Das Band - Bundesverband für ...

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Das Band - Bundesverband für ...
Das Band
www.bvkm.de

              1/2020     Zeitschrift des Bundesverbandes für
                         körper- und mehrfachbehinderte Menschen e. V.

                  MIT
               S T E U E R-
              MERKBL AT T
              2019/20 –
                   S. 46

                                                                         Innovativ         39
                                                                         Inklusionshotel
                                                                         stellt sich vor

                                                                          Lesenswert       40
                                                                         Palliativkonzept
                                                                         für Einrichtungen –

          Spielen
                                                                         ein Projekt

                                                                         Informativ        43
                                                                         Angehörigen-
                                                                         Entlastungs­gesetz –
                                                                         Neuregelungen
Das Band - Bundesverband für ...
» i n h a lt
     Impresssum
                                                  Meldungen
xx   DAS BAND
     Zeitschrift des Bundesverbandes für
     körper- und mehrfachbehinderte
                                                   2 Panorama
     Menschen e. V.                                4 BVKM-Pinnwand
     51. Jahrgang

     Verantwortlich
     Helga Kiel (Hrsg.)                           Thema
     Redaktion
     Stephanie Wilken-Dapper (v.i.S.d.P.)
     Tel. (02 11) 6 40 04 -14,
     Fax (02 11) 6 40 04 -20                      		 S. 6		            Mit SpaSS und Freude spielen!
     stephanie.wilken-dapper@bvkm.de
                                                  				                 – Reinhilde STöppler
     Redaktionsanschrift
     Bundesverband für körper-                    		 S. 12             Miteinander Spielen – Angela Simon
     und mehrfachbehinderte
     Menschen e. V.                               		 S. 18             Spielen ermöglichen – Anne Hawranke
     Redaktion DAS BAND
     Brehmstraße 5–7, 40239 Düsseldorf            		 S. 22             Die Prinzessin mit dem Laserschwert
     dasband@bvkm.de | www.bvkm.de
                                                  				                 – Eva Moore, Lisa Vogt und Eva Zackl
     Abonnement und
     Adressverwaltung                             		 S. 27             Ingenieurskunst für Barrierefreiheit
     Markus Kosciow
     Tel. (02 11) 6 40 04-26                      				                  – Christine Brenner
     Fax (02 11) 6 40 04-20
     markus.kosciow@bvkm.de
                                                  		 S. 31             Das Cookiemonster – Kathrin Wenz
     Bankverbindung                               		 S. 34             Projekt „Indoorspielplatz“ – Christina Klotz
     Bank für Sozialwirtschaft (BfS)
     IBAN DE53 3702 0500 0007 0342 00
                                                  		 S. 38             Materialien auf einen Blick
     BIC BFSW DE33 XXX

     Titel und Realisation
     Detlef Grove
                                                  Forum
     Fotovorlage Titel
     Fabian Helmich                               39 Erholen, entspannen, entlasten – Das allgäu art hotel in
     (www.fabian-helmich.de)
                                                     Kempten – reinhold scharpf
     Druck
     reha gmbh Saarbrücken

     Auflagenhöhe
                                                  40	Gut umgehen mit dem Tod – Inka Tolk
     20.000 Exemplare

     Anzeigenverwaltung                           Ratgeber
     reha gmbh
     Tel. 0681 93621-173
     konstanzepfuell@rehagmbh.de                  43	Recht und Praxis
     Mediadaten auch unter                        		Angehörigen-Entlastungsgesetz
     bvkm.de/ueber-uns/unsere-
     magazine/                                    		 – Überblick über Neuregelungen // Katja Kruse

     DAS BAND erscheint 2020 viermal.             46 Steuermerkblatt
     Für Mitglieder des Bundesverbands
     für körper- und mehrfachbehin-
     derte Menschen e. V. ist der Bezug
     der Zeitschrift im Mitgliedsbeitrag
     erhalten. Das Jahresabonnement              DAS BAND auf www.bvkm.de          Liebe Leserinnen und Leser,
     für Einzelbezieher kostet € 25,00.
     Die Lieferung erfolgt automatisch            DAS BAND finden Sie als
                                                                                    der bvkm ist auf Facebook, Ins­tagram und Twit-
     für ein weiteres Jahr, wenn nicht bis        digitale Version unter www.
     zum 30. September eine schriftliche                                            ter aktiv. Von neuen rechtlichen Regelungen
                                                  bvkm.de (Unsere Magazine).
     Kündigung erfolgt.                                                             und Stellungnahmen zu aktuellen politischen
                                                  Sie können dort ein interak-
     Beiträge sind urheberrechlich                                                  und gesellschaftlichen Themen über Tipps für
                                                  tives PDF herunterladen und
     geschützt.                                                                     den Alltag bis hin zu Veranstaltungen – in den
                                                  allen MitarbeiterInnen und In-
     Bei namentlich gekennzeichne-
                                                                                    sozialen Netzwerken gibt es aktuelle Infos und
                                                  teressierten zeitnah zugänglich
     ten Beiträgen sind die Verfasser                                               Wissenswertes rund um den bvkm. Fan wer-
                                                  machen. Einzelne Fachbeiträge
     verantwortlich.                                                                den, folgen und teilen lohnt sich!
                                                  können ausgedruckt und für
     ISSN 01 70-902 X                             die tägliche Beratungsarbeit              https://facebook.com/bvkm.ev
                                                  genutzt werden.
                                                  Verlinken Sie uns!                        https://instagram.com/bvkm.ev

                                                                                            https://twitter.com/bvkmBund

                                                                                                                               Das Band
Das Band - Bundesverband für ...
Auftakt 1|20
     Liebe Leserin und lieber Leser,

     Spiele, Spielzeug, Spielmaterialien – sind das nicht Themen
     für die Weihnachtszeit, in der wir uns alle Jahre wieder
     besonders viele Gedanken machen über Geschenke und
     speziell über Spielzeug? Haben wir mit diesem Thema in
     unserer Zeitschrift den falschen Zeitpunkt erwischt? Nein,
     sicher nicht, denn Spielen ist eine wichtige Interaktion
     und wird von fast allen Menschen geliebt und gepflegt.
     Die fröhliche Kommunikation bei Gesellschaftsspielen, die
     Freude bei gelungenen Strategiespielen und der Eifer bei
     Wettkampfspielen sind immer da – egal, zu welcher Jah-
     reszeit, Hauptsache es wird gespielt. Auch Menschen, die
     mit umfangreichen Unterstützungen leben, lieben Spiele
     und das gemeinsame Tun ausschließlich zum Vergnügen           Spiele am Computer oder mit Mitteln, die ohne fremde
     und ohne ein Muss. Für sie ist Spielen ein ganz wichtiges     Hilfe gespielt werden können, sind ein großartiger Beitrag
     Mittel zur Kommunikation, zur gesellschaftlichen Teilhabe     zu Selbstbestimmung und freier Entscheidung. Unabhän-
     und zur Freude. Diese Menschen mit besonderen Bedar-          gig von anderen und jederzeit kann der Lust nachgegan-
     fen und Vorlieben haben allerdings meist wenige Mög-          gen werden, vergnüglich und ohne therapeutische oder
     lichkeiten, mit anderen ein gängiges Gesellschaftsspiel zu    bildungsintendierte Ziele, Freude und Spaß im Spiel zu
     spielen. Auch ganz alleine zum reinen Zeitvertreib zu spie-   erleben.
     len, ist für viele Menschen schwierig, die besondere Be-
     dingungen, Regeln und Geräte benötigen. Hierzu finden         Bleiben Sie gesund und achten Sie auf sich
     Sie in dieser Ausgabe von DAS BAND eine Fülle von An-         und alle anderen.
     regungen und erprobten Materialien, die es ermöglichen,
     mit anderen zusammen fröhliche Zeiten zu erleben.
     Mit anderen zusammen – und das in Zeiten von Corona,
     einem Virus, der uns gerade die Gemeinsamkeit verbie-
     tet und Abstand und Alleinsein verlangt? Also doch der
     falsche Zeitpunkt für die Thematik in diesem Band? Hier
     fällt mir das eindeutige „Nein“ schwer, auch wenn die         Ihre Helga Kiel
                                                                   Vorsitzende des bvkm
     aktuelle Entwicklung nicht absehbar war. Die Heftigkeit
     dieser Krankheit hat uns alle überrascht und verlangt von
     allen, besonnen zu reagieren und achtsam zu sein. Pro-
     bieren Sie jetzt nicht gerade die Gesellschaftsspiele aus,
     sondern konzentrieren Sie sich auf die großartigen Aus-
     führungen, die Entwicklungen für Computerspiele gerade
     für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf aufzei-
     gen. Auch macht es Freude zu lesen, dass zu dieser Ent-       Wichtig: Auch der bvkm organisiert aufgrund der Coro-
     wicklung Studierende und Informatik-Profis gemeinsam          na-Pandemie seine Arbeit in der Geschäftsstelle um. Wir
     mit vielen Menschen, die Nutzer dieser besonderen Spiele      sind dennoch unter den gewohnten Mailadressen für Sie
     sein sollen, an den Designs der Spiele, an den Animati-       erreichbar. Wir als bvkm sind für Sie da. Dies gilt insbeson-
     onen und Möglichkeiten der Interaktionen gefeilt haben.       dere während der Corona-Krise. Wir werden Sie in den
     Gemeinsam mit sehr intensivem Hineindenken in die Be-         nächsten Tagen und Wochen bestmöglich über die Ent-
     darfe und Handhabungen der Menschen mit komplexem             wicklungen und neuen Regelungen informieren sowie die
     Unterstützungsbedarf wurden bereichernde Begegnungen          Unterstützung und den Schutz der Menschen mit Behin-
     geschaffen und Verständnis in zwei sehr unterschiedlichen     derung in Zeiten von Corona auf politischer Ebene konti-
     Welten gefunden. Das ist Inklusion pur und wird bei allen     nuierlich einfordern. Teilen Sie uns Ihre Sorgen und Nöte
     Beteiligten lange nachwirken können und nie vergessen         mit, wir unterstützen Sie gern.
     werden.

