Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 74.Jahr Heft11 November2021 - TARIFRUNDE 2021 I LANDESDELEGIERTENVERSAMMLUNG - GEW Hessen
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TITELTHEMA HLZ 11/2021 1 Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 74. Jahr Heft 11 November 2021 TA R I F R U N D E 2 021 I L A N D E S D E L E G I E R T E N V E R S A M M L U N G
IN DIESER HLZ HLZ 11/2021 2 Zeitschrift der GEW Hessen Landesdelegiertenversammlung für Erziehung, Bildung, Forschung ISSN 0935-0489 Am 23. und 24. Februar fand eine or- dentliche Landesdelegiertenversamm- I M P R E S S U M lung (LDV) der GEW Hessen statt, die im November 2020 angesetzt war und Herausgeber: pandemiebedingt verschoben werden Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Landesverband Hessen musste. Im Mittelpunkt der auf zwei Zimmerweg 12 Tage verkürzten LDV standen die sat- 60325 Frankfurt/Main zungsmäßigen Aufgaben: die Entlas- Telefon (0 69) 971 2930 Fax (0 69) 97 12 93 93 tung des Vorstands für die um ein Jahr E-Mail: info@gew-hessen.de verlängerte Amtszeit, die Beratung über Homepage: www.gew-hessen.de den Haushalt der GEW Hessen und die Verantwortlicher Redakteur: Wahlen für den Landesvorsitz und die Harald Freiling Mitglieder des Geschäftsführenden Vor- Klingenberger Str. 13 60599 Frankfurt am Main stands. Bei den Wahlen sticht die Wahl Telefon (0 69) 636269 eines neuen Vorsitzendenteams aus E-Mail: freiling.hlz@t-online.de Thilo Hartmann und den beiden stell- Mitarbeit: vertretenden Vorsitzenden Heike Acker- Christoph Baumann (Bildung), Simone Claar (Hoch- mann und Simone Claar hervor. schule), Stefan Edelmann (Bildung), Andrea Gergen (Aus- und Fortbildung), Michael Köditz (Sozialpäd- • Alle weiteren Informationen in die- agogik), Annette Loycke (Recht), Dana Lüddemann ser HLZ auf den Seiten 8 bis 17 (Gewerkschaftliche Bildung), René Scheppler (Digitali- sierung), Andreas Werther (Sozialpädagogische Berufe), Peter Zeichner (Mitbestimmung) Tarifeinigung in Hessen Gestaltung: Harald Knöfel, Michael Heckert † Diese Ausgabe der HLZ ging unmittel- Schwerpunktthema: Harald Freiling bar nach der letzten Verhandlungsrun- Illustrationen: de der Tarifparteien am 14. und 15. Ok- Dieter Tonn (S. 29), Ruth Ullenboom (S. 4) tober in Dietzenbach in Druck. Das Foto Fotos, soweit nicht angegeben: entstand bei der Streikkundgebung in GEW (S.8-17), Harald Freiling (Titel, S. 6, 22), privat Frankfurt am 6. Oktober. Im nächsten (S. 36-37) Schritt wird die GEW dafür kämpfen, Verlag: dass das Tarifergebnis auf die Beam- Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH Niederstedter Weg 5 tinnen und Beamten übertragen wird. 61348 Bad Homburg • Die wichtigsten Eckpunkte der Ta- Anzeigenverwaltung: rifeinigung für die rund 45.000 Be- Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH schäftigten des Landes im Geltungsbe- Peter Vollrath-Kühne reich des Tarifvertrags Hessen (TV-H) Postfach 19 44 61289 Bad Homburg und der Einigung auf eine Entgeltord- Telefon (06172) 95 83-0, Fax: (06172) 9583-21 nung für Lehrkräfte veröffentlichen wir E-Mail: mlverlag@wsth.de in dieser HLZ auf Seite 5 und auf un- Erfüllungsort und Gerichtsstand: serer Internetseite www.gew-hessen.de Bad Homburg > Tarifrunde 2021. Bezugspreis: Jahresabonnement 12,90 Euro (9 Ausgaben, ein- schließlich Porto); Einzelheft 1,50 Euro. Die Kosten Rubriken Einzelbeiträge Aus dem Inhalt sind für die Mitglieder der GEW Hessen im Beitrag enthalten. 4 Spot(t)light 5 Tariftelegramm: Einigung über 7 Meldungen Gehaltserhöhungen im TVH Zuschriften: Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bilder 27 Briefe 6 Pressekonferenz: Schuljahr beginnt wird keine Haftung übernommen. Im Falle einer Ver- 34 Recht: Teildienstfähigkeit, Anträge 18 GEW: Schulreinigung zurück in öffentlichung behält sich die Redaktion Kürzungen auf amtsangemessene Besoldung kommunale Verantwortung vor. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht mit der Meinung der GEW oder der Redaktion 36 Jubilarinnen und Jubilare 20 Grundschule: Wie lernen Kinder übereinstimmen. 37 Nachrufe lesen und richtig schreiben? 22 Ich bin dabei: Partizipation in der GEW-Landesdelegiertenversammlung Redaktionsschluss: Migrationsgesellschaft Jeweils am 5. des Vormonats 8 Wahlen, Beschlüsse, Aktionen 24 Kinderarmut und Pandemie 10 Das neue Landesvorsitzendenteam: 26 Schulen: Orte der Begegnung Thilo Hartmann, Heike Ackermann 28 Burnout: Krank durch Werte, die Nachdruck: Fotomechanische Wiedergabe, sonstige Vervielfälti- und Simone Claar nicht zusammenpassen gungen sowie Übersetzungen des Text- und Anzei- 12 Beschluss: Gute Bildung - gute Arbeit 30 Bücher: Extremismusprävention genteils, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher 14 Die Fach- und Personengruppen der Genehmigung der Redaktion und des Verlages. oder politische Bildung? GEW Hessen 32 Weimarer Republik: Informationen Druck: 16 Die GEW sagt Danke zur politischen Bildung in der Kritik Druck- und Verlagshaus Thiele & Schwarz GmbH Werner-Heisenberg-Str. 7, 34123 Kassel
3 HLZ 11/2021 KOMMENTAR Gute Bildung – gute Arbeit Die ersten Wochen nach der Landesdelegiertenver- eine von den Bedürfnissen jeden Kindes her gedach- sammlung waren intensiv. Nach der Wahl eines neu- te Inklusion und ausreichend Zeit für die Stärkung en Vorsitzendenteams standen die ersten Tage im emotionaler und sozialer Fähigkeiten. Zeichen der schnellen Einarbeitung, der Vorstellung Die LDV hat mit dem Antrag „Gute Bildung nach innerhalb der GEW und bei unseren Bündnispart- Corona“ wichtige bildungs- und beschäftigungspoli- nern, der laufenden Tarifrunde und aktueller Wei- tische Leitlinien beschlossen (HLZ S.12-13). Ob in chenstellungen in der Bildungspolitik. Kita, Schule oder Hochschule: Gute Qualität von Bil- Fast ist man versucht, ausgerechnet die FDP zu zi- dungsangeboten benötigt ausreichend Personal. Jun- tieren, denn in der Tat gibt es so viel zu tun wie sel- ge Menschen von einem Beruf im Bildungswesen zu ten vorher, wenn es darum geht, die Ungerechtigkei- überzeugen, das geht nur mit guten Arbeitsbedingun- ten der neoliberalen Bildungs- und Finanzpolitik zu gen! Dazu gehört ein Gehalt, dass der Wertschätzung, korrigieren. Die großen Herausforderungen der letz- die uns in Sonntagsreden entgegengebracht wird, ten 20 Monate haben deutlich gezeigt, wo der Schuh auch Ausdruck verleiht. drückt. Corona hat die Schwächen des Bildungssys- Diese HLZ ging unmittelbar nach der Tarifeini- tems schonungslos offengelegt. Wie in allen Berei- gung am 15. Oktober in Druck. Über die wichtigsten chen der öffentlichen Daseinsvorsorge, in der Pflege, Ergebnisse der Tarifrunde informieren wir auf Sei- im Gesundheitsbereich oder in der Verwaltung, lei- te 5 in dieser HLZ und mit vielen Details auf unse- den auch wir Beschäftigte in Wissenschaft und Bil- rer Internetseite www.gew-hessen.de/tarifrunde-hes- dung unter der Epidemie der Mangelfinanzierung. sen-2021.de. Dabei können der unter den gegebenen Personalmangel und Investitionsstau führen zu gro- Bedingungen achtbare Tarifabschluss von 4,0 Pro- ßer Arbeitsbelastung, zu Entgrenzung der Arbeits- zent in zwei Stufen, die Corona-Sonderzahlungen in zeit, zu prekären Beschäftigungsverhältnissen und Höhe von bis zu 1.000 Euro und die erfolgreichen zu schlechterer Qualität der