Das Magazin des Difu 2/2020 - Deutsches Institut für Urbanistik

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Das Magazin des Difu 2/2020 - Deutsches Institut für Urbanistik
2/2020

 Das Magazin des Difu

		Aus dem Inhalt

 4 Standpunkt
		 Krise und Nachhaltigkeit –
   Mut zur Zukunft

 9 Forschung & Publikationen
		 Kommunen erwarten durch
   Corona weniger Einnahmen

22 Neue Projekte
		 Wie wirken Smart-City-
   Vorhaben?

26 Veranstaltungen
		 Kommunale Straßen­
   finanzierung – wie weiter?
Das Magazin des Difu 2/2020 - Deutsches Institut für Urbanistik
Editorial                                  Veranstaltungen
                                           24	
                                              Veranstaltungsvorschau
Standpunkt
                                           25	
                                              Jenseits der Kirchturmpolitik –
4	Corona-Krise und Nachhaltigkeit –
                                               gemeinsames Handeln ist gefragt
    Mut zur Zukunft
                                           26	
                                              Kommunale Straßenfinanzierung –
                                               wie weiter?
Forschung & Publikationen
                                           27	
                                              Der ÖPNV als Rückgrat der
8	Klimaschutz als wichtigste
                                               Verkehrswende
    Zukunftsaufgabe der Städte
                                           28	
                                              Wissen in der Stadt – Chancen,
9	Kommunen erwarten weniger
                                               Grenzen, Perspektiven
    Einnahmen durch Corona-Pandemie
                                           29	
                                              Zusammenhalt braucht Räume –
10	
   Blau-grün-graue Infrastrukturen in
                                               Chancen für integrative Wohnformen
    Kommunen planen und umsetzen
12	
   Was bewirken die Projekte der
                                           Nachrichten & Service
    BMBF-Zukunftsstadtforschung?
                                           16	
                                              Was sind eigentlich SDGs?
13	
   Geteilte Mobilität in nachhaltigen
                                           17 Veröffentlichungsüberblick
    Verkehrsentwicklungsplänen
                                           19 Difu-Service für Zuwender
14	
   NRW-Kommunen erhalten Beratung
                                           20	
                                              Difu-Informationsangebote/
    bei Klimafolgenanpassung
                                               Impressum
15	
   Wie Städte gesundheitsförderliche
                                           31	
                                              Oberhausen –
    Lebensverhältnisse schaffen können
                                               beeindruckender Wandel
21	
   Das Difu hat seine Online-Aktivitäten
                                           32 Difu-Intern: Abschied und Neubeginn
    neu ausgerichtet
                                           33 Difu aktiv
                                           34 Neues im Difu-Inter-/Extranet
Neue Projekte
                                           35 Difu-Mediennachlese
22	
   Wie wirken Smart-City-Vorhaben?
22	
   Agenda 2030 vor Ort
23 Weniger Plastik
23 Schutz vor Bahnlärm
Das Magazin des Difu 2/2020 - Deutsches Institut für Urbanistik
Editorial

             Liebe Leserin, lieber Leser,

             die Corona-Krise überschattet das gesellschaftliche Leben – das gilt auch für unsere Arbeit
             am Difu, und das gilt für das urbane Leben und das soziale Miteinander in unseren Städten.
             Wir versuchen – wie so viele – unsere Arbeit der veränderten Situation anzupassen. Inwieweit
             unsere Konzepte für die Städte der Zukunft auch nach der Krise noch Bestand haben werden,
Foto: Difu

             wissen wir nicht. Aber wir versuchen uns bei aller Unsicherheit dieser Aufgabe zu stellen. Es ist
             vornehmste Aufgabe von Wissenschaft, Ideen und Lösungen unter veränderten Rahmenbedin-
             gungen zu entwickeln. In Kürze werden Mitarbeiter*innen des Difu in einem digitalen Berichte-
             Sonderheft erste Gedanken zum Themenkomplex „Städte, Corona, Zukunft“ publizieren.

             Eine Annäherung an das Thema finden Sie bereits in diesem Berichte-Heft. Dr. Busso Grabow
             hat einen Standpunkt mit dem Titel „Corona-Krise und Nachhaltigkeit – Mut zur Zukunft“
             geschrieben. Es ist kein Zufall, dass diesmal Busso Grabow Autor des Standpunkts ist. Am
             30. Juni wird er altersbedingt als kaufmännischer Geschäftsführer aus der Institutsleitung des
             Difu ausscheiden. Wissend, dass man mit Superlativen nicht inflationär umgehen sollte, trifft
             die Zuschreibung, dass mit ihm eine Institution die InstitutsIeitung des Difu verlässt, zweifellos
             zu. Mehr als 35 Jahre am Difu, dienstältester Mitarbeiter, viele Jahre Leiter des Forschungs-
             bereichs Wirtschaft und Finanzen und seit fast zehn Jahren kaufmännischer Leiter und Ge-
             schäftsführer. Die biografischen Daten sind beeindruckend, sie werden seiner Leistung für das
             Difu aber nicht gerecht.

             Busso Grabow hat das Difu geprägt. In seiner Zeit als kaufmännischer Geschäftsführer musste
             sich das Difu grundlegend verändern. Es ist zu einem großen Anteil sein Verdienst, dass es dem
             Institut gelungen ist, seine wissenschaftliche Reputation mit wirtschaftlichem Erfolg zu ver-
             binden. Sein Reformeifer und seine Lust, Strukturen zu optimieren, sind beeindruckend. Dass
             er dabei erfolgreich war und noch immer ist, hat viele Gründe. Die wichtigsten sind wohl seine
             Kreativität, seine überragende Kenntnis der DNA des Instituts und sein Selbstverständnis,
             Reformprozesse partizipativ und empathisch zu gestalten.

             Die wissenschaftliche Arbeit hat Busso Grabow auch in den Jahren, in denen er formal „die
             Seiten gewechselt hat“, nicht losgelassen. Das Thema „Nachhaltigkeit und Stadt“ hat er in
             verschiedenen Projekten vorangetrieben und dem Institut in der Forschungslandschaft und
             bei den Städten Reputation verschafft. Wir freuen uns deshalb, dass er dem Difu in diesem For-
             schungsfeld – bei reduzierter Arbeitszeit – im Rahmen einer Stabsfunktion noch eine gewisse
             Zeit erhalten bleibt.

             Ich persönlich habe Busso Grabow eine ganze Menge zu verdanken. Er hat mir geholfen, das
             Difu zu verstehen – und er hat mir knapp zwei Jahre lang immer kollegiale und freundschaft-
             liche Zusammenarbeit geschenkt. Nach einem mittlerweile längeren Berufsleben weiß man,
             dass so etwas nicht selbstverständlich ist.

             Ab 1. Juli wird Luise Adrian neue kaufmännische Geschäftsführerin des Difu sein. Viele, die das
             Difu kennen, kennen Luise Adrian. Sie wird sich Ihnen im nächsten Berichte-Heft ausführlich
             vorstellen. Mein Kollege Prof. Dr. Arno Bunzel und ich freuen uns auf die Zusammenarbeit mit
             Luise Adrian in der Leitung des Instituts.

             Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre!

             Prof. Dr. Carsten Kühl, Wissenschaftlicher Direktor und Geschäftsführer

                                                                                                                  3
Das Magazin des Difu 2/2020 - Deutsches Institut für Urbanistik
Standpunkt
Berichte 2/2020

                                Corona-Krise und Nachhaltigkeit –
                                Mut zur Zukunft
                                Corona-Pandemie und Klimanotstand bedeuten auch: Suche nach Lösungen, Wille zum
                                Verändern und Gestalten nachhaltiger Lebenswelten. Politik und Gesellschaft, Kommunen
                                und Wissenschaftseinrichtungen wie das Difu stehen in der Verantwortung.