Ausgabe 1/20                                                                                                                       1
Das Band - Bundesverband für ...
BVKM

»panor ama
 Wichtig! DAS BAND als PDF           beim Sehen, Hören oder Verste-       Informationszusammenstellung        MDK verzichtet momentan
                                     hen auf eine besondere Aufbe-        von Handicap International e. V.:   auf körperliche Untersu-
 Die in den Texten verarbeiteten     reitung der derzeitigen Ereignisse   https://bvkm.de/wp-con-             chungen
 Links können Sie schnell und        angewiesen sind, eine Übersicht      tent/uploads/2020/03/
 unkompliziert nutzen, wenn Sie      über barrierefreie Informations-     informationen-zum-corona-           Die Medizinischen Dienste der
 sich die jeweils aktuelle Ausgabe   angebote zum Corona-Virus            virus-mehrsprachig.pdf              Krankenversicherung (MDK)
 von DAS BAND auch kosten-           und den lebensnotwendigen Si-                                            setzen jedwede Form der
 los als PDF herunterladen.          cherheitsmaßnahmen, die damit        Informationen zum Coronavirus       körperlichen Untersuchung aus:
 https://bvkm.de/ueber-uns/          verbunden sind. Auch Handicap        in Leichter Sprache auf der Seite   Stattdessen werden die Medizi-
 unsere-magazine/                    International e.V. hat eine Link-    des Ministeriums für Arbeit,        nischen Dienste die Einstufung in
                                     Liste mit Informations-Angebo-       Gesundheit und Soziales des         Pflegegrade auf Basis der bereits
                                     ten über Corona in unterschied-      Landes Nordrhein-Westfalen:         vorliegenden Informationen und
 Informationen zu Corona             lichen Sprachen und Leichter         https://www.mags.nrw/               eines ergänzenden Telefoninter-
                                     Sprache zusammengestellt.            sites/default/files/asset/          views mit den Pflegebedürftigen
 Auf der Homepage der Aktion         Infoseite der Aktion Mensch:         document/corona-virus_              bzw. ihren Bezugspersonen
 Mensch finden Menschen, die         https://www.aktion-mensch.           leicht_2020-03-19_final_bf.pdf      vornehmen. Auf diese Weise
 aufgrund von Einschränkungen        de/corona-infoseite.html                                                 werden der zeitnahe Leistungs-
                                                                                                              bezug und die damit verbun-
                                                                                                              dene Versorgung sichergestellt

     Grüße von der #risikogruppe                                                                              ECHT MEIN RECHT!
    „Du hast gedacht, wir wären kettenrau-                                                                    Die Umsetzung der Rechte auf
    chende Todkranke oder zumindest alt? Weit                                                                 Sexualität und auf Schutz vor
    gefehlt. Keiner von uns ist Rentner und wir                                                               sexualisierter Gewalt sind große
    gehen genauso gern wie du in Clubs, Bars                                                                  Herausforderungen für Einrich-
    und auf Konzerte. Worauf wir keinen Bock                                                                  tungen der Behindertenhilfe. Die
    haben, ist sterben. Genau das ist aber gar                                                                Ausstellung ECHT MEIN RECHT!
    nicht so unwahrscheinlich, wenn du nicht                                                                  möchte Vereine, Einrichtungen
    einfach die nächsten Wochen zuhause                                                                       und Dienste bei diesem Vor-
    bleibst und deinen sozialen Aktionsradi-                                                                  haben unterstützen und zur
    us für ein paar Wochen einschränkst“,                                                                     Prävention vor sexualisierter
    schreibt Raul Krauthausen in einem Post auf                                                               Gewalt beitragen. Die interaktive
    Instagram. Er will der jungen Risikogruppe                                                                Ausstellung bietet Erwachsenen
    ein Gesicht geben. Unter dem Hashtag                                                                      und Jugendlichen (ab ca. 16
    #risikogruppe sind alle Menschen, die ihre                                                                Jahren) mit Lernschwierigkeiten
    Geschichte erzählen wollen, aufgerufen                                                                    anschauliche Möglichkeiten,
    mitzumachen. Eine klasse Aktion finden wir                                                                sich mit ihren Rechten auf
    und rufen dazu auf, sich zu beteiligen und                                                                Selbstbestimmung, Sexualität
    der Risikogruppe viele Gesichter zu geben.                                                                und Schutz vor sexualisierter
                                                                                                              Gewalt auseinanderzusetzen.
    Um auch in den Medien präsenter zu sein,                                                                  https://www.petze-institut.
    vermitteln die Sozialhelden übrigens auch                                                                 de/projekte/echt-mein-recht-
    Interviewpartner für die Medien. Melden                                                                   fuer-maenner-und-frauen-
    kann man sich hier: www.sozialhelden.de                                                                   mit-lern-schwierigkeiten/
    https://dieneuenorm.de/coronavi-                                                                          film-ueber-die-ausstellung/
    rus-risikogruppe-behinderung/

    Jeden Dienstag gibt es vom Inklusions-Ak-                                                                 Nachgefragt!
    tivisten Raul Krauthausen handgepflückte
    Links aus aller Welt zu den Themen Inklu-                                                                 Repräsentativbefragung zur Teil-
    sion und Innovation in seinem Newsletter.                                                                 habe von Menschen mit Behin-
                                                                                                              derung. Dritter Zwischenbericht.
    Anmeldung unter: www.raul.de oder                                                                         Eine „Repräsentativbefragung
    über den Link: https://raul.us8.list-                                                                     zur Teilhabe von Menschen mit
    manage.com/subscribe?u=ff13c51814                                                                         Behinderungen“ (Teilhabestu-
    2950e1da3755149&id=c96b003a32                                                                             die) untersucht die Teilhabe
                                                                                                              von Menschen mit Beeinträch-
                                                                                                              tigungen und Behinderungen
                                                                                                              in unterschiedlichen Lebensbe-
                                                                                                              reichen. Der dritte Zwischen-

2                                                                                                                                   Das Band
Das Band - Bundesverband für ...
bericht stellt zentrale Ergebnisse
der umfangreichen Screening-
Erhebung vor. Auf der Website           Corona-Krise: Besonderer Schutz
                                        und Unterstützung gefordert
des BMAS finden sich auch die
Zwischenberichte Nr. 1 u. 2.
https://www.bmas.de/DE/
Service/Medien/Publikati-
onen/Forschungsberichte/
Forschungsberichte-Teilhabe/            F   orderungen der Fachverbände zur Corona-Krise: Menschen mit Behinderung brauchen jetzt
                                            besonderen Schutz und Unterstützung. Das fordern die Fachverbände für Menschen mit Be-
                                        hinderung, zu denen auch der bvkm gehört, in zwei Schreiben an das Bundesministerium für
fb-541-repraesentativbefra-
gung-behinderung.html                   Arbeit und Soziales und an das Bundesministerium für Gesundheit. Unter anderem müssen Ein-
                                        richtungen, die sich um Menschen mit erhöhten Risiken wie z. B. Erkrankungen der Atemwege
                                        kümmern, dringend mit ausreichend Schutzkleidung und Desinfektionsmitteln versorgt werden.
Jetzt nachlesen!                        Auch muss die Begleitung von Menschen mit Behinderung im Krankenhaus sichergestellt werden.
                                        https://www.diefachverbaende.de/stellungnahmen/
Ende Januar haben die Fach-
verbände – dazu gehört auch
der bvkm – ihre Fachtagung
„Soziale Assistenz, gute Pflege
und ärztliche Versorgung für
Menschen mit geistiger oder
mehrfacher Behinderung im
Krankenhaus – Situation und
Perspektive“ veranstaltet. Eine
Dokumentation steht nun zum
                                                                                              Foto: Tobias Regesch

