Arbeits- und Gesundheitsschutz - Pflichtstunden reduzieren - Altersteilzeit fortsetzen!
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Titelthema: Arbeits- und Gesundheitsschutz Pflichtstunden reduzieren – Altersteilzeit fortsetzen! GEW-Landesvorstand beschließt Mobilisierung für Streik am 17. November
ARBEITSNIEDERLEGUNG AM 17. NOVEMBER HLZ 10–11/2009 2 Zeitschrift der GEW Hessen Wenn Lehrer streiken … In jedem Fall wird der Arbeitgeber für Erziehung, Bildung, Forschung ISSN 0935-0489 für den Streiktag kein Gehalt zahlen. Die GEW Hessen ruft nicht zum ersten Wir freuen uns über alle Kolleginnen I M P R E S S U M Mal verbeamtete Lehrerinnen und Leh- und Kollegen, die sich dem Streik an- rer zu einer eintägigen Arbeitsniederle- schließen. Streikgeld erhalten aber nur Herausgeber: gung auf. Auch wenn der Europäische Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft die Mitglieder der GEW (und alle, die Landesverband Hessen Gerichtshof für Menschenrechte gerade spätestens am Streiktag ihre Mitglied- Zimmerweg 12 in diesen Tagen ein generelles Streik- schaft erklären). Grundlage des Streik- 60325 Frankfurt/Main verbot für Beamten und Beamte als Telefon (0 69) 9 71 29 30 geldes ist der monatliche Mitgliedsbei- Fax (0 69) 97 12 93 93 rechtswidrig bezeichnet hat, verwei- trag. Für einen eintägigen Streik wird E-Mail: info@gew-hessen.de gern deutsche Gerichte den Beamten das Dreifache des jeweiligen Monats- Homepage: www.gew-hessen.de dieses Grundrecht. Entscheidend war beitrags als Streikgeld gezahlt, wobei Verantwortlicher Redakteur: deshalb immer der Schutz der großen ein Streiktag mit fünf Unterrichtsstun- Harald Freiling Klingenberger Str. 13 Zahl. Wenn sich eine große Zahl von den angesetzt ist. Werden mehr oder 60599 Frankfurt am Main Lehrerinnen und Lehrer dem Streik weniger abgezogen, erhöht oder redu- Telefon (0 69) 63 62 69 anschließt, sind übermäßige Sanktio- Fax (0 69) 6 31 37 75 ziert sich das Streikgeld um 20 % pro E-Mail: freiling.hlz@t-online.de nen ausgeschlossen. Die GEW Hessen Unterrichtsstunde. Für Teilzeitbeschäf- Mitarbeit: wird deshalb am 17. November nur tigte wird der Mitgliedsbeitrag für eine Christoph Baumann (Bildung), Joachim Euler (Aus- und dann zum Streik aufrufen, wenn minde- volle Stelle zugrundegelegt. Zusätzlich Fortbildung), Ulrich Heinz (Hochschule), Ulla Hess (Mit- stens 5.000 Lehrkräfte ihre Streik- werden 5 Euro für jedes Kind gezahlt. bestimmung), Michael Köditz (Sozialpädagogik), Annette Loycke (Recht), Carmen Ludwig (Studium), Karin Schüßler teilnahme erklären. 2003 hatte die CDU- • Weitere Informationen gibt es unter (Bildung), Andreas Staets (Hochschule), Karola Stötzel Landesregierung auf Disziplinarmaß- www.gew-hessen.de und bei den GEW- (Weiterbildung), Gerd Turk (Tarifpolitik und Gewerk- nahmen gegen Lehrkräfte verzichtet. schaften) Vertrauensleuten. Gestaltung: Michael Heckert, Harald Knöfel Titelthema: Harald Freiling Illustrationen: Träger & Träger (Titel, S. 7, 9, 11), Ina Panasenko (S. 31), Dieter Tonn (S. 34), Ruth Ullenboom (S. 4) Fotos: GEW (S. 10, 27), Kay Herschelmann (S. 24), Fabienne Kneifel (S. 33), Ryszard Majewski (S. 20, 21) Verlag: Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH Niederstedter Weg 5 61348 Bad Homburg Anzeigenverwaltung: Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH Edith Hestert Postfach 19 44 61289 Bad Homburg Telefon (06172) 95 83-0, Fax: (06172) 9583-21 E-Mail: mlverlag@wsth.de Erfüllungsort und Gerichtsstand: Bad Homburg Bezugspreis: Jahresabonnement 12,90 Euro (9 Ausgaben, einschließ- lich Porto); Einzelheft 1,50 Euro. Die Kosten sind für die Aus dem Inhalt S. 14 Suchtprobleme im Betrieb Mitglieder der GEW Hessen im Beitrag enthalten. S. 15 Der DGB-Index Gute Arbeit Rubriken Zuschriften: S. 16 Energiesparlampen umstritten Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bilder wird S. 4 Spot(t)light keine Haftung übernommen. Im Falle einer Veröffentli- Einzelbeiträge chung behält sich die Redaktion Kürzungen vor. Nament- S. 5 Meldungen lich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht mit der Mei- S. 35 Recht und Rechtsberatung S. 18 HKM kippt 50-plus nung der GEW oder der Redaktion übereinstimmen. S. 36 Magazin S. 19 Absagen für Vorbereitungsdienst S. 20 Multikulturelle Schule Titelthema: Redaktionsschluss: S. 22 Überleitung BAT - TV-H Arbeits- und Gesundheitsschutz Jeweils am 5. des Vormonats S. 24 Entgeltordnung der Länder S. 6 Schulergonomie S. 25 Ganztagsschule und Sozialstaat S. 8 Überlastungsanzeige S. 26 Arbeitsbedingungen: Sozialarbeit Nachdruck: Fotomechanische Wiedergabe, sonstige Vervielfälti- S. 9 Schulsanierung in Frankfurt S. 28 Neue Abiturverordnung gungen sowie Übersetzungen des Text- und Anzeigen- S. 10 Arbeitsschutz in der Kita S. 29 Berufsförderung vor dem Aus teils, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Ge- S. 11 Gefährliche Klassenräume S. 30 Eigenverantwortliche Schule nehmigung der Redaktion und des Verlages. S. 12 HKM: Schule und Gesundheit S. 32 Vom Innenleben der Schule Druck: S. 13 Prävention: Unfallkasse Hessen S. 34 Gemütliches Beisammensein, ade! Druckerei und Verlag Gutenberg Riemann GmbH