Bildungsangebote. Gute Verhandlungen über eine neue Entgeltordnung für Bildung aber braucht beste Bedingungen und die gibt Lehrkräfte nur ein Anfang sein. In der nächsten Zeit es nicht zum Nulltarif! wird es auch um die Übertragung des Tarifabschlus- Ohne eine umfassende Ausbildungs-, Weiterbil- ses auf die Beamtinnen und Beamten und Pensionä- dungs- und Einstellungsoffensive wird es nicht mög- rinnen und Pensionäre gehen. Auch beim Tarifschutz lich sein, von ungeheuer hohen Arbeitszeiten wegzu- für studentische Beschäftigte und im Kampf gegen kommen und gleichzeitig die dringend anstehenden das Befristungsunwesen an Hochschulen werden wir Bildungsaufgaben anpacken zu können. Nirgendwo nicht lockerlassen! Zentral für die Frage des Lehr- sonst ist der Bildungserfolg junger Menschen so sehr kräftemangels an Grundschulen wird zudem sein, wie an Herkunft und Finanzkraft der Eltern gekoppelt wie lange sich das Land Hessen noch verweigern kann, in Deutschland. Corona hat noch einmal deutlich ge- alle Lehrämter nach A 13 zu besolden. zeigt: Ohne schnelles Internet, ohne digitale Ausstat- tung, ohne einen eigenen Raum zum Lernen und ohne Unterstützung durch die Eltern gerät auch das mo- tivierteste Kind schnell an seine Grenzen. Das Nar- rativ der Existenz „bildungsferner Schichten“ sucht die Verantwortung hierfür einzig bei den Benachtei- ligten. Dem stellen wir ein Konzept der barrierefrei- en Bildung entgegen: längeres gemeinsames Lernen, Auf der Landesdelegiertenversammlung wurde Thilo Hart- mann am 23. September als neuer Landesvorsitzender ge- wählt. Auch die beiden stellvertretenden Vorsitzenden Dr. Simone Claar und Heike Ackermann sind neu im Amt. Alle Thilo Hartmann Informationen zu Wahlen, Beschlüssen und Personen fin- Vorsitzender det man in dieser HLZ auf den Seite 8 bis 17. der GEW Hessen
SPOT(T)LIGHT HLZ 11/2021 4 Horrorkürbis Zahnpasta und etwas, wovon ich lie- ber nicht weiß, was es ist. Im Jahr drauf höre ich von draußen: „Nein, Finn-Ru- ben, hier musst du nicht klingeln, hier wohnen Spaßbremsen und Kinderfein- Jetzt liegen sie wieder bergeweise vor Tipps, wie man Kürbisse aushöhlt und de.“ Die kleinen Nachbarsjungen erzäh- den Häusern: Kürbisse in allen Größen, zu Fratzen schnitzt. Bald wird das Le- len verstört, dass eine Bande Jugendli- Formen und Farben. Manche zu grim- ben in unserem ruhigen Viertel toben cher den Rucksack mit den Süßigkeiten migen Grimassen geschnitzt und mit ei- und Sturm klingeln. Halloween kün- geraubt hat. Das ist natürlich viel ratio- nem Teelicht illuminiert. Meine Mutter digt sich in allen Kaufhäusern an. Ent- neller als an jeder einzelnen Tür zu bet- hat uns vier Kindern ein einziges Mal ein zückende Kostüme stehen zum Ver- teln. Im Viertel geht das Gerücht, dass Gericht aus Kürbis kredenzt. Sie hat es kauf. Einmal haben wir vergessen, das jemand in die Halloween-Kekse Ab- nie wieder versucht. Aber jetzt lauert bei Weite zu suchen oder uns im Dunkeln führmittel eingebacken hat. Was gibt jeder Einladung das leckere Kürbissüpp- zu verstecken. Wir haben das Datum es nur für Menschen! chen mit Ingwer und Möhren auf dem glatt vergessen und naiv die Tür geöff- In diesem Jahr lese ich in der Pres- Herd. Eine Freundin droht gar ein kom- net. Vor mir stand ein blutüberströmtes se, dass Halloween für Kinder enorm plettes Kürbismenu an: Kürbisvollkorn- Mädchen in einem weißen Nachthemd. wichtig sei. Dabei würden sie „Selbst- brot mit Kürbis-Chutney, Kürbislasagne, Ich rannte zum Verbandskasten und be- wirksamkeit“ entwickeln. Das stellt kein Salat mit Kürbiskernen, Kürbiskom- fahl meinem Mann, den Unfallwagen Püschologe, sondern ein Spielzeugfab- pott und Kürbisbowle. Darüber hin- zu rufen. Dann erst sah ich, dass vor rikant fest. Der vertreibt all die tollen aus schenkt ihr Mann noch Kürbislikör der Haustür noch eine Moorleiche und Utensilien, die zu Halloween so exis- und -schnaps aus. Ich täusche an dem der Tod mit Sense warteten. Und hun- tenziell wichtig sind wie Kunstblut, he- Abend heftige Magenschmerzen vor (da dert Meter entfernt stand die besorgte raushängende Augen und amputier- muss ich mich angesichts der Menu-Fol- Mutti. Wer weiß schon, ob die böse Alte te Gliedmaßen. Der Fachmann betont, ge noch nicht mal anstrengen….). Mein (ich) Gummibärchen verteilt oder die dass Kinder Rituale bräuchten. Ein we- Mann isst alles. Er bringt mir von dem Kinder schlachtet. „Hier gibt’s nüscht! nig spottet er über Kirchenvertreter, die leckeren Abendessen ein Sortiment Kür- Halloween ist blöde amerikanische seit Jahren gegen das heidnische Fest bis-Muffins, Kürbis-Waffeln und Kürbis- Geschäftemacherei!“, teilt mein Mann wettern, das den Reformationstag flä- Zimtschnecken mit. Igitt. der nächsten Kinderbande mit. Leider chendeckend ersetzt hat. Eine Journa- Infantile Bekannte verzieren der- haben wir beide die Drohung „Süßes listin schreibt gerührt von niedlichen zeit ihre Mails mit grinsenden, wei- oder Saures“ nicht ernst genommen. Monstern und plüschigen Kürbissen, nenden und zappelnden Kürbissmileys. Am nächsten Tag verzieren rohe Eier die harmlos an den Türen klingeln und Sie geben sich in Rundmails wertvolle die Hausfassade, an den Klinken klebt sanft „buh“ machen. Sie ist anschei- nend am letzten Oktobersonntag noch nie in Berlin am Botanischen Garten vorbeigekommen. Hunderte von Fami- lien stehen da Schlange, um Einlass zur Halloween-Party zu finden. Auf der Straße warten die Autos im Stau, um all die Zombies, Fledermäuse und Skelet- te vorbeizulassen. Keins der Kostüme ist „niedlich“, sondern vielfach nur ek- lig. Die Eltern haben sich ebenfalls he- rausgeschmückt. Sie müssen anschei- nend auch noch ihre Selbstwirksamkeit trainieren, indem sie sich offene Wun- den schminken und blicktrübe Kontakt- linsen einsetzen. Dreiköpfige Glöckner von Notre Dame, einbeinige Edgars mit Scherenhänden und Zähne bleckende Zombie-Nonnen tragen ihre Kleinstkin- der auf dem Arm, verkleidet als Spin- nen, Gruselclowns und Vampire. In diesem Jahr spiele ich auch mit. Ich verkleide mich als halb verweste Hexe. Mit dicken Warzen (zum Aufkle- ben) und Blut unterlaufenen Kontakt- linsen. Ich werde schrill kreischend die Tür öffnen, mit einem Beil herausren- nen, Kunstblut verspritzen und tapfe- ren Kindern das Kürbisgebäck meiner Freundin schenken. Gabriele Frydrych
