres forderte Kurt Weigelt
blatt AG), Erich Eigenmann (CEO von ESGE        im Rahmen des Konjunkturforums Zukunft
AG, bamix of Switzerland) und Caroline          Ostschweiz eine IT-Bildungsoffensive. Vorge-
Magerl-Studer (CEO, Mila d‘Opiz).               schlagen wurde unter anderem, Geldmittel
Bevor das Symposium mit einem EcoOst-           aus dem besonderen Eigenkapital des Kan-
Buffet endete, fand unter der Leitung von       tons St. Gallen zur Anschubfinanzierung von
Urs Wehrle, RUZ-Geschäftsführer, mit allen      Bildungsmassnahmen im MINT-Bereich einzu-
vier Referenten eine Podiumsdiskussion          setzen. Die Realisierung dieser Forderung ist
statt.                                          jetzt ein Stück näher gerutscht: Der St. Galler
                                                Kantonsrat hat an seiner letzten Session die
                                                von einer breiten bürgerlichen Allianz einge-
                                                reichte Motion «IT-Bildungsoffensive» überwiesen. Die Fraktionen von SVP, CVP/EVP und FDP
                                                beauftragen die Regierung, «die gesetzlichen Grundlagen zur Anschubfinanzierung für eine
                                                Bildungsoffensive auf allen Stufen der MINT-Ausbildung, unter besonderer Berücksichtigung
                                                der Informatikausbildung, zu schaffen.»

                                                Züger Frischkäse AG gewinnt
                                                Export Award
                                                Mit der Züger Frischkäse AG und der Sky-
                                                Frame AG haben gleich zwei Ostschweizer
                                                Unternehmen den von Switzerland Global
                                                Enterprise (S-GE) verliehenen Export Award
                                                2016 gewonnen. Die Züger Frischkäse AG ge-
                                                wann in der Kategorie «Success». Seit 2008
                                                beliefert die Firma aus Oberbüren den deut-
                                                schen Bio-Fachhandel mit laktosefreien Bio-
                                                milch-Produkten. Etwa 60 Millionen Franken
                                                oder 40 Prozent des Umsatzes erzielt der
                                                fünftgrösste Milchverarbeiter der Schweiz
Fotos vom EcoOst-Symposium:                     heute im Ausland. Herzliche Gratulation!

6             Nr. 2/2016
Das Wirtschaftsmagazin Nr. 2/2016 - Entwicklung der Wirtschaftsverbände Strukturwandel in der Ostschweiz seit 1880 Ostschweizer Kräfte besser ...
BLITZLICHT

Ein Festkleid zum Jubiläum
Zur Feier des 550-Jahr-Jubiläums erhielt der Geschäftssitz der IHK St. Gallen-Appenzell ein von Star-Designer Martin Leuthold (Jakob Schlaepfer
Textiles) entworfenes «Festkleid». Wie Leuthold anlässlich der Vorstellung der Fassadengestaltung erklärte, wurden dafür historische Spitzen
aus der Sammlung des Textilmuseums neu interpretiert. Die bisherigen Reaktionen sind äusserst positiv. Doch die goldene Pracht wird von
begrenzter Dauer sein: Nach dem Jubiläumsjahr wird die Fassade wieder dem klassizistisch strengen Weiss weichen. Ein Videobeitrag von IHK-
TV informiert über das Projekt und zeigt, wie die Fassade zu ihrem goldenen Muster kam.

                                                                                                              IHK-Festkleid auf Youtube:

tunOstschweiz                                                                                    Geschichte auf Textilweg erleben
zum Zweiten                                                                                      Die textile Vergangenheit St. Gallens lässt sich
Nach dem letztjährigen Gross-                                                                    auch auf neuen Textilwegen erleben, die
erfolg wurde die von der IHK                                                                     «Textilland Ostschweiz» zusammen mit
mitinitiierte Erlebnisschau tun-                                                                 St. Gallen-Bodensee Tourismus und dank der
Ostschweiz an der OFFA 2016                                                                      Unterstützung der Ortsbürgergemeinde
bereits zum zweiten Mal                                                                          St. Gallen anbietet. Die zwei Wege «Stadt
durchgeführt. Kinder und Ju-                                                                     St. Gallen» und «St. Gallen West» sind indivi-
gendliche besetzten begeistert                                                                   duell begehbar. Während ersterer einen
die verschiedenen Experimen-                                                                     Rundgang entlang der Gebäude der St. Galler
tiertische. Sie konnten rund                                                                     Blütezeit darstellt, ist der zweite eine textile
um die Welt funken, einen Geheimsender finden, einen Roboter tan-                                Zeitreise in die Natur, der vom Bahnhof zum
zen lassen oder einen Schubladenalarm bauen. Mit tunOstschweiz soll                              Tröckneturm und zum Sitterwerk führt. Beide
potenzieller Nachwuchs möglichst früh für Tätigkeiten in den Berei-                              Wege sind online unter www.textilweg.ch
chen Informatik, Ingenieurwissenschaften oder Robotik begeistert                                 abrufbar und mit den Gratis-Apps «Oschte»
werden. Die Sonderschau wird künftig im Zwei-Jahres-Rhythmus statt-                              und «GPS-Tracks» können sich Interessierte
finden – das nächste Mal während der OFFA 2018.                                                  digital führen lassen.

                                                                                                                                   Nr. 2/2016   7
Das Wirtschaftsmagazin Nr. 2/2016 - Entwicklung der Wirtschaftsverbände Strukturwandel in der Ostschweiz seit 1880 Ostschweizer Kräfte besser ...
SCHWERPUNKT

Entwicklung der Wirtschaftsverbände in der Schweiz

Wo IHK draufsteht,
ist auch IHK drin
                            Die Verbandslandschaft hat sich verändert und insbesondere die Möglichkeiten der
                            politischen Einflussnahme der Wirtschaftsverbände sind geringer als früher. Die Zeiten,
                            als die Verwaltung auf die Sachkompetenz der Verbände angewiesen war, gehören der
                            Vergangenheit an. Die Wirtschaftsverbände müssen ihre Rolle deshalb neu definieren.
                            Für die IHK St. Gallen-Appenzell bedeutet dies in erster Linie eine Rückbesinnung auf
                            ihre ursprüngliche Funktion als privat-wirtschaftlich organisierte Interessenvertreterin
                            ihrer Mitgliedunternehmen. Im Fokus stehen Themen, die für die Zukunft unseres Wirt-
                            schaftsstandortes wichtig sind, die aber mit Blick auf die politische Ökonomie kurz-
Dr. Kurt Weigelt
Direktor IHK
                            fristig keine Rendite versprechen.