Arbeitsbedingungen verbessern! GEW mobilisiert für Arbeits- niederlegung am 17. November Nach einer aktuellen Studie der OECD ist der in In den Schubladen liegen bereits die Pläne zur Erhö- Deutschland bekanntermaßen geringe Anteil der öf- hung des Eintrittsalters in den Ruhestand, obwohl die fentlichen Ausgaben für Bildung am Bruttoinlands- Lehrkräfte mit durchschnittlich 65,25 Jahren bereits produkt - entgegen aller Sonntagsreden - noch einmal heute die höchste Altersgrenze haben und in anderen von 5,1 % auf 4,8 % deutlich gesunken. Deutschland Berufen mit ähnlich hoher Belastung sogar deutlich liegt im Vergleich der 28 Länder damit auf Platz 24 und geringere Altersgrenzen gelten. ist im Verhältnis zum steigenden Durchschnittswert All dies begründet Ministerpräsident Koch mit der aller Staaten weiter zurückgefallen. Auch im Bun- „finanziellen Lage“ des Landes, obwohl er in den desländervergleich von Klassengrößen und Bildungs- vergangenen Jahren im Bundesrat allen Steuergeset- ausgaben belegt Hessen innerhalb Deutschlands zen zugestimmt hat, die inzwischen zu Steuerminder- regelmäßig einen der hinteren Plätze. Nach einer Über- einnahmen im hessischen Landeshaushalt von mehr sicht der Kultusministerkonferenz haben die hessi- als einer Milliarde Euro jährlich führen. Der Verzicht schen Lehrkräfte die zweithöchste Pflichtstundenzahl. auf die Erhebung einer Vermögenssteuer kostet das Eine hessische Grundschullehrerin hat heute eine hö- Land Hessen jährlich eine weitere Milliarde. here Pflichtstundenzahl als ein „Volksschullehrer“ vor Diese Politik führt zu einer dauerhaften Überbela- 100 Jahren. stung der professionellen Arbeit in den Schulen. Sie Dennoch will die Landesregierung die Arbeitsbedin- bringt schlechtere Qualität und einen höheren Kran- gungen der Lehrkräfte weiter verschlechtern: kenstand und wird wieder zu einem Anstieg der Früh- • Die Übertragung der Arbeitszeitverkürzung wird pensionierungen führen. verweigert. • Die Möglichkeit der Altersteilzeit wurde bereits Mehr Zeit – Mehr Qualität gestoppt. In diesem Zusammenhang fordert die Vertrauensleu- • Das Eintrittsalter in den Ruhestand soll erhöht werden. teversammlung der GEW Hessen In der Vergangenheit berief sich die Regierung Koch • die zeit- und volumengleiche Übertragung der Ar- immer wieder auf die Gleichbehandlung von Beamten beitszeitverkürzung aus dem Tarifvertrag auf die und Angestellten, um die Übertragung von Verschlech- Pflichtstundenregelung der Lehrkräfte durch die terungen bei den Beamten auf den Tarifbereich zu Rücknahme der Pflichtstundenerhöhung von 2004 rechtfertigen. Das soll jetzt nicht mehr gelten, wenn es ab kommendem Schulhalbjahr, um die Übertragung des Tarifkompromisses auf die • 10.000 zusätzliche Deputatsstunden für die Lehr- Beamtinnen und Beamten geht. Im Tarifbereich ist die kräfte an den Schulen, 42-Stundenwoche der „Operation düstere Zukunft“ • die Fortsetzung der Altersteilzeitregelung, aus dem Jahr 2003 vom Tisch, aber für alle Lehrerinnen • die Besetzung der freiwerdenden Stellen durch voll und Lehrer soll es bei der erhöhten, extrem hohen ausgebildete Lehrkräfte und Pflichtstundenzahl bleiben. Die Arbeitszeitverkürzung • die Rücknahme der Erhöhung des Renteneintritts- als ein wesentlicher Teil des Tarifkompromisses soll alters und keine Erhöhung des Pensionseintrittsalters den Lehrkräften vorenthalten werden. Stattdessen soll als Alibi für bis zu 50-jährige Lehrerinnen und Lehrer Die Vertrauensleuteversammlung unterstützt die Be- ein Zwangslebensarbeitszeitkonto eingerichtet wer- schlüsse des GEW-Landesvorstands zur Mobilisierung den, das den Betroffenen überhaupt nichts bringt. für eine eintägige Arbeitsniederlegung am 17. Novem- Anstatt der hohen Arbeitsbelastung in den Schulen ber 2009. durch eine sozial verträgliche Regelung für den Über- Die Resolution wurde von der Versammlung der Schulvertrauensleute der gang in den Ruhestand Rechnung zu tragen, wurde GEW Hessen am 18. 9. 2009 mit überwältigender Mehrheit beschlossen und nicht nur die Möglichkeit der Altersteilzeit gestoppt. vom GEW-Landesvorstand am 19. 9. 2009 einstimmig bestätigt.
