Erziehung & Wissenschaft 05/2021 - Neujustierung der beruflichen und akademischen Bildung - GEW

 
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Erziehung & Wissenschaft 05/2021 - Neujustierung der beruflichen und akademischen Bildung - GEW
Erziehung & Wissenschaft        05/2021
Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft GEW

 Viele Wege führen zum Ziel
                   Neujustierung der beruflichen und akademischen Bildung
Erziehung & Wissenschaft 05/2021 - Neujustierung der beruflichen und akademischen Bildung - GEW
2 GASTKOMMENTAR

                                                                            Foto: Volker Wiciok
           UWE ELSHOLZ

              Bildungspolitische Fortschritte
               Bei allen positiven Impulsen, die dem preußischen Gelehrten                        die erleichterte Hochschulzugangsberechtigung für beruflich
               Wilhelm von Humboldt zugeschrieben werden, ist auch ein                            Qualifizierte ohne Abitur ist mit Blick auf die jahrhundertealte
               Erbteil seiner Schriften im deutschen Bildungssystem an-                           Funktion des Abiturs zur Bildungsbegrenzung höchst bemer-
               gelegt, der zu einer Verfestigung von Bildungsungleichheit                         kenswert.
               beigetragen hat. Humboldt plädierte für eine Trennung beruf-                       Schließlich ist der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR)
               licher und allgemeiner Bildung. Auch wenn er nicht die Aus-                        anzuführen, der explizit auch auf eine stärkere Durchlässig-
               grenzung der unteren Bevölkerungsschichten intendiert hat,                         keit zielt. Hier hat die auch von gewerkschaftlicher ­Seite –
               entwickelten sich im 19. Jahrhundert das dreigliedrige Schul-                      oft zu Recht – gescholtene neoliberale Bildungspolitik der
               system und ein vom allgemeinen Schul- und Hochschulsystem                          Europäischen Union (EU) einen nachhaltigen Modernisie-
               getrenntes Berufsbildungssystem. Beides prägt das deutsche                         rungsschub ausgelöst. Der DQR spricht von Gleichwertigkeit
               Bildungssystem bis heute.                                                          der Bildungsarten und ist – auch das ein Traditionsbruch –
               In der Folge konnten frühe Bildungsentscheidungen von                              ­bildungsbereichsübergreifend angelegt.
               Kindern und Jugendlichen nur schwer revidiert werden. Für                           Mit Blick auf die Ziele erhöhter Durchlässigkeit und Gleich-
               Lernende in der beruflichen Bildung, aber auch für Studieren-                       wertigkeit ist zu konstatieren, dass diese bei weitem noch
               de war es sehr mühsam, zwischen den Bildungssektoren zu                             nicht erreicht sind. So hat der DQR deutliche Mängel, besitzt
               wechseln. Anders als in der DDR war in der Bundesrepublik                           keine Rechtsverbindlichkeit und schließt auch explizit erwei-
               mangelnde soziale Durchlässigkeit charakteristisch für das                          terte Zugänge (beispielsweise mit dem Meister zum Master)
               Bildungssystem.                                                                     aus. Dennoch kann das Dokument auch als Ausweis eines
               Trotz einer Vielzahl von Reformanstrengungen vor allem in                           ­bildungspolitischen Fortschritts verstanden werden.
               den 1970er-Jahren blieben die Grundstrukturen des Bildungs-                          Zudem sind mit Blick auf die Themen Anrechnung beruflich
               systems auch im Zuge der deutschen Einheit bis zum Ende des                          erworbener Kompetenzen und Verwirklichung des Hoch-
               20. Jahrhunderts nahezu unverändert. Der Zweite Bildungs-                            schulzugangs für beruflich Qualifizierte noch uneingelöste
               weg wurde zwar eingeführt, blieb jedoch ein Sonderweg.                               Absichten zu beklagen. Eine über Jahrhunderte gewachsene
               Spätestens im Laufe der 2000er-Jahre hat jedoch eine gewis-                          Kultur der Trennung (und Abwertung) beruflicher Bildung
               se Wandlung eingesetzt, die nicht zuletzt mit dem Konzept                            ist eben nicht in kurzer Zeit durch wenige Verordnungen
               des lebenslangen Lernens in Verbindung steht. Ausgerech-                             zu verändern. Das verhindern der Habitus der Akteure und
               net die Hegemonie des Neoliberalismus und ökonomische                                die Tradition der Institutionen. Insofern ist das Glas je nach
               Motive haben zur – zumindest partiellen – Aufweichung der                            Perspektive halb voll oder halb leer. Es jedoch weiter zu füllen
               Trennung zwischen beruflicher und allgemeiner Bildung ge-                            und nicht nachzulassen in der Anstrengung für mehr Gleich-
               führt. Die Wirtschaft brauchte mehr akademisch Ausgebilde-                           wertigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung,
               te, Bildungsbegrenzungen waren volkswirtschaftlich schlicht                          bleibt gewerkschaftliche und gesellschaftliche Aufgabe.
               ineffizient. Zu nennen sind hier (mit öffentlichen Mitteln un-
               terstützte) Anstrengungen um eine verbesserte Anrechnung                           Uwe Elsholz,
               beruflich erworbener Kompetenzen auf ein Hochschulstudi-                           Professor an der Fernuniversität Hagen,
               um; neuerdings im Rahmen des Projekts hrk-modus.de. Auch                           Lerngebiet Lebenslanges Lernen

  Erziehung und Wissenschaft | 05/2021
Erziehung & Wissenschaft 05/2021 - Neujustierung der beruflichen und akademischen Bildung - GEW
INHALT   3

                                                                 Prämie
Inhalt                                                         des Monat
                                                                         s
                                                                     Seite 5
                                                                                             IMPRESSUM
                                                                                             Erziehung und Wissenschaft
                                                                                             Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung · 73. Jg.

                                                                                             Herausgeberin:
                                                                                             Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
                                                                                             im Deutschen Gewerkschaftsbund
                                                                                             Vorsitzende: Marlis Tepe
                                                                                             Redaktionsleiter: Ulf Rödde
Gastkommentar                                                                                Redaktion: Jürgen Amendt
                                                                                             Redaktionsassistentin: Katja Wenzel
Bildungspolitische Fortschritte                                                 Seite 2     Postanschrift der Redaktion:
                                                                                             Reifenberger Straße 21
                                                                                             60489 Frankfurt am Main
                                                                                             Telefon 069 78973-0
Impressum                                                                       Seite 3     Fax 069 78973-202
                                                                                             katja.wenzel@gew.de
                                                                                             www.gew.de
Auf einen Blick                                                                 Seite 4     facebook.com/GEW.DieBildungsgewerkschaft
                                                                                             twitter.com/gew_bund

                                                                                             Redaktionsschluss ist in der Regel
Prämie des Monats                                                               Seite 5     der 7. eines jeden Monats.
                                                                                             Erziehung und Wissenschaft erscheint elfmal jährlich.
                                                                                             Nachdruck, Aufnahme in Onlinedienste und Internet
Schwerpunkt: Neujustierung der beruflichen und akademischen Bildung                          ­sowie Vervielfältigung auf Datenträger der „Erziehung
                                                                                              und Wissenschaft“ auch auszugweise nur nach vorheri-
1. Vom Studienabbruch zur Berufsausbildung: Über Umwege zum Ziel                Seite 6      ger schriftlicher Genehmigung der Redaktion.

2. Neue Berufsfelder für Erzieherinnen und Erzieher: Erst die Arbeit – und dann? Seite 10   Die E&W finden Sie als PDF auf der GEW-Website unter:
                                                                                             www.gew.de/eundw.
3. Berufliche Hochschule Hamburg: Ein Sonderweg mit Erfolgsaussicht             Seite 13    Hier wird die E&W auch archiviert.

                                                                                             Gestaltung:
4. Prof. Andrä Wolter zum Hochschulzugang ohne Abitur: Hohe Hürden               Seite 14   Werbeagentur Zimmermann GmbH
                                                                                             Kurhessenstraße 14
5. Braucht Deutschland mehr Akademikerinnen und Akademiker?                      Seite 16   60431 Frankfurt am Main

                                                                                             Für die Mitglieder ist der Bezugspreis im Mitglieds-
                                                                                             beitrag enthalten. Für Nichtmitglieder beträgt der
Bildungspolitik                                                                              Bezugspreis jährlich Euro 7,20 zuzüglich Euro 11,30
                                                                                             Zustellgebühr inkl. MwSt. Für die Mitglieder der
1. Infektionsschutzgesetz: 165 ist immer noch zu hoch                           Seite 18    Landesverbände Bayern, Berlin, Brandenburg, Hessen,
                                                                                             Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland,
2. Die Kunst des Geschichtenerzählens: Bilder im Kopf entstehen lassen          Seite 30    Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen werden die
                                                                                             jeweiligen Landeszeitungen der E&W beigelegt. Für un-
3. Studiengang Islamische Religionspädagogik: „Das ist eine große Aufgabe“       Seite 32   verlangt eingesandte Manuskripte und Rezensionsexem-
                                                                                             plare wird keine Verantwortung übernommen. Die mit
                                                                                             dem Namen des Verfassers gekennzeichneten Beiträge
                                                                                             stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder
Schule                                                                                       der Herausgeberin dar.