                                Ursprünglich sollte dies ein Standpunkt darüber        Und wir lernen etwas darüber, wie das System
                                werden, wie wir mit den Forderungen der jungen         unserer einen Welt funktioniert: Wie Gesundheit,
                                Menschen der Fridays-for-Future-Bewegung um-           Klimawandel, sozialer Zusammenhalt und ökono-
                                gehen sollten. Wir, das sind die Verantwortlichen      mische Nachhaltigkeit eng zusammenhängen.
                                in Kommunen und Wissenschaft. Es sollte ein Bei-       Deutschland kann erzwungenermaßen innerhalb
                                trag über die Rolle von Wissenschaft werden, über      vergleichsweise kurzer Zeit noch die Klimaziele
                                die stärkere Übernahme von Verantwortung, über         2020 erreichen – dies als politischen Erfolg zu
                                notwendige Radikalität im Denken und Tun und           verzeichnen, wäre mehr als fragwürdig.
                                über Kommunikation von Krisenszenarien zu den
                                Folgen des Klimawandels.                               Wir stellen zugleich fest, dass die repräsentative
                                                                                       Demokratie und ihre Institutionen auf staatlicher
                                Wie irrelevant wäre aber ein Standpunkt in den         und kommunaler Ebene handlungsfähig sind,
                                Difu-Berichten im Frühjahr 2020, würde er sich         wenn es darauf ankommt. Die Regierung erhält für
                                nicht auf die größte Herausforderung der letzten       ihre Maßnahmen deutlichen Rückhalt in der Be-
                                Jahrzehnte beziehen, die Corona-Pandemie? Wir          völkerung, Populisten und Fakten-Leugner verlie-
                                erleben einen Belastungstest der politischen Sys-      ren Zuspruch, gesellschaftlicher Zusammenhalt
                                teme und unserer repräsentativen Demokratie, der       funktioniert neu und anders. Wir sind verblüfft und
                                Kommunen und ihrer Einrichtungen, der Wirt-            positiv überrascht, welche Mittel die Bundesregie-
                                schaftssysteme, des gesellschaftlichen Zusam-          rung und die Länder einzusetzen bereit sind, um
                                menhalts, des Funktionierens von Institutionen,        die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pan-
                                der Verwundbarkeit unseres Landes und der              demie und der verordneten Einschränkungen des
                                Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisen.                 wirtschaftlichen Lebens abzumildern, welche zu-
                                                                                       sätzlichen Mittel in die Medizinforschung gesteckt
                                Die Bedeutung von Wissenschaft und wissen-             werden. Umgekehrt: Gerade erst gab es drama-
                                schaftlicher Politikberatung rückt ins Scheinwerf-     tische Kürzungen der Förderung für angewandte
                                erlicht: Die Notwendigkeit, die Wissenschaft bei       Energieforschung. Entgegen offizieller Bekennt-
                                allen wichtigen Politikentscheidungen zu konsul-       nisse der Bundesregierung zu Klimaschutz und
                                tieren und ihre Aussagen ernst zu nehmen, ist          Energiewende hat die Regierungskoalition die
                                deutlicher als je zuvor. Wissenschaftler wie Profes-   Finanzmittel für angewandte Energieforschung –
                                sor Dr. Christian Drosten, Leiter der Virologie der    nachzulesen unter www.scientists4future.org – für
                                Berliner Charité, werden zu Medienstars. Seine         die nächsten drei Jahre drastisch gekürzt. Klima-
                                Podcasts erzielten innerhalb eines Monats mehr         und Corona-Krise unterliegen offensichtlich ganz
                                als 15 Millionen Abrufe. Wir lernen, dass die          unterschiedlichen politischen Reaktionsmustern.
                                Messlatte für verantwortungsvolles Handeln darin
                                besteht, wie wissenschaftliche Empfehlungen in         Wir reiben uns die Augen: Hohe Ordnungsstrafen
                                konsequente Maßnahmen umgesetzt werden.                werden in Zeiten der Corona-Krise von vielen
                                                                                       akzeptiert und befürwortet. Wir erinnern uns, dass
                                Wir lernen – oder hören erstmals bewusst zu –,         selbst moderate Erhöhungen von Flug- oder Ben-
                   Foto: Difu

                                dass menschheitsbedrohende Pandemien wie               zinsteuern einen großen Aufschrei vieler Men-
                                Corona, SARS oder Ebola verstärkte Folge der           schen erzeugt haben. Zweierlei Maßstab?
                                Ausbeutung der natürlichen Ressourcen sind, so
                                Prof. Dr. Johannes Vogel, Generaldirektor des Mu-
                                seums für Naturkunde Berlin oder die Forscherin
                                und Nachhaltigkeitspreisträgerin Jane Goodall.
                                Die Vor- und Nachteile der Globalisierung rücken
                                uns wieder ins Bewusstsein: die gegenseitige
                                Abhängigkeit, die Auswirkungen individuellen,
Dr. Busso Grabow                lokalen, regionalen, nationalen und internationa-
+49 30 39001-248                len/globalen Handelns für die ganze Welt.
grabow@difu.de

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Das Magazin des Difu 2/2020 - Deutsches Institut für Urbanistik
Standpunkt
                                                                                           Berichte 2/2020

Wir verfolgen täglich die Zahlen der durch das         oder unzumutbare Arbeitsbedingungen (SDG 8)
Corona-Virus verursachten Sterbefälle in Deutsch-      Jahr für Jahr sterben. Die Nachhaltigkeitsziele,
land (Stand 19.05.2020: 8007), die das Dash­­board     denen fünf Kernbotschaften als handlungsleitende
des Robert-Koch-Instituts (RKI) ausweist. Das-         Prinzipien vorangestellt sind (Mensch, Planet,
selbe Institut schätzte in einem Bericht vom Juni      Wohlstand, Frieden und Partnerschaft) bedingen
2019 die Zahl Hitzetoter im Sommer 2018 allein         einander in vielfacher Hinsicht. Die Ausbreitung
in Berlin und Hessen auf mehr als 1.200 (unzuläs-      von Pandemien hängt mit dem Schutz natürlicher
sigerweise hochgerechnet wären es etwa 10.000
in Deutschland insgesamt). Besonders betroffen:
Menschen über 75. Woran liegt es, dass solche
Zahlen mit Bedauern zur Kenntnis genommen
werden, Maßnahmen zur Reduzierung des CO2-
Ausstoßes und notwendige Verhaltensänderun-
gen unverändert wenig Akzeptanz finden?

Die Antworten dazu sind vergleichsweise einfach:
Wenn Ursache-Wirkungs-Beziehungen so offen-
sichtlich sind, wie bei Corona, werden auch Ein-
bußen, Beeinträchtigungen, sogar gewisse finan-
zielle Einschnitte akzeptiert: Abstand halten, So-
cial Distancing, Verzicht auf Dienstreisen führen zu
sichtbar zurückgehenden Infektionszahlen. Verän-
dertes Verhalten von Menschen und Wirtschafts-         Ressourcen (SDGs 13, 14, 15) genauso zusam-
subjekten in Bezug auf den Klimawandel hat zu-         men, wie mit Good Governance, starken Institu-
nächst keinerlei sichtbare und spürbare Wirkun-­       tionen, globalen Partnerschaften sowie resilienten
gen. Unsere Gehirne schaffen es nur intellektuell,     Städten und Gemeinden (SDGs 11, 16, 17) oder
die Gefährdung der eigenen Großeltern aufgrund         mit unserer Art zu wirtschaften und unserem
des nächsten Hitzesommers mit dem eigenen              Konsumverhalten (SDGs 8, 12).
CO2-Fußabdruck in Verbindung zu bringen. In das
für Sozialverhalten zuständige Frontalhirn schaf-      Aus der Vogelperspektive wird deutlich, dass sich
fen es diese Zusammenhänge selten.                     trotz Corona-Krise eigentlich wenig geändert hat,
                                                       wenn wir die großen Herausforderungen der
Die Corona-Pandemie überdeckt gerade die wich-         Menschheit in den Blick nehmen. Der „Gesell-
tigen Debatten des letzten Jahres: Klimawandel,        schaftsvertrag für eine Große Transformation“ zur
Klimanotstand, Klimaanpassung, gesellschaftli-         Nachhaltigkeit (WBGU 2011) und der „Gesell-
cher Zusammenhalt. Wie weit diese Debatten             schaftsvertrag für die urbane Transformation“ zur
Wirkung in den Köpfen der Stadtspitzen gezeigt         Nachhaltigkeit (WBGU 2016) sind unverändert
haben, zeigt das aktuelle OB-Barometer des Difu:       notwendig, um besseres Leben in den planetaren
Noch zu Jahresbeginn sahen die Oberbürger-             Grenzen zu ermöglichen. Der normative Kompass
meister*innen den Klimawandel als das zentrale         für die (urbane) Transformation zur Nachhaltigkeit
Zukunftsthema an. Die Fridays-for-Future-Bewe-         zeigt stabil in dieselbe Richtung.
gung mit ihren Forderungen an Politik, Verwaltung
und Wissenschaft, aktiver, konsequenter, wirksa-       Wir müssen aber bessere und vielleicht auch an-
mer zu werden, zeigte Wirkung. Nun muss sich           dere Geschichten erzählen, um möglichst viele zu
zeigen, ob daraus auch sichtbare Resultate ent­        motivieren, den Wandel mitzugestalten. Wir brau-
stehen.                                                chen Politiker*innen mit dem Mut, Entscheidun-
                                                       gen auch trotz großer Unsicherheit zu treffen. Der
Allerdings wäre es unverändert zu kurz gedacht,        moralische Maßstab von Politik rückt vor dem
nur noch Gesundheit und Klimawandel in den Vor-        Hintergrund gravierender ethischer Konflikte neu
dergrund der gesellschaftlichen und politischen        ins Blickfeld.
Debatten zu stellen. Die zentralen Herausforderun-
gen für die Zukunft unseres Planeten sind wesent-      Wir brauchen Sichtweisen, die verschiedene Fach-
lich vielfältiger, wie es auch die Globale Agenda      und Wissenschaftsdisziplinen noch stärker inte-
2030 mit ihren 17 globalen Nachhaltigkeitszielen       griert betrachten: Ökonomie, Verhaltenspsycholo-
aufzeigt. Um das zu verstehen, muss man nicht          gie, Hirnforschung, Soziologie, IT-Expertise und
erst die vielen Millionen von Toten heranziehen,       viele andere mehr. Und wir brauchen mehr Trans-
die durch Armut (SDG 1), Hunger (SDG 2), Ge-           disziplinarität: Politik, Management, Umsetzungs-
schlechter- und sexuelle Diskriminierung (SDG 5),      ebene, Wissenschaft, Unternehmen und Zivilge-
verunreinigtes oder verseuchtes Wasser (SDG 6)         sellschaft müssen gemeinsam in ‚Real­laboren‘ von

