Elektronisches Patienten-dossier: zwischen Euphorie und Bauchweh - Swiss Dental Journal
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ZAHNMEDIZIN AKTUELL 219 Mit dem elektronischen Patientendossier Elektronisches Patienten- schürt der Bund grosse Erwartungen, ob- dossier: zwischen wohl viele Fragen unbeantwortet bleiben. Euphorie und Bauchweh Zahnärzte sind vorerst noch nicht direkt betroffen. Die SSO beobachtet die aktuellen Entwicklungen. Text: Andrea Renggli, Redaktorin SDJ; Foto: Istock Das Schweizer Gesundheitswesen soll di- allen Behandlern zugänglich ist: «Wer Für Patienten und ambulant behandeln- gital werden. Der wichtigste Pfeiler der ein EPD hat, kann selber entscheiden, de Ärzte bleibt der Schritt jedoch frei- «Strategie E-Health Schweiz 2.0» von welche Informationen dort abgelegt wer- willig. Bund und Kantonen ist das elektronische den und welche nicht. Man muss sich Lässt sich das EPD unter diesen Voraus- Patientendossier (EPD): eine Sammlung aber bewusst sein, welche Konsequenzen setzungen von Anfang an vollumfänglich von persönlichen medizinischen Doku- diese Entscheidung haben kann. Gesund- und effizient nutzen? Für den Erfolg des menten, gespeichert auf einem Server heitsfachleute können helfen, diese ab- EPD sei es zentral, dass rasch möglichst in der Schweiz. Sowohl der Patient als zuschätzen.» viele Behandelnde mitmachen, bekräf- auch Ärzte und Gesundheitsfachpersonen Unvollständige Dossiers werden aber tigt Adrian Schmid. Aber: Für den for- wie beispielsweise Chiropraktoren oder auch auf andere Gründe zurückzuführen mellen Start sei es wichtig, dass die Spi- Physiotherapeuten sollen jederzeit auf sein: Welche Dokumente für die Weiter- täler ihre Infrastruktur ab dem Stichtag das Dossier Zugriff haben. behandlung des Patienten relevant sind ans EPD angeschlossen haben. «Damit und ins EPD kopiert werden, entscheiden ist der Prozess nicht abgeschlossen, son- Viele Vorteile die jeweiligen Behandler. Deren Ein- dern er fängt erst an.» So sind sich die Die Vorteile des EPD stehen ausser Frage: schätzungen können auseinander gehen. Verantwortlichen etwa bewusst, dass Die Qualität der Behandlung und die E-Health Suisse arbeitet jedoch an Um- die IT-Systeme vieler ambulanter Ärzte Sicherheit der Patienten nehmen zu. setzungshilfen. noch nicht alle Dateitypen lesen können. So wird beispielsweise der Arzt von An- Deshalb werden vorläufig wohl vor allem fang an im Bilde sein, wenn sein Patient 2020 ist erst der Anfang PDF-Dokumente im EPD abgelegt – auch auf ein bestimmtes Medikament aller- Der Fahrplan von E-Health Suisse ist an- wenn dies im Vergleich zum bisherigen gisch reagiert. Berichte über bereits vor- spruchsvoll: Stationäre Institutionen wie elektronischen Austausch kein grosser genommene Behandlungen, Röntgenbil- Spitäler, Rehakliniken und Psychiatrien Fortschritt bedeutet. Ein Effizienzgewinn der, Laborbefunde, Austrittsberichte oder sind verpflichtet, spätestens im April zeigt sich erst dann, wenn strukturierte Patientenverfügungen vereinfachen den 2020 EPD anzubieten. Pflegeinstitutio- Daten abgelegt werden können. Ärzte, Informationsaustausch und fördern eine nen und Geburtshäuser folgen bis 2022. Zahnärzte, Spitäler oder Apotheker integrierte Versorgung. Doppelspurig- keiten können vermieden werden. Für den Patienten ist das EPD ausserdem praktisch, um Dokumente wie Patienten- Das elektronische Patientendossier verfügung, Organspendeausweis, Impf- ausweis oder Ähnliches an einem Ort Das elektronische Patientendossier ist ein Sekundärsystem. Das heisst, es enthält nur ablegen zu können. Kopien von Dokumenten, die für die Weiterbehandlung des Patienten relevant sind – und auch das nur, wenn der Patient damit einverstanden ist. Das Primärsystem, also Der Patient hat das letzte Wort die Patientendokumentation jedes einzelnen Arztes oder Gesundheitsanbieters, wird Ebenso wichtig ist allerdings die Frage, unabhängig davon weitergeführt. welche Dokumente nicht im Dossier ab- Um die technischen und organisatorischen Abläufe rund ums elektronische Patienten- gelegt sind. Angenommen, der Apothe- dossier kümmern sich sogenannte Gemeinschaften und Stammgemeinschaften. Sie ker konsultiert im obigen Beispiel einer müssen sicherstellen, dass die Daten abgerufen werden können und dass Datenschutz Medikamentenallergie routinemässig das und -sicherheit gemäss den vorgeschriebenen Standards gewährleistet sind. Gemein- EPD. Fehlt dort der Hinweis auf die Aller- schaften können kantonal, überkantonal oder national (z. B. als Branchengemein- gie, kann dies für den Patienten ein ge- schaft) organisiert sein. Sie werden vom Bund zertifiziert. Gesundheitsfachpersonen sundheitliches Risiko bedeuten. Laut und Institutionen können wählen, welcher Gemeinschaft sie sich anschliessen wollen. Adrian Schmid, Leiter der Kompetenz- Bei einer Stammgemeinschaft können auch Patienten ein elektronisches Patienten- und Koordinationsstelle E-Health Suisse, dossier eröffnen. Mehrere Gemeinschaften und Stammgemeinschaften werden zurzeit liegt es in der Verantwortung der Patien- aufgebaut, eine Liste ist auf www.ehealthsuisse.ch aufgeschaltet. ten, dass solch eine wichtige Information SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 129 3 2019 P
220 ZAHNMEDIZIN AKTUELL können den Prozess beschleunigen, einem zögerlichen Start plötzlich rasant Adrian Schmid. Zudem gebe es Signale indem sie die diese Anpassungen von steigen können.» Wie schnell dieser aus der Politik, dass die ambulanten Be- den IT-Anbietern fordern. Punkt erreicht ist, hänge unter anderem handler dereinst zur Teilnahme am EPD davon ab, wie viele ambulante Ärzte sich verpflichtet werden könnten. Die Schweizer sehen den Nutzen dem EPD anschliessen. Während die Spi- Auch dass es vermutlich eine Zeit lang texdienste und die Apotheker sehr am Wer bezahlt das alles? dauern wird, bis eine Mehrheit der Pa- EPD interessiert sind, fürchten vor allem Ein weiterer Punkt, der einigen Ärzten tienten ein EPD eröffnen will, ist klar. ältere Ärzte mit eigener Praxis den Auf- Bauchweh macht, ist die Frage nach der E-Health Suisse setzt sich diesbezüglich wand, den die Umstellung mit sich Vergütung: Wer bezahlt den Aufwand für keine Termine. Adrian Schmid sagt dazu: bringt. Wenn aber eine starke Erwar- die Pflege des EPD? Dank einer Interpel- «Viele Schweizerinnen und Schweizer tungshaltung der Patienten und eine lation der SP-Nationalrätin Edith Graf- sehen bereits heute die Vorteile eines entsprechende Dynamik im Versor- Litscher (TG) herrscht diesbezüglich EPD. Die Erfahrungen aus dem Kanton gungsgebiet bestehe, liessen sich auch Klarheit: Bei Behandlern, die zulasten Genf zeigen, dass die Nutzerzahlen nach diese Behandler überzeugen, glaubt der obligatorischen Krankenpflegeversi-