1. Lehrerin und Metal-Fan Caro Blofeld: „Goethe würde Metal hören“               Seite 20   Verlag mit Anzeigenabteilung:
                                                                                             Stamm Verlag GmbH
2. Bundesforum „Bildung in der digitalen Welt“: Konsens jenseits der Union      Seite 22    Goldammerweg 16
                                                                                             45134 Essen
3. GEW-Kommentar von Marlis Tepe: Stotterbremse                                  Seite 27   Verantwortlich für Anzeigen: Mathias Müller
                                                                                             Telefon 0201 84300-0
4. Corona und Personalräte: „Wir müssen die Leute schützen“                     Seite 28    Fax 0201 472590
                                                                                             anzeigen@stamm.de
                                                                                             www.erziehungundwissenschaft.de
                                                                                             gültige Anzeigenpreisliste Nr. 41
Dialog: Zeitschrift für Seniorinnen und Senioren                                Seite 23    vom 01.01.2019,
                                                                                             Anzeigenschluss
                                                                                             ca. am 5. des Vormonats

                                                                                             Nutzungsrechte für digitale Pressespiegel erhalten Sie
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Folgen der Corona-Pandemie für Perus Schulen: Hoffen auf die Impfung            Seite 34
                                                                                             Erfüllungsort und Gerichtsstand: Frankfurt am Main

Gewerkschaftstag 2021
Wahlvorschläge für den Geschäftsführenden Vorstand                               Seite 36
                                                                                             ISSN 0342-0671
                                                                                                                                                       e
Mitgliederforum                                                                  Seite 42   Die E&W wird auf 100 Prozent chlorfrei
                                                                                             gebleichtem Recyclingpapier gedruckt.
                                                                                                                                                    emi
                                                                                                                                                   d
                                                                                                                                                Pan a
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                                                                                                                                          on oro
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                                                                                                                                         r
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                                                                                                                               C
                                                                                                                          s z    .
                                                                                                                       nfo gew
Titel: Werbeagentur Zimmermann
                                                                                                                      I
                                                                                                                  elle w.
                                                                                                                 u
                                                                                                              Ak ww
                                                                                                                t
Erziehung & Wissenschaft 05/2021 - Neujustierung der beruflichen und akademischen Bildung - GEW
4 AUF EINEN BLICK

                Schule und Pandemie                                                                                                             Weiterbildung in der Krise
                Gut ein Jahr dauert die Corona-Pandemie             DDS
                                                                  Beiheft
                                                                      16
                                                                                Die Deutsche Schule
                                                                                Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Bildungspolitik
                                                                                                                                                Mittelständische Firmen haben die Weiterbildungsangebote
                                                                                und pädagogische Praxis

                in Deutschland nun schon. In dieser Zeit ha-                                                                                    für ihre Beschäftigten in der Corona-Krise einer Studie zufolge
                                                                                Herausgegeben von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft

                                                                  Detlef Fickermann, Benjamin Edelstein (Hrsg.)

                                                                  „Langsam vermisse ich die Schule ...“

                ben die Schulschließungen, ihre Wiederöff-                                                                                      zusammengestrichen. Nach einer Mitte April veröffentlichten
                                                                  Schule während und nach der Corona-Pandemie

                nungen und der vielgestaltige Distanz- und                                                                                      Analyse der staatlichen Förderbank KfW reduzierten 38 Pro-
                Wechselunterricht für reichlich Diskussions-                                                                                    zent der kleinen und mittleren Firmen die Weiterbildungsak-
                stoff gesorgt: Was muss geschehen, damit                                                                                        tivitäten für ihre Belegschaft, gut jede zweite davon auf null,
                das Recht auf Bildung der Kinder und Ju-                                                                                        wie aus der Befragung im Rahmen des KfW-Mittelstandspa-
                gendlichen in der Pandemie nicht auf der Strecke bleibt? Was                                                                    nels hervorgeht. Da weitere 29 Prozent im Jahr 2020 unverän-
                bedeutet die Krise für ohnehin schon benachteiligte Schülerin-                                                                  dert keine Fortbildung anboten, lag die Weiterbildung damit
                nen und Schüler? Wie gehen Lehrkräfte, Lernende und Eltern                                                                      bei gut der Hälfte der Mittelständler auf Eis.
                mit der Situation um?                                                                                                           Die Unternehmen seien mehr als zuvor auf Unterstützung bei
                Diesen Fragen widmen sich zwei Beihefte der GEW-Zeitschrift                                                                     der Weiterbildung angewiesen, erläuterte KfW-Chefvolkswir-
                „Die Deutsche Schule – Zeitschrift für Erziehungswissenschaft,                                                                  tin Fritzi Köhler-Geib. Hierzu könnte neben Förderkrediten
                Bildungspolitik und pädagogische Praxis“: „Langsam vermis-                                                                      und Kostenerstattung auch eine steuerliche Förderung von
                se ich die Schule …“ und „Schule während der Pandemie“.                                                                         Weiterbildungsausgaben gehören, regte die Ökonomin an.
                Beide stehen über www.waxmann.com/dds_beiheft_16 bzw.                                                                           Auch die Unternehmen selbst sehen den Angaben zufolge
                www.waxmann.com/dds_beiheft_17 kostenlos zum Down-                                                                              Weiterbildungsbedarf, besonders bei Digitalkompetenzen.
                load bereit.                                                                                                                    Knapp die Hälfte der Mittelständler (46 Prozent) hatte in die-
                                                                                                                                                sem Bereich zu Beginn dieses Jahres mittleren oder großen
                Mehr Studierende ohne Abitur                                                                                                    Bedarf. Das ist den Angaben zufolge inzwischen mehr als bei
                Mit rund 64.000 nutzten im Jahr 2019 so viele Menschen wie                                                                      den berufsfachlichen Kernkompetenzen (44 Prozent) oder
                noch nie in Deutschland die Möglichkeit, über ihre berufli-                                                                     ­jedem anderen Thema.
                che Qualifikation einen Studienplatz zu erhalten. Darunter
                sind zunehmend mehr Frauen. Zu diesem Ergebnis kommt                                                                            Eingliederung Geflüchteter
                das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) in einer aktu-                                                                       Berufseingliederung und Weiterbildung verbessern bei ar-
                ellen Berechnung. Diese Studienanfängerinnen und -anfänger                                                                      beitslosen Geflüchteten die Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
                sind im Schnitt zehn Jahre älter als ihre Kommilitoninnen und                                                                   Das zeigt eine Anfang April veröffentlichte Studie des Instituts
                ­Kommilitonen mit Abitur.                                                                                                       für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. Da-
                 2019 lag die Zahl der Erstsemester ohne Abitur bei 14.700,                                                                     nach hatten Geflüchtete, die an Maßnahmen zur Aktivierung
                 was einem Anteil von 2,9 Prozent an allen Studienanfänge-                                                                      und beruflichen Eingliederung bei einem Arbeitgeber teilnah-
                 rinnen und -anfängern entspricht. Die Zahl der Hochschul-                                                                      men, nach 21 Monaten eine um 20 Prozentpunkte höhere
                 absolventinnen und -absolventen, die über den beruflichen                                                                      Wahrscheinlichkeit, eine Beschäftigung zu bekommen, als
                 Weg ins Studium gelangt sind, betrug 8.500 und hat sich seit                                                                   vergleichbare Geflüchtete ohne diese Maßnahmen. Außer-
                 2013 fast verdoppelt.                                                                                                          dem reduzierten diese die Wahrscheinlichkeit, Grundsiche-
                 Die Situation in den einzelnen Bundesländern ist allerdings im-                                                                rung zu beziehen. „Ein wichtiger Grund dafür dürfte sein, dass
                 mer noch sehr unterschiedlich. Beim Vergleich des jeweiligen                                                                   Maßnahmen bei einem Arbeitgeber einen direkten Kontakt
                 Anteils der Studienanfängerinnen und -anfänger ohne Abitur                                                                     zu einem Betrieb ermöglichen, was Beschäftigungschancen
                 an allen Erstsemestern führt aktuell Hamburg mit 5,3 Prozent,                                                                  nach der Förderung eröffnen kann“, teilte das IAB mit.
                 gefolgt von Thüringen und Bremen mit 4,9 bzw. 4,5 Prozent.
                 Die Schlusslichter bilden Schleswig-Holstein und Baden-Würt-
                 temberg mit jeweils rund 1,4 Prozent sowie das Saarland mit                                                                       Hinweis
                 einer Quote von 1,3 Prozent. Ein deutlicher Aufwärtstrend ist                                                                     Vom 9. bis zum 11. Juni fin-
                 dagegen in Brandenburg und Thüringen zu beobachten, die                                                                           det in Leipzig der 29. ordent-
                 sich im Ländervergleich gegenüber dem Vorjahr um vier bzw.                                                                        liche Gewerkschaftstag der
                 sogar sieben Plätze verbessert haben (siehe dazu auch den                                                                         GEW statt, der erste in der
                 Schwerpunkt in dieser E&W-Ausgabe, Seiten 6 bis 17).                                                                              Geschichte der Bildungsge-
                                                                                                                                                   werkschaft im Online-For-
                                                                                                                                                   mat. Alle wichtigen Infos zum Ablauf, zu Anträgen und
                   Korrektur                                                                                                                       Abstimmungen finden sich auf www.gew.de/gewtag21
                   In dem Interview „Impfstoff für alle“ (E&W 4/2021,
                   S. 34 f.) mit der Politikwissenschaftlerin Anne Jung                                                                            In eigener Sache
                   von der Organisation medico international wurde ver-                                                                            Die Drucklegung dieser Ausgabe der E&W erfolgte am
                   sehentlich der Name des Interviewers mit Ansgar Jung                                                                            23. April 2021. Aktuelle Entwicklungen hinsichtlich der
                   angegeben, er heißt jedoch Ansgar ­Warner. Wir bitten,                                                                          Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie
                   den Fehler zu entschuldigen.                                                                                                    konnten daher nicht mehr berücksichtigt werden.

