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Das Band www.bvkm.de 1/2020 Zeitschrift des Bundesverbandes für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e. V. MIT S T E U E R- MERKBL AT T 2019/20 – S. 46 Innovativ 39 Inklusionshotel stellt sich vor Lesenswert 40 Palliativkonzept für Einrichtungen – Spielen ein Projekt Informativ 43 Angehörigen- Entlastungsgesetz – Neuregelungen
» i n h a lt Impresssum Meldungen xx DAS BAND Zeitschrift des Bundesverbandes für körper- und mehrfachbehinderte 2 Panorama Menschen e. V. 4 BVKM-Pinnwand 51. Jahrgang Verantwortlich Helga Kiel (Hrsg.) Thema Redaktion Stephanie Wilken-Dapper (v.i.S.d.P.) Tel. (02 11) 6 40 04 -14, Fax (02 11) 6 40 04 -20 S. 6 Mit SpaSS und Freude spielen! stephanie.wilken-dapper@bvkm.de – Reinhilde STöppler Redaktionsanschrift Bundesverband für körper- S. 12 Miteinander Spielen – Angela Simon und mehrfachbehinderte Menschen e. V. S. 18 Spielen ermöglichen – Anne Hawranke Redaktion DAS BAND Brehmstraße 5–7, 40239 Düsseldorf S. 22 Die Prinzessin mit dem Laserschwert dasband@bvkm.de | www.bvkm.de – Eva Moore, Lisa Vogt und Eva Zackl Abonnement und Adressverwaltung S. 27 Ingenieurskunst für Barrierefreiheit Markus Kosciow Tel. (02 11) 6 40 04-26 – Christine Brenner Fax (02 11) 6 40 04-20 markus.kosciow@bvkm.de S. 31 Das Cookiemonster – Kathrin Wenz Bankverbindung S. 34 Projekt „Indoorspielplatz“ – Christina Klotz Bank für Sozialwirtschaft (BfS) IBAN DE53 3702 0500 0007 0342 00 S. 38 Materialien auf einen Blick BIC BFSW DE33 XXX Titel und Realisation Detlef Grove Forum Fotovorlage Titel Fabian Helmich 39 Erholen, entspannen, entlasten – Das allgäu art hotel in (www.fabian-helmich.de) Kempten – reinhold scharpf Druck reha gmbh Saarbrücken Auflagenhöhe 40 Gut umgehen mit dem Tod – Inka Tolk 20.000 Exemplare Anzeigenverwaltung Ratgeber reha gmbh Tel. 0681 93621-173 konstanzepfuell@rehagmbh.de 43 Recht und Praxis Mediadaten auch unter Angehörigen-Entlastungsgesetz bvkm.de/ueber-uns/unsere- magazine/ – Überblick über Neuregelungen // Katja Kruse DAS BAND erscheint 2020 viermal. 46 Steuermerkblatt Für Mitglieder des Bundesverbands für körper- und mehrfachbehin- derte Menschen e. V. ist der Bezug der Zeitschrift im Mitgliedsbeitrag erhalten. Das Jahresabonnement DAS BAND auf www.bvkm.de Liebe Leserinnen und Leser, für Einzelbezieher kostet € 25,00. Die Lieferung erfolgt automatisch DAS BAND finden Sie als der bvkm ist auf Facebook, Instagram und Twit- für ein weiteres Jahr, wenn nicht bis digitale Version unter www. zum 30. September eine schriftliche ter aktiv. Von neuen rechtlichen Regelungen bvkm.de (Unsere Magazine). Kündigung erfolgt. und Stellungnahmen zu aktuellen politischen Sie können dort ein interak- Beiträge sind urheberrechlich und gesellschaftlichen Themen über Tipps für tives PDF herunterladen und geschützt. den Alltag bis hin zu Veranstaltungen – in den allen MitarbeiterInnen und In- Bei namentlich gekennzeichne- sozialen Netzwerken gibt es aktuelle Infos und teressierten zeitnah zugänglich ten Beiträgen sind die Verfasser Wissenswertes rund um den bvkm. Fan wer- machen. Einzelne Fachbeiträge verantwortlich. den, folgen und teilen lohnt sich! können ausgedruckt und für ISSN 01 70-902 X die tägliche Beratungsarbeit https://facebook.com/bvkm.ev genutzt werden. Verlinken Sie uns! https://instagram.com/bvkm.ev https://twitter.com/bvkmBund Das Band
Auftakt 1|20 Liebe Leserin und lieber Leser, Spiele, Spielzeug, Spielmaterialien – sind das nicht Themen für die Weihnachtszeit, in der wir uns alle Jahre wieder besonders viele Gedanken machen über Geschenke und speziell über Spielzeug? Haben wir mit diesem Thema in unserer Zeitschrift den falschen Zeitpunkt erwischt? Nein, sicher nicht, denn Spielen ist eine wichtige Interaktion und wird von fast allen Menschen geliebt und gepflegt. Die fröhliche Kommunikation bei Gesellschaftsspielen, die Freude bei gelungenen Strategiespielen und der Eifer bei Wettkampfspielen sind immer da – egal, zu welcher Jah- reszeit, Hauptsache es wird gespielt. Auch Menschen, die mit umfangreichen Unterstützungen leben, lieben Spiele und das gemeinsame Tun ausschließlich zum Vergnügen Spiele am Computer oder mit Mitteln, die ohne fremde und ohne ein Muss. Für sie ist Spielen ein ganz wichtiges Hilfe gespielt werden können, sind ein großartiger Beitrag Mittel zur Kommunikation, zur gesellschaftlichen Teilhabe zu Selbstbestimmung und freier Entscheidung. Unabhän- und zur Freude. Diese Menschen mit besonderen Bedar- gig von anderen und jederzeit kann der Lust nachgegan- fen und Vorlieben haben allerdings meist wenige Mög- gen werden, vergnüglich und ohne therapeutische oder lichkeiten, mit anderen ein gängiges Gesellschaftsspiel zu bildungsintendierte Ziele, Freude und Spaß im Spiel zu spielen. Auch ganz alleine zum reinen Zeitvertreib zu spie- erleben. len, ist für viele Menschen schwierig, die besondere Be- dingungen, Regeln und Geräte benötigen. Hierzu finden Bleiben Sie gesund und achten Sie auf sich Sie in dieser Ausgabe von DAS BAND eine Fülle von An- und alle anderen. regungen und erprobten Materialien, die es ermöglichen, mit anderen zusammen fröhliche Zeiten zu erleben. Mit anderen zusammen – und das in Zeiten von Corona, einem Virus, der uns gerade die Gemeinsamkeit verbie- tet und Abstand und Alleinsein verlangt? Also doch der falsche Zeitpunkt für die Thematik in diesem Band? Hier fällt mir das eindeutige „Nein“ schwer, auch wenn die Ihre Helga Kiel Vorsitzende des bvkm aktuelle Entwicklung nicht absehbar war. Die Heftigkeit dieser Krankheit hat uns alle überrascht und verlangt von allen, besonnen zu reagieren und achtsam zu sein. Pro- bieren Sie jetzt nicht gerade die Gesellschaftsspiele aus, sondern konzentrieren Sie sich auf die großartigen Aus- führungen, die Entwicklungen für Computerspiele gerade für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf aufzei- gen. Auch macht es Freude zu lesen, dass zu dieser Ent- Wichtig: Auch der bvkm organisiert aufgrund der Coro- wicklung Studierende und Informatik-Profis gemeinsam na-Pandemie seine Arbeit in der Geschäftsstelle um. Wir mit vielen Menschen, die Nutzer dieser besonderen Spiele sind dennoch unter den gewohnten Mailadressen für Sie sein sollen, an den Designs der Spiele, an den Animati- erreichbar. Wir als bvkm sind für Sie da. Dies gilt insbeson- onen und Möglichkeiten der Interaktionen gefeilt haben. dere während der Corona-Krise. Wir werden Sie in den Gemeinsam mit sehr intensivem Hineindenken in die Be- nächsten Tagen und Wochen bestmöglich über die Ent- darfe und Handhabungen der Menschen mit komplexem wicklungen und neuen Regelungen informieren sowie die Unterstützungsbedarf wurden bereichernde Begegnungen Unterstützung und den Schutz der Menschen mit Behin- geschaffen und Verständnis in zwei sehr unterschiedlichen derung in Zeiten von Corona auf politischer Ebene konti- Welten gefunden. Das ist Inklusion pur und wird bei allen nuierlich einfordern. Teilen Sie uns Ihre Sorgen und Nöte Beteiligten lange nachwirken können und nie vergessen mit, wir unterstützen Sie gern. werden. Ausgabe 1/20 1