                            Am Anfang der IHK St. Gallen-Appenzell standen Fern-          des ersten Weltkrieges und den anschliessenden Krisen-
                            händler, die sich in der freien Gesellschaft zum Notenstein   jahren. Das Verhältnis von Staat und Wirtschaft entwi-
                            versammelten. Neben der Pflege der Gastlichkeit küm-          ckelte sich zu einer Mischform von staatlich gelenkter und
                            merte man sich in erster Linie um operative Aufgaben, die     marktwirtschaftlich offener Ökonomie, in der die Behör-
                            von den einzelnen Handelshäusern nicht selbst geleistet       den mit den Interessenverbänden Interventionen und För-
                            werden konnten. Dazu gehörte seit dem 15. Jahrhundert         derungen absprachen. Sozialpartnerschaft und Konkor-
                            der kaufmännische Botendienst. Von besonderer Bedeu-          danz etablierten sich als nicht-kompetitive Muster der
                            tung war zudem die Handelsdiplomatie. Weniger enga-           Konfliktsteuerung. Über Jahrzehnte galt der Direktor des
                            giert waren die Fernhändler in der Politik vor Ort. Diese     Vororts, der Vorgängerorganisation von economiesuisse,
                            dominierte das in Zünften organisierte Handwerk. Dies         als achter Bundesrat, der bei der Landesregierung ein und
                            änderte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.      aus ging und es verstand, hinter verschlossenen Türen die
                            Die mit der Entstehung der modernen Schweiz verbun-           Interessen der Wirtschaft durchzusetzen.
                            dene Kompetenzverlagerung nach Bundesbern verlangte
                            nach der nationalen Organisation gruppenspezifischer In-      Wirtschaftsverbände und neue Politik
                            teressen.                                                     Das Bild einer politischen Schweiz, in der alle im gleichen
                            Im Jahre 1870 erfolgte die Gründung des Schweizerischen       Boot sitzen und dieses nach Absprachen und Verhandlun-
                            Handels- und Industrievereins (Vorort), 1879 folgte der       gen gemeinsam durch das stürmische Meer der Weltge-
                            Gewerbeverband, 1880 der Gewerkschaftsbund und                schichte lenken, hat bis heute nichts an Strahlkraft verlo-
                            1879 der Bauernverband. Noch vor den Parteien wurden          ren. Als Verbandsvertreter treffen wir uns zu wichtigen
                            die Spitzenverbände zur Beratung von Gesetzesvorlagen         Sitzungen, schreiben fleissig Vernehmlassungen und en-
                            herangezogen und mit dem Recht auf ständige Vertretung        gagieren uns vor Abstimmungen und Wahlen.
                            in den Expertenkommissionen des Bundes ausgestattet.          So weit, so gut. Nur, hat sich wirklich kaum etwas verän-
                            Eine wichtige Rolle spielten die subventionierten Ver-        dert? Funktioniert unser politisches System noch heute
                            bandssekretariate, welche die schwache Bundesverwal-          nach den Spielregeln der zweiten Hälfte des letzten Jahr-
                            tung für die Politikformulierung dokumentierten. Be-          hunderts? Spielen unsere Spitzenverbände unverändert
                            schleunigt wurden diese Integrationsprozesse während          die Rolle eines achten Bundesrates? Fliesst unser Exper-

8              Nr. 2/2016
Das Wirtschaftsmagazin Nr. 2/2016 - Entwicklung der Wirtschaftsverbände Strukturwandel in der Ostschweiz seit 1880 Ostschweizer Kräfte besser ...
SCHWERPUNKT

tenwissen in die Arbeit der Verwaltung ein? Eine erste        Interessenvertreterin der
Antwort auf diese Fragen findet man in der vom Staats-        Mitgliedunternehmen
sekretariat für Wirtschaft seco herausgegebenen Publika-      Diese Analyse ist kein Abgesang auf die Wirtschaftsver-
tion «Die Volkswirtschaft» vom Mai des vergangenen Jah-       bände. Vielmehr begründet sie die Notwendigkeit, sich als
res. Zitiert wird eine Studie, die aufzeigt, dass die         Verband neu zu erfinden. Für die IHK St. Gallen-Appenzell
Interessenverbände seit 2001 an Einfluss auf die wichtigs-    bedeutet dies in erster Linie eine Rückbesinnung auf ihre
ten Entscheidungsprozesse verloren haben. Erklärt wird        ursprüngliche Funktion als privat-wirtschaftlich organi-
dies mit der Heterogenität der Interessen, dem Bedeu-         sierte Interessenvertreterin ihrer Mitgliedunternehmen.
tungsverlust traditioneller Politikfelder sowie der Europä-   Wir sind nicht Teil des politisch-administrativen Bereichs.
isierung und der Mediatisierung der Politik.                  Am politischen Wettbewerb beteiligen wir uns mit eige-
                                                              nen Ideen und Erwartungen. Besondere Bedeutung
13 000 neue Erlasse in zehn Jahren                            kommt dabei Themen zu, die für die Zukunft unseres
Angesichts des Absenders nicht ganz überraschend wird         Wirtschaftsstandorts wichtig sind, die jedoch mit Blick auf
der aus unserer Sicht entscheidende Grund nur indirekt        die politische Ökonomie kurzfristig keine Rendite verspre-
angesprochen: Die bereits in den siebziger Jahren von Max     chen. Als branchenübergreifender Verband kämpfen wir
Horkheimer beschriebene Totalverwaltung der modernen          nicht für Privilegien einzelner Betriebe oder Branchen,
Gesellschaft. Zwischen 2004 und 2014 ist der Umfang der       sondern für attraktive wirtschaftspolitische Rahmenbedin-
Bundeserlasse von 54 000 Seiten auf 67 000 Seiten gestie-     gungen. Unverhandelbare Leitlinie ist dabei die formell
gen. Die öffentliche Hand hat in der jüngeren Vergangen-      durch die Statuten und ideell durch unsere Geschichte de-
heit monatlich mehr als 500 neue Stellen geschaffen. Al-      finierte Ausrichtung auf eine weltoffene, wettbewerbs-
leine das Staatssekretariat für Wirtschaft des Bundes         orientierte Marktwirtschaft. Wir vertrauen auf Werte und
verfügt mit deutlich mehr als 600 Mitarbeitenden über         Überzeugungen. Nach unserer Ansicht liegt die Zukunft
das Zehnfache an personellen Ressourcen als economie-         nicht in geheimen Absprachen hinter verschlossenen Tü-
suisse. Und dies, obwohl economiesuisse nicht nur mit der     ren, sondern in einer für die interessierte Öffentlichkeit
Wirtschaftspolitik im engeren Sinne, sondern auch mit         nachvollziehbaren politischen Auseinandersetzung. Dabei
Fragen der Finanz- und Steuerpolitik, der Infrastruktur,      kommt den modernen Kommunikationsinstrumenten
von Energie und Umwelt, der Bildung, der Raumpolitik          eine zentrale Bedeutung zu. Unser Ziel ist der direkte Aus-
und vielem mehr befasst ist. Der IHK St. Gallen-Appenzell     tausch mit unseren Mitgliedunternehmen und der Bevöl-
stehen für die Bearbeitung der politisch relevanten Dossi-    kerung.
ers auf kantonaler und nationaler Ebene weniger als 200       Die IHK St. Gallen-Appenzell ist kein exklusiver Club, son-
Stellenprozente zur Verfügung.                                dern steht allen Unternehmen offen, die sich zu unseren
Die Zeiten, als die Verwaltung auf die Sachkompetenz der      Grundsätzen bekennen. Dies alles setzt voraus, dass wir
Verbände angewiesen war, sind Vergangenheit. Heute            auch finanziell auf eigenen Beinen stehen. Wir funktio-
werden neue Gesetze und vor allem die vielfach entschei-      nieren wie ein Unternehmen und finanzieren unsere Ar-
dendere Überarbeitung bestehender Erlasse von einer           beit zusätzlich zu den Mitgliederbeiträgen über den Ver-
kaum überblickbaren Zahl an verwaltungsinternen Exper-        kauf von Dienstleistungen. Nur in Ausnahmefällen können
ten im stillen Kämmerlein erarbeitet. Die traditionellen      wir die immer wieder an uns herangetragene Erwartung
Mitwirkungsverfahren kommen in der Regel zu spät. Die         erfüllen, unsere Organisation für Aktivitäten und Bot-
vorparlamentarische Phase hat an Bedeutung eingebüsst.        schaften von Dritten zur Verfügung zu stellen. Wo IHK
Auf verschiedenen Ebenen wird daher versucht, den Gang        draufsteht, muss auch IHK drin sein. Möglicherweise tönt
politischer Geschäfte über die von politischen Parteien ge-   dies alles mehr als nur selbstverständlich. Mit dem tradi-
prägte Parlamentsarbeit zu beeinflussen. Allerdings gilt      tionellen Selbstverständnis eines Wirtschaftsverbandes
dies nicht nur für Verbände, sondern noch viel ausgepräg-     des zwanzigsten Jahrhunderts hat dies jedoch nur wenig
ter für Lobbyisten im Auftrage von Partikularinteressen.      zu tun. Wir träumen nicht mehr vom achten Bundesrat,
Mit dem Bedeutungsverlust der vorparlamentarischen            von der möglichst grossen Nähe zu verwaltungsinternen
Phase haben die Verbände die über Jahrzehnte von ihnen        und parteipolitischen Entscheidungsträgern, negativ oft
besetzte Alleinstellung im politischen Prozess verloren.      als «Filz» oder auch als «classe politique» umschrieben,
Dies mit spürbaren Konsequenzen für die Wirtschafts-          sondern von einer aktiven, selbstbewussten und unabhän-
politik. Reparaturversuche im Umfeld parlamentarischer        gigen Teilnahme am politischen Wettbewerb sowie einer
Debatten und bei Volksabstimmungen sind weit weniger          offenen und ehrlichen Zusammenarbeit mit den Behörden
erfolgsversprechend als die ursprüngliche Einflussnahme       und den politischen Parteien. Der Kompromiss gehört
auf die verwaltungsinterne Vorbereitung von Geschäften.       nicht an den Anfang, sondern an das Ende der Debatte.

