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Digitalisierung Herausforderungen und Folgen für die öffentliche Verwaltung Digitales Dokumentenmanagement Wandel durch Qualifizierung wirksam unterstützen Heft 1 / 2018
INHALT SCHWERPUNKTTHEMA IN EIGENER SACHE 01/2018 4 Digitalisierung der Büroarbeit spectrum jetzt Teil der Forschungsstelle 6 D igitalisierung von Büroarbeitsplätzen – spectrum die Perspektive des psychologischen Arbeits- und Gesundheitsschutzes Liebe Leserinnen und Leser, liebe Studierende, 8 Digitalisierung in der Verwaltung Mit einem Senatsbeschluss wurde die Redaktionsleitung der Zeitschrift spectrum Wandel von Arbeit im Kontext der Digitalisierung 10 an die Forschungsstelle übergeben. Seit 1. Januar 2018 leitet Clemens Lorei als Der Mensch in der digitalen Verwaltung. 12 einer der beiden Forschungsdirektoren nun die Redaktion. Er übernimmt das Amt Arbeit und Qualifi kation im Wandel von Gabriele Schaa, die seit Gründung der Hochschulzeitschrift 1995 spectrum mit großem Engagement entwickelte, stets weiter verbesserte und zu großem Durchführung einer Prozessanalyse zur 16 Erfolg führte. Vorbereitung der Einführung des elektronischen Dokumentenmanagementsystems HeDok Mit der Übernahme der Leitung durch den Forschungsbereich wird der wissen- schaftlichen Qualität dieser Hochschulzeitschrift vertieft entsprochen und das Publikationsorgan enger mit dieser wichtigen Institution der Hochschule verbun- den. Seit Initiierung und Inbetriebnahme der Forschungsstelle der Hochschule im FORUM FÜR STUDIERENDE Jahr 2011 ist diese direkt als Stabsbereich dem jeweiligen Rektor unserer Hoch- schule zugeordnet. Digitalisierungsprozesse in der öffentlichen 19 Verwaltung – eine fortschreitende Entwicklung Die Redaktion spectrum ist nun auch größer geworden: Aus der Zentralverwal- Vorstellung von Lehrkräften an der HfPV 23 tung ist Thomas Börner zur Redaktion gestoßen, u. a. zuständig für den Satz, die Werbung und den Druck. Neue Redaktionsmitglieder sind Britta Fiebig (Fachbe- 24 Buchempfehlungen – reich Verwaltung, Mühlheim), Nikola Hahn (Fachbereich Polizei, Mühlheim), von Studierenden für Studierende Kerstin Kocab (Fachbereich Polizei, Gießen) und Christoph Zinner (Fachbereich G E W IN FÜ R ST U N S P IE L Polizei, Wiesbaden). Und das sind die „Alten“, die schon jahrelang dabei sind Gewinnspiel – Digitalisierung 25 D I ER EN DE und weiter spectrum mittragen: Swen Eigenbrodt (Fachbereich Polizei, Wiesbaden), Clemens Lorei, Martina Mager-Weber (Zentralverwaltung), Julia Weichel (Fach- bereich Verwaltung, Gießen) und Gabriele Schaa. AUS LEHRE UND FORSCHUNG DIE REDAKTIONSLEITUNG Polizei 4.0: Herausforderungen 27 und Chancen der Digitalisierung Neues aus dem Qualitätsbereich 29 HfPV AKTUELL 30 Personal / Veränderungen 2
EDITORIAL Wir kommunalen Vertreter müssen in der Digitalisierung nach außen klar machen, dass eine Stadt kein Großkon- 01/2018 zern ist. Es ist der falsche Weg, nach Google, Facebook & Co. zu schauen, um deren Handeln in der digitalen Ökonomie zu kopieren. Damit würden wir zum einen im spectrum Mittelmaß stecken bleiben, weil wir auf Wirtschafts- seite über andere Dimension der Mittel- und Knowhow- Verfügbarkeit sprechen. Zum anderen folgen Kommu- nen einem vollkommen anderen Zweck. Unsere Be- stimmung ist nicht die Gewinnmaximierung und die disruptive Kanibalisierung anderer Geschäftsmodelle, sondern das Gemeinwohl. Jochen Partsch Das bedeutet, dass der große Showeffekt nicht immer die richtige Wahl ist. Das beinhaltet auch, dass viele Mit Mut auf dem Weg zur Digitalen Stadt kleine Schritte oft ein besseres Ergebnis ergeben und nachhaltiger sind, als der vermeintlich „große Wurf” – Darmstadt hat in einem Verbund starker Netzwerkpartner der auch ins Nichts gehen kann. Dazu sollten wir Städte im Juni letzten Jahres den Wettbewerb Digitale Stadt uns viel mehr, viel häufiger und viel mutiger aktiv be- des bitkom-Verbandes gewonnen. Ebenfalls in 2017 kennen. Oder anders gesagt: Wir sind kein Kaninchen, wurde Darmstadt als Digital Hub Cyber-Security der die Digitalisierung keine Schlange. Die Städte müssen Bundesregierung ausgezeichnet. Parallel dazu wurden ihren digitalen Minderwertigkeitskomplex schleunigst wir von der Wirtschaftswoche zum dritten Mal in Folge ablegen. Dann werden Erfolge auch schneller greifbar. als Zukunftsstadt Nr. 1 in Deutschland geehrt – dies Im Bereich E-Government sehe ich dabei diejenigen im alles im 20. Jubiläumsjahr der Ernennung Darmstadts Vorteil, die auf Bürgerkonten setzen, die Stück für Stück zur Wissenschaftsstadt. Zum 31.12. hat die Stadt außer- die Dienstleistungen der Verwaltung – aber auch der dem die 160.000 Einwohner-Marke übersprungen. Auch kommunalen Versorger – bündeln. Was ist eine App die Wirtschaftskraft hält voll Schritt. Die letzte Zahl der wert, mit der ich zum Beispiel ein Auto anmelden kann, Erwerbstätigen beträgt 130.200. Zudem studieren in wenn ich sie nur alle paar Jahre benötige? Darmstadt an drei Hochschulen 45.000 junge Menschen. Wir sprechen also über eine echte Success Story. Gerade E-Government findet aber nicht im rechtsfreien Raum statt. Wenn digitale Bürgerbeteiligung – um nur Zugleich ist dies aber auch eine große Anforderung an ein Beispiel zu nennen – schon daran krankt, dass es die Stadtentwicklung. Deshalb entwickeln wir derzeit in nach Meldegesetz nicht erlaubt ist, Email-Adressen im einem breiten bürgerschaftlichen Prozess einen räumli- Register zu speichern, um die Bürgerinnen und Bürger chen Masterplan 2030 + für unsere Stadt und treiben die auf dem Weg anzuschreiben, den sie selbst ständig Digitalisierung voran. Dies jedoch niemals als Selbst- benutzen, dann läuft etwas falsch – dann zeigt das, zweck. Digitalisierung hilft uns vielmehr, unser Gemein- dass die regulatorischen Rahmenbedingungen noch wesen zukunftsfähiger zu machen, die Effizienz zu er- alles andere als optimal sind. An diesem Thema sollten höhen und Probleme zu lösen. Derzeit bereiten wir in die Städte gemeinsam beim Bund arbeiten, der hier einer eigens gegründeten Digitalstadt GmbH über 30 hohe Ziele formuliert. Das sollte aber niemand als Exit- verschiedene Projekte in allen kommunalen Handlungs- Strategie nutzen, um Nichtstun zu begründen. Der feldern vor, um in Kooperation mit dem Land Hessen, größte Handlungsdruck für den Gesetzgeber entsteht, den bitkom-Unternehmen sowie der lokalen Wirtschaft wenn wir mutig voranschreiten. Dazu will ich alle ge- und Wissenschaft neue Services und Infrastrukturen meinsam mit der Digitalstadt Darmstadt einladen. zu erproben. Wir verfolgen nur Ansätze, die dem Bür- gernutzen dienen und nachhaltig sind, zum Beispiel die Verkehrswende hin zu neuen urbanen Mobilitätsketten voranbringen. Außerdem legen wir hohen Wert auf die ethische Komponente dieses epochalen gesellschaftli- chen Wandels ebenso wie auf Datenschutz und Persön- lichkeitsrechte. Summa summarum bedeutet dies auch, Jochen Partsch die Ehrlichkeit zu haben, durchaus Projekte abzulehnen und nicht auf jeden Zug des technisch machbaren aufzuspringen. ZUR PERSON Jochen Partsch ist Oberbürgermeister der Wissenschaftsstadt Darmstadt. 3