BVKM »panor ama Wichtig! DAS BAND als PDF beim Sehen, Hören oder Verste- Informationszusammenstellung MDK verzichtet momentan hen auf eine besondere Aufbe- von Handicap International e. V.: auf körperliche Untersu- Die in den Texten verarbeiteten reitung der derzeitigen Ereignisse https://bvkm.de/wp-con- chungen Links können Sie schnell und angewiesen sind, eine Übersicht tent/uploads/2020/03/ unkompliziert nutzen, wenn Sie über barrierefreie Informations- informationen-zum-corona- Die Medizinischen Dienste der sich die jeweils aktuelle Ausgabe angebote zum Corona-Virus virus-mehrsprachig.pdf Krankenversicherung (MDK) von DAS BAND auch kosten- und den lebensnotwendigen Si- setzen jedwede Form der los als PDF herunterladen. cherheitsmaßnahmen, die damit Informationen zum Coronavirus körperlichen Untersuchung aus: https://bvkm.de/ueber-uns/ verbunden sind. Auch Handicap in Leichter Sprache auf der Seite Stattdessen werden die Medizi- unsere-magazine/ International e.V. hat eine Link- des Ministeriums für Arbeit, nischen Dienste die Einstufung in Liste mit Informations-Angebo- Gesundheit und Soziales des Pflegegrade auf Basis der bereits ten über Corona in unterschied- Landes Nordrhein-Westfalen: vorliegenden Informationen und Informationen zu Corona lichen Sprachen und Leichter https://www.mags.nrw/ eines ergänzenden Telefoninter- Sprache zusammengestellt. sites/default/files/asset/ views mit den Pflegebedürftigen Auf der Homepage der Aktion Infoseite der Aktion Mensch: document/corona-virus_ bzw. ihren Bezugspersonen Mensch finden Menschen, die https://www.aktion-mensch. leicht_2020-03-19_final_bf.pdf vornehmen. Auf diese Weise aufgrund von Einschränkungen de/corona-infoseite.html werden der zeitnahe Leistungs- bezug und die damit verbun- dene Versorgung sichergestellt Grüße von der #risikogruppe ECHT MEIN RECHT! „Du hast gedacht, wir wären kettenrau- Die Umsetzung der Rechte auf chende Todkranke oder zumindest alt? Weit Sexualität und auf Schutz vor gefehlt. Keiner von uns ist Rentner und wir sexualisierter Gewalt sind große gehen genauso gern wie du in Clubs, Bars Herausforderungen für Einrich- und auf Konzerte. Worauf wir keinen Bock tungen der Behindertenhilfe. Die haben, ist sterben. Genau das ist aber gar Ausstellung ECHT MEIN RECHT! nicht so unwahrscheinlich, wenn du nicht möchte Vereine, Einrichtungen einfach die nächsten Wochen zuhause und Dienste bei diesem Vor- bleibst und deinen sozialen Aktionsradi- haben unterstützen und zur us für ein paar Wochen einschränkst“, Prävention vor sexualisierter schreibt Raul Krauthausen in einem Post auf Gewalt beitragen. Die interaktive Instagram. Er will der jungen Risikogruppe Ausstellung bietet Erwachsenen ein Gesicht geben. Unter dem Hashtag und Jugendlichen (ab ca. 16 #risikogruppe sind alle Menschen, die ihre Jahren) mit Lernschwierigkeiten Geschichte erzählen wollen, aufgerufen anschauliche Möglichkeiten, mitzumachen. Eine klasse Aktion finden wir sich mit ihren Rechten auf und rufen dazu auf, sich zu beteiligen und Selbstbestimmung, Sexualität der Risikogruppe viele Gesichter zu geben. und Schutz vor sexualisierter Gewalt auseinanderzusetzen. Um auch in den Medien präsenter zu sein, https://www.petze-institut. vermitteln die Sozialhelden übrigens auch de/projekte/echt-mein-recht- Interviewpartner für die Medien. Melden fuer-maenner-und-frauen- kann man sich hier: www.sozialhelden.de mit-lern-schwierigkeiten/ https://dieneuenorm.de/coronavi- film-ueber-die-ausstellung/ rus-risikogruppe-behinderung/ Jeden Dienstag gibt es vom Inklusions-Ak- Nachgefragt! tivisten Raul Krauthausen handgepflückte Links aus aller Welt zu den Themen Inklu- Repräsentativbefragung zur Teil- sion und Innovation in seinem Newsletter. habe von Menschen mit Behin- derung. Dritter Zwischenbericht. Anmeldung unter: www.raul.de oder Eine „Repräsentativbefragung über den Link: https://raul.us8.list- zur Teilhabe von Menschen mit manage.com/subscribe?u=ff13c51814 Behinderungen“ (Teilhabestu- 2950e1da3755149&id=c96b003a32 die) untersucht die Teilhabe von Menschen mit Beeinträch- tigungen und Behinderungen in unterschiedlichen Lebensbe- reichen. Der dritte Zwischen- 2 Das Band
bericht stellt zentrale Ergebnisse der umfangreichen Screening- Erhebung vor. Auf der Website Corona-Krise: Besonderer Schutz und Unterstützung gefordert des BMAS finden sich auch die Zwischenberichte Nr. 1 u. 2. https://www.bmas.de/DE/ Service/Medien/Publikati- onen/Forschungsberichte/ Forschungsberichte-Teilhabe/ F orderungen der Fachverbände zur Corona-Krise: Menschen mit Behinderung brauchen jetzt besonderen Schutz und Unterstützung. Das fordern die Fachverbände für Menschen mit Be- hinderung, zu denen auch der bvkm gehört, in zwei Schreiben an das Bundesministerium für fb-541-repraesentativbefra- gung-behinderung.html Arbeit und Soziales und an das Bundesministerium für Gesundheit. Unter anderem müssen Ein- richtungen, die sich um Menschen mit erhöhten Risiken wie z. B. Erkrankungen der Atemwege kümmern, dringend mit ausreichend Schutzkleidung und Desinfektionsmitteln versorgt werden. Jetzt nachlesen! Auch muss die Begleitung von Menschen mit Behinderung im Krankenhaus sichergestellt werden. https://www.diefachverbaende.de/stellungnahmen/ Ende Januar haben die Fach- verbände – dazu gehört auch der bvkm – ihre Fachtagung „Soziale Assistenz, gute Pflege und ärztliche Versorgung für Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung im Krankenhaus – Situation und Perspektive“ veranstaltet. Eine Dokumentation steht nun zum Foto: Tobias Regesch Download zur Verfügung. www.diefachverbaende.de oder direkt über den nach- folgenden Link: https:// Foto: Marko Georgi diefachverbaende.de/files/ver- anstaltungen/2020-01-28_Doku- mentation%20Fachtagung%20 der%20Fachverbände.pdf „Zusammenhalten und gerade deshalb in den nächsten Wochen den Expertenbeitrag zu sozialen Aktionsradius einschränken und auf Abstand gehen: für den besonderen Schutz pflegenden Müttern von Menschen mit Behinderung und anderen Risikogruppen!