                                                                                                            Nr. 2/2016   9
Das Wirtschaftsmagazin Nr. 2/2016 - Entwicklung der Wirtschaftsverbände Strukturwandel in der Ostschweiz seit 1880 Ostschweizer Kräfte besser ...
PUBLIREPORTAGE

«Leasing gehört zu einem
optimalen Finanzierungsmix»
                                                        Investitionsgüterleasing senkt die Finanzierungskosten und schont
                                                        die Eigenmittel. Das macht diese Finanzierungsform in wirtschaftlich
                                                        herausforderungsreichen Zeiten wie heute besonders interessant.
                             Alfred Schaub              Die Migros Bank hat sich über die Jahre hinweg ein profundes Know-
                             Leiter Firmenkunden
                             Ostschweiz                 how im Investitionsgüterleasing aufgebaut: Sie bietet kompetente
                             alfred.schaub@
                             migrosbank.ch              Beratung, verbunden mit fairen Preisen und einer schnellen Abwick-
                             T 071 228 53 30
                                                        lung.

Viele Schweizer Unternehmen sind                        zierung nach dem Motto «pay as you earn»          Phase des Unternehmenslebenszyklus ist es ein-
mit Kostendruck und sinkenden                           spart gleichzeitig Eigenmittel, und bestehende    mal mehr entscheidend, gute Berater an seiner
Margen konfrontiert. Welche Vor-                        Kreditlimiten bleiben unberührt. Zudem fallen     Seite zu wissen – wie jene der Migros Bank.
teile bringt das Investitionsgüter-                     bei vergleichbarer Bonität die Finanzierungs-
leasing in diesem herausfordern-                        kosten tiefer aus als bei einer Kreditfinanzie-   Warum soll ein Unternehmen für
den Umfeld?                                             rung, denn das Leasingobjekt dient der Bank       Investitionsgüterleasing zur Migros
Remo Montesi: Heute muss in der Schweizer               als Sicherheit.                                   Bank?
Wirtschaft jeder Franken zweimal umgedreht              Alfred Schaub: Ein weiterer Vorteil ist, dass     Alfred Schaub: Wir sind die sympathische
werden, und der Einsatz liquider Zahlungsmit-           Leasing eine individuelle Vertragsgestaltung      Bank für KMU-Betriebe sowie für Unterneh-
tel will sorgfältig überlegt sein. Eine interes-        z.B. hinsichtlich Rückzahlungsraten und Lauf-     men der öffentlichen Hand wie z.B. Spitäler,
sante Lösung für Finanzierungen ist das Inves-          zeit bietet. Diese beträgt bei Leasingverträgen   Verkehrs- und andere Gemeindebetriebe. Wir
titionsgüterleasing, wie es die Migros Bank             normalerweise 36 bis 84 Monate. Bei sehr          bieten Investitionsgüterleasing als hauseigenes
anbietet. Denn die Leasingraten lassen sich so          langlebigen Investitionsgütern wie z.B. Infra-    Produkt an und stehen somit mit unserem
gestalten, dass sie aus dem erwirtschafteten            strukturprojekten werden auch Laufzeiten          Namen hinter dieser Dienstleistung. Unsere
Umsatz bezahlt werden können. Diese Finan-              von bis zu 12 Jahren angeboten. Damit ist         Kunden attestieren uns hohe Fachkenntnis,
                                                        Leasing – abgesehen von einer Hypothek –          verbunden mit einem fairen Preis und einer
                                                        oft die einzige Möglichkeit für langfristige      schnellen Abwicklung. Dabei sollten Sie das
                                                        Finanzierungen. Viele Banken offerieren Fest-     Beratungsgespräch bereits dann suchen, wenn
                                                        darlehen nur mit einer Vertragsdauer von          Sie in Ihrem Betrieb die Budgets für das Folge-
                                                        maximal fünf Jahren.                              jahr besprechen. Wenn Leasing frühzeitig ins
                                                                                                          Spiel gebracht wird, steht zum Investitionszeit-
                                                        In den nächsten Jahren steht bei                  punkt ein optimaler Finanzierungsmix bereit.
                                                        vielen KMU-Betrieben eine Unter-
                                                        nehmensnachfolge an. Kann Lea-
                                                        sing helfen, die Kosten der Nach-
                                                        folgelösung zu optimieren?
                                                        Remo Montesi: Die Herausforderung besteht
                                                        oft darin, einerseits betriebsnotwendige Inves-   Kompetenzzentrum Leasingfinanzierungen
                                                        titionen in den allenfalls überalterten Maschi-   T 044 839 88 55
                                                        nen- und Fuhrpark vorzunehmen. Andererseits       leasing@migrosbank.ch
                                                        sind gleichzeitig Liquidität und Eigenmittel so
                                                        weit zu schonen, dass die für die Nachfolgefi-    Die Migros Bank ist in der Ostschweiz 11-mal
                                                        nanzierung aufgenommenen Darlehen fristge-        vertreten: Amriswil, Buchs SG, Chur, Frauenfeld,
Alfred Schaub, Leiter Firmenkunden Ostschweiz (links)
                                                        recht zurückgeführt werden können. Diesen         Kreuzlingen, Pfäffikon SZ, Rapperswil, St. Gallen,
Remo Montesi, Leiter Kompetenzzentrum
Leasingfinanzierungen (rechts).                         Spagat schafft Leasing. In dieser wichtigen       Schaffhausen, Wil SG und Winterthur.