SCHWERPUNKTTHEMA Digitalisierung der Büroarbeit ■ EINLEITUNG zufolge der persönliche Kontakt von Angesicht zu An- gesicht für den Aufbau von Vertrauen und eine konstruk- 01/2018 Die Digitalisierung beeinflusst zunehmend alle Bereiche tive Arbeitsbasis als essenziell erachtet.4 Herausforde- des Alltags, so auch jenen der Erwerbsarbeit. Mit dem rungen virtueller Arbeit sind etwa die Überwachung und Vermarktung von Daten. Außerdem besteht bei spectrum Einzug des Personal Computers in die Büros der 1980er Jahre und der immer umfassenderen Internetnutzung überwiegend virtuell organisierter Arbeit die Gefahr in den letzten beiden Jahrzehnten hat sich die Arbeits- der „Vereinzelung“ oder Ablenkung von der Arbeit.5 So welt umfassend gewandelt. Das Web 2.0, die mobile beschloss die Firma Yahoo im Jahr 2013, das Arbeiten Internetnutzung und benutzerfreundliche Mikropro- aus dem Homeoffice einzustellen und die physische Caroline Präsenz im Unternehmen einzufordern, um die Qualität Roth-Ebner gramme für Smartphones (Apps) stellen die jüngsten der Zusammenarbeit zu verbessern und die Produktivität Entwicklungen dar, welche die Art zu arbeiten – bzw. zu erhöhen.6 Fotoquelle: Arbeit und Freizeit zu vereinbaren – prägen. Dies trifft Christina Supanz nicht nur, aber insbesondere auf die Büroarbeit zu, deren zentraler Arbeitsgegenstand das Be- und Verarbeiten von Informationen und Kommunikation ist, welche immer ■ FLEXIBLES, MOBILES ARBEITEN mehr digital abgewickelt werden. Arbeitsprozesse wer- den damit einerseits vereinfacht, etwa durch niedrig- Angestoßen durch leistungsstarke Netzwerke und schwellige Kommunikationsmöglichkeiten mittels E-Mail, Geräte, geringe Nutzungsgebühren und eine Vielzahl Unternehmenschat & Co. oder durch vereinfachte Re- an mobilen Anwendungen (Apps) hat die mobile Inter- cherche- und Archivierungsmöglichkeiten. Andererseits netnutzung auf Smartphones, Tablets und Notebooks wird Arbeit aber auch komplexer, was sich beispielsweise im letzten Jahrzehnt massiv zugenommen. Dies betrifft in erhöhten Qualifikationsanforderungen an Sekretariate nicht nur den privaten Bereich, sondern auch den Be- zeigt. So offerieren die digitalen Kommunikations- und reich der Erwerbsarbeit. Laut Erhebung des Digitalver- Informationstechnologien Chancen und Herausforde- bandes Deutschland (BITKOM) nutzte in deutschen rungen zugleich. Firmen ab 20 Beschäftigten im Jahr 2015 bereits knapp ein Drittel der fest angestellten Mitarbeiterinnen und Welche dies sind und welche Konsequenzen daraus zu Mitarbeiter ein Mobilgerät mit Internetzugang7 – heute ziehen sind, thematisiert vorliegender Beitrag. Grundlage dürfte der Anteil erheblich angestiegen sein. Einherge- für die Ausführungen ist eine eigene empirische Unter- hend mit der Virtualisierung von Arbeit und der elektro- suchung zur Mediatisierung von Arbeit1 sowie weitere nischen Mobilität erhöht sich die Flexibilität von Arbeit. Studien und wissenschaftliche Literatur. Das medien- Der zeit- und raumsouveräne Zugriff auf Daten mittels und kommunikationswissenschaftliche Konzept der eines internetfähigen Geräts bietet nicht nur niedrig- „Mediatisierung von Arbeit“2 beschreibt den medial- schwellige Möglichkeiten translokaler Arbeit. Arbeit kommunikativen Wandel, der sich im Wechselspiel mit greift auch immer stärker auf private Lebensbereiche dem gesellschaftlichen Wandel und der Transformation über. Empirischen Studien zufolge ist heute ein überwie- gender Anteil von Beschäftigten außerhalb der Arbeits- von Erwerbsarbeit einhergehend mit technologischen zeiten für Vorgesetzte, Kolleginnen und Kollegen oder Entwicklungen vollzieht. Folgende Phänomene lassen Kundschaft erreichbar.8 Auch verrichten immer mehr sich dabei beobachten: Menschen Teile ihrer Arbeit in der Freizeit von Zuhause aus.9 Das flexible Agieren mittels digitaler Technologien verspricht Effizienz. Es treten aber durchaus auch neue ■ VIRTUALISIERUNG VON ARBEIT, Ineffizienzen auf, z. B. in Zusammenhang mit E-Mailfluten GLOBALE KOMMUNIKATION UND und oberflächlicher digitaler Kommunikation. Als weitere VERNETZUNG Kehrseiten von Flexibilität und mobilem Arbeiten sind neue Formen der Kontrolle und erhöhter Leistungsdruck Virtualisierung von Arbeit meint die Verlagerung des zu nennen. Ambivalent ist die Entgrenzung von berufli- Arbeitshandelns in den virtuellen Raum durch Nutzung chen und privaten Lebensbereichen zu bewerten. Zwar digitaler Technologien.3 Dadurch sind neue Formen der kann dies für eine bessere Vereinbarkeit von beruflichen ZUR PERSON Zusammenarbeit entstanden. Dateien und Dokumente und privaten Aufgaben sorgen, es bestehen aber auch können problemlos via Internet beinahe in Echtzeit über gesteigerte Anforderungen an das Zeitmanagement der Assoc. den Globus verteilt werden; Besprechungen mit geo- Beschäftigten und die potentielle Gefahr einer zu hohen Prof. Mag. Dr. graphisch entfernten Personen sind in virtuellen Mee- Arbeitsbelastung. Caroline tings möglich, ohne sich von seinem Schreibtisch weg- Elisabeth zubewegen. Beim so genannten Crowdworking wird Roth-Ebner eine große Anzahl von Personen via Internet mit einer ist Medien- und Tätigkeit beauftragt. Über eigene Crowdworking-Platt- Kommunikations- wissenschaftlerin formen werden die Arbeitsaufträge global annonciert, und Expertin für vergeben, abgewickelt und abgerechnet. Für intensivere digitale Medien in der Arbeit Formen der Zusammenarbeit ist rein virtuell basierte Kooperation jedoch nicht sinnvoll, wird doch Studien 4
SCHWERPUNKTTHEMA ■ SUBJEKTIVIERUNG strukturelle Unterstützung. Kollektive Interessensver- tretungen sind gefordert, die Rahmenbedingungen für 01/2018 UND STANDARDISIERUNG die Arbeitssituationen der Individuen vor dem Hinter- Gegenwärtig gewinnen Arbeitsverhältnisse an Bedeu- grund der technologischen Entwicklung laufend anzu- tung, welche die Autonomie und Selbstverantwortung passen. Auch der Bildungsbereich steht vor der Aufgabe, spectrum des Individuums betonen. Die Verbreitung von Computer- Heranwachsende „fit“ für die digital geprägten Arbeits- technologie trägt dazu bei, denn sie erfordert als Medium, welten zu machen und Beschäftigte laufend weiterzu- das der Kommunikation von Informationen dient, stets bilden. subjektive Interpretationen.10 Dies trifft heute insbeson- dere auf die Arbeit mit sozialen Medien zu, die aus der CAROLINE ROTH-EBNER (uneindeutigen) Kommunikation von Kollektiven be- und 1 ie Gesamtergebnisse wurden veröffentlicht unter dem Titel D entstehen. Webbasierte Medien stellen auch deshalb „Der effiziente Mensch“, (Roth-Ebner 2015). erhöhte Ansprüche an die Reflexionsfähigkeit von 2 Roth-Ebner 2015. Subjekten, da im Hintergrund der Mediennutzung auto- 3 Vgl. Roth-Ebner 2015, 47. 4 Vgl. Picot/Neuburger 2008, 236; Roth-Ebner 2015, 235 f. matisierte Rechenvorgänge ablaufen und das Medium 5 Vgl. Amstutz et al. 2013, 11; Roth-Ebner 2015, 265 f. selbst zum Akteur wird. Schließlich erfordern auch 6 Vgl. Valdellon 2015. die flexiblen Möglichkeiten des Arbeitens mit digitalen 7 Vgl. BITKOM 2016, 34. 8 Vgl. AK Niederösterreich 2016; DFK 2013, 6; Roth-Ebner 2015, 193 ff. Medien – wie oben beschrieben – subjektive Leistungen 9 Vgl. Müller 2018, 217. des Zeit- und Grenzmanagements. Subjektivierung ist 10 Vgl. Schönberger/Springer 2003, 11. dabei zweiseitig zu interpretieren: einerseits als An- 11 Vgl. Boes et al. 2012, 34. 