SPOT(T)LIGHT HLZ 10–11/2009 4 Weg damit! oder macht seinen Flugschein. Solche Lebensänderungen können natürlich auch beängstigend sein, deshalb suchen sich manche lieber eine größere Woh- nung, bevor sie sich von Büchern, Ord- nern und Pullundern trennen. Lehrer sind manische Sammler. Was und bauen hohe Stapel rund um ihren Was macht man nun am Ende seines immer sie für ihren Unterricht gebrau- Schreibtisch, auf allen Treppenstufen Berufslebens mit den vielen Schulsa- chen könnten, wird aufgehoben. Aller- und allen verfügbaren Schränken. Man- chen? Einfach wegwerfen? Die kann dings findet man den Artikel zur trostlo- che halten sich sogar Zeitschriften- schließlich noch jemand brauchen! Also sen Situation der Wildkatze in Tadschi- sammlungen direkt neben dem Klo. An- werden die Schätze in der Schule ausge- kistan sowieso nicht, wenn man ihn in dere lagern Materialien in die Schule legt. Mit kleinen Zetteln dran: „Zum Erdkunde einsetzen will. Aber es wäre aus, sofern sie dort einen freien Kubik- Mitnehmen!“ Gerade die jüngeren Kolle- ein Riesenfehler, vorzeitig (also vor der meter finden. Es gibt viele überfüllte gen freuen sich ungemein über eingeris- Pensionierung) auszumisten. Mit Sicher- Schränke in Klassenräumen und Lehrer- sene Plastikhefter, Aquarellfarbkästen mit heit würde man das Interview mit der zimmern, deren Inhalt niemandem mehr nur noch fünf Brauntönen und Bleistift- buddhistischen Nonne gerade dann su- eindeutig zuzuordnen ist. Aber kann halter aus der Nachkriegszeit. Begeistert chen, wenn man den entsprechenden man die Mikroskope, Metronome, Turn- sammeln sie gelungene Unterrichtsent- Ordner (Welches Stichwort bloß? Inter- hosen und leeren Marmeladengläser ein- würfe von 1973, alte Schülerzeitungen views? Weltreligionen? Berufskunde?) fach wegwerfen? Lieber legt man sie im und Blumentöpfe ein. Raffen unvollstän- in die Altpapiersammlung gegeben hat. schwer zugänglichen Oberschrank ab. dige Schachspiele und Duden aus der Zeit Weil man nie ganz sicher weiß, was man Nun erreichen immer mehr Kollegen vor der Rechtschreibreform an sich (so- eventuell mal weggeworfen hat, wühlt das Pensionsalter und misten richtig aus. viel hat sich ja nun auch nicht geän- man oft stundenlang vergeblich. Wahrscheinlich haben sie einen Feng- dert...). Nur die Sprachkassette „Norwe- Also heben Lehrer alles auf. Wenn sie Shui-Ratgeber gelesen: Wer seine Keller, gisch für Fortgeschrittene“ und das Zeit haben, archivieren sie nach feinsin- Garagen, Schreibtische, Schränke, Ki- Gartenbrevier „Düngen für Anfänger“ nigen Systemen und finden das Testa- sten und Kasteln entrümpelt, befreit sich liegen länger im Lehrerzimmer rum. ment der Gräfin Muschwitz aus dem auch geistig-seelisch! Oft nimmt das Le- Die neue Deutschfachleiterin will ih- Jahre 1848 auf Anhieb. Die Kollegen, die ben danach dramatische neue Wendun- ren Elan sofort sichtbar unter Beweis ich kenne, haben allerdings keine Zeit gen! Man wandert nach Tasmanien aus stellen. Also räumt sie auf. Leider ohne vorher mit allen Kollegen über jedes einzelne Arbeitsblatt Rücksprache zu nehmen. Sensationelle Texte zur Rolle der Frau in Papua-Neuguinea landen im Müll. Formulare für Bundesjugendspiele aus den achtziger Jahren (weibliche Ju- gend) ebenso. Wertvollste Dia-Samm- lungen, ein schlaffer Fußball und nie genutzte Schallplatten („Heinrich George liest Adalbert Stifter“) verschwinden über Nacht. Zerfetzte Schulbücher la- gern vorm vollen Altpapiercontainer. Ein Deutschlehrer rettet in letzter Sekun- de einen Satz Lesebücher für den 10. Jahrgang. Darin steht eine wichtige Pa- rabel von Kafka! Andere Rettungsversu- che misslingen. Die Kollegen sind be- stürzt. Sammlungen von historischer Bedeutung – einfach dem Müll überge- ben. Die neue Deutschfachleiterin wird einen schweren Stand haben. Ihr einzi- ges Verdienst ist, dass sie Küchenecke und Kühlschrank gleich mit aufgeräumt hat. An die überlagerten Milchtüten und Käsescheibletten hat sich seit Jahren niemand getraut. Und den Tee aus der grusinischen Volksrepublik trank ohne- hin keiner. Aber dass daneben auch die Videokassette mit „König Ottokars Glück und Ende“, einer Aufzeichnung aus den Berner Kammerspielen von 1958, ent- sorgt wurde, ist unverzeihlich. Gabriele Frydrych