10                Nr. 2/2016
SCHWERPUNKT

Baumwoll- und Stickereiblüte
                                                      1                                                                                              2

                                       3                                                     4                                                       5

1 Weberpaar in einem Ostschweizer Webkeller,        2 Historische Aufnahme einer Stickmaschine   3, 4, 5 St. Galler Stickerei zur Zeit des Jugendstils,
  Aquarell, Johannes Schiess, um 1830, Graphische     (Bibliothek Textilmuseum)                          vor dem Ersten Weltkrieg, vermutlich in Paris
  Sammlung der ETH Zürich (aus «Geschichte im                                                            (aus «Geschichte im Tröckneturm» von Ernst
  Tröckneturm» von Ernst Ziegler, Typotron AG)                                                           Ziegler, Typotron AG)

                                                                                                                                        Nr. 2/2016        11
SCHWERPUNKT

Weshalb 1466 als Gründungsjahr der heutigen IHK St. Gallen-Appenzell gilt

«Von müssiggengern
und köfflüt»
                            Schon die St. Galler Fernhändler des 15. Jahrhunderts hatten mit Einschränkungen im
                            Warenverkehr zu kämpfen: Zölle, Währungsschwierigkeiten und protektionistische
                            Wirtschaftszweige stellten die Herausforderungen dar. 1466 gründeten St. Galler Kauf-
                            leute die Gesellschaft zum Notenstein, die Vorgängerin der heutigen IHK St. Gallen-
                            Appenzell, um gemeinsam für freiheitliche Rahmenbedingungen einzustehen. Die Ge-
                            schichte der IHK hält noch viele historisch wichtige Daten parat: Die Marktordnung von
                            1637, die Überführung in die Kaufmännische Corporation 1730 oder die Fusion von
                            Kaufmännischer Corporation und dem Handels- und Industrieverein im Jahr 1991.
Dr. Kurt Weigelt
Direktor IHK

                            Bekanntlich gibt es nichts Neues unter der Sonne. Dies gilt   Welches Datum ist zu feiern?
                            auch für die Herausforderungen im grenzüberschreiten-         Nun kann man sich natürlich zu Recht fragen, ob es legi-
                            den Warenverkehr. Die St. Galler Fernhändler, die ab dem      tim ist, das Jahr 1466 als Gründungsdatum der IHK
                            15. Jahrhundert mit ihrer Leinwand ganz Europa bedien-        St. Gallen-Appenzell zu feiern. Wäre das passende Ereignis
                            ten, hatten mit Logistikproblemen zu kämpfen. Ihre Trans-     nicht vielmehr die Marktordnung von 1637 oder das Jahr
                            porte blieben oft tagelang liegen. Behindert wurde der        1730, als sich die aus der Gesellschaft zum Notenstein
                            Fernhandel zudem durch Abgaben am Bestimmungsort              herausgewachsene Kaufmannschaft als Kaufmännische
                            und durch Brücken- und Durchfuhrzölle. Dazu kamen             Corporation ein eigentliches Organisationsstatut gab?
                            Währungsschwierigkeiten. Die wirtschaftliche Entwick-         Oder gehören wir gar zur Generation Y? 1991 fusionier-
                            lung beeinträchtigten aber auch hausgemachte Vorschrif-
                            ten. Die Zunftverfassung der Stadt St. Gallen schützte das
                            heimische Handwerk. Der Einfuhr von Leinwand aus Über-
                            see, dem Allgäu, stand man ablehnend gegenüber. In
                            St. Gallen hergestellte oder gehandelte Artikel mussten
                            hier gebleicht und gefärbt werden. Dies alles, so Hans Ru-
                            dolf Leuenberger in seinem Buch zum 500-Jahr-Jubiläum
                            der Kaufmännischen Corporation, förderte den Schulter-
                            schluss der Fernhändler. Ein früher Hinweis auf eine Ge-
                            sellschaft der Kaufleute findet sich um 1350. Im Stadtsat-
                            zungsbuch gibt es die Bestimmung, dass die Ratsherren
                            sowie die «müssiggenger und die köfflüt» gehalten wa-
                            ren, bei inneren Unruhen direkt den Bürgermeister aufzu-
                            suchen. Dies im Gegensatz zu den Mitgliedern der Zünfte,
                            deren erste Anlaufstelle der Zunftmeister war. Die erste
                            urkundlich nachweisbare Organisation der St. Galler Kauf-
                            leute bildete die Gesellschaft zum Notenstein, «deren An-
                            fang war auf 15. August 1466».

12                 Nr. 2/2016
SCHWERPUNKT

ten der Handels- und Industrieverein und die Kaufmänni-           torischer Dokumente zu belegen versuchte. 1891 erklärte
sche Corporation zur heutigen Industrie- und Handels-             man den Bundesbrief von 1291 zur Gründungsurkunde
kammer St. Gallen-Appenzell.                                      der Schweiz.
Tatsache ist, dass im Jahre 1966 die Kaufmännische Cor-
poration unter grosser öffentlicher Anteilnahme ihr               Rückversicherung in der Geschichte
500-Jahr-Jubiläum feierte. Und ebenfalls offensichtlich ist,      Es war wohl auch dieser zeitgeschichtliche Zusammen-
dass die gemeinsame Interessenwahrung der Kaufleute in            hang, der das älteste bekannte Mitgliederverzeichnis der
St. Gallen eine jahrhundertealte Tradition hat. Der Bezug         Gesellschaft zum Notenstein und damit das Jahr 1466 an
auf das Jahr 1466 hingegen hat weniger einen operativen           den Anfang unserer Organisation stellte. Die historische
als einen politischen Hintergrund. Nach dem Sonder-               Dimension diente als Anker in einer Zeit, in der Gewohn-
bundskrieg und der Staatsgründung im Jahre 1848 war               tes verschwand und Neues entstand. Je unaufhaltsamer
die Schweiz in besonderem Masse darauf angewiesen, die            ein Modernisierungsprozess voranschreitet, desto stärker
Einigung im Innern zu fördern. Ihren Höhepunkt erreichte          scheint das Bedürfnis nach Rückversicherung in der eige-
die nationale Versöhnungskultur vor der Jahrhundert-              nen Geschichte zu sein. Eine Erfahrung, die bis heute
wende. In Schriften, Denkmälern, Umzügen, Schützenfes-            nichts an Aktualität verloren hat.
ten und Landesausstellungen feierte man die Freiheits-
kriege der alten Eidgenossen und das Schweizer Alpenland
als die zentralen Elemente einer spezifisch nationalen
Identität. Dazu gehörte, dass man die eigenen Anfänge
in möglichst frühe Zeiten zurückverlegte und mittels his-

                                                                                                                               Der Beginn der IHK-Zeit-
                                                                                                                               rechnung: Protokollbuch
                                                                                                                               der Gesellschaft zum
                                      Versand von Ostschwei-                                                                   Notenstein aus dem
                                      zer Leinwand – dem                                                                       Jahre 1466 (aus: 500
                                      wichtigsten Exportartikel                                                                Jahre Kaufmännische
                                      der Schweiz im 16. Jahr-                                                                 Corporation St. Gallen,
                                      hundert.                                                                                 1966)

                                                                                                                                      Nr. 2/2016    13
SCHWERPUNKT

Ostschweizer Wirtschaftsgeschichte, zusammengetragen von IHK-Direktor Kurt Weigelt

550 Jahre IHK
15. Jahrhundert                                           16. Jahrhundert                                            17. Jahrhundert