Download zur Verfügung.
www.diefachverbaende.de
oder direkt über den nach-
folgenden Link: https://

                                                                                                                                                     Foto: Marko Georgi
diefachverbaende.de/files/ver-
anstaltungen/2020-01-28_Doku-
mentation%20Fachtagung%20
der%20Fachverbände.pdf

                                                         „Zusammenhalten und gerade deshalb in den nächsten Wochen den
Expertenbeitrag zu                             sozialen Aktionsradius einschränken und auf Abstand gehen: für den besonderen Schutz
pflegenden Müttern                                          von Menschen mit Behinderung und anderen Risikogruppen!“
                                                                                     Ihr bvkm
Pflegende Mütter stehen unter
einer enormen gesundheitlichen
Belastung. Im neuen Experten-
beitrag in der Reihe „Wegbe-          Weg im Umgang mit der schwe-        Kontakte knüpfen,                          wertvolle Kontakte knüpfen.
gleiter“ (Nr. 19) erklärt Prof. Dr.   ren Erkrankung ihrer Kinder. Die    voneinander lernen                         https://www.bar-frankfurt.de/
Christa Büker (Fachhochschule         Themen und Gäste sind bunt und                                                 service/datenbanken-verzeich-
Bielefeld), welche Folgen die         vielfältig – wie die Geschichten    Neuer Service für EUTB Bera-               nisse/hospitationsboerse.html
Dauerbelastung für pflegende          und Lebenswege der einzelnen        tungsfachkräfte. Mit der neu
Mütter hat. Im Gespräch geht          Familien. Außerdem werden In-       geschaffenen Hospitations-
es u. a. über die beeindruckende      terviewgäste ins offene Gespräch    börse auf der Homepage der                 Gut informiert!
Entwicklung von Frauen im             eingeladen. Zu Gast sind Eltern,    Bundesarbeitsgemeinschaft für
Verlauf des Bewältigungspro-          Geschwister von schwerkranken       Rehabilitation e.V. (BAR) will die         REHADAT stellt das aktuelle Ver-
zesses nach der Diagnose. Prof.       Kindern, Themenexperten und         BAR einen Beitrag leisten, um              zeichnis der „Rehabilitations- und
Dr. Christa Büker macht sich für      Fachkräfte aus dem Pflege-,         Rehabilitationsträger und EUTB             Teilhabeforschenden – Akteure
eine angemessene Wertschätzung        Hospiz- und Palliative-Care-        miteinander ins Gespräch zu                und Themen in Deutsch-
und Würdigung der Leistungen          Bereich. Eltern und Interessierte   bringen, sich gegenseitig kennen-          land 2020“ zum kostenfreien
und des Engagements pflegender        erhalten so themenrelevante         zulernen und zu vernetzen. Bei             Download bereit. Das Verzeich-
Mütter bzw. Frauen stark.             Impulse, Infos und Angebote         der Hospitationsbörse handelt es           nis informiert darüber, welche
Über die Podcasts: In „Wegbe-         für sich und ihre Familie.          sich um ein „digitales schwar-             Personen zu welchen Themen der
gleiter“ erzählen betroffene Eltern   https://kinder-palliativ-           zes Brett“, das von der BAR als            Rehabilitation, Teilhabe und In-
ihre Geschichte. Sie berichten von    landesstelle.de/wegbegleiter-       Online-Angebot zur Verfügung               klusion in Deutschland forschen.
ihrem Alltag, den Höhen und Tie-      der-podcast-fuer-familien-mit-      gestellt wird. Beratungsfachkräfte         https://www.rehadat-
fen und ihrem ganz individuellen      einem-schwer-kranken-kind/          können einen Hospitationsplatz             forschung.de/forschende/
                                                                          anbieten oder suchen und so                reha-teilhabeforschende

Ausgabe 1/20                                                                                                                                             3
Das Band - Bundesverband für ...
BVKM

» p i n n wa n d

       Berlin

       Flucht, Migration, Behinderung – Kooperations-Projekt
                                                                                                                                                         
                                                                                                                                     Hier könnte auch eine Meldung über
                                                                                                                                   Ihren Verein stehen. Schicken Sie Foto
       „Ehrenamt in Vielfalt“ um zwei Jahre verlängert                                                                                                                    s
                                                                                                                                  und kleine Texte. Schreiben Sie uns unte
       Was brauchen Menschen mit Flucht- und/ oder Migrationserfahrung und einer Behinderung? Wie
                                                                                                                                                                           r
                                                                                                                                          E-Mail: dasband@bvkm.de
       können deren Angehörige langfristig in das Ehrenamt oder in Angebote der Selbsthilfe eingebunden
       werden? Und welche rechtlichen Besonderheiten gibt es an der Schnittstelle Flucht, Migration und
       Behinderung? – Antworten darauf gibt das Projekt „Ehrenamt in Vielfalt“ der bvkm-Mitgliedsorgani-
       sation „MINA – Leben in Vielfalt e.V.“ Das Projekt wird in Kooperation mit dem bvkm durchgeführt
       und durch die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration gefördert.                     Zwei neue Fahrzeuge fürs CarSharing
       2019 organisierte MINA erfolgreich bundesweite Seminare sowie eine Fachtagung. Dank einer Projekt-
       verlängerung können erneut bvkm-Mitgliedsorganisationen vom Projekt profitieren. In den kommen-
       den zwei Jahren werden in mehrtägigen Workshops konkrete Lösungswege entwickelt, um wirksame
       Angebote für Menschen mit Migrationserfahrung zu etablieren. Außerdem erhalten ausgewählte
       Mitgliedsorganisationen des bvkm die Möglichkeit, bei der Entwicklung und Durchführung von Maß-
       nahmen an der Schnittstelle Flucht, Migration und Behinderung eng durch MINA begleitet zu werden.

                                                                                                                                                                                               Foto: Stiftung Rückhalt
       Alle Informationen zu den Kooperationsangeboten finden Sie hier:
       https://bvkm.de/unsere-themen/migration-und-behinderung/

       Kontakt: MINA – Leben in Vielfalt e. V., Tel. 030 40 365 76 20, vielfalt@mina-berlin.de
       www.mina-berlin.eu                                                                                                      Sich keinen eigenen Wagen zu kaufen, sondern einen zu teilen – das
                                                                                                                               liegt vor allem in den Großstädten im Trend. Doch das sogenannte
                                                                                                                               CarSharing ist nicht nur für Wenig-Fahrer in der City interessant.
                                                                                                                               Geteiltes Auto, volle Unterstützung. So könnte man das CarSharing-
                                                                                                                               Projekt der saarländischen Stiftung Rückhalt beschreiben. Vor drei
                                                                                                                               Jahren in Neunkirchen und vor zwei Jahren in Lebach gestartet, ist
                                                                                                                               das Projekt weiterhin auf der Überholspur. Der Bund behinderter
                                                                                                                               Autobesitzer e.V. (BbAB) spendete nun zwei komplett ausgestat-
                                                                                                                               tete und vollständig behindertengerecht umgebaute Fahrzeuge. Es
                                                                                                                               handelt sich um VW Caddys in der geräumigen Maxi-Version. Sie
                                                                                                                               sind 50 cm länger und bieten bis zu fünf Mitfahrenden und einem
       Fotos (2): fotosally

                                                                                                                               Rollstuhlfahrer Platz. Außerdem wurde eine spezielle Taxi-Rampe
                                                                                                                               verbaut, eine Erfindung des Vereins. Diese rutschsichere Auffahr-
                                                                                                                               rampe im Heckausschnitt ermöglicht einen einfachen Zugang zum
                                                                                                                               Caddy. In den Standorten Lebach und Neunkirchen der reha gmbh
                                                                                                                               stehen nun insgesamt drei PKW und ein Bus zum Ausleihen zur
                                                                                                                               Verfügung. Alle Fahrzeuge sind barrierefrei und mit einer Rampe
                                                                                                                               für Rollstuhlfahrer und einem Rollstuhlrückhaltesystem verse-
                                                                                                                               hen. Gedacht ist das CarSharing-Angebot für Familien, in denen
                          „K-C-Ei“ – wir feiern glei!                                                                          Menschen mit Handicap leben und die sich einen solchen Wagen
                                                                                für Rheinländer! Traditionell hat der Wemaer   oder auch eine teure Umrüstung nicht leisten können. Der Verleih
                              So viel steht fest. Fasching ist nicht nur etwas                                                 ist kostenlos, lediglich das Benzin muss gezahlt werden. Und so
                                                                                  tive Behinderte und ihre Familien Vogt-
                              Karnevals Club gemeinsam mit der „Elterninitia                                                   funktioniert es: Kontaktieren Sie die Mitarbeiterin des Projektes.
                                                                                400 kleinen und großen Narren bestens
                              land e. V.“ Fasching gefeiert. Zum – mit rund                                                    Sie teilen ihr mit, zu welchem Zweck und für welchen Zeitraum Sie
                                                                            te „K-C-   Ei – wir feiern glei!“ und „Wefa –
                              besuchten – gemeinsamen Fasching schall                                                          das Fahrzeug benötigen. Wenn ein Fahrzeug zur Verfügung steht,
                                                                               Zur Musik von DJ „Doc Snyder“ tanzten
                               Helau“ durch die große Veranstaltungshalle.                                                     holen Sie es bei der reha gmbh in Neunkirchen oder Lebach ab. Sie
                                                                                drei Stunden ohne Unterlass. Zuvor aber
                               die behinderten und nicht behinderten Gäste                                                     erhalten eine Einweisung und hinterlegen eine Kaution. Nach Ablauf
                                                                                   einen zünftigen Fasching gehört – mit
                               gab es einen ordentlichen Start, wie es sich für
                                                                        und  natür  lich der Prinzenpaare. Die beiden Veran-   der vereinbarten Nutzungszeit geben Sie uns das Fahrzeug einfach
                               Einmarsch der Elferräte, Tanzgruppen                                                            vollgetankt und gereinigt am vereinbarten Ort wieder zurück.
                                                                                   eine Menge Unterhaltung. Unter anderem
                               stalter, die Elterninitiative und der WKC, boten
                                                                                   Elterninitiative für beste Stimmung.
                               sorgte die Tanzgruppe „Vergissmeinnicht“ der                                                    Kontakt: Tel. 0681 84 49 18 20
                                                                                    hil-                                       www.carsharing-saar.de
                               Fotos finden Sie hier: https://www.elterninitiative-
                               fe-fuer-behinderte-im-vogtlan   d.de/bilder.html
                                                                                rte-im-vogtland.de
                               https://www.elterninitiative-hilfe-fuer-behinde