5 HLZ 10–11/2009 MELDUNGEN Information zu den Neuer Staatsvertrag für Drohgebärden des Amtes GEW-Mitgliedsbeiträgen Hochschulzulassung für Lehrerbildung Die hessische Landesregierung hat in In der 21. Plenarsitzung des Landtags Vordemokratisches Verständnis prägt Übertragung des Tarifvertrages für die stand am 17. September die erste Lesung die Verfügung des Amtes für Lehrerbil- Angestellten des Landes auf den Beam- des Entwurfs der Landesregierung für ein dung (AfL)vom 9. 9. 2009, die die Be- tenbereich eine Erhöhung der Besol- Gesetz zum Staatsvertrag der Bundeslän- schäftigten des AfL und der hessischen dung in Höhe von 3 Prozent (rückwir- der über die Errichtung einer gemeinsa- Studienseminare in bürokratisch-auto- kend ab April 2009) sowie eine Einmal- men Einrichtung für Hochschulzulassung ritärer Amtssprache verpflichtet, den zahlung von 500 Euro beschlossen. auf der Tagesordnung. Diese soll als Dienstweg einzuhalten. Beamte müssten Teilzeitkräfte erhalten die Einmalzah- „Stiftung für Hochschulzulassung“ die „auch rechtswidrige Anordnungen be- lung anteilig. Pensionärinnen und Pen- Zentralstelle für die Vergabe von Studi- folgen“. Der „schuldhafte Verstoß“ ge- sionäre erhalten keine Einmalzahlung. enplätzen (ZVS) ersetzen, Mehrfach- gen die Anordnung könne disziplinar- Der Beitragsordnung entsprechend er- bewerbungen frühzeitig abgleichen und und arbeitsrechtliche Konsequenzen bis höht sich deshalb der Mitgliedsbeitrag Verzögerungen bei der Studienplatz- hin zur Kündigung nach sich ziehen. für Mitglieder, die diese Erhöhung er- vergabe abbauen. Der Sitz bleibt in Nord- Die Verfügung steht für die GEW im halten. rhein-Westfalen. Das Land gibt dafür etwa „eklatanten Widerspruch“ zu den Bei dieser Gelegenheit noch ein Hin- 640.000 Euro jährlich. Die Einrichtung „Grundsätzen über Zusammenarbeit und weis unserer Mitgliederbetreuung: Nach soll Leistungen für die Hochschulen nach Führung“ des AfL: Danach soll der der Sommerpause ergeben sich oft beruf- deren Wünschen und auf deren Kosten persönliche Umgang von „Respekt vor liche Veränderungen, die auch Einfluss erbringen. Das Gesetz regelt auch die der Person des anderen“ geprägt sein auf die Mitgliedsdaten der GEW haben. Ermittlung der Aufnahmekapazität und und „eine positive, konstruktive Grund- Die Landesgeschäftsstelle bittet, Adress- die örtliche Studienplatzvergabe. Am sel- stimmung vorherrschen.“ Der Landes- änderungen, Änderungen des Einkom- ben Tag ging es im Landtag auch um die vorstand der GEW Hessen protestierte mens und bei der Arbeitsstelle schriftlich Novellierung des Hessischen Hochschul- gegen die undemokratische Umgangs- mitzuteilen. Nachrichten nehmen wir ger- gesetzes und des Gesetzes über die TU weise des AfL und forderte die Amtslei- ne per E-Mail (mitgliederverwaltung@gew- Darmstadt (HLZ 9/2009). tung auf, die Verfügung zurückzuziehen. hessen.de) entgegen. Rechtsschutz und Versicherungsleistungen durch die GEW sind von der satzungsgemäßen Bezah- der Landesfachgruppe lung des Beitrags abhängig. Fachtagung Grundschule der GEW Hessen Grundschule in Hessen: Nachholbedarf bei sozialen Alles bleibt anders? Dienstleistungen Donnerstag, 29. Oktober 2009 10 bis 16 Uhr Mitte September präsentierten der hes- Bürgerhaus Frankfurt-Griesheim sische DGB-Vorsitzende Stefan Körzell Schwarzerlenweg 57 und die Vorsitzenden von GEW und AG 1: Gerechtere Ressourcenverteilung ver.di Hessen Jochen Nagel und Jürgen für die Grundschulen durch einen Bothner eine gemeinsame Publikation Sozialindex? mit Eckpunkten für eine zukunftsfähige Referenten: Dr. Jungblut, W. Söder und E. Dienstleistungspolitik in Hessen. Diegelmann, Kultusministerium, AG-Lei- Körzell verwies auf die Tatsache, dass tung: Manfred Schiwy, Schulleiter Deutschland im Vergleich zu anderen Staaten eine beträchtliche Dienstleis- AG 2: Wie wirken sich Bildungsstan- tungslücke aufweist und zwar insbeson- dards auf den Grundschulunterricht aus? dere in den Bereichen Erziehung und Referentin: Christa Göppert Bildung sowie Soziales und Gesundheit. AG 3: Bildungs- und Erziehungsplan - Nagel rechnete vor, dass eine Übertra- Übergang Kindergarten - Grundschule gung des skandinavischen Personalstands Referentinnen: Gudrun Behring, Heike in den Bereichen Erziehung und Bildung Eckelhöfer, Astrid Ries-Wenzel allein in Hessen zu rund 90.000 zusätzli- 14 Uhr: Grußwort und Vortrag der Kul- chen Arbeitsplätzen führen würde. Ge- tusministerin Dorothea Henzler und messen an den skandinavischen Verhält- Aussprache mit den Vertreterinnen und nissen fehlten in Hessen 60.000 Stellen im Vertretern des Kultusministeriums vorschulischen Bereich und 30.000 Stel- len an Schulen und Hochschulen. Kosten mit Verpflegung: 20 Euro, für GEW- • Das Eckpunktepapier steht auf der Home- Mitglieder 12 Euro, Anmeldung mit Angabe page des DGB Hessen (www.hessen.dgb.de) der Arbeitsgruppe: GEW Hessen, Postfach und der GEW Hessen (www.gew-hessen.de) 170316, 60077 Frankfurt, Fax: 069-971293- 93, E-Mail: info@gew-hessen.de als pdf-Datei zur Verfügung.
