Schulblatt 6/2017 Digitalisierung - Wo stehen die Schulen? - Edudoc

 
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Schulblatt 6/2017 Digitalisierung - Wo stehen die Schulen? - Edudoc
Kanton Zürich

             Schulblatt
             Bildungsdirektion

                                                                     6/2017

                                                 Digitalisierung
                                                       Wo stehen die Schulen?

Mit Herzblut                     VSGYM                     «Übergang 2»
Enrico Müller, Präsident         Den Weg von der Sek       Laufbahnberatung
des Lehrlingswettbewerbs         ans Gymi ebnen            für Lernende
Schulblatt 6/2017 Digitalisierung - Wo stehen die Schulen? - Edudoc
6                                                                        24
                                             Magazin                                             Fokus:                                                   Volksschule
                                                                                                 Digitalisierung
                                             4                                                                                                            22
                                             Kommentar                                           12                                                       Nachteilsausgleich
                                             Bildungsdirektorin Silvia                            Zwischen digital                                        Welche Schwierigkeiten
                                             Steiner zur Signalwirkung                            und analog                                              damit behoben werden –
                                             des Kantons Zürich                                   An der Berufsschule Rüti                                und welche nicht
                                                                                                  sind Handy und Laptop
                                             5                                                    ­immer dabei                                            24
                                             Im Lehrerzimmer                                                                                              Stafette
                                             Schule Reitmen, Schlieren                           14                                                       An der Sekundarschule
                                                                                                  Mit dem Laptop zur Schule                               Elsau-Schlatt gehört das
                                             6                                                    Die Kantonsschule                                       iPad immer dazu
                                             Persönlich                                           Zürcher Oberland setzt auf
                                             Überzeugt von der Berufs­                            «Bring Your Own Device»                                 27
                                             bildung: Enrico Müller                                                                                       In Kürze
                                                                                                 19
                                             9                                                    Digitale Lehrmittel
                                             Meine Schulzeit                                      Welche Schwerpunkte setzt
                                             Michael Hengartner,                                  der Lehrmittelverlag Zürich?
                                             Rektor der Universität Zürich
Schulblatt Kanton Zürich 6/2017 Inhalt

                                             Wichtige Adressen                                                    Impressum Nr. 6/2017, 27.10.2017
                                             Bildungsdirektion: www.bi.zh.ch Generalsekretariat: 043 259 23 09     Herausgeberin: Bildungsdirektion Kanton Zürich, Walcheplatz 2, 8090 Zürich Erscheinungs­
                                             Bildungsplanung: 043 259 53 50 Bildungsstatistik: www.bista.zh.ch    weise: sechsmal jährlich, 132. Jahrgang, Auflage: 19 000 Ex. Redaktion: Redaktionsleiter
                                             Volksschulamt: www.vsa.zh.ch, 043 259 22 51 Mittelschul- und          reto.heinzel@bi.zh.ch, 043 259 23 05; Redaktorin jacqueline.olivier@bi.zh.ch, 043 259 23 07;
                                             ­Berufsbildungsamt: www.mba.zh.ch, 043 259 78 51 Amt für Jugend       Sekretariat schulblatt@bi.zh.ch, 043 259 23 14 Journalistische Mitarbeit an dieser
                                             und Berufsberatung: www.ajb.zh.ch, 043 259 96 01 Lehrmittel­          ­Ausgabe: Bettina Büsser, Paula Lanfranconi, Andreas Minder, Luzia Schmid, Charlotte
                                              verlag Zürich: www.lmvz.ch, 044 465 85 85 Fachstelle für Schulbe­     ­Spindler. Abonnement: Lehr­personen einer öffentlichen Schule im Kanton Zürich können
                                             urteilung: www.fsb.zh.ch, 043 259 79 00 Bildungsrats­beschlüsse:     das ­   Schulblatt in ihrem ­Schulhaus ­ gratis beziehen (Bestellwunsch an Schulleitung).
                                              www.bi.zh.ch > Bildungsrat > Beschluss­archiv Regierungsratsbe­        Bestellung des Schulblatts an ­
                                                                                                                     ­                              Privat­
                                                                                                                                                          adresse ­sowie Abonne­  ment weiterer Interessierter:
                                             schlüsse: www.rrb.zh.ch                                              abonnemente@staempfli.com, 031 300 62 52 (Fr. 40.– pro Jahr) Online: www.schulblatt.zh.ch
                                                                                                                  ­Gestaltung: www.bueroz.ch Druck: www.staempfli.com Inserate: inserate@staempfli.com,
                                                                                                                   031 767 83 30 Re­       daktions- und Inserateschluss nächste Aus­        gabe: 29.11.2017
                                             Titelbild: Sophie Stieger                                               Das ­nächste Schulblatt erscheint am: 5.1.2018
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Schulblatt 6/2017 Digitalisierung - Wo stehen die Schulen? - Edudoc
32                                               38
Mittelschule                                           Berufs­bildung                                             43
                                                                                                                  Amtliches
28                                                     36
VSGYM                                                  Laufbahnplanung                                            51
Erste Erkenntnisse aus dem                             Lernende setzen sich mit                                   Weiterbildung
Dialog an der Schnittstelle                            ihrer beruflichen Zukunft                                  Wie man sich mit Online-­
                                                       auseinander                                                Lerneinheiten auf den
30                                                                                                                Lehrplan 21 vorbereitet
Übertrittsverfahren                                    38                                                         Kurse und Module
Ein Reglement für alle                                 Berufslehre heute
Maturitätsschulen                                      Fachfrau Information
                                                       und Dokumentation
                                                                                                                  60
32                                                                                                                schule & kultur
Arbeitsort Mittelschule                                41                                                         62
Tierpfleger Urs Löffel betreut                         In Kürze                                                   Agenda
nicht nur Tausendfüssler und
Buntbarsche

35
In Kürze

    Editorial
                                                               Wir alle stehen im Banne der Digitalisierung. Von Kindesbeinen an. Bereits die
                                                                                                                                                      Schulblatt Kanton Zürich 6/2017 Inhalt

                                                               Kleinsten werden von elektronischen Gadgets und Geräten jedweder Art
                                                               ­magisch angezogen. Die Faszination lässt mit zunehmendem Alter nicht nach,
     Reto Heinzel                                               im Gegenteil: Computer, Smartphones und Tablets dominieren die gesamte
                                                                Privat- wie auch die Arbeitswelt in einem bisher nie gekannten Ausmass.
                                                                Für viele Menschen ist die virtuelle Welt zur zweiten Natur geworden. Es lohnt
                                                                sich also, wenn man bereits in jungen Jahren lernt, damit umzugehen. Immer
                                                                mehr Schulen erkennen, dass sie in dieser Frage eine wichtige Vermittler­
                                                                rolle einnehmen können. Wie sie dabei vorgehen und was das für den Schul­
                                                                alltag bedeutet, zeigen wir in diesem Heft.
                                                                Zudem wollen wir wissen, wo das Ende 2014 ins Leben gerufene Projekt
                                                                ­VSGYM nach zweieinhalb Jahren steht, und sprechen mit zwei Beteiligten.
                                                                 Und schliesslich gehen wir der Frage nach, wie der Nachteilsausgleich auf
                                                                 ­Sekundarstufe funktioniert. Wir wünschen gute Lektüre! 
                                                                                                                                                      3

Die Redaktion freut sich über Reaktionen auf das Schulblatt: reto.heinzel@bi.zh.ch, jacqueline.olivier@bi.zh.ch
Schulblatt 6/2017 Digitalisierung - Wo stehen die Schulen? - Edudoc
EDK-Plenarversammlung                                                                                                      Wohl kaum. Zwar ist Zürich ein grosser

       Ehre, aber auch
                                                                                                                                  Kanton und diese Grösse mag durchaus
                                                                                                                                  Signalwirkung für andere Regionen ha­
                                                                                                                                  ben. Aber Zürich ist nicht der Bartli unter

       Verpflichtung
                                                                                                                                  den Kantonen, so funktioniert unser fö­
                                                                                                                                  deralistisches System nicht.
                                                                                                                                       Auf der politischen Ebene kann man
                                                                                                                                  sagen: Kantone wie Zürich haben in allen

       von Silvia Steiner, Bildungsdirektorin                                                                                     Lebensbereichen grössere Fallzahlen, also
                                                                                                                                  zum Beispiel mehr Patienten in den Spi­
                                                                                                                                  tälern, mehr Polizisten im Dienst und
                                                                                                                                  natürlich mehr Auszubildende auf allen
                                                                                                                                  ­
                                          In Bildungsfragen sei Zürich top: «Zürich                                               Schulstufen. Durch diese Grösse erkennt
                                          regiert» lautete vor Kurzem eine Über­                                                  man gewisse Trends vielleicht früher und
                                          schrift in einer Zeitung. Mit diesem Titel                                              hat oft mehr Möglichkeiten, Erfahrungen
                                          bediente man ein altes Klischee: Zürich                                                 zu sammeln. Damit alle voneinander pro­
                                          sagt den anderen Kantonen, wo es lang­                                                  fitieren können, braucht es einen profes­
                                          geht. Oder anders ausgedrückt: Zürich ist                                               sionellen Austausch.
                                          sozusagen der Bartli unter den Kantonen                                                      Im Bildungswesen geschieht dies zum
                                          und sagt, wo der Most zu holen ist.                                                     Beispiel in der Schweizerischen Konferenz
                                               Hintergrund des Artikels war die                                                   der kantonalen Erziehungsdirek­toren EDK.
                                          ­kantonale Volksabstimmung über die Ab­                                                 Ende Oktober empfange ich als EDK-Prä­
                                           schaffung der zweiten Fremdsprache an                                                  sidentin alle kantonalen Erziehungsdi­