   Erziehung und Wissenschaft | 05/2021
Erziehung & Wissenschaft 05/2021 - Neujustierung der beruflichen und akademischen Bildung - GEW
Mitmachen lohnt sich ...
         ... für jedes neu geworbene GEW-Mitglied erwartet Sie eine Bentobox Himeji.*

                                                      Prämie des Monats Mai:
                                                      Bentobox Himeji
                                                      Schick und umweltbewusst: Mit dieser Bentobox können Speisen sicher und praktisch transportiert
                                                      werden. Der Bambusdeckel – mit GEW-Logo-Gravur – kann als Schneidebrett verwendet werden.
                                                      Geeignet für Geschirrspüler, Gefrierschrank und Mikrowelle.

         Neues Mitglied werben und Prämie online anfordern
         www.gew.de/praemienwerbung                                                                                                                            *Dieses Angebot gilt nicht für Mitglieder
                                                                                                                                                                 des GEW-Landesverbandes Niedersachsen.

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                                                                                                                                                                                                            E&W-Prämie des Monats Mai 2021/Bentobox Himeji
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Erziehung & Wissenschaft 05/2021 - Neujustierung der beruflichen und akademischen Bildung - GEW
6 NEUJUSTIERUNG DER BERUFLICHEN UND AKADEMISCHEN BILDUNG

              Über Umwege zum Ziel
               // Falsche Erwartungen, man-                Doch dann stellte sie fest, dass sie von                           sonaldienstleistungskauffrau ausbilden
               gelnde Erfolge, vermisste Praxis-           Semester zu Semester immer stärker                                 lässt. „Ich habe gefunden, was mich
               bezüge: Es gibt viele Gründe,               mit der Theorie haderte. Während ei-                               erfüllt und mir Spaß macht“, sagt sie
               ein Studium abzubrechen.                    nes Praxissemesters erlebte sie, wie viel                          heute. „Manchmal muss man Umwege
               Manchmal ist eine Ausbildung                Spaß ihr die Arbeit im Personalwesen                               gehen, um zum Ziel zu kommen.“ Mo-
               die ­bessere Lösung für ein                 macht, gleichzeitig fiel sie auch noch                             mentan will sie zuerst die Ausbildung
               zufriedenes Berufsleben, wie die            durch eine Prüfung.                                                abschließen und dann, mit dem beruhi-
               folgenden Beispiele zeigen. //              Plötzlich waren die inneren Zweifel                                genden Berufsabschluss in der Tasche,
                                                           nicht mehr zu überhören. „Aber sich                                auch noch ihr Studium beenden.
               Für Kim Klochinski war immer klar, dass     selbst einzugestehen, nicht glücklich zu
               sie nach dem Abitur studieren würde.        sein und es nicht geschafft zu haben, ist                          Programm mit Vorbildcharakter
               „An eine Ausbildung habe ich gar nicht      ein schwieriger Schritt“, meint Klochin-                           Der Wissenschaftsrat hat schon 2014
               gedacht“, erzählt sie. „Vielleicht deswe-   ski. In dieser Phase fand sie eine Rund-                           empfohlen, für die zukünftige Versor-
               gen, weil es Trend war, nach dem Abi        mail vom Career Service Center (CSC)                               gung der Gesellschaft mit Fachkräften
               ein Studium zu beginnen. Das haben          der Hochschule in ihrem Postfach, in                               eine „funktionale Balance zwischen be-
               alle so gemacht.“ Ein Fach, das sie inte-   der ein neues Programm mit dem Titel                               ruflicher und akademischer Bildung“ her-
               ressiert, war schnell gefunden. Schon       „Land in Sicht“ vorgestellt wurde. Es                              zustellen und dafür auch vielfältige Über-
               im Biologie-Leistungskurs hatte sie es      stellt eine Sonderform des Dualen Stu-                             gangsmöglichkeiten in beide Richtungen
               immer spannend gefunden, sich mit Le-       diums dar und bietet allen Bremerhave-                             zu schaffen (siehe S. 10 ff.). Eine solche
               bensmitteln zu beschäftigen – weil die      ner Studierenden der Bachelorstudien-                              Übergangsmöglichkeit stellt die Hoch-
               täglich gebraucht werden und weil es        gänge die Möglichkeit, ihr Studium mit                             schule Bremerhaven mit „Land in Sicht“
               sich um eine zukunftsorientierte Bran-      einer beruflichen Ausbildung zu kombi-                             bereit – und sieht sich damit bundesweit
               che handelt. Also schrieb sie sich an       nieren. Für die gebürtige Bremerin ein                             als Vorreiterin. „Unseres Wissens bietet
               der Hochschule Bremerhaven für den          Glücksfall: „Es war extrem hilfreich, mit                          keine andere Hochschule ein Rückkehr-
               Studiengang Lebensmitteltechnologie/        meinen Gedanken nicht mehr allein zu                               recht für Studierende an, die mehrere
               Lebensmittelwirtschaft ein. Der Start       sein und eine qualifizierte Beratung und                           Jahre unterbrechen, um zunächst eine
               war auch durchaus vielversprechend:         Unterstützung zu bekommen.“                                        Ausbildung zu machen“, berichtet Profes-
               „Ich hatte ursprünglich ein sehr gutes      Mit Hilfe des CSC fand sie eine Lehr-                              sor Gerhard Feldmeier, ehemaliger Kon-
               Gefühl, die Vorbereitungskurse sind gut     stelle bei einem Personalvermittlungs-                             rektor und Initiator des Programms. Aus-
               gelaufen“, erinnert sich die 25-Jährige.    unternehmen, wo sie sich nun zur Per-                              löser sei die Erkenntnis gewesen, dass es
                                                                                                                              gerade in den MINT-Studienfächern (Ma-
                                                                                                                              thematik, Informatik, Naturwissenschaf-
                                                                                                                              ten, Technik) Abbrecherquoten von zum
                                                                                                                              Teil mehr als 50 Prozent gegeben habe.
                                                                                                                              „Da haben wir nach Möglichkeiten ge-
                                                                                                                              sucht, solchen Studienzweiflern Brücken
                                                                                                                              in die Ausbildung zu bauen – über die sie
                                                                                                                              dann später auch wieder zurückkommen
                                                                                                                              und ihr Studium beenden können.“
                                                                                                                              Um das möglich zu machen, wurde ei-
                                                                                                                              gens die Immatrikulationsordnung der
                                                                                                                              Hochschule geändert. Mit Unterstüt-
                                                                                                                              zung der Arbeitsagentur und der ört-
                                                                                                                              lichen Industrie- und Handelskammer
                                                                                                                              entstand ein Netzwerk von Partnern,

                                                                                                                              Kim Klochinski war in ihrem Studium der
                                                                                                   Foto: PENSUM Bremen GmbH

                                                                                                                              Lebensmitteltechnologie unglücklich.
                                                                                                                              Mit Hilfe ihrer Hochschule fand sie eine
                                                                                                                              Ausbildungsstelle als Personaldienst-
                                                                                                                              leistungskauffrau. Nach dem Berufsab-
                                                                                                                              schluss will sie ihr Studium beenden.

  Erziehung und Wissenschaft | 05/2021
Erziehung & Wissenschaft 05/2021 - Neujustierung der beruflichen und akademischen Bildung - GEW
NEUJUSTIERUNG DER BERUF LICHEN UND AKADEMISCHEN BILDUNG                                                                      7