12 Vgl. Böhle 2003, 138. forderung seitens der Betriebe an ihre Arbeitskräfte, 13 Picot/Neuburger 2008, 233. andererseits aber auch als Anspruch seitens der Be- schäftigten. Subjektivierung kann sich positiv auf die Literatur Beschäftigten auswirken, da sie mehr Möglichkeiten Amstutz, Sibylla / Schwehr, Peter / Schulze, Hartmut / Krömker, Heidi (2013). Office in Motion. zu Selbstverwirklichung und Mitbestimmung im Arbeits- Arbeitswelten für die Wissensarbeitenden von morgen. Interner prozess haben; andererseits können die stärkere Ver- Schlussbericht. Hochschule Luzern (online: http://web.fhnw.ch/ antwortung und Selbstorganisation auch eine Belastung plattformen/rtw/forschung-1/OfficeinMotion_Schlussbericht_CCTP. red.pdf – 20.05.2018). für sie darstellen. BITKOM (2016). Bitkom Digital Office Index. Eine Untersuchung Gleichzeitig nehmen – angestoßen durch Nutzung digi- zum Stand der Digitalisierung in deutschen Unternehmen, Berlin (online: https://www.bitkom.org/Bitkom/Publikationen/ taler Informations- und Kommunikationstechnologien Ergebnisbericht-zur-Studie-Bitkom-Digital-Office-Index.html – – Prozesse der Standardisierung zu. So ist mit Andreas 20.05.2018). Boes et al. ein „immenser Standardisierungsschub“ durch Boes, Andreas / Baukrowitz, Andrea / Kämpf, Tobias / Marrs, die globalisierte Ökonomie zu verzeichnen, denn um Kira (2012). Auf dem Weg in eine global vernetzte Ökonomie. Strate- Leistungen geografisch auslagern zu können, müssen gische Herausforderungen für Arbeit und Qualifikation, in: Dies. (Hg.), diese vereinheitlicht und nachvollziehbar gemacht Qualifizieren für eine global vernetzte Ökonomie, Wiesbaden, S. 25–63. werden.11 Dies trifft auch auf regionale Arbeitsprozesse Böhle, Fritz (2003). Vom Objekt zum gespaltenen Subjekt, in: Manfred zu, wo Verfahren rationalisiert werden, um die selbst- Moldaschl / Günter G. Voß (Hg.), Subjektivierung von Arbeit, 2. Aufl. gesteuerte Arbeit in betriebliche Kontrollprozesse ein- München/Mering, S. 115–147. zugliedern.12 Dies wird etwa mit so genannten Ticketing- DFK, Berufsverband DIE FÜHRUNGSKRÄFTE (2013). DFK-Erreichbarkeits- Systemen erreicht, einer Software, die Arbeitsprozesse studie, S. 1–24 (online: http://www.familienfreund.de/wp-content/ und -abläufe nachvollziehbar und kontrollierbar macht. uploads/2014/01/a1160_dfk-erreichbarkeitsstudie Damit ist schon auf die Kehrseite von Standardisierung _ergebnisse.pdf – 20.05.2018). verwiesen. Arnold Picot und Rahild Neuburger sprechen Müller, Kathrin Friederike (2018). „Ein schön schrecklicher Fortschritt“. von einer „elektronische[n] Leine“, an welcher Beschäf- Die Mediatisierung des Häuslichen und die Entgrenzung von Berufsar- tigte in Strukturen starker informatisierter Steuerung beit, in: M&K 66 (2). S. 217-233. und Kontrolle hängen.13 Picot, Arnold / Neuburger, Rahild (2008). Arbeitsstrukturen in virtuellen Organisationen, in: Christiane Funken / Ingo Schulz-Schaeffer (Hg.), Digitalisierung der Arbeitswelt. Zur Neuordnung formaler und informeller Prozesse in Unternehmen, Wiesbaden S. 221–238. ■ FAZIT Roth-Ebner, Caroline (2015). Der effiziente Mensch. Zur Dynamik von Raum und Zeit in mediatisierten Arbeitswelten, Bielefeld. Die Digitalisierung von Büroarbeit bringt ambivalente Effekte für die Beschäftigten mit sich. Digitale Informa- Schönberger, Klaus / Springer, Stefanie (2003). Handlungsräume sub- tions- und Kommunikationstechnologien bergen ein jektivierter Arbeit in der Wissensökonomie: Eine Einführung, in: Klaus Schönberger / Stefanie Springer (Hg.), Subjektivierte Arbeit. Mensch, ermöglichendes Potenzial, das unter gewissen Voraus- Organisation und Technik in einer entgrenzten Arbeitswelt, Frankfurt/ setzungen gewisse Praktiken nahelegt. Die Gestaltung New York, S. 7–20. dieser Praktiken obliegt den Individuen und Organisa- tionen, wobei dies im Rahmen von technologischen, Valdellon, Lionel (2015). Remote Work: Why Reddit and Yahoo! Banned It, 10.02.2015, in: Wrike, Outcollaborate Blog, sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen (online: https://www.wrike.com/blog/remote-work-reddit-yahoo- Rahmenbedingungen geschieht. Es braucht aber auch banned – 20.05.2018). 5
SCHWERPUNKTTHEMA Digitalisierung von Büroarbeitsplätzen – die Perspektive des psychologischen Arbeits- und Gesundheitsschutzes Der Digitalisierung wird für die Arbeitswelt der Zukunft ■ ARBEITSORGANISATION eine sehr große Bedeutung zugeschrieben. Dabei wird 01/2018 davon ausgegangen, dass sich die Arbeitswelt durch Im Hinblick auf die Arbeitsorganisation ist ein wesentli- sie grundlegend wandeln wird – wobei dies ein schlei- cher Aspekt der Digitalisierung die damit einher gehen- chender Prozess ist, der schon seit vielen Jahren im de Transparenz. Elektronische Systeme ermöglichen spectrum Gange ist.1 es schon jetzt z. B., die Ausführung bestimmter Arbeits- schritte im Detail nachzuvollziehen. So kann in einem Im folgenden Artikel wird das Thema aus der Perspek- Call-Center überprüft werden, wie viele Telefonate an- tive des psychologischen Arbeits- und Gesundheits- genommen, wie lange telefoniert, wie lange Pause Tobias Felsing schutzes betrachtet, wobei Büroarbeitsplätze im Vor- gemacht wurde usw. In der Vergangenheit war nur indi- dergrund stehen. Als konzeptioneller Rahmen dienen rekt und relativ grob nachvollziehbar, wie lange eine die vier Kategorien, die von der GDA (Gemeinsame bestimmte Akte von wem bearbeitet wurde. Die techni- Deutsche Arbeitsschutzstrategie) für die Gefährdungs- schen Systeme der Zukunft werden dies prinzipiell im beurteilung psychischer Belastung vorgegeben wer- Detail nachvollziehbar machen. Bei den Beschäftigten den.2 Dabei fließen Erfahrungen des Autors im Rahmen kann dadurch großer Druck entstehen. Führungskräfte der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung könnten zudem versucht sein, Führung vor allem in der – in Zusammenhang mit der Digitalisierung von Ar- Steuerung zudem versucht sein statistischer Kenn- beitsplätzen – ein. zahlen zu verstehen. Hinzu kommt, dass ein elektronischer Schreibtisch nie ■ AUFGABE leer ist. Schon jetzt ist im Rahmen der Gefährdungsbe- urteilung zu beobachten, dass sich Beschäftigte hier- Für die Arbeitsinhalte von Büroarbeitsplätzen können durch belastet fühlen und das Gefühl vermissen, am aus der Digitalisierung durchaus negative Folgen ent- Feierabend einen leeren und abgearbeiteten Arbeitsplatz stehen. Als wichtige Aspekte in diesem Zusammenhang zu hinterlassen. erscheinen vor allem die Bedeutsamkeit der Arbeit und die Handlungsspielräume der Beschäftigten. Die papier- Der zentrale Grund für die Digitalisierung der Arbeit ist basierte Bearbeitung ermöglichte vielen Berufen in die Hoffnung auf Effizienzgewinne im Sinne von Zeitge- der Vergangenheit relativ große Handlungsspielräume, winnen. Dabei wird schnell übersehen, dass technische z. B. in Bezug auf die Wahl der Reihenfolge und des Systeme auch mit Informationen „gefüttert“ werden Zeitpunktes bestimmter Arbeitsschritte. Elektronische müssen, die entsprechend einzugeben oder anzuklicken Akten und Fachanwendungen und die damit verbunde- sind. Die hierfür