                                                                                        «Ich bin stolz auf
                                           der Primarschule, die im Kanton Zürich                                                 rektorinnen und -direktoren aus der gan­
                                           erfreulicherweise abgelehnt worden ist.                                                zen Schweiz hier in Zürich. Die EDK hat
                                           Mit dem Zürcher Nein habe das Begehren
                                           in anderen Kantonen keine Chance mehr,
                                                                                       unseren Leistungs­                         zum Ziel, das Bildungswesen zu harmoni­
                                                                                                                                  sieren und gemeinsame Lösungen zu fin­
                                           zog der Schreibende im Artikel seine        ausweis in Sachen                          den. Aber eines ist mir besonders wichtig:
                                           Schlussfolgerung.
                                               Wenig später sprachen sich tatsäch­          Bildung.»                             Gerade in Bildungsfragen wollen wir den
                                                                                                                                  Kantonen bei aller Zusammen­arbeit e  ­ inen
                                           lich auch die Kantone St. Gallen und Lu­                                               grossen Spielraum lassen. Damit der Er­
                                           zern gegen die Abschaffung der zweiten                                                 folg in den Klassenzimmern anhält, müs­
                                           Fremdsprache an der Primarschule aus.                                                  sen die Entscheidungen in den Regionen
                                           Heisst das nun aber tatsächlich, dass Zü­   schaftliche Engagement von den rund        und Gemeinden gefällt werden.
                                           rich regiert?                               33 000 Lehrpersonen vom Kindergarten            Nichtsdestotrotz nimmt der Kanton
                                               Eines vorweg: Als Bildungsdirektorin    bis zur Universität hätten wir im Kanton   Zürich an der EDK-Plenarversammlung
                                           des Kantons Zürich könnte ich nicht stol­   Zürich nicht das hochstehende Bildungs­    seine Verantwortung wahr und bringt sich
                                           zer sein auf unseren Leistungsausweis in    system, für das wir auch international     und das Know-how seiner Bildungsspe­
                                           Sachen Bildung. Im Mittelpunkt steht        breite Anerkennung finden. Sagen wir       zialisten ein. Dass Zürich eine Vorreiter­
                                           dabei die tägliche Arbeit in den Schul­
                                           ­                                           deshalb der ganzen Schweiz, wo es lang­    rolle hat, ist also Ehre und Verpflichtung
                                           zimmern und Hörsälen: Ohne das leiden­      geht in Sachen Bildung?                    zugleich. 
Schulblatt Kanton Zürich 6/2017 Magazin

                                                                                                                                                  Mein
                                                                                                                                                  Traumschulhaus
                                                                                                                                                  Alessia Celik (11),
                                                                                                                                                  6. Klasse,
                                                                                                                                                  Schule Hutten,
                                                                                                                                                  Zürich
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Schulblatt 6/2017 Digitalisierung - Wo stehen die Schulen? - Edudoc
Im Lehrerzimmer

                                                        Schule Reitmen,
                                                              Schlieren
                                                      Rollende Planung unter dem Sheddach
                                                                                                                       Fotos: Marion Nitsch

                                                                                                                                         Schulblatt Kanton Zürich 6/2017 Magazin

Nigelnagelneu: ist die Schule Reitmen in Schlieren. Am 21. August startete der Betrieb mit vorerst rund 350 Kindern und Jugend­
lichen vom Kindergarten bis zur Sekundarklasse und 40 Lehrpersonen. Einige Klassen werden noch dazukommen. An eine Fabrik
erinnert: fühlt sich, wer den Bau mit Metallfassade aus der Ferne betrachtet. Nicht ganz zufällig gleicht die Form des Haupttraktes
einer Shedhalle. Die Architekten wollen damit an die industrielle Vergangenheit des Ortes erinnern. Die Kinder sind begeistert vom
modernen Lernort. Im hellen Innern: dominieren Wände aus Sichtbeton und farbige Böden; im weitläufigen Lehrerzimmer
ist es die Farbe Orange, welche die nüchterne und etwas streng wirkende Designatmosphäre auflockert. Erfrischende Farbtupfer
setzen auch die wenigen Pflanzen sowie die an der Wand verstreuten gelben Zettel – ein Überbleibsel der Team- und Weiter­
bildungstage der letzten Schulferienwoche. Für süsse Versuchungen: sorgen die mit M&M’s gefüllten Configläser. Eine gute Seele
sorgt regelmässig für Nachschub. Herausforderungen: hält der neue Arbeitsort viele bereit. «Wir sind erst am Ankommen», sagen
die Co-Schulleiterinnen Denise Gerstl und Simone Fahme. Die Eingewöhnung brauche Zeit. «Unser Motto heisst darum: rollende
Planung.» [rh]
                                                                                                                                        5
Schulblatt 6/2017 Digitalisierung - Wo stehen die Schulen? - Edudoc
Persönlich                                                                                                                       dige Zeit und Unterstützung zu gewähren.

       Ein Herz für
                                                                                                                                        Und weil es in gewissen Branchen be­
                                                                                                                                        sonders viele solcher Kleinbetriebe gebe,
                                                                                                                                        habe sich auch die Berufsvielfalt am Lehr­

       die Jugend
                                                                                                                                        lingswettbewerb reduziert. «Metzger oder
                                                                                                                                        Coiffeure beispielsweise machen kaum
                                                                                                                                        mehr mit.»
                                                                                                                                            Dies will Enrico Müller ändern und

       Seit mehr als einem Vierteljahrhundert                                                                                           bei den Betrieben das Bewusstsein für den
                                                                                                                                        Wert des Wettbewerbs wieder stärken.
       engagiert sich der heutige Präsident                                                                                             Schliesslich sei der Anlass nicht nur ein