ZAHNMEDIZIN AKTUELL 221 cherung abrechnen können, sei der Auf- triebswirtschaftlich leistbar ist. Dies sei Daten löschen? Wird das Arztgeheimnis wand fürs Führen der Patientendossiers zurzeit nicht der Fall. Die Leistungen durch das EPD auf unzulässige Weise auf- bereits in den bestehenden Tarifen ent- seien für ambulante Leistungserbringer geweicht? halten. Ob dieses Dossier elektronisch nicht abgegolten. Es handelt sich aus oder analog geführt werde, mache keinen Sicht der FMH klar um einen beträchtli- Und die Zahnärzte? Unterschied. Gesundheitsfachpersonen chen Mehraufwand, sowohl was die In- Die Zahnmediziner sind wie alle ambu- wie zum Beispiel Drogisten oder Osteo- frastruktur als auch was den Betrieb be- lanten Ärzte vorerst nicht zur Teilnahme pathinnen, die ebenfalls ein EPD führen trifft. Dies ist mit ein Grund, warum die am EPD verpflichtet. Die SSO steht dem können, dürfen ihre Aufwände den Pa- FMH sich gegen eine verpflichtende Ein- EPD grundsätzlich positiv gegenüber, tienten weiterverrechnen. bindung der ambulanten Leistungser- sie verfolgt die Entwicklung genau und Die Verbindung der Schweizer Ärztinnen bringer wendet. bringt sich zum Teil auch aktiv ein, bei- und Ärzte FMH ist anderer Meinung. Sie Auch andere wichtige Fragen sind unbe- spielsweise in der IPAG (interprofes- fordert, dass der Aufwand zur Teilnahme antwortet: Wer haftet für die Korrektheit sionelle Arbeitsgruppe der Gesundheits- und zur Bewirtschaftung des EPD be- der im EPD abgelegten Daten? Wer darf berufe). Christoph Senn, Departements- leiter Gesundheit und Soziales im Zentralvorstand der SSO, sagt: «Wir sehen langfristig die Chancen und den Nutzen des EPD, sehen aber auch die vielfältigen momentanen Probleme. Diese machen es sehr schwierig, eine Prognose abzugeben, wann ein EPD flächendeckend etabliert sein wird.» Ein Restrisiko bleibt Im Januar 2018 erbeuteten Hacker Ge- sundheitsdaten von fast drei Millionen Norwegerinnen und Norwegern. Als Täter wurde eine «ausländische Macht» ver- mutet. Wäre so etwas auch in der Schweiz möglich? Wie steht es um die Daten- sicherheit der Schweizer EPD? Adrian Schmid beruhigt: «Das EPD hat den Vor- teil, dass der Gesetzgeber klare Vorgaben an die Betreiber der technischen Systeme machen konnte – und diese sind hoch.» Aber: «Weil sehr schnell neue Angriffs- möglichkeiten auftauchen können, ist es wichtig, dass die Gemeinschaften und Stammgemeinschaften sich gut vorberei- ten und das vorgeschriebene Risikoma- nagement seriös aufbauen.» Die Sicher- heit der Daten liegt letztlich in deren Verantwortung. Nicht beeinflussen kann man das Rest- risiko, das die Patienten selbst darstel- len – etwa wenn sie aus Unvorsichtigkeit fremde Zugriffe auf den Computer oder das Smartphone ermöglichen. Laut Adrian Schmid ist es vorgesehen, die Pa- tienten beim Eröffnen eines EPD darauf hinzuweisen, die Richtlinien des EPD- Anbieters für die IT-Sicherheit zu befol- gen. Wie viel dieser Hinweis bringt und ob die Richtlinien dann tatsächlich um- gesetzt werden, ist zumindest fraglich. Dieses Bild soll in absehbarer Zukunft der Ver- gangenheit angehören. Mit der Einführung des elektronischen Patientendossiers macht das Schweizer Gesundheitswesen einen grossen Sprung in Richtung Digitalisierung. SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 129 3 2019 P
Experten und Wissenschaftler haben einen Harte Zeiten für schlechten Ruf. Sie werden als elitär be- die Wissenschaft schimpft und in politischen Diskussionen nicht mehr gehört. Der amerikanische Autor Tom Nichols sucht die Gründe dieser Ent- wicklung und zeichnet ein pessimistisches Zukunftsszenario. Text: Andrea Renggli, Redaktorin SDJ; Foto: marchforscience.com Am 22. April 2017 sahen sich tausende keinen guten Ruf. Dies allein ist zwar Googeln kann jeder Wissenschaftler in den USA und auf der nichts Neues – neu ist aber das Ausmass Die Menschen sind nicht dümmer als in ganzen Welt genötigt, in einem «Marsch der Feindseligkeit, die ihnen im öffentli- früheren Zeiten. Im Gegenteil, noch nie für die Wissenschaft» auf den Wert ihrer chen Raum entgegenschlägt. Und das sei stand so vielen Menschen so viel Wissen Arbeit aufmerksam zu machen und gegen besorgniserregend, sagt der US-ameri- und Bildung zur Verfügung wie heute. die zunehmende Verbreitung alternativer kanische Professor und Buchautor Tom Nichols bemängelt vielmehr, dass Men- Fakten zu demonstrieren. In Zeiten, in de- Nichols. In seinem neusten Buch «The schen ihre Ignoranz und Uninformiertheit nen Fake News und Verschwörungstheo- Death of Expertise» warnt er, dieses Miss- mit Stolz vor sich hertragen; sie bezeich- rien bemerkenswert grosse Beachtung fin- trauen gegenüber von Fakten und Wissen- nen Gebildete als eine unerwünschte den, haben Wissenschaftler und Experten schaft gefährde sogar die Demokratie. Elite, die vom Leben des «normalen Bür- SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 129 3 2019 P
ZAHNMEDIZIN AKTUELL 223 Mit dem «March for Science» protestieren Jedes Mal, wenn ein Fall gefälschter For- Wissenschaftler und Sympathisanten 2017 schungsergebnisse bekannt wird oder und 2018 gegen «alternative Fakten» und die Etablierung einer «postfaktischen Ära». wenn ein schlampiges Studiendesign dazu führt, dass publizierte Forschungsresultate revidiert werden müssen, leidet das Anse- hen der Wissenschaft, und die Faktenver- fach ist es nicht: Falsche Wahrheiten weigerer werden gestärkt. waren schon immer attraktiv, weil sie Der Autor blickt ziemlich pessimistisch einfach sind. Über digitale Medien wer- in die Zukunft. In politischen Diskussio- den sie heute bloss schneller verbreitet. nen werde seit einiger Zeit der Eindruck Und was einmal im Netz kursiert, bleibt vermittelt, die Gefühle des Wählers seien quasi für immer sichtbar. Wer lange genug wichtiger als die Fakten. Dieser Mei- sucht, findet Argumente für alles. nungsrelativismus verhindere eine ange- Das grösste Problem mit dem riesigen In- messene öffentliche Debatte, die für eine formationsreservoir im Internet ist laut Demokratie aber unabdingbar sei. Mit der Nichols folgendes: 90 Prozent der Inhalte Brexit-Abstimmung und der amerikani- sind Müll: halbausgegorene Ideen, ab- schen Präsidentschaftswahl führt der sichtliche Falschaussagen oder einfach Autor sehr aktuelle Beispiele an, um seine nur trivialer Blödsinn. Dennoch ist alles Thesen zu untermauern. In der Schweiz gleichermassen aufrufbar und scheint scheint die Situation noch nicht so verfah- gleichermassen relevant. So komme es, ren wie im Buch beschrieben. Das mag da- fährt Nichols fort, dass viele Menschen mit zusammenhängen, dass die Schweizer nicht mehr unterscheiden können zwi- sich gewohnt sind, vor jeder Abstimmung schen seriösen Fakten und dem Daten- politische Diskussionen zu führen und schwall, den eine Suchmaschine aus- sich seriös zu informieren. spuckt. Auch Googeln will gelernt sein. Einen ultimativen Rat für ein besseres Verständnis zwischen Experten und Bür- Diskutieren mit Verschwörungstheoretikern gern gibt Tom Nichols nicht. Vielmehr Ein weiterer Faktor, der das Vertrauen nimmt er die Bürger in die Pflicht, ihre zwischen Bürgern und Experten unter- Verantwortung als Souverän wahrzuneh- gräbt, ist laut Tom Nichols die veränderte men und sich zu informieren. Die Exper- Diskussionskultur. Er erwähnt unter an- ten können bloss versuchen, den Dialog derem die sozialen Medien, die mit ihren auch im Gegenwind eines populistischen Algorithmen und Filterblasen dazu bei- und wissenschaftsfeindlichen Klimas auf- tragen, dass wir konträre Meinungen recht zu erhalten. seltener hören und deshalb immer gers» keine Ahnung