nötigen zeitlichen Bedarfe werden oft nen Prozesse geben dagegen konkret vor, wann welcher unterschätzt, so dass der Zeitdruck bei der Arbeit durch Arbeitsschritt in welcher Reihenfolge gemacht werden technischen Support manchmal paradoxerweise nicht soll. Solche elektronischen Systeme sind einerseits geringer wird sondern stärker. eine Erleichterung für diejenigen die mit ihnen arbeiten, in dem sie z. B. die Entscheidung abnehmen, wann be- Mit Blick auf die Gesundheit ist ein wesentlicher Vorteil stimmte Sachverhalte zu überprüfen sind und worauf der Digitalisierung sicherlich die Tatsache, dass diese im Detail zu achten ist. Andererseits besteht die Ge- eine größtmögliche Unabhängigkeit von festen Arbeits- fahr, dass die empfundene Bedeutsamkeit der eigenen zeiten und einem festen Arbeitsort erlaubt und die Arbeit Tätigkeit und der Stellenwert der eigenen Expertise in diesem Sinne zunehmend flexibler wird.3 Akten müssen hierdurch beeinträchtigt werden. Die Folge der Digitali- nicht mehr in der Firma oder der Behörde bearbeitet sierung können somit geringere Handlungsspielräume werden, sondern dies kann auch von zuhause aus ge- und auch ein gefühlter Bedeutungsverlust der eigenen schehen. Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben Tätigkeit sein. Und das betrifft nicht nur klassische kann davon ebenso profitieren wie die zeitlichen Res- Sachbearbeiter-Funktionen, sondern wird in Zukunft sourcen, die die Person mit Heimarbeitsplatz hat, weil auch Statusberufe wie z. B. Richterinnen und Richter sie nicht mehr (so oft) pendeln muss. Gleichzeitig ent- ZUR PERSON tangieren. steht dadurch auch eine Entgrenzung der Arbeit. Es besteht die Gefahr, dass diese die Möglichkeiten zur Dr. Tobias Im positiven Sinne können die technischen Neuerungen Regeneration negativ beeinflusst, wenn z. B. noch Felsing, auch eine Entlastung darstellen, in dem sie z. B. Sicher- spät abends oder am Wochenende gearbeitet wird Diplom- heit und Orientierung geben, fachliche Fehler vermeiden („ständige Erreichbarkeit“). Psychologe, leitet den Bereich helfen und die Geschwindigkeit und Qualität der Bear- Arbeitspsychologie beitung erhöhen. Insofern kommt hier dem Grad und der medical airport service der konkreten Umsetzung der Digitalisierungsprozesse GmbH, sicher eine entscheidende Bedeutung zu. Die spannende Mörfelden- Walldorf Frage wird sein, ob auch alles, was digital umgesetzt werden kann, auch digital umgesetzt werden soll und t.felsing@ muss. medical-gmbh.de 6
SCHWERPUNKTTHEMA Literatur 01/2018 Vgl. z. B. Franken, S. 1 (Hrsg.): Industrie 4.0 und ihre Auswirkungen auf die Arbeitswelt. spectrum Aachen, 2015 Leitung des GDA- 2 Arbeitsprogramms Psyche c/o Bundes- ministerium Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2014). Empfehlungen zur Umsetzung der Gefähr- dungsbeurteilung psy- chischer Belastung. Berlin Adolph, L./Rothe, I./ 3 Windel, A. (2016). Arbeit in der digitalen Welt – Mensch im Mittelpunkt, in: Zeitschrift für Arbeitswissenschaft, 70, S. 77-81. Franken, S. (2015): Arbeitswelt 4.0. Arbeit und Führung in der Industrie 4.0. In S. ■ SOZIALE BEZIEHUNGEN wird zukünftig eine noch größere Bedeutung zukommen. Franken (Hrsg.): Industrie 4.0 und ihre Auswirkungen Die „Einheitsmaus“ für alle zum günstigen Massenpreis auf die Arbeitswelt. Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort ist auch wird durch eine breite Palette ergonomischer Arbeits- Aachen, S. 112-152 ein wichtiges Stichwort in Bezug auf die sozialen Bezie- mittel abgelöst werden (müssen). Zu den Begriffen vgl. 4 Rudow, B. (2014). hungen. Feste „Face-to-Face“-Teamstrukturen werden Die Gesunde Arbeit. in der Zukunft nur noch eine Variante von vielen sein. Psychische Belastungen, Phasenweise werden manche Teams sicher nur noch ■ FAZIT Arbeitsgestaltung und Arbeitsorganisation. virtuell existieren. Eine spannende Frage dabei ist, wie München sich dies auf das Zusammengehörigkeitsgefühl in einem Durch die beschriebenen Szenarien wird deutlich, dass Team auswirkt, auf den Fluss von Informationen, auf Digitalisierung positive und negative Begleiterschei- die Unterstützung untereinander und auf das grundle- nungen haben kann und die potentiell negativen keines- gende Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Wertschätzung wegs unterschätzt werden sollten. Für die zukünftige durch andere. Für Führungskräfte entsteht die Heraus- Arbeitsgestaltung erscheint deswegen mehr denn je forderung der Führung auf Distanz – das Steuern von die Einbindung der betroffenen Mitarbeiterinnen und Ergebnissen mag durch technische Systeme über die Mitarbeiter von entscheidender Bedeutung zu sein – Distanz hin noch gut möglich sein, die Bindung der Mit- und zwar bevor grundlegende Entscheidungen über arbeitenden über die Distanz langfristig zu erhalten, neue technische Systeme und die damit verbundenen erscheint dagegen schon deutlich schwieriger. Mensch-Maschine-Schnittstellen getroffenen werden. Die Arbeitspsychologie bietet schon jetzt hierfür ein ■ A RBEITSUMGEBUNG reiches Methodenrepertoire an. Dass es nicht möglich wäre, Arbeitsgestaltung präventiv statt korrektiv4 aus- UND ARBEITSMITTEL zurichten, ist also nicht der Grund, weswegen häufig die Probleme im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung Durch die Flexibilisierung des Arbeitsortes verändern erst dann zur Sprache kommen, wenn die Systeme sich auch die Arbeitsumgebungen und werden durch schon implementiert sind und dann aus Kostengründen Möglichkeiten der Telearbeit vielfältiger. Unabhängig davor zurückgeschreckt wird, noch weitreichendere vom Ort der Tätigkeit wird der Ergonomie der Arbeits- Anpassungen vorzunehmen. Insofern kann hier nur mittel in Zukunft ein noch größerer Stellenwert zukom- nachdrücklich dafür plädiert werden, sich vor der Sys- men als bisher. Primär kostenorientierte Beschaffungs- temimplementierung ausreichend Zeit für praxisnahe prozesse werden schon jetzt ersetzt oder zumindest Tests mit den tatsächlichen Anwendern unter realen ergänzt durch einen stärker gesundheitsorientierten Bedingungen zu nehmen und diese in den gesamten Blickwinkel. Die körperlich noch einseitigere Arbeit Entwicklungs- und Implementierungsprozess möglichst erfordert besondere ergonomische Arbeitsmittel. Elekt- gut einzubinden. Hierdurch ließen sich bei den Beschäf- ronisch höhenverstellbare Schreibtische entwickeln tigten sicher viel Frust und unnötige Belastungen und sich vom Statussymbol höherer Führungskräfte zur all- in der Organisation unnötige Kosten vermeiden. täglichen Büroausstattung. Den speziell auf die indivi- duellen Bedürfnisse zugeschnittenen Arbeitsmitteln TOBIAS FELSING 7