                                                                                                        5
Das Magazin des Difu 2/2020 - Deutsches Institut für Urbanistik
Standpunkt
Berichte 2/2020

                                             der nationalen bis zur lokalen Ebene die Transfor-    Ein „Aber“ darf an dieser Stelle nicht fehlen. Ob
                                             mation mit Leben füllen. Und nicht zuletzt brau-      der Wille zur radikalen Veränderung hin zu mehr
                                             chen wir mehr Informationen. Trotz mancher am-        Nachhaltigkeit, zur Transformation auf kommuna-
                                             bitionierter Projekte (UN- und EU-Indikatorensets,    ler Ebene immer ausreichend vorhanden ist, muss
                                             der Nationalen Berichtsplattform zu den SDGs,         bezweifelt werden. Selbst dort, wo sich Politik zu
                                             oder dem SDG-Portal für Kommunen) sind wir            den Nachhaltigkeitszielen bekennt, muss gefragt
                                             noch weit davon entfernt, mit wirklich validen und    werden, ob das ausreicht. Ein Beispiel: Klimanot-
                                             aussagekräftigen Indikatoren messen zu können,        standskommunen im Klima-Bündnis verpflichten
                                             wie es mit der Nachhaltigkeit, mit der Umsetzung      sich, ihre CO2-Emissionen alle fünf Jahre um zehn
                                             der SDGs in global, national, regional und lokal      Prozent zu reduzieren und erheblich in Klimaan-
                                             bestellt ist. Man stelle sich vor, es gäbe so etwas   passung zu investieren, ein ehrgeiziger Anspruch.
                                             wie das Corona-Dashboard für all die mehr oder        Der Begriff „Klimanotstand“ wurde übrigens von
                                             weniger ausgeprägten, oft lebensbedrohlichen          der Fridays-for-Future-Bewegung entlehnt. Zwei-
                                             Krankheitssymptome unserer Welt. All die­jenigen,     fellos leisten die meisten dieser Städte einen
                                             die Verantwortung übernehmen müssen und               zusätzlichen Beitrag zum Klimaschutz und zur
                                             wollen, müssten sich an den Entwicklungszahlen        Klimaanpassung und daher ist es nicht nur, wie
                                             im Nachhaltigkeits-Dashboard messen lassen.           vielfach kritisiert, reine „Symbolpolitik“. Politik und
                                                                                                   Verwaltung sind sich allerdings bewusst, wie be-
                                             Was heißt das für die Kommunen? Politik und           grenzt ihre Möglichkeiten sind, notwendige radi-
                                             Verwaltung haben in Pandemiezeiten in vielen          kale Verhaltensänderungen auf allen Ebenen, in
                                             Fällen beispielhaft agiert, sie haben Verantwor-      Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu fördern. Ver-
                                             tung übernommen, haben meist angemessen und           gleicht man die Einschränkungen, Strafandrohun-
                                             transparent kommuniziert. Das Zusammenspiel           gen, Maßnahmenpakete und Investitionen, die
                                             von Bund, Ländern und Kommunen hat – bei              derzeit zur Eindämmung der Pandemie getätigt
                                             mancher Kritik im Detail – in Zeiten der Krise gut    werden, mit den klimabezogenen Aktivitäten, wird
                                             funktioniert. Dabei legt die bedrohliche Entwick-     deutlich, wie unterschiedlich auch in den Kommu-
                                             lung im Zeitraffer erneut ein klassisches Dilemma     nen „Notstand“ interpretiert wird.
                                             offen: In den Kommunen entscheidet sich, ob die
                                             Bewältigung der Corona-Krise gelingt. Gleichzei-      Es braucht mehr von vielem: mehr Konsequenz im
                                             tig sind sie die aktuell Leidtragenden. Gewerbe-      Denken und Tun, mehr Teilhabe und Beteiligung,
                                             steuereinnahmen brechen massiv weg, struktur-         mehr Kreativität (vgl. Policy-Brief des IASS) und
                                             und finanzschwache Städte mit ihren schon heute       nicht zuletzt eine bessere Finanzausstattung –
                                             stark beschränkten Handlungsmöglichkeiten ste-        und das nicht nur, wenn kommunale Institutionen
                                             hen vor dem finanziellen Kollaps. Kommunen            Forderungen der Fridays-for-Future-Bewegung
                                             können kein Geld drucken, sie hängen am Tropf         ernst nehmen und mehr Nachhaltigkeit wollen.
                                             des staatlichen Finanzsystems. Durch ihre struktu-    Die Sorge, dass Bürger*innen nicht mitgehen ist
                                             relle Unterfinanzierung ist die kommunale Selbst-     unberechtigt, da Umfragen zeigen, dass die Men-
                                             verwaltung in vielen Städten und Gemeinden in         schen sich oft mutigere Politiker*innen wünschen,
                   Foto: David Ausserhofer

                                             Gefahr. So sind die schnellen Forderungen nach        etwa bei der Bekämpfung des Klimawandels oder
                                             einem finanziellen Schutzschirm und besserer          der Armut in unseren Kommunen. Mut gehört
                                             Unterstützung im Gesundheitssektor naheliegend        auch dazu, Subsistenz zum Thema machen: In der
                                             und berechtigt.                                       Mobilität sind autonome E-SUVs nicht die Lösung,
                                                                                                   sondern das Problem, die Erhöhung von Raum-
                                             Dabei verhält es sich mit der Corona-Krise nicht      widerständen kann in Pendlerregionen Wunder
                                             viel anders als mit der „Großen Transformation zur    wirken. Die Corona bedingten Einschränkungen
                   Foto: David Ausserhofer

                                             Nachhaltigkeit“ insgesamt. Die wie ein Mantra         können uns vielleicht helfen, die Augen dafür
                                             wiederholten Aussagen aus Politik und Wissen-         (wieder) zu öffnen.
                                             schaft „In den Städten und Gemeinden wird sich
                                             entscheiden, ob nachhaltige Entwicklung ein           Auch das Difu muss und wird sich und seine Ar-
                                             Erfolg wird“ sind genauso wahr wie die Schluss-       beit neu hinterfragen: Wie kann es adäquat auf
                                             folgerung zwingend ist: Ohne eine neue und bes-       die offenen Fragen, die sich durch die aktuelle
                                             sere Befähigung der Kommunen, zu Orten der            Pandemie-Situation stellen, reagieren? Was be-
                                             Transformation werden zu können, werden wir           deutet Fridays for Future für ein kommunales
                                             auch die nationalen und globalen Nachhaltigkeits-     Institut an der Schnittstelle von Wissenschaft und
                                             ziele nicht erreichen. Kommunen müssen resilien-      Praxis? Gelingt es, die Bezüge zwischen der glo-
                                             ter werden (SDG 11!), der Staat muss bessere          balen Agenda und den krisenhaften Entwicklun-
                                             Katastrophenvorsorge zur Vermeidung von Katas-        gen der ‚Jetzt-Zeit‘ überzeugend darzustellen und
Dr. Jens Libbe                               trophenrisiken auf lokaler und regionaler Ebene       daraus wissenschaftlich fundierte Schlussfolge-
+49 30 39001-115                             ermöglichen.                                          rungen abzuleiten?
libbe@difu.de

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Das Magazin des Difu 2/2020 - Deutsches Institut für Urbanistik
Standpunkt
                                                                                                                           Berichte 2/2020