4                                                                                                                                                                                  Das Band
Das Band - Bundesverband für ...
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                                                                                                                                                                           unter www.bvkm.de
  Paketaktion Weihnachten 2019 im
  Einkaufszentrum ES! mit Traumergebnis
                                                                                                                            Saarbrücken
  Einen Spendenscheck von 4500 Euro hat Center-Managerin Verena Fischer vom Ein-
  kaufscenter ES! an Ursula Hofmann, 1. Vorsitzende vom Esslinger Verein Rückenwind e.
  V., überreicht. Eine kleine Familiengruppe kam stellvertretend für die vielen Rückenwind-
  Familien zur Scheckübergabe ins ES. Bereits seit vierzehn Jahren verpacken Mütter
  behinderter Kinder vor Weihnachten Geschenke im Einkaufcenter ES! Mehr als 50 enga-
  gierte Frauen und Freunde des Vereins hatten alle Hände voll zu tun, die Geschenkeflut
  zu bewältigen. Gutsle, Fruchtaufstriche und Strickwaren wurden ebenso gern gekauft.
  Die Bevölkerung spendete großzügig für jedes hübsch verpackte Päckchen, sodass
  am Ende eine stolze
                                                                                                                           Inklusive Jubiläumsfeier bei der reha gmb
  Summe zusammenkam.                                                                                                                                                                                      h!
  Die Vorsitzende bedankte                                                                                                   Zu den Feierlichkeiten zum 50. Geburts-
                                                                                                                                                                           der reha gmbh wird durch seine Mitar-
  sich bei Verena Fischer                                                                                                    tag der reha gmbh fanden sich am 29.
                                                                                                                                                                           beiter geprägt – das ist seit 50 Jahren
  für die großzügige Unter-                                                                                                  November 2019 rund 700 Mitarbeiter
                                                                                                                                                                           so. Ganz bewusst verzichtete man somit
  stützung durch die Wer-                                                                                                   in der Saarlandhalle in Saarbrücken
                                                                                          Foto: Rückenwind Esslingen

                                                                                                                                                                          auf den üblichen Grußworte-Marathon.
  begemeinschaft des ES!,                                                                                                   ein. Sie alle stießen auf ein halbes
                                                                                                                                                                          Stattdessen führten 18 reha-Mitar-
  die den Spendenbetrag                                                                                                     Jahrhundert an, in dem im Saarland für
                                                                                                                                                                          beiterInnen in Zusammenarbeit mit
  kräftig aufgestockt hat.                                                                                                  Menschen mit Behinderung die Teilhabe
                                                                                                                                                                          dem IntensivTheater aus Saarbrücken
                                                                                                                            am Arbeitsleben verbessert wurde. Am
                                                                                                                                                                          eine einstudierte Bühnencollage auf,
  www.rueckenwind-es.de                                                                                                    Anfang stand ein kleines Pflänzchen in
                                                                                                                                                                         in der die Entstehung und Entwick-
                                                                                                                           Form einer „Behinderten-Werkstatt für
                                                                                                                                                                         lung der Werkstatt erzählt wurde.
                                                                                                                           Spastiker“. Heute bietet die reha gmbh
                                                                                                                                                                        Ein musikalisches Highlight setzte
                                                                                                                           an vier Standorten ein umfassendes
                                                                                                                                                                        der reha-Chor „Wir sind Wir“ mit
                                                                                                                           Produkt- sowie Leistungsportfolio im
                                                                                                                                                                        seinem Auftritt. Die aus Menschen mit
                                                                                                                          Druck-, Logistik- und Marketingbereich
 Mein Kind wird volljährig – und jetzt?                                                                                                                                 und ohne Behinderung bestehende
                                                                                                                          an. Neben ihren fünf Betriebsstät-
                                                                                                                                                                        Sing-Gemeinschaft überzeugte gleich
                                                                                                                          ten unterhält die reha gmbh auch
 Wenn ein junger Mensch 18 Jahre alt wird, plant er in der Regel seinen Auszug                                                                                          mit einer doppelten Uraufführung.
                                                                                                                          zwei Lebensmittelmärkte, in denen
 aus dem Elternhaus, Ausbildungsstelle, Studienplatz oder Ausland. Doch was                                                                                            Denn sie präsentierte nicht nur den
                                                                                                                          Menschen mit Handicap gemeinsam
 passiert, wenn ein junger Mensch mit einer schweren Erkrankung oder Behin-                                                                                            extra für diesen Abend komponierten
                                                                                                                          mit Fachkräften aus dem Lebensmittel-
 derung volljährig wird? Ein Auszug von zu Hause steht selten unmittelbar an.                                                                                          reha-Song, sondern sie stellte dem
                                                                                                                         bereich Hand in Hand arbeiten. Hinzu
 Und für die Eltern geht die Bürokratie erst richtig los! Der Kinderarzt und das SPZ                                                                                   Publikum auch ihre erste CD vor.
                                                                                                                         kommt der Zweig Fördern, Wohnen und
 sind nicht mehr zuständig und können ihre Leistungen nicht länger abrechnen.                                                                                          Eine rundum gelungene Feier!
                                                                                                                         Integration. Denn das Unternehmen
 Das Ende der Schulzeit rückt immer näher und gleichzeitig werden passende                                              gestaltet mit seinen drei Wohnanlagen
 Betreuungsangebote immer rarer. Ursula Hofmann, Gründerin von „rücken-                                                                                                https://www.reha-marketing.de
                                                                                                                        sowie den zwei Tagesförderstätten auch
 wind e.V. – Pflegende Mütter behinderter Kinder stärken!“, war vor kurzem zu                                           das soziale Umfeld seiner Mitarbeiter.
Gast im Podcast „Wegbegleiter“ (Episode Nr. 18). Sie ist Mutter einer 18 Jahre                                          Wichtig war den Verantwortlichen bei
alten Tochter und Gründerin des Vereins „rückenwind e.V. – Pflegende Mütter                                             der Jubiläumsfeier, dass die Mitarbeiter
behinderter Kinder stärken! Ihr Beitrag ist ein Appell an die Verantwortlichen in                                      im Mittelpunkt stehen. Denn der wirt-
der Politik, die mangelnden Entlastungsangebote für pflegende Eltern und ihre                                          schaftliche Erfolg eines Unternehmens
schwer kranken oder behinderten Kinder ernst zu nehmen. In dem Podcast geht                                            entsteht nicht an Computern oder an
es um mangelnde Betreuungs- und Wohnangebote, Vereinbarkeit von Beruf                                                  Werkbänken, sondern in den Köpfen
und Pflege, Altersarmut pflegender Eltern, Burnout, die Frage, was mit den                                             und Herzen von Menschen. Der Geist
Kindern passiert, wenn pflegende Eltern alt werden, die Sorge um die Zukunft
des eigenen Kind und andere Dinge. Ein spannender, ehrlicher und gleichzeitig
bedrückender Beitrag darüber, wie pflegenden Eltern die Perspektiven fehlen.

Herausgegeben werden die Podcasts von der Landesstelle Pallia-
tive Care für Kinder und Jugendliche am Hospiz Stuttgart.