habe. Dabei äussern schlechter vertragen. Aber auch zutiefst sie nicht bloss begründete Kritik an Aus- menschliche Verhaltensweisen können sagen von Experten oder Wissenschaft- die Diskussion erschweren. Zum Beispiel lern, sondern weisen jegliche Autorität der «confirmation bias»: Das Gehirn be- zurück mit der Begründung, dass ihre vorzugt Informationen, die die eigenen eigene Meinung den gleichen Wert habe Erwartungen bestätigen. Auch Wissen- wie überprüfbare Fakten. Googeln kann schaftler sind nicht gefeit vor diesem schliesslich jeder. Und der gesunde Men- Phänomen. Aber die Regeln des wissen- schenverstand weiss es ohnehin am bes- schaftlichen Arbeitens versuchen dem ten. Wer dieses Credo infrage stellt, gilt vorzubeugen. als respektlos. Anhand dieses Mechanismus erklärt Ärzte aus allen Fachrichtungen kennen Nichols, wie Verschwörungstheorien das Problem. Patienten vertrauen ihnen entstehen. Und der Autor warnt: In einer zwar, wenn es um technische Arbeiten Diskussion mit einem Menschen, der von wie das Nähen einer Verletzung oder das einer Verschwörungstheorie überzeugt Ziehen eines Weisheitszahns geht. Aber ist, kann man als Arzt oder Zahnarzt bei der Frage, ob das Kleinkind gegen eigentlich nur verlieren. Wer davon über- Masern geimpft werden sollte, scheint zeugt ist, dass eine böse Macht mittels ihnen die Meinung eines Hollywoodstars Fluorid in der Zahnpasta alle Menschen ebenso relevant wie jene des Kinderarz- vergiften will, wird sich von wissen- tes. schaftlichen Argumenten kaum umstim- men lassen. Das Internet ist nicht (allein) schuld Tom Nichols: The Death of Expertise. The Campaign Es wäre natürlich bequem, dem Internet Gefühle sind wichtiger als Fakten Against Established Knowledge and Why it Matters. die Schuld an dieser Entwicklung zu ge- Nichols gibt zu, dass die Wissenschaftler Oxford University Press. New York 2017. 252 Sei- ben, schreibt Tom Nichols. Aber so ein- nicht unschuldig sind an dieser Situation. ten, ca. 30 Franken. SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 129 3 2019 P
224 ZAHNMEDIZIN AKTUELL Daniela Frey Perez reist regelmässig in die Zahnbürsten Karibik, um Kinder und Erwachsene über reisen per Mundhygiene zu informieren. Was als spon- tane Idee und mit 400 Zahnbürsten im Schiffscontainer Reisekoffer anfing, entwickelte sich zu einem kleinen seriösen Sozialprojekt. über den Atlantik Text und Fotos: zvg/Bearbeitung: Andrea Renggli Das Schweizer Erfolgsmodell der Karies- Domingo organisiert. Über 400 Kinder Auf eine Reise nach Haiti verzichtete prophylaxe in andere Länder tragen – dies und 200 Erwachsene waren dabei. Nach Daniela Frey Perez diesen Herbst, weil ist das Ziel des kleinen Hilfswerks Bella der Vorstellung des Projektes wurde das im Frühling 2018 im Kinderheim Tuber- Risa (SDJ 5/2017). Die Dentalhygienikerin Publikum mithilfe von elf Kindern instru- kulose ausbrach. Die Lage habe sich nun und Schulzahnpflegeinstruktorin Daniela iert, wie man sich richtig die Zähne putzt, zum Glück normalisiert, erzählt sie. Die Frey Perez will Kinder und Erwachsene und weshalb das sinnvoll ist. «Als einzige Kinder haben eine Antibiotikatherapie für eine gute orale Hygiene und gesunde Blondine mit weisser Hautfarbe waren bekommen. Nach dreimonatiger Pause Essgewohnheiten sensibilisieren. In stets alle Augen auf mich gerichtet», sagt infolge des hohen Ansteckungsrisikos Schulen sowie Waisen- oder Kinderhei- Daniela Frey Perez. «So war ich natürlich konnte die haitianische Zahnpflege- men lehrt sie, wie man sich die Zähne noch nervöser, auch habe ich nie zuvor instruktorin ihre Arbeit wieder aufneh- richtig putzt. Auch die einheimischen vor so vielen Menschen Spanisch gespro- men. Der erste Auftrag wurde prompt Lehrpersonen und Betreuerinnen werden chen. Ich bin aber stolz, konnte ich viele umgesetzt: Infolge der Infektion muss- jeweils geschult. Kinder erreichen.» ten die Zahnbürsten ausgewechselt Zuletzt reiste Daniela Frey Perez im Herbst Daniela Frey Perez gehört im Hotel mitt- werden. 2018 in die Dominikanische Republik. lerweile zu den Stammgästen. «Man Dieses Mal hat sie – statt einzelne Schul- kennt mich. Wenn jemand Zahnschmer- www.bellarisa.ch, Spendenkonto: Daniela klassen zu besuchen – erstmals einen zen oder ein Problem am Zahnfleisch hat, Frey Perez, IBAN CH32 8121 10000077 1580 7, grossen Event in einer Schule in Santo fragt er mich um Rat.» Vermerk Bella Risa Daniela Frey Perez zeigte im vergangenen Herbst in Santo Domingo Kindern und Erwachsenen, wie man sich die Zähne richtig putzt. SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 129 3 2019 P
ZAHNMEDIZIN AKTUELL 225 KO N G R E S S E / FAC H TAG U N G E N Die Extremsportlerin Evelyne Binsack war Ein Leben Gastreferentin am 8. Ostschweizer Zahn- für drei Pole ärzteforum. Sie faszinierte die Zuhörer mit einem bildgewaltigen Bericht ihrer Reisen durch Eiswüsten und auf die höchsten Berggipfel. Text und Fotos: zvg Rund 90 Zahnärztinnen, Zahnärzte und Praxismitarbeitende besuchten die von der SSO anerkannte Weiterbildungsver- anstaltung Ostschweizer Zahnärzte- forum in St. Gallen, die immer auch Raum für den Austausch mit Berufskol- leginnen und Berufskollegen bietet. Grenzgängerin und Berufsbergführerin Gast am diesjährigen Forum war Eve- lyne Binsack. Sie gehört international zu einer Handvoll Frauen, die im Be- reich Extremsport mit ihren physischen Leistungen herausragen. Binsack ist die erste Schweizerin, die alle drei «geografischen Pole» mit eigener Muskelkraft erreicht hat: den Gipfel des Mount Everest, den Süd- und den Nordpol. Die Eigernordwand durchstieg Evelyne Binsack dreimal: Das erste Mal als 22-Jährige im Winter bei minus 17 Grad Die Extremsportlerin Evelyne Binsack faszinierte die Zuhörer mit der Erzählung über ihre «Expedition Celsius durch die Heckmair-Route, Antarctica». dann seilfrei und im Alleingang durch die Lauper-Route und zuletzt, erneut durch die Heckmair-Route, im Team Der Vortrag von Evelyne Binsack war prozessen, erklärte, wie man sein für einen Dokumentarfilm, der den Faszination pur, die bildgewaltige und Praxisteam begeistern und zu Maxi- Fernsehpreis erhielt. fesselnde Erzählung einer begeisterten malleistungen motivieren kann. Der Abenteurerin. Steuerexperte Michael Wider erläuterte «Expedition Antarctica» die Steuerfolgen von verschiedenen Als einziger Mensch der Welt erreichte Beiträge zur optimalen Praxisführung Nachfolgelösungen und gab den Teil- Binsack den Südpol in purem Stil: Zu- Weitere Vorträge am Ostschweizer nehmenden Tipps zur Wahl zwischen erst fuhr sie mit dem Fahrrad von der Zahnärzteforum: Prof. Dr. Matthias Zehn- Einzelfirma oder Aktiengesellschaft Schweiz bis an den Südzipfel Chiles. der von der Universität Zürich referierte und zur steuerlichen Behandlung von Dann gings zu Fuss und mit Ski und über die neusten Forschungsergebnisse Liegenschaften im Geschäftsvermögen Schlitten weiter durch den kältesten zur optimalen Reinigung von Wurzel- bei Praxisnachfolgen. Kontinent der Welt, die Antarktis. Nach kanälen. Claudia Eugster, Fachanwältin Auch im Jahr 2020 werde wieder ein 484 Tagen erreichte sie den «entfern- für Arbeitsrecht, zeigte anhand von Ostschweizer Zahnärzteforum statt- testen Punkt unserer Erde»: den Süd- Praxisbeispielen Fallstricke rund ums finden, bestätigt Dr. Leodegar Kauf- pol. Insgesamt führte diese «Expedition Thema «Schwangerschaft und Mutter- mann, der als Moderator die Teilneh- Antarctica» sie durch 16 Länder auf vier schaft». Petra Neff, dipl. Psychologin FH mer geschickt durch den Nachmittag verschiedenen Kontinenten. und Expertin von Teamentwicklungs- führte. SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 129 3 2019P