über das das CSC bei Bedarf direkten          Berufsausbildung. Nicht wenige haben
Kontakt zu ausbildungswilligen Betrie-        darüber hinaus schon vor Aufnahme des
ben herstellen kann. Die Rückmeldun-          Studiums einen Berufsabschluss erwor-
gen aus den Unternehmen seien durch-          ben. Bei lediglich 9 Prozent zeichnen sich
weg positiv, sagt Feldmeier. „Gegenüber       zweieinhalb Jahre nach der Exmatrikula-
jungen Leuten, die gerade aus der Schule      tion noch keine klaren Tätigkeitsabsich-
kommen, haben die Studierenden deut-          ten ab: Sie wechseln häufig den Job oder
liche Vorteile. Sie verfügen über mehr        sind arbeitslos. „Das sind dann diejeni-
Lebenserfahrung und haben bei uns             gen, die eine intensivere Unterstützung
schon gelernt, systematisch und zielori-      brauchen als die bisher angebotenen
entiert zu arbeiten.“ Für die Studieren-      Instrumente“, meint Heub­lein. Ein Pro-
den wiederum sei es sehr motivierend,         blem sei, dass sich viele Studienabbre-
dass sie keine Studienabbrecher seien,        cherinnen und -abbrecher noch immer
sondern lediglich temporäre Studien-          stigmatisiert fühlen. „Dabei ist es doch
unterbrecher. Wie viele von ihnen spä-        wünschenswert, dass man sich in jeder
ter tatsächlich noch ihren Abschluss an       Bildungsphase fragt, ob man auf dem
der Hochschule machen werden, lässt           richtigen Weg ist – und sich im Zweifel
sich derzeit nicht sagen, da das Projekt      auch neu orientieren kann.“ Mit Blick
erst seit zwei Jahren läuft. „Aber die, die   auf die zu fördernde Durchlässigkeit zwi-
nicht wiederkommen, hätten wir auch           schen akademischer und beruflicher Bil-
ohne das Programm verloren“, ist Feld-        dung habe es in den vergangenen Jahren
meier überzeugt. „Und wenn wir damit          eine Reihe Programme und Initiativen
einen Beitrag zur Bekämpfung des Fach-        gegeben, die auf einen unkomplizier-
kräftemangels leisten und junge Leute in      ten Übergang von der beruflichen in die
der Region behalten, haben wir schon          hochschulische Bildung abzielten. Der
Gutes getan.“                                 umgekehrte Weg rücke erst jetzt zuneh-
                                              mend in den Fokus des bildungspoliti-
Knapp 30 Prozent brechen ab                   schen Interesses. „Da bleibt auch bei der
Insgesamt fast 30 Prozent der Bachelor-       Mentalität derjenigen, die ihr Studium
studierenden eines Jahrgangs brechen          abbrechen, noch einiges zu tun“, sagt
ihr Studium ab: Das geht aus aktuellen        der Bildungsforscher. „Es ist immer noch
Berechnungen des Deutschen Zentrums           so, dass viele eine Berufsausbildung
für Hochschul- und Wissenschaftsfor-          nicht für gleichwertig halten.“
schung (DZHW) hervor. Besonders hoch          Zu diesen gehörte auch Leon Seibert.
sind die Abbruchquoten demnach an             Obwohl der 24-Jährige aus Klingenberg
den Universitäten in den Geisteswis-          am Main sich schon immer handwerklich
senschaften sowie in Mathematik und           interessierte, war für ihn nach dem Abi-
Naturwissenschaften. An den Fach-             tur ein Studium die logische Konsequenz.
hochschulen finden sich neben Mathe-          „Am Gymnasium kam das Thema Ausbil-
matik und Naturwissenschaften auch            dung in der Berufsorientierung praktisch
die Ingenieurwissenschaften ganz oben         nicht vor“, erzählt er, „und auch meine
in der Statistik. „Es gibt eine ganze Reihe   Eltern wollten gerne, dass ich studiere.“
Ursachen, die zum Abbruch eines Studi-        Da er in der Schule immer gut in Englisch
ums führen“, erläutert Ulrich Heub­lein,      war, schrieb er sich kurzerhand an der
der sich am DZHW mit dem Themen-              Uni Würzburg für Englisch auf Lehramt
schwerpunkt Studienabbruch beschäf-           ein – aber schon nach drei Semestern
tigt. Als subjektive Gründe würden am         hatte er jeglichen Spaß verloren und
häufigsten zu hohe Leistungsanforde-          besuchte keine Vorlesungen mehr. „Das
                                                                                           Foto: Christoph Boeckheler

rungen sowie Motivationsprobleme              war mir alles zu theoretisch, und ich
wegen zu geringer Identifizierung mit         habe mich auch nicht wirklich als Lehrer
dem gewählten Fach genannt, berichtet         gesehen.“ So beschloss er, das Studium
der Wissenschaftler. „Viele stellen auch      abzubrechen und über die Arbeitsagen-
fest, dass ein akademischer Bildungs-         tur eine berufsvorbereitende Maßnah-
weg nicht das Richtige für sie ist und sie    me zu beginnen. Als er ein Praktikum                                      Leon Seibert war schon immer handwerklich interes-
lieber praktisch arbeiten wollen.“            bei einem technischen Modellbauer                                         siert. Dennoch wollte er zunächst Lehrer werden. Die
Rund zwei Drittel derer, die ihr Studium      machte, wurde ihm klar: Das ist genau                                     Entscheidung, in einen Handwerksberuf zu wechseln,
abbrechen, starten anschließend eine          das Richtige. Seibert begann in >>>                                       hat der angehende Modellbauer nicht bereut.

                                                                                                                                        Erziehung und Wissenschaft | 05/2021
Erziehung & Wissenschaft 05/2021 - Neujustierung der beruflichen und akademischen Bildung - GEW
8 NEUJUSTIERUNG DER BERUFLICHEN UN D AKADEMISCHEN BILDUNG

           >>>                                                                         >>> dem Betrieb eine Ausbildung und         liche und finanzielle Belastungen, da er
                                                                                       steht seither morgens wieder gerne und      wegen der großen Entfernungen Woh-
                                                                                       motiviert auf: „Jedes Projekt braucht       nungen in seinem Heimat-, seinem Ar-
                                                                                       eine neue Lösung, das ist einfach ab-       beits- und seinem Studienort brauchte.
                                                                                       wechslungsreich und macht viel Spaß.“       „Da habe ich schon am Ende des ersten
                                                                                       Ende vorigen Jahres musste sein Chef        Semesters gemerkt: Das wird nichts.“
                                                                                       aufgrund der Folgen der Corona-Krise        Weis kündigte seinen Vertrag, exmatri-
                                                                                       Insolvenz anmelden, doch der 24-Jährige     kulierte sich und überlegte, sich statt-
                                                                                       fand mit Unterstützung der Handwerks-       dessen für BWL einzuschreiben. „Davon
                                                                                       kammer für Unterfranken einen ande-         war ich aber auch nicht wirklich über-
                                                                                       ren Betrieb, bei dem er seine Ausbildung    zeugt, und darum habe ich schließlich
                                                                                       nun fortsetzt.                              entschieden: Ich mache lieber eine Aus-
                                                                                                                                   bildung, dann habe ich schon mal einen
                                                                                       Wissen, was wichtig ist                     Abschluss sicher.“ Seine Eltern betrei-
                                                                                       Die Handwerkskammer hat Erfahrung           ben eine eigene Bäckerei, und doch hat-
                                                                                       mit jungen Menschen, die ihr Studium        te er bis zu diesem Zeitpunkt noch nie
                                                                                       abgebrochen haben oder darüber nach-        darüber nachgedacht, sich zum Bäcker
                                                                                       denken. 2012 startete sie ein mit öffent-   ausbilden zu lassen. Obwohl er immer
                                                                                       lichen Mitteln gefördertes Pilotprojekt     gerne in der Backstube mitgeholfen
                                                                                       mit dem Titel „Karriereprogramm Hand-       habe, wie er sagt: „Aber ich habe die
                                                                                       werk“, das sich mittlerweile in der Bera-   gesellschaftliche Erwartung gespürt,
                                                                                       tungsarbeit verstetigt hat und zahlreiche   dass man studieren sollte, wenn man
                                                                                       Nachahmer im gesamten Bundesgebiet          schon das Abitur gemacht hat.“ Durch
                                                                                       fand. „Die Situation war schon damals so,   eigene Recherchen stieß er auf das
                                                                                       dass es eine hohe Zahl Studienabbrecher     Programm der Handwerkskammer für
                                                                                       mit vielen Kompetenzen gab, während         Unterfranken und war froh, hier eine
                                                                                       unsere Mitgliedsbetriebe händeringend       Karriereberaterin an die Seite gestellt
                                                                                       nach Fach- und Führungskräften such-        zu bekommen, die ihm bei der Ausbil-
                                                                                       ten“, erläutert Andrea Sitzmann, Leiterin   dungsplatzsuche half und auch sonst
                                                                                       des Geschäftsbereichs Berufsbildung.        mit Rat und Tat für ihn da war. Inzwi-
                                                                                       „Da haben wir überlegt, wie wir die bei-    schen ist Weis Bäckermeister und un-
                                                                                       den Seiten zusammenbringen können.“         terrichtet als Fachlehrer an der Berufs-
                                                                                       In den ersten sechs Jahren habe man         schule. „Das ist der perfekte Job, den
                                                                                       rund 100 Ex-Studierende aus allen mög-      ich immer gesucht habe – ohne dass
                                                                                       lichen Studienbereichen erfolgreich in      ich es vorher gewusst hätte“, erzählt er.
                                                                                       eine handwerkliche Ausbildung vermit-       Die Dinge hätten sich glücklich gefügt.
                                                                                       telt, berichtet Sitzmann. Dabei bewähre     Die damaligen Verlockungen des Geldes
                                                                                       sich, die Teilnehmenden an die Hand zu      bewertet er heute anders: „Menschen
                                                                                       nehmen und sie in der Phase der Neu-        sind erfolgreicher, wenn sie etwas ma-
                                                                                       orientierung und auch darüber hinaus zu     chen, was sie gerne tun und was sie
                                                                                       begleiten.                                  nachhaltig zufrieden macht.“ Seinen
                                                                                       Jan Weis war in der Anfangszeit einer       Umweg bereue er nicht, im Gegenteil.
                                                                                       der ersten Teilnehmer des „Karriere-        „Manchmal hat man das Ziel am An-
                                                                                       programms Handwerk“. Der heute              fang vielleicht noch nicht so genau vor
                                                                                       27-jährige Unterfranke hatte schon in       Augen. Durch meinen Weg ist mir klar-
                                                                                       der 12. Klasse bei einem großen Auto-       geworden, was mir wirklich wichtig ist.“
                                                                                       zulieferer einen Vertrag für ein duales
                                                          Foto: Christoph Boeckheler