Hier geht es zum Podcast (Nr. 18): https://kinder-palliativ-landesstelle.de/
                                                                                                                                                                                       Fotos: reha gmbh

wegbegleiter-der-podcast-fuer-familien-mit-einem-schwer-kranken-kind/

http://www.rueckenwind-es.de

Ausgabe 1/20                                                                                                                                                                                                         5
Das Band - Bundesverband für ...
THEMA

­
               Mit Spaß und Freude spielen!
               Bedeutung und Möglichkeiten des Spiels bei Menschen
               mit schweren Behinderungen

               Reinhilde Stöppler

               Das Spiel stellt einen interessanten und aktuellen         Begriff und Bedeutung des Spiels
               Mega­trend dar; die große Freude am Spielen lässt
                                                                          Spielen zeichnet sich durch Vielfalt und Vieldeutigkeit
               sich mittlerweile über die gesamte Lebensspanne            aus. Entsprechend wird der Spielbegriff unterschiedlich
               feststellen. Menschen mit schwerer Behinderung             weit gefasst sowie in verschiedenen Altersgruppen und
                                                                          Kontexten unterschiedlich gestaltet. Er reicht vom kind-
               wird jedoch Spielkompetenz oftmals abgesprochen,           lichen Spiel, z. B. Puppenspiel, Einkaufsladen, bis hin zu
               ihre Spielbiografie besteht nicht selten bis ins Alter     aktuellen Indoor-Kinderspielparadiesen und einer Viel-
               lediglich aus dem Spiel „Mensch ärgere Dich nicht“.        zahl von digitalen Spielen. Bei erwachsenen Menschen
                                                                          stehen Spiele wie Gesellschaftsspiele, Geo-Caching,
               Allerdings können Menschen mit schwerer Behin-             Sportspiele, Spielkonsolen im Vordergrund. Der Begriff
               derung auch andere Spiele spielen, gerade aktuelle         Spiel findet sich auch in der Alltagssprache, z. B. Fest-,
                                                                          Naturschau- und Gedankenspiele sowie in zahlreichen
               Spiele haben auch für sie einen hohen Anreiz.
                                                                          Redewendungen und Sprichwörtern wieder („Das ist für
                                                                          mich ein Kinderspiel“, „Erst die Arbeit, dann das Spiel“).
                                                                          Allesamt drücken sie etwas Positives und Leichtes aus.

               I
                   m Folgenden werden einige theoretische Aspekte zu      Eine präzise Definition des Begriffs ist schwierig. Etymo-
                   Begriff und Bedeutung des Spielens sowie Formen        logisch bedeutet das Wort „spilon“, „sich lebhaft bewe-
                   des Spiels mit ihren Möglichkeiten bei Menschen        gen“, „fröhlich sein“, „musizieren“; im 9. Jahrhundert
               mit Komplexer Behinderung aufgezeigt werden. Im An-        hat das mittelhochdeutsche Wort „spil“ die Bedeutungen
               schluss daran soll auf mögliche Probleme, aber vor allem   „Tanz“, „Scherz“, „Musik“; von Anfang an bedeutet es
               auf Perspektiven und Möglichkeiten des Spielens bei        „Kurzweil“, „Unterhaltung“, „Unbeschwertheit“ (vgl.
               Menschen mit Behinderung, hingewiesen werden.              Stöppler et al. 2016, 11).
                                                                          Der kindliche Alltag ist durch vielfältige Spielsituationen
                                                                          geprägt. Spielen allgemein hat für die Entwicklung eines
                                                                          Kindes eine herausragende Bedeutung. Nach Heimlich
    Einfache Sprache                                                      (2015, 32) spielen Kinder in den ersten sechs Lebens-
                                                                          jahren ca. 15.000 Stunden. Kinder lernen im Spiel wie
    Menschen mit einer schweren Behinderung spielen gern. Oft wird        nebenbei; der Kompetenzerwerb erfolgt im leichten
                                                                          „Kinderspiel“. Das Spiel kann sehr vielfältig pädagogisch
    mit ihnen nur das Spiel "Mensch ärgere dich nicht" gespielt. Sie
                                                                          genutzt werden, indem Lerninhalte über das Spiel trans-
    interessieren sich aber auch für ganz andere Spiele. Das wissen       portiert werden. Der Erwerb verschiedener Kompetenzen
    viele Betreuer oder Familien nicht. Manchmal muss an den Spie-        durch Spielaktivitäten ist empirisch belegt. Das Spiel wird
    len etwas verändert werden. Beispiel: Die Spiel-Figuren müssen        auch in der Förderpädagogik, z. B. in der Geistigbehin-
    etwas größer sein, damit die Menschen die Spiel-Figuren besser        dertenpädagogik, als didaktisch-methodisches Mittel im
                                                                          Unterricht genutzt. Betont wird vor allem die Förderung
    anfassen können . Oder es müssen einige Spiel-Regeln verändert
                                                                          der Wahrnehmung und kommunikativer, sensomoto-
    werden. Damit alle die Regeln gut verstehen. Wichtig ist auch:        rischer und kognitiver sowie sozialer Kompetenzen, denn
    Spielen soll Spaß machen. Spielen ist keine Therapie! ■               das Spiel unterstützt die Ausdifferenzierung des Sozial-
                                                                          verhaltens, der Persönlichkeits- und Identitätsbildung

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Das Band - Bundesverband für ...
© helfende Hände (www.helfende-hände.org)/Fabian Helmich (www.fabian-helmich.de)
Wir bedanken uns für die Abdruckgenehmigung der Fotos bei Helfende Hände e.V., München. Die Fotos entstanden in den Einrich-
tungen und Diensten der Helfende Hände e.V. und gGmbH, München. Die Fotos stammen von Fabian Helmich.

sowie der Realitätsbewältigung. In Spielhandlungen wer-       Freude? Eine nicht repräsentative Umfrage in schulischen
den problematische Situationen und Alltagsrealität zu         und außerschulischen Einrichtungen der Behindertenhil-
Freude und Spaß verarbeitet (vgl. Stöppler et al., 2016,      fe in Hessen brachte übereinstimmend folgende Ergeb-
13 f.; Stöppler & Kressin 2017, 27). Aber das Spiel sollte    nisse: Schülerinnen und Schüler im Förderschwerpunkt
neben den aufgezeigten Aspekten des intentionalen Ler-        geistige Entwicklung spielen am liebsten „Memory“,
nens auch um des Spielens willen gespielt werden, denn        „Uno“, „Halli Galli“, sowie die Bewegungsspiele „Mein
Spielen bereitet vor allem Spaß, Freude und Unterhal-         rechter Platz ist leer“, „Bello, Dein Knochen ist weg“.
tung. Es stellt sich die Frage, welche Merkmale dem Spiel     Ältere Menschen spielen auch sehr gern, bei ihnen sind
ein derartiges Potenzial geben. Es ist davon auszugehen,      am beliebtesten die Spiele „Mensch ärgere Dich nicht“,
dass Menschen von Spielen aufgrund ihrer zumindest            „Quirkle“ und das Bewegungsspiel „Indiaka“; auch
vordergründigen Zweckfreiheit fasziniert sind. Goetze         wurden digitale Spiele auf dem Tablet genannt, z. B. be-
(2008) nennt folgende Merkmale des Spielens: Positiver        sonders beliebt im ländlichen Hessen: Landwirtschaftssi-
Affekt und Freude, Freiwilligkeit, Selbstkontrolle, intrin-   mulationen.
sische Motivation, Aktivität, Engagement, Flexibilität,
Variation, Prozessorientierung sowie Quasi-Realität.
Besonders betont werden soll hier der Aspekt der Freude       Formen des Spiels
und der intrinsischen Motivation. Spielmotivation grün-
det in der Regel in freiwilligem Interesse und persönlicher   Die Spielentwicklung des Menschen verläuft in der Re-
Freude. Deshalb ist Spielen meist intrinsisch motiviert und   gel in verschiedenen Stufen und wird von verschiedenen
                                                                                                                                                                                                             DAS BAND online unter www.bvkm.de

somit eine günstige Voraussetzung für Lernprozesse. Al-       Autoren wie Piaget (1969), Bühler (1928) und Heimlich
lerdings gibt es auch extrinsisch motiviertes Spielverhal-    (2015) ähnlich untergliedert und benannt. Dabei werden
ten, etwa durch Gruppenzwang oder durch Spielvorgabe          die Spielformen oftmals in Abhängigkeit zur kindlichen
von Lehrkräften. Andreas Flitner (1973, 9), ein bekann-       Spielentwicklung gesehen. Menschen mit Behinderung
ter deutscher Spieltheoretiker, fasst das Kinderspiel so      benötigen vielfältige und sinnvolle Spielangebote, die
zusammen: „Warum spielt der Mensch? Offenbar treibt           ihrem Entwicklungsstand und Alter entsprechen. Im Fol-
ihn etwas dazu, es macht Spaß und hält ihn in Gang, es        genden sollen verschiedene Formen des Spiels auf die
sättigt ihn und läßt ihn doch immer wieder neue Spiele        Zielgruppe bezogen werden; den vorgestellten Spielvor-
suchen“ (Flitner 1973, 9).                                    schlägen liegen verschiedene Zugangsweisen zugrunde
So stellt sich die Frage, welches Spiel macht Menschen        und es werden Bezüge zu unterschiedlichen pädago-
mit Behinderungen und mit schweren Behinderungen              gischen Konzepten hergestellt. Diese Einteilung der Spiel-