                                 Die Voraussetzungen dafür sind gegeben. Das
                                 Institut forscht und berät seit vielen Jahren zu
                                 Nachhaltigkeit, Transformation, Zukunftsstadt,
                                 Smart City, Klimaschutz und Klimaanpassung
                                 oder gesellschaftlichem Zusammenhalt. Wissen
                                 über Folgeabschätzungen, Wirkungsforschung
                                 und Transformationsnotwendigkeiten ist in großer
                                 Breite vorhanden. Für den Umgang mit Pande-
                                 mien, dem Klimawandel und der Großen Transfor-
                                 mation gilt es, wirkungsvolle Hebel zu erforschen.
                                 Dafür brauchen wir auch im Difu die verschie-
                                 densten Wissenschaftsdisziplinen. Wo solche
                                 Fachkenntnisse im Difu nicht vorhanden sind,
                                 müssen sie durch Kooperationen erschlossen
                                 werden.                                               seiner besonderen Rolle ist dabei mittendrin. Wir
                                                                                       – die Kommunen und das Difu – dürfen und sollen
                                 Eine zentrale Forderung der Fridays-for-Future-       sogar Lust haben, hier mitgestalten zu können:
                                 Bewegung ist „Hört auf die Wissenschaft!“. Dabei      „Mut zur Zukunft“. Gleichzeitig müssen wir weg
                                 wird verkannt, dass Wissenschaft – und damit          von Weltuntergangsszenarien, die noch nie Lust
                                 auch das Difu – zwar viele fundierte Antworten        auf Veränderung gebracht haben. Sie führen eher
Zum Weiterlesen
                                 geben kann, aber nicht den normativen und ethi-       zur Schockstarre und der Einstellung „ist ja eh
WBGU (Wissenschaftlicher
                                 schen Kompass vorgeben sollte. Um Politik, Ver-       alles egal“. Die Psycholog*innen wissen: Panik ist
Beirat der Bundesregierung
Globale Umweltveränderun-
                                 waltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft ihre Ent-   schlecht, ein gewisses Maß an Angst ist gut.
gen) (Hrsg.) (2016): Haupt-      scheidungen zu erleichtern, gilt auch für das Difu,   Angst führt zu starker Aufmerksamkeits- und
gutachten. Der Umzug der         in jeder Hinsicht den Komparativ zu leben: Es         Leistungssteigerung, schärft die Sinne und führt
Menschheit: die transforma-      muss radikaler werden im Denken und in der            zu Lösungswillen und einem der Bedrohungs-
tive Kraft der Städte, Berlin    Formulierung von Erkenntnissen, kreativer in der      situation angemessenen Verhalten.
     www.bit.ly/2VhMwn3          Erarbeitung von Lösungen, es muss die besseren
                                 „Geschichten“ erzählen, es muss aktiver formulie-     Gerade in Zeiten der Corona-Krise gelingt es,
Vereinte Nationen (Hrsg.)        ren und Akteur*innen benennen, es muss noch           Menschen trotz vieler Einbußen mitzunehmen.
(2017): Ziele für nachhaltige    stärker interdisziplinär und transdisziplinär for-    Wenn wir es darüber hinaus jetzt noch fertigbrin-
Entwicklung. Bericht 2017,
                                 schen, es muss sich mit seiner Forschung konse-       gen, positive Aspekte der Veränderung zu vermit-
New York.
                                 quenter in den normativen Rahmen der nachhalti-       teln, wie z.B. den Gewinn von „Qualitätszeit“, das
    www.bit.ly/2ZuEYjw
                                 gen Entwicklung, der globalen Agenda 2030 und         zeitweise Verlassen des Hamsterrads, den Gewinn
Uwe Schneidewind (2018):         der New Urban Agenda einordnen. Der Maßstab           an Lebensqualität durch soziales Miteinander,
Die Große Transformation.        für Wissensaufbereitung und -transfer im Institut     dann birgt das große Chancen für die Zukunft.
Eine Einführung in die Kunst     wird also sein, wie es gelingt, mit den wissen-
gesellschaftlichen Wandels.      schaftlichen Erkenntnissen Gehör zu finden, bei       Wenn nur ein Teil dessen, was durch die Notwen-
                                 Verantwortungsträger*innen in Politik und Verwal-     digkeiten der Corona-Krise innerhalb weniger
Deutsches Institut für Ur-       tung, in der Fachöffentlichkeit und der allgemei-     Monate an Veränderungen passiert ist, auch nach
banistik (Bearb.) u. Rat für     nen Öffentlichkeit.                                   dem Abklingen der Krisenerscheinungen in nach-
Nachhaltige Entwicklung                                                                haltigeres Handeln umgesetzt worden ist, – bei
(Hrsg.) (2011): Städte für ein
                                 Der Umgang mit aktuellen Krisen ist auch eine         allen tragischen Folgen der Pandemie – so hat die
nachhaltiges Deutschland.
                                 Frage der Sichtweise. Die Corona-Krise und der        Krise auch neue Chancen hervorgebracht: Ent-
Gemeinsam mit Bund und
Ländern für eine zukunftsfä-
                                 Klimawandel haben nicht nur eine Seite des Be-        schleunigung, Rückfahren des Konsums und Ein-
hige Entwicklung, Berlin.        drohlichen und Unabänderlichen. Sie haben auch        schränkung der Produktion manch überflüssiger
    www.difu.de/7605             die Seite der aktiven Auseinandersetzung, der         Produkte, Stärkung regionaler Wirtschaftskreis-
                                 Suche nach Lösungen, des Verändern- und Ge-           läufe, Verzicht auf Dienstreisen und Ersatz durch
IASS Potsdam: Prozesse           staltenwollens. In Bezug auf die notwendige Große     virtuelle Meetings, Stärkung des Gesundheitssys-
für gerechte Zukunftsge-         Transformation spricht Uwe Schneidewind von der       tems und der Resilienz von Infrastrukturen und
staltung: Empfehlungen für       „Zukunftskunst“ und meint damit die Kompetenz,        vieles andere mehr. Bleibt die Hoffnung, dass das
die Reaktion auf Fridays for     „das Zusammenspiel von technologischen, öko-          nicht reines Wunschdenken ist.
Future                           nomischen, politisch-institutionellen und kulturel-
     www.bit.ly/2zae7OB
                                 len Dynamiken in Prozessen der Großen Transfor-       Am Ende ist es nun doch ein Beitrag über die
                                 mation zu verstehen und sie für das Projekt einer     Rolle von Wissenschaft geworden, über die stär-
Was sind eigentlich SDGs?
www.difu.de/15237
                                 Nachhaltigen Entwicklung fruchtbar zu machen“.        kere Übernahme von Verantwortung auf allen
                                                                                       Ebenen, über notwendige Radikalität im Denken
                                 Dabei geht es um kreative Prozesse. Wenn wir es       und Tun und über Kommunikation von Krisensze-
www.scientists4future.org/       positiv sehen, heißt es, dass wir die Generation      narien – trotz, nein, gerade wegen Corona.
                                 sind, die den Wandel bewirken kann: Das Difu in

                                                                                                                                        7
Das Magazin des Difu 2/2020 - Deutsches Institut für Urbanistik
Forschung & Publikationen
Berichte 2/2020

                      Klimaschutz als wichtigste
                      Zukunftsaufgabe der Städte
                      Städteumfrage „OB-Barometer 2020“ von Anfang des Jahres zeigt, welche kommunal­
                      politischen Themen aus Sicht der Stadtspitzen künftig an Bedeutung gewinnen und wo es
                      großen Finanzierungsbedarf gibt.