226 ZAHNMEDIZIN AKTUELL Gute Beziehungen beeinflussen den Ge- Die Kraft schäftserfolg nachhaltig. Wie das passiert, der Emotionen erklärte Beat Krippendorf im Rahmen des 2. SGI-Spotlights. Unterhaltsam und mit viel Humor fesselte er die Anwesenden an dieser Abendveranstaltung. Text: Dr. med. dent. Adrienne Schneider, Privatpraxis Fotos: swiss dental community, M. Keller «Von Themen der Wissenschaft hören wir sozialer, psychologischer und neurowis- so gute Strategie effizient und nachhaltig alle regelmässig an Kongressen», so be- senschaftlicher Themen, die er auf inte- umzusetzen. grüsste Dr. Rino Burkhardt, Präsident der ressante und verblüffende Art und Weise Beat Krippendorf erklärte aus seiner Sicht, Schweizerische Gesellschaft für Implan- zu verknüpfen vermag. welche Schlüsselkompetenzen oder tologie (SGI), die Anwesenden in der Schlüsselenergien es also braucht, um Cinématte, einem stilvollen Kinosaal Die unschlagbare Kraft der Emotionen auch in Zukunft das Vertrauen der Men- an der Berner Aare. Das Ziel des Spot- Den Einstieg an diesem Winterabend bil- schen bzw. der Patientinnen und Patien- light-Fortbildungsformates solle jedoch dete ein Kurzfilm zum Thema Emotionen ten zu gewinnen, und um das «Unter- sein, Aspekte des Praxisalltags zu be- und zwischenmenschliche Beziehungen. nehmen Zahnarztpraxis» erfolgreich zu leuchten, die schwierig messbar sind, die Der Film veranschaulichte die unschlag- führen. aber für einen langfristigen Praxiserfolg bare Kraft der Emotionen in einem Be- von grosser Bedeutung sind. Im Vorjahr werbungsprozess. «Menschlichkeit gilt Denkanstösse, Impulse, Inputs – wurde im Rahmen der ersten SGI-Spot- als Erfolgsprinzip für Führung und Moti- keine Ratschläge light-Veranstaltung das Thema Entschei- vation», so Krippendorf. In seinem Referat Der Referent gab «ein paar Denkanstös- dungsfindung thematisiert. zeigte er vor allem auch, wie gute Bezie- se, ein paar Impulse, ein paar Inputs – Der Berner Beat Krippendorf, Dozent für hungen den Lebenserfolg nachhaltig po- aber keine Ratschläge, weil Ratschläge ethische Unternehmensführung und sitiv beeinflussen. auch Schläge sind». Jeder Mensch sei ein Keynote-Speaker, beschäftigt sich seit Zahnarztpraxen befinden sich in einem Individuum, sei unterschiedlich aufge- Jahren mit Marketing, Kommunikation zunehmend kompetitiven Umfeld, so der wachsen und von seinem Umfeld geprägt und Kundenbeziehungen im Dienstleis- Berner. Viele Zahnärztinnen und Zahn- worden. Es gebe keine Rezepte, sondern tungssektor. Er versteht es, mit seinen ärzte befassen sich deshalb vermehrt mit jede Person müsse für sich das aus dem Aussagen und seinen für viele Menschen unternehmensstrategischen und marke- Leben rausnehmen, was für sie in ihrem unorthodoxen Ideen grosse Zuhörer- tingtechnischen Aspekten der Unterneh- Umfeld umsetzbar und sinnvoll sei. Was schaften in Bann zu ziehen. Seine Er- mensführung. Ohne eine menschliche es weiter brauche sei Mut zur Umset- kenntnisse umfassen eine ganze Palette Unternehmenskultur sei aber keine noch zung. Ein paar Denkanstösse, ein paar Impulse, ein paar Inputs, ein paar Zitate Krippen- dorfs: – «Man kann nicht jeden Tag seine Ar- beit neu wählen – aber man kann jeden Tag die Haltung neu wählen, mit der man seine Arbeit tut.» – «Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer der, der er schon ist.» – «Viele sind schon mit 18 gestorben, werden aber erst mit 80 beerdigt.» – «Innovation beginnt im Kopf. Wer nicht will – tut nichts.» – «Innovation ist eine Haltung.» – «Kundennähe ist eine Frage der Hal- tung.» – «Führung ist eine Frage der Haltung.» – «Kundennähe und Unternehmenskul- tur: So wie man miteinander umgeht, so wird man von aussen wahrgenom- Die beiden Spotlight-Verantwortlichen der SGI: Dres. Felix Gamper und Rino Burkhardt (v.l.) men.» SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 129 3 2019P
ZAHNMEDIZIN AKTUELL 227 Der Kinosaal der Cinématte verwandelte sich in einen Vortragssaal. Multiple Intelligenz rhetorische Wirkungsmittel wie Haltung, sche Intelligenz sowie Verantwortlichkeit Krippendorf glaubt an das Prinzip der mul- Blickkontakt, Mimik, Gestik, Sprache und Zuständigkeit sich selbst und dem tiplen Intelligenz. Die Gesamtintelligenz und Haltung werde das Gegenüber beein- gesamten Umfeld gegenüber. eines Menschen setze sich zusammen flusst. Neben einer konstruktiven Haltung seien aus der linguistischen Intelligenz, der gelingende Beziehungen sehr wichtig. logisch-mathematischen Intelligenz, der Das «Prinzip Menschlichkeit» betrifft Gute Beziehungen aktivieren nämlich körperlich-kinästhetischen, der räumli- uns alle die inneren Motivationssysteme. Diese chen, der musischen und der personalen Der Referent ist der Überzeugung, dass schalten ab, wenn keine Chance auf so- Intelligenz. Alle diese Intelligenzen zu- Emotion seelische Geduld ist. Alle Praxis- ziale Zuwendung besteht bzw. springen sammen ergeben die praktische Intelli- inhaberinnen und Praxisinhaber verkau- an, wenn das Gegenteil der Fall ist – genz. Weiter zeigte Beat Krippendorf, dass fen Emotionen: Werte, Bedeutungen, wenn Anerkennung im Spiel ist. Als Kommunikation Energie ist. «Sie kom- Sicherheit und Geborgenheit. Als Grund- Letztes erwähnt der Dozent Vertrauen munizieren Ihre innere Haltung – non- lage des Erfolgs sieht er eine konstruk- als wichtigste Emotion für nachhaltige verbal, immer, ständig, intensiv – ob sie tive Haltung. Dazu gehören Interesse, Motivation, physische und psychische wollen oder nicht.» Durch persönliche Engagement, Sensibilität und empathi- Gesundheit. «Alles was Sie tun – und alles was Sie nicht tun –, beginnt bei Ihnen und endet bei Ihnen.» Es folgte ein Solospiel Krip- pendorfs auf seiner Gitarre zur ganzheitli- chen Gehirnaktivierung – die trockenen Kehlen und knurrenden Mägen wurden bei einem feinen Apéro riche beglückt, und die zwischenmenschlichen Bezie- hungen unter Kolleginnen und Kollegen wurden gepflegt. Implantologie heute – die Kluft zwischen der Evidenz und der klinischen Praxis Vorschau: am 1. und 2. November 2019 findet die Jahresversammlung der SGI in Burgdorf zum Thema «Implantologie heute – die Kluft zwischen der Evidenz und der klinischen Praxis» statt; auch dies ein Thema, das die Problematik der statistischen relevanten Aspekte und der Der Referent Beat Krippendorf im Gespräch mit Kursteilnehmern Klinik widerspiegelt. SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 129 3 2019 P
