Zurück zum Mond Länderporträt - Living India
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Trends und Impulse für die Welt der Reinraumtechnologie 02 | 2019 Zurück zum Mond WIR KOMMEN, UM ZU BLEIBEN Länderporträt Traumberuf: Preisgewinner: Indien: Planetary Protection Future Award und Riding the tiger Expert Creative Prize
EDITORIAL Liebe Leserin, lieber Leser, Neulich fand in unserem Cleanroom Future Campus im Schweizerischen Wan- gen die Fortbildung «Professionelles Reinraummanagement» statt. Von den Teil- nehmern bekam ich ausgesprochen positive Rückmeldungen, auch für die Qualität dieses Magazins. Ich wurde aber auch gefragt, was wir mit ihm eigentlich bezwe- cken wollen. Das kann ich Ihnen konkret beantworten. Das Magazin ist eine der drei Säulen, die die Plattform «Cleanroom Future» ausmachen. Die anderen beiden sind unser gleichnamiges Netzwerk und der Campus. Alle drei Säulen sollen Ihnen einen Mehrwert bieten. Das Magazin ermöglicht einen breit gefächerten Einblick in die- se so vielfältige, spannende, innovative und – Menschen, die nicht selbst darin tätig sind, ist es oft nicht bewusst – extrem wichtige Branche. Wir stellen für viele Produk- te die Basis sicher. Ohne uns gäbe es keine Aspirin, keine künstlichen Hüften, keine Frank Duvernell Smartphones. Das Magazin soll auch eine Brücke zwischen GMP und ISO bauen und Herausgeber aufzeigen, in wie vielen Querschnittsbranchen Reinraumtechnik eingesetzt wird. Gründer Cleanroom Future Und was das Produzieren unter kontrollierten Bedingungen bedeutet. Für Anwender, Zulieferer und Mitarbeiter. Kurz: Auf das, was in reinen Räumen erforscht, entwickelt und produziert wird, können wir alle stolz sein. Denn dahinter stecken kluge Köpfe. Die sind übrigens auch in einem Start-up zu finden, das «den Staubsauger in den Reinraum bringen» will: Lesen Sie mehr dazu ab Seite 36. Um kluge Köpfe geht es ebenfalls im Artikel «Objektiv betrachtet …», in dem wir der Herstellung von Objektiven auf den Grund gehen, Seite 42. Unbedingt empfehlen möchte ich Ihnen auch das Interview mit der Planetary Protection Expertin Dr. Petra Rettberg in unserer Titelstory. Ein Traumjob! Welche Rolle Reinräume dabei spielen? Lesen Sie selbst ab Seite 15. Einen spannenden Blick in «reine Themen» – von der Pharmaindustrie über Me- dizintechnik bis Mikrotechnologie – sowie wertvolles Netzwerken bietet auch die nächste relevante Fachmesse im Herbst. Die Cleanzone hat die aktuell treibendsten Themen der Branche erkannt und in ihr Tagungsprogramm aufgenommen. Eine Erfolgsgeschichte des Vernetzens, die 2018 dort begann, waren für die beiden Firmen KEK und MED-EL der Gewinn je eines Awards. Der älteste Preis der Branche, der Cleanroom Future Award, und der Creative Prize, der kreativ gestaltete Rein- räume würdigt, wurden ihnen während der Cleanzone verliehen. Wir wollten wissen, wie es den beiden Unternehmen heute geht und welche Aus- wirkungen der Gewinn für sie hatte. Über unsere Redaktionsbesuche bei den Edel- stahl-Werkern in Dresden (KEK) und im schönsten Reinraum der Welt in Inns- bruck (MED-EL) berichten wir ausführlich ab Seite 50. Haben Sie selbst ebenfalls innovative Ideen? Reichen Sie Ihre Bewerbungen – für beide Preise – unbedingt ein. Auch wenn Ihre Idee vorerst im Projektstatus ist, die Jury ist neugierig! Viel Vergnügen beim Lesen in diesem Heft. Ihr Frank Duvernell CLEANROOM FUTURE 2 | 19 3
INHALT INNOVATION & ZUKUNFT MENSCH & REINRAUM VON ANDEREN LERNEN 24 Länderporträt Indien 46 Quality Cleanroom Forum BILD: NASA BILD: ZVG «Riding the tiger» Was macht ihr? Was machen wir? Und wenn ja, wie? Die sechstgrößte Volkswirtschaft der Erde ist auf dem Weg zur wirtschaftlichen Großmacht. 50 Redaktionsbesuch beim Unter dem wiedergewählten Premierminister Modi entwickelt sie in hohem Tempo neue industrielle Award-Gewinner Cluster in Hightech-Branchen mit Reinraumbedarf. KEK: Wie ein simpler Klapptisch für Service- Die Regierungskampagne «Make in India» steht techniker zur Innovation wurde und den Cleanroom für eine Modernisierung der gelenkten Volkswirt- Future Award gewann schaft. Auch deutsche Messen öffnen dort Türen. 26 Indien in Zahlen, ein Subkontinent der 54 Redaktionsbesuch beim Superlative Gewinner des Creative Prize 27 4 Tipps für den Umgang mit indischen MED-EL: Hightech für die Ohren, Farbe für die Seele Geschäftspartnern im schönsten Reinraum der Welt Purvi Shah-Paulini hat einen «Pocket-Guide Indien» mitverfasst und gibt wertvolle interkul- turelle Hinweise. 28 Ein Land, zwei Welten SERVICE 31 Cleanroom Technology in 03 Editorial BILD: ISTOCKPHOTO 06 News 1: Maschinelles Lernen, Diamanten aus der Kunst dem Reinraum, Pharma in der Karibik, Wie sie den weltweit einzigen geschichtsfreien Intuitive KI Raum ermöglicht 34 News 2: Containment, Mehrverbrauch Mit welchem Blick betrachten Künstler das Konzept von Arzneimitteln – weltweit und im Auge, 08 Titelstory «Reinraum»? Als nicht nur partikel-, sondern auch Digitalisierung + KMU emotionsfreien Ort. 2005 entstand das Kunst- 59 Messen und Events Zurück zum Mond projekt in einer Leipziger Gartenlaube, damals nach EN ISO 14644 endgereinigt und zertifiziert. Seit 60 Impressum Der neue Run auf den 2018 existiert in der Schweiz seine Entsprechung in Form eines zweiten kleinen Hauses, das «KlHaus». Erdtrabanten KOLUMNEN 36 Start-up mit Staub 22 James Bond als Gadget-Visionär: Den Staubsauger in den Reinraum bringen Welche seiner technischen Highlights gibt es Nach einigen Jahrzehnten der Ruhe geht die Erforschung und geplante Gefährliche Stäube am Entstehungsort zu sammeln, heute wirklich? Nutzung des Mondes in die nächste Phase über. Zukünftig sollen die Filteranlagen in den Reinraum zu bringen Teil 2: Der Autoschlüssel als Fahrer Menschen für längere Zeiträume auf dem Mond bleiben können. Welche und beim Filterwechsel das Containment nicht zu 49 Reine Tipps, Reine Fragen Nationen sind dabei und welche Ziele werden verfolgt? brechen, hat sich ein Start-up vorgenommen. So bekommen Sie die Antworten, die Sie brauchen: Im Interview erzählen die jungen Gründer, was sie Mit 12 Fragen erfolgreich den neuen Job beginnen 12 Historischer Abriss: Wettlauf ins All antrieb und welche Lösungen sie anbieten. 15 Leben im Extremen: Ist es theoretisch auch auf anderen 39 Glossar Himmelskörpern möglich? 41 9 Fakten über Staub 15 Planetenschützerin von Beruf: Wen oder was schützt sie? Und welche Rolle spielen Reinräume dabei? 42 Optik Interview mit der Planetary Protection Expertin Dr. Petra Rettberg Objektiv betrachtet: Hightech-Lichtsammler 21 Kurz erklärt: Der Mond in Fakten Optische Systeme haben heute fast jeden Lebens- bereich durchdrungen. Doch was macht ein gutes Objektiv aus? Wie wird es hergestellt und Mit einem Click welche Rolle spielt dabei der Reinraum? 45 Edelstein und Plastiklinse zum Account in die Zukunft. Registrieren Sie sich jetzt! cleanroomfuture.com 4 CLEANROOM FUTURE 2 | 19 CLEANROOM FUTURE 2 | 19 5