5 HLZ 11/2021 LOREM IPSUM Tarifeinigung mit dem Land Hessen Die vorliegende Ausgabe der HLZ ging unmittelbar nach der Ei- Übertragung auf Beamtinnen und Beamte nigung der Tarifparteien im Tarifstreit für die 45.000 Beschäf- Die Tarifeinigung enthält die Zusicherung, die Entgelterhö- tigten des Landes im Geltungsbereich des Tarifvertrags Hessen hungen und die Sonderzahlungen zeit- und systemkonform (TV-H) am 15. Oktober in Druck. Die HLZ veröffentlicht hier auf die Beamtinnen und Beamten zu übertragen. Rentnerin- die wichtigsten Punkte. Alle weiteren Einzelheiten und Antwor- nen und Rentner sowie Pensionärinnen und Pensionäre ha- ten auf die Fragen der Beschäftigten findet man im Internet auf ben keinen Anspruch auf die vereinbarten Sonderzahlungen. der Seite www.gew-hessen.de > Tarifrunde 2021. Steuer- und abgabefreie Corona-Sonderzahlungen Kostenloses Landesticket bleibt erhalten Im Dezember 2021 und im März 2022 erhalten die Beschäf- Das kostenlose Landesticket wird für die Laufzeit des Tarif- tigten im aktiven Dienst zwei steuer- und abgabenfreie Co- vertrags weiter an die Beschäftigten des Landes ausgegeben. rona-Sonderzahlungen in Höhe von jeweils 500 Euro. Wie bei allen Sonderzahlungen richtet sich deren Höhe nach dem Laufzeit des Tarifvertrags individuellen Stellenanteil. Für Beschäftigte, die zum Zeit- Die Laufzeit des Tarifvertrags beträgt 28 Monate bis zum punkt der Auszahlung keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt 31. Januar 2024. haben (Beurlaubung, Elternzeit, zwischenzeitlicher Renten- eintritt), wurden Stichtage festgelegt. Fazit: Licht und Schatten Der Verhandlungsführer der GEW Daniel Merbitz bilanzier- Gehaltserhöhungen: 4 Prozent in zwei Stufen te das Verhandlungsergebnis am 15. Oktober in Dietzenbach Die Tabellenentgelte im Bereich des TV-Hessen steigen zum mit den folgenden Worten: „Die Verhandlungen waren an- 1. August 2022 um 2,2 Prozent und zum 1. August 2023 um gesichts der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen weitere 1,8 Prozent, mindestens um 65 Euro. schwierig, und das Ergebnis hat Licht und Schatten. Einer der Wirtschaftskrise geschuldeten verhaltenen Entgeltentwick- Tarifliche Entgeltordnung für Lehrkräfte lung bis Januar 2024 stehen aus Sicht der GEW durchaus Die GEW und das Land Hessen haben seit September 2020 positiv zu bewertende Regelungen gegenüber. Ein bedeuten- über tarifvertragliche Regelungen zur Eingruppierung von der Erfolg ist die tarifliche Regelung zur Eingruppierung der Lehrkräften und sozialpädagogischen Fachkräften an Schu- angestellten Lehrkräfte und der sozialpädagogischen Fach- len verhandelt. Anders als in allen anderen Bundesländern kräfte an Schulen.“ galt für deren Eingruppierung ein einseitig durch das Land festgelegter Erlass. Jetzt unterschrieben die Gewerkschaf- ten und das Land einen Tarifvertrag zur Eingruppierung der Alle weiteren Einzelheiten und Antworten Lehrkräfte, der am 1. August 2022 in Kraft tritt. Verbesse- rungen gibt es insbesondere für voll ausgebildete Grund- auf die Fragen der Beschäftigten findet schullehrkräfte und für nicht voll ausgebildete Lehrkräfte im man im Internet auf der Seite Bereich der Sekundarstufe I. Mehr Geld erhalten auch Be- schäftigte ohne formale Lehramtsbefähigung, die seit vielen www.gew-hessen.de > Tarifrunde 2021. Jahren nach der Entgeltgruppe 5 oder 6 vergütet werden, ob- wohl sie alle Aufgaben von Lehrkräften übernehmen, zum Teil sogar als Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer einge- setzt werden. Die GEW bereitet jetzt ein umfassendes An- gebot zur Information und Beratung ihrer Mitglieder vor. Mindestbezahlung für studentische Hilfskräfte Bei der vollen Einbeziehung der studentischen Hilfskräfte an den hessischen Hochschulen in den TV-H konnten sich die Gewerkschaften im ersten Anlauf nicht durchsetzen. Die Festlegung einer einheitlichen Mindestbezahlung von 12 Euro - sie liegt derzeit je nach Hochschule zwischen 9,50 Euro und 11,60 Euro - und die Übertragung aller künftigen Tarifsteigerungen ab Oktober 2022 auf die Mindeststunden- sätze ist trotzdem als Erfolg der Gewerkschaften zu werten. Blockade des Landes im Kampf gegen Befristungen In Bezug auf tarifvertragliche Maßnahmen gegen das Befris- tungsunwesen an Hochschulen hielt das Land auch in dieser Tarifrunde an seiner starren Blockade fest. Allerdings wurden im Rahmen der Tarifeinigung Gespräche mit dem Ministeri- um für Wissenschaft und Kunst vereinbart. Damit liegt der Ball bei Wissenschaftsministerin Dorn. Die GEW erwartet die zügige Aufnahme konstruktiver Gespräche. Lautstarker Empfang für Innenminister Beuth bei der letzten Runde der Tarifverhandlungen am 14. Oktober 2021 in Dietzenbach
MELDUNGEN HLZ 11/2021 6 The same procedure… Elternbeirat, Schülervertretung und GEW zum Schulstart nach den Ferien Schon am Ende der Sommerferi- Die zahlreich anwesenden Presse- en war die Corona-Lage auch in Hes- vertreterinnen und Pressevertreter frag- sen durch wieder stark steigende Inzi- ten auch nach der im Sommer über- denzen geprägt, so dass viele Eltern, arbeiteten Empfehlung der Ständigen Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte Impfkommission, durch die auch bei mit mulmigen Gefühlen in die Schu- Eltern von Kindern zwischen 12 und le zurückkehrten. „The same procedure 18 Jahren die Nachfrage nach einer as last year“, dachten sich viele, auch Impfung gestiegen sei. Heitmann ver- wenn die inzwischen möglichen Imp- wies auf das klare Votum des LEB für fungen die Gefahr schwerer oder töd- die Impfung. Konflikte, die sich aus der licher Verläufe reduziert haben. „The Birgit Koch, bis Ende September Landes- Impfempfehlung ergeben, gehörten je- same procedure as last year“ aber vor vorsitzende der GEW Hessen, hält nichts doch nicht in die Schule: „Impfen ist allem bei der Vogel-Strauß-Politik der davon, „dass Lehrkräfte zur Organisation keine schulische Veranstaltung.“ Auch Landesregierung, die die Sommerferi- der Impfung von Jugendlichen herangezogen Birgit Koch sprach sich dagegen aus, werden“. en keineswegs genutzt hatte, um bei dass Lehrkräfte in die Organisation von der Ausstattung der Schulen mit Luft- Bei den notwendigen Förderangebo- Impfangeboten einbezogen werden: filteranlagen, der Digitalisierung oder ten zum Aufholen von Lernrückständen „Lehrerinnen und Lehrer werden in dieser einfach auch nur bei der Bereitstellung und zur Förderung des sozialen Lernens Funktion als Vertreterinnen und Vertreter kindgerechter Masken einen Schritt rät die GEW von additiven Angeboten staatlichen Handelns wahrgenommen.“ vorwärts zu gehen. im Sinn von „Nachhilfestunden“ ab. GEW, LEB und LSV sprachen sich jedoch Diese Themen beherrschten auch Die individuelle Förderung müsse „in unisono für niedrigschwellige Angebo- die gemeinsame Pressekonferenz von den schulischen Alltag integriert wer- te zur Impfung von Jugendlichen aus, GEW, Landesschülervertretung (LSV) den und vorrangig in kleinen Gruppen beispielsweise mit Impfbussen an Schu- und Landeselternbeirat (LEB) am 14. mit einer echten Doppelbesetzung statt- len oder in Schulturnhallen außerhalb September im Frankfurter Presseclub. finden.“ Nach Angaben von Birgit Koch der Unterrichtszeit. Die Verantwortung Bei ihrer letzten Pressekonferenz in gibt es derzeit rund 2.000 ausgebilde- für Information und Organisation und ihrer Funktion als GEW-Landesvorsit- te Lehrerinnen und Lehrer, die auf ein für eine ausführliche ärztliche Beratung zende kommentierte Birgit Koch zwei Einstellungsangebot des Landes warten. müsse bei den Gesundheitsämtern und Artikel aus der Frankfurter Rundschau Auch Landesschulsprecherin Jessica Schulträgern liegen: und der Hessisch-Niedersächsischen Pilz vermisste weiterhin einen „Plan B“ „Die Impfung ab zwölf kann für diese Allgemeinen vom selben Tag mit einer für die zu erwartende vierte Welle mit Altersgruppe zu sicherem Präsenzunter- rhetorischen Frage: „guten Konzepten für den Wechselun- richt beitragen, sollte dabei jedoch ledig- „Was soll man davon halten, wenn der terricht“. Ausschließlich auf vollen Prä- lich eine von mehreren Säulen darstellen.