“ Ihr bvkm Pflegende Mütter stehen unter einer enormen gesundheitlichen Belastung. Im neuen Experten- beitrag in der Reihe „Wegbe- Weg im Umgang mit der schwe- Kontakte knüpfen, wertvolle Kontakte knüpfen. gleiter“ (Nr. 19) erklärt Prof. Dr. ren Erkrankung ihrer Kinder. Die voneinander lernen https://www.bar-frankfurt.de/ Christa Büker (Fachhochschule Themen und Gäste sind bunt und service/datenbanken-verzeich- Bielefeld), welche Folgen die vielfältig – wie die Geschichten Neuer Service für EUTB Bera- nisse/hospitationsboerse.html Dauerbelastung für pflegende und Lebenswege der einzelnen tungsfachkräfte. Mit der neu Mütter hat. Im Gespräch geht Familien. Außerdem werden In- geschaffenen Hospitations- es u. a. über die beeindruckende terviewgäste ins offene Gespräch börse auf der Homepage der Gut informiert! Entwicklung von Frauen im eingeladen. Zu Gast sind Eltern, Bundesarbeitsgemeinschaft für Verlauf des Bewältigungspro- Geschwister von schwerkranken Rehabilitation e.V. (BAR) will die REHADAT stellt das aktuelle Ver- zesses nach der Diagnose. Prof. Kindern, Themenexperten und BAR einen Beitrag leisten, um zeichnis der „Rehabilitations- und Dr. Christa Büker macht sich für Fachkräfte aus dem Pflege-, Rehabilitationsträger und EUTB Teilhabeforschenden – Akteure eine angemessene Wertschätzung Hospiz- und Palliative-Care- miteinander ins Gespräch zu und Themen in Deutsch- und Würdigung der Leistungen Bereich. Eltern und Interessierte bringen, sich gegenseitig kennen- land 2020“ zum kostenfreien und des Engagements pflegender erhalten so themenrelevante zulernen und zu vernetzen. Bei Download bereit. Das Verzeich- Mütter bzw. Frauen stark. Impulse, Infos und Angebote der Hospitationsbörse handelt es nis informiert darüber, welche Über die Podcasts: In „Wegbe- für sich und ihre Familie. sich um ein „digitales schwar- Personen zu welchen Themen der gleiter“ erzählen betroffene Eltern https://kinder-palliativ- zes Brett“, das von der BAR als Rehabilitation, Teilhabe und In- ihre Geschichte. Sie berichten von landesstelle.de/wegbegleiter- Online-Angebot zur Verfügung klusion in Deutschland forschen. ihrem Alltag, den Höhen und Tie- der-podcast-fuer-familien-mit- gestellt wird. Beratungsfachkräfte https://www.rehadat- fen und ihrem ganz individuellen einem-schwer-kranken-kind/ können einen Hospitationsplatz forschung.de/forschende/ anbieten oder suchen und so reha-teilhabeforschende Ausgabe 1/20 3
BVKM » p i n n wa n d Berlin Flucht, Migration, Behinderung – Kooperations-Projekt Hier könnte auch eine Meldung über Ihren Verein stehen. Schicken Sie Foto „Ehrenamt in Vielfalt“ um zwei Jahre verlängert s und kleine Texte. Schreiben Sie uns unte Was brauchen Menschen mit Flucht- und/ oder Migrationserfahrung und einer Behinderung? Wie r E-Mail: dasband@bvkm.de können deren Angehörige langfristig in das Ehrenamt oder in Angebote der Selbsthilfe eingebunden werden? Und welche rechtlichen Besonderheiten gibt es an der Schnittstelle Flucht, Migration und Behinderung? – Antworten darauf gibt das Projekt „Ehrenamt in Vielfalt“ der bvkm-Mitgliedsorgani- sation „MINA – Leben in Vielfalt e.V.“ Das Projekt wird in Kooperation mit dem bvkm durchgeführt und durch die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration gefördert. Zwei neue Fahrzeuge fürs CarSharing 2019 organisierte MINA erfolgreich bundesweite Seminare sowie eine Fachtagung. Dank einer Projekt- verlängerung können erneut bvkm-Mitgliedsorganisationen vom Projekt profitieren. In den kommen- den zwei Jahren werden in mehrtägigen Workshops konkrete Lösungswege entwickelt, um wirksame Angebote für Menschen mit Migrationserfahrung zu etablieren. Außerdem erhalten ausgewählte Mitgliedsorganisationen des bvkm die Möglichkeit, bei der Entwicklung und Durchführung von Maß- nahmen an der Schnittstelle Flucht, Migration und Behinderung eng durch MINA begleitet zu werden. Foto: Stiftung Rückhalt Alle Informationen zu den Kooperationsangeboten finden Sie hier: https://bvkm.de/unsere-themen/migration-und-behinderung/ Kontakt: MINA – Leben in Vielfalt e. V., Tel. 030 40 365 76 20, vielfalt@mina-berlin.de www.mina-berlin.eu Sich keinen eigenen Wagen zu kaufen, sondern einen zu teilen – das liegt vor allem in den Großstädten im Trend. Doch das sogenannte CarSharing ist nicht nur für Wenig-Fahrer in der City interessant. Geteiltes Auto, volle Unterstützung. So könnte man das CarSharing- Projekt der saarländischen Stiftung Rückhalt beschreiben. Vor drei Jahren in Neunkirchen und vor zwei Jahren in Lebach gestartet, ist das Projekt weiterhin auf der Überholspur. Der Bund behinderter Autobesitzer e.V. (BbAB) spendete nun zwei komplett ausgestat- tete und vollständig behindertengerecht umgebaute Fahrzeuge. Es handelt sich um VW Caddys in der geräumigen Maxi-Version. Sie sind 50 cm länger und bieten bis zu fünf Mitfahrenden und einem Fotos (2): fotosally Rollstuhlfahrer Platz. Außerdem wurde eine spezielle Taxi-Rampe verbaut, eine Erfindung des Vereins. Diese rutschsichere Auffahr- rampe im Heckausschnitt ermöglicht einen einfachen Zugang zum Caddy. In den Standorten Lebach und Neunkirchen der reha gmbh stehen nun insgesamt drei PKW und ein Bus zum Ausleihen zur Verfügung. Alle Fahrzeuge sind barrierefrei und mit einer Rampe für Rollstuhlfahrer und einem Rollstuhlrückhaltesystem verse- hen. Gedacht ist das CarSharing-Angebot für Familien, in denen „K-C-Ei“ – wir feiern glei! Menschen mit Handicap leben und die sich einen solchen Wagen für Rheinländer! Traditionell hat der Wemaer oder auch eine teure Umrüstung nicht leisten können. Der Verleih So viel steht fest. Fasching ist nicht nur etwas ist kostenlos, lediglich das Benzin muss gezahlt werden. Und so tive Behinderte und ihre Familien Vogt- Karnevals Club gemeinsam mit der „Elterninitia funktioniert es: Kontaktieren Sie die Mitarbeiterin des Projektes. 400 kleinen und großen Narren bestens land e. V.“ Fasching gefeiert. Zum – mit rund Sie teilen ihr mit, zu welchem Zweck und für welchen Zeitraum Sie te „K-C- Ei – wir feiern glei!“ und „Wefa – besuchten – gemeinsamen Fasching schall das Fahrzeug benötigen. Wenn ein Fahrzeug zur Verfügung steht, Zur Musik von DJ „Doc Snyder“ tanzten Helau“ durch die große Veranstaltungshalle. holen Sie es bei der reha gmbh in Neunkirchen oder Lebach ab. Sie drei Stunden ohne Unterlass. Zuvor aber die behinderten und nicht behinderten Gäste erhalten eine Einweisung und hinterlegen eine Kaution. Nach Ablauf einen zünftigen Fasching gehört – mit gab es einen ordentlichen Start, wie es sich für und natür lich der Prinzenpaare. Die beiden Veran- der vereinbarten Nutzungszeit geben Sie uns das Fahrzeug einfach Einmarsch der Elferräte, Tanzgruppen vollgetankt und gereinigt am vereinbarten Ort wieder zurück. eine Menge Unterhaltung. Unter anderem stalter, die Elterninitiative und der WKC, boten Elterninitiative für beste Stimmung. sorgte die Tanzgruppe „Vergissmeinnicht“ der Kontakt: Tel. 0681 84 49 18 20 hil- www.carsharing-saar.de Fotos finden Sie hier: https://www.elterninitiative- fe-fuer-behinderte-im-vogtlan d.de/bilder.html rte-im-vogtland.de https://www.elterninitiative-hilfe-fuer-behinde 4 Das Band