TITELTHEMA: ARBEITS- UND GESUNDHEITSSCHUTZ HLZ 10–11/2009 6 Schulergonomie Damit fängt gute Schule an Die Schule ist ein Arbeitsort. Insbesondere die Klassenräume findens. Es lohnt sich also, sich mit dem Raumklima im sind Arbeitsplätze für Schülerinnen und Schüler und für Unterricht zu beschäftigen. Lehrerinnen und Lehrer. Moderne Arbeitswissenschaft hat Die Entwicklung des Raumklimas im Klassenraum wird im die Bedeutung der Arbeitsumgebung vielfach nachgewiesen. Wesentlichen durch den Arbeitsprozess im Raum, die Charak- Kaum sonst im Arbeitsleben ist sie so primitiv gestaltet wie teristik der daran beteiligten Personen, ihre Anzahl und die in der Schule. Schulqualität wird nicht allein durch die Luftwechselrate bestimmt. Raumklima ist also nicht als natür- gängigen Kriterien wie Unterricht, Klassenfrequenzen oder liche Konstante aufzufassen. Einen besonderen Stellenwert Schülerpopulation und andere Sozialindikatoren determi- nimmt die Anfangssituation zu Beginn des Unterrichts ein; je niert. Ergonomie – Schulergonomie – bezeichnet die Ermitt- schlechter der Startwert, umso früher werden „Grenzwerte“ lung und Entwicklung möglichst günstiger Bedingungen für die CO2-Konzentration überschritten. menschlicher Arbeit in der Schule und für die Schule. An Würde der Unterricht mit der Qualität der Außenluft zwei eklatanten Beispielen ist die Dringlichkeit zu demon- beginnen, also mit ca. 350 ppm CO2, hätte die CO2-Konzentra- strieren: schlechte Atemluft in Klassenräumen und Lärm. tion im besetzten Unterrichtsraum bereits nach rund elf Minuten den Wert von 1.500 ppm und damit den nach der DIN 1946 empfohlenen Grenzwert erreicht. Bei einem An- Atemluftqualität im Unterricht fangswert von 800 ppm würde diese Grenze bereits nach Das Handbuch der Schulhygiene von August Burgerstein und sieben Minuten überschritten. Das ergibt eine Hochrechnung Leo Netolitzky (1) mit fast 1.000 Seiten erschien erstmals für einen Standard-Klassenraum mit 25 Grundschülerinnen 1898. Schon dort wird auf die „Pettenkofer Zahl“ als bis heute und –schülern bei mittlerer Aktivität. In die Modellbildung gültiges Maß für eine zu akzeptierende Konzentrations- wurde eine Luftwechselrate von 0,6 je Stunde eingerechnet, grenze für die Qualität der Atemluft im Unterricht hingewie- für die Ruhesituation eine CO2-Abgabe von 14,3 Liter pro sen, wonach eine Konzentration von 1.000 ppm CO2 nicht Stunde und Person beziehungsweise für leichte Aktivität von überschritten werden soll. Nach Pettenkofer (1858) beginnen 28,3 Liter pro Stunde und Person. ab dieser Grenze zunehmend Konzentrations- und Wahr- Die Grafik weist die Konsequenzen der Steigerung des nehmungsstörungen sowie Beeinträchtigungen des Wohlbe- CO2-Gehalts aus. Nicht nur der absolute Wert einer CO2- Belastung ist von Bedeutung, vielmehr auch ihre Dauer und Intensität. Die Abbildung zeigt den Zusammenhang zwischen Zeit und Ausmaß der Intensität der CO2-Belastung nach „Bioastronautics Data Book“ (NASA SP-3008, 1973). Ober- halb der dargestellten Grenzkurve kommt es zu Wahrneh- mungsstörungen, die auf biochemischer Ebene nachweisbar sind. Über die 45 Minuten einer Unterrichtsstunde gelegt, bedeutet dies, dass der Wert nach DIN 1946 zu hoch angesetzt ist. Überträgt man die Wirkung der beiden Referenzwerte auf den zuvor dargestellten Verlauf der CO2-Konzentration im Klassenraum für die Bedingung „leichter Aktivität“, so erge- ben sich drei Zeitbereiche im Unterricht, die durch unter- schiedliche Konzentrationsfähigkeit aller Beteiligten ge- kennzeichnet sein müssen. Die Modellrechnung ergibt, dass • nur in den ersten fünf Minuten ungestörtes Arbeiten mit voller Aufmerksamkeit möglich ist, • in den folgenden zehn Minuten mit zunehmender Beein- trächtigung der Aufmerksamkeit gerechnet werden muss und • in den letzten 30 Minuten erste, ansteigende Wahrneh- mungsstörungen mit allen daraus entstehenden Folgen auf- treten werden. In mehr als 60 % der Unterrichtszeit ist also bei den Schülerinnen und Schülern mit mehr oder weniger deutli- chen Wahrnehmungsstörungen zu rechnen. Jeden Schul- politiker müsste dieses Bild sehr nachdenklich stimmen. All dem kann mit einfachen Maßnahmen deutlich entge- gengewirkt werden. Man braucht nur regelmäßig alle 20 Minuten für zwei bis drei Minuten zu lüften, um die CO2- gesättigte Luft im Klassenraum auszutauschen. Das ist jedoch