SCHWERPUNKTTHEMA Digitalisierung in der Verwaltung Die „Digitale Modellbehörde“ in Hessen: Die Landesregierung probt die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung Die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft Masterplan für digitales Verwaltungshandeln vorgelegt bringt weitreichende Veränderungen mit sich. Gleich- und zahlreiche Digitalisierungsprojekte im Dienste der 01/2018 zeitig bietet sie Lösungsansätze für gesamtgesellschaft- Verwaltungsmodernisierung angestoßen. So definiert liche Transformationen bedingt durch Globalisierung die Strategie Digitales Hessen die Digitalisierung von und den demographischen Wandel. Dies trifft auch auf Verwaltung als einen der wichtigsten strategischen spectrum die Verwaltung zu, deren Aufgaben, Ressourcenaus- Gestaltungsbereiche der Digitalisierung, 6 der die drei stattung und Kultur sich mit den gesamtgesellschaftli- Bereiche E-Administration, E-Services und Open Govern- chen Veränderungen neu gestalten. Der staatliche ment umfasst.7 An diesem Punkt setzt das Projekt „Digi- Handlungsrahmen steht vor umgreifenden Transforma- tale Modellbehörde“ an. Andreas Schlicher tionsprozessen und die Potenziale und Herausforderun- gen der Digitalisierung ziehen sich durch alle Bereiche staatlicher Verantwortung und staatlichen Handelns.1 ■ DIE „DIGITALE MODELLBEHÖRDE“ So ist die Verwaltung einem hohen Veränderungsdruck IN HESSEN ausgesetzt, der auch durch die notwendige Haushalts- konsolidierung bedingt ist.2 Mit diesem Veränderungs- Das Projekt „Digitale Modellbehörde“ konzentriert sich druck geht ein allgemeiner Kulturwandel in der Erwar- auf die beiden Säulen E-Administration und E-Services tungshaltung der Bürgerinnen und Bürger sowie der der Agenda Digitale Verwaltung Hessen 2020. Im Rahmen Wirtschaft einher, die sich zunehmend als Kunden von der Digitalen Modellbehörde soll zunächst in den drei Verwaltungsdienstleistungen und die Verwaltungsins- Regierungspräsidien die Digitalisierung von verwaltungs- Ingo Caspari tanzen zunehmend als Verwaltungsdienstleister verste- internen Prozessen und die Bereitstellung von E-Services hen.3 Von den Behörden wird die zeitnahe und kosten- erfolgen. Ziel ist, so die Transformation der Verwaltung günstige Erbringung von Dienstleistungen erwartet. Die hin zu einem digitalen Servicedienstleister zu ermöglichen 1 BMI & BVA 2018, 23; Bertelsmann Stiftung stetig wachsenden Anforderungen an Effizienz, Qualität und dabei wertvolle Erfahrungen für die weitere Digitali- 2017, 10. und Flexibilität der Verwaltungsdienstleistungen erfor- sierung anderer Landesbehörden zu sammeln. Zukünftig 2 BMI & BVA 2018, 31. dern, dass das traditionelle „bisherige Denken in stark sollen die Leistungen des Landes serviceorientiert über spezialisierten Funktionen und die Organisation der dar- ein Online-Antragsmanagement bereitgestellt, die Daten- 3 BMI & BVA 2018 , 31; vgl. Initiative D21 & aus resultierenden hierarchischen Strukturen vermehrt übermittlung und Kommunikation innerhalb der Behörden fortiss 2017. zugunsten produktorientierter und auf Kundenzufrie- medienbruchfrei gestaltet und eine schnellere und effi- denheit ausgerichteter Prozesse aufgegeben wird.“4 zientere Bearbeitung sichergestellt werden. 4 BMI & BVA 2018, 41. Zudem besteht auch aus rechtlicher Sicht Handlungs- 5 Bertelsmann Stiftung Die Verantwortung für das Projekt liegt bei dem zuge- 2017, 11. bedarf, da das Onlinezugangsgesetz (OZG) festlegt, dass bis Ende 2022 die Verwaltungsleistungen von Bund, hörigen Lenkungsausschuss und insbesondere seinem 6 HMWEVL 2016, 10. Vorsitzendem, dem Co-CIO des Landes Hessen, Roland Ländern und Kommunen auch elektronisch anzubieten 7 HMWEVL 2016, 16. bzw. deren barriere- und medienbruchfreie Abwicklung Jabkowski. Das Lenkungsgremium besteht aus Vertre- 8 Partnerschaft Deutsch- über einen Portalverbund zu ermöglichen ist. tern der Ressorts, die die Fachaufsicht über die Regie- land ist ein Beratungsun- rungspräsidien (HMWEVL, HMUKLV, HMSI und HMdIuS) ternehmen der öffentli- In den nächsten Jahren wird die Digitalisierung eine innehaben, sowie der Staatskanzlei. Die IT-Dienstleister chen Hand für die öffentliche Hand. große Herausforderung für alle Verwaltungsebenen der Landesverwaltung und der Kommunen ergänzen das darstellen. Dabei bietet die Entwicklung medienbruch- Gremium, ebenso wie der Hauptpersonalrat des Innen- 9 PWC 2017. ressorts. Das Projektteam selbst setzt sich aus internen freier IT-Lösungen neue Potenziale und Chancen bei 10 Initiative D21 & fortiss der Gestaltung von Prozessen und Aufgaben. Die digitale Beistellungen sowohl des lnnenministeriums als auch 2017, S. 8 ff. der drei Regierungspräsidien und aus externer Expertise Verwaltung kann nicht nur öffentliche Aufgaben auf neue Art und Weise erbringen, sondern auch die eige- zusammen. Die Projektleitung ist mit einem Mitarbeiter nen Ressourcen effizienter einsetzen.5 des Innenministeriums und einem Berater der PD- Partnerschaft Deutschland GmbH8 doppelt besetzt. Als Die hessische Landesregierung hat mit der Agenda weiterer externer Dienstleister steht Fraunhofer FOKUS Digitale Verwaltung Hessen 2020 bereits 2015 einen dem Projekt themenbezogen insbesondere in den Berei- Das Gesamtprojekt Digitale Modellbehörde 8
SCHWERPUNKTTHEMA chen Prozessanalyse, Methodik und bei der Erarbeitung bei den anstehenden Veränderungen zu begleiten und Quellen von IT-Lösungen zur Seite. mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Neben den IT-infra- 01/2018 Bertelsmann Stiftung strukturell erforderlichen Kraftanstrengungen ist für (2017). Digitale Transfor- Das Projekt ist auf eine Laufzeit von mehreren Jahren den Erfolg einer gelingenden Digitalisierung maßgeblich, mation der Verwaltung. ob die Beschäftigten den Veränderungsprozess konst- Empfehlungen für eine angesetzt und hat mit der durch den Lenkungsausschuss spectrum gesamtstaatliche Strategie beschlossenen Initiierung im Januar 2018 seine Arbeit ruktiv begleiten und ihr eigenes Gestaltungsinteresse aufgenommen. Es gliedert sich in ein Vorprojekt und in einbringen können. So wird unter Einbeziehung der Bundesministerium des Personalräte und der Digitalisierungsbeauftragten der Innern [BMI] & Bundes- ein Hauptprojekt (Abbildung). Die Ergebnisse und Grund- verwaltungsamt [BVA] lagen der Digitalen Modellbehörde sollen anschließend Regierungspräsidien ein umfassender Katalog erarbeitet, (Hrsg., 2018). Handbuch als Modell für die Digitalisierung der gesamten Landes- der dazu dient, die Mitarbeiter bei gegebenen Umstellun- für Organisationsuntersu- verwaltung dienen. gen zu begleiten. Mögliche Maßnahmen umfassen u. a. chungen und Personalbe- darfsermittlung Mitarbeiterschulungen und Weiterbildungen, öffentliche Vor der eigentlichen Umsetzung der ,,Digitalen Modell- und behördeninterne Informationsveranstaltungen sowie Hessisches Ministerium behörde" erarbeitet das im HMdIS angesiedelte Vor- behördeninterne Workshops, die den Mitarbeiterinnen für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesent- projekt die Grundlagen für das Projekt. So beschäftigt und Mitarbeitern ein Forum der Mitgestaltung und des wicklung [HMWEVL] sich das Vorprojekt damit, die Leistungen der drei Regie- Erfahrungsaustauschs untereinander und gegenüber (2016). Strategie Digitales rungspräsidien zu erfassen, bezüglich des Digitalisie- der Projektleitung bieten. Hessen. Vernetzt. Für Alle rungsbedarfs in Antrags- bzw. Fachprozessen zu ana- Initiative D21 e.V. & lysieren und entsprechend ihrem Nutzenbeitrag zu fortiss GmbH, Landesfor- kategorisieren. Innerhalb des Vorprojekts wurden zu- ■ FAZIT schungsinstitut des Frei- staats Bayern (2017). nächst die Regierungspräsidien als Bündelungs- bzw. eGovernment Monitor Mittelbehörden mit besonders vielen Dienstleistungen Die Digitalisierung bringt maßgebliche Veränderungen. 