                      Der Schutz des Klimas und die Anpassung an die         Zukunftsrelevanz beimessen, sind die Schaffung
                      Folgen des Klimawandels werden für die Städte          bezahlbaren Wohnraums, die Finanzlage der
                      an Bedeutung zunehmen. Das ist eines der Er-           Städte und die Stärkung der Wirtschaft.
                      gebnisse der im Januar und Februar 2020 vom
                      Deutschen Institut für Urbanistik durchgeführ-         Die Stadtspitzen sind sich einig, dass mit den
                      ten Befragung der (Ober-)Bürgermeister*innen           künftigen Herausforderungen der Städte ein hoher
                      großer deutscher Städte. Knapp zwei Drittel der        Finanzierungsbedarf verbunden ist. Dies gilt
                      Befragten nennen den Klimaschutz als wichtiges         besonders für die Themen Mobilität und Klima-
                      kommunales Zukunftsthema. Damit hat sich die           schutz. Knapp 90 Prozent derjenigen, für die dies
                      Zahl der Bürgermeister*innen, die diesem kom-          zentrale Zukunftsthemen sind, gehen davon aus,
                      munalpolitischen Handlungsfeld einen Bedeu-            hier große oder sehr große Investitionen tätigen zu
                      tungszuwachs zuschreiben, im Vergleich zum Vor-        müssen. Ähnlich ist dies in den Bereichen Digita-
                      jahr mehr als verdreifacht. Zukünftige Umfragen        lisierung und Schaffung von bezahlbarem Wohn-
                      werden zeigen, wie stark dieses Ergebnis durch         raum: Hier halten immerhin noch rund drei Viertel
                      die Proteste der ‚Fridays for Future‘-Bewegung         der Stadtspitzen, die Digitalisierung und Wohnen
                      beeinflusst war. Über die Hälfte der Befragten         unter den wichtigsten Zukunftsthemen der Städte
                      sieht ferner einen wachsenden Handlungsbedarf          sehen, den künftigen Finanzierungsbedarf in
                      im Bereich Mobilität. Das Thema, das bereits im        diesen Politikfeldern für hoch oder sehr hoch.
                      Vorjahr auf Platz zwei der Zukunftsthemen lag,
                      hat damit für die Stadtspitzen nochmals an Be-
                                                                              Die Umfrage wurde durchgeführt, bevor die
                      deutung gewonnen. Das mag auch damit zu tun
                                                                              Corona-Pandemie in Deutschland andere The-
                      haben, dass urbane Mobilität ein wesentlicher
                                                                              men in den Hintergrund drängte. Auch wenn
                      Aspekt des kommunalen Klimaschutzes ist. Das            in den Städten nach dem Ausnahmezustand
                      TOP-Zukunftsthema der beiden Vorjahre, die Di-          wieder ein Stück weit Normalität eingekehrt
                      gitalisierung, liegt in der Befragung auf Platz drei    sein sollte, wird der Blick der politisch Entschei-
www.difu.de/12580
                      der wichtigsten kommunalpolitischen Zukunfts-           dungstragenden auf die kommunale Welt ein an-
                      themen. Gut ein Drittel der Befragten geht davon        derer sein. Deswegen wird das Difu sich mit der
                      aus, dass die Digitalisierung in den nächsten fünf      Veröffentlichung der ausführlicheren Ergebnisse
                      Jahren für die Städte an Bedeutung gewinnen             des OB-Barometers 2020 noch etwas Zeit lassen
Annegret Hoch
                      wird. Weitere kommunalpolitische Themen, denen          und hat hier den Fokus nur auf den kleinen
+49 30 39001-198
                      die Bürgermeister*innen eine besonders hohe             Ausschnitt „Zukunftsfragen“ gerichtet.
hoch@difu.de

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Das Magazin des Difu 2/2020 - Deutsches Institut für Urbanistik
Forschung & Publikationen
                                                                                                                                                 Berichte 2/2020

                      Kommunen erwarten weniger
                      Einnahmen durch Corona-Pandemie
                      Eine vom Difu im Auftrag der KfW-Bankengruppe durchgeführte Blitzbefragung unter
                      den Kämmereien der Kommunen zeigt, dass die Städte und Gemeinden einen deutlichen
                      Einbruch ihrer Einnahmen und Investitionen erwarten.

                      Die Corona-Krise bildet für die Haushalte                                             Personalausgaben werden hingegen steigen und
                      der Kommunen eine deutliche Zäsur. Dies ist                                           aus Sicht der Kämmereien die Haushalte subs-
                      das Ergebnis einer Blitzbefragung unter 200                                           tanziell belasten. Es ist aber vor allem der deutli-
                      Kommunen, die vom Difu im Auftrag der KfW                                             che Anstieg der Sozialausgaben, der rund 70 Pro-
                      Bankengruppe Ende April als Ergänzung zum                                             zent der Kämmereien Sorgen bereitet. Auf diese
                      KfW-Kommunalpanel durchgeführt wurde. Statt                                           sich abzeichnenden Herausforderungen reagiert
                      mit Haushaltsüberschüssen und sinkender Ver-                                          laut Difu-Befragung rund ein Viertel der Kommu-
                      schuldung rechnen die meisten Kommunen nun                                            nen mit Haushaltssperren. Ein Drittel bereitet be-
                      mit einem Einnahmeeinbruch, wachsenden Aus-                                           reits Nachtragshaushalte vor, um die finanziellen
                      gaben und einer erneut ansteigenden Verschul-                                         Folgen der Krise abzufangen. Dies dürfte bei ähn-
                      dung. 90 Prozent der befragten Kämmereien                                             lich vielen Kommunen auch über eine höhere Ver-
                      blicken mit Sorgen auf das laufende Haushalts-                                        schuldung erfolgen. In 63 Prozent der Kommunen
                      jahr. Für 2021 erwarten sogar acht von zehn                                           werden zudem Konsolidierungsmaßnahmen ge-
                      Kommunen eine Verschlechterung der Finanzen.                                          plant. Im Ergebnis geht jede dritte Kommune von
                                                                                                            sinkenden oder stark sinkenden Investitionsaus-
                                                                                                            gaben im laufenden Jahr sowie für die Folgejahre
                                                                                                            ab 2021 aus. Bereits in der Vergangenheit haben
                                                                                                            die Kommunen erhebliche Investitionsrückstände
                                                                                                            aufgebaut, wie sie jährlich vom Difu im Rahmen
                                                                                                            des KfW-Kommunalpanels ermittelt werden. Im
                                                                           Foto: Christine Grabarse, Difu

                                                                                                            Jahr 2018 betrug dieser rund 138 Mrd. Euro.

                                                                                                            Der sich abzeichnende Investitionsverzicht in
                                                                                                            einem Teil der Kommunen infolge der Verwer-
                                                                                                            fungen in den städtischen Haushalten kann
                                                                                                            durchaus als ein Warnsignal gelten. Denn wenn
                                                                                                            die Kommunen jetzt nicht finanziell in die Lage
                      Die aktuelle Befragung zu den haushaltspoli-                                          versetzt werden, steigende Sozialausgaben zu
                      tischen Folgen der Corona-Pandemie ist zwar                                           bedienen, wird die Investitionstätigkeit leiden und
                      nicht repräsentativ, gibt jedoch einen belastbaren                                    die regionalen Disparitäten zwischen finanzstär-
                      Eindruck, wie stark die Kommunen betroffen sind.                                      keren und strukturschwachen Kommunen wieder
                      Auf der Einnahmenseite erwarten 42 Prozent                                            deutlich zunehmen. Dabei besteht angesichts der
                      der Städte und Gemeinden einen starken Rück-                                          vielerorts maroden Infrastrukturen jetzt eigent-
                      gang, weitere 53 Prozent gehen von tendenziell                                        lich eine ideale Gelegenheit, die Transformation
                      sinkenden Einnahmen aus. Hauptursache sind                                            der Kommunen hin zu grünen und nachhaltigen
                      wegbrechende Steuereinnahmen, die von 63                                              Technologien zu forcieren.
                      Prozent der kommunalen Haushälter*innen pro-
                      gnostiziert werden. Fast jede vierte Kommune                                          Hoffnung macht, dass immerhin 26 Prozent
                      erwartet zudem sinkende Einnahmen aus eigener                                         der Kommunen steigende Investitionen in den
                      wirtschaftlicher Tätigkeit. Auch über das lau-                                        nächsten Jahren für möglich halten, wenn Bund
www.difu.de/15407     fende Jahr hinaus wird die Krise spürbare Effekte                                     und Länder Unterstützungsmaßnahmen auf den
                      haben: Ein Viertel der Kämmereien geht auch für                                       Weg bringen – vor allem finanzielle Entlastungen,
                      2021 von stark rückläufigen Einnahmen aus.                                            die von 49 Prozent der befragten Kämmereien
                                                                                                            als notwendige Voraussetzung zur Krisenbewäl-
Elisabeth Krone
                      Mit Blick auf die Ausgabenseite sind die Kom-                                         tigung angesehen wird. Jede zweite Kommune
+49 20 39001-223
krone@difu.de
                      munen ebenfalls pessimistisch: Sowohl für das                                         erwartet, dass es zu einer Verschiebung von
                      Jahr 2020 als auch für die Folgejahre rechnet                                         Investitionen innerhalb der Haushalte zugunsten
Dr. Henrik Scheller   jede zweite Kommune mit steigenden Ausgaben                                           „systemrelevanter“ Bereiche wie der Gesund-
+49 20 39001-295      in allen relevanten Haushaltsbereichen. Einzige                                       heitsversorgung oder dem Katastrophenschutz in
scheller@difu.de      Ausnahme bilden die Investitionen. Sach- und                                          den Kommunen kommen dürfte.

                                                                                                                                                              9
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Berichte 2/2020

                        Blau-grün-graue Infrastrukturen in
                        Kommunen planen und umsetzen
                        Die vernetzte Planung und Umsetzung blau-grün-grauer Infrastrukturen unterstützt die
                        Klimaanpassung in den Kommunen. Eine neue Veröffentlichung des Forschungsverbunds
                        netWORKS zeigt, worauf dabei geachtet werden muss.