                                                                                       Studium im Bereich Wirtschaftsinge-         Anne-Katrin Wehrmann,
                                                                                       nieurwesen unterschrieben. „Ich habe        freie Journalistin
                                                                                       das damals etwas blauäugig entschie-
                                                                                       den, weil ich möglichst viel Geld ver-
                                                                                       dienen wollte“, räumt er rückblickend       Programm „Land in Sicht“
Jan Weis kommt aus einer Bäckerfamilie. Nach der Schule                                ein. Im Fach Wirtschaft habe er immer       der Hochschule Bremerhaven:
wollte er möglichst bald viel Geld verdienen und begann                                gute Schulnoten gehabt – er habe aber       bit.ly/hsbhv-land-in-sicht
ein duales Studium des Wirtschaftsingenieurwesens,                                     verdrängt, dass er schlecht in Mathe ge-    „Karriereprogramm Handwerk“ der
das er aber nach einigen Semestern abbrach. Heute ist                                  wesen sei. „Und das ist mir dann auf die    Handwerkskammer für Unterfranken:
er Bäcker­meister und Fachlehrer an einer Berufsschule.                                Füße gefallen.“ Hinzu kamen große zeit-     bit.ly/hwk-ufr-karriere-handwerk

   Erziehung und Wissenschaft | 05/2021
Erziehung & Wissenschaft 05/2021 - Neujustierung der beruflichen und akademischen Bildung - GEW
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 Erziehung und Wissenschaft
Erziehung & Wissenschaft 05/2021 - Neujustierung der beruflichen und akademischen Bildung - GEW
10 NEUJUSTIERUNG DER BERUFLICHEN UND AKADEMISCHEN BILDUNG

                Erst die Arbeit – und dann?
                 // Ein Leben lang im erlernten              Günthers Kommilitone Heiko Praetz stu-
                 Ausbildungsberuf zu arbeiten,               diert im vierten Semester in Lüneburg
                 ist nicht immer erfüllend. In               und arbeitet als stellvertretender Leiter
                 Lüneburg bietet ein Studiengang             im Bereich Obdach und Asyl bei einer Ge-
                 Erzieherinnen und Erziehern die             meindediakonie. Fachliches und rechtli-
                 Möglichkeit, sich neben ihrem               ches Hintergrundwissen der Sozialen
                 Job für neue Berufsfelder zu                Arbeit werde im Studium unglaublich
                 qualifizieren. Die akademische              gut und qualitativ hochwertig vermit-
                 Bildung im Bereich der Sozialen             telt, so Praetz. Ein Beispiel: „Menschen
                 Arbeit ist für viele gerade des-            im Asylbewerberleistungsbezug haben
                 halb bereichernd, weil sie von              Anspruch auf Dolmetscherkosten für
                 ihren beruflichen Fähigkeiten               Therapiebehandlungen, sobald sie aber
                 profitieren. Ein Studium mitten             in den Rechtsbereich Sozialgesetzbuch
                 im Arbeitsleben zu meistern,                (SGB) II wechseln, entfällt dieser. Das
                 ist eine Herausforderung. Drei              heißt, Therapien müssen abgebrochen
                 Studierende berichten. //                   werden, weil keine Sprachvermittlung
                                                             mehr da ist. Ein Riesendilemma!“, be-
                 Gut zwei Jahrzehnte hat Manja Günther       richtet Praetz aus seinem Arbeitsalltag.
                 als ausgebildete Erzieherin gearbeitet,     Für diese Lücke im System bekomme er
                 davon 15 Jahre als stellvertretende Lei-    im Studium Werkzeuge an die Hand, um
                 terin einer Kindestagesstätte. Eigentlich   etwa einstweiligen Rechtsschutz beim
                 wollte sie gern ganz in die Leitungsar-     Sozialgericht zu erwirken oder Kla-
                 beit wechseln. „Aber mein Familienle-       geverfahren einzuleiten.
                 ben nahm mich zu sehr in Beschlag“,
                 sagt die 48-Jährige. Ihr zweiter Sohn       Kein leichter Spagat
                 kam vor 18 Jahren mit einer Behin-          Als Jugendlicher schlug Praetz
                 derung zur Welt. Mittlerweile wohne         seinen beruflichen Weg zu-
                 er in einem Internat, und der Größe-        nächst ins Zimmererhandwerk
                 re studiere, so Günther. Nun habe sie       ein, aber ein Sportunfall zwang ihn
                 Zeit, sich in ihrem eigenen Berufsleben     zum Umdenken. Er schnupperte in die
                 nochmal weiterzuentwickeln – „be-           Jugendarbeit hinein, fand Gefallen da­
                 vor ich 50 werde“, sagt sie und lacht.      ran und machte eine zweite Ausbildung        Coronabedingt läuft das Studium online,
                 Durch eine Freundin wurde sie auf das       zum Erzieher, mit der er gleichzeitig die    „aber besser als gedacht“, berichtet
                 berufsbegleitende Studium „Soziale Ar-      Fachhochschulreife erlangte. Heute lebt      Manja Günther. Die gelernte Erzieherin
                 beit für Erzieherinnen und Erzieher“ an     Praetz mit seiner Frau und seiner acht-      will sich durch das berufsbegleitende
                 der Leuphana Universität in Lüneburg        jährigen Tochter in Lübeck. Damit der        Studium „Soziale Arbeit für Erzieherin-
                 aufmerksam und bewarb sich. Dort            44-Jährige das Studium neben der Fa-         nen und Erzieher“ neu orientieren.
                 studiert sie nun im zweiten Semester.       milie und seinem Vollzeitjob absolvie-
                 „Coronabedingt online, aber das läuft       ren kann, hat sein Arbeitgeber ihn für
                 besser als gedacht“, berichtet die Erzie-   die Präsenzveranstaltungen freigestellt.     und Positionen der Sozialen Arbeit be-
                 herin. Ihre Kommilitoninnen und Kom-        Dennoch fällt ihm der Spagat nicht leicht:   rufstätig zu sein. „Wer darüber hinaus
                 militonen seien hochmotiviert bei der       „Man muss gut strukturiert sein und          hoheitliche Aufgaben übernehmen und
                 Sache, das sei schon daran zu spüren,       einen Plan für sich haben – ohne den         zum Beispiel bei Jugendämtern oder in
                 wie interessiert die Vorlesungsthemen       schafft man das nicht!“ Praetz motiviert     der Jugendgerichtshilfe arbeiten will
                 diskutiert würden, meint Günther. Ge-       sein konkretes berufliches Ziel: Er wolle    und eine Eingruppierung in den gehobe-
                 rade beschäftige sie sich mit rassismus-    seine fachlichen Fähigkeiten professiona-    nen Dienst anstrebt, muss in der Regel
                 kritischer Sozialarbeit. „Das finde ich     lisieren, um Missstände besser aufzeigen     die staatliche Anerkennung als Sozial-
                 für meine Arbeit jetzt total wichtig und    und mehr Bewegung in arbeitsbedingte         arbeiter oder Sozialarbeiterin nachwei-
                 rede mit meinen Kolleginnen und Kolle-      Themen mit dem Schwerpunkt soziale           sen“, sagt Studiengangsleiterin Angelika
                 gen da­rüber, weil ich möchte, dass sich    Gerechtigkeit hineinbringen zu können.       Henschel. Das bereits in der Erzieheraus-
                 da was ändert“, berichtet die Erziehe-      Das Studium, das mit dem Bachelor ab-        bildung absolvierte Anerkennungsjahr
                 rin, die 15 Stunden pro Woche in einer      geschlossen wird, qualifiziert die Absol-    reiche hierfür nicht aus, so die Professo-
                 Hamburger Grundschule arbeitet.             venten dazu, in verschiedenen Feldern        rin. Sie lege den Studierenden nahe, die

    Erziehung und Wissenschaft | 05/2021
NEUJUSTIERUNG DER BERUFLICHEN UND AKADEMISCHEN BILDUNG                                         11