Weitere Informationen unter www.bvkm.de Paketaktion Weihnachten 2019 im Einkaufszentrum ES! mit Traumergebnis Saarbrücken Einen Spendenscheck von 4500 Euro hat Center-Managerin Verena Fischer vom Ein- kaufscenter ES! an Ursula Hofmann, 1. Vorsitzende vom Esslinger Verein Rückenwind e. V., überreicht. Eine kleine Familiengruppe kam stellvertretend für die vielen Rückenwind- Familien zur Scheckübergabe ins ES. Bereits seit vierzehn Jahren verpacken Mütter behinderter Kinder vor Weihnachten Geschenke im Einkaufcenter ES! Mehr als 50 enga- gierte Frauen und Freunde des Vereins hatten alle Hände voll zu tun, die Geschenkeflut zu bewältigen. Gutsle, Fruchtaufstriche und Strickwaren wurden ebenso gern gekauft. Die Bevölkerung spendete großzügig für jedes hübsch verpackte Päckchen, sodass am Ende eine stolze Inklusive Jubiläumsfeier bei der reha gmb Summe zusammenkam. h! Die Vorsitzende bedankte Zu den Feierlichkeiten zum 50. Geburts- der reha gmbh wird durch seine Mitar- sich bei Verena Fischer tag der reha gmbh fanden sich am 29. beiter geprägt – das ist seit 50 Jahren für die großzügige Unter- November 2019 rund 700 Mitarbeiter so. Ganz bewusst verzichtete man somit stützung durch die Wer- in der Saarlandhalle in Saarbrücken Foto: Rückenwind Esslingen auf den üblichen Grußworte-Marathon. begemeinschaft des ES!, ein. Sie alle stießen auf ein halbes Stattdessen führten 18 reha-Mitar- die den Spendenbetrag Jahrhundert an, in dem im Saarland für beiterInnen in Zusammenarbeit mit kräftig aufgestockt hat. Menschen mit Behinderung die Teilhabe dem IntensivTheater aus Saarbrücken am Arbeitsleben verbessert wurde. Am eine einstudierte Bühnencollage auf, www.rueckenwind-es.de Anfang stand ein kleines Pflänzchen in in der die Entstehung und Entwick- Form einer „Behinderten-Werkstatt für lung der Werkstatt erzählt wurde. Spastiker“. Heute bietet die reha gmbh Ein musikalisches Highlight setzte an vier Standorten ein umfassendes der reha-Chor „Wir sind Wir“ mit Produkt- sowie Leistungsportfolio im seinem Auftritt. Die aus Menschen mit Druck-, Logistik- und Marketingbereich Mein Kind wird volljährig – und jetzt? und ohne Behinderung bestehende an. Neben ihren fünf Betriebsstät- Sing-Gemeinschaft überzeugte gleich ten unterhält die reha gmbh auch Wenn ein junger Mensch 18 Jahre alt wird, plant er in der Regel seinen Auszug mit einer doppelten Uraufführung. zwei Lebensmittelmärkte, in denen aus dem Elternhaus, Ausbildungsstelle, Studienplatz oder Ausland. Doch was Denn sie präsentierte nicht nur den Menschen mit Handicap gemeinsam passiert, wenn ein junger Mensch mit einer schweren Erkrankung oder Behin- extra für diesen Abend komponierten mit Fachkräften aus dem Lebensmittel- derung volljährig wird? Ein Auszug von zu Hause steht selten unmittelbar an. reha-Song, sondern sie stellte dem bereich Hand in Hand arbeiten. Hinzu Und für die Eltern geht die Bürokratie erst richtig los! Der Kinderarzt und das SPZ Publikum auch ihre erste CD vor. kommt der Zweig Fördern, Wohnen und sind nicht mehr zuständig und können ihre Leistungen nicht länger abrechnen. Eine rundum gelungene Feier! Integration. Denn das Unternehmen Das Ende der Schulzeit rückt immer näher und gleichzeitig werden passende gestaltet mit seinen drei Wohnanlagen Betreuungsangebote immer rarer. Ursula Hofmann, Gründerin von „rücken- https://www.reha-marketing.de sowie den zwei Tagesförderstätten auch wind e.V. – Pflegende Mütter behinderter Kinder stärken!“, war vor kurzem zu das soziale Umfeld seiner Mitarbeiter. Gast im Podcast „Wegbegleiter“ (Episode Nr. 18). Sie ist Mutter einer 18 Jahre Wichtig war den Verantwortlichen bei alten Tochter und Gründerin des Vereins „rückenwind e.V. – Pflegende Mütter der Jubiläumsfeier, dass die Mitarbeiter behinderter Kinder stärken! Ihr Beitrag ist ein Appell an die Verantwortlichen in im Mittelpunkt stehen. Denn der wirt- der Politik, die mangelnden Entlastungsangebote für pflegende Eltern und ihre schaftliche Erfolg eines Unternehmens schwer kranken oder behinderten Kinder ernst zu nehmen. In dem Podcast geht entsteht nicht an Computern oder an es um mangelnde Betreuungs- und Wohnangebote, Vereinbarkeit von Beruf Werkbänken, sondern in den Köpfen und Pflege, Altersarmut pflegender Eltern, Burnout, die Frage, was mit den und Herzen von Menschen. Der Geist Kindern passiert, wenn pflegende Eltern alt werden, die Sorge um die Zukunft des eigenen Kind und andere Dinge. Ein spannender, ehrlicher und gleichzeitig bedrückender Beitrag darüber, wie pflegenden Eltern die Perspektiven fehlen. Herausgegeben werden die Podcasts von der Landesstelle Pallia- tive Care für Kinder und Jugendliche am Hospiz Stuttgart. Hier geht es zum Podcast (Nr. 18): https://kinder-palliativ-landesstelle.de/ Fotos: reha gmbh wegbegleiter-der-podcast-fuer-familien-mit-einem-schwer-kranken-kind/ http://www.rueckenwind-es.de Ausgabe 1/20 5
THEMA Mit Spaß und Freude spielen! Bedeutung und Möglichkeiten des Spiels bei Menschen mit schweren Behinderungen Reinhilde Stöppler Das Spiel stellt einen interessanten und aktuellen Begriff und Bedeutung des Spiels Megatrend dar; die große Freude am Spielen lässt Spielen zeichnet sich durch Vielfalt und Vieldeutigkeit sich mittlerweile über die gesamte Lebensspanne aus. Entsprechend wird der Spielbegriff unterschiedlich feststellen. Menschen mit schwerer Behinderung weit gefasst sowie in verschiedenen Altersgruppen und Kontexten unterschiedlich gestaltet. Er reicht vom kind- wird jedoch Spielkompetenz oftmals abgesprochen, lichen Spiel, z. B. Puppenspiel, Einkaufsladen, bis hin zu ihre Spielbiografie besteht nicht selten bis ins Alter aktuellen Indoor-Kinderspielparadiesen und einer Viel- lediglich aus dem Spiel „Mensch ärgere Dich nicht“. zahl von digitalen Spielen. Bei erwachsenen Menschen stehen Spiele wie Gesellschaftsspiele, Geo-Caching, Allerdings können Menschen mit schwerer Behin- Sportspiele, Spielkonsolen im Vordergrund. Der