“ Landkreis Kassel die erste Lieferung von senzunterricht zu setzen, sei „ein Wie- Angesichts einer hohen Quote mögli- 556 Umluftfiltergeräten ‚bereits im Okto- derholungsfehler“. Sie kritisierte den cherweise falsch-positiver Tests und ei- ber‘ erwartet, also anderthalb Jahre nach Mangel an Desinfektionsmittelspendern ner unbekannten Zahl falsch-negativer dem ersten Lockdown, und die Frankfur- und unzureichende Reinigungsinterval- Schnelltests sprachen sich alle für die ter Bildungsdezernentin Sylvia Weber mit le bei den Toiletten: „So etwas gibt es aussagekräftigeren PCR-Pooltestungen der Ausstattung der Grundschulen ‚bis inzwischen nur noch in den Schulen.“ in Form der „Lolli-Tests“ aus. Ende Oktober, Anfang November‘ fertig Auch für die Schülerinnen und Schü- sein will?“ HLZ-Redaktion ler müssten hochwertige FFP2-Masken kostenlos zur Verfügung gestellt wer- Volkmar Heitmann, Vorsitzender des Lan- den, damit sie mindestens täglich ge- Landesschulsprecherin Jessica Pilz vermisst deselternbeirats, fordert „endlich atem- wechselt werden können. Der LEB-Vor- weiterhin einen „Plan B“, denn eine erneute freundliche medizinische Masken auch für Verschlechterung der Lage könne niemand sitzende Volkmar Heitmann sprang ihr ausschließen. Kinder“. bei und verwies auf die Tatsache, dass es noch immer keine kindgerechten me- dizinischen Masken gibt: „Solche atem- freundlichen Masken sind längst auf dem Markt.“ Nur die Kinder habe man einmal mehr vergessen, obwohl sie im Ganztagsbetrieb und bei wieder stei- genden Inzidenzen über viele Stunden hinweg zum Tragen von Masken ver- pflichtet sind. Fotos: HLZ-Redaktion
7 HLZ 11/2021 MELDUNGEN Bündnis fordert Wende in GEW-Aktionen am „ersten der Flüchtlingspolitik Tag der unbezahlten Arbeit“ Ein breites zivilgesellschaftliches Am 13. und 14. November demonstriert Bündnis von Diakonie, Der Paritätische, die GEW in Wiesbaden und Kassel und Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbei- mit zahlreichen lokalen Aktionen für räte, GEW, pro asyl und Hessischem die Forderung nach Angleichung der Flüchtlingsrat fordert die Landesre- Einkommen der Grundschullehrkräf- gierung zur Wende in der Asyl- und te an die ihrer Kolleginnen und Kolle- Flüchtlingspolitik auf, die derzeit von gen in allen anderen Lehrämtern. Der Ausgrenzung, Abschiebungen und 13. November gilt als „erster Tag der Rückkehrdruck bestimmt ist. Selbst unbezahlten Arbeit“: Vom 13. Novem- Menschen, die die Schule besuchen, ber bis zum 31. Dezember arbeiten die Arbeit haben und ihren Lebensunter- Lehrkräfte an Grundschulen ohne Lohn, halt selbst verdienen, werden in Kriegs- wenn man ihr Gehalt mit dem der ande- und Krisengebiete abgeschoben, Fami- ren Lehrämter vergleicht. Auch die Lan- lien auseinandergerissen. Das Bündnis desdelegiertenversammlung bekräftig- fordert ein sofortiges Abschiebungsmo- te die Forderung nach einer Vergütung ratorium, damit nicht noch mehr gut der Grundschullehrkräfte nach A13 be- integrierte Menschen aus ihrem Um- ziehungsweise E13 für tarifbeschäftig- feld gerissen und in eine ungewisse Zu- te Lehrerinnen und Lehrer (HLZ S.14). kunft abgeschoben werden. Die Landes- regierung müsse sich auf die im Jahr 2015 propagierte Willkommenskultur Novellierung des Hessischen DGB fordert Abschaffung zurückbesinnen, sagte Dr. Yasmin Ali- Hochschulgesetzes der Mini-Jobs naghi, Landesgeschäftsführerin des Pa- ritätischen Wohlfahrtsverbands Hessen: Bei der ersten Lesung des Gesetzent- 2020 gab es in Hessen 556.289 Mini- „Die derzeit praktizierte Flüchtlingspo- wurfs von CDU und Grünen zur No- jobberinnen und Minijobber. Das sind litik schürt Ängste bei Betroffenen und vellierung des Hessischen Hochschul- über 40.000 weniger als im Jahr da- schafft Verunsicherung und Frustration gesetzes im Landtag rieben sich einige vor. Vor allem im Gastgewerbe und in bei Unterstützenden.“ Bei der Zahl der verwundert die Augen, denn die Ko- der Leiharbeit war ein hoher Rückgang Abschiebungshaftplätze stehe Hessen alition hatte gegenüber dem Referen- der Minijobs zu verzeichnen. Tausende mit Bayern und Nordrhein-Westfalen tenentwurf (HLZ 9-10/2021) einige Hessinnen und Hessen haben in der Co- an der Spitze. Selbst die Machtüber- nicht unbedeutende Änderungen vor- rona-Pandemie ihre Jobs verloren und nahme der Taliban sei für die Landes- genommen. Diese betreffen vor allem landeten zum Teil in Hartz IV. „Minijob- regierung kein Anlass, unbescholtenen die Sonderstellung des Hochschulra- berinnen und Minijobber wurden in der Menschen endlich längerfristige Dul- tes der Frankfurter Goethe-Universität Pandemie als erste vor die Tür gesetzt, dungen zu erteilen, wie sie im Koaliti- Andrea Meierl, Lehrkraft für beson- als die Restaurants, die Läden und die onsvertrag 2018 angekündigt wurden. dere Aufgaben an der Goethe-Universi- Schulen dichtmachen mussten“, sag- tät, Mitglied im Senat und Leiterin des te Michael Rudolph, DGB-Vorsitzender Referates Hochschule und Forschung des Bezirkes Hessen-Thüringen. Da ge- Amtsangemessene Besol- der GEW Hessen, kritisierte insbeson- ringfügig Beschäftigte von der Arbeits- dung: Anträge stellen! dere den Präsidenten der Stiftungsuni- losenversicherung ausgeschlossen sind, versität Enrico Schleiff: „Er hat im Se- erhalten sie weder Kurzarbeiter- noch Nach der Nullrunde 2015 und der nur nat versprochen, dass es mit ihm eine Arbeitslosengeld. Vielen bleiben nur die einprozentigen Erhöhung im Jahr 2016 klare Reform der Wahl zum Präsidium viel zu niedrigen Leistungen der Grund- hat die GEW Hessen ihren Mitgliedern geben wird.“ Nun höre man, „dass er sicherung. Minijobberinnen und Mini- im Beamtenverhältnis jährlich „zur hinter den Kulissen eine treibende Kraft jobber mussten bittere Einkommens- Weihnachtszeit“ empfohlen, Anträge war“, um den Vorschlag der grünen verluste einstecken, doch gerade in auf amtsangemessene Besoldung zu Wissenschaftsministerin Angela Dorn Krisenzeiten müssten sich Beschäftig- stellen. Da die gerichtlichen Verfahren zu verhindern, wonach das Präsidium te auf ein soziales Sicherungsnetz ver- noch nicht abgeschlossen sind, sollten der Goethe-Universität „wie an allen lassen können. „Minijobs lösen dieses diejenigen, die den Antrag bisher noch anderen hessischen Hochschulen durch Versprechen nicht ein“, beklagte Rudol- nicht gestellt haben, dies nachholen. eine paritätische Findungskommission ph, „denn dem vermeintlichen Vorteil Die mit der Entscheidung des Bundes- vorbereitet werden soll“. Nach dem jetzt eines Brutto-für-Netto-Verdienstes ste- verfassungsgerichts vom 4. Mai 2020 vorgelegten Entwurf erfolgt dies nur hen Niedriglöhne und Altersarmut ge- veränderten Maßstäbe der amtsange- noch „unter Einbeziehung“ von Mit- genüber.“ Vor allem Frauen werde so messenen Alimentation erhöhen die gliedern des Senats. die Möglichkeit einer eigenständigen Wahrscheinlichkeit, dass auch die Be- Auch bei den anderen Änderungen, Existenzsicherung verwehrt. Das „Sys- soldung in Hessen sich letztlich vor Ge- unter anderem zur Möglichkeit eines tem Minijob“ müsse abgeschafft wer- richt als zu niedrig erweist. Weitere In- Teilzeitstudiums, favorisiert die GEW den: „Alle Beschäftigungsverhältnisse formationen findet man in dieser HLZ den ursprünglichen Entwurf des Minis- müssen ab dem ersten Euro Einkom- auf Seite 35. teriums (mehr in dieser HLZ auf S. 35). men sozial abgesichert werden.“