                        Die Auswirkungen des Klimawandels haben einen
                        erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität in
                        Städten und ihre Ver- und Entsorgungssysteme.
                        Starkregen, Überflutung, Hitze- und Trockenperi-
                        oden werden sich allein durch angepasste techni-
                        sche Lösungen und Maßnahmen der Infrastruktu-
                        ren nicht bewältigen lassen. Daher werden für die
                        Klimaanpassung in Kommunen auch blaue und
                        grüne Infrastrukturen – wie (urbane) Gewässer,
                        Grünflächen oder Gründächer – in den Blick ge-
                        nommen. Die Vernetzung und das Zusammenspiel
                        von blauen, grünen und grauen Infrastrukturen
                        eröffnen vielfältige und zusätzliche Optionen bei
                        der Anpassung der Kommunen an den Klima-             Daher ging es im Forschungsvorhaben zunächst
                        wandel. Blaue und grüne Infrastrukturen erfüllen     darum, kommunale Planungsprozesse auf ge-
                        zahlreiche Ökosystemleistungen, die in einer kli-    eignete Anpassungen hin zu prüfen und eine
                        magerechten Stadtentwicklung genutzt werden          Verständigung über Leitlinien der Infrastruktur­
                        können: Grüne Infrastrukturen können als Puffer      ent­wicklung und Klimaanpassung herzustellen. In
                        bei Starkregen bzw. Überflutung dienen. Zugleich     Zusammenarbeit mit den beiden Partnerstädten
                        sind diese Infrastrukturen so zu gestalten und zu    Berlin und Norderstedt wurde im Rahmen laufen-
                        bewirtschaften, dass sie ihre Leistungen auch bei    der städtebaulicher Planungsprozesse untersucht,
                        Hitze und Trockenheit optimal erbringen können.      wie vernetzte blau-grün-graue Infrastrukturen
                        Denn in Hitze- und Trockenperioden müssen            in der Planung verankert werden können. Dabei
                        grüne Infrastrukturen bewässert werden, um z.B.      wurden in ausgewählten Transformationsräumen
                        die erwünschte Kühlleistung zu erbringen.            Machbarkeitsstudien gekoppelter Infrastrukturen
                                                                             partizipativ erarbeitet.
                        Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu), das
                        ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung,    In der vom Difu und dem ISOE gemeinsam her-
                        das Kompetenzzentrum Wasser Berlin und die           ausgegebene Publikation „Blau-grün-graue Inf-
                        Berliner Wasserbetriebe haben im Forschungs-         rastrukturen vernetzt planen und umsetzen. Ein
                        vorhaben netWORKS 4 gemeinsam die Möglich-           Beitrag zur Klimaanpassung in Kommunen“ wer-
                        keiten der Kopplung zwischen den drei Infrastruk-    den die Ergebnisse aus dem Forschungsvorhaben
                        tursystemen identifiziert und beschrieben. Dabei     netWORKS 4 gebündelt präsentiert.
                        wurden auch erste Bewertungen vorgenommen
                        und geprüft, wie und wo Kopplung von blauen,         Das Projekt netWORKS 4 wurde vom Bundes­
                        grünen und grauen Infrastrukturen zu einer klima-    ministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
                        angepassten und klimagerechteren Stadt- und          in der Fördermaßnahme „Nachhaltige Transfor-
                        Infrastrukturentwicklung beitragen kann.             mation urbaner Räume“ des Förderschwerpunkts
www.bit.ly/2Sp5Hd0
                                                                             Sozial-ökologische Forschung gefördert. For-
www.networks-group.de   Die Vernetzung bzw. Kopplung dieser drei Infra-      schungs- und Projektpartner waren das ISOE
                        strukturen erfordern veränderte Verfahren und        – Institut für sozial-ökologische Forschung, das
                        Prozesse zur integrierten Planung der Stadt und      Deutsche Institut für Urbanistik (Difu), das Kom-
                        ihrer (Wasser-)Infrastrukturen: Bisher fehlen noch   petenzzentrum Wasser Berlin, die Berliner Was-
Dipl.-Soz. Jan Trapp    die notwendigen Verfahren, mit denen eine Pla-       serbetriebe, die Senatsverwaltung für Umwelt,
+49 30 39001-210
                        nung und Umsetzung gekoppelter Infrastrukturen       Verkehr und Klimaschutz Berlin und die Senats-
trapp@difu.de
                        – unter Berücksichtigung der vielfältigen Wech-      verwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen in
Dr.-Ing.
                        selbezüge zum städtischen Raum – im Zuge der         Berlin sowie die Stadt Norderstedt und Ramboll
Martina Winker, ISOE    Infrastruktur- und Stadtplanung erfolgen können.     Studio Dreiseitl.
+49 69 7076919-53
winker@isoe.de

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Forschung & Publikationen
Berichte 2/2020

                      Was bewirken die Projekte der
                      BMBF-Zukunftsstadtforschung?
                      Das Difu untersuchte mit weiteren Forschungspartnern BMBF-Forschungsinitiativen auf
                      ihre Wirkungen. Unterschiedliche Informationsformate unterstützen Kommunen, Medien
                      und Projekt-Mitwirkende bei der Verwertung der Forschungsergebnisse.

                      Seit über zwei Jahren begleitet das Deutsche Ins-                                                           Broschürenreihe: Fokus*Zukunftsstadt
                      titut für Urbanistik (Difu) die Aktivitäten des Bun-                                                        Die neue Broschürenreihe „Fokus*Zukunftsstadt“
                      desministeriums für Forschung und Technologie                                                               bietet Reportagen zu den Fokusthemen. O-Töne
                      (BMBF) rund um die „Leitinitiative Zukunftsstadt“                                                           und Geschichten sind darin anhand ausgewählter
                      sowie die Fördermaßnahme „Nachhaltige Trans-                                                                Projekte im Sinne des „Storytelling“ aufbereitet.
                      formation urbaner Räume“. An der Schnittstelle                                                              Die Broschüren richten sich an die Zukunfts-
                      zwischen Forschung und Praxis trägt das Institut                                                            stadt-Community, Kommunen, Verbände und
                      im „Synthese- und Vernetzungsprojekt Zukunfts-                                                              Medien. Das Material kann besonders für Journa-
                      stadt (SynVer*Z)“ innovative projektübergreifende                                                           list*innen hilfreich sein, wenn sie über BMBF-
                      Ergebnisse und Lösungsstrategien in die Kommu-                                                              Forschungsprojekte berichten möchten. In der
                      nen. Dabei wird eine Systematisierung entwickelt,                                                           ersten im März 2020 erschienenen Broschüre
                      mit der die angestrebten, möglichst realen Wir-                                                             „Produktion in der Zukunftsstadt“ werden bei-
                      kungen von Förderprojekten – also die Wirkungen                                                             spielsweise die Projekte „ProUrban“ und „Bottrop
                      der BMBF-Forschungsinitiativen – erfasst und                                                                2018plus“ vorgestellt, die in Reallaboren zur urba-
                      kategorisiert werden können.                                                                                nen Produktion und Ökonomie forschen.

                                                                                                                                  Werkstattbericht zu Wirkungen transdisziplinärer
                                                                                                                                  Stadtforschung
                                                                                                                                  Im SynVer*Z-Projekt werden die angestrebten
                                                                             Foto: Screenshot der SynVer*Z-Website (Ausschnitt)

                                                                                                                                  Wirkungen der Projekte rund um die „Leitinitiative
                                                                                                                                  Zukunftsstadt“ analysiert. Zwischenergebnisse
                                                                                                                                  wurden in einem Werkstattbericht dokumentiert,
                                                                                                                                  den das „ISOE-Institut für sozial-ökologische
                                                                                                                                  Forschung“ erstellte. Darin werden die verschie-
                                                                                                                                  denen Wirkungsdimensionen, -felder und -formen
                                                                                                                                  jeweils beschrieben. Zudem gibt es eine Übersicht
                                                                                                                                  zu den Häufigkeiten der verschiedenen angestreb-
                                                                                                                                  ten Wirkungsarten in den analysierten Projekten.