staatliche Anerkennung nach dem Stu-                                Zum Lehrplan gehören außerdem öko-         drei Jahren Berufserfahrung werden
dium durch ein entsprechendes Berufs-                               nomische und politische Bedingungen        aufgrund ihrer beruflichen Qualifikati-
praktikum, das vergütet werden muss,                                Sozialer Arbeit, methodisches Handeln      on zwei Semester pauschal anerkannt.
zu erlangen. In einigen Bundesländern                               oder soziologische, sozialpädagogische     Das heißt, sie können ihr Studium in
sei diese Anerkennung durch Praxispha-                              und -medizinische Aspekte der Sozi-        sieben statt neun Semestern absolvie-
sen in das Studium integriert, für die die                          alen Arbeit. Besonders hilfreich fand      ren und müssen lediglich 140 der 180
Studierenden aber nicht bezahlt wür-                                Stankowski, dass durch Lehrende und        Credit Points (CP) erbringen, die für ein
den, so Henschel weiter. Im niedersäch-                             Studierende aus der Praxis ganz un-        Bachelorstudium üblicherweise vorge-
sischen Lüneburg kann die staatliche                                terschiedlich auf Themen geschaut          schrieben sind. Darüber hinaus können
Anerkennung auch zu einem späteren                                  werden konnte. „Das kam immer be-          beispielsweise absolvierte Fortbildun-
Zeitpunkt erfolgen. Das heißt, innerhalb                            sonders zum Tragen, wenn wir in der        gen oder ehrenamtliches Engagement
von fünf Jahren nach Studienende muss                               Gruppe gearbeitet haben.“                  individuell anerkannt werden.
dafür ein entsprechendes zwölfmona-                                 Das Studium neben dem Beruf zu meis-       Berufsbegleitend zu studieren, heißt
tiges Berufspraktikum absolviert wer-                               tern, ist dennoch eine Herausforde-        in Lüneburg einmal pro Monat Freitag
den. Nicht alle Studierenden sehen sich                             rung. „Wenn ich Kinder zu versorgen        und Samstag Präsenzveranstaltungen
finanziell dazu in der Lage, ihre Existenz                          hätte, könnte ich das so nicht packen“,    zu besuchen. Darüber hinaus finden
ein Jahr lang von einer Praktikantenver-                            sagt Stankowski, die aufgrund ihrer Ar-    drei Präsenzwochen statt, die als Bil-
gütung zu sichern. „Bei entsprechender                              beitssituation in Vollzeit weiterarbei-    dungsurlaubswochen geltend gemacht
Qualifizierung durch Berufserfahrung                                ten musste. Finanzieren konnte sie das     werden können. Um das Studium in der
im Feld der Sozialarbeit können sie das                             Studium mit einem Aufstiegsstipendi-       Regelstudienzeit zu schaffen, wird den
Anerkennungsjahr verkürzen“, hält die                               um des Bundes. Die 2008 eingeführte        Studierenden empfohlen, währenddes-
Professorin dagegen.                                                Förderung erfolgt einkommensunab-          sen in Teilzeit zu arbeiten. Insgesamt sei
                                                                    hängig – Studierende in einem berufs-      der Stundenaufwand durch die Struktur
Großer Fachkräftemangel                                             begleitenden Studiengang erhalten          mit Credit Points gut kalkulierbar, meint
„Das Praktikantengehalt lässt sich auch                             jährlich 2.700 Euro für die gesamte Dau-   Studiengangsleiterin Henschel. Zur Fi-
verhandeln“, sagt Antje Stankowski.                                 er. Damit kann Stankowski ihre Studien-    nanzierung empfiehlt sie, sich für ein
Sie studiert im letzten Semester an der                             gebühren bezahlen: Pro Semester fallen     Stipendium zu bewerben. In manchen
Leuphana Universität und weist auf                                  1.160 Euro an, hinzu kommen Semes-         Fällen würden auch Arbeitgeber das
den Fachkräftemangel im Bereich der                                 terbeiträge von jeweils rund 200 Euro.     Studium finanziell unterstützen, so Hen-
Sozialen Arbeit hin, der einen guten                                Den staatlich anerkannten Erziehe-         schel. Die meisten Studierenden zahlen
Verhandlungsspielraum ermögliche.                                   rinnen und Erziehern mit mindestens        das Studium aber aus eigener Tasche. „Es     >>>
Sie möchte das Berufspraktikum nut-
zen, um in einem neuen Arbeitsbereich
Fuß zu fassen. Seit April 2019 leitet die
Erzieherin eine Montessori-Kita in Lü-
neburg. Dort könne sie das Praktikum
für die staatliche Anerkennung nicht
machen, weil es niemanden mit ent-
sprechender sozialpädagogischer Qua-
lifikation gebe, der sie anleiten könne.
Das sieht die 38-Jährige als Chance:
„Nach der Ausbildung habe ich bereits
gewusst, dass ich zwischen verschie-
denen Berufsfeldern wechseln möch-
te.“ Mit 27 hat Stankowski ihre Aus-
bildung zur Erzieherin abgeschlossen
und danach neun Jahre lang im Krip-
penbereich gearbeitet. Schon vor ihrer
Ausbildung habe sie über ein Studium
nachgedacht. „Ich hatte immer den
Wunsch, mein Wissen zu vertiefen und
                                             Fotos: Frauke Janßen

habe deshalb bereits verschiedene
Weiterbildungen gemacht.“ Auch die
Inhalte des Studiengangs empfindet
sie als großen Zugewinn – zum Beispiel
entwicklungspsychologische Themen                                   Heiko Praetz kam auf Umwegen in den sozialen Bereich. Ein Sportunfall zwang den gelernten
wie das der Lernpsychologie.                                        ­Zimmermann zur Umschulung zum Erzieher. Jetzt studiert er im vierten Semester in Lüneburg.

                                                                                                                                Erziehung und Wissenschaft | 05/2021
12 NEUJUSTIERUNG DER BERUFLICHEN UND AKADEMISCHEN BILDUNG

           >>>   wäre begrüßenswert, die Unterstützung        verbessern, hat der Wissenschaftsrat                           notwendig.“ Zusammengefasst bedeu-
                 auszubauen“, sagt die Professorin und        2014 eine Empfehlung herausgegeben.                            te das: Wie können Universitäten Stu-
                 führt aus: „Ich halte Aufstiegsqualifizie-   „Sie war als ein Appell dahingehend                            diengänge für Menschen attraktiv ma-
                 rung insbesondere in typischen Frauen-       gemeint, dass es durchlässige Karrie-                          chen, die nicht das Abitur haben?
                 berufen aus Gleichstellungsaspekten für      rewege braucht, das heißt, dass der
                 enorm wichtig: Unsere Gesellschaft ist       Wechsel von einer Seite zur anderen                            Niedrige Abbrecherquote
                 nicht nur zunehmend durch Individuali-       selbstverständlich sein sollte“, erläutert                     Für den Studiengang in Lüneburg wurde
                 sierung und Pluralisierung von Lebens-       Manfred Prenzel, Leiter des Zentrums                           beispielsweise zusätzlich ein Brücken-
                 stilen gekennzeichnet, sondern auch          für Lehrerinnen- und Lehrerbildung an                          kurs entwickelt, der nun auch Menschen
                 durch einen sich ständig verändernden        der Universität Wien. Der Professor hat                        aus anderen Berufszweigen wie Ergo-
                 Wissenszuwachs in der Arbeit in ver-         die Empfehlung mit herausgegeben und                           therapeutinnen, Sozialassistenten oder
                 schiedensten Sektoren. Gleichzeitig trifft   den Wissenschaftsrat zwischen 2014                             Heilerziehungspflegerinnen einen Hoch-
                 der demografische Wandel den Bereich         und 2017 geleitet. Auch wenn sich die                          schulzugang ermöglichen soll. So können
                 der Sozialen Arbeit besonders massiv,        Durchlässigkeit sehr verbessert habe,                          die Teilnehmenden nicht nur heraus-
                 was einen großen Fachkräftemangel zur        müsse transparenter gemacht werden,                            finden, ob sie sich dem akademischen
                 Folge hat. Schon um dem entgegenzu-          was ein Studium für Berufstätige be-                           Studium gewachsen fühlen, sondern
                 wirken, muss es Menschen ermöglicht          deute, so Prenzel. Er macht deutlich:                          zugleich eine Zugangsberechtigung er-
                 werden, sich durch einen akademischen        „Universitäten sollten einerseits schau-                       langen: Wer den Brückenkurs erfolgreich
                 Aufstieg aus beruflichen Sackgassen he-      en: Welche Module müssen beruflich                             absolviert, bekommt damit die notwen-
                 raus weiterzuentwickeln.“                    Qualifizierte nicht mehr machen und                            digen 40 CP, um sich für das Bachelorstu-
                 Um die Durchlässigkeit zwischen beruf-       andersherum: Welche Zusatzmodule                               dium Soziale Arbeit zu bewerben.
                 licher und akademischer Ausbildung zu        sind für den Anschluss an das Studium                          Henschel hat den Studiengang im Rah-
                                                                                                                             men der Bundesförderrichtlinie „Auf-
                                                                                                                             stieg durch Bildung“ gemeinsam mit
                                                                                                                             Kolleginnen und Kollegen kontinuier-
                                                                                                                             lich weiterentwickelt. Sie lehrt auch in
                                                                                                                             grundständigen Studiengängen und hat
                                                                                                                             die Erfahrung gemacht, dass die Studie-
                                                                                                                             renden in den berufsbegleitenden Stu-
                                                                                                                             diengängen besonders motiviert und
                                                                                                                             zielgerichtet durch die akademische
                                                                                                                             Ausbildung gehen. Entsprechend nied-
                                                                                                                             rig ist die Abbrecherquote. Von den 40
                                                                                                                             Studierenden, die sich jedes Jahr für das
                                                                                                                             Bachelorstudium Soziale Arbeit in Lü-
                                                                                                                             neburg einschreiben können, brechen
                                                                                                                             durchschnittlich drei bis vier vorzeitig
                                                                                                                             ab. Seit der Studiengang 2011 an den
                                                                                                                             Start ging, ist er immer ausgebucht.
                                                                                                                             Studentin Günther absolviert gerade
                                                                                                                             ihr Orientierungspraktikum, das zu den
                                                                                                                             Inhalten des zweiten Semesters gehört,
                                                                                                                             in einer staatlich geförderten unabhän-
                                                                                                                             gigen Teilhabeberatung. Damit hat die
                                                                                                                             gelernte Erzieherin neben ihrer jahrelan-
                                                                                                                             gen Arbeitserfahrung auch die beson-
                                                                                                                             dere Verantwortung für ihren Sohn mit
                                                                                                                             in den Beruf nehmen können: Sie berät
                                                                                                                             Menschen mit Behinderung und deren
                                                                                                                             Angehörige – ein Aufgabenfeld, in dem
                                                                                                       Foto: Frauke Janßen

                                                                                                                             sie nach dem Studium arbeiten möchte.