228 ZAHNMEDIZIN AKTUELL An einer Fortbildungsveranstaltung in Periimplantitis: Zürich sprachen Experten aus dem In- und besser vorbeugen Ausland über Periimplantitis. Im Zentrum stand für einmal jedoch nicht die Therapie, als behandeln sondern die Prävention. Text und Fotos: Dr. med. dent. Anja Lüssi Am 19. Januar fand im Radisson Blu Hotel Die Evolution der Implantate Oberfläche, die sich bei den Implantaten am Flughafen Zürich die Veranstaltung Das erste Referat zum Thema «Does im- heute durchgesetzt habe, beeinflusse vor «Periimplantitis – besser vorbeugen als plant design influence clinical success?», allem die Geschwindigkeit, jedoch nicht behandeln» statt. Das rund 70-köpfige von Prof. Dr. Lars Sennerby aus Göteborg, die Qualität der Osseointegration. Er be- Publikum kam in den Genuss eines ab- Schweden, handelte von der «Evolution» tonte auch, dass selbst messbare Unter- wechslungsreichen Programms mit der Implantate. Anhand der Geschichte schiede zwischen Implantaten nicht im- hochkarätigen Referenten. der Implantate und konkreter Beispiele mer klinische Auswirkungen haben. Und Bei der Begrüssung betonte der Organi- erläuterte er verschiedene Makro- und unabhängig vom Implantatdesign seien sator, Dr. Thomas Zumstein von der Zum- Mikroaspekte des Implantatdesigns und im ersten Jahr nach der Insertion kleine stein Dental Academy, dass bei dieser deren mögliche Auswirkungen auf die Veränderungen im marginalen Knochen- Veranstaltung zur Abwechslung mal nicht Erfolgsrate. So sei es erwiesen, dass niveau festzustellen. die Therapie, sondern die Prävention der Implantatfrakturen insbesondere bei Periimplantitis im Vordergrund stehe. schmalen Implantaten auftreten. Auch Die Schlüssel zur Prävention Über die Therapie sei schon viel gespro- die Primärstabilität sowie etwa der initia- Als nächster Referent sprach Prof. Dr. chen worden, dabei sei es doch sinnvol- le Knochenabbau könnten durch das Im- Giovanni Salvi aus Bern über «Risikofakto- ler, diese schwer behandelbare Krankheit plantatdesign beeinflusst werden. Einen ren zur Begünstigung periimplantärer wenn immer möglich zu verhindern. Die positiven Effekt auf den späteren margi- Erkrankungen». Er betonte, dass Peri- beiden Chairmen, Prof. Dr. Anton Sculean nalen Knochenabbau gebe es durch das implantitis definitionsgemäss eine Pla- aus Bern und Prof. Dr. Patrick Schmidlin aus «Platform-Switching». Natürlich ging que-assoziierte Erkrankung sei. Ein Zürich, führten die Teilnehmer durch Prof. Sennerby auch auf die Oberflächen- hohes Niveau bei der täglichen Mund- den Anlass und moderierten die Diskus- beschaffenheit von Implantaten ein. Die hygiene zu Hause und eine engmaschige sionen. moderat-raue und häufig auch aktivierte Betreuung seien der Schlüssel zur Prä- Moderator Prof. Dr. Patrick Schmidlin, Zürich, (links) mit Prof. Dr. Giovanni Salvi aus Bern Dr. Thomas Zumstein, der Organisator der Fort- bildungsveranstaltung in Zürich SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 129 3 2019 P
ZAHNMEDIZIN AKTUELL 229 vention von Erkrankungen um Implan- tate. Ebenfalls könne das Erkrankungs- risiko geringgehalten werden, indem wenig Implantate gesetzt werden. Nicht für jeden fehlenden Zahn, und schon gar nicht für jede fehlende Wurzel, bedürfe es für den Ersatz eines Implantats. Generell müsse bei der Planung und Versorgung von Implantaten auf eine gute Putzbar- keit geachtet werden. Bei Patienten mit parodontalen Erkran- kungen sollen diese vor der Implantat- insertion sauber austherapiert werden. Prof. Salvi rief dazu auf, gerade bei diesen Risikopatienten immer in Betracht zu ziehen, dass natürliche Zähne oder Wur- zeln als Pfeilerzähne auch mit reduzier- tem Attachment eine gute Prognose haben. Anschliessend fand eine kurze Diskussion statt, in der nochmals betont wurde, dass periimplantäre Erkrankungen multifak- toriell seien und Risikofaktoren, wie bei- Die Evolution der Implantate war das Vortrags- Der Deutsche Prof. Dr. Stefan Fickl sprach über spielsweise lokalisiert erhöhte Sondie- thema von Prof. Dr. Lars Sennerby aus Schweden. den kleinen Mosaikstein der Weichgewebe. rungswerte, bloss einzelne Aspekte im gesamten Risikoprofil eines Patienten sind und man diese in einer Gesamtbeur- wichtig beim Implantat?». Schon zu Be- desto mehr müssen Sie an die Weichge- teilung gegeneinander abwägen müsse. ginn seines Vortrags erklärte Prof. Fickl, webe denken», mahnte er. Die Beschaf- dass es sich hierbei bloss um einen «klei- fenheit der Gewebe um Implantate herum Der Einfluss des Weichgewebes nen Mosaikstein» handle und andere unterscheide sich wesentlich von jener Nach einer Pause, die Zeit für einen Aspekte viel wichtigere Risikofaktoren um Zähne herum. Der Zahn habe ein bio- Rundgang durch die Ausstellung und für seien. Denn Periimplantitis sei nicht pri- logisches Attachment, während bei Im- Erfrischungen bot, ging es weiter mit mär ein Problem der Weichgewebe. Das plantaten schlechter durchblutetes Nar- Prof. Dr. Stefan Fickl aus Fürth, Deutsch- Weichgewebe habe aber einen grossen bengewebe und bestenfalls Attachment land. Sein Thema: «Sind Weichgewebs- Einfluss auf die Entstehung von Rezessio- über Hemidesmosomen vorliege. Man volumen und keratinisierte Mukosa nen. «Je tiefer Sie ein Implantat setzen, könne also nicht einfach die Prinzipien der plastischen Parodontalchirurgie auf Implantate übertragen. Für stabile Weich- gewebeverhältnisse um Implantate brau- che es genügend Knochen, was bei Zäh- nen nicht der Fall sei. Er erläuterte zwei klinische Situationen, bei denen Eingriffe an den Weichgeweben jedoch eine Ver- besserung bringen können. Anschliessend an dieses lebendige Refe- rat fand wiederum eine Diskussion statt, bevor sich die Teilnehmer zum leckeren Mittagsbuffet und in die Ausstellung begaben. Ist digital besser? Nach der Mittagspause drehte es sich um das Thema «digital». Dr. Jakob Zwaan aus Calusco d’Adda, Italien, sprach zum The- ma «Implant placement: does digital dentistry prevent peri-implantitis?». Dr. Zwaan, der im Jahr 1987 das Zahnme- dizinstudium abgeschlossen hat, arbeite heute häufig mit digitalen Mitteln. Die Resultate seien nicht grundsätzlich bes- Prof. Anton Sculean von der Universität Bern führte durch die Veranstaltung. ser, die Arbeit werde aber vereinfacht. Am wesentlichsten sei die Zeit, die ein- SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 129 3 2019 P
230 ZAHNMEDIZIN AKTUELL Daten gesammelt, verglichen und über- lagert werden. Diese könnten dann bei- spielsweise über Schienen dazu beitra- gen, dass auf Knochenaufbauten oder Lappenbildung bei der Implantation ver- zichtet oder zumindest Zeit eingespart werden könne. Immer wieder zog der Referent Parallelen zu Charlie Chaplins «Modern Times», und er ermahnte die Zuhörer zu beden- ken, dass digitale Medien auch leicht manipuliert werden können. Nach seinem Vortrag stellte Dr. Zwaan 3D-Simplement vor, eine Gesellschaft, der er als Präsident vorsteht. Sie stelle eine Art Thinktank für die Vereinfachung der digitalen Hilfsmittel in der Zahnme- dizin dar (www.3d-simplement.com). Dr. Jakob Zwaan zeigte die Vorteile der digitalen Arbeitsweise, mahnte aber auch zu bedenken, dass Inputs aus allen zahnärztlichen Fachrich- digitale Medien leicht manipuliert werden können. tungen aber auch von Zahntechnikern, Industrie, Handel, Universitäten usw. seien willkommen. gespart werden könne. Er erläuterte das Design, das sowohl für die Planung als anhand verschiedener Beispiele. Abge- auch für die Kommunikation mit dem Zeit sparen, aber kein Material winkelte Schraubenzugänge, die mit Patienten sehr hilfreich sein könne. Ein Es blieb digital, als Dr. Nadja Naenni aus CAD/CAM gefräst werden können und weiteres Beispiel sind Einheilkappen, die Zürich über «Implantatbasierte Rekon- so das Verschrauben von Rekonstruktio- für die digitale Abformung nicht entfernt struktionen: digitaler Workflow vs. ana- nen ermöglichen, bei denen das bis anhin werden müssen. Und natürlich können log, verschraubt vs. zementiert» sprach. nicht der Fall war. Oder das digitale Smile mit digitalen Mitteln Unmengen von Es sei nicht so, dass bei der digitalen Ab- Die Pausen boten Gelegenheit für einen Rundgang durch die Ausstellung. SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 129 3 2019P