NEWS > MASCHINELLES LERNEN, DIAMANTEN AUS DEM REINRAUM, PHARMA IN DER KARIBIK, INTUITIVE KI NEWS > MASCHINELLES LERNEN, DIAMANTEN AUS DEM REINRAUM, PHARMA IN DER KARIBIK, INTUITIVE KI Maschinelles Lernen BILD: ISTOCKPHOTO BILD: FRAUNHOFER IWU Mathematisches Modell hilft bei der Von der Karibik in Impfstoffentwicklung die USA Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), Bundesinstitut für Pharma- und Labor- Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel im deutschen Langen, hat in einer Forschungskoope- zulieferer investiert ration ein mathematisches Modell entwickelt, mit dem eine präzisere Vorhersage und eine verbesser- in Puerto Rico te Ausbeute bei der biotechnologischen Protein- synthese in Wirtsorganismen möglich ist. Durch Reichtum aus dem Reinraum Der Pharma- und Laborzulieferer Sartorius Der Roboter erkennt das Bauteil, das die Mitarbeiterin hält und folgt behut- Diamanten aus dem Labor sam ihrer Hand bis zur Übergabe des Werkstücks. (Bild: Fraunhofer IWU) das neue Verfahren eröffnen sich vielfältige bio- hat mehr als 100 Millionen US-Dollar in technologische Anwendungsmöglichkeiten u.a. in Puerto Rico investiert, um künftig die Produk- Steuerung durch Gesten werden günstiger und Industrie-Roboter interagiert der Impfstoffentwicklung. tionskapazität im Sartorius-Werk in Yauco Biotechnologische Arzneimittel beruhen oft auf sind ethisch unbedenklich zu verdoppeln. Der Konzern fördert damit maßgeschneiderten Proteinen. Hierzu müssen die Gene, die die Informationen über die gewünschten die wirtschaftliche Entwicklung der Region auf der Karibik-Insel. mit Menschen intuitiv Proteine tragen, in Bakterien- oder Säugerzellen In der Antike galten sie als «Tränen der Götter», heute wer- Die Arbeiten auf dem knapp 190.000 Quad- transferiert werden. Meist ist zusätzlich eine An- den sie als «A Girl's Best Friend» besungen. Forscher je- ratmeter großen Areal sollen im zweiten Das Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Um- passung der Gene an die Wirtszelle erforderlich, doch entzaubern die sagenumwobenen Edelsteine – hand- Quartal 2019 abgeschlossen werden. Das formtechnik IWU hat eine Technologie zur Kommunika- um die transferierten Gene ablesen und die darauf le es sich doch nur um ein Stück Kohlenstoff mit spezieller Werk im Südwesten von Puerto Rico belie- tion zwischen Mensch und Maschine entwickelt, wodurch kodierten Proteine abbilden zu können. Der For- Kristallstruktur. fert vor allem den US-amerikanischen eine intuitive Zusammenarbeit mit industriellen Großro- schergruppe ist es nun mit Methoden des maschi- Seit über 50 Jahren entstehen Diamanten auch im Labor. Markt, der zu den Wachstumsschwerpunk- botern möglich wird – ähnlich wie mit menschlichen Kolle- nellen Lernens gelungen, weitere Prädiktoren für Alle durch Hochtechnologie definierbaren Eigenschaften ten von Sartorius gehört. Für den internatio- gen. Die Roboter können Gesten, Gesichter und Körperhal- die Protein-Ausbeute zu berücksichtigen und den wie Reinheit, Farbe und Größe wurden mittlerweile er- nal führenden Partner der biopharmazeu- tungen erkennen und darauf reagieren. sogenannten «Proteinexpressions-Score» zu ermit- forscht. Bei den im Reinraum produzierten Steinen wird tischen Forschung und Industrie ist der Aus- In modernen Produktionshallen ist die Zusammenarbeit teln. Damit kann die Proteinausbeute genauer be- nichts mehr dem geologischen Zufall überlassen. Das Pro- bau eine finanziell und strategisch bedeu- von Mensch und Roboter noch immer limitiert. Zwar arbei- rechnet und für die Codon-Optimierung der Gene zedere hat eine derartige Perfektion erreicht, dass die Er- tende Investition: Das Produktionsnetzwerk ten Schwerlastroboter mittlerweile ohne Schutzzaun ne- genutzt werden. Der dafür notwendige Algorith- zeugnisse nicht mehr nur für Bohrmeißel und Schleifgerät wird erweitert, sodass ein größerer Spiel- ben ihren menschlichen Kollegen, jedoch ist eine direkte mus wurde in eine spezielle Software implemen- genutzt, sondern auch als Schmuck beim Juwelier verkauft raum für weiteres Wachstum in der Region Interaktion nicht möglich. Aus Sicherheitsgründen stoppt tiert und erlaubt die beschriebene Optimierung werden. Amerika vorbereitet wird. der Roboter seine Bewegung, sobald ein Mensch einen von Genen. Der Algorithmus kann aber auch für In der Branche löst das nicht nur Begeisterungsstürme aus, Sartorius stellt seit 1982 Filter und seit 2012 großräumigen Sicherheitsbereich um ihn herum betritt. den gegensätzlichen Weg, die Deoptimierung, ge- denn die Labordiamanten sind aufgrund der effizienten sterile Einwegbeutel in Yauco her. Mit dem Die neue Technologie steigert die Effizienz dieser Zusam- nutzt werden, mit der Pathogene genetisch verän- Produktion wesentlich günstiger als ihre natürlichen Kon- Ausbau sollen die Produktion von Einwegbeu- menarbeit – und damit der gesamten Fertigung. Menschen dert und abgeschwächt werden. Dieses Verfahren trahenten. teln und Membranfiltern mehr als verdop- können nun erstmalig sicherer und interaktiv mit Schwer- wird bei der Entwicklung von Impfstoffen genutzt: Der Einzelhandelspreis für die Labordiamanten hat sich in pelt und die Reinraum-Kapazitäten etwa ver- lastrobotern kommunizieren und kooperieren. Gesten, Lebendimpfstoffe werden vom ursprünglichen Pa- den vergangenen zwei Jahren fast halbiert. Großhandels- dreifacht werden. Die Anzahl der derzeit 450 Körperhaltung und Gesichtsausdrücke werden vom Robo- thogen abgeleitet und sind genetisch so verändert, preise sollen sogar noch stärker gesunken sein, weil die Beschäftigten soll ebenfalls weiter steigen. ter erfasst und verarbeitet. Gestensteuerung war bisher dass sie im Menschen zwar eine Immunreaktion Produktionskosten in den Labors stetig sinken. Trotz hoher vorwiegend im Bereich der Spielekonsolen verbreitet. In- BILD: SARTORIUS erzeugen, sich aber nur noch begrenzt vermehren Anforderungen an die Verfahrenstechnik ist die Herstel- dustrie-Roboter können nun auch komplexe Arbeitsaufträ- und keine Krankheit mehr auslösen können. lung nicht übermäßig kompliziert: In einem Plasmareak- ge über Hand- und Armgesten erfassen. Dabei stellen Mittels verschiedener Modellorganismen wurde tor werden von Mikrowellen erhitztes Methan und andere 3D-Kameras und intelligente Algorithmen sicher, dass Ges- festgestellt, dass die neue simulationsunterstützte Gase bei über 3000 Grad Celsius aufgespalten, sodass sich ten nicht als Anweisung interpretiert werden, sobald der Optimierungsmethode dem herkömmlichen Ver- die im Methan enthaltenen Kohlenstoffatome an ein glü- Mensch zur Seite schaut oder sich unterhält. Die Übergabe fahren überlegen ist. Die internationale Patentan- hendes Diamantplättchen anlagern. Über einige Wochen von einem Werkzeug oder Werkstück wird beispielsweise meldung für den neuen Codon-Optimierungsan- wächst so ein neuer Diamant heran. nur durchgeführt, wenn dies gefahrlos möglich ist. satz wurde vorgenommen. Konnten Fachleute Labordiamanten vor einigen Jahren noch an gelblichen Verunreinigungen erkennen, taugen die Ergebnisse heute für tadellosen Brillantschmuck. Auch aus ethischer Sicht sind die Laborerzeugnisse – anders als ihre natürlichen Pendants, die oft unter widrigsten Umständen für Mensch und Umwelt gewonnen werden – unbedenklich. 6 CLEANROOM FUTURE 2 | 19 CLEANROOM FUTURE 2 | 19 7