2017. Nutzung und Akzep- für die Bürger ausgewählt. Aufgrund ihres breiten inter- Das betrifft auch in hohem Maße die öffentliche Ver- tanz digitaler Verwaltungs- angebote – Deutschland, nen und externen Leistungsspektrums sind die Regie- waltung, die einen Wandel von traditionellen Verwal- Österreich und Schweiz rungspräsidien als „Blaupause“ besonders geeignet. tungsbehörden hin zu digitalen Verwaltungsdienstleistern im Vergleich erlebt. Das Land Hessen ist sich den gesellschaftlichen Lück-Schneider, Dagmar Parallel zum Vorprojekt werden bereits vorab besonders Umwälzungen, die mit dem demographischen Wandel, & Schuppan, Tino (2017). geeignete Verfahren digitalisiert. Für eine vorzeitig er- der Globalisierung und eben auch der Digitalisierung Gestaltungskompetenzen folgende Digitalisierung sind unter anderem die Förder- einhergehen, bewusst und versteht die Digitalisierung für die Öffentliche Verwal- tung im digitalen Zeitalter. mittelverwaltung im Rahmen der wirtschaftlichen als Chance, auf gesellschaftliche, technologische und In: VM Verwaltung & Jugendhilfe, das Elterngeld, verschiedene Antrags- und demographische Veränderungen zu reagieren und Management, Zeitschrift Meldeverfahren im Bereich Arbeitsschutz, die Aner- nachhaltige Lösungen zu schaffen. für moderne Verwaltung. Nr. 5, September/Oktober kennungsprämie für langjährige Dienste bei der Freiwil- 2017, 236-245 ligen Feuerwehr, dem Katastrophenschutz und dem Rückenwind erhält die Landesregierung von den Bürge- THW sowie die Bearbeitung von Fördermaßnahmen im rinnen und Bürgern, die der Digitalisierung allgemeinhin PriceWaterhouseCoopers positiv gegenüber eingestellt sind,9 wenngleich der Stand GmbH [PWC] (2017). Die Bereich des Sports ausgewählt worden. Der Fokus liegt vernetzte Verwaltung hier auf der medienbruchfreien Digitalisierung der aus- der bisherigen Umsetzung von eGovernment und der gewählten Verfahren. So müssen bestehende Fachan- digitalen Bereitstellung von Verwaltungsleistungen zu Schardt, Marc (2017). Der Recht kritisch gesehen wird.10 Das Projekt „Digitale IT-Planungsrat – Zentrum wendungen mit Schnittstellen ausgestattet werden, der Digitalisierung der damit medienbruchfrei Daten zwischen den unterschied- Modellbehörde“ reagiert auf die unumgänglichen Trans- öffentlichen Verwaltung?! lichen Verwaltungsbereichen ausgetauscht werden formationsprozesse und Chancen der Digitalisierung In: VM Verwaltung & und gestaltet die Zukunft der Verwaltung in Hessen Management, Zeitschrift können. Durch die Einbindung des hessischen Service- für moderne Verwaltung. kontos mit elektronischem Postfach, die Anbindung aktiv mit, in dem die Erwartungshaltung der Bürgerinnen Nr. 5, September/Oktober einer E-Payment-Komponente sowie einem Antrags- und Bürger an die digitale Verwaltung, als auch die 2017, 227-235. und Fallmanagement wird es möglich sein, dass bisher notwendigen Veränderungen in der Verwaltung durch ausschließlich papiergestützte Prozesse in Zukunft von die Digitalisierung in die Tat umgesetzt werden. der Beantragung bis zur Entscheidung digital abgebildet werden können. Der Zugang auf traditionellem Wege ANDREAS SCHLICHER, INGO CASPARI & PATRICK PETIT bleibt aber möglich. Thomas Tampe ZU DEN PERSONEN Nach Abschluss des Vorprojektes sieht das Hauptpro- Andreas Schlicher ist Referatsleiter IT im Hessischen Ministerium des jekt ab 2019 die schrittweise Digitalisierung ausgewähl- Innern und für Sport und stellvertretender Projektleiter ter Prozesse und Verwaltungsleistungen vor. Von den der „Digitalen Modellbehörde“. hier gemachten Erfahrungen werden andere Behörden Dr. Ingo Caspari später profitieren können und erprobte Verfahrensweisen ist Manager bei der PD-Partnerschaft Deutschland GmbH, dem inhouse-Berater der öffentlichen Hand, und übernehmen, um eigene Verwaltungsprozesse optimieren, fungiert als Projektleiter der „Digitalen Modellbehörde“. standardisieren und digitalisieren zu können. Patrick Petit ist Berater bei PD-Partnerschaft Deutschland GmbH, Die Digitale Modellbehörde hat es sich insbesondere dem inhouse-Berater der öf-fentlichen Hand, und Teil des Projektteams der „Digitalen Modellbehörde“. zum Ziel gesetzt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 9
SCHWERPUNKTTHEMA Wandel von Arbeit im Kontext der Digitalisierung „Durch die Digitalisierung soll jeder zehnte Job weg- logien überwunden werden könne. Diese Auffassung fallen” Die Welt, 02.02.2018 „Digitalisierung: Wird jeder schließt nahtlos an frühere Diskussionen der Automati- 01/2018 Zehnte arbeitslos?” Zeit Magazin, 13.02.2018 „Geht uns sierung in den Nachkriegsjahren und 1970er Jahren an mal wieder die Arbeit aus?“ Frankfurter Allgemeine (vgl. z. B. Pollock 1964). Dabei greift dieses Paradigma Zeitung, 13.09.2017 deutlich zu kurz. Es beschränkt die Frage nach dem spectrum Wandel von Arbeit und Organisation vor allem auf quanti- Beinahe täglich vermelden öffentliche Medien Schlag- tative Beschäftigungseffekte sowie auf jene des Verhält- zeilen zu den – vor allem negativen – Auswirkungen der nisses von automatisierbaren und nicht-automatisierba- Digitalisierung auf die Arbeitswelt. Der Eindruck ent- ren Tätigkeitsanteilen und verlängert dabei gleichzeitig Mascha Will-Zocholl steht, der Kampf sei bereits verloren und man müsse bestehende Formen Arbeits- und Produktionsorganisation sich nun mit den alternativlosen Entwicklungen abfinden. ohne Veränderung in die Zukunft (zur Kritik am 4.0 Dabei ist die Situation keineswegs so eindeutig, wie Paradigma s. Pfeifer 2015).1 vielleicht die Anzahl und die Dramatik der Meldungen vermuten lassen. Das liegt vor allem daran, dass die Die Ermittlung der quantitativen Beschäftigungseffekte dystopischen Szenarien einer Welt ohne oder mit viel beruht also auf dem unwahrscheinlichen Szenario, weniger menschlicher Arbeit, mit komplexen Berech- dass sich die Tätigkeiten selbst nicht verändern und nungen und Zahlen operieren, die den Eindruck erwe- alle anderen Aspekte von Arbeit, wie politische Rege- cken, es handele sich um präzise Analysen zukünftiger lungen, Geschäftsmodelle, Produkte u. a. konstant Entwicklungen. So kursieren die Ergebnisse von Frey bleiben. Zudem bleibt in dieser Perspektive verborgen, und Osborne (2013), die angeben, dass rund 47 Prozent welche spezifischen Qualifikationen Menschen mitbrin- aller Arbeitsplätze in den USA ein hohes Automatisie- gen, um – auch in hochtechnisierten Arbeitsumgebungen rungspotential aufweisen und vor dem Wegfall durch – einen wichtigen Beitrag zu leisten, wie es in Ansätzen Digitalisierung stehen würden. Eine Adaption der Studie des Erfahrungswissens oder dem subjektivierenden auf den deutschen Arbeitsmarkt durch das Bundesminis- Arbeitshandeln zum Ausdruck kommt.2 terium für Arbeit und Soziales (2015) kommt auf einen ähnlich hohen Wert von 42 Prozent. Arbeit verändert sich derzeit grundlegend. Sowohl Arbeitsgegenstände, die Arbeitsorganisation als auch die Beschäftigung selbst sind davon betroffen. Begriffe wie Arbeit 4.0, digitale oder virtuelle Arbeit oder crowd work sind Ausdruck dieser Neuformation von Arbeit. Tatsächlich dienen diese Begriffe