Beginn der Renaissance und Übergang                       Die politische Landschaft Europas befin-                   Der Dreissigjährige Krieg führt in Mittel-
zur Neuzeit. Die Menschen befreien sich                   det sich im Umbruch. Kopernikus, Paracel-                  europa zu einer politischen und wirt-
von den Zwängen des Mittelalters. Durch                   sus, Leonardo da Vinci und andere ent-                     schaftlichen Katastrophe. Dazu kommen
die Entwicklung von Wirtschaft und Han-                   wickeln Kunst und Wissenschaft. Martin                     verheerende Pestepidemien. Frankreich
del entstehen neue Machtzentren. Guten-                   Luther löst als theologischer Urheber die                  wendet sich von den Grundsätzen der re-
berg erfindet den Buchdruck, Kolumbus                     Reformation aus.                                           ligiösen Toleranz ab.
entdeckt Amerika.
                                                          St. Gallen wird reformiert, zwischen Abtei                 In den 1630er-Jahren konstituiert sich neu
Der St. Galler Leinwandhandel entwickelt sich             und Stadt baut man eine Schiedmauer. Die                   eine Generalversammlung sämtlicher Kauf-
zur ersten Exportindustrie der Eidgenossen-               Gesellschaft zum Notenstein verkauft ihr Ge-               und Ladenleute. Diese übernimmt die opera-
schaft. Als Gegengewicht zu den Zünften or-               sellschaftshaus am Obstmarkt an die Stadt                  tiven Aufgaben der Gesellschaft zum Noten-
ganisieren sich die Fernhändler in der freien             und bezieht einen turmartigen Bau beim                     stein, die als gesellschaftliche Vereinigung
Gesellschaft zum Notenstein. Das älteste be-              Brühltor. Dank der im Ewigen Frieden von                   vornehmer Familien bestehen bleibt. Die po-
kannte Mitgliederverzeichnis stammt aus                   1516 mit Frankreich vereinbarten Handelspri-               litischen Verwerfungen in den Absatzmärkten
dem Jahre 1466. Die wichtigsten Aufgaben                  vilegien nimmt die Bedeutung Lyons für den                 belasten die St. Galler Leinwandindustrie. Die
liegen in der Handelspolitik und in der Orga-             St. Galler Leinwandhandel stetig zu.                       Zunftverfassung verhindert jedoch eine An-
nisation des kaufmännischen Botendienstes,                                                                           passung von Produkten und Produktion an
dem Nürnberger und Lyoner Ordinari.                                                                                  die neuen Umstände. In Hauptwil und Trogen
                                                                                                                     entstehen Konkurrenzstandorte. 1685 rich-
                                                                                                                     ten die Kaufleute für die Hugenottenflücht-
                                                                                                                     linge die «Eglise française de Saint-Gall» ein,
                                                                                                                     die noch heute unter dem Patronat der IHK
                                                                                                                     St. Gallen-Appenzell steht.

Von der mittelalterlichen Leinwandindustrie zum Stickerei-Welthandel, Emil Rittmeyer, Öl auf Leinwand, 1881, Textilmuseum St. Gallen, Leihgabe der IHK St. Gallen-Appenzell

14                Nr. 2/2016
SCHWERPUNKT

18. Jahrhundert                                  19. Jahrhundert                                 20. Jahrhundert

Die Aufklärung verändert die Welt. Vorerst       In Europa und in Nordamerika setzen sich        Zwei Weltkriege prägen die Welt und
herrscht aber noch die alte Ordnung. Mit         Marktwirtschaft und Industrialisierung          trennen Völker. 1989 wird in Berlin die
der Erklärung der Menschenrechte in Ame-         durch. Die Eisenbahn beschleunigt den           Mauer niedergerissen, der real existie-
rika und der Französischen Revolution be-        wirtschaftlichen Wandel. Nach 1870 ge-          rende Sozialismus verabschiedet sich von
ginnt eine neue Zeitrechnung. Nach dem           rät der liberale Aufbruch ins Stocken und       der Weltbühne. Im gleichen Jahr ent-
Einmarsch französischer Truppen geht die         wird durch protektionistische Tendenzen         wickelt Tim Berners-Lee am Cern in Genf
alte Eidgenossenschaft unter.                    bedrängt.                                       das Internetprotokoll. Zeit und Raum sind
                                                                                                 nicht mehr, was sie über Jahrhunderte
Baumwollprodukte verdrängen die Leinwand.        Die Verbesserung der Handstickmaschine und      waren.
Die starke Stellung der Zunft der Weber er-      die Erfindung der Schifflistickmaschine lösen
schwert in der Stadt St. Gallen den Struktur-    einen kometenhaften Aufstieg der St. Galler     Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs und
wandel. 1730 gibt sich die aus der Gesell-       Stickerei aus. Sie wird zum wichtigsten Ex-     der anschliessenden Weltwirtschaftskrise ge-
schaft zum Notenstein herausgewachsene           portprodukt der Schweiz. Gleichzeitig ent-      rät die Stickereiindustrie in eine tiefe Krise. Die
Kaufmannschaft als Kaufmännische Corpora-        wickelt sich die Textilmaschinenindustrie.      meisten Unternehmen verschwinden. Heute
tion ein eigentliches Organisationsstatut.       1864 verkauft die Kaufmännische Corpora-        arbeitet noch ein Prozent der Erwerbstätigen
1753 werden die ersten Mousselinegewebe          tion ihr Postgebäude (heute Stadthaus) und      der Ostschweiz in der Textilindustrie. Nach wie
bestickt. Die Handstickerei wird in der ganzen   bezieht als neuen Geschäftssitz die Nachbar-    vor gibt es aber bedeutende Textilunterneh-
Ostschweiz rasch zu einem wichtigen Wirt-        liegenschaft, das «Haus zum Engelskopf».        men, die mit kreativen, innovativen und hoch-
schaftsfaktor. 1798 liquidiert man mit den       Da die Kaufmännische Corporation nur Stadt-     wertigen Produkten den Namen «St. Gallen»
Zünften auch die Gesellschaft zum Noten-         bürgern offensteht, gründen Exportkaufleute     in die ganze Welt tragen. 1991 fusionieren die
stein.                                           1875 den Handels- und Industrieverein.          Kaufmännische Corporation und der Handels-
                                                                                                 und Industrieverein zur Industrie- und Han-
                                                                                                 delskammer St. Gallen-Appenzell.

                                                                                                                                    Nr. 2/2016   15
SCHWERPUNKT

Wie die Ostschweiz den Strukturwandel im 18. Jahrhundert wiederholt meisterte

Von der Geschichte
lernen
                            Die Leinwand – das weisse Gold – stand über Jahrhunderte hinweg für den wirtschaftli-
                            chen Erfolg von Stadt und Region St. Gallen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts lief je-
                            doch die Baumwolle der Leinwand den Rang ab. Die immer strikteren Reglementierun-
                            gen konnten diesen Strukturwandel auch nicht aufhalten. Dank weltoffener und inno-
                            vativer Unternehmer knüpfte die Ostschweiz aber bald wieder an ihre Erfolge an. Im
                            19. Jahrhundert wurde die St. Galler Stickerei zum wichtigsten Exportprodukt der
                            Schweiz und machte die Ostschweiz zu einer der wohlhabendsten Regionen der
                            Schweiz.
Dr. Kurt Weigelt
Direktor IHK