Zurück zum Mond DER NEUE RUN AUF DEN ERDTRABANTEN Hinter der Mondoberfläche voller Krater geht am 24. Dezember 1968 die Erde auf. Das erste von Menschen gemachte Foto entstand während der Apollo 8. Als sie den Mond umkreiste, war der blaue Planet 240.000 Meilen entfernt. 8 CLEANROOM FUTURE 2 | 19
INNOVATION & ZUKUNFT > ZURÜCK ZUM MOND «Houston, hier ist Tranquility Base. Der Adler ist gelandet!» Als Neil Armstrong diese Worte am 20. Juli 1969 um 20:17 UTC zur Erde funkte, war eines der größten Abenteuer der Menschheit in seine heiße Phase getreten. Gut 600 Millionen Erdenbürger verfolgten vor den Bildschirmen, wie sich einer der ihren anschickte, zum ersten Mal überhaupt seinen Fuß auf einen fremden Himmelskörper zu setz- ten. Wenige Stunden später tat er jenen «kleinen Schritt für einen Menschen», der «einen großen Sprung für die Menschheit» bedeutete. Nach einigen Jahrzehn- ten der relativen Ruhe geht die Erforschung und geplante Nutzung des Mondes in eine neue Phase. Wer ist dabei, welche Ziele werden verfolgt? VON KAI DÜRFELD ing and Navigation Module) entwickelt. Der unbe- mannte Mondlander kann rund 300 Kilogramm Seit dem «großen Sprung für die Menschheit» Nutzlast auf den Erdtrabanten bringen. Im Jahr 2021 sind 50 Jahre vergangen. Auch wenn bis 1972 fünf soll ALINA zum Jungfernflug aufbrechen und ganz weitere bemannte Landungen folgten, war der Wett- nebenbei den Mond ins Internetzeitalter holen. lauf zum Mond damit entschieden. (Wir berichten «Wir haben mittlerweile auch unsere ersten grö- mehr in Kasten 12.) Die Raumfahrt hatte nun neue ßeren Partnerschaften», sagt Böhme. «Wir arbeiten Ziele im Sinn: Die ständige Präsenz im Erdorbit, die mit den Nokia Bell Labs und mit Vodafone zusam- Erforschung des äußeren Sonnensystems und na- men. Gemeinsam entwickeln wir die erste Basis- türlich der Rote Planet rückten in den Fokus. Um station für den Mond. Sie ermöglicht es, dort oben Luna wurde es still. das standardisiere LTE-Netzwerk zu benutzen.» Da- Bis jetzt. Denn seit wenigen Jahren scheint der für muss die Station nicht nur kompakt, leicht und Erdtrabant wieder in aller Munde zu sein. Das ame- sparsam im Energieverbrauch sein, sondern auch rikanische NewSpace-Unternehmen SpaceX plant, der rauen Umgebung trotzen können. (Was genau Touristen den Mond umrunden zu lassen. Die chi- sie dabei können muss, ist nachzulesen im Kasten nesische Raumfahrtagentur CNAS unterhält ein «Mond».) Doch dieser Aufwand könnte sich lohnen. ehrgeiziges Mondprogramm, zu dessen jüngsten «LTE wurde ja für die Erde entwickelt. Bei einer Zell- Meilensteinen die erste Landung einer Sonde auf reichweite, zwischen 15 bis 150 Kilometern können der dunklen Seite des Mondes gehörte. Auch Is- damit Daten über große Distanzen energiesparend rael hat sich dem Erdtrabanten zugewandt, wo- übertragen werden», erklärt der IT-Spezialist Böh- bei die Sonde Beresheet im April 2019 auf dessen me, der als Quereinsteiger zur Raumfahrt kam. Oberfläche zerschellte. Natürlich fehlen auch die «LTE überträgt Audio und Daten mit hoher Übertra- Raumfahrtschwergewichte wie NASA (USA), RO- gungsrate parallel und in Echtzeit. Und es ist bereits SCOSMOS (Russland), JAXA (Japan) und die ESA als Kommunikationsstandard etabliert.» (Europa) nicht. Sogar die Privatwirtschaft scheint ALLE BILDER: NASA – AUSSER DIE GEKENNZEICHNETEN vom Mondfieber gepackt zu sein. Eines der neuen Datenübertragung dort oben ist hohe Kunst Unternehmen ist das Berliner NewSpace-Start-up Datenübertragung und Datenverarbeitung im PTScientists. Weltall sei eine hohe Kunst, meint er. Vor allem private Unternehmungen, die bisher wenig Raum- Mit LTE den Mond ins Internetzeitalter holen fahrterfahrung haben, würden davor zurückschre- «Wir entwickeln Infrastruktur im Weltall», cken. LTE sei hingegen in der Industrie fest etabliert. bringt es Robert Böhme, der das Unternehmen 2010 So würde beispielsweise der weitestgehend auto- gegründet hat, auf den Punkt. «Mit unseren Tech- nom arbeitende Maschinenpark irdischer Bergbau- nologien wollen wir es einfach jedem ermöglichen, unternehmen über den Telekommunikationsstan- über etablierte Industriestandards im Weltall Fuß dard koordiniert. Optimierungen für den Einsatz im zu fassen und auch langfristig aktiv zu sein.» Dafür Weltall haben er und sein Team dabei bewusst un- Astronaut Buzz Aldrin, Pilot der Mondlandefähre, geht während der Apollo 11 (Juli 1969) auf der Mondoberfläche «extra-vehicular activitys» nach. Diese «Weltraumausstiege» stehen für alle Arbeiten außerhalb eines Raumfahrzeuges. Das können Außenarbeiten an Raumstationen oder das Sammeln von haben er und sein Team ALINA (Autonomous Land- terlassen und stattdessen komplett auf den Indust- Bodenproben sein. Sie werden auch als «Lunar Extra Vehicular Activity» (LEVA) bezeichnet. LEVAs gelten als gefährlich, weil sich der Astronaut hierfür aus der sicheren Umgebung seines Fahrzeuges, und lediglich durch einen Anzug geschützt, in das freie Vakuum des Weltraums begibt. 10 CLEANROOM FUTURE 2 | 19 CLEANROOM FUTURE 2 | 19 11