       Enrico Müller für den Lehrlingswett­                                                                                             aussergewöhnlicher «Lehrplätz» für die
                                                                                                                                        Teilnehmenden, sondern biete den Firmen
       bewerb Züri Oberland.                                                                                                            und den Branchen auch eine erstklassige
                                                                                                                                        Gelegenheit, den Nachwuchs auf sich auf­
       Text: Jacqueline Olivier Foto: Stephan Rappo                                                                                     merksam zu machen. An zwei Tagen sind
                                                                                                                                        jeweils sämtliche 2. Sekundarklassen der
                                                                                                                                        drei Bezirke eingeladen, die Ausstellung
                                                                                                                                        zu besuchen und im direkten Austausch
                                                                                                                                        mit den Lernenden einen Einblick in die
                                             Schon auf dem Weg durch sein Haus in          bildung für mich sicher nicht so falsch      verschiedenen Berufe und Ausbildungen
                                             Riedikon in den Garten, in dem wir an         sein würde.»                                 zu bekommen. Davon machen jedes Jahr
                                             diesem warmen Nachmittag Ende August              Gedacht, getan: Nach einer Weiterbil­    40 bis 50 Klassen Gebrauch – 800 bis 1000
                                             Platz nehmen werden, beginnt Enrico           dung zum Techniker bildete Enrico Müller     Schülerinnen und Schüler.
                                             Müller zu erzählen: Bei der Ferag in Hin­     als Leiter der «Zeichnerschule» bei der
                                             wil, wo er im Moment noch als Ausbildner      Luwa AG, die in der Lüftungs- und Hei­       Auf Achse für die Berufsbildung
                                             tätig ist, werde er in wenigen Wochen in      zungstechnik tätig war, angehende Ma­        Auch in der Öffentlichkeit möchte der Prä­
                                             den Ruhestand treten, etwas vorzeitig.        schinenzeichner – heute Konstrukteure –      sident den Wettbewerb noch bekannter
                                             Aber dem Lehrlingswettbewerb, dem blei­       aus. Zwei Jahre später war er Mitglied des   ma­chen und die Wirtschaft stärker einbin­
                                             be er selbstverständlich treu. «Ein Kind,     Branchenverbands Swissmem und wirkte         den. Ist er erst einmal Frührentner, wird
                                             dem man auf die Beine geholfen hat, gibt      am Aufbau der über­   betrieblichen Kurse    er für solche Vorhaben mehr Zeit haben.
                                             man nicht so schnell auf.»                    mit. 1988 wechselte er zur Ferag. Und kam    Wobei: Das Vereinspräsidium ist nicht sein
                                                 Das Bild passt, auch wenn der Lehr­       1990 über einen dortigen Mitarbeiter,        einziges «Steckenpferd». Bei Swissmem
                                          lingswettbewerb Züri Oberland schon alt          der für die Stand­beschriftungen zuständig   wirkt er nach wie vor in verschiedenen
                                          ist, sehr alt sogar: 136 Jahre. In den ver­      war, zum Lehrlingswettbewerb. «Er hat        Arbeitsgruppen mit. Im ­Verein Pro Duale
                                          gangenen Jahren wurde er jedoch auf              mich gefragt, ob ich ihm nicht behilflich    Berufsbildung Schweiz arbeitet er derzeit
                                          neue Füsse gestellt, und daran hatte En­         sein könnte, da habe ich diese Aufgabe       an einem Projekt mit, das Schü­lerinnen
                                          rico Müller namhaften Anteil. In jüngerer        dann gleich übernommen.»                     und Schülern bereits in der Mittelstufe
                                          Zeit war der Berufsbildungsanlass, der seit                                                   erste Berührungen mit der Berufswelt er­
                                          1881 in Pfäffikon organisiert worden war,        Aussergewöhnlicher «Lehrplätz»               möglichen soll. Und last, but not least en­
                                          gewachsen. 1972 hatte sich der Bezirk Hin­       Kein Zweifel: Enrico Müller ist ein Ma­      gagiert er sich als Vizepräsident des Fo­
                                          wil angeschlossen, knapp 30 Jahre später         cher, einer, der mit unermüdlichem Elan      rums Berufsbildung Zürcher Oberland für
                                          kam Uster hinzu. Diese letzte Erweiterung        und viel Herzblut anpackt, wenn er von       die Vernetzung der verschiedenen Akteure
                                          habe eine neue Dachorganisation not­             einer Sache überzeugt ist. Und vom Lehr­     der Berufsbildung und der Berufswahl.
                                          wendig gemacht, sagt ­Enrico Müller, der         lingswettbewerb ist er überzeugt. «Er ist        Was ist es, das ihn antreibt? «Die Ju­
                                          2008 in den Vorstand des damals neu ge­          einzigartig in seiner Art und eine gross­    gendlichen liegen mir am Herzen», kommt
                                          gründeten Vereins gewählt wurde und vor          artige Plattform für die Jugendlichen, um    seine Antwort prompt und begeistert,
                                          drei Jahren das Präsidium übernahm.              zu zeigen, was sie können.» Mitmachen        «natürlich ist es mit ihnen nicht immer
                                                 Mit von der Partie ist er allerdings      darf jede und jeder Lernende, unabhängig     einfach, aber es ist toll, wenn man ihnen
                                          schon sehr viel länger. Das habe sich ein­       von Lehrjahr und Beruf. Am viertägigen       etwas mitgeben kann fürs Leben.» Kein
                                          fach so ergeben wie eigentlich alles in          Anlass Anfang November werden jeweils        Wunder, ist Enrico Müller auch ein Fami­
                                          ­seinem Leben, erklärt der 63-Jährige, der       rund 50 Arbeiten von etwa 100 Teilneh­       lienmensch. Aus zwei Ehen stammen sei­
                                           einst bei der BBC – der heutigen ABB –          mern ausgestellt. Vorab erhalten die Ju­     ne vier Kinder im Alter zwischen 13 und
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                                           eine Lehre als Maschinenzeichner absol­         gendlichen die Möglichkeit, einen kosten­    43 Jahren, fünf Enkelkinder hat er bereits.
                                           viert hatte. Dort durfte er schon im Ver­       losen Präsentations- und Kommunikations­     Das Familienleben zu pflegen ist ihm
                                           laufe des zweiten Lehrjahrs während vier        kurs zu besuchen, um vor den zahlreichen     wichtig. Und zupacken tut er auch privat
                                           Wochen den abwesenden Ausbildner ver­           Besucherinnen und Besuchern bestehen         gerne: Gemeinsam mit seiner zweiten
                                           treten. Anschliessend musste der junge          zu können. Und natürlich auch vor den        Frau hat er in seinem Haus viele Ausbau­
                                           Mann dem Lehrmeister über die zehn              Experten, denen sie ihre Arbeit samt Do­     arbeiten selbst ausgeführt. Bei schönem
                                           Lernenden, die kurz vor Ende der Probe­         kumentation präsentieren müssen.             Wetter hingegen zieht es ihn hinaus ins
                                           zeit standen, Bericht erstatten und eine            Nun gerät der Präsident vollends ins     Freie – mit dem Motorrad oder mit seinem
                                           Einschätzung darüber abgeben, ob sie be­        Schwärmen: «Es ist immer wieder sensa­       15-jährigen Sohn zum Fischen –, «am
                                           standen hatten. Von einem der Lernen­           tionell zu sehen, wie gut die Jugendlichen   liebsten ins Wägital». Übrigens: Dass der
                                           den, erzählt er, habe er den Eindruck           in ihrem Beruf sind.» Ein wenig bedauer­     Junior, der diesen Sommer seine Lehre
                                           ­gewonnen, er sei am falschen Ort. «Das         lich findet er hingegen, dass man in den     be­
                                                                                                                                        ­  gonnen hat, am nächsten Wettbewerb
                                            habe ich dem Ausbildner gesagt, und            letzten Jahren «etwas zu beissen» habe,      teilnehmen wird, ist schon heute ausge­
                                            ­dieser Lernende hat die Probezeit dann        um genügend Teilnehmer zu finden. Ins­       machte Sache. 
                                             tatsächlich nicht bestanden. Von da an        besondere Kleinbetriebe seien heute we­
                                             wusste ich, dass eine Tätigkeit in der Aus­   niger bereit, den Lernenden die notwen­
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                                                                                                                                         www.lehrlingswettbewerb.ch
Schulblatt 6/2017 Digitalisierung - Wo stehen die Schulen? - Edudoc
Schulblatt Kanton Zürich 6/2017 Magazin

Für den Lehrlingswett­
bewerb Züri Oberland
und die Berufsbildung
unermüdlich im Einsatz:
Enrico Müller.
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Schulblatt 6/2017 Digitalisierung - Wo stehen die Schulen? - Edudoc
Lehre!
                                                                                                                                                         Zukunft?

                                      Die kompakte und praxisnahe
                                      Weiterbildung in Schulmanagement
                                      Dipl. Schulverwaltungsleiter/in SIB/VPZS

                                      Zertifikat Schulverwaltungsfachfrau/-mann

                                      Zertifikat Schulführung und -entwicklung

                                      Nächster Infoanlass:
                                      Donnerstag, 29. November 2017, 18 Uhr                                    Infoanlass für Lehrpersonen
                                                                                                               Nutzen Sie die Gelegenheit, sich zum Thema Berufskunde auf den
                                                                                                               neusten Stand zu bringen. Nehmen Sie an einem der geführten
                                                                                                               Rundgänge durch die Berufsmesse Zürich teil und treffen Sie Fach-
                                                                                                               personen aus verschiedenen Berufsfeldern.
                                                           SIB              SCHWEIZERISCHES
                                                                            INSTITUT FÜR
                                                                                                               Infoanlass für Lehrpersonen am Montag, 20. November 2017
                                                                            BE TR IEBS ÖKONOMIE
                                                                                                               Anmeldung unter www.berufsmessezuerich.ch/infoanlass
                                                                            DIE SCHWEIZER                      Messedauer: 21. bis 25. November 2017 | Messe Zürich
                                                                            K ADERSCHMIEDE
                                                                            S E I T 19 6 3

                                      Erstklassige Bildung direkt           Z Ü R I C H/C I T Y
                                      beim HB Zürich. Die grösste           W W W. S I B .C H                Hauptsponsorin       Unterstützt durch                   Veranstalter
                                      HFW der Schweiz!                      0 4 3 32 2 2 6 6 6

                                   Wir sind vom 21. bis 25. November 2017 BMZ16_Inserat_Fachpersonen_87x137_4c_lp.indd
                                                                          an der Berufsmesse Zürich1 − Halle 2, Stand H37 18.07.17                                                       11:01

                                   GROSSER WETTBEWERB –
                                   WIR SUCHEN DIE SMARTESTEN KLASSEN
                                   Melde deine Klasse auf juventus.ch/berufsmesse für den Wettbewerb der Juventus
                                   Wirtschaftsschule und der berufsneutralen Eignungsabklärung basic-check® an.

                                   Unter den teilnehmenden Klassen wird jeweils ein Tagessieger erkoren,
                                   welcher einen grosszügigen finanziellen Zustupf für die Klassenkasse erhält.