                            Von Jacob Burckhardt stammt die Erkenntnis, dass Ge-        rung des Handwerks. Man setzte alles daran, abge-
                            schichte nicht klug für ein andermal, sondern weise für     schirmt von äusserer Konkurrenz arbeiten zu können. Die
                            immer macht. Es geht nicht um Rezepte, sondern um Er-       ersten Unternehmer, die im Baumwollgewerbe fabrizier-
                            kenntnisse. Und diese lassen sich nicht an einzelnen Er-    ten, zwang man, der Zunft der Leinwandweber beizutre-
                            eignissen, an Jubiläumsjahren, sondern nur an langfristi-   ten. Zudem wurden auch auf Baumwollartikeln die lein-
                            gen gesellschaftlichen Prozessen festmachen. Dabei
                            interessieren insbesondere die Phasen der grundlegenden
                            gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Weichenstellun-
                            gen. Welche Kräfte waren die Treiber der Veränderung?
                            Wer blockierte? Was führte zu radikalen politischen Um-
                            wälzungen? Was braucht es, damit eine erfolgreiche Ge-
                            sellschaft nicht den Anschluss verliert? Um Antworten auf
                            diese Fragen zu finden, lohnt sich der Blick zurück ins
                            18. Jahrhundert. Die Ostschweizer Wirtschaft und damit
                            der Wohlstand der ganzen Region stand zur Disposition.
                            Über Jahrhunderte hatte die Leinwand – das weisse Gold
                            – den wirtschaftlichen Erfolg von Stadt und Region
                            St. Gallen begründet. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts
                            setzte jedoch ein Strukturwandel ein, der alles in Frage
                            stellen sollte. Die Baumwolle begann die Leinwand zu
                            verdrängen. Entscheidend für den Niedergang waren je-
                            doch weniger veränderte Kundenbedürfnisse als vielmehr
                            die wirtschaftlichen und politischen Strukturen der Stadt
                            St. Gallen. Die einflussreichen Weberzünftigen wollten
                            ihre Artikel weiterhin nach der aus dem Mittelalter stam-
                            menden Produktionsweise herstellen. Dazu gehörte die
                            mit der Zunftverfassung verbundene strikte Reglementie-

16                 Nr. 2/2016
SCHWERPUNKT

wandspezifischen Abgaben erhoben. Dies führte zu einer         das Jahr 1753, als die Firma Gonzenbach, Schlumpf und
Verlagerung der Produktion ausserhalb der Stadt. Im            Söhne die ersten Mousseline-Stücke zum Besticken ins
Jahre 1752 rief der Kleine Rat die «Leinwatcassa» ins Le-      Vorarlberg brachte. Die Handstickerei entwickelte sich
ben, welche finanziell bedrängten Kaufleuten Darlehen          rasch und beschäftigte bald einmal Zehntausende von
gewährte. Bei all diesen wirtschaftspolitischen Massnah-       Heimarbeiterinnen. Nach 1865, also rund hundert Jahre
men ging es nicht nur um den Versuch, den Wandel auf-          später, löste die Verbesserung der Handstickmaschine und
zuhalten und die eigenen wirtschaftlichen Privilegien zu       die Erfindung der Schifflistickmaschine einen kometenhaf-
sichern. Vom Festhalten an der alten Produktionsweise          ten Aufstieg der St. Galler Stickerei aus. Sie wurde vorü-
erhoffte man sich eine Garantie der bestehenden sozialen       bergehend zum wichtigsten Exportprodukt und die Ost-
Ordnung. Alles sollte so bleiben, wie es angeblich einmal      schweiz zu einer der wohlhabendsten Regionen der
war. Eine Illusion, die mit dem Einmarsch der Franzosen        Schweiz.
im Jahre 1798 jäh zerplatzte. Die Stadtrepublik und mit
ihr die Zünfte und die Gesellschaft zum Notenstein wur-        Weltoffen, innovativ und unabhängig
den liquidiert.                                                Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass weltoffene
                                                               und innovative Unternehmer die treibenden Kräfte des
Der Weg aus der Leinwandkrise                                  Strukturwandels im 18. Jahrhundert waren. Wohl kein
Trotz all dieser politischen Abwehrmassnahmen liess sich       Zufall ist, dass diese als Einwanderer oder als europaweit
der Strukturwandel an den Stadtmauern nicht aufhalten.         tätige Kaufleute in der Stadtpolitik nur eine untergeord-
Peter Bion, ein Einwanderer aus Heidelberg, liess als Erster   nete Rolle spielten. Ihre Unabhängigkeit erlaubte es
aus Leinen- und Baumwollgarn Barchentstoffe herstellen.        ihnen, Bestehendes in Frage zu stellen und mit neuen
Zunehmend offen für Veränderungen zeigten sich auch            Produkten und vor allem mit einer neuen Produktions-
die vornehmen Kaufleute. Zwar waren diese in eigener           weise auf veränderte Bedürfnisse und Rahmenbedingun-
Sache alles andere als ordnungspolitische Sonntagsschü-        gen zu reagieren. Der Weg aus der Leinwandkrise führte
ler. Da sie jedoch im Gegensatz zu den Zunftherren nicht       nicht über politisch motivierte Sicherheitsversprechen
in Produktionsgüter vor Ort investiert waren und ihr Geld      und die Garantie des Status quo. Entscheidend waren
ausserhalb der Stadt verdienten, wollten sie die neuen         vielmehr veränderungsbereite Persönlichkeiten, die nicht
Chancen nutzen. Im Appenzellischen liessen sie Baum-           den mit dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen
wolltücher weben, die sich zum Bedrucken eigneten.             Wandel verbundenen Gegenwind bekämpften, sondern
Hans Jacob Kirchhofer stellte als Erster Mousseline-Ge-        die Segel neu setzten.
webe her. Als das Geburtsjahr der St. Galler Stickerei gilt

                                                                                                    Während Jahrhunderten
                                                                                                    machten Leinwand-
                                                                                                    produktion und -handel
                                                                                                    den Erfolg von Stadt und
                                                                                                    Region St. Gallen aus:
                                                                                                    St. Gallen gegen Nord-
                                                                                                    westen mit Bleichen
                                                                                                    (Öl auf Leinwand, um
                                                                                                    1675), Historisches
                                                                                                    Museum St. Gallen

                                                                                                           Nr. 2/2016   17
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                             OSTSCHWEIZ

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                                                                                                                                                       wein.gut.

               Rheintaler Weine.
               Weine, gewachsen an den sonnigen und
               steilen Rebbergen des Rheintals, handgemacht
               in Berneck. Entdecken Sie unsere Kreationen
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                                                                                                                                   Tobias Schmid & Sohn AG
                                                                                                                                       Hinterburgstrasse 24
                                                                                                                                           CH-9442 Berneck
                                                                                                tobias

                                                                                                                     tobias
                                                                                                  wein.gut.

                                                                                                                       wein.gut.

                                                                                         PINOT NOIR           CHARDONNAY
                                                                                                                                       T +41(0)71 726 10 10
                                                                                                 G3

                                                                                                                                    info@tobias-weingut.ch
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  zurMarke