7 HLZ 10–11/2009 TITELTHEMA wegen teilweise überfüllter Klassenräume und möglicher Unfälle durch ungeeignete Fensterkonstruktionen leichter gesagt als getan. Ausgehend von den bisher benutzten CO2- Grenzwerten von Pettenkofer (1.000 ppm) und DIN 1946 (1.500 ppm) wurden die Zeiten im Unterricht ermittelt, in denen diese Grenzwerte bei Durchführung zum Lüften ge- nutzter Kurzpausen überschritten wurden. Die Messergebnisse sind eindeutig! Nach Einführung von Lüftungspausen (alle 20 Minuten für zwei bis drei Minuten) haben sich die Arbeitsbe- dingungen für dieselbe Klasse deutlich verbessert: 61 % der Unterrichtszeit finden unter optimalen Bedingungen statt, nur noch 39 % mit leichten Beeinträchtigungen. Lärm - ein Grundproblem in Schulen „Lärm ist ein unerwünschtes Geräusch, das zu einer Belästigung, Störwirkung, Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit, besonderen Unfallgefahren oder Gesundheitsschäden führt.“ Dass es in Schulen laut ist, wird kaum je bestritten. Ist es während der Unterrichtszeit laut, ist die Schuldige scheinbar schnell zu benennen: die jeweilige Lehrkraft, die keine Ruhe in die Klasse bringen kann. Tatsächlich sind es die akustisch unmöglichen Unterrichtsbedingungen, wie die einschlägi- gen Untersuchungen zeigen (siehe Tabelle). In Deutschland wurde für Büroarbeit einmal ein Hinter- auf die Herzschlagfrequenz der Lehrkräfte auf. Es zeigte sich grundgeräuschpegel von 55 dB (A) für gerade noch akzep- sowohl eine gleiche Richtungsänderung im Tagesverlauf als tabel angenommen. In Skandinavien zum Beispiel wird ein auch eine Senkung der Herzfrequenz nach der Reduktion der Grenzwert für technische Geräusche im leeren Klassenzim- Nachhallzeiten im Unterricht, also nach der Verbesserung der mer von < 30 dB (A) vorgegeben. Davon ist man in Deutsch- akustischen Bedingungen. land weit entfernt. Da in der Schule auf allen Stufen schwierige geistige Arbeit verlangt wird, übersteigen 55 dB (A) im Unterricht Effekte von Lärm und Lärmminderung Akzeptanzgrenzen. Büroarbeit stellt niedrigere Anforderun- gen an Angestellte als der Unterricht an Schülerinnen, Hohe Schallbelastung im Unterricht hat die Tendenz, noch Schüler und Lehrkräfte. Schülerinnen und Schüler sollen höhere Schallbelastung hervorzurufen. Jeder wird lauter, um Neues lernen. Büroangestellte arbeiten auf hohem Trainings- verstanden zu werden. Bei Senkung der Schallbelastung niveau in vertrautem Aufgabenfeld. Maria Klatte von der durch Maßnahmen akustischer Ergonomie steigt die Intensi- Universität Oldenburg hat die Leistung mindernde Wirkung tät der Mitarbeit der Schüler insbesondere im Gruppen- von wechselnden Hintergrundgeräuschen eindeutig belegt unterricht. Lehrerinnen und Lehrer bestätigen positive Aus- (2). Man kann deshalb ganz einfach sagen: An deutschen wirkungen auf ihre Befindlichkeit, solange sie die Unter- Schulen ist es generell zu laut. Die Definition von Lärm findet schiede noch registrieren. Doch darauf ist weniger Verlass als an deutschen Schulen ihre volle Bestätigung. auf die gemessene Senkung der Herzfrequenz. Die Auswirkungen von Fluglärm sind bekannt. Jeder Maria Klatte hat bei kontrollierten Versuchen festgestellt, Überflug erhöht Blutdruck und Herzfrequenz der betroffenen dass sich Störschall auf die Ergebnisse der Lernprozesse von Menschen. Ursache ist die biologisch bedingte Unfähigkeit Grundschulkindern generell mindernd auswirkt. Die Minde- der Menschen, sich gegenüber akustischen Reizungen will- rung tritt besonders deutlich bei Grundschülern aus Familien kürlich abzugrenzen. In unseren kontinuierlichen, zeitglei- ohne Deutsch als Muttersprache auf und zwar auch dann, chen, parallelen Ereignismessungen (Schallpegel, Herzfre- wenn die Kinder gut Deutsch sprechen. quenz, Unterrichtsbeobachtung) traten unverkennbar gleich- Schulergonomie umfasst wesentlich mehr Komponenten gerichtete Wirkungen von Schallemissionen im Unterricht als die oben genannten. Lichtverhältnisse, Sonnenein- strahlung, Schulmobiliar gehören ebenso dazu wie die Länge der Unterrichtsstunden, der Pausenrhythmus, die Stoffvertei- lung und die Sozialformen des Unterrichts im Zeitablauf. Diesem Themenkomplex widmen wir im Institut für Interdis- ziplinäre Unterrichtsforschung unsere Arbeit. Prof. Dr. Hans-Georg Schönwälder und Dr. Gerhard Tiesler Institut für Interdisziplinäre Schulforschung (ISF) Bremen (1) Burgerstein, L.; Netolitzky, A.; Handbuch der Schulhygiene, (zweite, umgearbeitete Auflage) Jena 1902 (2) Klatte, M.; Meis, M.; Nocke, Ch.; Schick, A.; Hören in Schulen, in: Klatte, M. et. Al.; Könnt ihr denn nicht zuhören, Oldenburger Symposi- um zur Psychologischen Akustik, Bibliotheks- und Informationssystem der Universität Oldenburg 2003
TITELTHEMA HLZ 10–11/2009 8 Wir zeigen Ihnen hiermit an … Nach den Paragraphen 15 bis 17 des Arbeitsschutzgesetzes Veranstaltungen wie Wander- und Projekttagen oder der (ASchG) sind Beschäftigte verpflichtet, dem Arbeitgeber Mitarbeit in schulinternen Gruppen zur Weiterentwicklung unmittelbare erhebliche Gefahren anzuzeigen, die die Sicher- von Curricula oder Schulprogrammen. Diese Kolleginnen heit und Gesundheit der Beschäftigten gefährden. Sie sind und Kollegen verzichten auf Bezahlung und Pensionsansprü- berechtigt, dem Arbeitgeber Vorschläge zu allen Fragen der che um ihrer Gesundheit willen und weil sie glauben, anders Sicherheit und des Gesundheitsschutzes zu machen. Lehre- die von ihnen selbst an ihre Arbeitsqualität angelegten rinnen und Lehrer und Personalräte Frankfurter Schulen Maßstäbe nicht erfüllen zu können. haben von dieser Möglichkeit jetzt in Schreiben an das Arbeitsqualität und Gesundheit werden aber auch durch Hessische Kultusministerium, das Staatliche Schulamt, das die völlig unzureichende Ausstattung unserer Arbeitsplätze Stadtschulamt und die Schulleitungen Gebrauch gemacht. gefährdet: Es existieren nur