                                   Jede/r einzelne Schüler/in kann zusätzlich an der Verlosung des
                                   neuen iPad Pro teilnehmen.
                                                                                                                                                          Jeden Tag
                                                                                                                                                          CHF 400.–
                                                                                                                                                          gewinnen!
Schulblatt Kanton Zürich 6/2017

                                   Anmeldung & Infos unter juventus.ch/berufsmesse

                                                                                           Lagerstrasse 102, 8004 Zürich
                                                                                           www.juventus-wirtschaft.ch
                                                                                           Telefon 043 268 26 26
8

                                  JWI_LCH_Berufsmesse2017_178x137_whiteFooter.indd 1                                                                               25.07.2017 15:34:19
Schulblatt 6/2017 Digitalisierung - Wo stehen die Schulen? - Edudoc
Wenn Sie an Ihre Schulzeit denken, was                                                                              Meine Schulzeit

                                                         «Ich will zum Mit-
kommt Ihnen als Erstes in den Sinn?
Mein Schulweg. Ich bin in Québec, Ka­
nada, zur Schule gegangen. Zusammen

                                                         denken anregen»
mit meinen vier Brüdern machte ich mich
jeweils auf den Weg, es ging über Felder
und Wiesen. Im Winter war alles tief ver­
schneit. Wir waren etwa eine halbe Stunde
unterwegs – eine Zeit in einem erwachse­
nenfreien Raum, in der manchmal mehr
                                                                   Fünf Fragen an Michael Hengartner,
passierte als in der Schule.                                             Rektor der Universität Zürich
     Welcher Lehrperson geben Sie
rückblickend die Note 6 und warum?
Mein Physiklehrer war davon überzeugt,
dass die Physik erklärt, was die Welt im
Innersten zusammenhält. Seine Begeis­
terung für das Fach hat sich auf uns Schü­
lerinnen und Schüler übertragen. Auch                Was ist das Wichtigste, was Kinder
mein Chemielehrer war ein ganz beson­            heute in der Schule lernen sollten, und
derer Mensch und begabter Didaktiker.            warum?
Wahrscheinlich habe ich mich auch des­           Kinder sollten das Lernen lernen; damit
halb für ein naturwissenschaftliches Stu­        sie in unserer wandelbaren Welt gewapp­
dium entschieden.                                net sind. Genauso wichtig ist aber auch
     Inwiefern hat Ihnen die Schule              die Vermittlung von Sozialkompetenz.
­geholfen, Rektor der Universität Zürich         Die Kinder sollten lernen, nach positiven
 zu werden?                                      Lösungen von Problemen zu suchen, und
 Ich bin grundsätzlich neugierig und sehr        zwar durch Argumentieren und Über­
 interessiert an den Dingen. Das betrifft        zeugen.
 nicht nur die Natur-, sondern auch die              Sind Sie selbst eine gute Lehr­
 Geisteswissenschaften. Auch aktuelle ge­        person?
 sellschaftspolitische Fragen beschäftigen       Ich hoffe es. Als Dozent habe ich jahrelang
 mich. In der Schule habe ich gelernt, mei­      Studierende unterrichtet. Dabei habe ich
 ne Neugier in präzise Fragen umzumün­           mir immer viel Zeit für die Studierenden
 zen und logisch zu denken. Mein vielsei­        genommen, das ist mir wichtig und gibt
                                                                                                   Michael Hengartner (51) wuchs in Québec
 tiges Interesse hat mich schliesslich auch      mir viel. Wenn ich unterrichte, will ich zum      City auf und studierte Biochemie. Im Jahr
 dazu bewogen, Rektor der Universität Zü­        Mitdenken anregen, indem ich nicht nur            2001 wurde er Professor an der Universität
                                                                                                   Zürich (UZH). Für seine Forschung wurde
 rich zu werden, da ich ganz nah am Puls         Fakten weitergebe, sondern versuche, an­          er mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt.
 der Forschung und Lehre bin und gleich­         hand von Beispielen Assoziationsketten            2010 erhielt er den Preis für gute Lehre
                                                                                                   an der UZH, deren Rektor er seit 2014 ist.
 zeitig eine wichtige Bildungsinstitution        auszulösen. Als Vater von sechs Kindern           Seit 2016 ist er zudem Präsident der
 vertreten kann.                                 hilft mir meine Geduld auch an der Uni.           Schweizer Hochschulrektorenkonferenz.

Bildungs-Slang
Ruedi Widmer, Cartoonist, interpretiert Begriffe aus Bildung und Schule – diesmal: Tagesstruktur
                                                                                                                                                Schulblatt Kanton Zürich 6/2017 Magazin
                                                                                                                                                9
Schulblatt 6/2017 Digitalisierung - Wo stehen die Schulen? - Edudoc
10   Schulblatt Kanton Zürich 6/2017 Fokus
Fokus

Digitalisierung
Spätestens in der Lehre oder im Studium
müssen sich junge Menschen in der digitalen
Welt ­bewegen und bewähren können. Wie
­werden sie in den Schulen darauf vorbereitet?
 Ein Besuch in der Berufsschule Rüti zeigt,
 wie Laptops oder Smartphones gewinnbringend
 im Unterricht ein­gesetzt werden. An der
 ­Kantonsschule Zürcher Oberland in Wetzikon
  ist seit diesem Schuljahr die flächendeckende
  Umsetzung von «Bring Your Own ­Device»
  im Gang. Und was digitales Lernen für die
  ­Erarbeitung heutiger Lehrmittel bedeutet,
   ­erklärt der Leiter Digitale Medien des Lehr­
    mittelverlags Zürich im Interview.
Fotos: Sophie Stieger anlässlich eines Besuchs an der Berufsschule Rüti

                                                                          Schulblatt Kanton Zürich 6/2017 Fokus
                                                                          11
Zwischen digital und analog                                                                                                      niker sowie Produktionsmechanikerinnen

       «Im Vergleich mit
                                                                                                                                        und -mechaniker einen Teil ihrer Berufs­
                                                                                                                                        ausbildung. In dieser zweiten Abteilung
                                                                                                                                        gibt es im Unterricht kaum Smartphone-

       anderen sind wir
                                                                                                                                        Lernszenen, denn hier haben alle ihren
                                                                                                                                        Laptop dabei: Seit 2015 gilt das Prinzip
                                                                                                                                        BYOD (Bring Your Own Device), das vor­

       ziemlich weit»
                                                                                                                                        sieht, dass die Schülerinnen und Schüler
                                                                                                                                        ihr eigenes Net- oder Notebook mitbrin­
                                                                                                                                        gen und im Unterricht verwenden.
                                                                                                                                            «Im technischen Bereich, etwa im Ma­
       Die Berufsschule Rüti setzt schon seit                                                                                           schinenbau, gehört es auch am Arbeits­
                                                                                                                                        platz dazu, dass die Leute an einem Lap­
       ­längerer Zeit auf den digitalen Weg,                                                                                            top oder PC arbeiten, im Detailhandel

        die Schülerinnen und Schüler lernen                                                                                             hingegen oder im Coiffeursalon ist das
                                                                                                                                        weniger der Fall», erklärt Ralph Schelker,
        ­mithilfe von Laptop oder Smartphone.                                                                                           Leiter der Abteilung Maschinenbau, den
                                                                                                                                        Unterschied zwischen den beiden Ab­
         Ein Augenschein.                                                                                                               teilungen. Diese Abwägung ist charak­
                                                                                                                                        teristisch für die Digitalstrategie der Be­
       Text: Bettina Büsser
                                                                                                                                        rufsschule Rüti: Man will im Bereich
                                                                                                                                        Digitalisierung vorne dabei sein – «wir
                                                                                                                                        sind im Vergleich mit anderen Schulen
                                                                                                                                        ziemlich weit, wenn es um den Gebrauch
                                                                                                                                        von Laptops und den Einsatz digitaler
                                                                                                                                        Lehrmittel geht», sagt Schelker –, aber die
                                                                                                                                        Veränderungen und Umstellungen sollen
                                                                                                                                        in einem an die Bedürfnisse angepassten
                                        «Was gehört zum Luxusbedürfnis?» lautet         haben. Dafür müssen sie Fragen beant­           Tempo vor sich gehen.
                                        die Frage, vier mögliche Antworten ste­         worten und entsprechende Lösungswör­                Für eine solche Entwicklung, so Schel­
                                        hen zur Auswahl: «Smartphone», «Zweit­          ter in ein Gitternetz eintragen. «Jetzt seien   ker, brauche es eine Schulleitung, die vo­
                                        wohnung», «Bett» und «Wanderschuhe».            Sie alle bitte ganz ruhig, das ist Einzel­      rangehe, und es brauche Lehrpersonen,
                                        Die 21 Schülerinnen und Schüler, die im         arbeit», sagt Ronner.                           die mitziehen, «dann entwickelt sich eine
                                        zweiten Lehrjahr als Detailhandelsfach­                                                         Dynamik». Den Entscheid, in der Maschi­
                                        leute sind und nun in der Klasse der Be­        Der Laptop gehört dazu                          nenbau-Abteilung auf digitale Grund­
                                        rufsschule Rüti sitzen, sollen die richtige     Ronners Klasse ist Teil der Abteilung           lagen umzusteigen, hat die Schule ausser­
                                        Antwort wählen. Schliesslich haben sie          «Dienstleistung» der Berufsschule Rüti,         dem mit den Lehrbetrieben abgesprochen.
                                        in der Vorwoche gelernt, was Luxusbe­           in der künftige Coiffeure und Coiffeusen,       Ein Impuls kam auch von aussen: Seit
                                        dürfnisse sind und was dazugehört. 15 von       Detailhandelsfachleute und Detailhan­           2015 dürfen die Lernenden im Bereich
                                        ihnen setzen auf «Smartphone», sechs auf        delsassistentinnen und -assistenten aus­        Maschinenbau an der Lehrabschlussprü­
                                        «Zweitwohnung».                                 gebildet werden. «Maschinenbau» ist die         fung einen Laptop einsetzen. «Wir haben
                                             «Zweitwohnung» ist richtig, «Smart­        zweite Abteilung der Schule, hier absolvie­     uns gesagt: Wenn wir in der Schule nicht
                                        phone» nicht. Speziell an der Situation ist     ren Konstrukteure und Konstrukteurin­           digital arbeiten, gehen unsere Lernenden
                                        jedoch nicht das Resultat der Schülerinnen      nen, Polymechanikerinnen und -mecha­            zwar mit dem Laptop an die Prüfung und
                                        und Schüler, sondern dass sie alle – falsch
                                        oder richtig – ihre Antwort in ihr Smart­
                                        phone eingetippt haben. Denn ­     Therese        Breiter Einsatz von digitalen Unterrichts- und Hilfsmitteln
                                        Ronner, die Detailhandelslehrerin, hat            Die Berufsschule Rüti mit ihren aktuell 1150 Schülerinnen und Schülern hat
                                        den zu repetierenden Stoff in das digitale        im digitalen Bereich schon sehr viele Schritte unternommen. Worauf, fragte
                                        Lernspiel «Kahoot» eingefügt: Auf der             das «Schulblatt» Rektor Kurt Eisenbart, ist die Schule in diesem Zusammenhang
                                        Leinwand im Schulzimmer erscheint je­             besonders stolz?
                                        weils eine Frage, die vier möglichen Ant­         «Unsere Schule ist grundsätzlich sehr gut eingerichtet, wir können digitale
                                        worten stehen je in einem farbigen Feld,          ­Unterrichts- und Hilfsmittel sehr breit einsetzen. Das beginnt schon bei der
                                        dazu ertönen die typischen Klänge eines            Grundversorgung: Es braucht eine sichere WLAN-Verbindung, das ist so wichtig
Schulblatt Kanton Zürich 6/2017 Fokus