Begriff derung auch andere Spiele spielen, gerade aktuelle Spiel findet sich auch in der Alltagssprache, z. B. Fest-, Naturschau- und Gedankenspiele sowie in zahlreichen Spiele haben auch für sie einen hohen Anreiz. Redewendungen und Sprichwörtern wieder („Das ist für mich ein Kinderspiel“, „Erst die Arbeit, dann das Spiel“). Allesamt drücken sie etwas Positives und Leichtes aus. I m Folgenden werden einige theoretische Aspekte zu Eine präzise Definition des Begriffs ist schwierig. Etymo- Begriff und Bedeutung des Spielens sowie Formen logisch bedeutet das Wort „spilon“, „sich lebhaft bewe- des Spiels mit ihren Möglichkeiten bei Menschen gen“, „fröhlich sein“, „musizieren“; im 9. Jahrhundert mit Komplexer Behinderung aufgezeigt werden. Im An- hat das mittelhochdeutsche Wort „spil“ die Bedeutungen schluss daran soll auf mögliche Probleme, aber vor allem „Tanz“, „Scherz“, „Musik“; von Anfang an bedeutet es auf Perspektiven und Möglichkeiten des Spielens bei „Kurzweil“, „Unterhaltung“, „Unbeschwertheit“ (vgl. Menschen mit Behinderung, hingewiesen werden. Stöppler et al. 2016, 11). Der kindliche Alltag ist durch vielfältige Spielsituationen geprägt. Spielen allgemein hat für die Entwicklung eines Kindes eine herausragende Bedeutung. Nach Heimlich Einfache Sprache (2015, 32) spielen Kinder in den ersten sechs Lebens- jahren ca. 15.000 Stunden. Kinder lernen im Spiel wie Menschen mit einer schweren Behinderung spielen gern. Oft wird nebenbei; der Kompetenzerwerb erfolgt im leichten „Kinderspiel“. Das Spiel kann sehr vielfältig pädagogisch mit ihnen nur das Spiel "Mensch ärgere dich nicht" gespielt. Sie genutzt werden, indem Lerninhalte über das Spiel trans- interessieren sich aber auch für ganz andere Spiele. Das wissen portiert werden. Der Erwerb verschiedener Kompetenzen viele Betreuer oder Familien nicht. Manchmal muss an den Spie- durch Spielaktivitäten ist empirisch belegt. Das Spiel wird len etwas verändert werden. Beispiel: Die Spiel-Figuren müssen auch in der Förderpädagogik, z. B. in der Geistigbehin- etwas größer sein, damit die Menschen die Spiel-Figuren besser dertenpädagogik, als didaktisch-methodisches Mittel im Unterricht genutzt. Betont wird vor allem die Förderung anfassen können . Oder es müssen einige Spiel-Regeln verändert der Wahrnehmung und kommunikativer, sensomoto- werden. Damit alle die Regeln gut verstehen. Wichtig ist auch: rischer und kognitiver sowie sozialer Kompetenzen, denn Spielen soll Spaß machen. Spielen ist keine Therapie! ■ das Spiel unterstützt die Ausdifferenzierung des Sozial- verhaltens, der Persönlichkeits- und Identitätsbildung 6 Das Band
© helfende Hände (www.helfende-hände.org)/Fabian Helmich (www.fabian-helmich.de) Wir bedanken uns für die Abdruckgenehmigung der Fotos bei Helfende Hände e.V., München. Die Fotos entstanden in den Einrich- tungen und Diensten der Helfende Hände e.V. und gGmbH, München. Die Fotos stammen von Fabian Helmich. sowie der Realitätsbewältigung. In Spielhandlungen wer- Freude? Eine nicht repräsentative Umfrage in schulischen den problematische Situationen und Alltagsrealität zu und außerschulischen Einrichtungen der Behindertenhil- Freude und Spaß verarbeitet (vgl. Stöppler et al., 2016, fe in Hessen brachte übereinstimmend folgende Ergeb- 13 f.; Stöppler & Kressin 2017, 27). Aber das Spiel sollte nisse: Schülerinnen und Schüler im Förderschwerpunkt neben den aufgezeigten Aspekten des intentionalen Ler- geistige Entwicklung spielen am liebsten „Memory“, nens auch um des Spielens willen gespielt werden, denn „Uno“, „Halli Galli“, sowie die Bewegungsspiele „Mein Spielen bereitet vor allem Spaß, Freude und Unterhal- rechter Platz ist leer“, „Bello, Dein Knochen ist weg“. tung. Es stellt sich die Frage, welche Merkmale dem Spiel Ältere Menschen spielen auch sehr gern, bei ihnen sind ein derartiges Potenzial geben. Es ist davon auszugehen, am beliebtesten die Spiele „Mensch ärgere Dich nicht“, dass Menschen von Spielen aufgrund ihrer zumindest „Quirkle“ und das Bewegungsspiel „Indiaka“; auch vordergründigen Zweckfreiheit fasziniert sind. Goetze wurden digitale Spiele auf dem Tablet genannt, z. B. be- (2008) nennt folgende Merkmale des Spielens: Positiver sonders beliebt im ländlichen Hessen: Landwirtschaftssi- Affekt und Freude, Freiwilligkeit, Selbstkontrolle, intrin- mulationen. sische Motivation, Aktivität, Engagement, Flexibilität, Variation, Prozessorientierung sowie Quasi-Realität. Besonders betont werden soll hier der Aspekt der Freude Formen des Spiels und der intrinsischen Motivation. Spielmotivation grün- det in der Regel in freiwilligem Interesse und persönlicher Die Spielentwicklung des Menschen verläuft in der Re- Freude. Deshalb ist Spielen meist intrinsisch motiviert und gel in verschiedenen Stufen und wird von verschiedenen DAS BAND online unter www.bvkm.de somit eine günstige Voraussetzung für Lernprozesse. Al- Autoren wie Piaget (1969), Bühler (1928) und Heimlich lerdings gibt es auch extrinsisch motiviertes Spielverhal- (2015) ähnlich untergliedert und benannt. Dabei werden ten, etwa durch Gruppenzwang oder durch Spielvorgabe die Spielformen oftmals in Abhängigkeit zur kindlichen von Lehrkräften. Andreas Flitner (1973, 9), ein bekann- Spielentwicklung gesehen. Menschen mit Behinderung ter deutscher Spieltheoretiker, fasst das Kinderspiel so benötigen vielfältige und sinnvolle Spielangebote, die zusammen: „Warum spielt der Mensch? Offenbar treibt ihrem Entwicklungsstand und Alter entsprechen. Im Fol- ihn etwas dazu, es macht Spaß und hält ihn in Gang, es genden sollen verschiedene Formen des Spiels auf die sättigt ihn und läßt ihn doch immer wieder neue Spiele Zielgruppe bezogen werden; den vorgestellten Spielvor- suchen“ (Flitner 1973, 9). schlägen liegen verschiedene Zugangsweisen zugrunde So stellt sich die Frage, welches Spiel macht Menschen und es werden Bezüge zu unterschiedlichen pädago- mit Behinderungen und mit schweren Behinderungen gischen Konzepten hergestellt. Diese Einteilung der Spiel- Ausgabe 1/20 7