INNOVATION & ZUKUNFT > ZURÜCK ZUM MOND INNOVATION & ZUKUNFT > ZURÜCK ZUM MOND riestandard gesetzt. «Sonst würden wir die Kompa- Erster eigener Reinraum, weil vom Auftrag- korn dein Triebwerk ruiniert, dann war es eindeutig Die ESA habe es sich zum Ziel gesetzt, die Präsenz tibilität verlieren. Und die ist uns wichtig», verrät er. geber gefordert schlecht konstruiert. Bei Optik ist das was anderes. des Menschen über den niedrigen Erdorbit (LEO) hi- «Jeder, egal ob Schüler, Studenten, Wissenschaftler Angefangen hat PTScientists als einer der Teil- Die wird selbstverständlich im Reinraum konfekti- naus zu erweitern, erklärt David Parker, Direktor für oder Unternehmer, soll in der Lage sein, sich mit nehmer am Google Lunar X-Prize. Das Ziel: Eine oniert.» Und auch für das Payload, also die Fracht, Astronautische Raumfahrt und Robotische Explo- der Basisstation auf dem Mond zu verbinden. Ein private Sonde auf dem Mond landen zu lassen und die ALINA später im Auftrag seiner Kunden zum ration der ESA. Und der Mond sei der Schlüssel zur handelsübliches Smartphone soll schon genügen, mit einem mitgebrachten Rover die Oberfläche zu Mond bringen soll, sei der Reinraum gedacht, ver- weiteren Erkundung des Sonnensystems. «Wir ha- um auf dem Mond online zu gehen.» Als Basissta- erkunden. Das ursprünglich sechsköpfige Team ist rät Böhme. ben den Mond bisher kaum erforscht», sagt Parker. tion soll ALINA später die Signale von LTE-fähigen mittlerweile auf 80 angewachsen. Die 2200 Quad- Ob Transportkapazitäten oder Telekommunika- «Er ist wie ein Museum der vergangenen vierein- Geräten auf dem Mond entgegennehmen und eine ratmeter Produktions- und Laborstätten werden ge- tion: Böhme glaubt an das enorme Potenzial, das die halb Milliarden Jahre unseres Sonnensystems. Und Breitbandverbindung zur Erde herstellen. Dann, so rade aufgestockt. Da entsteht dann auch der erste Erforschung des Weltraums bietet. «In den vergan- bisher waren wir lediglich im Museumsshop, haben der Plan, könnten Astronauten nicht nur auf dem eigene Reinraum. «Dabei ist das Thema Reinraum genen drei, vier Jahren sind wirklich alle nationalen uns ein paar Souvenirs geschnappt und sind wieder Mond über weite Strecken miteinander kommuni- eine ganz interessante Sache», erzählt Böhme. «Vie- Programme auf einen Schlag auf den Mond umge- zurück nach Hause.» zieren, sondern auch nach Hause telefonieren; Ro- le NewSpace-Unternehmen verzichten komplett schwenkt und das mit Milliardenbudgets», erzählt Der nächste Besuch, davon ist Parker überzeugt, boter könnten nicht nur untereinander Statusup- darauf, wenn es nicht vom Auftraggeber gefordert er. «Da gab es garantiert viel Abstimmung. Und ich soll deshalb keine Stippvisite bleiben. Eine Basis dates austauschen, sondern auch Befehle von der wird.» Natürlich würde das auch von der Art der Ar- glaube, dass Europa dabei extremen Vortrieb ge- muss her und die soll sich in einer Umlaufbahn um Erde empfangen. beiten abhängen, schränkt er ein. «Wenn ein Staub- leistet hat. Durch das, was der Herr Wörner mit sei- den Mond befinden. Prüfstand für neue Raumfahrt- nem Moon Village gemacht hat. Ich glaube, da hat er technologien, Trainingszentrum für Astronauten wirklich einen Katalysator gesetzt.» vor ihrem Flug zum Mars, Schaltzentrale zwischen den Aktivitäten auf der Mondoberfläche und der Er- «Wenn ein Staubkorn dein Triebwerk BILD: ZVG Ein Dorf auf dem Mond de, Labor für Experimente der unterschiedlichsten ruiniert, dann war es schlecht konstruiert. Gut eine Woche hatte Jan Wörner den Posten des wissenschaftlichen Disziplinen – das alles soll der ESA-Generaldirektors inne, da verriet er der BBC in Lunar Orbital Platform-Gateway oder kurz Gateway Bei Optik ist das etwas anderes. einem Interview seine Vision für die Raumfahrt: werden. Amerikaner, Europäer, Russen, Japaner «Wir sollten über die internationale Raumstation und Kanadier wollen die geplante Raumstation ab Die wird im Reinraum konfektioniert.» hinaus in die Zukunft blicken. Ich schlage ein Dorf auf der dunklen Seite des Mondes vor. Ein solches 2022 bauen. «Der Gateway ist Teil unserer Strategie, um zum Mond zurückzukehren», erklärt Parker. Moon Village sollte nicht als Ansammlung von Häu- Und er könnte zukünftigen Marsmissionen als Ver- Robert Böhme, Gründer und CEO von PTScientists sern, einer Kirche und einem Rathaus verstanden sorgungsstation für Ersatzteile, Vorräte und Treib- werden. Vielmehr sollten sich Partner aus der gan- stoff dienen. zen Welt mit unbemannten und bemannten Missio- Die Rohstoffe dafür, so das Kalkül, könnten von nen an dieser Community beteiligen.» Mond selber stammen. Dass es dort größere Men- Wettlauf ins All «Finden wir eine Kompromisslösung – Raumfahrt ab 1958 in die Hän- de der neu gegründeten NASA Weltraums sein; und keines wird so schwierig oder kostspielig zu erreichen sein.» machen wir es so, wie ich es sage.» gelegt. Der deutsche Raum- Der Wettlauf ins All hatte ein neues Ziel und das Apollo-Programm Der Wettlauf begann leise. Zum internationalen geophysikalischen Sergei Pawlowitsch Koroljow fahrtingenieur Wernher von war geboren. Knapp 24 Milliarden Dollar flossen dort hinein – Jahr, so US-Präsidenten Eisenhower 1955, wolle man einen Braun und sein Team wurden was heute über 120 Milliarden entspräche. Und fast 400.000 Men- künstlichen Satelliten ins Weltall schießen. Die gleichlautende Ant- zum Inbegriff des amerikani- schen arbeiteten daran. Sie bauten die Saturn 5 – die größte wort der Sowjetunion folgte auf dem Fuße. Die Welt indes nahm teur» bekannt war. Sein Name – Sergei Pawlowitsch Koroljow – schen Raumfahrtprogramms. Rakete, die jemals erschaffen wurde. von beidem kaum Notiz. war Staatsgeheimnis. Dem ersten Satelliten ließ sein Experimen- Als zweiter mit einem Satelli- Eine bemannte Mondlandung wurde auch in der Sowjetunion Das änderte sich am 4. Oktober 1957 auf einen Schlag. Sputnik 1, tal-Konstruktionsbüro OKB-1 noch im gleichen Jahr das erste ten im All und dann den zwei- vorangetrieben – allerdings im Stillen. Denn bis Gorbatschows eine knapp 60 Zentimeter durchmessenden, silbrig glänzende Lebewesen folgen – die Hündin Laika. Zwei Jahre später schick- ten Menschen auf einem sub- Zeiten wusste die davon nichts. Im Sojus-Raumschiff sollten Kugel mit vier Antennen flog ins All. Das Tor zum Weltraum war auf- ten sie die erste Sonde in einen Orbit um den Mond, ließen eine orbitalen Flug über die Grenze die Kosmonauten zum Erdtra- gestoßen und die beiden großen konkurrierenden Systeme hatten weitere hart auf dessen Ober- zum Weltraum befördert, das banten reisen. Mit einer gigan- eine neue Arena gefunden. Der Kalte Krieg war in vollem Gange. fläche aufschlagen und lande- konnte Amerika nicht auf sich tischen Rakete – der N1 – Kapitalistische Marktwirt- ten 1966 zum ersten Mal weich sitzen lassen. Ein Ziel musste sollten sie die Erdanziehungs- schaft oder kommunistische auf dem Erdtrabanten. Der Start Apollo 11 her, das größer war als alles kraft überwinden. Doch es kam Planwirtschaft – die Fähig- größte Schritt aber kam im Jahr bisher Dagewesene. Und das anders. Der Tod Koroljows im keiten ins All zu fliegen sollte 1961 als Juri Gagarin am verkündigte John F. Kennedy am 25. Mai 1961: «Ich glaube, dass Jahre 1966 war ein empfind- die eigene Überlegenheit zur 12. April zum ersten Menschen dieses Land sich dem Ziel widmen sollte, noch vor Ende dieses licher Verlust. Und auch die Schau stellen und das mög- wurde, der seinen Heimatplane- Jahrzehnts einen Menschen auf dem Mond landen zu lassen und neue Rakete schaffte es nicht lichst öffentlichkeitswirksam. ten verließ. ihn wieder sicher zur Erde zurückzubringen. Kein einziges Welt- in den Orbit. Nach