                                                                                                                                  Der Werkstattbericht soll den Projektmitarbei-
                                                                                                                                  ter*innen ein Feedback zu den angestrebten
                                                                                                                                  gesellschaftlichen Wirkungen ihrer jeweiligen
                      Um die spannenden Aktivitäten der vielen unter                                                              Forschungsprojekte geben. Dadurch können sie
                      dem Dach der „Leitinitiative Zukunftsstadt“ wir-                                                            ihre Projektergebnisse besser einordnen und
www.bit.ly/2xebbPX
                      kenden Projekte sichtbar zu machen, wurden                                                                  reflektieren.
www.bit.ly/2WawLh7    verschiedene Informations- und Unterstützungs-
www.bit.ly/2QDVCaZ    formate entwickelt, die auf der SynVer*Z-Website                                                            Zudem wurde im Werkstattbericht für jedes der
                      online zur Verfügung stehen. Dazu gehören Video-                                                            48 Projekte ein angepasstes Projektprofil erstellt.
                      clips, Broschüren und ein Werkstattbericht:                                                                 Darin sind die jeweils im Projekt gesehenen Wir-
                                                                                                                                  kungsarten genannt und individuell beschrieben.
Dr. Jens Libbe        Videoclips: SynVer*Z im Gespräch                                                                            All dies wird in einem übersichtlichen Wirkungs-
+49 30 39001-115      Seit 2019 stellen Mitarbeiter*innen aus For-                                                                schema dargestellt. Darüber hinaus sollen die
libbe@difu.de         schungsprojekten der BMBF-Leitinitiative Zu-                                                                Projektmitarbeiter*innen auch beim Aufbau von
                      kunftsstadt unter der Rubrik „Im Gespräch*Z“                                                                Wirkungspotenzialen unterstützt werden. Der
Dr. Lena Bendlin
                      ihre Arbeitsergebnisse vor. Die Filmclips eröffnen                                                          Bericht schließt daher mit einer Handreichung zur
+49 30 39001-222
bendlin@difu.de
                      einen Einblick in Hintergründe, Vorgehensweisen                                                             Wirkungsreflexion und zur Unterstützung bei der
                      und Ergebnisse der Arbeiten in unterschiedlichen                                                            Wirkungsverstärkung. Ziel des Selbstreflexions-
Robert Riechel        Städten. Das Angebot richtet sich vorrangig an die                                                          tools ist es, die Teilnehmenden dabei zu unterstüt-
+49 30 39001-211      „Zukunftsstadt-Forschungscommunity“, Kommu-                                                                 zen, potenzielle und tatsächliche Wirkungen wäh-
riechel@difu.de       nen, Verbände und Medien.                                                                                   rend des Projektverlaufs im Blick zu behalten.

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Forschung & Publikationen
                                                                                                              Berichte 2/2020

                    Geteilte Mobilität in nachhaltigen
                    Verkehrsentwicklungsplänen
                    Ein vom Difu erstellter Leitfaden informiert über neue Mobilitätsformen und -technolo­
                    gien. Er beschreibt ihre Merkmale und erläutert, wie diese in Planwerken verankert werden
                    können und welche Potenziale und Handlungserfordernisse für Kommunen entstehen.

                                                                                                                                Foto: Wulf-Holger Arndt, Difu
                    Der vom Difu im Rahmen des EU-Projekts CIVITAS-­       Bei der Nutzung des öffentlichen Raums haben
                    PROSPERITY erstellte Themenleitfaden für die           Kommunen eine wichtige Gestaltungsfunktion.
                    Integration von Angeboten geteilter Mobilität in       Geteilte Mobilität sollte daher in diesem Zusam-
                    nachhaltige urbane Verkehrsentwicklungspläne           menhang diskutiert und in Verkehrsentwicklungs-
                    „SUMP“ liegt nun auch in deutscher Sprache vor.        pläne bzw. SUMP integriert werden. Integrierte
                                                                           Konzepte, die neue Mobilitätsdienstleistungen
                    Städte und ihre Umlandgemeinden sind beson-            gezielt und strukturiert als Alternative zum Pkw-
                    ders stark durch individuellen Verkehr, aber auch      Besitz berücksichtigen und damit den Bedarf an
                    durch Güter- und Dienstleistungsverkehr geprägt        Pkw-Stellplätzen reduzieren, sind wichtiger denn
                    und belastet: Sie stehen vor der Herausforderung,      je. Sie gehören zu den Schlüsselfaktoren, um
                    die Negativfolgen des Verkehrs zu minimieren.          künftige Mobilität nachhaltig zu gestalten. Dabei
                    Dies betrifft vor allem den Ausstoß schädlicher        sind acht Prinzipien des SUMP-Konzepts zu be-
                    Klimagase, Feinstaub- und Stickoxidbelastungen         achten, die im Leitfaden erläutert werden.
                    sowie Verkehrslärm. Zu den Negativenfolgen zählt
                    auch die hohe Flächeninanspruchnahme durch             Die Einbindung des Themas geteilte Mobilität
                    den Motorisierten Individualverkehr (MIV). Vor         kann als „PULL-Faktor“ auch ein wichtiger Bau-
                    allem der ruhende Verkehr belegt öffentliche           stein für die Förderung des Umweltverbunds sein.
                    Flächen im Übermaß.                                    Allen neuen Mobilitätsoptionen sollte gemeinsam
                                                                           sein, dass weniger Fahrten im „eigenen“, privaten
                    Neue multimodale Mobilitätsoptionen bieten den         Pkw durchgeführt werden. So kann durch die ver­
                    Kommunen potenziell die Chance, fließenden             änderte Verkehrsmittelwahl ein aktiver Beitrag zum
                    und ruhenden Pkw-Verkehr durch neue Ange-              Klima- und Umweltschutz geleistet werden – für
                    bote zurückzudrängen und teilweise auch den            Kommunen ein zentrales Anliegen. Auch Schritte
                    Wirtschaftsverkehr zu reduzieren. Die Kommunen         zur Integration von Sharing-Systemen in die nach-
                    sehen sich dadurch aber auch mit diversen Her-         haltige städtische Mobilitätsplanung werden im
                    ausforderungen konfrontiert – insbesondere, was        Leitfaden beschrieben.
www.difu.de/13383   die Regelungen für die Nutzung des öffentlichen
www.difu.de/11815
                    Raums angeht: Der Großteil neuer Angebote wird         Der kostenfreie Leitfaden stellt außerdem alle
                    von privatwirtschaftlichen Firmen bereitgestellt,      Mobilitätsoptionen vor, die für sämtliche Bevöl­
                    die sich selbst als Mobilitätsdienstleister verste-    kerungsgruppen potenziell zugänglich sind:
Dr.-Ing.            hen. Sie bieten die Nutzung ihrer Verkehrsmittel       öf­fentliche Fahrradverleihsysteme, E-Tretroller
Wulf-Holger Arndt   wie Fahrräder, E-Tretroller, E-Motorroller und Elek-   (E-Scooter-Sharing), E-Motorroller-Sharing, (E-)
+49 30 39001-252    tro- und herkömmliche Pkw digital und kosten-          Carsharing , Mitfahrgelegenheiten (Ride-Sharing
arndt@difu.de       pflichtig im öffentlichen (!) Raum an.                 und Ride-Hailing) und die Frachtmitnahme.

                                                                                                                          13
Forschung & Publikationen
Berichte 2/2020

                          NRW-Kommunen erhalten Beratung
                          bei Klimafolgenanpassung
                          Neue Online-Veröffentlichung bietet Hintergrundinformationen zu Klimafolgen in
                          Nordrhein-Westfalen und stellt Handlungsoptionen im Bereich Klimafolgenanpassung
                          kombiniert mit Praxisbeispielen anschaulich vor.

Intensive Dachbegrünung

                                                                                                                                       Foto: Optigrün
als Maßnahme zur Anpas-
sung an den Klimawandel
auf dem „Dortmunder U“

                          Der Klimawandel ist allgegenwärtig. Viele Berei-     und vermittelt einen Einblick, welche Maßnahmen,
                          che des täglichen Lebens sind inzwischen von den     Prozesse und Potenziale zur Verstetigung der
                          Auswirkungen betroffen. Auch Nordrhein-West-         Klimafolgenanpassung als Querschnittsaufgabe
                          falen wurde in den vergangenen Jahren stark mit      anwendbar sind. Die Publikation regt beispielhaft
                          dem Anstieg der globalen Durchschnittstempe-         zu Möglichkeiten einer klimaresilienten Gestaltung
                          ratur und den daraus resultierenden Extremwet-       von Städten und Gemeinden in Nordrhein-West-
                          terbedingungen konfrontiert. Zentrale Akteure        falen an. Ein strategischer Ausbau grüner und
                          im Umgang mit Starkregen, Trockenheit und            blauer Infrastrukturen sowie die Entsiegelung
                          Hitzewellen sind die Kommunen. Doch welche           von stadteigenem Grundeigentum sind nicht nur
                          Maßnahmen sind überhaupt machbar? Wo kann            für die Klimavorsorge dienlich, sie steigern auch
                          kommunale Verwaltung eingreifen? Und wie kön-        die regionale Attraktivität und Lebensqualität der
                          nen zukunftsfähige Projekte entwickelt werden?       Kommunen.