ZAHNMEDIZIN AKTUELL 231 Bei der digitalen Abformung werde kaum Material PD Dr. Philipp Sahrmann aus Zürich betonte, dass es sich beim Implantat im Patientenmund um ein gespart, unter Umständen aber Zeit am Patien- unglaublich komplexes System handle. Dementsprechend existierten auch keine Goldstandards. tenstuhl, erklärte Dr. Nadja Naenni aus Zürich. formung wirklich weniger Material ge- Für den Referenten ist die Reinigung des der keratinisierter Mukosa, inadäquaten braucht werde. Es könne aber unter Um- Micro-Gaps in der Verbindung zwischen Versorgungen oder Zurücklassen von ständen Zeit am Patientenstuhl eingespart Implantat und Versorgung ein wichtiger Zementüberschüssen komme. Er gab werden, und insbesondere bei der Ferti- Aspekt der Periimplantitistherapie. Zu- diesen den treffenden Namen «Malprac- gung der Rekonstruktionen könne die dem teilt er die Periimplantitis in primäre titis». Zeitersparnis gross sein. Auch stehen Infektionen ein, die rein plaqueassoziiert neue Materialien zur Verfügung. Die digi- sind, und in sekundäre, zu denen es auf- Ein komplexes und unberechenbares System tale Abformung mittels intraoraler Kame- grund von Misserfolgen bei GBR, Fehlern Zum Schluss hörten die Teilnehmer noch ras sei heute noch weniger genau als die bei der Implantatpositionierung, fehlen- PD Dr. Philipp Sahrmann aus Zürich. Er konventionelle, allerdings nicht mehr in referierte zum Thema «Periimplantitis- einem Ausmass, das klinisch relevant sei. therapie: State of the art». Schon zu Be- Nach wie vor gebe es aber Fälle, die auf ginn betonte Dr. Sahrmann, dass es sich dem konventionellen Weg besser gelöst beim Implantat im Patientenmund um werden können, zum Beispiel wenn gan- ein unglaublich komplexes und dadurch ze Kiefer versorgt werden. Das Zemen- in gewisser Weise unberechenbares Sys- tieren von implantatgetragenen Rekon- tem handle. Dementsprechend existier- struktionen sei dann möglich, wenn die ten auch keine Goldstandards, und es sei Voraussetzungen gegeben seien, um die noch nicht genügend Evidenz zur Peri- Überschüsse, die immer entstehen, wie- implantitistherapie vorhanden. Er erläu- der entfernen zu können. terte anhand des CIST-Protokolls (Cumu- Fazit der anschliessenden Diskussion lative Interceptive Supportive Therapy), war, dass sich der digitale Weg nach und wann welche Therapie angezeigt ist. nach durchsetzen wird. Insbesondere die Auch betonte er, dass die Periimplanti- junge Generation bevorzugt diesen, und tistherapie nach wie vor schlechte Er- dank intensiver Forschung und Innova- folgsraten aufweise, die periimplantäre tion verbessern sich diese Technologien Mukositis hingegen lasse sich zuverlässig rasant. therapieren. Die Verwendung von Anti- biotika in der Periimplantitistherapie Periimplantitis und Malpractitis bringe keine klinischen Vorteile, und Nach einer letzten Pause ging es weiter resistente Keime seien immer häufiger mit dem Vortrag «Clinically induced trig- aufzufinden. gering factors and peri-implantitis» von Zum Schluss fand nochmals eine ab- PD Dr. Luigi Canullo, Rom, Italien. Der Pri- schliessende Diskussion statt, bevor die vatpraktiker stellte gleich zu Beginn klar, Der Privatpraktiker PD Dr. Luigi Canullo aus Rom Teilnehmer dieser gelungenen Veranstal- dass er «das schwarze Schaf» sei. bezeichnete sich selbst als «schwarzes Schaf». tung ins Wochenende starteten. SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 129 3 2019 P
ZAHNMEDIZIN AKTUELL 233 N E U E S VO N D E N FAC H G E S E L L S C H A F T E N SGDMFR Schweizerische Gesellschaft für dentomaxillofaziale Radiologie SSRDMF Société suisse de radiologie dentaire et maxillo-faciale SSRDMF Società svizzera di radiologia dentomaxillofacciale SADMFR Swiss Association of Dentomaxillofacial Radiology Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für dentomaxillofaziale Radiologie (SGDMFR) in Interlaken vom 12. Juni 2019 Ausschreibung des Nachwuchswettbewerbs für Assistentinnen und Assistenten in Weiterbildung Eingebettet im interessanten Programm der Jahrestagung 2019 in Interlaken bietet die SGDMFR jungen Forschern, die auf dem Gebiet der zahnärztlichen Radiologie arbeiten, ein Forum, um im Rahmen eines Nachwuchswettbewerbs ihre Arbeiten zu präsentieren. Zugelassen sind Masteranden und Masterandinnen sowie Dissertanten und Dissertantinnen schweizerischer Universitäten/Universi- tätszahnkliniken sowie Teilnehmer eines BAG- oder SSO-akkreditierten Weiterbildungsprogramms. Bewerber für den Nachwuchswettbewerb sollten Mitglied der SGDMFR sein (oder sich um eine Mitgliedschaft beworben haben). Das Abstract sollte im IADR-Format (Ziel, Material und Methoden, Ergebnisse, Diskussion, Schlussfolgerung: inkl. aller Co-Autoren und deren Institutionen) in digitaler Form bis 12. Mai 2019 via E-Mail an das SGDMFR-Sekretariat eingereicht werden. Zugelassene Referate sollen maximal zehn Minuten dauern, anschliessend folgt eine fünfminütige Diskussion. Der Nachwuchspreis der SGDMFR ist mit 2750 Franken dotiert. Die beste Arbeit wird mit 1500 Franken, die zweitbeste mit 750 Franken bzw. die drittbeste mit 500 Franken ausgezeichnet. Alle zum Nachwuchswettbewerb zugelassenen Teilnehmer werden zudem zur Jahrestagung eingeladen. E-Mail-Adresse: dorothea.dagassan@unibas.ch Dr. D. Dagassan-Berndt Sekretärin SGDMFR Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Oralchirurgie und Stomatologie La Poste, Kongresszentrum Visp, Samstag, 22. Juni 2019 Ausschreibung des Nachwuchswettbewerbs für Assistenten in Aus- und Weiterbildung Anlässlich unserer Jahrestagung wird Nachwuchsleuten die Möglichkeit für einen wissenschaftlichen Kurzvortrag geboten. Zugelassen sind Studierende sowie Kolleginnen und Kollegen, die aktuell in strukturierter oralchirurgischer Aus- oder Weiterbildung stehen oder das Programm vor maximal 12 Monaten abgeschlossen haben. Der Vortrag ist auf zehn Minuten begrenzt und sollte aus dem Gebiet der Oralchirurgie oder Stomatologie stammen. Der Vortrag wird direkt im Anschluss diskutiert. Das Abstract sollte im IADR-Format (objective, materials and methods, results, conclusion) in digitaler Form via E-Mail bis 31. Mai 2019 im SSOS-Sekretariat eingereicht werden. Der Nachwuchspreis der SSOS ist mit insgesamt 2250 Franken dotiert. Die beste Arbeit wird mit 1000 Franken, die zweitbeste mit 750 Franken und die drittbeste mit 500 Franken ausgezeichnet. Alle zum Nachwuchswettbewerb zugelassenen Teilnehmer werden zudem zur Tagung eingeladen und erhalten eine Spesenpauschale von 100 Franken. E-Mail-Adresse: info@ssos.ch Prof. Dr. Vivianne Chappuis Betreff: «Nachwuchswettbewerb Visp 2019» Sekretärin SSOS SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 129 3 2019 P