vier fehlge- Astronaut Pete Conrad (Apollo 12) Sputnik 1 Dass die Sowjetunion zu der- Das konnte man auf der ande- raumprojekt wird in dieser Zeitspanne die Menschheit mehr be- schlagenen Starts wurde das untersucht Surveyor 3 artigen Leistungen fähig sei, ren Seite des Atlantiks nicht auf eindrucken oder wichtiger für die Erforschung des entfernteren Projekt 1974 eingestellt. traute ihr der Westen nicht recht zu. Doch in Moskau setzte man sich sitzen lassen. Konkurrier- Mit Apollo 11 war der Wettlauf ins All für die Welt entschieden alles daran, die Welt vom Gegenteil zu überzeugen. ten dort bisher die Teilstreit- und vorbei. Auch wenn noch weitere Meilensteine wie die erste Prägende Figur der sowjetischen Raumfahrt war ein Mann, der kräfte um Budgets für die Rake- «Es ist mein Job, nie zufrieden zu sein.» Raumstation (die russische Saljut) und die ersten Sonden zu den zu Lebzeiten selbst im eigenen Land nur als der «Chefkonstruk- tenentwicklung, wurde die zivile Juri Gagarin Freiherr Wernher von Braun inneren und äußeren Planeten folgten. 12 CLEANROOM FUTURE 2 | 19 CLEANROOM FUTURE 2 | 19 13
INNOVATION & ZUKUNFT > ZURÜCK ZUM MOND INNOVATION & ZUKUNFT > ZURÜCK ZUM MOND «Der Mond ist wie ein Museum der vergangenen Milliarden Leben im Extremen Jahre unseres Sonnensystems. Bisher waren wir nur im Auf der Erde hat das Leben selbst die unwirtlichs- Museumsshop, schnappten uns ein paar Souvenirs und sind ten Nischen erobert. Archaeen, Bakterien, aber auch Flechten und Pilze gedeihen im kochenden Wasser wieder zurück.» von Geysiren, überstehen Salzkonzentrationen, die einer Pökellake gleichen, lieben eine Umgebung, die so sauer ist wie Batteriesäure, oder widerstehen David Parker, Direktor für Astronautische Raumfahrt und Robotische Exploration der ESA mühelos den eisigen Temperaturen an den Polen. Extremophile Organismen werden sie genannt, denn sie lieben das Extreme. Und es geht noch här- ter – beim BIOMEX-Experiment des DLR mussten sich die zähesten Vertreter irdischen Lebens 533 Tage lang im Vakuum, unter intensiver UV-Strahlung und bei enormen Temperaturschwankungen be- weisen. Eine Tortur, die einige von ihnen tatsächlich gen Wasser gibt, davon sind die Experten mittler- Atmen, das andere als Basis für Raketentreibstof- überlebt haben. Die Quintessenz aus solchen Ver- Planetenschützer weile überzeugt. «Dieses Wasser in Sauerstoff und fe. Die aufbereiteten Rohstoffe könnten dann einer- suchen: Wenn Leben so hart im Nehmen ist, dann Wasser umzuwandeln, ist ein Schritt in Richtung seits eine Forschungsstation auf dem Mond bezie- könnte es durchaus auch auf anderen Himmelskör- von Beruf nachhaltige Erforschung», sagt Parker. «Der nächs- hungsweise in dessen Orbit am Leben halten. Oder pern existieren – oder zumindest von der Erde dort te Schritt wird dann sein, aus den Materialien vom – quasi als extraterrestrische Tankstelle – Raum- eingeschleppt werden. Doch was sind das für Orte, Mond verschiedene Dinge vor Ort herzustellen – Er- schiffe für ihren Flug zum Mars und darüber hin- an den die Bedingungen dafür günstig sind? satzteile für unsere Raumfahrzeuge oder die Habi- aus für ihre Reise versorgen. «Das ist der sinnvollste tate zum Schutz der Astronauten. Und eines Tages energetische Ansatz. Und auch der nachhaltigste», Wenn Leben so hart im Nehmen Im Gespräch mit Planetary Protection werden wir vielleicht auch Rohstoffe zurück zur Er- sagt Böhme und verweist wieder auf die geringe de bringen.» Doch das, so glaubt er, sei noch Sci- Schwerkraft und die fehlende Atmosphäre des Erd- ist, könnte es dann auch auf ande- Expertin Dr. Petra Rettberg ence-Fiction. trabanten. ren Himmelskörpern existieren? «Aus genau demselben Grund stößt Satellite Raffinerien zur Wassergewinnung Servicing seit wenigen Jahren auf wachsendes Inter- Der Aufbruch zum Mond, der mit der ers- Treibstoffe auf dem Mond zu produzieren, ist esse.» Um die Lebenszeit von Satelliten zu erhöhen, ten bemannten Landung seinen Höhepunkt auch für Böhme ein interessantes Projekt. «Wir so die Idee dahinter, sollten diese von Servicesatel- fand, war ohne Frage eines der bisher größ- haben gerade die ISRU-Ausschreibung der ESA ge- liten angesteuert, betankt und bei Bedarf auch re- wonnen und werden uns im Rahmen einer Mission pariert werden oder ein Upgrade erhalten. Wird der ten Abenteuer der Menschheit. Nie zuvor genau das Thema anschauen.» Dabei steht die Was- Service von der Erde aus gestartet, erhöhen Schwer- hatte jemand seinen Fuß auf einen anderen sergewinnung im Mittelpunkt. Das lässt sich dann kraft und Atmosphäre unweigerlich die Kosten. nicht nur zu Trinkwasser aufbereiten, sondern auch «Exakt dasselbe könnte man aber vom Mond aus Himmelskörper gesetzt. Dank intensiver aufspalten – in Sauerstoff und Wasserstoff. Beide machen», ist sich Böhme sicher. «Man nutzt dessen Beobachtungen und unbemannter Sonden Gase sind auf dem Mond Gold wert. Das eine zum Ressourcen, fliegt damit die Satelliten im Erdorbit gab es zwar eine recht gute Vorstellung von an und kehrt zum Mond zurück.» der Oberfläche des Mondes. Doch was die Titan und seltene Erden – der Mond verfügt über Flüssiges Wasser ist die Voraussetzung für Leben, Apollo-Astronauten dort tatsächlich erwar- eine breite Palette von Industrierohstoffen zumindest wie wir es kennen. Deshalb haben For- tete, ob sie eventuell sogar auf unbekanntes Fly me to the Moon Und das könnte erst der Anfang sein. Denn als früherer Teil der Erde verfügt der Mond über eine scher schon Ende der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts jenen Bereich um einen Stern als Leben stoßen würden, war unbekannt. Das Tor zum Weltall war geöffnet, der Mensch von den Fesseln breite Palette an Industrierohstoffen. Titan zum Bei- habitable Zone definiert, in dem Wasser dauerhaft der Erde befreit. Die erste Mondlandung stand kurz bevor. spiel, aus dem sich lunare Bauwerke ebenso herstel- flüssig ist. Über die Jahre wurde das Modell stetig Die erste Marslandung erschien als nächster logischer Schritt len lassen wie Raumschiffe und Sonden. Oder jene verfeinert. Parameter wie die Größe des Himmels- Safety First, so lautete dann auch die Devise. Für die Crews und wohl nur noch als eine Frage der Zeit. In den 50er und Elemente, die als Seltene Erden zusammengefasst körpers und die Beschaffenheit seiner Atmosphäre bis zu Apollo 14 war bei Rückkehr eine Quarantäne Pflicht – al- 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts war der Blick in die werden und in den vergangenen Jahren zur Quint- kamen hinzu. Der Mars ist hier ein Wackelkandidat. lerdings erst nach dem regulären Händeschütteln auf der Pres- Zukunft optimistisch. Wissenschaft und Technik sollten alles essenz moderner Elektronik aufgestiegen sind. An- Zwar liegt