dazu, auf neue Phäno- mene aufmerksam zu machen, beziehen sich häufig aber auf spezifische Konstellationen von Arbeitsgegenstand, Beschäftigungsverhältnis, Ort und Qualifikation. Die Veränderungen insgesamt lassen sich am besten syste- Abbildung 1: Vergleich der Studienergebnisse zum matisch nach vier verschiedenen Aspekten betrachten. Substitutionspotential menschlicher Arbeit Ein weiterer Blick auf wissenschaftliche Ergebnisse aber zeigt, dass unter den quantifizierenden Betrachtungen keine einheitliche Auffassung besteht. So sind die For- scherinnen am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsfor- schung (IAB), Dengler und Matthes (2015), in ihrer Ana- lyse der deutschen Berufe deutlich vorsichtiger und prognostizieren einen Wert von 15 Prozent der sozial- versicherungspflichtigen Beschäftigung, die vor ihrer Ersetzung stehe. Dabei verwenden diese Studien – egal ob sie auf Arbeitsplätze, Tätigkeiten oder Berufe fokus- Abbildung 2: Aspekte der Veränderung von Arbeit sieren – den Ansatz, dass sich das Substitutionspotential von Arbeit anhand ihres Routinisierungsgrades bestim- men lässt d.h. auf eine Formel gebracht: ■ DIE DIMENSIONEN ZEIT, Routinetätigkeit = ORT, BESCHÄFTIGUNG UND ZUR PERSON hohe Automatisierungswahrscheinlichkeit vs. QUALIFIKATION Nicht-Routine-Tätigkeit = Dr. Mascha geringe Automatisierungswahrscheinlichkeit. In der Dimension Zeit sind die Veränderungen schon über Will-Zocholl, einen langen Zeitraum spürbar und nur ein kleinerer Teil ist Hochschul- Dazu führen Frey und Osborne aus, dass es sich bei kann direkt mit den Auswirkungen von Digitalisierungs- lehrerin an der den bisherigen Hindernissen in Bezug auf eine weitere prozessen in Verbindung gebracht werden. Flexible HfPV, Abteilung Wiesbaden Technisierung nur um sgn. ‚engineering bottlenecks‘ Arbeitszeitarrangements zwischen Voll- und Teilzeit handele, die durch eine Weiterentwicklung der Techno- haben sich ebenso etabliert, wie gleitende Arbeitsanfän- 10
SCHWERPUNKTTHEMA ge, Modelle der Vertrauensarbeitszeit und ergebnisori- Die Dimension Qualifikation umfasst das ganze Spektrum Literatur entierter Führung. Ermöglicht und unterstützt wird diese der Veränderungen hinsichtlich formaler Qualifikationen 01/2018 Baukrowitz, A.; Boes; Flexibilität über digitale (oder entfallende) Erfassungs- (Ausdifferenzierung, Akademisierung), neuer Kompeten- A. (1996): Arbeit in der systeme (wie z. B. die Arbeitszeiterfassung, die von den zen sowie Literacies im Umgang mit neuen Technologien. »Informationsgesell- Studierenden aus dem Projekt „Digitalisierung der Ver- Zentral ist dabei die schon geschilderte Debatte um schaft« – Einige grund- spectrum sätzliche Überlegungen waltung“ auf Seite 16 dieser Ausgabe vorgestellt wird) Routine- und Nicht-Routinearbeit. Dabei ist – jenseits aus einer (fast schon) und lebensphasenorientierte Arbeitszeitmodelle. der verkürzten Debatte um das Automatisierungspoten- ungewohnten Perspektive. tial – unbestritten, dass manche Routinen (ohne Bedau- Berlin, S. 129–158 BMAS (2015). Kurzexper- Die Dimension Ort wandelt sich gerade im Kontext der ern) automatisiert werden und insgesamt die Standar- tise Nr. 57: Übertragung Digitalisierung sehr stark. Ging es früher darum kom- disierung von Arbeit voranschreiten wird. Dabei sind der Studie von Frey/ plette Produktionsstandorte an billigere Orte zu verlegen, insgesamt sowohl negative als auch positive Ausgänge Osborne (2013) auf Deutschland, Berlin. formiert sich heute die globale Arbeitsteilung aufgrund für den Einzelnen/die Einzelne denkbar. Zudem wird neuer technischer Möglichkeiten und der Entstehung erwartet, dass einerseits komplexe händische und Dengler, K.; Matthes, eines ortsübergreifenden „Informationsraumes“ (Bauk- handwerkliche Tätigkeiten nach wie vor wichtig bleiben B. (2015): Folgen der Digitalisierung für die rowitz/Boes 1996) neu. Kooperationsbeziehungen zwi- und sogar verstärkt wichtig werden. Andererseits wird Arbeitswelt. Substituier- schen unterschiedlichen Standorten oder auch die Inte- davon ausgegangen, dass kreatives, wissensbasiertes barkeitspotenziale von gration ausgelagerter Leistungen erreicht ein neues Arbeiten größere Anteile einnehmen wird. Auch eine Berufen in Deutschland. IAB-Forschungsbericht Niveau (z. B. durch die Verlagerung von Back-Office Verschiebung in den Kompetenzen wird diskutiert (Be- 11/2015. Tätigkeiten an Niedrig-Lohn-Standorte). Die Dimension richt über das Praxislabor „Arbeiten in der Verwaltung“). des Ortes bedeutet im Kleinen eine Entkopplung von Frey, C.; Osborne, Arbeit und Arbeitsplatz. Home Office oder Telearbeit M. A. (2013). The Future of Employment: How nehmen als Möglichkeiten zu. Zudem verändern sich ■ ZUSAMMENFASSUNG Susceptible are Jobs to die Arbeitsplätze in den Unternehmen entlang neuer Computerization? UND AUSBLICK University of Oxford Anforderungen, mit neuen Raumkonzepten und flexibler Schreibtischnutzung. Allerdings zeigt sich bisher auch, ollock, F. (1964): P Nicht alle Neuerungen und Veränderungen in der Arbeit 1 dass eine völlig freie und von anderen unabhängige Automation, sind der fortschreitenden Digitalisierung zuzuschreiben. Frankfurt/M.; Kern, Ortswahl nicht für die Mehrheit eine Option ist und es Im Gegenteil: Bezieht man sich auf die öffentliche Ver- Horst; Schumann, keineswegs so ist, dass der Ort, an dem eine Leistung waltung, spielen vor allem politische Neuerungen mit Michael (1970): Indust- erbracht wird, keine Rolle mehr spielt. riearbeit und Arbeiter- hinein. Elemente der Ökonomisierung des Verwaltungs- bewusstein. Wirtschaft- handelns im Kontext der Neuen Verwaltungssteuerung liche und soziale In der Dimension Beschäftigung stehen die Beschäfti- (New Public Management) oder der Agenda 2010 im Aspekte des technischen gungsverhältnisse im Mittelpunkt. Im Vergleich zu Wandels in der Bundes- Bereich der Sozialen Sicherung hatten und haben eben- früheren Zeiten hat der Anteil der atypischen Beschäf- republik Deutschland. falls einen großen Einfluss auf die Gestaltung und Frankfurt (EAV). tigungsverhältnisse zugenommen, darunter fallen so- Organisation der Arbeit. Digitalisierungsprozesse, wie 2 P feiffer, S. (2015): genannte Mini-Jobs, Teilzeitbeschäftigung und befris- Warum reden wir wir sie seit 40 Jahren beobachten können, sind – wie tete Beschäftigung. Im Kontext der Digitalisierung werden eigentlich über Industrie Ökonomisierungsprozesse auch – Teil eines lange an- 4.0? Auf dem Weg zum vor allem plattformbasierte Arbeitsmodelle als neue dauernden soziohistorischen Prozesses der Informati- digitalen Despotismus. Form der Beschäftigung diskutiert. Darunter sind Arbeits- In: Mittelweg 36, Heft 6 sierung. Dieser beschreibt die Entstehung einer Infor- tätigkeiten zu verstehen, die über eine entsprechende Böhle, F.; Pfeiffer, S.; mationsebene zusätzlich zu den realen Arbeitsprozes- Sevsay-Tegethoff, N. Internet-Plattform vermittelt werden. Prominentes sen (z. B. durch Kennzahlen), die dann die Steuerung (Hrsg.) (2004): Die Beispiel dafür ist der Taxidienst Uber, der mit selbst- Bewältigung des und Kontrolle von Arbeit und Organisation ermöglichen. ständigen Laienfahrern operiert. Der Beschäftigungs- Unplanbaren. VS Verlag Die