                          Im Rahmen der „Kommunalberatung Klimafol-            Das in Köln ansässige Team berät die Kommunen
                          genanpassung NRW“ unterstützt das Deutsche           zur Initiierung, Durchführung und finanziellen För-
                          Institut für Urbanistik (Difu) im Auftrag des Um-    derung von Maßnahmen – per Telefon, E-Mail und
                          weltministeriums NRW Städte, Gemeinden und           vor Ort. Mit Vorträgen wendet es sich zusätzlich
                          Kreise in Nordrhein-Westfalen dabei, in der Klima-   an kommunalpolitische Gremien, für die auch We-
www.bit.ly/3cP6bB6        vorsorge aktiv zu werden. Ziel der Kommunalbe-       binare angeboten werden.
                          ratung ist es, Wissen zur Klimafolgenanpassung
                          in Kommunalpolitik und -verwaltung aufzubauen        Zusätzlich bietet ein zentrales Internetportal spezi-
                          und die Umsetzung von integrierten Klimaanpas-       ell für nordrhein-westfälische Kommunen umfas-
Anna-Kristin Jolk         sungskonzepten und -maßnahmen vorzubereiten.         sende Informationen, Praxisbeispiele, Termine und
+49 30 39001-133
                                                                               einen aktuellen Überblick über die sich ständig
jolk@difu.de
                          Eine im Rahmen dieser Beratung neu entstandene       verändernde Förderlandschaft. Ein vierteljährlich
Ulrike Vorwerk            Broschüre „Klimawandel in Kommunen – jetzt           erscheinender Newsletter informiert Kommunen
+49 221 340308-17         vorsorgen und gestalten!“ zeigt, wie sich der Kli-   und weitere interessierte Akteure kontinuierlich
vorwerk@difu.de           mawandel gegenwärtig auf Kommunen auswirkt           über aktuelle Entwicklungen.

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Forschung & Publikationen
                                                                                                              Berichte 2/2020

                     Wie Städte gesundheitsförderliche
                     Lebensverhältnisse schaffen können
                     Vom Abbau sozialräumlicher Konzentration von Armut bis zur nachhaltigen Gestaltung
                     von Infrastrukturen: Fachleute aus den Bereichen Gesundheit und Stadtentwicklung
                     geben Empfehlungen für eine gesundheitsfördernde Stadtentwicklung

                     Wie sollte eine gesundheitsfördernde und              Menschen – unabhängig von ihrem Einkommens-,
                     gleichzeitig nachhaltige Stadt- und Quartiers­        Bildungs- und Sozialstatus – aktiv an Planungs-
                     entwicklung aussehen? Dieser Frage ging die           und Entscheidungsprozessen beteiligen können.
                     am Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) ange-
                     siedelte „Arbeitsgruppe Gesundheitsfördernde          Da all diese Aufgaben nicht allein vom Gesund-
                     Gemeinde- und Stadtentwicklung“ (AGGSE) nach.         heitssektor bewältigt werden können, sind auch
                     Die Diskussionsergebnisse der bundesweit und          die Bereiche Stadtentwicklung und Stadtplanung,
                     inter- sowie transdisziplinär zusammengesetzten       Umwelt und Grün, Verkehr und Mobilität gefragt,
                     Arbeitsgruppe wurden als „Empfehlungen für eine       die örtlichen Lebensverhältnisse zu verbessern
                     gesundheitsfördernde und nachhaltige Stadtent-        und zur Gesundheit beizutragen. Hierfür sind
                     wicklung“ in Form von fünf Thesen veröffentlicht.     übergreifende Strategien und Maßnahmen nötig.
                                                                           Das Gesunde-Städte-Netzwerk, das Städtebau­
                     Sollen in Kommunen gesundheitsförderliche             förderprogramm Soziale Stadt sowie die Strategie
                     Lebensverhältnisse geschaffen werden, so ist es       Umweltgerechtigkeit sind hierfür gute Beispiele.
                     eine zentrale Aufgabe der Kommunalpolitik, die
                     ansteigende Konzentration von Armut in einzel-        Aufgabe der Kommunen ist es, ihre sozialen, tech-
                     nen Stadtteilen abzubauen. Denn die räumliche         nischen und grünen Infrastrukturen zukunftsfähig
                     Konzentration verstärkt Negativauswirkungen           und nachhaltig zu entwickeln. Diese Infrastruktu-
                     von Armut und ist nachweislich mit einer ver-         ren tragen dazu bei, dass alle Menschen in einer
                     gleichsweise schlechteren gesundheitlichen Lage       Kommune gesund und ökologisch verträglich
                     verknüpft. Gleichzeitig ist laut AGGSE darauf zu      leben können. Die Kommunen haben hierbei einen
                     achten, die vor allem in sozial benachteiligten Ge-   eigenen großen Gestaltungsspielraum. Damit sie
                     bieten oft schlechte und gesundheitsbelastende        diesen nutzen können, müssen die finanziellen
                     Umweltqualität durch Maßnahmen der Lärmver-           Ressourcen der Kommunen dauerhaft und konti-
                     meidung, Luftreinhaltung und besseren Grünver-        nuierlich gestärkt werden.
                     sorgung zu verbessern und damit für mehr Um-
                     weltgerechtigkeit zu sorgen. Ein Beitrag hierzu ist   Gesundheitsfördernde Politik in den Städten darf
                     die Priorisierung des Fuß-, Rad- und öffentlichen     jedoch keine „Kirchturmpolitik“ sein. Sie muss
                     Verkehrs und die Reduzierung des motorisierten        global denken, um im lokalen Handeln auch glo-
                     Individual- und Güterverkehrs. Wichtig sind auch      balisierten Herausforderungen gerecht zu wer-
www.bit.ly/332YL9f
                     der Erhalt und die Entwicklung urbaner Grün-          den. Diese finden ihren Ausdruck unter anderem
                     und Freiräume als Orte der Bewegung, Erholung,        in einer veränderten globalen Verbreitung von
                     Naturerfahrung und sozialen Begegnung. Solche         lebensbedrohlichen Infektionen sowie im weltwei-
Dipl.-Ing.           Räume erfüllen für Städte zudem wesentliche           ten Klimawandel und seinen Folgen. Die Städte
Christa Böhme        bioklimatische und ökologische Funktionen. Und        sollten sich künftig in globalen Bündnissen für
+49 30 39001-291     schließlich gehört zu einer nachhaltigen gesund-      eine nachhaltige Politik der Gesundheitsförderung
boehme@difu.de       heitsfördernden Stadtentwicklung, dass sich alle      einsetzen.

                                                                                                                          15
Was sind eigentlich ...?

SDGs
Begriffe aus der kommunalen Szene,
einfach erklärt

Die 17 Sustainable Development Goals
(SDGs) sind die aktuellen globalen Ziele der
Vereinten Nationen (UN) für eine nachhaltige
Entwicklung. Die SDGs wurden im September
2015 in New York als Kernstück der „Agenda
2030 für nachhaltige Entwicklung“ verab-
schiedet und von allen UN-Mitgliedstaaten
unterzeichnet. Als Basis dienten die zuvor ver-
öffentlichten „Millenniums-­Entwicklungsziele“
und die „Nachhaltigkeitsagenda“, die im Zuge
des Rio-Prozesses verabschiedet wurde.
Die Agenda 2030 ist der erste umfassende
politische Zielkatalog der UN, in dem sozi-
ale, ökologische und wirtschaftliche Aspekte
einer nachhaltigen Entwicklung ausgewogen
benannt werden und der sich gleichermaßen
an Industrienationen, Schwellen- und Ent-
wicklungsländer richtet. Die 17 SDGs wurden
in 169 Zielvorgaben bzw. Unterziele konkre-
tisiert. Sie beziehen sich auf inhaltliche Ziele
oder gehen auf mögliche Umsetzungswege
mit finanziellen oder strukturellen Maßnah-
men ein.
————————————————————————
„Das Erreichen der 17 Ziele für eine nachhal-
tige Entwicklung (SDGs) kann nur im Zusam-
menspiel mit den Kommunen gelingen.“
————————————————————————
Die Agenda 2030 ist in erster Linie ein Staa-
tenvertrag. Jedoch werden mit ihr auch die
Kommunen angesprochen: Über alle 17 Ziele
hinweg in Zielvorgaben, die schließlich (auch)
auf der lokalen Ebene umgesetzt werden
müssen, und besonders mit dem SDG 11 für
„Nachhaltige Städte und Siedlungen – Städte
und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstands-
fähig und nachhaltig gestalten“.
In der Präambel werden die 17 Ziele als inte-
griert und unteilbar kommuniziert.
In Deutschland sind bislang mehr als 140
Städte, Gemeinden und Kreise dem „Club
der Agenda 2030-Kommunen“ beigetreten
und haben sich mittels Ratsbeschluss zu den
SDGs bekannt, die SDGs in lokale Zielverein-
barungen integriert oder bereits ein umfas-
sendes SDG-Monitoring aufgebaut.

Weitere Begriffe online:
www.difu.de/6189

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