                                        digitalen Games. Die Schülerinnen und              wie Strom- oder Wasserleitungen. Ausserdem wird die Digitalisierung nicht
                                        Schüler wählen mithilfe der entsprechen­           nur im Unterricht gelebt, sondern in der ganzen Schule, in der Verwaltung etwa,
                                        den App die Antwort aus, die sie für               wo wir digitale Klassenspiegel und ein digitales Absenzensystem eingerichtet
                                        ­richtig halten. Welche wirklich richtig ist,      haben.
                                         sehen sie gleich danach auf der Lein­             Die Technik der Schule leistet sensationelle Arbeit und entwickelt Angebote wie
                                         wand, ausserdem erscheint eine Rangliste          etwa die ‹Lehrerzone›, die uns das Leben wirklich vereinfachen. Weil die Schule
                                         der Mitspielenden.                                im Bereich Informatik selbst Lernende ausbildet, haben wir Möglichkeiten, die
                                             Nachdem Ronner mit der Klasse eine            wir für diesen Preis nicht einkaufen könnten. Ein Beispiel dafür: In diesem Jahr
                                         Reihe solcher Fragen durchgespielt und            müssen wir unsere Schulanlage von der analogen auf IP-Telefonie umstellen,
                                         damit den Stoff repetiert hat, wird der           das wird einer der Lernenden gemeinsam mit dem Techniker tun.
                                         neue Stoff angegangen, ebenfalls mithilfe         Was für uns stimmt, muss nicht für alle Schulen gelten. Wir sind, auch weil wir
                                         des Smartphones: Die Schülerinnen und             Maschinenbauer ausbilden, sehr technisch ausgerichtet und können die digi­
                                         Schüler sollen im Lehrmittel die Seiten           talen Möglichkeiten gut nutzen. Wir können sehr vieles zur Verfügung stellen.
                                         194 und 195 lesen und dann in einer Lern­         Die Herausforderung ist: Können es auch alle verwenden und einsetzen?» [bbü]
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                                         app zeigen, dass sie ihn auch verstanden
An der Berufsschule Rüti
                                  sind Mobiltelefon, Laptop
                                 und Tablet fester Bestand-
                                       teil des Unterrichts.

haben das Gefühl, sie hätten alle Unter­       diesem Bereich: «Wenn man ihnen etwas
lagen dabei. Aber sie wissen nicht, wie sie    zeigt, verstehen sie es sehr schnell und
damit umgehen müssen», sagt Schelker.          können es umsetzen.»
                                                   Etwas mehr Zeit, sich an die digitale
Keinen Druck aufsetzen                         Welt zu gewöhnen, braucht ein Teil der
Seit 2015 arbeiten die Lernenden in der        Lehrpersonen. «Wir schreiben ihnen
Abteilung Maschinenbau meistens mit            nicht vor, womit sie unterrichten sollen»,
­digitalen Lehrmitteln. «Von gewissen Bü­      so Schelker. Manche arbeiteten mit digi­
 chern verwenden wir nur die digitale          talen Unterlagen, andere nicht. Lang­
 ­Version, von anderen sowohl die Papier­      fristiges Ziel der Schule ist es, dass die
  ausgabe wie die digitale Ausgabe. Die        Lehrpersonen alle digitalen Möglichkei­      Stoff stellen, sie beantworten sie direkt
  Polymechaniker zum Beispiel können
  ­                                            ten kennen und sie nutzen können. Aber       am Laptop, danach erhalte ich eine Aus­
  nicht mit dem Laptop in die Werkstatt, da    Druck wird nicht aufgesetzt. Schliesslich    wertung und kann so sehr schnell fest­
  brauchen sie ein Buch aus Papier», erklärt   entstehe so auch eine gewisse Abwechs­       stellen, wo es noch Defizite gibt und was
  Schelker.                                    lung, findet Schelker: «Es schadet ja        ich vielleicht nochmals erklären muss.»
      An diesem Nachmittag kommt die di­       nichts, wenn die Lernenden nicht neun            Laptop und Moodle machen es den
  gitale Version zum Zug: 21 künftige Poly­    Stunden lang vor den Bildschirmen sit­       Schülerinnen und Schülern auch mög­
  mechaniker, die vor einer Woche ihre         zen, sondern zwischendurch auch wieder       lich, orts- und zeitunabhängig zu lernen.
                                                                                                                                            Schulblatt Kanton Zürich 6/2017 Fokus

  Ausbildung begonnen haben, sitzen im
  ­                                            einmal ein Buch zur Hand nehmen.»            «Wenn ich im Moodle manchmal sehe, um
  Informatikraum. Sie sind unter der Lei­                                                   welche Uhrzeit sie ihre Aufgaben machen,
  tung von Fachkundelehrer Matthias Eber­      Verschiedene Lernstrategien                  staune ich schon etwas», so Schelker. Er
  hart damit beschäftigt, ihre Laptops für     Schelker selbst setzt die digitalen Mittel   ist ansonsten aber davon überzeugt, dass
  den Unterricht vorzubereiten: Sie laden      sehr gerne ein. Er schwärmt von der          die Digitalisierung für seine Schule sehr
  Lehrmittel und Unterlagen von den ent­       «Lehrerzone», einem Tisch, den die Be­       sinnvoll ist, auch, weil sie die Vielfalt von
  sprechenden Plattformen herunter; bei        rufsschule Rüti selbst entwickelt hat: Er    Lernangeboten und Lernstrategien erwei­
  manchen geht das ganz fix, bei anderen       ist mit Visualizer und zwei Bildschirmen     tert. Die «alten» Angebote müssen des­
  klappt es nicht auf Anhieb. Denn obwohl      ausgestattet, auf einen davon kann direkt    wegen nicht gänzlich verschwinden: «Ich
  sie zu den «Digital Natives» gehören, be­    geschrieben werden. Ein anderes Tool,        arbeite wirklich gerne mit den digitalen
  deutet das nicht, dass alle im Umgang mit    das Schelker sehr schätzt, ist die Lern­     Mitteln, aber ich bin auch froh, dass wir
  der digitalen Welt keine Probleme haben.     plattform Moodle. Sie mache es etwa mög­     noch Wandtafeln haben», sagt Schelker:
  «Es gibt grosse Unterschiede zwischen        lich, schnell zu überprüfen, ob die Schü­    «Wenn ich etwas an die Wandtafel schrei­
  den Schülern», bestätigt Ralph Schelker.     lerinnen und Schüler Inhalte verstanden      be, hat das mehr Bestand als eine Power­
                                                                                                                                            13

  Auffällig sei allerdings das Lerntempo in    hätten: «Ich kann ihnen fünf Fragen zum      point-Folie, die vorbeihuscht.» 
Mit dem Laptop zur Schule                                                                                                  gen für die Eltern der betroffenen Schüler

       Eine Erweiterung
                                                                                                                                  sei man stets auf offene Ohren gestossen,
                                                                                                                                  denn: «Heute ist klar, dass die jungen
                                                                                                                                  ­Leute spätestens im Studium mit eigenen

       des Spektrums
                                                                                                                                   Geräten ausgerüstet sein und damit auch
                                                                                                                                   arbeiten können müssen.»