er noch ganz knapp im habitablen Be- sekonferenz. Und die 382 Kilogramm Mondgestein, das die möglich machen. Atomkraft würde die Energieprobleme lösen, ders als ihr Name es vielleicht vermuten lässt, sind reich, doch ist er zu klein für eine dauerhafte Atmo- Apollo-Astronauten im Gepäck hatten? Eine Untersuchung das Meer den Hunger stillen und der Weltraum zur neuen sie auf der Erde zwar recht häufig zu finden. «Doch sphäre. Ob trotzdem jemals Leben auf dem Roten aus dem Jahr 2012 brachte die Verluste an den Tag. Einige an Heimat der Menschheit werden. Die amerikanische Fluglinie Pan ihr Abbau geht sehr zulasten der Umwelt», erklärt Planeten entstanden ist oder vielleicht sogar in Ni- Forschungsinstitute verliehene Proben wurden bis heute nicht America war sich dessen sogar derart sicher, dass sie 1964 eine Böhme. Vielleicht, so überlegt er, könnte der Mond schen überdauert haben könnte, ist aktuell im Fokus zurückgegeben, andere – an Staatsoberhäupter in alle Welt ver- Warteliste für potenzielle Weltraumtouristen eröffnete. hier eines Tages helfen. «Ich bin persönlich fest da- der Wissenschaft. Und spätestens seit Weltraum- schenkt – wurden gestohlen, wieder andere sind auf ungeklär- Doch die Euphorie fand schnell ein Ende. Schon 1972 wurden von überzeugt, dass die Erforschung und Nutzbar- sonden das äußere Sonnensystem genauer unter te Weise abhandengekommen. Ein funktionierendes Inventar die schillernden Visionen getrübt. Der «Club of Rome» veröffent- machung des Weltalls uns als Menschheit einen die Lupe genommen haben, wird auch den extremen soll demnach bis heute fehlen. lichte «Die Grenzen des Wachstums». Probleme wie Umwelt- großen Schritt voranbringen. Dass sie unser Leben Welten weit draußen eine gewisse Lebensfreund- Nun entspricht der Schwund nur wenigen Promille des ge- verschmutzung, Rohstoffknappheit oder Bevölkerungsexplo- besser macht und auf diesem Planeten erhält. Also lichkeit zugestanden. Die Jupitermonde Ganymed samten NASA-Arsenals an Mondproben. Auch gilt es heute als sion rückten in den Mittelpunkt. Ein Krieg in Nahost samt Ölkrise ich glaube, dass das auch der richtige Schritt ist, um und Europa (Bild) gehören dazu. Aber auch die Sa- erwiesen, dass auf dem Mond keine biologischen Gefahren lau- folgte und schickte die Wirtschaft auf Talfahrt. die Erde zu schützen.» ● turnmonde Enceladus und Titan. ern. Für andere Himmelskörper kann das noch nicht so einfach 14 CLEANROOM FUTURE 2 | 19 CLEANROOM FUTURE 2 | 19 15
INNOVATION & ZUKUNFT > ZURÜCK ZUM MOND INNOVATION & ZUKUNFT > ZURÜCK ZUM MOND ausgeschlossen werden. Mittlerweile drängt es die Menschheit Den eigenen Planeten vor fremden Lebensformen zu schüt- ren, welche organischen Verbindungen man mitgebracht hat. nicht nur zurück zum Mond. Der Mars ist bereits fest im Blick zen, klingt verständlich. Aber warum schließt der Schutz Es ist also nur Papierarbeit. und früher oder später werden unbemannte Sonden zu den Eis- auch andere Himmelskörper mit ein? Ein Beispiel: Nehmen wir an, eine Mission hat 20 Kilogramm monden des äußeren Sonnensystems aufbrechen. Dass Biomo- Planetary Protection bezieht sich auf alle Himmelskörper, auf einer organischen Verbindung an Bord. Nun stürzt sie ab und leküle oder gar Spuren von Leben tief im Boden des roten Pla- denen wir entweder präbiotische Chemie, organische Chemie das Material verteilt sich nach dem Aufprall in einigen Kilo- neten, unter den mächtigen Eispanzern von Enceladus oder der oder astrobiologische Fragestellungen untersuchen wollen. metern Umkreis auf dem Mond. Sucht dann 100 Jahre später dichten Wolkendecke des Saturnmondes Titan zumindest the- Das heißt, alle diese Objekte – also hauptsächlich der Mars und eine andere Mission nach organischen Verbindungen und wird oretisch schlummern könnten, wird heute intensiv diskutiert. die Eismonde des äußeren Sonnensystems – sind besonders fündig, dann muss man dieses Material dem früheren Absturz Was das für zukünftige Weltraummissionen bedeutet, da- geschützt. Bei diesen müssen wir sicherstellen, dass wir nicht zuordnen können. mit beschäftigt sich Dr. Petra Rettberg. Sie leitet die Arbeits- unbeabsichtigt organische Verunreinigungen oder Mikroorga- gruppe Astrobiologie am Institut für Luft- und Raumfahrtme- nismen dorthin bringen. Und bei möglicherweise habitablen Himmelskörpern? dizin des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) Denn wenn wir diese bei späteren Missionen auf dem Him- Kann man denn überhaupt sicherstellen, dass keine Mik- in Köln. Im Interview erzählt die Expertin für Planetary Protec- melskörper finden, würden wir behaupten, es gäbe Leben oder roorganismen quer durchs Sonnensystem reisen? tion, wie heute mit Proben von fremden Welten umgegangen Vorstufen von Leben auf dem Mars oder der Europa oder dem Man kann dafür sorgen, dass sie unterhalb eines bestimmten wird, welche Ansprüche das an künftige Reinräume stellt und Enceladus. Das sind dann falsch-positive Ergebnisse und damit Limits reisen. Und dafür gibt es eine ganze Serie von Maßnah- warum wir nicht nur unseren eigenen Planeten vor fremden ruinieren wir unsere eigenen Untersuchungen. Forward Plane- men. Das ist aber grundsätzlich nicht neu. Das wurde schon für Mikroorganismen schützen müssen. tary Protection soll also die Integrität der wissenschaftlichen die Viking-Missionen der NASA in den 70er Jahren des letz- Analysen für aktuelle aber auch zukünftige Weltraummissio- ten Jahrhunderts durchgeführt. Man muss sich von Anfang an Teil der insgesamt 111 kg Mondgestein, die bei der Apollo-Mission 17 zur Erde Frau Dr. Rettberg, wen will die Planetary Protection schüt- nen sicherstellen. über den Aufwand im Klaren sein; beim Zusammenbau eines gebracht und als «Goodwill Moon Rock» bezeichnete Proben an 135 verschiede- ne Nationen verschenkt wurden. zen? Raumfahrzeugs regelmäßig Proben nehmen; alles sorgfältig Es gibt zwei Gründe für Planetary Protection. Erstens müssen Was muss in diesem Zusammenhang bei einer Mission dokumentieren. Natürlich müssen auch die Einzelteile gerei- wir die Erde schützen, wenn Proben von möglicherweise habi- zum Mond beachtet werden? nigt und sterilisiert werden, je nachdem, wie hoch die Anfor- tamination dar. Das heißt, wenn später hochempfindliche Ins- tablen Orten in unserem Sonnensystem hierhergeholt werden. Für Raumfahrtmissionen gibt es feste Regeln. Jeder Himmels- derungen sind. Das ist machbar. Es muss nur geplant werden. trumente nach organischen Verbindungen suchen, würden sie Denn die könnten vielleicht gefährlich sein. Das nennen wir körper ist einer Planetary-Protection-Kategorie zugeordnet. Man kann nicht erst alles fertigbauen und dann im Ganzen hier anschlagen. Lipide findet man auf jeden Fall wieder, aber Backward Planetary