TITELTHEMA HLZ 11/2021 8 Wahlen, Beschlüsse, Aktionen Landesdelegiertenversammlung am 23. und 24. September in Fulda Dass auf der Landesdelegiertenversammlung (LDV) am 23. überraschende Ankündigung von Maike Wiedwald, nicht und 24. September in Fulda nur wenig Zeit für inhaltliche erneut für die Funktion der Landesvorsitzenden zu kandi- Debatten bleiben würde, kam für die rund 270 Delegierten dieren, wenige Wochen vor der Wahl gehörig durcheinan- aus den Kreisverbänden und Fach- und Personengruppen der gewirbelt worden. Was Maike bewog, ihre erneute Kan- nicht überraschend. Vorrangig standen die Wahlen zum ge- didatur - nach dem lange angekündigten Rückzug von Birgit schäftsführenden Vorstand und die satzungsmäßigen Regu- Koch - jetzt in einem Tandem mit Thilo Hartmann zurück- larien für die Entlastung des Vorstands und die Aufstellung zuziehen, kann man in der HLZ auf Seite 17 nachlesen. Thi- eines neuen Haushalts auf der Tagesordnung, die 2020 pan- lo Hartmann entschied sich nach langen Überlegungen und demiebedingt um ein Jahr verschoben werden mussten. An- vielen Gesprächen, als Einzelperson für die Funktion des Lan- ders als sonst standen zudem nur zwei Tage zur Verfügung. desvorsitzenden zu kandidieren, auch wenn er sich in seiner Die pandemiebedingten Einschränkungen minderten jedoch Vorstellungsrede in vielen Funktionen als „Teamplayer“ be- nicht die Freude der Delegierten, sich endlich wieder in Prä- zeichnete. Der bisherige stellvertretende Landesvorsitzende senz austauschen zu können. Tony C. Schwarz, der zunächst erneut als Stellvertreter kan- GEW-Geschäftsführerin Karola Stoetzel und das Team didieren wollte, entschied sich unter diesen Bedingungen da- der Beschäftigten der Landesgeschäftsstelle hatten auf jeden für, sich im Tandem gemeinsam mit Manon Tuckfeld gegen Fall in der Vorbereitung alles getan, um diese Freude nicht die Einzelbewerbung von Thilo Hartmann für die Funktion zu trüben, und für einen reibungslosen Ablauf gesorgt. Das des Landesvorsitzenden zu bewerben. galt insbesondere auch für die technische Seite, denn es galt auch die Delegierten in vollem Umfang einzubeziehen, die di- Hitzige Debatte nach Rückzug von Maike Wiedwald gital in Wort, Bild und Abstimmungsmodalitäten zugeschal- Den engagierten Bewerbungsreden von Thilo (Kreisverband tet waren. Auch wenn die erste digitale Probeabstimmung Offenbach-Land), Manon (Kreisverband Wiesbaden) und „Kaffee oder Tee?“ noch etwas holprig lief, konnten bei allen Tony (Kreisverband Bergstraße) schloss sich eine rund drei- Abstimmungen alle Delegierten ihr Stimmrecht ausüben und stündige kontroverse Aussprache an, in der die Kandidatin die Zahl der Fehlermeldungen, die von den immer präsenten und die Kandidaten zahlreiche Fragen beantworten mussten. mobilen Helferinnen und Helfern bearbeitet werden muss- Unstrittig war das Engagement der Bewerberin und der Be- ten, ging von Abstimmung zu Abstimmung zurück. Übrigens werber für die hessische GEW und ihre politischen Ziele, sei hatte der Kaffee mit deutlicher Mehrheit die Nase vorn…. es als Vorsitzende eines Gesamtpersonalrats wie Tony und Ebenfalls einen tollen Job machten das Tagungspräsidium Manon oder als Mitglied im Referat Tarif, Besoldung und Be- mit Heike Lühmann, Folker Albrecht-Rubertus, Lore Salomon, amtenrecht wie Thilo. Trotz unterschiedlicher Akzente, die Daniel Gnida und Christina Nickel und der Wahlausschuss sie in die Diskussion einbrachten, waren kaum Differenzen mit Irina Kilinski, Irmi Richter, Ralf Amann, Friedhelm Ernst in der politischen Einschätzung der wesentlichen Arbeits- und Stefan Horlacher, die auch bei heftigen Debatten die felder der GEW erkennbar, so dass die von einigen Redne- Ruhe und die Übersicht behielten. rinnen und Rednern konstatierte „Spaltung der GEW“ ohne Die beiden Landesvorsitzenden Birgit Koch und Maike reale Grundlage war. Dass dann am Ende gegen 21.30 Uhr Wiedwald ließen in ihren mündlichen Ergänzungen zum Ge- eine so deutliche Mehrheit von 204 Stimmen für Thilo bei schäftsbericht die Arbeit der – um ein Jahr verlängerten – 65 Stimmen für Tony und Manon votierte, dürfte dann eher Amtszeit des Landesvorstands noch einmal Revue passieren. der persönlichen Einschätzung der Delegierten geschuldet Ihr besonderes Augenmerk galt der Zusammenarbeit mit dem sein, wem sie es eher zutrauen, die unterschiedlichen Sicht- Landeselternbeirat und der Landesschülervertretung in einem weisen in der GEW zu verbinden und zusammenzubringen. Bündnis, das auch in der Pandemie Bestand hatte und öf- Bei der Wahl der stellvertretenden Vorsitzenden wurde zu- fentlich mit einer Stimme sprach – zuletzt bei einer gemein- nächst Simone Claar, die sich bisher im Referat Hochschu- samen Pressekonferenz zum Schuljahresbeginn (HLZ S.6). le und Forschung engagiert hatte, mit der großen Mehrheit Das Schatzmeisterteam Jochen Nagel und Ulrike Noll hat- von 224 von 262 Stimmen gewählt. Nathalie Schäfer, Mit- te anders als üblich den Entwurf für den Haushalt des GEW- glied im Landesstudierendenausschuss der GEW, hatte zu- Landesverbands nur für ein Jahr aufgestellt, da für Herbst vor ihr überzeugendes Auftreten im Hochschulbereich gegen 2022 eine weitere LDV angesetzt ist, in der mehr Zeit sein das Befristungsunwesen und für eine Einbeziehung studen- soll, auch strukturelle Fragen zu erörtern. „Im Mittelpunkt tischer Hilfskräfte in den Tarifvertrag hervorgehoben und der Schatzmeisterei muss immer die politische Handlungsfä- freute sich wie viele andere, dass jetzt erstmals seit vielen higkeit der GEW stehen, nicht das Knausern und die Bildung Jahren der Hochschulbereich wieder unmittelbar im Landes- großer Rücklagen“, so ihr erneutes Credo. Die Kassenrevi- vorsitz vertreten ist. soren Rudolf Meyer und Bernd Vogeler hatten dem Landes- Eine Überraschung für die nach Fulda angereisten Dele- vorstand zuvor die ordnungsgemäße Buchführung attestiert gierten war danach die Kandidatur von Heike Ackermann und dessen Entlastung beantragt. (Kreisverband Kassel-Land) für die zweite Stelle einer stell- Die Vorüberlegungen zum Wahl des Landesvorsitzes und vertretenden Landesvorsitzenden. Sie hatte wie viele andere der stellvertretenden Landesvorsitzenden waren durch die Delegierte bis zuletzt gehofft, dass Tony Schwarz trotz der ge-
9 HLZ 11/2021 LANDESDELEGIERTENVERSAMMLUNG scheiterten Tandemkandidatur für den Landesvorsitz erneut bestimmung) oder Sebastian Guttmann und Melanie Hartert als stellvertretender Landesvorsitzender antreten werde. Im- (Referat TBB) 2017 noch nicht kandidiert hatten, konnten merhin war diese – bis zum Rückzug von Maike – angekün- sich bereits einarbeiten. Neue Mitglieder der Referate wie digte Kandidatur nicht nur vom Bezirksverband Südhessen Nina Heidt-Sommer (Schule und Bildung) oder Andrea Mei- unterstützt worden, sondern auch von zahlreichen Fach- und erl und Vera Weingardt (Hochschule und Forschung) werden Personengruppen und Kreisverbänden aus allen hessischen durch erfahrene Kollegen wie Stefan Edelmann oder Wolf- Regionen. Trotzdem präsentierte sich Heike Ackermann in ei- gang Richter-Girard unterstützt. Und Jens Zeiler als neuer ner überzeugenden und kämpferischen Vorstellungsrede kei- Leiter der Landesrechtsstelle freut sich ausdrücklich auf die neswegs als „Ersatzlösung“ und wurde dafür ebenfalls mit Zusammenarbeit mit Kathrin Kummer und Annette Loycke, einem sehr guten Ergebnis von 243 von 273 Stimmen be- den hautpamtlichen Referentinnen in der Landesrechtsstelle. lohnt. Mit Heike Ackermann ist seit vielen Jahren