                                                                                                                                  Frei einsetzbar
       An der Kantonsschule Zürcher Oberland                                                                                      Diese Tatsache war einer der Gründe, wa­
                                                                                                                                  rum die Schule bereits vor Jahren damit
       ist seit einem Jahr die flächendeckende                                                                                    begann, sich mit dem Thema elektroni­

       Einführung von «Bring Your Own Device»                                                                                     sche Medien im Unterricht auseinander­
                                                                                                                                  zusetzen. Auch die Nutzung bestehender
       im Gang. Das Motto: Evolution, nicht                                                                                       Lernplattformen wie Moodle, Google Drive
                                                                                                                                  oder Onenote, die Förderung des selbst­
       Revolution.                                                                                                                ständigen, individuellen Lernens oder
                                                                                                                                  den kritischen und verantwortungsvollen
       Text: Jacqueline Olivier Foto: Sophie Stieger                                                                              Umgang mit Informationen hatte man im
                                                                                                                                  Blick. Im Rahmen eines Pilotprojektes
                                                                                                                                  starteten 2012 und 2013 zu Beginn des
                                                                                                                                  Frühlingssemesters je zwei 3. Klassen als
                                                                                                                                  Laptop-Klassen. Die beteiligten Lehrper­
                                                                                                                                  sonen waren vorab an zwei Weiterbil­
                                                                                                                                  dungstagen – teilweise fachspezifisch –
                                                                                                                                  geschult worden. Dadurch kann heute in
                                                                                                                                  jeder Fachschaft auf eine oder mehrere
                                                                                                                                  Lehrpersonen gezählt werden, die wissen,
                                        Laptop auf den Tisch, aufklappen, hoch­      nem Laptop oder einem Tablet unterwegs,      wie die Laptops im Unterricht gewinn­
                                        fahren – und losgehen kann der Unter­        sagt Projektleiter Lucius Hartmann. Dank     bringend eingesetzt werden können.
                                        richt. Für die Schülerinnen und Schüler      des Laptop-Projekts wird ihnen nun je­           Aufgrund der positiven Evaluation des
                                        der 4. Klassen an der Kantonsschule Zür­     doch ein Teil der Anschaffungskosten         Pilotprojekts fiel im Juni 2016 der Ent­
                                        cher Oberland (KZO) in Wetzikon ist dies     durch die Schule erstattet. Die Schüle­      scheid über die definitive, flächende­
                                        Alltag. Sie sind der erste Jahrgang, mit     rinnen und Schüler respektive deren El­      ckende Einführung am Kurzgymnasium.
                                        dem die Schule vollumfänglich auf «Bring     tern tragen die Kosten für die Geräte hin­   Das heisst, dass jeweils ab dem zweiten
                                        Your Own Device» – kurz BYOD – setzte.       gegen selbst. Für jene, die dazu nicht in    Semester der 3. Klasse – also nach der
                                        Natürlich nicht, ohne sich die Sache reif­   der Lage seien, so Lucius Hartmann wei­      Probezeit – der Laptop oder das Netbook
                                        lich überlegt und im Rahmen eines Pilot­     ter, stünden Stipendien oder der schul­      in jede Schülermappe gehört und in den
                                        projekts erste Erfahrungen gesammelt zu      eigene Fonds für Härtefälle zur Verfü­       Lektionen einsatzbereit sein muss. Wie,
                                        haben.                                       gung. Anlass zu Diskussionen habe der        wann und wie oft damit gearbeitet wird,
                                            BYOD bedeutet: Jede und jeder bringt     finanzielle Aspekt bisher allerdings nie     ist aber der einzelnen Lehrperson über­
                                        sein eigenes Gerät mit in die Schule, um     gegeben, im Gegenteil: «Der Elternverein     lassen. Man habe, erklärt Lucius Hart­
                                        damit zu arbeiten. An der KZO gilt dies      wurde von uns schon in der Pilotphase        mann, bewusst darauf verzichtet, Richt­
                                        sowohl für Schülerinnen und Schüler als      ­involviert und hat von Anfang an grosses    linien dazu zu erstellen. Dies im Sinne der
                                        auch für Lehrpersonen. Von Letzteren          Interesse am Vorhaben gezeigt.» Auch an     Methodenfreiheit der Lehrpersonen, aber
                                        seien heute ohnehin die meisten mit ei­       den späteren Informationsveranstaltun­      auch, weil sich das elektronische Gerät
                                                                                                                                  nicht in jedem Fach und für jede Art des
                                                                                                                                  Arbeitens gleich gut eigne. «Im Bildneri­
                                          Das Konzept «Bring Your Own Device»                                                     schen Gestalten oder im Sport beispiels­
                                            Laut Konzept der Kantonsschule Zürcher Oberland (KZO) steht der Einsatz von           weise sind Laptops nur begrenzt ein­
                                            IT-Geräten im Unterricht im Dienst der Fachinhalte und erweitert die didakti­         setzbar. Wobei sie auch hier gute Dienste
                                            schen Möglichkeiten. Für die Geräte der Schülerinnen und Schüler erlässt die          leisten, wenn es etwa darum geht, eigene
                                            Schule gewisse Vorgaben. Diese werden wie auch die Softwareliste jährlich             kurze Videos oder Trickfilme zu produ­
                                            überprüft und angepasst. Die Lehrpersonen sind bei der Gerätewahl völlig frei.        zieren oder einen bestimmten Sprung auf
                                            Ein Teil der Anschaffungskosten wird durch die Schule erstattet. Die Kosten für       dem Trampolin einzuüben und ihn vorher
Schulblatt Kanton Zürich 6/2017 Fokus

                                            die Office-Software übernimmt die Schule, die Kosten für Hardware und Soft­           zu diesem Zweck zu filmen.»
                                            ware der Schülerinnen und Schüler tragen die Eltern.
                                            Grundsätzlich ist jede Benutzerin und jeder Benutzer selber für das eigene Ge­        Nicht mehr ins IT-Zimmer
                                            rät zuständig. Pro Klasse werden aber ein oder zwei Schüler oder Schülerinnen         Inzwischen machten die meisten Leh­
                                            als IT-Supporter ausgebildet, auch in jeder Fachschaft stehen IT-Verantwortliche      rerinnen und Lehrer Gebrauch von den
                                          zur Verfügung. Wissen diese Personen nicht weiter, kann das IT-Team der                 Geräten, stellt der Projektleiter fest. So
                                          ­Schule beigezogen werden. Wer sein eigenes Gerät vergisst oder vorübergehend           auch Englischlehrerin Jola Svalina. «Die
                                           nicht benutzen kann, hat die Möglichkeit, in der Mediothek gegen Gebühr ein            Laptops bedeuten eine Erleichterung auf
                                           Ersatzgerät auszuleihen.                                                               verschiedenen Ebenen», sagt sie, «man
                                           Die Pilotklassen haben die Maturprüfungen ohne Einsatz ihrer Geräte absolviert.        muss beispielsweise nicht immer Bücher
                                           Bis der erste Jahrgang der regulären Klassen die Prüfungen absolvieren, sollen         he­rumschleppen, weil heute vieles auch
                                           entsprechende Richtlinien der Fachschaften den Einsatz der Geräte regeln.              als E-Book existiert, namentlich litera­
                                           Ab 2019, nach abgeschlossener Einführungsphase, soll der Bestand der                   rische Werke und Schulbücher.» Ausser­
                                           ­IT-­Zimmer und Laptop-Wagen der Schule um 50 Prozent reduziert werden. [jo]           dem falle das Kopieren von Arbeitsmate­
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                                                                                                                                  rial weg, Aufträge könnten schneller und
Englischlehrerin Jola Svalina,
                                                                                                      Projektleiter Lucius Hartmann und
                                                                                                             Biologielehrerin Gaby Keller
                                                                                                       (von links) finden den Einsatz von
                                                                                                     Laptops im Unterricht bereichernd.