aktuelle Phase der digitalen Transformation hebt für Sozialwissenschaf- status der Uber-Fahrer ist rechtlich umstritten, weil diese Möglichkeiten auf eine neue Ebene und birgt damit ten, Wiesbaden Uber nicht nur die Vermittlung organisiert, sondern auch Herausforderungen, aber auch Chancen für Menschen eine Reihe strikter Vorgaben zur Preispolitik etc. macht, und Organisationen, die es partizipativ zu gestalten gilt sodass ein kalifornisches Gericht bereits Uber-Fahrer (Frey/Osborn, 2013). zu Angestellten erklärt hat. In die Kategorie der Platt- formarbeit fallen auch unter crowd work gefasste Tätig- MASCHA WILL-ZOCHOLL keiten, mitunter auch als ‚digitale Arbeit‘ bezeichnet. Das Spektrum reicht dabei von Einfacharbeit, so genannten micro tasks (Sortieren von Bildern, Erkennen von Mus- tern etc.) über Übersetzungs- und Lektoratsleistungen bis hin zu kreativen Arbeiten, wie z. B. Graphikdesign, Software Engineering. Auch Online-Gambling, das pro- fessionelle Spielen von Online-Spielen fällt darunter. Unter virtueller Arbeit wird auch die freiwillige Erstellung von Inhalten im Internet gefasst, wie sie z. B. in den so- zialen Medien stattfindet. 11
SCHWERPUNKTTHEMA Der Mensch in der digitalen Verwaltung. Arbeit und Qualifikation im Wandel Am 06.03.2018 fand an der HfPV Wiesbaden das erste Abstract Frank Hogrebe, Professor für Ökonomie Praxislabor zu Themen der Digitalisierung der Verwaltung an der HfPV und Experte für die Digitalisierung in der 01/2018 statt. Eingeladen hatte Frau Dr. Mascha Will-Zocholl, Verwaltung die sich als Hochschullehrerin für Sozialwissenschaften seit langem mit den gesellschaftlichen Herausforderun- ■ H ERAUSFORDERUNGEN FÜR spectrum gen und den Folgen von Digitalisierungsprozessen für FORSCHUNG, LEHRE UND die Arbeit der Menschen befasst. Ziel des Praxislabors war es, mit den Behörden in einen Austauschprozess VERWALTUNGSPRAXIS DURCH zum aktuellen Stand und den Herausforderungen von NEUE ARBEITSWELTEN Digitalisierungsprozessen für die Beschäftigten zu kommen. Die Verwaltungspraxis in Bund, Ländern und Kommunen erwartet, dass Kernkompetenzen zur Digitalisierung Anlass für die Veranstaltung war, dass die Digitalisierung nicht zuletzt durch die nachrückenden Führungsnach- aktuell als Thema sehr präsent ist. Faszinierende neue wuchskräfte im öffentlichen Dienst abgedeckt werden. Technologien und Szenarien für Wirtschaft und Arbeits- Digitalisierung bzw. die im Zuge der Digitalisierung welt der Zukunft wurden diskutiert, aber auch die Sorge auftretenden Anforderungen stellen kein rein informati- um die Arbeitsmarkteffekte digitaler Automatisierungs- onstechnisches Themenfeld dar, sondern sind mit in- technik prägten die Diskussion. Die Digitalisierung - so terdisziplinären Ansprüchen verknüpft. Die zunehmende die breite Einschätzung - ist in eine neue, durch disrup- Digitalisierung der öffentlichen Hand hat einen nach- tive Innovationen gekennzeichnete Phase eingetreten, haltigen Wandel von menschlicher Arbeit zu Folge, der die für die Gesellschaft neue Chancen und Risiken mit auch notwendige Digitalisierungskompetenzen bei den sich bringt. Auch für Staat und öffentliche Verwaltung Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung erfordert. ist die Digitalisierung Triebkraft eines tief greifenden Um einen Eindruck zu gewinnen, wie es um diese Kom- Wandels, der weit über die Einführung der elektronischen petenzen in Studiengängen der Verwaltung bestellt ist, Akte oder IT-gestützter Kommunikation zwischen Be- wurde eigens zu diesem Zweck eine Analyse aller hörden bzw. zwischen Behörden und Bürger hinausgeht. Curricula der Hochschulen für die öffentliche Verwal- Denn mit der Digitalisierung entstehen neue öffentliche tung in Deutschland vorgenommen, deren Kernergeb- Aufgaben und bestehende Aufgaben werden in der nisse hier kurz vorgestellt werden. Fokus der Analyse vernetzten digitalen Welt neu gefasst. Zudem schaffen war, in wieweit das zur Digitalisierung von Verwaltungs- moderne digitale Informationssysteme die Möglichkeit abläufen zwingend notwendige Prozesswissen in und die Notwendigkeit, auch die Organisation öffentli- grundständigen Verwaltungsstudiengängen (Diplom cher Verwaltung neu zu denken. Die dabei angestoßenen und Bachelor, je nach Bundesland) Eingang gefunden Veränderungen sind so grundlegend, dass diese häufig hat. Die Untersuchung erfolgte als Vollerhebung in allen nicht mehr organisch an gewohnte Aufgaben, Organisa- Verwaltungsfachhochschulen der 16 Bundesländer. Die tionsstrukturen und Abläufe anschließen und von allen Ergebnisse überraschen: Nur in acht Bundesländern Beteiligten ein radikales Umdenken erfordern. Für die (darunter auch Hessen) konnten konkrete begriffliche Beschäftigten bedeutet dies: sie müssen in kurzer Zeit „Prozesstreffer“ in den Curricula gezählt werden. Bei den Sprung in eine Arbeitswelt 4.0 bewältigen, die in diesen handelt es sich in den Veranstaltungsformaten vielem mit gewohnten Zuständigkeiten und Vorgehens- jeweils um mindestens eine Pflichtveranstaltung. Zu- weisen, mit vorhandenen Qualifikationen und beruflicher dem werden in 4 der 8 Bundesländer (Brandenburg, Erfahrung bricht. Über die Nutzung neuer Software und Hessen, NRW, Schleswig-Holstein) ergänzende Wahl- digitaler Tools hinaus sind sie gefordert, sich auf neue veranstaltungen angeboten. In den übrigen acht Bun- Aufgaben, neue Prozesse, digital gestütztes Kommuni- desländern zeigten sich keine Prozesstreffer. In Zeiten zieren und virtuelle Zusammenarbeit über disziplinäre der Digitalisierung mit ihren massiven Veränderungen oder organisatorische Grenzen hinweg einzustellen und in der tradierten Arbeitswelt sollte diskutiert werden, dabei einen neuen Umgang mit sich selbst und in der wie den Herausforderungen begegnet werden kann, Arbeit zu finden, etwa das Austarieren der Work-Life- falls Führungsnachwuchskräften hierzu keine grundle- Balance im Kontext neuer Erreichbarkeitserwartungen. genden Kompetenzen vermittelt werden. Die Forschungs- Für die Innovationsfähigkeit öffentlicher Verwaltungen ergebnisse bilden als Ergebnis einer ersten systemati- und für ihre Beschäftigten ist es eine zentrale Frage, schen Erhebung und Auswertung einen Startpunkt für ob und wie dieser Übergang in die Arbeitswelt 4.0 ge- die angewandte Verwaltungsforschung im Fokus der lingen kann. Um dieser Frage auf die Spur zu kommen Vermittlung von „Prozesswissen“. Der Aufbau korres- startete das Praxislabor mit zwei Expertenbeiträgen. pondierender Prozesskompetenzen für öffentliche Ver- Frank Hogrebe führt dabei in die derzeitige Situation an waltungen ist für die Vermittlung in der Lehre maßgeb- den Hochschulen als Ausbildungsstätten ein, Andrea lich wichtig und damit ein zentrales Kompetenzfeld der Baukrowitz stellt den größeren Rahmen der aktuellen Verwaltungsentwicklung im Kontext der Digitalisierung Entwicklungen vor und ihre spezifischen Herausforde- von Arbeit und Organisation. Die Erkenntnis aus der rungen für Arbeit und Qualifikation. Untersuchung, dass die Hälfte der Verwaltungsfach- hochschulen bisher kein Prozesswissen in ihre Curricula aufgenommen haben, ist mit Blick auf die vielschichti- 12
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