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Das Band - Bundesverband für ...
THEMA

                                                                     Behinderung zu unterstützen. Zur Anregung der funk-
                                                                     tionale Tüchtigkeit können in basalen Spielaktivitäten
                                                                     Spielmaterialien und -medien angeboten werden, mit
                                                                     denen man spielerisch Geräusche hören, spüren, lokali-
                                                                     sieren, selbst erzeugen kann, die sich haptisch gut greifen
                                                                     lassen, sich gut anfühlen, z. B. Klangwürfel, Murmelkli-
                                                                     cker und Newtonpendel, Ocean Drum, Geräuschdosen,
                                                                     Memo-Spiele, Klingel mit Klingeleffekt, Luftballons und
                                                                     Knautschbälle, Lachsack (vgl. Omonsky 2018, 30 ff.).
                                                                     Im „Konstruktionsspiel“ (ca. 2 bis 4 Jahre) steht das ge-
                                                                     plante Bauen und Konstruieren von Spielmaterial, z. B.
                                                                     Bauen mit Bauklötzen, Lego, Minecraft als digitales Spiel,
                                                                     im Vordergrund. Ab dem zweiten Lebensjahr entwickeln
                                                                     Kinder Interesse am Bauen, Gestalten und Konstruieren
                                                                     mit Duplosteinen und Bauklötzen, aber auch mit Knete,
        Manchmal müssen herkömmliche Spiele einfach angepasst        Farben und Papier. In dieser Phase des Konstruktions-
        und überarbeitet werden.                                     spiels gestaltet das Kind eigenständig und fantasievoll
                                                                     Bauwerke, Figuren und Objekte. Die explorierten Ge-
                                                                     genstände werden im Spiel miteinander kombiniert und
        formen erfolgt nach Piaget und Bühler, unterschieden         gern auch wieder umgestoßen. Diese Stufe der Entwick-
        wird dabei zwischen:                                         lung im Spiel ist auch bei Menschen mit schwerer Behin-
        – Funktions-/Übungs-/Explorationsspiel                       derung zu erkennen, z. B. bei Spielaktivitäten wie Dosen,
        – Konstruktionsspiel                                         Bauklötze und -steine stapeln, Wege, Mauern, Türme
        – Rollen-/Symbolspiel                                        bauen (vgl. ebd.). Es ist wichtig, für die Umsetzung ge-
        – Regelspiel                                                 eignete Materialien zu verwenden, z. B. große Bausteine
        Zu Beginn der (kindlichen) Entwicklung steht das „Funk-      aus Schaumstoff, die leichter sind, besser gefasst werden
        tionsspiel“ oder auch „Explorationsspiel“ oder „Übungs-      können und nicht so leicht zusammenfallen, weil sie nicht
        spiel“ genannt (ca. 0 bis 2 Jahre). Im Mittelpunkt dieser    so glatt sind wie Holzbausteine. In der darauffolgenden
        Spielform steht die Erprobung und Übung der eigenen          Phase des „Symbol- oder Rollenspiels“ (ca. 4 bis 6 Jahre)
        Körperfunktionen sowie der Umwelt, nämlich das Funk-         (Vorläufer ist das Fantasiespiel) entwickelt das Kind die
        tionieren von Gegenständen und Spielen. Spielaktivitäten     Fähigkeit, Situationen und Tätigkeiten aus dem Alltag,
        haben mit Entdeckungen und Erforschungen zu tun. Als         wie Essen oder ins Bett gehen, im Spiel aufzugreifen und
        Spielmittel eignen sich in dieser Entwicklungsphase Din-     mit Teddy oder Puppe nachzuspielen. Können die Kinder
        ge zum Schauen und Greifen, wie Luftballons, Mobiles,        sich verbal ausdrücken, beginnen sie, Gegenstände für
        Perlenketten, Bälle, Spielringe oder auch weiche Puppen      ihr Spiel umzudeuten. In diesem Symbolspiel dient der
        oder Tiere. Auch Spielzeuge zum Aus- und Einräumen           Eimer vielleicht als Tisch und ein Holzstück stellt ein Brot
        gehören zu den Funktions- und Übungsspielen. Diese           dar. Im Spiel mit anderen Kindern werden verschiedene
        spielerischen Anregungen sind auch bei Menschen mit          Rollen nachgeahmt und erprobt, z. B. im Nachspielen
        schwerer Behinderung eine Möglichkeit der Kontaktauf-        von realen und fiktiven Situationen, wie Vater-Mutter-
        nahme und der Anregung. Auf Grund der Schwere der            Kind, Indianer und Cowboys. Dieses Hineinschlüpfen
        Beeinträchtigungen, beispielsweise einer Tetraplegie, zei-   in eine andere Rolle ist für viele Menschen mit Behin-
        gen sie oftmals kaum Spielverhalten. Sie sind besonders      derungen schwierig. Die Nachahmung und Vorstellung
        auf äußere Reize angewiesen, die durch basale Spielan-       von einer Situation, bei der man nur so tut, als ob, kann
        gebote mit Bällen, Glöckchen, Trockenduschen, Natur-         sinnlos erscheinen oder überfordern. Festzustellen sind
        materialien, Rasierschaum, verschiedenen Papiersorten,       Spaß und Freude an der eigenen Verkleidung sowie von
        Schlaginstrumenten oder Rasseln neue Reize setzen.           Puppen und Stofftieren. Wir haben in Forschungsar-
        Für Kinder mit körperlichen Einschränkungen ist das Er-      beiten gute Erfahrungen mit dem pädagogischen Pup-
        obern und Entdecken der Umgebung durch das Funk-             penspiel gemacht; der Puppe kommt eine wesentliche
        tionsspiel auf Grund der motorischen Einschränkungen         Rolle zu bzw. sie hat symbolische Bedeutung. In Ab-
        oft schwierig. Es ist Aufgabe des Pädagogen, das Kind        wesenheit von Protagonisten für die unterschiedlichen
        zum Spiel zu ermutigen und adäquate Spielangebote zur        Spielhandlungen repräsentiert sie Stellvertreter und Mo-
        ganzheitlichen Entdeckung der Umwelt zu nutzen, um           delle. Der Puppe kommt eine soziale Rolle im Spiel der
        die senso-motorische Eigenaktivität des Menschen mit         Kinder zu, sie kann FreundIn, BeschützerIn, Prügelknabe,