Protection. Und zweitens müssen wir ver- Eins ist die mit den geringsten Anforderungen, fünf die mit den sterilisieren. auch Proteine und Bruchstücke von DNA. hindern, dass wir Verunreinigungen zu anderen Himmelskör- höchsten. Und der Mond ist in Kategorie zwei. Das bedeutet: pern mitnehmen. Das nennen wir Forward Planetary Protection. Für eine Mondmission muss man lediglich genau dokumentie- Und hier kommen Sie ins Spiel. Denn Ihr Institut prüft ja auch, ob die Vorgaben eingehalten werden. «Marsproben werden Ja, und dieser praktische Bezug ist für mich auch so spannend an meiner Arbeit. Gerade jetzt machen wir im Auftrag der ESA in einem etwa fußballgroßen Planetary Protection Messungen für die ExoMars-2020-Mis- sion, die im nächsten Jahr starten soll. Meine Kollegen wer- Behältnis zur Erde reisen.» den dann bei Thales Alenia Space Italy in Turin eine weitere Messkampagne fahren. Dort wird das Fahrzeug für die Exo- Was geschieht dann mit den gesammelten Proben? Mars-Mission zusammengebaut. Und dabei werden eben auch Die müssen wir in unserem Labor innerhalb von 24 Stunden BE YOUR regelmäßig Proben genommen. Die analysieren wir dann und nach Entnahme analysieren. Dazu geben wir sie in Petrischa- BEST können sagen, wie viel Mikroorganismen auf dem Raumfahr- len auf Nährmedien, bebrüten sie 72 Stunden und zählen dann zeug sind und welche das sind. die Kolonien. Ein anderer Satz von Proben geht an unser öster- reichisches Partnerinstitut in Graz. Dort wird das Erbmateri- Sie sind also eine unabhängige Zertifizierungsstelle in Sa- al, die DNA, isoliert. Mit molekularen Methoden untersuchen chen Planetary Protection? dann die Kollegen, welche DNA von welchen Organismen in Genau. Die meisten Messungen muss Thales Alenia nämlich dieser Probe ist. Mit der Kultivierung kann man nur einen be- selbst machen und wir werden von der ESA zu bestimmten stimmten Anteil der vorhandenen Mikroorganismen erfassen. Zeitpunkten beauftragt, Kontrollmessungen durchzuführen. Die molekularen Methoden wiederum erfassen einen anderen, WIR SCHÜTZEN SIE Für solche Probenentnahmen gibt es Standards, an deren Ent- wicklung ich auch mitgewirkt habe. Für kleine Flächen bis zu viel größeren Anteil. 25 Quadratzentimeter benutzen wir Swabs. Diese speziellen Und wenn die Grenzwerte überschritten sind? Stäbchen ähneln Q-tips. Und für größere Flächen bis zu 1 m2 Dann muss der Hersteller das ganze Raumfahrzeug wieder aus- Wipes. Das sind spezielle Polyestertücher, die natürlich steril einanderbauen, reinigen und erneut zusammenbauen. Aber sein müssen. Außerdem nehmen wir auch Luftproben, damit das ist zumindest bei uns noch nie vorgekommen. Denn die wir auch die Atmosphäre im Reinraum kontrollieren können. Firmen sind natürlich außerordentlich erfahren und machen ohnehin täglich eigene Kontrollmessungen. Wir bei Kimtech™ haben verstanden, Dabei suchen Sie ganz speziell nach biologischen Verun- wie wichtig der bestmögliche Schutz reinigungen? für Ihre Mitarbeiter und den Prozess ist. Richtig, wir arbeiten in diesem Zusammenhang ausschließlich Die Sonde Mars2020 soll ja Proben vom Mars zur Erde Entdecken Sie die Deshalb laden wir Sie dazu ein, unsere mit biologischer Verunreinigung. Wir können keine organi- bringen. Und auch die Raumfahrer, die später einmal ih- erstklassigen Schutzlösungen und Dienstleistungen Kimtech™ Marke und schen Verunreinigungen analysieren. Das machen dann an- ren Fuß auf den Roten Planeten setzen, wollen sicher wie- neu zu entdecken.Verlassen Sie sich auf den unsere neue Website auf dere Kollegen. In diesem Zusammenhang muss man ja eines der nach Hause. Schleppen wir damit nicht zwangsläufig Schutz unserer GMP konformen Produkte und konzentrieren Sie sich auf das Wesentliche. www.kimtech.eu bedenken: Wenn man einen Mikroorganismus durch ein Ste- außerirdisches Material auf unserem Heimatplaneten ein? rilisationsverfahren abtötet und seine Überreste nicht von der Das muss nicht so sein. Und besonders beim Mars darf es auch Oberfläche entfernt, stellt er immer noch eine organische Kon- nicht so sein. Alles, was mit irgendwelchen Marspartikeln wie KIM1645 Half Page Cleanroom Ad_DE_1785x121.indd 1 21/05/2019 10:01 16 CLEANROOM FUTURE 2 | 19 CLEANROOM FUTURE 2 | 19 17
INNOVATION & ZUKUNFT > ZURÜCK ZUM MOND INNOVATION & ZUKUNFT > ZURÜCK ZUM MOND und intensiv untersucht hat und ausschließen kann, dass es «Das heißt, ohne Zustimmung der NASA BILD: ZVG dort Leben gibt, dann entfallen diese ganzen Regelungen. Aber die ersten Jahrzehnte, in denen wir den Mars noch nicht wirk- lich gut kennen, vor allem bis wir ihn nicht bis in die Tiefe un- kann auch ein Elon Musk keine Kolonie auf tersucht haben, geht das nicht. dem Mars errichten.» Jetzt liegt es ja in der Natur einer Sample-Return-Mission, Dr. Petra Rettberg, Planetary Protection Expertin unbekanntes Material von einer fremden Welt zur Erde zu bringen. Unter welchen Bedingungen werden diese hier gelagert und untersucht? Das hängt davon ab, von wo sie kommen. Bisher haben wir noch keine Proben von habitablen Himmelskörpern hier bei uns auf der Erde. Wir haben lediglich Proben vom Mond – und da sehr viele – und Staubproben aus dem Weltraum. Die stammen et- wa von der japanischen Mission Hayabusa. Auch OSIRIS-Rex, aber schon sehr konkrete Vorstellungen, wie diese Reinräume Das Bild wurde an einem späten Nachmittag 2014 vom Curiosity Rover auf dem die jetzt noch unterwegs ist, wird welche zur Erde zurückbrin- technisch ausgestattet sein sollen. Einerseits müssten sie die Mars (Mission Sol 673*) aufgenommen. Es zeigt ein Feld mit kleinen Sanddünen. gen. Solche Staubpartikel sind außerordentlich wertvoll. Jedes Sicherheitsanforderungen eines Biosafety-Level-4-Labors er- einzelne Korn wird sorgfältig gelagert und untersucht. Die La- füllen. Solche Labore gibt es ja schon heute in verschiedenen zum Beispiel Staub behaftet ist, darf nicht ungeschützt und un- gerung erfolgt in Reinräumen und die Untersuchung sowieso. Ländern. Aber die sind eben dazu da, die Personen darin zu kontrolliert auf die Erde gebracht werden. Man muss ja vermeiden, dass aus Versehen Partikel aus der schützen, während sie mit pathogenen Organismen arbeiten. normalen Umgebung auf die Proben gelangen. Denn das wür- Bei einem Reinraum für Proben vom Mars ist aber noch ein Und wie soll das verhindert werden? de wieder falsch-positive Ergebnisse liefern. Trotzdem sind die zweiter Aspekt wichtig. Wir müssen unter allen Umständen Marsproben werden in einem etwa fußballgroßen Behältnis Anforderungen viel geringer als bei Proben, die von möglicher- vermeiden, dass die wertvollen Proben mit irdischen Partikeln zur Erde reisen. Dessen Hülle besteht aus mehreren Schichten. weise bewohnten Planeten kommen. oder gar irdischen Mikroorganismen