klarer e ­ rteilt werden und die Schülerin­   elektronischer Form meistens gratis zur       im Unterricht einen Mehrwert bringen
nen und Schüler in entsprechenden On­         Verfügung stehen. Ausreden wegen ver­         und der Bildschirm nicht bloss das Papier
                                                                                                                                            Schulblatt Kanton Zürich 6/2017 Fokus

line-Räumen einzeln und doch alle zu­         gessener Bücher werden am Kurzgymna­          ersetzen. Was umgekehrt nicht heisst,
sammen an einem Thema oder einer              sium der KZO also in einigen Jahren der       dass die Schule nun gänzlich auf Papier
Aufgabe arbeiten.                             Vergangenheit angehören.                      verzichten würde. Manchmal sei dieses
      Dies sieht auch Lucius Hartmann, der                                                  nach wie vor die bessere Variante, be­
Mathematik, Griechisch und Latein un­         Manchmal lieber auf Papier                    tont Lucius Hartmann. «Gerade in der
terrichtet, so. «Bisher hat man gewisse       Bevor man mit den Laptops effizient ar­       Mathematik ist es oft sinnvoll, Aufgaben
­Arbeiten im IT-Zimmer ausgeführt. Man        beiten kann, müssten die Lehrerinnen und      auf Papier zu lösen – weil es schneller
 musste also erst ein solches Zimmer re­      Lehrer allerdings einen gewissen Mehr­        geht und sich der Lösungsweg besser
 servieren, mit der Klasse dorthin wech­      aufwand betreiben, fährt Jola Svalina fort.   nachvollziehen lässt.»
 seln, warten, bis alle PCs aufgestartet      Nicht nur, um eigene elektronische Ar­            Auch wo experimentelles Forschen
 waren.» Jetzt kann die Lehrperson im
 ­                                            beits- und Übungsanlagen zu erstellen,        im Zentrum steht, kann der Laptop ge­
 Klassenzimmer bleiben, die Laptops sind      sondern ebenso, um im Internet nach er­       trost zubleiben, wie Biologielehrerin Gaby
 jederzeit bereit und die Schüler haben       gänzendem Material wie etwa nach pas­         Keller erklärt. Wie aber sieht es mit der
 ­darauf ihr Unterrichtsmaterial sowie be­    senden Filmsequenzen oder zusätzlichen        Ablenkung aus, wenn die Klasse an den
                                                                                                                                            15

  nötigte Nachschlagewerke, die heute in      Texten zu suchen. Denn der Laptop soll        Geräten beschäftigt ist? Wird da nicht 
der eine oder andere Schüler zum Sur­
                                        fen oder Chatten verleitet? Gaby Keller         Forum Zukunft Bildung: Digitalisierung
                                        schmunzelt. «Mit der Zeit lernt man, die        Wie verändert die Digitalisierung unsere Wissens- und Informationsgesell­
                                        Gesichter der Schülerinnen und Schüler          schaft? Wie verändern sich Lehre und Lernen im digitalen Wandel? Wie sieht
                                        zu lesen.» Zudem sei es im Rahmen des           die Schule der Zukunft aus? Mit solchen Fragen beschäftigten sich die Teil­
                                        selbstorganisierten Lernens Teil des Lern­      nehmerinnen und Teilnehmer der ersten Tagung des Forums Zukunft Bildung
                                        prozesses, Selbstdisziplin zu trainieren.       vom 12. September an der Pädagogischen Hochschule Zürich. Die grosse Teil­
                                                                                        nehmerzahl und die regen Diskussionen zeigten: Das Thema bewegt.
                                        Technische Kenntnisse nötig                     Im ersten Block ging es um die Digitalisierung in der Bildung. Nach vier Input-
                                        Grundsätzlich, meint Jola Svalina, brau­        Referaten, die das Thema aus ganz unterschiedlicher Perspektive angingen,
                                        che es zunächst Zeit, mit den Klassen das       wurde in Workshops gearbeitet. Sie widmeten sich dem digitalen Wandel, den
                                        Arbeiten mit den Geräten einzuüben. Und         Megatrends, der Schule der Zukunft und den Bildungszielen in der digitalisierten
                                        als Lehrperson probiere man auch selber         Gesellschaft. Am Nachmittag stand die Digitalisierung in der Lehre der Hoch­
                                        noch vieles aus, da gerade in Englisch im­      schulen zur Debatte, wieder mit vier Input-Referaten und anschliessenden
                                        mer wieder neue Produkte auf den Markt          Workshops.
                                        kämen. Etwas anders sieht es laut Gaby          Auch die Jugend war gefragt. Schüler und Lernende hatten sich im Jugendwett­
                                        Keller für das Fach Biologie aus, für das       bewerb vorgängig mit der Schule von morgen auseinandergesetzt und ihre
                                        noch wenig Material vorhanden sei. «Zum         ­Visionen skizziert. Eine Auswahl der eingegangenen Projektideen wurde an
                                        Glück gibt es nun ein elektronisches Bio-        der Tagung vorgestellt, drei von ihnen zum Abschluss prämiert.
                                        Buch.» Ausserdem, sind sich die drei einig,      Das Forum Zukunft Bildung geht der Frage nach, wie sich die Welt in den
                                        müsse man am Anfang auch immer wie­              ­kommenden Jahren verändert, und zeigt auf, was dies für die Bildung bedeutet.
                                        der technische Unterstützung bieten, als          Es wird getragen von der Universität Zürich, der ETH Zürich, HSGYM, Impuls
                                        Lehrperson sei man nun also auch noch             Mittelschule, der Zürcher Hochschule der Angewandten Wissenschaften
                                        IT-Supporter. Zwar werden jeweils ein             (ZHAW), der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) und der Pädagogischen
                                        bis zwei Schülerinnen oder Schüler pro            Hochschule Zürich. Informationen und Impressionen der ersten Tagung sind
                                        Klasse vorgängig durch das IT-Team ge­            auf der Homepage aufgeschaltet. [jo]
                                        schult, um bei Problemen mit der Soft­           www.zukunftbildung.ch
                                        wareinstallation, der Konfiguration des
                                        WLAN und des Druckers helfend ein­
                                        greifen zu können, doch wissen auch sie       mehr sich die Geräte in der Schule nun       Jola Svalina etwa erwartet nicht, dass alle
                                        nicht immer weiter. Und bevor man sich        aber verbreiten, desto weniger Ablehnung     ihre Englisch-Schülerinnen und -Schüler
                                        an die IT-Spezialisten der Schule wendet,     nimmt die Biologielehrerin wahr.             ein E-Book besitzen, auf dem sie die lite­
                                        probiert man es als Lehrerin oder Leh­            «Am Anfang hatten viele Schülerin­       rarischen Werke, die in der Klasse behan­
                                        rer doch oft noch selbst. Wofür gewisse       nen und Schüler Bedenken, sie müssten        delt werden, lesen. «Viele lesen nach wie
                                        Grundkenntnisse unerlässlich sind.            nun täglich sieben Stunden vor dem Lap­      vor lieber ein Buch und wollen bewusst
                                                                                      top sitzen», erzählt Lucius Hartmann,        kein E-Book. Das ist völlig in Ordnung.»
                                        Immer mehr Normalität                         «das ist natürlich nicht der Fall. Weshalb
                                        Wie reagieren denn die Jugendlichen auf       andere wiederum enttäuscht waren.» Es        Neue Richtlinien für Matur
                                        diese ungewohnte Form des Unterrichts?        sei nie die Idee gewesen, nur noch digi­     Vielleicht wird das in einigen Jahren ein­
                                        Einzelne rümpften zuerst schon die Nase       tal zu unterrichten, so der Projektleiter    mal anders sein, denn die Technik ent­
                                        und reklamierten, «jetzt auch noch Tech­      weiter. «Der Laptop ist lediglich eine Er­   wickelt sich weiter und die Gewohnhei­
                                        nik!», antwortet Jola Svalina. «Andere hin­   weiterung des didaktischen Spektrums;        ten der Nutzer ändern sich. Darum wird
                                        gegen haben einen richtigen Motiva­           es geht um ein Nebeneinander von altbe­      laut Lucius Hartmann auch das Laptop-
                                        tionsschub.» Gaby Keller hat vor allem        währten und neuen Lernformen.» Darum         Projekt der KZO von den Verantwort­
                                        zu Beginn der Projektphase noch diverse       haben auch die Jugendlichen je nach          lichen weiterhin kritisch begleitet und
                                        Schüler erlebt, die elektronische Doku­       Lehrperson und Aufgabe immer wieder          wenn nötig immer wieder angepasst. Für
                                        mente zum Lernen lieber ausdruckten. Je       die Wahl, wie sie lieber arbeiten möchten.   den Projektleiter ist es zum Beispiel
                                                                                                                                   ­denkbar, dass man in absehbarer Zukunft
                                                                                                                                    bereits im Untergymnasium mit BYOD
                                          Konzept «ICT 2022 konkret» für Zürcher Volksschulen                                       beginnt, weil die Digitalisierung in den
                                          Die Fachstelle Bildung und ICT der Bildungsdirektion hat einen Grundlagen­                nächsten Jahren wohl auch in der Volks­
                                          bericht zum Thema ICT an Zürcher Volksschulen 2022 erstellt, der vom Bil­                 schule voranschreite.
                                          dungsrat Ende 2016 verabschiedet wurde. Der Bericht setzt sich mit der a   ­ ktuellen         Nun dauert es aber erst einmal vier
                                          Entwicklung der Digitalisierung auseinander und erörtert, welche ICT-Infra­               Jahre, bis alle Klassen des Kurzgymna­
Schulblatt Kanton Zürich 6/2017 Fokus