wieder eine Besonders erfreulich ist die Zusammensetzung des Re- Grundschullehrerin im Landesvorsitzendenteam. ferats Sozialpädagogik, in dem jetzt neben Annette Karsten für die sozialpädagogischen Fachkräfte an Schulen auch Ja- Wahl der Referate im geschäftsführenden Vorstand nina Piee für die Erzieherinnen und Erzieher und Steve Ko- Auf die neuen Vorsitzenden, die wir in dieser HLZ persön- the für die sozialpädagogischen Arbeitsfelder außerhalb der lich vorstellen (S.10), kommt viel Arbeit zu, denn durch die Schule mitarbeiten. persönlichen Entscheidungen des bisherigen Teams sind - Neben dem Wahlmarathon setzte die LDV mit den Bera- anders als in den letzten Jahrzehnten – alle Personen an tungen über einen Leitantrag (HLZ S.12), einer Aktion zur der Spitze der GEW neu im Amt. Aber sie können sich der Tarifrunde und der Teilnahme einer größeren Delegation am Unterstützung durch Geschäftsführerin Karola Stoetzel, die Aktionstag von Fridays for Future in Fulda weitere politische hauptamtlichen Referentinnen und Referenten für Tariffra- Akzente. Der „bunte Abend“ zur Verabschiedung der Kolle- gen, Bildung, Bildungsfinanzierung, Recht oder Hochschule ginnen und Kollegen, die im letzten Jahr oder mit dieser LDV und durch alle Beschäftigten in der hervorragend aufgestell- aus Funktionen in der GEW Hessen ausgeschieden sind, ge- ten Landesgeschäftsstelle gewiss sein. Und auch die Zusam- riet nach den Wahlen etwas kurz, aber die Gruppe „Stimm- mensetzung der ebenfalls auf der LDV gewählten Referate bänd“ und die politischen und emotionalen Abschiedsreden des Landesvorstands wird für Kontinuität sorgen. Einige Kol- sorgten für bleibende Erinnerungen (HLZ S.16). leginnen und Kollegen, die wie Peter Zeichner (Referat Mit- Harald Freiling, HLZ-Redaktion Wahl der Mitglieder des geschäftsführenden Vorstands Grußworte von Maike Finnern, ab- Ent- Bundesvorsitzende Kandidatinnen Funktion gege- ja nein hal- der GEW und Kandidaten ben tung Thilo Hartmann 204 - Vorsitz Tony Schwarz und 272 3 65 - Manon Tuckfeld stellvertretende Simone Claar 262 224 11 27 Vorsitzende stellvertretende Heike Ackermann 273 243 18 12 Vorsitzende Schatzmeister/in Ulrike Noll Blumen von den 249 222 14 13 neuen Landes- (Team) Jochen Nagel vorsitzenden für Leiter der Lan- das neue Referat Jens Zeiler 242 230 4 8 desrechtsstelle Hochschule HLZ-Redakteur Harald Freiling 246 233 3 10 und Forschung: Schule und Stefan Edelmann Thilo Hartmann, 217 200 8 9 Andrea Meierl, Bildung (Team) Nina Heidt-Sommer Wolfgang Richter- Hochschule und Andrea Meierl, Wolf- Girard, Vera Forschung gang Richter-Girard, 222 216 1 5 Weingardt, Heike (Team) Vera Weingardt Ackermann Annette Karsten Sozialpädagogik Steve Kothe 219 216 1 2 Konzentrierter (Team) Janina Piee Wahlausschuss: Weiterbildung u. Irina Kilinski, keine Kandidaturen - - - - Friedhelm Ernst, Bildungsmarkt Tarif, Besol- Irmi Richter Sebastian Guttmann dung, Beamten- 219 210 6 3 Melanie Hartert recht (Team) Mitbestimmung, Dana Lüddemann gewerkschaftli- 226 206 9 11 Peter Zeichner che Bildung Aus- und Fort- Andrea Gergen 229 216 6 7 bildung (Team) Christina Nickel
TITELTHEMA HLZ 11/2021 10 Wir sind die Neuen GEW wählt ein neues Team für den Landesvorsitz Auf den neuen Landesvorsitzenden Thilo Hartmann und die GEW neu im Amt. Grund genug, dass sie sich einmal per- beiden stellvertretenden Vorsitzenden Heike Ackermann und sönlich vorstellen. Die drei Texte wurden für die HLZ bear- Simone Claar kommt viel Arbeit zu, denn - anders als in den beitet und beruhen auf ihren Vorstellungsbriefen an die De- letzten Jahrzehnten – sind alle Personen an der Spitze der legierten der Landesdelegiertenversammlung. Nulltarif! Um hier gegenzusteuern, möchte ich vier Arbeits- Thilo Hartmann, Landesvorsitzender felder besonders in den Blick nehmen: Bildungsgerechtigkeit, Ich bin 44 Jahre alt, verheiratet, habe zwei Kinder im Grund- gute Arbeitsbedingungen, Mitbestimmung und Stärkung der schulalter und arbeite seit 2004 als Lehrkraft für Deutsch, Strukturen in der GEW. Deutsch als Zweitsprache und Spanisch an einer Kooperati- Bildungsgerechtigkeit fängt bei den Kleinsten an. Gute ven Gesamtschule in Dietzenbach. Aufgrund der Schwierig- Qualität benötigt ausreichend Personal. Solange wir in Hes- keiten bei der Anerkennung meines spanischen universitären sen keinen Personalschlüssel von 1:2 bei unter Einjährigen, Abschlusses arbeitete ich vor meiner Verbeamtung zunächst 1:3 bis 3 Jahre, 1:8 für Kinder bis 6 Jahren und 1:10 in der drei Jahre im Angestelltenverhältnis, mit befristeten Verträ- schulischen Betreuung haben, wird dies ein Schwerpunkt gen und ohne Sommerferienbezahlung. In der GEW engagie- der GEW-Arbeit im Kitabereich sein. Bildungsgerechtigkeit re ich mich in vielen verschiedenen Arbeitsbereichen: Ich bin bedeutet aber auch, das Befristungsunwesen an den Hoch- GEW-Obmann meiner Schule, Sprecher der Vertrauensleu- schulen zu bekämpfen. Ausdrücklich unterstütze ich zudem te sowie Rechtsberater im Landkreis Offenbach, Mitglied im die Forderung der vielen tausend studentischen Hilfskräfte Vorsitzendenteam des Kreisverbands Offenbach-Land und im nach Tarifschutz durch Aufnahme in den TV-H. Nirgendwo Leitungsteam des Referats Tarif, Besoldung und Beamtenpo- sonst ist der Bildungserfolg junger Menschen so sehr an Her- litik (TBB) der GEW Hessen, für das ich auch in die Verhand- kunft und Finanzkraft der Eltern gekoppelt wie in Deutsch- lungskommission bei den aktuellen Tarifverhandlungen zum land. Das Narrativ der Existenz „bildungsferner Schichten“ TVH berufen wurde. Als Schul- und Gesamtpersonalrat gilt sucht die Verantwortung hierfür einzig bei den Benachtei- mein Engagement dem Einfordern und Durchsetzen der Mit- ligten. Ich sehe es als vordringliche Aufgabe der GEW an, bestimmungsrechte. Als Mitglied im Schulungsteam Südhes- dem ein Konzept der „barrierefreien Bildung“ entgegenzu- sen sowie des Offenbacher Schulungsteams sowie Mitautor stellen. Konkret bedeutet dies unter anderem ebenso frühes des Ratgebers für Schulpersonalräte ist es mir ein Anliegen, wie langes gemeinsames Lernen, eine von den Bedürfnissen andere Personalräte bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Auch jeden Kindes her gedachte Inklusion, ausreichend Zeit für außerhalb der Schule engagiere ich mich für das Recht auf die Stärkung emotionaler und sozialer Fähigkeiten sowie die Teilhabe aller Menschen und gegen Diskriminierung, z.B. als flächendeckende Einrichtung echter Ganztagsschulen. Bil- Mitglied der VVN-BdA, des Vereins Autismus Rhein-Main dungsgerechtigkeit und Privatisierung von Bildungsange- oder des Bündnisses „Bunt statt Braun“ in Dietzenbach. boten schließen sich meiner festen Überzeugung nach aus, Corona hat die Schwächen des Bildungssystems in Hes- denn Privatisierung führt zu stärkerer Ungleichheit, steigen- sen schonungslos offengelegt. Wir Beschäftigte in Wissen- den Kosten und häufig zu sinkender Qualität der Angebote. schaft und Bildung leiden schon lange unter der Epidemie Bildungsgerechtigkeit bedeutet für mich zudem, sich ge- der Mangelfinanzierung. Personalmangel und Investitions- gen Ausgrenzung und für ein gleichberechtigtes, friedliches stau führen zu großer Arbeitsbelastung, zu Entgrenzung der Zusammenleben zu engagieren. Gemeinsam mit euch möch- Arbeitszeit, zu prekären