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TrostspenderIn und GeheimnisträgerIn sein (vgl. Stöppler         nis der Spielregeln kommen. Folge kann eine man-
& Kressin 2017, 27 f.). Die nächste Spielform stellt das         gelnde Bereitschaft sein, das eigene Verhalten den Re-
komplexere „Regelspiel“ dar. Im Regelspiel wird festge-          geln anzupassen und die momentan vorherrschenden
legt, wer teilnehmen darf, welche Spielzüge erlaubt und          Bedürfnisse zugunsten der Spielregeln zurückzustellen
welche verboten sind. Wer sich nicht an die Spielregel           (vgl. Stöppler et al. 2016).
hält, riskiert das Ende des Spiels oder Ausschluss. Ab dem
Kita-Alter entwickeln Kinder Interesse an gemeinsamen
Regelspielen mit anderen nach festgelegten Regeln, z. B.      Spiel-Modifikationen
bei Sport- und Gesellschaftsspielen. Klar strukturierte Re-
gelspiele mit einfachem Spielaufbau eignen sich auch für      Im Folgenden sollen nun kreative Anregungen zur Modi-
die Arbeit mit Menschen mit geistiger und/oder schwerer       fikation unterschiedlicher Spiele vorgestellt werden. Die
Behinderung, ohne überwiegend Spiele für Kleinkinder          dargestellten Praxisbeispiele wurden in inklusiven und
anzubieten.                                                   sonderpädagogischen Einrichtungen erprobt; sie haben
                                                              unterschiedliche Niveaustufen und Akzentsetzungen, sie
                                                              sind vielfältig und variabel und sowohl im schulischen als
Mögliche Probleme und Perspektiven des                        auch im außerschulischen Bereich einsetzbar. Spiele, die
Spiels                                                        aufgrund der genannten möglichen Defizite zunächst
                                                              ungeeignet erscheinen, sind dennoch mit und für Schüler
Ein großer Teil der aktuellen und beliebten Gesellschafts-    mit geistiger Behinderung mit Freude spielbar. Fast alle
spiele für Kinder, Jugendliche und Erwachsene kann auf-       Spiele sind modifizierbar, und zwar durch die Bereitstel-
grund der Komplexität des Regelwerks, der Terminologie,       lung spezieller Hilfen, Gestaltung des Spielmaterials, Re-
der kognitiven und auch motorischen Anforderungen für         duzierung der Spieldauer sowie Reduzierung des Materi-
Menschen mit geistiger Behinderung zu anspruchsvoll           als und des Regelwerks (vgl. ebd., 37 f.).
sein. Es können Schwierigkeiten in folgenden Bereichen
auftreten, die sich gegenseitig bedingen:                     Gestaltung des Spielmaterials
– Bereich der Spielaktionen: Es kann zu einem gerin-          Bei der Gestaltung des Spielmaterials sind vor allem die
   geren Spielbedürfnis als bei nichtbehinderten Kindern      Übersichtlichkeit und die Handhabbarkeit von großer
   kommen; einfache Spielverläufe werden häufig un-           Bedeutung, da bei Menschen mit geistiger Behinderung
   verändert wiederholt. Bei Rollenspielen können auf-        häufig Schwierigkeiten im feinmotorischen und visuellen
   grund mangelnder Fantasie für das Hineinversetzen in       Bereich vorliegen. Demnach ist es sinnvoll, Spielelemente
   neue Rollen Probleme entstehen.                            wie z . B. den Spielplan, die Spielfiguren, die Spielkarten,
– Bereich der Spielpartner: Kindern mit geistiger Behin-      einzelne Symbole oder die Würfel zu vergrößern, damit
   derung fällt es manchmal schwerer, allein (ohne Spiel-     sie besser zu erkennen sind und sich leichter greifen las-
   partner) oder mit bestimmten Mitspielern zu spielen        sen. Viele der benötigten Materialien können im Spiele-
   und sich in die Spielgruppe einzufügen.                    handel erworben werden, andere müssen dagegen selbst
– Bereich des Spielmaterials: Insbesondere hohe fein-
   motorische Anforderungen (kleine, schwer handhab-
   bare Spielfiguren) und visuelle Anforderungen, insbe-
   sondere in der Figur-Grund-Wahrnehmung (z. B. bei
   unübersichtlichen Spielbrettern und -karten) können
   Menschen mit geistiger Behinderung überfordern.
   Daraus können ein nichtadäquates Umgehen mit
   Spielgegenständen sowie eine Fixierung auf bestimm-
   tes Spielmaterial resultieren.
– Bereich der Spielidee: Komplexe Spielideen können
   nicht immer erfasst werden. Einige Spiele erfordern
   das Einhalten von Zeiten, in denen die Spielzüge voll-
   zogen werden müssen. Hierbei kann es zu Schwierig-
   keiten kommen; Zeitmesser, die die abgelaufene Zeit
   möglichst anschaulich visualisieren (z. B. TimeTimer
   oder Sanduhr) können hilfreich sein.
– Bereich der Spielregeln: Bei Spielen mit komplexem
   Regelwerk kann es zu Schwierigkeiten beim Verständ-

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        hergestellt werden. Bei den selbst hergestellten Spielele-   Reduzierung des Materials und des Regelwerks
        menten sollte vor allem darauf geachtet werden, stabiles     Diese Form der Modifizierung dient in erster Linie dazu,
        und haltbares Material zu verwenden bzw. das Material        das Spiel zu vereinfachen. Möglichkeiten einer Reduzie-
        stabil und haltbar zu machen (z. B. Gestaltung von Spiel-    rung des Materials bestehen hauptsächlich in der Ver-
        plänen aus Holz, laminieren von Spielkarten, lackieren       ringerung der Anzahl von Spielelementen (z. B. Spielkar-
        von Spielbrettern mit Klarlack).                             ten, Spielfiguren, Spielfeldern). Bei der Reduzierung des
                                                                     Regelwerks handelt es sich vor allem um das Weglassen
        Bereitstellung spezieller Hilfen                             zusätzlicher Regeln. Dabei sollte aber darauf geachtet
        Die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Behin-           werden, dass die grundsätzliche Spielidee beibehalten
        derungen können es in manchen Fällen erfordern, dass         wird, da sie gleichzeitig den Reiz des Spiels ausmacht.
        spezielle Hilfen bereitgestellt werden müssen, um die        Des Weiteren besteht die Möglichkeit inhaltlicher Verän-
        Teilnahme an einem Spiel zu ermöglichen. Solche Hilfen       derungen der Regeln, z. B. durch eine Veränderung des
        können zum Beispiel in einer entsprechenden Gestaltung       Wertungssystems oder durch Austauschen der vorgege-
        des Spielmaterials bestehen:                                 benen Spielkategorien. Beispiele für gelungene Spielmo-
        – Beschichtung des Spielmaterials mit Magnetfolie oder       difikationen finden sich bei Stöppler & Haveman 2013,
           Vertiefung der Lauffelder, damit die Spielfiguren nicht   Stöppler & Kressin 2017 und Stöppler 2018.
           bereits bei leichter Erschütterung umfallen
        – Bereitstellung von Visualisierungshilfen, z. B. Über-
           sichtskarten, auf denen die wichtigsten Aspekte zu-       Digitale Spielformen
           sammengefasst sind
        – Bereitstellung von Zählhilfen                              Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene umgeben sich
        – Bereitstellung von Kartenhaltern, damit die Spiele-        heute mit erweiterten Kulturräumen und moderneren
           rInnen nicht die motorisch hohe Anforderung erfüllen      Spielansätzen. Netzwerkgesellschaft und digitale Spiel-
           müssen, viele Karten gleichzeitig zu halten               kulturen etc. sind die Schlagworte, die das Neue in Sa-
        – Veränderung und Vereinfachung des Auswertungs­             chen Spiel umreißen und die die Kulturen des Aufwach-
           systems, z. B. in Form von Punktetafeln                   sens in Zukunft wohl zunehmend bestimmen werden.
                                                                     Zunehmend finden sich PädagogInnen in Situationen
                                                                     wieder, in denen sich die Kinder und Jugendlichen, mit
                                                                     denen sie arbeiten, in diesen Bereichen besser zurecht-
                                                                     finden als sie selbst. Das vermittelt PädagogInnen nicht
                                                                     selten das ungute Gefühl, mit den Entwicklungen in der
                                                                     Lebenswelt der Jugendlichen nicht mehr Schritt halten
                                                                     zu können. Für Fachkräfte besteht ein Bedarf und eine
                                                                     Notwendigkeit, sich einzudenken, also auch das Spiel(en)
                                                                     neu zu denken (vgl. Feierabend et al. 2016, 98). Nach
                                                                     Schätzungen spielen 2,6 Milliarden Menschen weltweit
                                                                     digitale Spiele, ein bedeutender Anteil der gesamten
                                                                     Bevölkerung. Eine Personengruppe fällt in Studien über
                                                                     Spielverhalten und -motivation durch Abwesenheit auf:
                                                                     Menschen mit schweren Behinderungen. Es ist wenig
                                                                     darüber bekannt, was eine bedeutende Hürde dafür
                                                                     darstellt, passende Spiele zu entwickeln. Studien über
                                                                     Bedeutung und Verbreitung von digitalen Spielen bei
                                                                     Menschen mit schweren Behinderungen sind bis auf we-
                                                                     nige Ausnahmen aktuell kaum vorhanden. Ein digitales
                                                                     Spielbeispiel soll an dieser Stelle angeführt werden. Die
        Reduzierung der Spieldauer                                   Spielkonsole Wii kann sehr gut bei Menschen mit geisti-
        Bei vielen Spielen ist eine Verkürzung der Spieldauer        gen und auch schweren Behinderungen eingesetzt wer-
        empfehlenswert, z. B. durch Reduzierung des Spielmate-       den, um Spaß und Freude, an Bewegung, zu vermitteln.
        rials und des Regelwerks, um Personen mit einer gerin-       Die Wii hat einen sehr hohen Motivationscharakter. Im
        gen Konzentrations- und Aufmerksamkeitsspanne nicht          angloamerikanischen Raum ist die Wiihabilitation im Be-
        zu überfordern.                                              reich von Rehabilitation und Physiotherapie bereits weit
                                                                     verbreitet. Die Vorteile des digitalen Mediums werden