zwei teilweise defekte und Die HLZ dokumentiert den Wortlaut eines Musterschreibens, veraltete Computer für 80 Kolleginnen und Kollegen, geeig- das von den Schulen ergänzt und für die jeweilige Schule nete Büroarbeitsplätze sind nicht vorhanden, bestenfalls gibt konkretisiert wurde, in Auszügen. es im Lehrerzimmer ein kleines Fach für die Materialablage, Wir zeigen Ihnen hiermit an, dass wir uns aufgrund der was dazu führt, dass Materialien in größerem Umfang zwi- extrem gewachsenen Zahl an dienstlichen Aufgaben nicht schen Wohnung und Schule hin- und hergeschleppt werden mehr in der Lage sehen, unsere Arbeit vollständig und in müssen. Konzentriertes Arbeiten und das Führen ungestörter qualitativ angemessener Weise und erforderlicher Sorgfalt Gespräche sind praktisch unmöglich, dafür vorgesehene auszuführen und dass wir dadurch unsere Gesundheit gefähr- Räume dienen gleichzeitig der Ablage. Für die „Pausen“ fehlt det sehen. Wir weisen darauf hin, dass aufgrund der nicht ein Ruhebereich, in dem man sich erholen könnte, obwohl er mehr möglichen ordnungsgemäßen Ausführung aller Dienst- in den Arbeitsschutzbestimmungen vorgesehen ist. pflichten oder aufgrund von Fehlern, die dadurch auftreten können, auch Dritte geschädigt werden können, vor allem Arbeitsbelastungen reduzieren! Schülerinnen und Schüler, die nicht mehr die optimale Unterrichtsqualität, Betreuung, Beurteilung und Aufsicht In den letzten Jahren wurde die Pflichtstundenzahl erhöht. erhalten. Wir reklamieren hiermit Haftungsfreistellung, falls Sie liegt heute wieder auf dem Niveau von nach dem 2. aufgrund unserer Arbeitsüberlastung Schäden entstehen soll- Weltkrieg, obwohl die Unterrichtsbedingungen sich erschwert ten. haben und an Unterricht weitaus komplexere Anforderungen gestellt werden als damals. Dazu gab es viele arbeitsintensive Neuerungen, deren Ende nicht absehbar ist. Parallel dazu Überlastungsanzeigen Frankfurter Lehrkräfte wurden Ermäßigungs- und Deputatsstunden abgebaut. Seit Schuljahresbeginn bewegen wir uns am gesundheitli- Die seit Jahren von der Politik versprochene „Unterrichts- chen Abgrund. Es muss permanent über der Belastungsgren- garantie“, die darin bestehen würde, dass auch bei Ausfall von ze gearbeitet werden, und selbst dies reicht nicht aus, um alle Lehrkräften qualifiziertes Vertretungspersonal zur Verfü- inzwischen von Lehrkräften verlangten Tätigkeiten zu schaf- gung stehen würde, ist einem mehrfachen Wortbruch zum fen, schon gar nicht mit der geforderten Qualität. Erschöpfung Opfer gefallen. Stattdessen erstellen Lehrkräfte Materialien und Stresssymptome machen sich verstärkt bemerkbar. Wir für Unterrichtsstunden ohne Lehrer, sie betreuen Klassen sind der festen Überzeugung, dass auch die Arbeitsbelastung links und rechts des Ganges, sie bereiten ihren Unterricht einer mit voller Pflichtstundenzahl arbeitenden Lehrkraft so komplett vor, wenn sie voraussehbar fehlen, sie helfen hier beschaffen sein muss, dass weder ihre Gesundheit aufgrund und dort Betreuungskräften, die mit den Klassen, die sie permanenter Überlastung geschädigt wird noch dienstliche beaufsichtigen sollen, nicht zurecht kommen. In der Regel Aufgaben vernachlässigt, weggelassen oder mit unzurei- geht all das auf Kosten der Unterrichtsqualität, was bei chender Qualität ausgeführt werden müssen. Dafür haben Sie Schülerinnen und Schülern zu Unzufriedenheit, bei Lehrkräf- als Dienstherrin, das Staatliche Schulamt als Schulaufsicht ten zu schlechtem Gewissen und permanentem psychischem wie auch der Schulleiter im Rahmen Ihrer im Beamtenrecht Druck führt. Schülerinnen und Schüler haben ein Recht auf enthaltenen Fürsorgepflicht Sorge zu tragen. Dies kann Bildung, das Sie selbst in Rahmenlehrplänen und Qualitäts- dadurch geschehen, dass die Arbeitszeit angemessen gestaltet studien permanent fordern! Indem Sie die zwangsläufigen wird und an den Arbeitsplätzen gute Bedingungen herrschen. Abstriche bei der Unterrichtsqualität billigend in Kauf neh- Es muss möglich sein, dass eine Lehrkraft ein volles Lehr- men, verletzen Sie nicht nur Ihre Fürsorgepflicht gegenüber deputat schultern kann, und zwar auch als Berufsanfänger den Lehrkräften, sondern auch diejenige gegen den im oder als zur großen Gruppe der älteren Lehrkräfte gehörig. Bildungsprozess befindlichen jungen Menschen. Und auch eine Lehrkraft, die zwei Korrekturfächer hat, muss Wir fordern das Kultusministerium, das Staatliche Schul- dies noch schaffen können, ohne dabei krank zu werden. amt und die Schulleitung auf, unverzüglich Maßnahmen Es darf nicht sein, dass sogar Menschen, die ihre Stunden- einzuleiten, die den Zustand der permanenten Überlastung zahl reduziert haben, die Arbeitsbelastung kaum mehr ertra- der Kolleginnen und Kollegen an unserer Schule beseitigen, gen können. Teilzeitbeschäftigte liegen in ihrer real gearbei- und uns mitzuteilen, welche unserer dienstlichen Tätigkeiten teten Wochenarbeitszeit häufig bei über 40 Stunden, ganz zu wir bis zur Beseitigung weglassen oder einschränken dürfen, schweigen von der zusätzlichen Belastung bei besonderen um unsere Gesundheit zu schützen.