                                                                                                                                          tobias-weingut.ch
PUBLIREPORTAGE

Mit Teamgeist
zum Erfolg
Die SCHMOLZ + BICKENBACH Stahlcenter AG – kurz SCHMOBI – zählt                                      matchentscheidend sein. «Zufriedene Mitar-
zu den führenden Stahlhandelsunternehmen der Schweiz. An ihrem                                      beitende sorgen für zufriedene Kunden», ist
langjährigen Standort in Wil SG beschäftigt das KMU ein Team von                                    Geschäftsleiter Peter Breitenmoser über-
                                                                                                    zeugt. «Unser Team spielt eine ganz entschei-
rund 90 Mitarbeitenden, mitunter sechs Lernende. Die Kunden stam-
                                                                                                    dende Rolle für unseren Erfolg am Markt. Wie
men vorwiegend aus der schweizerischen Maschinen-, Elektro- und                                     eine gute Fussballelf setzen auch wir auf eine
Metall-Industrie (MEM) sowie deren Subbranchen und Zulieferer.                                      eingespielte Mannschaft und auf Teamgeist.
                                                                                                    Wir profilieren uns als kompetentes Team, das
                                                                                                    mit Herzblut sehr vieles möglich macht für
Als modernstes Stahl-Service-Center über-       rückverfolgbar. Das enorme Sortiment lässt          unsere Kunden.» Aktuell sind die Mitarbei-
nimmt SCHMOBI für ihre Kunden sowohl die        kaum Wünsche offen. Blankstahl, Edelbau-            tenden durchschnittlich elf Jahre im Unter-
Beschaffung und Lagerhaltung des Rohmate-       stahl, Stahlrohre, Werkzeugstahl, rostbestän-       nehmen tätig, die Fluktuation ist äusserst ge-
rials als auch Zuschnitt, Endenbearbeitung,     diger Stabstahl, Edelstahlrohre, Guss und Alu-      ring.
Trowalisieren, einfache kundenspezifische Be-   minium – all das kann SCHMOBI in qualitativ
arbeitung sowie vor allem auch die saubere,     hochwertiger Ausführung einer anspruchs-            Autonomes Ostschweizer KMU
zuverlässige und Just-in-time-Lieferung des     vollen Kundschaft liefern. Das Material be-         Die SCHMOLZ + BICKENBACH Stahlcenter AG
Materials mit firmeneigenen Lastwagen und       zieht das Stahlhandelsunternehmen überwie-          ist ein eigenständiges Unternehmen, 1959
erfahrenen Chauffeuren.                         gend aus Europa – von Lieferwerken, die             gegründet in Wil SG. Geschäftsleiter Breiten-
                                                nachweislich hohe Qualitätsstandards er-            moser hält fest: «Aufgrund des Namens
Enormes Produktsortiment                        füllen.                                             könnte man glauben, wir gehören zum welt-
In den Lagerhallen mit topmodernen Hoch-                                                            weit tätigen Stahlkonzern SCHMOLZ +
regallagern und einem vollautomatischen Sä-     Team als matchentscheidender                        BICKENBACH. Doch das ist nicht korrekt. Wir
gecenter finden über 20 000 Tonnen Material     Vorteil                                             sind wirtschaftlich völlig autonom.» Diese
Platz. Sämtliches Material wird nach Chargen    Genauso wie die Wahl des richtigen Roh-             Eigenständigkeit, die gut überschaubare
getrennt gelagert und ist somit jederzeit zu-   materials, kann auch eine gute Aufstellung          Unternehmensgrösse und dadurch die Flexi-
                                                                                                    bilität, rasch auf Veränderungen reagieren zu
                                                                                                    können, sind entscheidende Erfolgsfaktoren
                                                                                                    des Ostschweizer Stahlhandelsunterneh-
                                                                        Geschäftsleitung der        mens. SCHMOBI spielt seit vielen Jahren er-
                                                                        SCHMOLZ + BICKEN-
                                                                                                    folgreich in der obersten Liga der Schweizer
                                                                        BACH Stahlcenter AG
                                                                        (SCHMOBI),                  Stahlhändler.
                                                                        v. l. n. r. Patrick Lenz
                                                                        (Leiter Einkauf/Verkauf),
                                                                        Peter Breitenmoser                    Weitere Informationen:
                                                                        (Geschäftsleiter),
                                                                                                              www.schmobi.ch
                                                                        Andreas Koch (Leiter
                                                                        Finanzen/Personal)

                                                                                                                                   Nr. 2/2016   19
Das Verhältnis der IHK zu den Parteien

Politisch
heimatlos
                          Wie in der Gesellschaft insgesamt spielt auch für die IHK St. Gallen-Appenzell Parteipo-
                          litik kaum mehr eine Rolle. Dennoch ergreift die IHK Partei – für ihre Mitgliedunterneh-
                          men. Parteipolitisch ist unser Verband aber weitgehend heimatlos geworden. Niemand
                          vertritt die IHK-Positionen vollumfänglich. Die grössten Schnittmengen sind bei SVP
                          und FDP auszumachen – allerdings auch dort mit bedeutenden Abstrichen.

                          Die eidgenössischen und kantonalen Wahlkämpfe sind             Wahlen schielend – die eigenen Grundwerte verwässern.
Robert Stadler            geschlagen, der politische Pulverdampf verzieht sich lang-     Stattdessen entscheidet er sachbezogen und im langfris-
Leiter Kommunikation /    sam. Auch die IHK St. Gallen-Appenzell hat die Wahlen          tigen Interesse des Wirtschaftsstandortes Ostschweiz.
Stv. Direktor IHK
                          aktiv begleitet, Informationsarbeit bei den nationalen         Bei seinen Entscheiden orientiert sich der IHK-Vorstand
                          Wahlen geleistet und Empfehlungen für die St. Galler Re-       jeweils an einem Referenzrahmen, der die aus unserer
                          gierungswahlen abgegeben. Zentral war dabei stets die          Sicht entscheidenden wirtschaftsaftspolitischen Leitplan-
                          Frage, welche Vertreterinnen und Vertreter am ehesten im       ken skizziert: Prosperierende Wirtschaft, funktionierende
                          Sinne unserer Mitglieder politisieren und sich für best-       Marktwirtschaft, liberaler Arbeitsmarkt, freies Unterneh-
                          mögliche Rahmenbedingungen einsetzen. Denn wir ver-            mertum, offener Zugang zu Weltmärkten, führender Bil-
                          stehen uns in erster Linie als Dienstleister für unsere Mit-   dungs- und Forschungsplatz, wettbewerbsfähige Finanz-
                          gliedunternehmen.                                              und Steuerpolitik, leistungsfähige Infrastruktur, sichere
                                                                                         und kompetitive Energieversorgung und effizienter Schutz
                          Klare wirtschaftspolitische Leitplanken                        der Umwelt. Jede Abstimmungsparole oder Wahlempfeh-
                          Im Gegensatz zu anderen Verbänden ist der IHK-Vorstand         lung wird jeweils an diesen Positionen gemessen.
                          nicht parteipolitisch zusammengesetzt. Von den allermeis-
                          ten Vorstandsmitgliedern ist nicht einmal bekannt, ob sie      IHK-Politrating bildet kantonale Politik ab
                          überhaupt parteigebunden sind. Trotzdem nimmt unser            Zur Halbzeit der ablaufenden Legislatur im St. Galler Kan-
                          Vorstand sehr wohl politische Verantwortung wahr: Er dis-      tonsrat wurde das IHK-Politrating lanciert. Dieses zeigt an-
                          kutiert über Abstimmungsvorlagen und beschliesst Paro-         hand der Auswertung ausgewählter Abstimmungen im
                          len. Dabei ist er jedoch keinen parteipolitischen Winkel-      Kantonsparlament, welche Parteien sich im Sinne der IHK
                          zügen verpflichtet und muss auch nicht – auf die nächsten      wirtschaftsfreundlich verhalten. Kurz vor den letzten Kan-