                                                                                                                             Frauke Janßen,
                                                                                                                             freie Journalistin
                 Antje Stankowski hat schon vor ihrer Ausbildung zur Erzieherin über ein Studium
                 nachgedacht. Durch das Angebot an der Leuphana Universität in Lüneburg kann sie
                 sich diesen Wunsch nun erfüllen.                                                                            bit.ly/leuphana-berufsbegl-sozstudium

    Erziehung und Wissenschaft | 05/2021
NEUJUSTIERUNG DER BERUFLICHEN UND AKADEMISCHEN BILDUNG                                                                          13

Ein Sonderweg mit Erfolgsaussicht
// Duale Studiengänge, die einen akademischen                   Noch sind die Vorbereitungen für den Studienbetrieb allerdings
Abschluss mit berufspraktischer Erfahrung kombi-                nicht abgeschlossen. Das Gründungspräsidium und der Grün-
nieren, gibt es mittlerweile viele in Deutschland. Die          dungskanzler Christian Scherf haben mittlerweile ihre Arbeit
Berufliche Hochschule Hamburg (BHH) geht einen                  aufgenommen, neben einer Berufungsordnung wurde bereits
Schritt weiter. Hier kann man in einem studienin-               eine Immatrikulationsordnung beschlossen. In Arbeit sind un-
tegrierenden Modell sowohl ein Bachelorstudium                  ter anderem die Entwicklung von Curricula, eine Studien- und
absolvieren als auch einen Abschluss des dualen                 Prüfungsordnung sowie die vorläufige Grundordnung der BHH,
beruflichen Systems erwerben (s. E&W 9/2020). //                zurzeit laufen mehrere Berufungsverfahren, um die Professuren
                                                                für die Startphase des Studienbetriebs zu besetzen. Schwierig-
Im Herbst werden die ersten Studierenden an der BHH ihr         keiten beim Start in das erste Semester könnten allerdings die
Studium beginnen. Der Hamburger Senat beschreibt die zum        Auswirkungen der Corona-Pandemie bereiten. Das gilt vor allem
1. Januar vergangenen Jahres gegründete Errichtung der BHH      für das quantitative Angebot, aber auch für die zu erwartende
im Kontext von Durchlässigkeit, Anerkennung und Anrechnung      Nachfrage nach Ausbildungs- beziehungsweise Studienplätzen.
beruflicher Qualifikationen sowie einer Gleichrangigkeit aka-   Aus gewerkschaftlicher Sicht sind duale Studiengänge hin-
demischer und beruflicher Bildung. Während bislang in Ham-      sichtlich des Zugangs, der Studierbarkeit und der möglichen
burg mehr als 40 Prozent der Auszubildenden über eine Hoch-     Konkurrenz gegenüber dem Ausbildungssystem problema-
schulreife verfügen und viele Absolventen des dualen Systems    tisch. Bei der BHH sind bislang – auch dank der Besetzung
mit Abitur ihre Unternehmen nach der Ausbildung verlassen,      einer Arbeitnehmervertretung im Gründungsrat – einzelne
um zu studieren, fehlt es bislang an kombinierten Bildungsan-   Grundannahmen und Entscheidungen getroffen worden, die
geboten einer Berufsausbildung und eines Bachelorstudiums,      den Qualitäts- und Durchlässigkeitskriterien entsprechen,
die nicht mit stark verdichtetem Lern- und Arbeitsaufkommen     wie sie der GEW-Gewerkschaftstag 2017 mit dem Beschluss
sowie mit Studiengebühren verbunden sind. Der Senat will die-   „Duales Studium“ als Anforderungen gefasst hat. Es bleibt zu
ser Entwicklung mit einer studienintegrierenden Ausbildung      hoffen, dass dieser Weg, Qualitätsanforderungen zu erfüllen,
begegnen, die innerhalb von vier Jahren sowohl eine duale       weiterhin beschritten wird und die BHH kein Sonderfall bleibt.
Ausbildung als auch ein Bachelorstudium und damit zwei be-      Mittelfristig sollte sich die BHH auch der Verbindung von Aus-
rufsqualifizierende Abschlüsse ermöglicht. Dabei werden die     bildung und Studium in den zukunftsträchtigen vollzeitschuli-
Leistungen an den drei Lernorten Betrieb, Berufsschule sowie    schen Berufen des Gesundheits-, Sozial- und Erziehungswesens
Hochschule gegenseitig anerkannt und somit inhaltliche Dop-     widmen. Generell ist die Entscheidung Hamburgs begrüßens-
pelungen reduziert. Für Unternehmen ist das attraktiv, weil     wert, eine öffentliche berufliche Hochschule als Alternative zu
sie nicht nur leistungsstarke Auszubildende und Studierende     der in der jüngeren Vergangenheit häufig zu beobachtenden
gewinnen, sondern auch dauerhaft qualifizierte Fachkräfte be-   Einrichtung privater Hochschulen zu gründen.
ziehungsweise Spezialisten binden.
Als neuer Hochschultypus soll die BHH zudem ein eigenstän-      Ansgar Klinger,
diges Forschungsprofil erhalten, das die zugrunde liegende      GEW-Vorstandsmitglied Berufliche Bildung und Weiterbildung.
Verzahnung von Hochschule und Praxis nutzt.                     Der Autor gehört dem Gründungsrat der BHH an.

                          Berufsabschluss                                   Berufs- und Studienabschluss

                                                                                  Abschluss Bachelor
                          gegebenenfalls
  4. Jahr
                           Fortbildung
                                                                                     Studium mit Ausbildungs- und Praxisbezug

                                                       Abschluss Duale Ausbildung
  3. Jahr
                                                                                                                                     Grafik: zplusz · Quelle: FHH 2019, S. 6

                                    Duale Ausbildung                                             Studienintegrierende Ausbildung
  2. Jahr
                                                   Zwischenprüfung und Entscheidung

  1. Jahr
                                                                  Studienintegrierende Ausbildung – Grundstufe –

Modell der studienintegrierenden Ausbildung
                                                                                      Betriebe        Berufsschule      Hochschule
an der Beruflichen Hochschule Hamburg

                                                                                                          Erziehung und Wissenschaft | 05/2021
14 NEUJUSTIERUNG DER BERUFLICHEN UND AKADEMISCHEN BILDUNG

                 Hohe Hürden
                 // Wer studieren will und eine
                 abgeschlossene Berufsaus-
                                                             abschluss nur in einem Fach studieren,
                                                             das affin zu seiner Berufsausbildung ist:
                                                                                                         E&W: Sind diese Vorbehalte begrün-
                                                                                                         det?
                 bildung, aber kein Abitur hat,              Ein Elektriker darf Elektrotechnik oder     Wolter: Das erste Argument ist ein
                 dem wird die Aufnahme eines                 ein Kaufmann Betriebswirtschaft stu-        bisschen absurd, weil die Zahlen nicht
                 Studiums erschwert. E&W hat                 dieren. Das ist problematisch, weil wir     so groß sind, dass die Hochschulen das
                 mit Andrä Wolter, Professor für             viele Ausbildungsberufe in Deutschland      nicht bewältigen könnten. Die Öffnung
                 Hochschulforschung, über die                haben, die nicht mit einem Studienfach      des Hochschulzugangs für beruflich
                 nach wie vor mangelhafte Durch-             korrespondieren, und umgekehrt viele        qualifizierte Bewerberinnen und Be-
                 lässigkeit beim Hochschulzugang             Studiengänge, für die es keine Ausbil-      werber ohne Abitur wird sicher nicht
                 gesprochen. //                              dungsberufe gibt.                           dazu führen, dass deren Studienanteil
                                                             E&W: Warum tun wir uns so schwer            exorbitant steigt. Wer einen Fortbil-
                 E&W: Die Bildungspolitik befasst sich       damit, berufliche und akademische Bil-      dungsabschluss wie einen Meister oder
                 seit vielen Jahren mit der Durchlässig-     dung als gleichwertig anzusehen?            Techniker macht, erwirbt den in
                 keit zwischen beruflicher und akademi-      Wolter: Die Widerstände gehen eher          der Regel, um
                 scher Bildung. Eigentlich müssten wir       von der hochschulischen als von der be-
                 hier also doch ganz gut abschneiden?        ruflichen Bildung aus.
                 Prof. Andrä Wolter: Bildungsrechtlich       Zwar unterstützen
                 betrachtet hat diese Durchlässigkeit in     Stellungnahmen der
                 den vergangenen Jahren zugenommen.          Hochschulrektoren-
                 Die Öffnung des Hochschulzugangs            konferenz (HRK) und
                 für beruflich qualifizierte Bewerberin-     des Wissenschaftsra-
                 nen und Bewerber ohne traditionelle         tes eine Öffnung des
                 schulische Hochschulreife ist seit dem      Hochschulzugangs, und                                                          sich
                 Beschluss der Kultusministerkonferenz       einige Hochschulen sind                                    selbstständig zu machen
                 (KMK) im Jahr 2009 größer geworden:         in dem Bereich auch aktiv und                    oder im Betrieb aufzusteigen,
                 Inhaberinnen und Inhabern von Ab-           engagiert. Andere Hochschulen                    nicht um zu studieren. Das zweite
                 schlüssen wie Meister, Techniker oder       sind dagegen noch zurückhaltend.                 Argument kann die Studie „Nicht-
                 Fachwirt wurde damit der Hochschul-         Einige haben zum Beispiel Kontin-                traditionelle Studierende“ der
                 zugang eröffnet. Die berufliche Fortbil-    gente für beruflich qualifizierte                Humboldt-Universität und des
                 dung wurde praktisch mit dem Abitur         Studienbewerber eingeführt.                      Deutschen Zentrums für Hoch-
                 gleichgestellt. Trotzdem ist die Durch-     E&W: Welche Befürchtungen ha-                    schul- und Wissenschaftsfor-
                 lässigkeit an der Schwelle des Hoch-        ben diese Hochschulen?                           schung* widerlegen: Wir stellen
                 schulzugangs immer noch bescheiden.         Wolter: Die Zurückhaltung, die wir               zwar fest, dass die Abbruchquo-
                 Die Hürden für Bewerberinnen und            oft beobachten, hängt mit zwei                   te dieser Gruppe etwas höher
                 Bewerber aus der betrieblichen Berufs-      Argumenten zusammen. Das eine                    ist als im Durchschnitt. Aber die
                 ausbildung oder dem Schulberufssys-         ist die Sorge, dass es einen mas-                Notenunterschiede zwischen den
                 tem sind weiter hoch, mit Unterschie-       siven Zustrom geben könnte. Die                  beruflich Qualifizierten und den
                 den zwischen den Ländern.                   Hochschulen haben ohnehin schon                  Abi­turienten liegen im Komma-
                 E&W: Der KMK-Beschluss ist also nur         Kapazitätsengpässe, die will man                 bereich.
                 begrenzt wirksam?                           nicht verstärken. Die andere Be-
                 Wolter: Vor 2009 lag der Anteil der nicht   sorgnis hängt damit zusammen,
                 traditionell Studierenden, also derje-      dass die Meinung immer noch weit
                 nigen ohne Abitur, weit unter einem         verbreitet ist, berufliche Bildung
                 Prozent. Jetzt pendelt er um die 3 Pro-     führe nicht zur Studierfähigkeit.
                 zent. Das ist zumindest ein kleiner Fort-
                 schritt. Wenn man mehr erreichen will,
                 muss man vor allem die Anerkennung
                 der betrieblichen Berufsausbildung
                 beim Hochschulzugang verbessern.
                 Bisher darf jemand ohne Fortbildungs-