Beschäftigungsverhältnissen und zu te ich daher auch in Zukunft klare Kante zeigen, sei es gegen schlechterer Qualität der Bildungsangebote. Gute Bildung rechts, gegen Homophobie oder gegen die Versuche der Bun- aber braucht beste Bedingungen und die gibt es nicht zum deswehr, in Schulen zu rekrutieren. Insbesondere der Arbeits- platz Schule ist in der Theorie sehr demokratisch ausgestal- tet. Trotzdem ist es für Personalräte und Gesamtkonferenzen immer schwieriger, tatsächlich Einfluss auf die Ausgestaltung ihrer Arbeitsbedingungen zu nehmen. Die Stärkung dieser Gremien durch gezielte Fortbildungs- und Unterstützungs- angebote muss daher weiter ausgebaut und der im Bündnis mit den DGB-Gewerkschaften begonnene Prozess der Wei- terentwicklung des HPVG aktiv begleitet werden. Um dieser Fülle an Aufgaben gerecht zu werden, gilt es schließlich, die Struktur der GEW Hessen kritisch zu hin- terfragen und gemeinsam mit euch weiterzuentwickeln. Ein besonderes Augenmerk möchte ich zudem auf die Mitglie- derentwicklung und -aktivierung, insbesondere der jungen Kolleg:innen legen. Ehrenamtliche GEWerkschaftliche Arbeit ist nur möglich, wenn diese mit Arbeit und gleichberechtig- ter Wahrnehmung der Sorgearbeit vereinbar ist. Thilo Hartmann mit den bisherigen Landesvorsitzenden Maike Wied- wald (links) und Birgit Koch (rechts).
11 HLZ 11/2021 LANDESDELEGIERTENVERSAMMLUNG Dr. Simone Claar, stellvertretende Vorsitzende Ich bin 38 Jahre alt, Politikwissenschaftlerin mit Studium an der Philipps-Universität Marburg und der University of Stellenbosch in Südafrika. Ich habe an der Goethe-Univer- sität Frankfurt promoviert und arbeite seit 2015 an der Uni- versität Kassel. Aktuell leite ich eine Nachwuchsgruppe zur Energiewende in Afrika. Wissenschaftlich liegen mir The- men von Staatlichkeit, Kapitalismus und sozialökologischer Transformation am Herzen, die aber auch Schnittstellen zu aktuellen bildungspolitischen und gewerkschaftlichen Debat- ten liefern. Während die Nachwuchsgruppe in der Begutach- tung war, ergriff ich die Chance 15 Monate als Referentin für Lehrer:innenbildung im GEW-Hauptvorstand zu arbeiten. Auf diesem Weg habe ich einen sehr guten Einblick in die bundesweiten Debatten zu Lehrer:innenbildung, aber auch in die GEW-Strukturen gewonnen. Seit vier Jahren leite ich in Hessen das Referat Hochschule und Forschung und seit drei Jahren die entsprechende Bundesfachgruppe im Team. Mein Antrieb ist: Chancengleichheit, Bildungsgerechtig- von links: Heike Ackermann, Thilo Hartmann und Simone Claar keit, gute Arbeit und Studium bzw. Ausbildung, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Anerkennung und Wertschätzung am Ar- Heike Ackermann, stellvertretende Vorsitzende beitsplatz und Entfristung von Arbeitsverträgen. Während des Studiums habe ich mich bei den Protesten gegen Studi- Ich bin 55 Jahre alt, geschieden, habe zwei erwachsene Töch- engebühren engagiert. Seit 2008 setze ich mich gemeinsam ter und lebe im Landkreis Kassel. Mein Lehramtsstudium in mit meiner Gewerkschaft für bessere Arbeits- und Studien- den Fächern Sachunterricht, Religion und Musik absolvier- bedingungen an den Hochschulen ein. Mein Arbeitsplatz ist te ich an der Universität Kassel, mein Referendariat an einer die Hochschule und ich will dort unsere Initiativen für gute Grundschule im Landkreis Kassel. Nach meinem 2. Staats- Arbeit, Entfristung, gute Studienbedingungen und Vernet- examen wurden nicht viele Lehrerinnen und Lehrer einge- zung fortführen. Dazu gehört, die Mitbestimmung und die stellt. Daher war ich in fünf Jahren an zwölf verschiedenen demokratischen Strukturen in den Hochschulen zu stärken Schulen eingesetzt, darunter auch Förderschulen und Ge- und gegen eine zunehmend autoritäre Steuerung und Priva- samtschulen, und zwar - wie damals üblich - im Angestell- tisierung von Bildungseinrichtungen einzutreten. Ich möch- tenverhältnis, befristet und ohne Bezahlung der Ferien. Als te einen Beitrag dazu leisten, dass wir durch eine verstärkte ich endlich einer festen Stammschule zugeteilt war, habe Mitgliedergewinnung auch in Zukunft tarif- und bildungs- ich mich im Schulpersonalrat engagiert. 2012 wurde ich in politisch sichtbar sind und Politik mitgestalten. Dazu gehört den Gesamtpersonalrat gewählt. Seit 2019 führe ich den Be- auch unsere eigenen Strukturen zu überdenken, so dass ge- zirksverband Nordhessen als Teamvorsitzende. In den letzten werkschaftliches Engagement und Sorgearbeit vereinbar sind. zehn Jahren konnte ich nicht nur die Kreisvorstandsarbeit, Es braucht neben einer Vereinbarkeit von Familie und Beruf sondern zuletzt auch die des geschäftsführenden Vorstands auch eine Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Ehrenamt. kennenlernen. Ich bin Mitglied der Fachgruppe Grundschule, Gute Arbeits- und Ausbildungsbedingungen brauchen wir arbeitete im Arbeitsschutzausschuss mit und nehme an den nicht nur in den Hochschulen, sondern in allen Bildungsein- Sitzungen eines inklusiven Schulbündnisses und der Schul- richtungen, damit eine inklusive demokratische Bildung von kommission des Landkreis Kassel teil. Kleinkindern bis Senior:innen möglich ist. Eine faire Bezah- Die Grundschule wird in unserem Bildungssystem stief- lung und gute Arbeitsbedingungen sind nur mit einer nach- mütterlich behandelt und unsere Arbeit in diesem Bereich haltigen soliden Bildungsfinanzierung in allen Organisati- nicht genügend wertgeschätzt. In der Grundschule wer- onsbereichen machbar. Gesellschaftspolitisch sehe ich es als den Grundlagen geschaffen und die Weichen für die weitere unsere Aufgabe, unsere Stimme gegen rechts zu erheben, die Schullaufbahn gestellt. Die Arbeit an der Grundschule ver- politische Bildung zu stärken und uns als Bildungsgewerk- dient mehr Anerkennung und endlich A13. Deshalb möchte schaft in die Debatten für eine nachhaltige und klimagerech- ich gemeinsam mit euch für faire und gute Arbeitsbedingun- te Zukunft einzubringen. Ich wünsche mir, dass die GEW als gen kämpfen, den Arbeits- und Gesundheitsschutz verbes- Bildungsgewerkschaft überall dort für gute Bildung und bes- sern, kleinere Klassen und die Einstellung von mehr pädago- sere Bedingungen streitet, wo Menschen bilden und sich bil- gischem Personal durchsetzen. Rassismus, Benachteiligung den, also nicht nur in Schulen, sondern auch in der Kita, der und Diskriminierung stellen für mich rote Linien in meinem Hochschule, der Erwachsenen- und Weiterbildung sowie in privaten und beruflichen Umfeld dar. sozialen Einrichtungen. Der Blick über den Tellerrand leitet mich auch in meinem kommunalen Engagement und in verschiedenen Ehrenäm- Hochschulen in der Tarifrunde 2021 in Hessen tern. Hier engagiere ich mich unter anderem für Freizeiten Die GEW fordert mit den anderen Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes in der Tarifrunde 2021 die Einbeziehung der studentischen für Alleinerziehende, für ein nachhaltiges Rad- und Fußgän- Hilfskräfte in den TV-H. Die GEW erwartet außerdem ernsthafte gerkonzept in meiner Gemeinde und bei der Wiederbelebung Verhandlungen über die Schaffung von mehr unbefristeten Stel- eines Schwimmbads. Seit dem ersten Lockdown unterstüt- len an hessischen Hochschulen: www.gew-hessen.de /tarifrunde- ze ich ehrenamtlich das Pflege- und Betreuungspersonal im hessen-2021 örtlichen Altenheim.