THEMA Behinderung zu unterstützen. Zur Anregung der funk- tionale Tüchtigkeit können in basalen Spielaktivitäten Spielmaterialien und -medien angeboten werden, mit denen man spielerisch Geräusche hören, spüren, lokali- sieren, selbst erzeugen kann, die sich haptisch gut greifen lassen, sich gut anfühlen, z. B. Klangwürfel, Murmelkli- cker und Newtonpendel, Ocean Drum, Geräuschdosen, Memo-Spiele, Klingel mit Klingeleffekt, Luftballons und Knautschbälle, Lachsack (vgl. Omonsky 2018, 30 ff.). Im „Konstruktionsspiel“ (ca. 2 bis 4 Jahre) steht das ge- plante Bauen und Konstruieren von Spielmaterial, z. B. Bauen mit Bauklötzen, Lego, Minecraft als digitales Spiel, im Vordergrund. Ab dem zweiten Lebensjahr entwickeln Kinder Interesse am Bauen, Gestalten und Konstruieren mit Duplosteinen und Bauklötzen, aber auch mit Knete, Manchmal müssen herkömmliche Spiele einfach angepasst Farben und Papier. In dieser Phase des Konstruktions- und überarbeitet werden. spiels gestaltet das Kind eigenständig und fantasievoll Bauwerke, Figuren und Objekte. Die explorierten Ge- genstände werden im Spiel miteinander kombiniert und formen erfolgt nach Piaget und Bühler, unterschieden gern auch wieder umgestoßen. Diese Stufe der Entwick- wird dabei zwischen: lung im Spiel ist auch bei Menschen mit schwerer Behin- – Funktions-/Übungs-/Explorationsspiel derung zu erkennen, z. B. bei Spielaktivitäten wie Dosen, – Konstruktionsspiel Bauklötze und -steine stapeln, Wege, Mauern, Türme – Rollen-/Symbolspiel bauen (vgl. ebd.). Es ist wichtig, für die Umsetzung ge- – Regelspiel eignete Materialien zu verwenden, z. B. große Bausteine Zu Beginn der (kindlichen) Entwicklung steht das „Funk- aus Schaumstoff, die leichter sind, besser gefasst werden tionsspiel“ oder auch „Explorationsspiel“ oder „Übungs- können und nicht so leicht zusammenfallen, weil sie nicht spiel“ genannt (ca. 0 bis 2 Jahre). Im Mittelpunkt dieser so glatt sind wie Holzbausteine. In der darauffolgenden Spielform steht die Erprobung und Übung der eigenen Phase des „Symbol- oder Rollenspiels“ (ca. 4 bis 6 Jahre) Körperfunktionen sowie der Umwelt, nämlich das Funk- (Vorläufer ist das Fantasiespiel) entwickelt das Kind die tionieren von Gegenständen und Spielen. Spielaktivitäten Fähigkeit, Situationen und Tätigkeiten aus dem Alltag, haben mit Entdeckungen und Erforschungen zu tun. Als wie Essen oder ins Bett gehen, im Spiel aufzugreifen und Spielmittel eignen sich in dieser Entwicklungsphase Din- mit Teddy oder Puppe nachzuspielen. Können die Kinder ge zum Schauen und Greifen, wie Luftballons, Mobiles, sich verbal ausdrücken, beginnen sie, Gegenstände für Perlenketten, Bälle, Spielringe oder auch weiche Puppen ihr Spiel umzudeuten. In diesem Symbolspiel dient der oder Tiere. Auch Spielzeuge zum Aus- und Einräumen Eimer vielleicht als Tisch und ein Holzstück stellt ein Brot gehören zu den Funktions- und Übungsspielen. Diese dar. Im Spiel mit anderen Kindern werden verschiedene spielerischen Anregungen sind auch bei Menschen mit Rollen nachgeahmt und erprobt, z. B. im Nachspielen schwerer Behinderung eine Möglichkeit der Kontaktauf- von realen und fiktiven Situationen, wie Vater-Mutter- nahme und der Anregung. Auf Grund der Schwere der Kind, Indianer und Cowboys. Dieses Hineinschlüpfen Beeinträchtigungen, beispielsweise einer Tetraplegie, zei- in eine andere Rolle ist für viele Menschen mit Behin- gen sie oftmals kaum Spielverhalten. Sie sind besonders derungen schwierig. Die Nachahmung und Vorstellung auf äußere Reize angewiesen, die durch basale Spielan- von einer Situation, bei der man nur so tut, als ob, kann gebote mit Bällen, Glöckchen, Trockenduschen, Natur- sinnlos erscheinen oder überfordern. Festzustellen sind materialien, Rasierschaum, verschiedenen Papiersorten, Spaß und Freude an der eigenen Verkleidung sowie von Schlaginstrumenten oder Rasseln neue Reize setzen. Puppen und Stofftieren. Wir haben in Forschungsar- Für Kinder mit körperlichen Einschränkungen ist das Er- beiten gute Erfahrungen mit dem pädagogischen Pup- obern und Entdecken der Umgebung durch das Funk- penspiel gemacht; der Puppe kommt eine wesentliche tionsspiel auf Grund der motorischen Einschränkungen Rolle zu bzw. sie hat symbolische Bedeutung. In Ab- oft schwierig. Es ist Aufgabe des Pädagogen, das Kind wesenheit von Protagonisten für die unterschiedlichen zum Spiel zu ermutigen und adäquate Spielangebote zur Spielhandlungen repräsentiert sie Stellvertreter und Mo- ganzheitlichen Entdeckung der Umwelt zu nutzen, um delle. Der Puppe kommt eine soziale Rolle im Spiel der die senso-motorische Eigenaktivität des Menschen mit Kinder zu, sie kann FreundIn, BeschützerIn, Prügelknabe, 8 Das Band
TrostspenderIn und GeheimnisträgerIn sein (vgl. Stöppler nis der Spielregeln kommen. Folge kann eine man- & Kressin 2017, 27 f.). Die nächste Spielform stellt das gelnde Bereitschaft sein, das eigene Verhalten den Re- komplexere „Regelspiel“ dar. Im Regelspiel wird festge- geln anzupassen und die momentan vorherrschenden legt, wer teilnehmen darf, welche Spielzüge erlaubt und Bedürfnisse zugunsten der Spielregeln zurückzustellen welche verboten sind. Wer sich nicht an die Spielregel (vgl. Stöppler et al. 2016). hält, riskiert das Ende des Spiels oder Ausschluss. Ab dem Kita-Alter entwickeln Kinder Interesse an gemeinsamen Regelspielen mit anderen nach festgelegten Regeln, z. B. Spiel-Modifikationen bei Sport- und Gesellschaftsspielen. Klar strukturierte Re- gelspiele mit einfachem Spielaufbau eignen sich auch für Im Folgenden sollen nun kreative Anregungen zur Modi- die Arbeit mit Menschen mit geistiger und/oder schwerer fikation unterschiedlicher Spiele vorgestellt werden. Die Behinderung, ohne überwiegend Spiele für Kleinkinder dargestellten Praxisbeispiele wurden in inklusiven und anzubieten. sonderpädagogischen Einrichtungen erprobt; sie haben unterschiedliche Niveaustufen und Akzentsetzungen, sie sind vielfältig und variabel und sowohl im schulischen als Mögliche Probleme und Perspektiven des auch im außerschulischen Bereich einsetzbar. Spiele, die Spiels aufgrund der genannten möglichen Defizite zunächst ungeeignet erscheinen, sind dennoch mit und für Schüler Ein großer Teil der aktuellen und beliebten Gesellschafts- mit geistiger Behinderung mit Freude spielbar. Fast alle spiele für Kinder, Jugendliche und Erwachsene kann auf- Spiele sind modifizierbar, und zwar durch die Bereitstel- grund der Komplexität des Regelwerks, der Terminologie, lung spezieller Hilfen, Gestaltung des Spielmaterials, Re- der kognitiven und auch motorischen Anforderungen für duzierung der Spieldauer sowie Reduzierung des Materi- Menschen mit geistiger Behinderung zu anspruchsvoll als und des Regelwerks (vgl. ebd., 37 f.). sein. Es können Schwierigkeiten in folgenden Bereichen auftreten, die sich gegenseitig bedingen: Gestaltung des Spielmaterials – Bereich der Spielaktionen: Es kann zu einem gerin- Bei der Gestaltung des Spielmaterials sind vor allem die geren Spielbedürfnis als bei nichtbehinderten Kindern Übersichtlichkeit und die Handhabbarkeit von großer kommen; einfache