    Erziehung und Wissenschaft | 05/2021
NEUJUSTIERUNG DER BERUFLICHEN UND AKADEMISCHEN BILDUNG                                                           15

E&W: Haben Sie analysiert, warum es in                                Erfahrung mit Wissenschaftskompetenz
dieser Gruppe etwas mehr Abbrecher                                    auszeichnen. Wenn eine gelernte Kran-
gibt?                                                                 kenschwester Medizin studiert, dann ist
Wolter: Viele beruflich qualifizierte Stu-                            das ein besonderes Profil. Die Öffnung
dierende haben Zeitmanagement-Pro-                                    des Hochschulzugangs wird den Mangel
bleme, weil sie parallel ihre Erwerbstä-                              bei Fachkräften mit Hochschulabschluss
tigkeit fortsetzen und – wenn sie älter                               wegen der relativ niedrigen Zahlen der
sind – in vielen Fällen Familien und Kin-                             nicht traditionell Studierenden aber
der haben. Dagegen könnte man etwas                                   nicht beseitigen können.
tun, indem zum Beispiel Teilzeitstudi-                                E&W: Der Wissenschaftsrat empfahl
engänge an den Hochschulen ausge-                                     2014 auch einen Ausbau hybrider For-

                                                                                                                    Foto: privat
baut würden. Bei anderen ergeben sich                                 mate.
schlicht neue Karriereperspektiven,                                   Wolter: Hybride Angebote wie duale
etwa der Aufstieg im Betrieb. Wichtigs-                               Studiengänge sind ganz wichtig. Ihre                         Andrä Wolter ist Professor (i. R.) für Hochschulforschung an
ter Aspekt sind indes Leistungsgründe                                 Einführung hat sich als Erfolgsmodell                        der Humboldt-Universität zu Berlin. Von 2004 bis 2018 war
und Fehlentscheidungen. Hier sind die                                 herausgestellt und ist hochgradig at-                        er Mitglied der Autorengruppe des Nationalen Bildungsbe-
Hochschulen gefordert, ihre Informa-                                  traktiv sowohl für Unternehmen als                           richts. Er ist Vertrauensdozent der Hans-Böckler-Stiftung und
tions- und Bera-                                                                       auch für Studierende.                       Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften.
                                                                                       Aber es trägt nur wenig
                                                                                       zur Durchlässigkeit bei,
                                                                                       weil die große Mehrzahl                     Gleichwertigkeit weit weg ist. Natürlich
                                                                                       der Studierenden dort                       kann es sein, dass jemand, der einen be-
                                                                                       mit dem Abitur an die                       ruflichen Fortbildungsabschluss hat und
                                                                                      Hochschule kommt und                         ein erfolgreiches Unternehmen gründet,
                                                                                  der Öffnungseffekt gering ist.                   mehr verdient als eine Absolventin oder
                                                                           E&W: Wir haben viel über Verbes-                        ein Absolvent aus einem Studienfach
                tungsangebote für                                          serungsbedarf gesprochen: Was                           mit prekären Arbeitsmarktaussichten.
     beruflich qualifizierte Studie-                                       läuft denn gut?                                         Aber insgesamt ist es so, dass Hoch-
rende sowie die Unterstützung                                             Wolter: Neben einer im Vergleich zu                      schulabsolventen mit Blick auf mone-
vor und nach Studienaufnahme                                              den vergangenen Jahren größeren                          täre Bildungserträge im statistischen
noch auszubauen.                                                          Offenheit Nicht-Abiturienten gegen-                      Durchschnitt weit von dem einer beruf-
E&W: Die Forderung nach mehr                                              über und einigen engagierten Hoch-                       lichen Ausbildung entfernt sind.
Durchlässigkeit wird auch vor                                            schulen sehen wir deutliche Fort-                         E&W: Könnte mit mehr Durchlässig-
dem Hintergrund des Fachkräfte-                                          schritte in einem anderen Sektor: Das                     keit von beruflicher und akademischer
mangels erhoben.                                                         betrifft die Anrechnung beruflicher                       Bildung die hohe soziale Abhängigkeit
Wolter: Der Arbeitsmarkt spielt                                          Qualifikationen auf Studiengänge. Das                     des schulischen Bildungswegs korrigiert
eine Rolle, weil hochqualifi-                                            war vor 20 Jahren noch kein Thema,                        werden?
zierte Fachkräfte ausgebildet                                           inzwischen bemühen sich viele Hoch-                        Wolter: Ein bisschen. Wir haben in un-
werden können, die sich durch                                           schulen um die Entwicklung spezieller                      serer Studie die Bildungsherkunft aller
das besondere Profil der Ver-                                           Verfahren. Es gibt auch mehr berufs-                       Gruppen verglichen und festgestellt,
bindung von Berufsabschluss,                                            orientierte Studienangebote, die ein                       dass kein Zugangsweg zur Hochschule
                                                   k.adobe.com

beruflicher Qualifikation und                                          spezielles Angebot für beruflich qualifi-                   sozial so offen ist wie der für beruflich
                                                                       zierte Studierende darstellen. Hier hat                     qualifizierte Studierende ohne Abitur.
                                             Foto: beermedia – stoc

                                                                       der Bund-Länder-Wettbewerb „Offene                          Aber eine Korrektur der sozialen Un-
                                                                       Hochschulen“ einiges bewirkt.                               gleichheit in der Beteiligung an Hoch-
                                                                       E&W: Wie wichtig ist auch die gleiche                       schulbildung auf diesem Weg zu errei-
                                                                         gesellschaftliche Wertschätzung für                       chen, ist schwierig. Ein Anteil von rund
                                                                              beide Bildungsbereiche?                              3 Prozent ist zu wenig, um die massive
                                                                                 Wolter: Die politische Formu-                     Ungleichheit auf den anderen Zugangs-
                                                                                lierung ist immer die der Gleich-                  wegen aufzuheben. Dazu müsste man
Die Durchlässigkeit zwischen                                                    wertigkeit beruflicher und hoch-                   im Schulsystem ansetzen.
den Systemen der beruflichen und                                               schulischer Bildung. Das ist auch
akademischen Bildung ist in Deutsch-                                          ein wichtiges Ziel, wenn es um                       Interview: Nadine Emmerich,
land zwar größer geworden, der Anteil                                 die Anerkennung der Leistung der be-                         freie Journalistin
von Nicht-Abiturienten unter den Stu-                                 ruflichen Bildung geht. Aber es ist eine
dierenden ist allerdings nach wie vor                                 gewisse rhetorische Formel, weil unsere
mit rund 3 Prozent relativ gering.                                    empirische Realität von einer solchen                        *bit.ly/nichttraditionell-studierende

                                                                                                                                                    Erziehung und Wissenschaft | 05/2021
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