234 ZAHNMEDIZIN AKTUELL U N I N AC H R I C H T E N Im vergangenen November hat die Venia docendi und Medizinische Fakultät der Universität Bern Antrittsvorlesung von PD Dr. Nikola Saulacic die Venia docendi PD Dr. Nikola Saulacic für das Fach «Experimentelle Oralchirurgie und Kieferchirurgie» erteilt. Text: Prof. Dr. Dr. Tateyuki Iizuka; Foto: zvg PD Dr. Nikola Saulacic ist seit 2007 For- Am 30. Januar hielt PD Dr. Saulacic im schungsmitarbeiter an der Universitäts- Department for Biomedical Research klinik für Schädel-, Kiefer- und Gesichts- (DBMR) der Universität Bern vor Kolle- chirurgie des Inselspitals Bern. Er ist ginnen und Kollegen, Freunden und Gäs- auch als Dozent in der Lehre für das Fach ten seine Antrittsvorlesung zum Thema Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie so- «Alveolarknochen – das wichtigste Ge- wie als Supervisor und Ko-Supervisor im webe für die orale Funktion». Nach der Master- und Doktorstudium tätig. Begrüssung von Prof. Dr. Marcel Egger, PD Dr. Nikola Saulacic absolvierte sein Ko-Direktor des Instituts für Physiologie Zahnmedizinstudium und seine zahnärzt- und Stellvertreter des Dekans, eröffnete liche Weiterbildung als «Spezialist in Prof. Dr. Dr. Tateyuki Iizuka, Direktor der Oralchirurgie» an der Universität Belgrad. Universitätsklinik für Schädel-, Kiefer- Bereits nach Abschluss seines zahnmedi- und Gesichtschirurgie, die Antrittsvor- zinischen Studiums engagierte er sich ak- lesung. Er stellte PD Dr. Saulacic und die tiv in der Forschung und erwarb den Titel Meilensteine dessen akademischer Bio- «Master of Science». Als ITI-Stipendiat grafie vor und würdigte seine wissen- war er für ein Jahr an der Poliklinik für schaftlichen Leistungen. Chirurgische Zahn-, Mund- und Kiefer- In seiner Antrittsvorlesung gab PD Dr. heilkunde der Universität Bonn. Er setzte Saulacic einen Überblick über die biolo- seine Forschungstätigkeit an der Universi- gischen Ereignisse nach dem Zahnverlust tät Santiago de Compostela in Spanien fort und die darauffolgende Knochenatrophie. und schloss das Postgraduate Training for PD Dr. Nikola Saulacic Dabei präsentierte er ausführlich die re- Advanced Studies mit dem Erwerb des levanten Knochenregenerations- und europäischen PhD-Titels ab. Seine PhD- Knochenaugmentationstechniken sowie Forschung war international mit den Uni- 2017 übernahm er die Funktion als Leiter deren Potenzial und diskutierte Zukunfts- versitäten Bonn, Deutschland, und Ox- der klinischen Forschung der Universi- perspektiven. Nach dem interessanten ford, Grossbritannien, vernetzt. tätsklinik für Schädel-, Kiefer- und Ge- Vortrag, wurden die gewonnenen Ein- Neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit in sichtschirurgie im Inselspital Bern und drücke in einem gemütlichen Zusam- Lehre und Forschung war er in der Funk- baute seine Forschungstätigkeit und seine mensein bei einem Apéro riche ausge- tion eines wissenschaftlichen Mitarbeiters akademische Position weiter aus. Seine tauscht. an der Klinik für Oralchirurgie und Sto- gegenwärtigen Forschungsschwerpunkte matologie der Zahnmedizinischen Klini- liegen bei der Knochenregeneration für Wir gratulieren PD Dr. Nikola Saulacic sehr ken (ZMK) der Universität Bern tätig. Im die Rekonstruktion des Kiefer- und Ge- herzlich zu seiner Habilitation, wünschen Jahr 2013 erwarb PD Dr. Saulacic die Quali- sichtsschädelknochens mit verschiedenen ihm viel Erfolg für die berufliche und private fikation des Fachzahnarztes für Oralchi- osteokonduktiven und –induktiven Me- Zukunft und freuen uns auf die weitere rurgie und Stomatologie SSO. Im Jahre thoden. Zusammenarbeit. SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 129 3 2019 P
ZAHNMEDIZIN AKTUELL 235 Bern: SSRD Continuing Education Day 2019: Gerodontology Am 18. Januar 2019 fand der jährliche Tab. 1 Weiterbildungstag für die Spezialisierungskandidaten der SSRD schweizweite Weiterbildungstag für die Spe- Speaker Topic zialisierungskandidaten der Schweizerischen Gesellschaft für Rekonstruktive Zahnmedizin Ronald Jung Welcome Nicola Zitzmann SSRD in Bern unter der Federführung von Martin Schimmel Prof. Martin Schimmel, Leiter der Abteilung Aspects of General Medicine, Ethics, Jurisdiction für Gerodontologie der ZMK Bern, statt. Martin Schimmel Preventive, reconstructive or palliative: objectives in gerodontology Prof. Schimmel stellte ein vielseitiges und Andreas Stuck Dental treatment in older persons with dementia: what dentists need to interessantes Programm unter Einbezie- know from geriatrics hung aller Lehrstuhlinhaber der Gerodonto- Michal Hasler Das neue Erwachsenenschutzrecht und die Aufgaben der Kinder- und logie in der Schweiz zusammen. Das in Eng- Erwachsenenschutzbehörde, Patientenverfügung lisch vorgetragene Programm spiegelte die Reconstructive and Implantological Concepts grosse Bandbreite des Faches wider. Unter- Daniel Buser Short and/or narrow implants as an alternative to bone augmentation in the teilt wurde es in die drei Themengebiete elderly patient «Aspects of General Medicine, Ethics, Juris- Frauke Müller Criteria for dentures designed for old, very old and terminally ill patients diction», «Reconstructive and Implantolo- Murali Srinivasan Too old for an implant? Geriatric treatment concepts for implant and tooth- gical Concepts» sowie «Interdisciplinary supported reconstructions Update» (siehe Tab. 1). Interdisciplinary Update Mit einer anspruchsvollen schriftlichen Hendrik Meyer-Lückel Root caries – myths and realities Wissensüberprüfung für die 48 teilnehmen- Valérie Suter Sicca syndrome: etiology and oral manifestation den Kandidatinnen und Kandidaten ging der gelungene Anlass in der schönen Hauptstadt Giovanni Salvi Periodontal as well as peri-implant maintenance care for the elderly patient zu Ende. Christian Besimo Medical screening of ageing persons in the dental office Die Weiterbildungstagung der SSRD 2020 Georg Starke Medical ethics in the treatment of geriatric patients wird turnusgemäss in Genf zum Thema Candidates Written test on learning progress «Material Science» stattfinden. Ronald Jung Summary, closing remarks Nicola Zitzmann Text und Foto: zvg Martin Schimmel Gruppenbild mit den SSRD-Spezialisierungskandidaten und Referenten im Langhans-Auditorium der Universität Bern. SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 129 3 2019 P