verunreinigt werden. Es Die äußeren Flächen, die mit der Marsatmosphäre und dem sind also besondere Vorkehrungen in beide Richtungen zu tref- Marsstaub in Berührung gekommen sind, werden schon im Und wie sieht ein Reinraum aus, in dem zukünftige Pro- fen – einmal zum Schutz der Erde und der Mitarbeiter hier; zum Marsorbit abgestoßen. Wir sprechen hier von der Chain of Con- ben vom Mars oder von einem der Eismonde untersucht andern aber auch zum Schutz der wertvollen Proben. tact. Es ist ein sehr kompliziertes Verfahren, mit dem man si- werden? cherstellen kann, dass die Chain of Contact auf jeden Fall unter- Bisher gibt es noch keine Reinräume für Proben, bei denen Ein solcher Reinraum ist also schon in Planung? brochen ist, dass nicht einige Partikel unbeabsichtigt vom Mars die Gefahr einer Ausbreitung von möglicherweise vorhande- Ja. Die Anforderungen sind ziemlich konkret. Und es gibt be- unkontrolliert bei uns ankommen. Alle anderen Sachen oder nen extraterrestrischen Lebewesen bestehen könnte. Es gibt reits Vorstudien, wie man das technisch umsetzen kann. Das Ausrüstungsgegenstände werden auf der Oberfläche oder im hängt auch damit zusammen, dass die NASA im nächsten Jahr Orbit gelassen. Oder sie werden weggeschossen. eine große Marsmission startet, Mars 2020. Das ist der erste Schritt einer Mars-Sample-Return-Mission. Das heißt, bei die- Also werden die Marsreisenden selbst ihre Anzüge dort lassen müssen? Vertrag zum Schutz ser Mission wird ein Landefahrzeug mit einem Rover an ver- schiedenen Orten auf dem Mars Proben nehmen und diese in Das auf jeden Fall. Und das ist ein sehr interessantes Thema. Es des Sonnensystems spezielle Kapseln füllen. Die lagern erst mal auf der Marsober- sind ja schon lange bemannte Marsmissionen von verschiede- fläche. Später werden dann Missionen losgeschickt, um die un- nen Nationen und Organisationen im Gespräch. Dennoch wird «Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätig- gefähr 30 bis 40 kleinen Behältnisse einzusammeln, in den Or- es mindestens 20 oder 30 Jahre dauern, bevor so etwas reali- keiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung bit und schließlich auf die Erde zu bringen. Aktuell sind diese siert wird. Aber jetzt werden schon Technologien entwickelt, des Weltraums einschließlich des Mondes und ande- Missionen noch nicht finanziert. Sie werden aber auf jeden Fall So stellte sich 2005 ein Künstler die mögliche Erforschung der Marsoberfläche vor. wie man Habitate baut, wie man sichere Schleusen baut, wie rer Himmelskörper» – in diesem Dokument mit dem international sein. Doch das zieht sich sicherlich noch längere man verhindert, dass Staub in ein Habitat kommt. Denn grade etwas sperrigen Titel einigten sich im Jahre 1967 über Zeit hin. Und bis dahin muss man einen entsprechenden Rein- werden. Oder man stellt fest, dass tatsächlich Lebensformen bei den Apollo-Missionen hat man gesehen, dass es schon auf 100 Staaten auf Regeln für eine friedliche Nutzung raum bauen. Wo der entsteht, ist ja auch eine politische Sache drin sind. Dann muss man mal weitersehen. dem Mond ein großes Staubproblem gibt. Und der hat nicht mal des Weltraums. Fremde Himmelskörper dem eige- und eine Frage der Finanzierung. Im Moment sieht es so aus, den Hauch einer Atmosphäre. Trotzdem kam Staub ins Innere nen Staatsgebiet einzuverleiben, untersagt die Outer dass er wahrscheinlich in den USA stehen wird. Wagen wir einen Blick in die Zukunft. Wie wird es um der Raumschiffe. Das heißt, sie waren nicht wirklich herme- Space Treaty (oder: Weltraumvertrag) dabei ebenso, die Planetary Protection bestellt sein, wenn private Unter- tisch dicht. Nicht nach innen und somit auch nicht nach außen. wie Kernwaffen im Weltraum zu stationieren oder Würden die Proben dann auf der Erde in einem einzigen nehmen ihre Pläne von Kolonien auf dem Mars umsetzen? militärische Manöver auf dem Mond abzuhalten. Aber Labor untersucht oder wie bei den Apollo-Missionen in ver- Planetary Protection ist in der Outer Space Treaty der Vereinten Hier mischen sich also Backward und Forward Planetary auch Haftungsfragen bei Schäden, die abstürzende schiedene Forschungseinrichtungen verschickt werden? Nationen verankert. Dort ist schon seit 1967 unter anderem ei- Protection? Raumfahrzeuge auf der Erde verursachen, oder die Apollo war noch eine andere Ära. Beim Verschicken ist es ja nen Artikel enthalten, der sich genau damit befasst. Und diese Richtig. Einerseits müssen wir den Mars für künftige wissen- Hilfe für Raumfahrer in Not und die Planetary Protec- nicht nur so, dass auch die Empfänger alle Sicherheitsvorkeh- Outer Space Treaty ist von über hundert Ländern unterschrie- schaftliche Untersuchungen schützen. Wir Menschen verbrei- tion sind hier geregelt. So heißt es in Artikel 9: rungen erfüllen sollten. Es muss auch garantiert werden, dass ben worden, auch von den großen raumfahrenden Nationen. ten ja auch sehr viele Mikroorganismen, die ein natürlicher «Die Vertragsstaaten führen die Untersuchung und die Behälter auf ihrem Weg weder bei einem Unfall noch bei Die Umsetzung wird durch das Committee of Space Research, Bestandteil von uns sind. Da muss man überlegen, wie man Erforschung des Weltraums einschließlich des Mon- einem Flugzeugabsturz leckschlagen und sich die Proben dann die COSPAR, geregelt. Und die hat eine Planetary Protection das beschränkt und technische Lösungen finden. Auch da- des und anderer Himmelskörper so durch, dass unkontrolliert in der Biosphäre ausbreiten können. Deshalb Policy erstellt. Die wird regelmäßig nach dem Stand des Wis- ran arbeitet man bereits. Aber es sind eben langfristige For- deren Kontamination vermieden und in der irdischen ist der aktuelle Plan, dass die allerersten Untersuchungen in sens und der Technik aktualisiert. Da eben auch die USA die schungsprogramme. Andererseits müssen wir aber auch den Umwelt jede ungünstige Veränderung infolge des einem einzelnen, entsprechend ausgerüsteten Labor durchge- Outer Space Treaty unterschrieben haben, ist sie nun für alle Menschen schützen, der dort landet und ja zur Erde zurück- Einbringens außerirdischer Stoffe verhindert wird; zu führt werden. Danach weiß man dann entweder, dass keine Ge- amerikanischen Aktivitäten verantwortlich. Das heißt, ohne kommen möchte. Und da darf er nicht aus Versehen unbekann- diesem Zweck treffen sie, soweit erforderlich, geeig- fahr besteht. Dass es keine Lebewesen gibt. Dann kann die Pro- Zustimmung der NASA kann auch ein Elon Musk keine Kolonie te Partikel mitbringen. Später, wenn man den Mars sehr genau nete Maßnahmen.» be aufgeteilt, verschickt und in normalen Labors untersucht auf dem Mars errichten. ● 18 CLEANROOM FUTURE 2 | 19 CLEANROOM FUTURE 2 | 19 19
Sie können auch lesen