10                                                                                                                  Das Band
insbesondere zwei Aspekten zugeschrieben: dem hohen
Motivationscharakter einerseits sowie der Ablenkung
von der eigentlich zu therapierenden Beeinträchtigung
andererseits. Des Weiteren lässt sich Wii in heterogenen
Gruppen umsetzen. Die Steuerungselemente der Wii
sind auf die motorischen Voraussetzungen der Schü-
lerinnen und Schüler anpassbar, sodass gemeinsame
Aktivitäten stattfinden können. Es gibt auch Elemente,
die eine Mund- oder Kopfsteuerung ermöglichen. Gute
Erfahrungen wurden mit den Wii-Spielen gemacht und
zwar mit Hula Hoop, Tennis, Kickboxen und Skifahren,
bei älteren Menschen sind Kegeln und Bowling beliebt
(vgl. Tillmann & Füchtenhans 2015). Jugendliche mit Be-
hinderungen weisen Computerspielen oft eine besonde-
re Bedeutung zu. Für manche ist es das Fenster zur Welt
und sie können ihre Erfahrungs- und Handlungsräume              Literatur
                                                                Bühler, Ch. (1928): Kindheit und Jugend. Leipzig: Hirzel
erweitern. Beispiel sind Bewegungsspiele oder das freie         Feierabend, S.; Karg, U. & Rathgeb, T. (2016): Die Bedeutung
Agieren in virtuellen Welten. Des Weiteren ermöglichen          digitaler Medien im Alltag von Kindern und Jugendlichen – Ver-
Computerspiele Menschen mit und ohne Behinderungen              breitung, Nutzung und Zusammenhänge. In: Dadaczynski, K.,
                                                                Schiemann, S.& Paulus, P. (Hrsg.): Gesundheit spielend fördern.
soziale Kontakte in Spielgemeinschaften und eine Begeg-
                                                                Potenziale und Herausforderungen von digitalen Spieleanwen-
nung auf Augenhöhe. Bedingung für die gleichberech-             dungen für die Gesundheitsförderung und Prävention. Weinheim:,
tigte Nutzung ist die Zugänglichkeit von Games (Accessi-        S. 98–114
                                                                Flitner, A. (Hrsg.) (1973): Das Kinderspiel. Texte. 4. Auflage.
bility). Checklisten mit Kriterien, die motorische, auditive,
                                                                München, 3
kognitive, visuelle, sprachliche Aspekte berücksichtigen,       Goetze, H. (2008): Spieltherapie bei Kindern und Jugendlichen mit
finden sich online.                                             geistiger Behinderung. In: Nussbeck, S.; Biermann, A. & Adam, H.
                                                                (Hrsg.): Sonderpädagogik und geistige Entwicklung. Göttingen
                                                                u. a.: Hofgrefe, S. 422–441
                                                                Heimlich, U. (2015): Einführung in die Spielpädagogik, 3. Auflage.
Fazit                                                           Stuttgart
                                                                Omonsky, C. (2018): Schüler mit intensiver Behinderung fördern.
                                                                Elementare Lernaktivitäten zu Wahrnehmung und Motorik, 2.
Der sonderpädagogische Umgang mit der Spieltätigkeit
                                                                Auflage. Hamburg
von Menschen mit schwerer Behinderung steht prinzipi-           Piaget, J. (1969): Nachahmung, Spiel und Traum. Stuttgart
ell in der Gefahr, das Spiel lediglich als Mittel zur Errei-    Stöppler, R.(2018): Zum Spielen aufgelegt. Bedeutung und
                                                                Möglichkeiten des Spiels bei geistiger Behinderung. In: Lernen
chung von Förder- und Therapiezielen heranzuziehen.
                                                                konkret,1, 4–10
Wünschenswert ist es, das Spiel nicht nur als didaktisch-       Stöppler, R. & Haveman, M. (2013): „Spielen will gelernt sein!?“.
methodisches Mittel zu nutzen, sondern auch „um des             Spiele für Menschen mit geistiger Behinderung, 2. Auflage. Dort-
Spielens willen“ zu spielen, und zwar mit Spaß und Freu-        mund
                                                                Stöppler, R.; Haveman, M. & Wilke, J. (2016): Neue inklusive
de. Wünschenswert ist eine Erweiterung der Spielbiografie       Spielideen. Spielen will gelernt sein. Teil 2. Dortmund
für Menschen mit Behinderung, damit sie an der Vielfalt         Stöppler, R. & Kressin, M. (2017): Das pädagogische Puppenspiel.
des aktuellen Spieleangebotes – auch im Sinne der Inklu-        Theoretische Einführung und praktische Beispiele auch für die
                                                                inklusive Bildung. Dortmund
sion – teilhaben können. Im Sinne der Mediatisierung ist
                                                                Tillmann, V. & Füchtenhans, J. (2015): Bewegung 2.0. Die „Wii-
eine vielfältige Mediennutzung für die meisten Menschen         Olympiade“ an der Förderschule. In: Lernen konkret (2 ), 15–19
alltagszugehörig geworden. Eine spielerische Einbindung         „Warum spielt der Mensch? Offenbar treibt ihn etwas dazu, es
                                                                macht Spaß und hält ihn in Gang, es sättigt ihn und lässt ihn doch
digitaler Medien in pädagogische Kontexte bietet eine
                                                                immer wieder neue Spiele suchen“ (Flitner 1973, 9).
gute Ergänzung. Bei aller Zuversicht, die in die Digitali-
sierung gesetzt wird, sollte nicht vergessen werden, dass
Empathie und die menschliche Begegnung den Unter-               Dieser Text wurde erstmals veröffentlich in: Leben pur – Spielen bei
schied und die Qualität der Spielpädagogik ausmachen.           Menschen mit Komplexer Behinderung“. Annika Lang, Dr. Nicola
                                                                Maier-Michalitsch (Hrsg.), 256 S., Düsseldorf 2020, verlag selbst-
Prof. Dr. Reinhilde Stöppler ist geschäftsführende Di-          bestimmtes leben, ISBN: 978-3-945771-20-4, 11,00 EUR (Mitgl.)
rektorin des Instituts für Förderpädagogik und Inklu-           // 17,40 (Nicht-Mitgl.). Der „verlag selbstbestimmtes leben“ ist
sive Bildung an der Justus-Liebig-Universität Gießen            Eigenverlag des bvkm. Das Buch kann über den Shop bestellt wer-
und hat eine Professur für Erziehungswissenschaft mit           den. https://verlag.bvkm.de oder über versand@bvkm.de
dem Schwerpunkt Geistigbehindertenpädagogik.
https://www.uni-giessen.de/fbz/fb03/institutefb03/
foerderpaedagogik/professuren/geistigbehinderte                 Lesen Sie dazu mehr auf S. 38

Ausgabe 1/20                                                                                                                           11
THEMA

        © helfende Hände (www.helfende-hände.org)/Fabian Helmich (www.fabian-helmich.de)

                                                                                           Miteinander Spielen
                                                                                           Peer-Beziehungen von Kindern mit Komplexer Behinderung
                                                                                           Angela Simon

                                                                                           Anton                                                      Zurück versetzt in Ihre eigene Teenagerzeit oder als El-
                                                                                                                                                      ternteil eines Heranwachsenden werden Sie als Leser
                                                                                           Unser Sohn Anton ist 15 Jahre alt. Jeden Morgen bringt     sehr schnell den Eindruck gewinnen: Da stimmt doch was
                                                                                           sein Vater ihm eine heiße Schokolade ans Bett und ge-      nicht! Wir wissen durchaus, dass Mädchen und Jungen
                                                                                           meinsam besprechen sie, was am jeweiligen Tag ansteht.     dieses Alters sich eher nicht in der Kommunikation mit
                                                                                           Danach macht Anton sich motiviert für die Schule fertig.   den Eltern üben und im Verlauf ihrer Adoleszenz immer
                                                                                           Täglich freut er sich auf den intensiven Wissensaustauch   weniger daran interessiert sind, Zeit mit ihren Eltern zu
                                                                                           mit seinem Physiklehrer und seiner Lateinlehrerin, bei     verbringen. An die Stelle der Familie treten immer stär-
                                                                                           ihnen hat er auch die Möglichkeit, sich über persönliche   ker die Gleichaltrigen oder – wie es soziologisch benannt
                                                                                           Fragen auszutauschen. Am Nachmittag diskutieren wir        wird: die Peers. Die Peers sind die Gleichen. Hiermit sind
                                                                                           bei einer Tasse Tee anhand der Zeitung das politische      nicht nur die Gleichaltrigen gemeint, sondern diejenigen,
                                                                                           und gesellschaftliche Tagesgeschehen. Manchmal le-         die auch in irgendeiner Form gleichrangig sind, einer glei-
                                                                                           sen wir gemeinsam ein Buch oder wir besuchen das           chen Gruppe angehören, kurz: diejenigen Gleichaltrigen,
                                                                                           Schwimmbad, ein Museum oder die Skateranlage. Sein         mit denen ich meinen Alltag verbringe. Dazu gehören
                                                                                           Nollie-Kickflip kann sich wirklich sehen lassen! Am        Freunde ebenso wie Klassenkameraden oder Sportskol-
                                                                                           Abend spielt Anton gern noch eine Runde Schach mit         legen, während Freunde eine noch wesentlichere Rolle
                                                                                           seinem Papa und dabei besprechen sie noch einmal den       im Leben von Kindern und Jugendlichen einnehmen (vgl.
                                                                                           Tag, bevor dieser ihn dann ins Bett bringt.                Breidenstein 2008, 94 5 ff.). Freunde, Gleichgesinnte
                                                                                                                                                      sind wichtig – diese These würde wohl jeder bejahen. Bu-

12                                                                                                                                                                                                    Das Band
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