TITELTHEMA HLZ 11/2021 12 Gute Bildung und gute Arbeit Bildungs- und beschäftigungspolitische Leitlinien der GEW Hessen Die Landesdelegiertenversammlung am 23. und 24. Septem- Dies soll auf einer weiteren Landesdelegiertenversammlung ber hatte sich vorrangig mit den Wahlen zum geschäftsfüh- im Herbst 2022 nachgeholt werden. Trotzdem war auch jetzt renden Vorstand und den satzungsmäßigen Regularien für schon genug Zeit, um über die folgenden bildungs- und be- die Entlastung des Vorstands und die Aufstellung eines neu- schäftigungspolitischen Leitlinien der GEW Hessen für die en Haushalts zu befassen, die 2020 pandemiebedingt um nächsten drei Jahre zu diskutieren. Die HLZ dokumentiert den ein Jahr verschoben werden mussten. Deshalb blieb wenig Antrag, der einstimmig beschlossen wurde, im vollen Wort- Zeit für die vorliegenden Anträge und inhaltliche Debatten. laut, außerdem in Auszügen die Resolution zur Tarifrunde. Die GEW Hessen setzt sich auch weiterhin für deutliche Verbes- zuerhalten, sondern sie weiter zu schärfen. Wir müssen sie mit serungen im Bildungssystem ein. Dabei geht es um den Zugang noch mehr Nachdruck in die politischen Debatten und in die zu hochwertigen Bildungsangeboten von der Kita bis zur Wei- kommenden Tarif- und Besoldungsrunden einbringen. Hier sol- terbildung für alle, unabhängig vom sozialen Hintergrund. Dies len die wichtigsten Elemente skizziert werden, die jeweils für setzt gute Beschäftigungsbedingungen und die Aufwertung der sich noch weiter auszudifferenzieren sind. pädagogischen Professionen in allen Bildungsbereichen voraus, wie sie von der GEW im Rahmen ihrer Tarif- und Besoldungspo- Chancenungleichheit bekämpfen litik eingefordert werden. Unter den Bedingungen der Corona- Die bestehende Chancenungleichheit hat sich, was die Bildungs- Pandemie sind die massiven Versäumnisse der verantwortlichen beteiligung und den Bildungserfolg anbelangt, durch die Pande- Akteure - insbesondere der letzten hessischen Landesregierun- mie weiter vergrößert. Kurzfristig muss daher alles dafür getan gen - mehr als deutlich zu Tage getreten: Fachkräftemangel, vie- werden, die besonders benachteiligten Kinder und Jugendlichen lerorts marode Gebäude, mangelhafte Digital-Ausstattung und gezielt zu fördern. Gleichwohl kann es perspektivisch ein ge- vieles mehr. Es gilt daher, die von uns entwickelten bildungs- rechtes Bildungssystem nur im Rahmen eines gemeinsamen Ler- und beschäftigungspolitischen Positionen nicht nur aufrecht- nens in einer attraktiven Schule für alle geben. Die Mehrglied- rigkeit der Schulstruktur muss überwunden werden, vor allem Kitas und Schulen in einem herausfordernden Umfeld müssen Erklärung der LDV zur Tarif- und Besoldungsrunde gezielt unterstützt werden. Die Corona-Pandemie mit ihren verheerenden gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen stellt eine der größ- Für gesunde Räume in Kita, Schule und Hochschule ten gesellschaftlichen Herausforderungen der letzten Jahrzehnte Kitas, Schulen und Hochschulen sind vielerorts in einem bekla- dar. In dieser Krise hat der öffentliche Dienst auch in Hessen sei- genswerten baulichen Zustand. Wurde die GEW Hessen noch ne Leistungsfähigkeit sehr deutlich unter Beweis gestellt - und vor einiger Zeit im Hessischen Landtag der Dramatisierung be- dies unter erschwerten Bedingungen. Die Politik der Schulden- zichtigt, sind jüngst wiederholt Decken heruntergekommen, gan- bremse hat in vielen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsor- ze Schulen mussten wegen Einsturzgefahr geschlossen werden. ge zu Personalmangel und mangelnder Ausstattung geführt. Ne- Schlecht zu lüftende Räume schaden dem Gesundheitsschutz ben den Bereichen Pflege, Gesundheit und Verwaltung war der - nicht nur in pandemischen Zeiten. Darüber hinaus erfordern Bildungsbereich hiervon besonders betroffen. Dass es an Kitas, auch viele pädagogische Methoden sowie der Ganztag bedarfs- Schulen und Hochschulen trotz dieser Schwierigkeiten gelun- gerechte Räumlichkeiten. Daher fordern wir nach wie vor eine gen ist, die gesellschaftlich so wichtigen Aufgaben auf qualitativ Bestandsaufnahme des Sanierungsstaus und ein darauf aufbau- hochwertige Art zu erfüllen, ist dem persönlichen Engagement endes, auf mehrere Jahre ausgelegtes Investitionsprogramm. der Beschäftigten zu verdanken. Ihnen gebührt eine angemes- sene Anerkennung für ihren Einsatz. Diese Anerkennung darf sich aber nicht nur in Sonntagsreden niederschlagen, sondern Lehrkräftemangel beseitigen muss für die Beschäftigten auch beim Einkommen spürbar sein! Trotz starker Proteste ist die Landesregierung das Thema Lehr- Die GEW Hessen steht für eine Aufwertung der Arbeit im kräftemangel zu spät angegangen, die inzwischen erfolgte Aus- Bildungsbereich, denn gute Bildung braucht beste Bedingun- weitung der Studienplätze reicht nicht aus. Wir fordern daher gen! Der Fachkräftemangel im Bildungsbereich zeigt deutlich, einen weiteren Ausbau, so dass die noch immer bestehenden dass die hessischen Arbeitsbedingungen attraktiver gestaltet Zulassungsbeschränkungen entfallen. Die Einführung einer Ein- werden müssen, um mehr junge Menschen für Berufe in Schu- gangsbesoldung nach A 13 an den Grundschulen muss endlich len und Hochschulen zu begeistern. Dazu muss das Land nicht alleine aufgrund der professionellen Anforderungen erfolgen - nur die Ausbildungskapazitäten erhöhen, es muss auch beim aber ohne sie wird Hessen auch den Lehrkräftemangel nicht be- Entgelt konkurrenzfähig bleiben. Und wir widersprechen In- wältigen, da immer mehr Grundschullehrerinnen und -lehrer in nenminister Peter Beuth ausdrücklich, wenn er die berechtig- Bundesländer mit „A13 für alle“ abwandern werden. Der An- ten Forderungen der Tarifbeschäftigten und der studentischen teil der befristet beschäftigten Lehrkräfte ist inzwischen auf acht Hilfskräfte als „deutlich überzogen und nicht generationenge- Prozent angestiegen, jede zehnte Unterrichtsstunde wird von ei- recht“ bezeichnet. ner nicht (voll) ausgebildeten Lehrkraft gehalten. Daher ist ein • Die Forderungen der GEW Hessen zur Tarif- und Besol- Qualifizierungsangebot für diese Gruppe dringend erforderlich. dungsrunde 2021 findet man im Wortlaut unter www.gew- Dieses muss zum Erwerb eines Lehramts hinführen und so den hessen.de. Weg in eine Dauerbeschäftigung eröffnen.
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