Spielverläufe werden häufig un- Bedeutung, da bei Menschen mit geistiger Behinderung verändert wiederholt. Bei Rollenspielen können auf- häufig Schwierigkeiten im feinmotorischen und visuellen grund mangelnder Fantasie für das Hineinversetzen in Bereich vorliegen. Demnach ist es sinnvoll, Spielelemente neue Rollen Probleme entstehen. wie z . B. den Spielplan, die Spielfiguren, die Spielkarten, – Bereich der Spielpartner: Kindern mit geistiger Behin- einzelne Symbole oder die Würfel zu vergrößern, damit derung fällt es manchmal schwerer, allein (ohne Spiel- sie besser zu erkennen sind und sich leichter greifen las- partner) oder mit bestimmten Mitspielern zu spielen sen. Viele der benötigten Materialien können im Spiele- und sich in die Spielgruppe einzufügen. handel erworben werden, andere müssen dagegen selbst – Bereich des Spielmaterials: Insbesondere hohe fein- motorische Anforderungen (kleine, schwer handhab- bare Spielfiguren) und visuelle Anforderungen, insbe- sondere in der Figur-Grund-Wahrnehmung (z. B. bei unübersichtlichen Spielbrettern und -karten) können Menschen mit geistiger Behinderung überfordern. Daraus können ein nichtadäquates Umgehen mit Spielgegenständen sowie eine Fixierung auf bestimm- tes Spielmaterial resultieren. – Bereich der Spielidee: Komplexe Spielideen können nicht immer erfasst werden. Einige Spiele erfordern das Einhalten von Zeiten, in denen die Spielzüge voll- zogen werden müssen. Hierbei kann es zu Schwierig- keiten kommen; Zeitmesser, die die abgelaufene Zeit möglichst anschaulich visualisieren (z. B. TimeTimer oder Sanduhr) können hilfreich sein. – Bereich der Spielregeln: Bei Spielen mit komplexem Regelwerk kann es zu Schwierigkeiten beim Verständ- Ausgabe 1/20 9
THEMA hergestellt werden. Bei den selbst hergestellten Spielele- Reduzierung des Materials und des Regelwerks menten sollte vor allem darauf geachtet werden, stabiles Diese Form der Modifizierung dient in erster Linie dazu, und haltbares Material zu verwenden bzw. das Material das Spiel zu vereinfachen. Möglichkeiten einer Reduzie- stabil und haltbar zu machen (z. B. Gestaltung von Spiel- rung des Materials bestehen hauptsächlich in der Ver- plänen aus Holz, laminieren von Spielkarten, lackieren ringerung der Anzahl von Spielelementen (z. B. Spielkar- von Spielbrettern mit Klarlack). ten, Spielfiguren, Spielfeldern). Bei der Reduzierung des Regelwerks handelt es sich vor allem um das Weglassen Bereitstellung spezieller Hilfen zusätzlicher Regeln. Dabei sollte aber darauf geachtet Die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Behin- werden, dass die grundsätzliche Spielidee beibehalten derungen können es in manchen Fällen erfordern, dass wird, da sie gleichzeitig den Reiz des Spiels ausmacht. spezielle Hilfen bereitgestellt werden müssen, um die Des Weiteren besteht die Möglichkeit inhaltlicher Verän- Teilnahme an einem Spiel zu ermöglichen. Solche Hilfen derungen der Regeln, z. B. durch eine Veränderung des können zum Beispiel in einer entsprechenden Gestaltung Wertungssystems oder durch Austauschen der vorgege- des Spielmaterials bestehen: benen Spielkategorien. Beispiele für gelungene Spielmo- – Beschichtung des Spielmaterials mit Magnetfolie oder difikationen finden sich bei Stöppler & Haveman 2013, Vertiefung der Lauffelder, damit die Spielfiguren nicht Stöppler & Kressin 2017 und Stöppler 2018. bereits bei leichter Erschütterung umfallen – Bereitstellung von Visualisierungshilfen, z. B. Über- sichtskarten, auf denen die wichtigsten Aspekte zu- Digitale Spielformen sammengefasst sind – Bereitstellung von Zählhilfen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene umgeben sich – Bereitstellung von Kartenhaltern, damit die Spiele- heute mit erweiterten Kulturräumen und moderneren rInnen nicht die motorisch hohe Anforderung erfüllen Spielansätzen. Netzwerkgesellschaft und digitale Spiel- müssen, viele Karten gleichzeitig zu halten kulturen etc. sind die Schlagworte, die das Neue in Sa- – Veränderung und Vereinfachung des Auswertungs chen Spiel umreißen und die die Kulturen des Aufwach- systems, z. B. in Form von Punktetafeln sens in Zukunft wohl zunehmend bestimmen werden. Zunehmend finden sich PädagogInnen in Situationen wieder, in denen sich die Kinder und Jugendlichen, mit denen sie arbeiten, in diesen Bereichen besser zurecht- finden als sie selbst. Das vermittelt PädagogInnen nicht selten das ungute Gefühl, mit den Entwicklungen in der Lebenswelt der Jugendlichen nicht mehr Schritt halten zu können. Für Fachkräfte besteht ein Bedarf und eine Notwendigkeit, sich einzudenken, also auch das Spiel(en) neu zu denken (vgl. Feierabend et al. 2016, 98). Nach Schätzungen spielen 2,6 Milliarden Menschen weltweit digitale Spiele, ein bedeutender Anteil der gesamten Bevölkerung. Eine Personengruppe fällt in Studien über Spielverhalten und -motivation durch Abwesenheit auf: Menschen mit schweren Behinderungen. Es ist wenig darüber bekannt, was eine bedeutende Hürde dafür darstellt, passende Spiele zu entwickeln. Studien über Bedeutung und Verbreitung von digitalen Spielen bei Menschen mit schweren Behinderungen sind bis auf we- nige Ausnahmen aktuell kaum vorhanden. Ein digitales Spielbeispiel soll an dieser Stelle angeführt werden. Die Reduzierung der Spieldauer Spielkonsole Wii kann sehr gut bei Menschen mit geisti- Bei vielen Spielen ist eine Verkürzung der Spieldauer gen und auch schweren Behinderungen eingesetzt wer- empfehlenswert, z. B. durch Reduzierung des Spielmate- den, um Spaß und Freude, an Bewegung, zu vermitteln. rials und des Regelwerks, um Personen mit einer gerin- Die Wii hat einen sehr hohen Motivationscharakter. Im gen Konzentrations- und Aufmerksamkeitsspanne nicht angloamerikanischen Raum ist die Wiihabilitation im Be- zu überfordern. reich von Rehabilitation und Physiotherapie bereits weit verbreitet. Die Vorteile des digitalen Mediums werden 10 Das Band