236 ZAHNMEDIZIN AKTUELL ONLINE Eine der besten Medizin-Apps, die mo- Smartphone- mentan auf dem Markt sind, ist Ada. Apps für Zahn- Sie ist kostenfrei und ist ein gutes Beispiel für den Einbezug von künstlicher Intelli- ärztinnen und genz in die Medizin. Zahnärzte Text und Bilder: Prof. Andreas Filippi Sich bei eigenen Beschwerden oder bei Erkrankungen von An- ten wie Körpergrösse, Vorerkrankungen, Medikamenten- gehörigen Hilfe im Internet zu suchen, ist heute die Regel und einnahme, Gewicht oder Alter schon eingegeben hat, können sicher nicht mehr die Ausnahme. Mit Vorkenntnissen kann man die Fragen im ersten Fall deutlich spezifischer gestellt werden, bei den teilweise unsinnigen Onlineempfehlungen die Spreu als wenn man Auskunft für eine andere Person benötigt. Und vom Weizen trennen. Es gibt jedoch auch Apps, die so etwas es wird tatsächlich ausgesprochen spezifisch gefragt (hier am werbefrei und ohne Pharmaindustrie im Hintergrund ganz her- Beispiel von Zahnfleischbluten, Abb. 3–8). Die Zahl der Fragen vorragend und auf vorbildliche Weise lösen. Eine dieser Apps ist deutlich grösser, als erwartet, und man wundert sich, wie soll heute vorgestellt werden. detailliert nachgefragt wird. Wenn man eine Frage nicht sicher beantworten kann, werden Beispielbilder gezeigt, auch über- Teil 57 – Ada raschend viele aus den Bereichen Zahnmedizin und orale Er- Ada ist kostenfrei, man muss sich jedoch mit einigen Eckdaten krankungen (Abb. 7). Ganz am Ende kommen dann mögliche registrieren, um die App sinnvoll nutzen zu können. Nach dem Diagnosen (Abb. 9) – und nicht nur das: Es werden auch deut- Start (Abb. 1) wird man zunächst gefragt, ob es um einen selbst liche Hinweise gegeben, wann und ob man einen Arzt aufsu- geht oder um jemand anderen (Abb. 2). Da man eigene Eckda- chen muss oder nicht. Die App weist zudem darauf hin, dass Abb. 1: Ada: Startbildschirm Abb. 2: Ada: Wahlmöglichkeit, ob es Abb. 3: Ada: Eingabe eines Schlag- Abb. 4: Ada: Fragen nach dem Beste- um den Benutzer selbst geht oder worts oder Symptoms hen der Symptomatik jemand anderen SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 129 3 2019 P
ZAHNMEDIZIN AKTUELL 237 Abb. 5: Ada: Frage nach zusätzlichen Abb. 6: Ada: Fragen nach Details der Abb. 7: Ada: … wobei auf Wunsch Beschwerden Symptomatik, … Beispielbilder gezeigt werden. dies keine definitiven medizinischen Diagnosen sein können Zukunft funktionieren könnte. Unbedingt ausprobieren! Eine und dass sie den Arzt nicht ersetzen kann (Abb. 10). der aktuell besten Medizin-Apps auf dem Markt. Der Autor hat diese App mit verschiedenen Symptomen nun mehrfach durchgespielt und muss sagen: Das ist erstaunlich gut gemacht. Das Ganze läuft auf Basis künstlicher Intelligenz und Literatur könnte ein Vorbild sein, wie die medizinische Diagnostik der Filippi A: iPhone- und iPad-Apps für Zahnärzte, Quintessenz-Verlag (2013) Abb. 8: Ada: Zusatzfragen über Abb. 9: Ada: Auflistung möglicher Abb. 10: Ada: Klarer Hinweis, dass mögliche allgemeinmedizinische Diagnosen, wenn alle Fragen beant- dies keinen Arzt ersetzt Ursachen wortet wurden SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 129 3 2019 P
238 ZAHNMEDIZIN AKTUELL MEDIZIN Mit einem neuen Test lassen sich frühzeitig Die Demenz im Blut Hinweise auf Alzheimer finden. Der früher feststellen Test dürfte die Suche nach Medikamenten vereinfachen. Von der Routine ist er aber noch weit entfernt, auch ethische Fragen sind noch nicht geklärt. Text: Dr. Felicitas Witte, Ärztin und Journalistin Grafiken: Emanuele Fucecchi Es ist die Frage, die man sich unweiger- Medicine» beschrieben hat.1 Jucker ist nicht mehr kommunizieren und sterben lich als Angehöriger eines Menschen mit Neurobiologe und Professor am Deut- ab (Abb. 1). Doch auch wenn die For- Alzheimer-Demenz stellt: Wie rasch schen Zentrum für neurodegenerative scher eine Vorstellung vom Krankheits- schreitet die Krankheit voran? Wie Erkrankungen und am Hertie-Institut mechanismus haben, gestaltet sich die schnell wird die Hirnfunktion des ge- für Klinische Hirnforschung an der Uni- Suche nach einem Medikament schwie- liebten Menschen nachlassen? Wie lange versität in Tübingen. «Der Test ist für rig. kommt der Betroffene noch im Alltag die Patienten viel angenehmer als her- «Bei den bisherigen klinischen Studien klar, wann muss er gepflegt werden, wie kömmliche Untersuchungen», sagt er, haben wir vermutlich viel zu spät mit der lange wird er einen erkennen? Und man «und ausserdem ist er einfacher und Behandlung angefangen, nämlich wenn selbst? Wird man irgendwann auch er- preiswerter.» Ihn habe erstaunt, dass er die Hirnleistung bereits nachgelassen kranken? Auf diese Fragen gibt es bisher bei einigen Patienten mehr als 16 Jahre und der Patient schon Symptome hat», keine Antwort. Es gibt auch nach wie vor den ersten Symptomen Hinweise im sagt Giovanni Frisoni, Alzheimerforscher vor keine Therapie, um das Fortschreiten Blut erkennen konnte. «Mit weiteren und Leiter der Memory Clinic am Uni- der Krankheit aufzuhalten. Immer wie- Messungen im Blut konnten wir dann versitätsspital in Genf. «Medikamente der testeten die Wissenschaftler neue ziemlich genau vorhersagen, wie sehr können dann nicht mehr verhindern, Präparate, doch die Studien schlugen die Hirnleistung nachlassen wird.» Noch dass die Demenz immer schlimmer fehl und brachten nicht den erhofften ist der Test aber weit davon entfernt, in wird.» Wichtig wäre es also, Verände- Erfolg. der Routine angewendet zu werden – rungen im Hirn möglichst früh nachzu- Jetzt haben Forscher von der Universität von den ethischen Fragen mal ganz weisen und Medikamente bereits dann Tübingen einen neuen Test entwickelt, abgesehen. zu testen. «Den neuen Bluttest finde ich mit dem sich schon Jahre vor den ersten daher sehr viel versprechend», sagt Fri- Symptomen Veränderungen im Blut Medikamente werden zu spät eingesetzt soni. Die Plaques lassen sich zwar mit nachweisen lassen. «Unser Test wird Alzheimer entsteht – so die gängige Positronenemissionstomografie (PET) die Suche nach einem wirksamen Medi- Hypothese –, weil sich zwei Eiweisse darstellen und Beta-Amyloid und Tau kament voranbringen», sagt Mathias im Gehirn ablagern: Beta-Amyloid und im Liquor nachweisen. «Die PET ist aber Jucker, der den Test mit seinem Team Tau. Durch die Ablagerungen, Plaques teuer, aufwändig und mit einer Strahlen- neulich in der Fachzeitschrift «Nature genannt, können die Nervenzellen belastung verbunden», sagt Frisoni, «und die Liquorpunktion ist für die Patienten unangenehm.» Juckers Test misst Überreste von Neuro- Genetik und Lebensstil spielen eine Rolle filamenten, nämlich die Neurofilament- Leichtketten (Abb. 2). Neurofilamente Bei der häufigsten, sporadischen Alzheimerform haben Gene einen gewissen Einfluss, sind quasi das Skelett der Nervenzellen. aber der Lebensstil spielt auch eine grosse Rolle. Anders bei der autosomal dominant Veränderungen in der Konzentration der vererbten Form (ADAD), die weniger als 1 von 100 Alzheimerpatienten betrifft. Hier Leichtketten in Körperflüssigkeiten wur- spielen Gene die Hauptrolle, mutiert ist dabei eines von drei Genen, PSEN1, APP oder den bei Mäusen mit Hirnschaden und bei PSEN2. Haben Vater oder Mutter ADAD, bekommt man mit einer Wahrscheinlichkeit neurologischen Krankheiten beobachtet. von 50 Prozent auch ADAD. Die Betroffenen erkranken meist zwischen 30 und 50; Es wurde auch festgestellt, dass die Kon- Symptome, weiterer Verlauf und Behandlung sind fast genauso wie bei der «klassi- zentration im Liquor gut mit jener im schen» Form. Blut übereinstimmt. Bisher gab es aber keine Untersuchungen, wie sich die SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 129 3 2019 P
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