20               Nr. 2/2016
WIRTSCHAFT UND POLITIK

tonsratswahlen wurde das Rating aktualisiert. Rechnet            dafür an ihrer Staatsnähe. Sie war die erste und lange Zeit
man das Ergebnis in eine Prozent-Wertung um, wobei               dominierende Partei auf Bundesebene. Im Kanton St. Gal-
100 % maximale Wirtschaftsfreundlichkeit und 0 % ma-             len war sie hinter der CVP die starke politische Kraft. Die
ximale Wirtschaftsfeindlichkeit bedeuten, dann ergab sich        beiden Parteien, die sich in innigem Kulturkampf gegen-
folgendes Bild: Die SVP-Vertreter im Kantonsrat erreichten       überstanden, teilten sich die staatlichen Pfründe unterein-
einen Wert von 77 % Wirtschaftsfreundlichkeit, gefolgt           ander auf. «Staatstragende» FDP bedeutete vor allem, dass
von der FDP mit 72 %. Bereits mit deutlichem Abstand             sich viele Parteigänger im Solde des Staates wiederfanden,
folgten GLP (53 %), CVP (51 %) und die mittlerweile aus          während die Partei das Lied von der freien Marktwirtschaft
dem Parlament verschwundene BDP mit 50 %. Als wirt-              und dem schlanken Staat sang. Dies ist in abgeschwächter
schaftsfeindlich muss die ebenfalls nicht mehr im neuen          Form noch heute so. Die FDP ist noch immer ein guter
Kantonsrat vertretene EVP mit 38 % gelten – gar nicht zu         Nährboden für viele Karrieren in der öffentlichen Verwal-
sprechen von der SP (12 %) und den Grünen (10 %).                tung. Die Staatsnähe ist an der Delegation im St. Galler
Aus diesem Ergebnis lässt sich jedoch nicht ableiten, dass       Kantonsrat abzulesen: Von der neu 26-köpfigen Fraktion
die SVP für die IHK St. Gallen-Appenzell per se die wirt-        bezieht mehr als die Hälfte den Lohn vom Steuerzahler;
schaftsfreundlichste Partei wäre, auch wenn dies von SVP-        zehn FDP-Ratsmitglieder präsidieren eine Gemeinde oder
Vertretern gerne so dargestellt wird. Denn das IHK-Polit­        Schulbehörde. So wirtschaftsfreundlich die Einzelnen auch
rating beurteilt ausschliesslich die Arbeit der Parteien im      denken mögen: Es bestehen Abhängigkeiten zum Staat,
St. Galler Kantonsrat. Die Aktivitäten auf eidgenössischer       die in ihrer Politik früher oder später zum Tragen kommen.
Ebene bleiben ausgeblendet. Öffnet man aber den Blick-
winkel, muss leider festgestellt werden, dass keine einzige      CVP – die undefinierbare Mitte
Partei die Positionen und Werte der IHK wirklich abdeckt:        Ähnlich liegt der Fall bei der CVP. In den Kantonen Appen-
                                                                 zell Innerrhoden und St. Gallen war die CVP die dominie-
Beurteilung der einzelnen Parteien                               rende Partei. Seit der Einführung des proportionalen
SVP – die Nationalisten                                          Wahlverfahrens 1912 erreichte sie im Kanton St. Gallen
Im St. Galler Kantonsrat ist die SVP die verlässlichste Kraft,   bis zu den 90er Jahren stets einen Wähleranteil von über
um das stetige Staatswachstum zu drosseln. Allerdings ist        40 %. Einzig während des zweiten Weltkrieges sank die-
auch sie nicht vor Schandtaten gefeit. So hatte sie der Mo-      ser minim unter diese Marke. In den 1970er Jahren hielt
tion für eine stärkere Regulierung in der Gastronomie            die CVP sogar die absolute Mehrheit im Kantonsparla-
noch deutlich zugestimmt. Die eigentliche Gesetzesrevi-          ment. Tempi passati. Bei den letzten Kantonsratswahlen
sion dazu lehnte sie dann allerdings knapp ab. Im Rat            erreichten die Christdemokraten gerade noch 20 % und
spielte ausgerechnet ein SVP-Vertreter das Zünglein an der       liegen gleichauf mit dem Freisinn. Die traditionelle Macht
Waage: Dank des Stichentscheides des Kantonsratspräsi-           spiegelt sich aber wie bei der FDP in zahlreichen Verwal-
denten wurde die protektionistische Gesetzesrevision             tungskarrieren mit CVP-Parteibuch. Hinzu kommt, dass
bachab geschickt. Weit stärker ins Gewicht fallen jedoch         die Partei trotz immer schmaler werdenden Basis nach wie
viele eidgenössische Positionen der wählerstärksten Par-         vor sehr breit aufgestellt ist: Hier treffen stramm Bürger-
tei. Die SVP verdankt ihre Wahlerfolge vor allem dem             liche auf Christlichsoziale oder konservative Landvertreter
Schüren von Ängsten gegenüber Ausländern und allen               auf liberalere Städter. Nicht umsonst gilt die CVP als poli-
fremden Einflüssen sowie dem Zelebrieren längst vergan-          tisch unsicherer Partner, der zwischen den Positionen la-
gener Schweiz-Mythen. Eine solche Grundhaltung steht             viert und niemandem zu fest auf die Füsse tritt.
völlig im Widerspruch zur weltoffenen und zukunftsopti-
mistischen Sicht einer IHK St. Gallen-Appenzell, die sich        SP und Grüne – die Geldverteiler
seit jeher für offene Grenzen einsetzt. Während die Ost-         Wenig zu sagen gibt es zu den beiden linken Parteien, SP
schweizer Wirtschaft weitgehend vom Export in den EU-            und Grüne. Mit Ausnahme gewisser Positionen in der
Raum lebt, torpediert die SVP laufend die Bilateralen Ver-       Aussen- oder in der für einen Wirtschaftsverband weniger
träge und setzt den wirtschaftlichen Erfolg aufs Spiel.          relevanten Gesellschaftspolitik gibt es in den Zielen und
                                                                 Massnahmen wenig Gemeinsamkeiten. In den meisten für
FDP – die Staatstreuen                                           die Wirtschaft wichtigen Themen wie Arbeitsrecht, Sozi-
Die Liberalen politisieren insgesamt wirtschaftsfreundlich.      alstaat oder Regulierungsdichte vertreten die Sozialdemo-
Sie treten etwas weniger hart auf die Finanzbremse, weh-         kraten und Grünen das Gegenteil einer freien Marktwirt-
ren sich dafür am stärksten gegen protektionistische Ten-        schaft. Sie meinen es gut, verteilen Geschenke und
denzen. Ihre liberale Grundhaltung entspricht am ehesten         nehmen in Kauf, dass damit langfristig der Wirtschafts-
jener der IHK – zumindest auf dem Papier. Die FDP krankt         standort und die Arbeitnehmenden Schaden nehmen.

                                                                                                              Nr. 2/2016  21
IHK-COCKPIT

 Wie beurteilen Sie die Geschäftslage?                                    Wie beurteilen Sie die Geschäftserwartungen?

 APRIL 2016                                                               APRIL 2016

          36.2%                            52.6%                   11.2         31.6%                            57.2%                     11.2

 FEBRUAR 2016                                                             FEBRUAR 2016

        30.5%                         50.7%                      18.8%          31.2%                           49.3%                   19.5%

 NOVEMBER 2015                                                            NOVEMBER 2015

           39.1%                           43.5%                 17.4%          27%                        48.7%                   24.3%

 Beurteilung der Geschäftslage nach Sektoren                              Beurteilung der Geschäftserwartungen nach Sektoren

                                                   8%                            10.8%                                  11.5%
          15.4%
                        23.1%                                                                      27.7%
                                                                                                                                        34.5%
                                                                 46%
                                             46%
                                                                                   61.5%                                54%
               61.5%

               2. Sektor                            3. Sektor                          2. Sektor                           3. Sektor

 Beurteilung der Geschäftslage                                            Beurteilung der Geschäftserwartungen
 nach Unternehmensgrösse                                                  nach Unternehmensgrösse

                                              10.9%                                                                       7.3
          11.4%                                                                 13.4%

                                                                27.3%                                                               23.6%
                                                                                                   36.1%
                            41.2%

        47.4%                                                                                                             69.1%
                                               61.8%                             50.5%

                bis 50                              über 50                           bis 50                               über 50
              Mitarbeiter                          Mitarbeiter                      Mitarbeiter                           Mitarbeiter

Quelle: Konjunkturumfrage auf www.ihk.ch                                  gut    befriedigend        schlecht

22               Nr. 2/2016
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