insbesondere zwei Aspekten zugeschrieben: dem hohen Motivationscharakter einerseits sowie der Ablenkung von der eigentlich zu therapierenden Beeinträchtigung andererseits. Des Weiteren lässt sich Wii in heterogenen Gruppen umsetzen. Die Steuerungselemente der Wii sind auf die motorischen Voraussetzungen der Schü- lerinnen und Schüler anpassbar, sodass gemeinsame Aktivitäten stattfinden können. Es gibt auch Elemente, die eine Mund- oder Kopfsteuerung ermöglichen. Gute Erfahrungen wurden mit den Wii-Spielen gemacht und zwar mit Hula Hoop, Tennis, Kickboxen und Skifahren, bei älteren Menschen sind Kegeln und Bowling beliebt (vgl. Tillmann & Füchtenhans 2015). Jugendliche mit Be- hinderungen weisen Computerspielen oft eine besonde- re Bedeutung zu. Für manche ist es das Fenster zur Welt und sie können ihre Erfahrungs- und Handlungsräume Literatur Bühler, Ch. (1928): Kindheit und Jugend. Leipzig: Hirzel erweitern. Beispiel sind Bewegungsspiele oder das freie Feierabend, S.; Karg, U. & Rathgeb, T. (2016): Die Bedeutung Agieren in virtuellen Welten. Des Weiteren ermöglichen digitaler Medien im Alltag von Kindern und Jugendlichen – Ver- Computerspiele Menschen mit und ohne Behinderungen breitung, Nutzung und Zusammenhänge. In: Dadaczynski, K., Schiemann, S.& Paulus, P. (Hrsg.): Gesundheit spielend fördern. soziale Kontakte in Spielgemeinschaften und eine Begeg- Potenziale und Herausforderungen von digitalen Spieleanwen- nung auf Augenhöhe. Bedingung für die gleichberech- dungen für die Gesundheitsförderung und Prävention. Weinheim:, tigte Nutzung ist die Zugänglichkeit von Games (Accessi- S. 98–114 Flitner, A. (Hrsg.) (1973): Das Kinderspiel. Texte. 4. Auflage. bility). Checklisten mit Kriterien, die motorische, auditive, München, 3 kognitive, visuelle, sprachliche Aspekte berücksichtigen, Goetze, H. (2008): Spieltherapie bei Kindern und Jugendlichen mit finden sich online. geistiger Behinderung. In: Nussbeck, S.; Biermann, A. & Adam, H. (Hrsg.): Sonderpädagogik und geistige Entwicklung. Göttingen u. a.: Hofgrefe, S. 422–441 Heimlich, U. (2015): Einführung in die Spielpädagogik, 3. Auflage. Fazit Stuttgart Omonsky, C. (2018): Schüler mit intensiver Behinderung fördern. Elementare Lernaktivitäten zu Wahrnehmung und Motorik, 2. Der sonderpädagogische Umgang mit der Spieltätigkeit Auflage. Hamburg von Menschen mit schwerer Behinderung steht prinzipi- Piaget, J. (1969): Nachahmung, Spiel und Traum. Stuttgart ell in der Gefahr, das Spiel lediglich als Mittel zur Errei- Stöppler, R.(2018): Zum Spielen aufgelegt. Bedeutung und Möglichkeiten des Spiels bei geistiger Behinderung. In: Lernen chung von Förder- und Therapiezielen heranzuziehen. konkret,1, 4–10 Wünschenswert ist es, das Spiel nicht nur als didaktisch- Stöppler, R. & Haveman, M. (2013): „Spielen will gelernt sein!?“. methodisches Mittel zu nutzen, sondern auch „um des Spiele für Menschen mit geistiger Behinderung, 2. Auflage. Dort- Spielens willen“ zu spielen, und zwar mit Spaß und Freu- mund Stöppler, R.; Haveman, M. & Wilke, J. (2016): Neue inklusive de. Wünschenswert ist eine Erweiterung der Spielbiografie Spielideen. Spielen will gelernt sein. Teil 2. Dortmund für Menschen mit Behinderung, damit sie an der Vielfalt Stöppler, R. & Kressin, M. (2017): Das pädagogische Puppenspiel. des aktuellen Spieleangebotes – auch im Sinne der Inklu- Theoretische Einführung und praktische Beispiele auch für die inklusive Bildung. Dortmund sion – teilhaben können. Im Sinne der Mediatisierung ist Tillmann, V. & Füchtenhans, J. (2015): Bewegung 2.0. Die „Wii- eine vielfältige Mediennutzung für die meisten Menschen Olympiade“ an der Förderschule. In: Lernen konkret (2 ), 15–19 alltagszugehörig geworden. Eine spielerische Einbindung „Warum spielt der Mensch? Offenbar treibt ihn etwas dazu, es macht Spaß und hält ihn in Gang, es sättigt ihn und lässt ihn doch digitaler Medien in pädagogische Kontexte bietet eine immer wieder neue Spiele suchen“ (Flitner 1973, 9). gute Ergänzung. Bei aller Zuversicht, die in die Digitali- sierung gesetzt wird, sollte nicht vergessen werden, dass Empathie und die menschliche Begegnung den Unter- Dieser Text wurde erstmals veröffentlich in: Leben pur – Spielen bei schied und die Qualität der Spielpädagogik ausmachen. Menschen mit Komplexer Behinderung“. Annika Lang, Dr. Nicola Maier-Michalitsch (Hrsg.), 256 S., Düsseldorf 2020, verlag selbst- Prof. Dr. Reinhilde Stöppler ist geschäftsführende Di- bestimmtes leben, ISBN: 978-3-945771-20-4, 11,00 EUR (Mitgl.) rektorin des Instituts für Förderpädagogik und Inklu- // 17,40 (Nicht-Mitgl.). Der „verlag selbstbestimmtes leben“ ist sive Bildung an der Justus-Liebig-Universität Gießen Eigenverlag des bvkm. Das Buch kann über den Shop bestellt wer- und hat eine Professur für Erziehungswissenschaft mit den. https://verlag.bvkm.de oder über versand@bvkm.de dem Schwerpunkt Geistigbehindertenpädagogik. https://www.uni-giessen.de/fbz/fb03/institutefb03/ foerderpaedagogik/professuren/geistigbehinderte Lesen Sie dazu mehr auf S. 38 Ausgabe 1/20 11
THEMA © helfende Hände (www.helfende-hände.org)/Fabian Helmich (www.fabian-helmich.de) Miteinander Spielen Peer-Beziehungen von Kindern mit Komplexer Behinderung Angela Simon Anton Zurück versetzt in Ihre eigene Teenagerzeit oder als El- ternteil eines Heranwachsenden werden Sie als Leser Unser Sohn Anton ist 15 Jahre alt. Jeden Morgen bringt sehr schnell den Eindruck gewinnen: Da stimmt doch was sein Vater ihm eine heiße Schokolade ans Bett und ge- nicht! Wir wissen durchaus, dass Mädchen und Jungen meinsam besprechen sie, was am jeweiligen Tag ansteht. dieses Alters sich eher nicht in der Kommunikation mit Danach macht Anton sich motiviert für die Schule fertig. den Eltern üben und im Verlauf ihrer Adoleszenz immer Täglich freut er sich auf den intensiven Wissensaustauch weniger daran interessiert sind, Zeit mit ihren Eltern zu mit seinem Physiklehrer und seiner Lateinlehrerin, bei verbringen. An die Stelle der Familie treten immer stär- ihnen hat er auch die Möglichkeit, sich über persönliche ker die Gleichaltrigen oder – wie es soziologisch benannt Fragen auszutauschen. Am Nachmittag diskutieren wir wird: die Peers. Die Peers sind die Gleichen. Hiermit sind bei einer Tasse Tee anhand der Zeitung das politische nicht nur die Gleichaltrigen gemeint, sondern diejenigen, und gesellschaftliche Tagesgeschehen. Manchmal le- die auch in irgendeiner Form gleichrangig sind, einer glei- sen wir gemeinsam ein Buch oder wir besuchen das chen Gruppe angehören, kurz: diejenigen Gleichaltrigen, Schwimmbad, ein Museum oder die Skateranlage. Sein mit denen ich meinen Alltag verbringe. Dazu gehören Nollie-Kickflip kann sich wirklich sehen lassen! Am Freunde ebenso wie Klassenkameraden oder Sportskol- Abend spielt Anton gern noch eine Runde Schach mit legen, während Freunde eine noch wesentlichere Rolle seinem Papa und dabei besprechen sie noch einmal den im Leben von Kindern und Jugendlichen einnehmen (vgl. Tag, bevor dieser ihn dann ins Bett bringt. Breidenstein 2008, 94 5 ff.). Freunde, Gleichgesinnte sind wichtig – diese These würde wohl jeder bejahen. Bu- 12 Das Band
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