                                          strukturen in den Schulen angesichts von immer mehr mobilen Geräten, der                  siums ausgerüstet sein werden. Und spä­
                                          ­Zunahme von Cloud-Computing – also der Verlagerung von Daten und Anwen­                  testens ein Jahr bevor der erste Jahrgang
                                           dungen ins Internet – künftig sinnvoll und notwendig sind. Dies immer aus­               die Maturprüfungen ablegen wird, muss
                                           gehend von den pädagogischen Bedürfnissen und Zielen, wie Fachstellenleiter              klar sein, ob und wie der Laptop auch da­
                                           und Autor René Moser erklärt. Auf Basis des Berichts arbeitet die Fachstelle nun         bei eingesetzt werden kann oder soll. Die
                                           an einem Umsetzungskonzept mit Namen «ICT 2022 konkret». Es soll ähnlich                 Fachschaften werden deshalb entspre­
                                           funktionieren wie der ICT-Guide von 2012, der Schulen beim Erstellen eines               chende Richtlinien erlassen. Für Lucius
                                           ­eigenen Konzepts Schritt für Schritt Unterstützung bietet. Die Schulen können           Hartmann ist der punktuelle Einsatz der
                                            Umsetzungsmodelle aus «ICT 2022 konkret» als fertiges Konzept nutzen, nach              Geräte selbst an den Abschlussprüfun­
                                            eigenem Bedarf anpassen oder auch nur einzelne Elemente oder Inputs daraus              gen nur die logische Konsequenz: «Alle
                                            aufgreifen. Der Projektauftrag für «ICT 2022 konkret» ist erteilt, bereit sein          Quellen nutzen zu können ist ein Abbild
                                            soll das Planungsinstrument in rund zwei Jahren. Teilschritte werden durch die          der heutigen Realität. Dieser müssen wir
                                            Fachstelle aber laufend publiziert. Parallel dazu wird derzeit der ICT-Guide            Rechnung tragen und die Schülerinnen
                                            überprüft und wo nötig angepasst. [jo]                                                  und Schüler auf diese Wirklichkeit vor­
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Herr Brandenberg, Generationen von                                                                        Digitale Lehrmittel

                                                         «Digitalisierung
Schulkindern haben ausschliesslich
mit gedruckten Lehrmitteln gearbeitet.
Weshalb braucht es heute digitale

                                                       ist nicht in jedem
Lehrmittel?
Als die Lehrmittelverlage vor gut zehn
Jahren die ersten digitalen Lehrmittelan­

                                                             Fall sinnvoll»
gebote realisierten, reagierten sie auf ein
gesellschaftliches Bedürfnis. Dazu kamen
die immer lauter werdenden Stimmen
aus dem Schulfeld. Damals hiess es: Ihr
schläft, hinkt hinterher.                                       Welche Herausforderungen birgt
     Was änderte sich damals in den
Schulzimmern?                                                  die fortschreitende Digitalisierung
Die Arbeitsweise. Früher gab es nur
den klassischen Hellraumprojektor. Und
                                                                für den Lehrmittelverlag Zürich?
plötzlich kamen Presenter und fest ins­                    Nicolas Brandenberg, Leiter Abteilung­
tallierte Beamer dazu. Damit wuchs der
Wunsch, digitale Inhalte für die Klasse                            Digitale Medien, gibt Auskunft.
sichtbar zu machen – analog dem klassi­
                                                                                                        Text: Reto Heinzel Foto: Sophie Stieger
schen Tafelbild.
     Welchen Mehrwert bieten digitale
Lehrmittel?
Das Bedürfnis nach Differenzierung und
Individualisierung ist heute im Unter­
richt viel grösser. Einem Thema nähert
man sich oft aus verschiedenen Perspek­         an allen Schulen gleich. Nicht überall ar­   Das Digitale ist aber sicher ein wert­
tiven. Es ist klar: Mit digitalen Lehrmitteln   beitet man mit denselben Geräten. Dazu       volles Puzzlestück in der Unterrichtsge­
lässt sich viel einfacher ein breites An­       kommt, dass in Sachen Computer nicht         staltung. Einen Schritt weiter geht dann
gebot realisieren, das den unterschied­         jede Lehrperson gleich fit ist und auch      das digitale «dis donc!»-Arbeitsbuch, das
lichen Niveaus der Schülerinnen und             Lust verspürt, sich intensiv mit digitalen   nächstes Jahr erscheint. Schülerinnen
Schüler entspricht. Beim Hörverständnis         Fragen auseinanderzusetzen. Aus diesem       und Schüler werden dort auch hinein­
zum Beispiel kann heute dank Computern          Grund machen wir Lehrmittel, die überall     schreiben können, die Einträge werden
jeder in seinem individuellen Tempo ar­         funktionieren und einsetzbar sind, egal,     gespeichert. In diesem Fall ist es dann
beiten. Früher mussten alle auf die Lehr­       ob im Schulzimmer nur ein einzelner          durchaus ein Substitut zum Gedruckten.
person warten, die auf einem Kassetten­         Computer steht oder die gesamte Klasse             Wieso war es im Fall von «dis
rekorder die Play-Taste drückt.                 mit einem Tablet ausgerüstet ist. Das ist    donc!» nicht möglich, das digitale
     Sehen Sie digitale Lehrmittel vor          eine besondere Herausforderung bei der       ­Arbeitsbuch für Schülerinnen und
allem als Ergänzung zum bestehenden             Entwicklung digitaler Lehrmittel – es muss    Schüler gleichzeitig mit den anderen
Angebot?                                        überall einsetzbar sein.                      Teilen zu veröffentlichen?
Für uns setzt sich ein Lehrmittel aus               Kann man also ohne Lernverlust            Das hat in erster Linie technische Grün­
unterschiedlichen Komponenten zusam­
­                                               die gedruckte oder die digitale Version       de. Das Buch muss auf allen Betriebs­
men. Beispielsweise umfasst das Lehr­           verwenden?                                    systemen und Geräten – Desktop, Smart­
mittel «dis donc!» für die Schülerinnen         Das ist von Lehrmittel zu Lehrmittel ver­     phone, Tablet – funktionieren. Bei «dis
und Schüler ein Arbeitsbuch, eine Lern­         schieden und hängt vom Konzept ab. Bei        donc!» gibt es sehr komplexe visuelle An­
plattform sowie das Nachschlagewerk             «dis donc!» zum Beispiel ist die web­         ordnungen.
«dis voir!». Diese sogenannten Lehrwerk­        basierte Lernplattform ein integraler Be­          Die Herausforderungen liegen für
teile können als gedrucktes Buch, als digi­     standteil. Dort gibt es vertiefende Übun­     Sie also vor allem in der technischen
tales Medium oder aber auch sowohl in           gen, Audiodateien, Videos; auch Links zu      Umsetzung?
einer gedruckten als auch einer digitalen       anderen Seiten wie der Plattform Quizlet,     Nicht nur. Die inhaltlichen Herausfor­
Version erscheinen. Denn: Unsere neue­          wo man die Vokabeln mithilfe von vir­         derungen sind ebenfalls gross. Auch das
ren Lehrmittel sind bewusst so konzipiert,      tuellen Karteikärtchen üben kann. Trotz­      Zusammenspiel zwischen digital und
dass sie unterschiedlichen Bedürfnissen         dem: Es braucht stets das Zusammenspiel       Print muss reibungslos klappen. Entwi­
gerecht werden. Die Infrastruktur und die       von beidem, Buch und Lernplattform. Ein       ckelt man dagegen ein rein digitales Lehr­
                                                                                                                                             Schulblatt Kanton Zürich 6/2017 Fokus

räumlichen Voraussetzungen sind nicht           Medium allein kann nicht alles abdecken.      mittel, braucht es eine ganz andere Heran­
                                                                                              gehensweise. Dann ist vor allem wichtig,
                                                                                              dass es den Autorenteams gelingt, medien­
  Welche digitalen Lehrmittel sind in der Pipeline?                                           gerecht zu schreiben. Eine Digitalisierung
  Auf das Schuljahr 2018/19 angekündigt ist das digitale «dis donc!»-Arbeitsbuch              ist auch nicht in jedem Fall sinnvoll.
  für Schülerinnen und Schüler, in das man auch wird hineinschreiben und Dinge                     Weshalb?
  farblich markieren können. Das Geografie-Lehrmittel «Weltsicht» ­erscheint                  Beim Lehrmittel Mathematik Sekundar­
  im selben Jahr und wird ein digitales Angebot für Lehrpersonen umfassen.                    stufe zum Beispiel haben wir die Arbeits­
  Ab Anfang 2018 ist zudem Mathematik (Mittelstufe) als digitales Themenbuch                  hefte bewusst nicht digitalisiert. Zirkel
  für Schülerinnen und Schüler sowie für Lehrpersonen erhältlich. Das Lehrmittel              ­einstecken, Strecken messen, Handschrift
  «startklar – Deutsch für Jugendliche» wird ebenfalls über ein Angebot für Schü­              üben – diese handlungsorientierten Tätig­
  lerinnen und Schüler sowie für Lehrpersonen verfügen. Digitale Anteile haben                 keiten kann man digital nicht eins zu eins
  auch die Lehrmittel für das Fach Bildnerisches Gestalten (ab Anfang 2018) und                abbilden. Digitalisierung kann auch bedeu­
  für Natur und Technik (ab 2019). [rh]                                                        ten, auf Details zu fokussieren und ­diese
                                                                                                                                             19

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