9 HLZ 10–11/2009 TITELTHEMA Mangelhaft Seit dem Jahr 2002 unterliegen auch Schulen den Bestim- mungen des Arbeitsschutz- und des Arbeitssicherheitsgeset- zes. Im Auftrag der hessischen Landesregierung untersuchen Fachkräfte für Arbeitssicherheit die Lehrerarbeitsplätze an den Schulen und listen die Gesundheitsgefahren in „Begeh- ungsberichten“ auf. Ende 2008 startete der Gesamtpersonalrat der Lehrerin- nen und Lehrer in Frankfurt (GPRLL) eine Befragung bei den Schulpersonalräten, um herauszubekommen, welche Män- gel, die in den letzten Jahren bei Schulbegehungen festge- stellt wurden, durch den Schulträger noch immer nicht behoben wurden. Auf diese Befragung haben 40 Schulper- sonalräte geantwortet. Aus neun Antworten ging hervor, dass Sanierungsmaßnahmen erfolgreich abgeschlossen wurden oder gerade im Gange sind. In 31 Antworten offenbart sich die gesamte restliche Misere. Die Personalräte berichten von sanierungsbedürftigen Toiletten, maroden Turnhallen, man- gelhaftem Brandschutz und unzeitgemäßem Mobiliar. Viele klagen auch über das Fehlen von ruhigen Arbeitsräumen, von ergonomisch eingerichteten Arbeitsplätzen oder gar von fehlenden Sitzplätzen im viel zu kleinen Lehrerzimmer. Der GPRLL hat sich in einem Schreiben an die Stadt Frankfurt gewandt und verlangt, funktionierenden Sonnenschutz gibt, nur schwer guter Un- • dass die von der Landesregierung zur Ankurbelung der terricht machen. Dasselbe gilt für Klassenräume, die im Konjunktur bereitgestellten Sonderinvestitionsmittel zu- Winter wegen defekter Heizung nicht warm werden oder nächst dafür verwendet werden sollen, das Sonderprogramm deren Temperatur nicht reguliert werden kann. In Lehrerzim- zum Einbau von Lärmschutzmaßnahmen sofort und nicht, mern sollten genügend Plätze vorhanden sein, damit die wie ursprünglich geplant, über mehrere Jahre hinweg durch- Kommunikation unter den Lehrkräften überhaupt stattfinden zuführen und kann. Werkstätten sollten über funktionierende Sicherheits- • dass die von den Schulen in ihren Rückmeldungen einrichtungen verfügen, damit Lehrkräfte sich in Ruhe und beklagten Zustände vorrangig beseitigt werden. ohne Sicherheitsbedenken den Problemen der Kinder zuwen- den können. Die Arbeit an Bildschirmarbeitsplätzen kann nur dann gute Ergebnisse bringen, wenn sie nicht durch un- Mit Konjunkturpaket Arbeitsbedingungen verbessern ergonomisches und deshalb belastendes Sitzen beeinträch- Diesen dringenden Anliegen standen die Bedingungen des tigt wird. Diese Liste könnte man fortsetzen. Programms entgegen: nur Vorhaben, die ohnehin bereits Das Institut für Qualitätsentwicklung, das die hessischen geplant waren, konnten genehmigt und entsprechend zeitlich Schulen durchleuchtet, hat dies für seine eigenen Beschäftig- vorgezogen werden. Daraufhin hat der GPRLL vorgeschla- ten sehr wohl erkannt, denn es stellt in dem Referenzrahmen, gen, in den kommenden Haushalten, die durch das Konjunk- der zur Sicherung seiner eigenen Qualität erstellt wurde, turprogramm solchermaßen entlastet sein würden, nunmehr folgende Forderungen an seine Arbeitsplätze auf: die von den Schulpersonalräten angegebenen Mängel zu „Räumlichkeiten und Büroausstattung sind funktional. Die beheben. Das Stadtschulamt sagte daraufhin allerdings nur MitarbeiterInnen äußern sich zufrieden über ihre Arbeitsplätze. Es zu, einen Stufenpan für die anstehenden Lärmsanierungs- stehen funktionsgerechte Arbeitsplätze und –möglichkeiten zur maßnahmen vorzulegen, der eine zeitnahe Abarbeitung Verfügung. Die Einrichtung des Arbeitsplatzes entspricht den dieses Problems vorsieht. geltenden Richtlinien. Die technische Ausstattung des Arbeitsplat- Für alle anderen bestehenden Probleme bekam der GPRLL zes ermöglicht effizientes Arbeiten, ein Support ist vorhanden. Die keine Zusagen. Eine Begründung für die ablehnende Haltung MitarbeiterInnen erkennen berufsbedingte physische und psychische waren die Unsicherheiten bezüglich der Steuereinnahmen Belastungen und treffen, gegebenenfalls mit Unterstützung der und der daraus resultierenden Haushaltslage. Gesamtperso- Leitungsebenen, Maßnahmen zum Abbau von Belastungen.“ nalratsvorsitzende Marianne Friemelt äußerte sich ent- Ähnliches sollte für Lehrerarbeitsplätze, an die hohe Quali- täuscht: „Das Argument, es sei kein Geld da, zieht nicht mehr, tätsanforderungen gestellt werden, auch gelten. Sein Schrei- nachdem aus dem Stand Milliarden für Banken, Autos und ben an die Stadtverordneten beschließt der GPRLL wie folgt: eben auch Bausanierungen locker gemacht werden konnten.“ „Sowohl die anstehende Lärmsanierung vieler Schulgebäude als auch Sie stellt die Frage, wie Qualität erbracht werden soll, die vielen anderen Sanierungsmaßnahmen sind dringender denn je! wenn die Arbeitsbedingungen miserabel, ja gesundheitsge- Alle Kinder haben Anrecht auf eine Lernumwelt, in der sie sich wohl fährdend sind. So lässt sich z.B. in einem Klassenraum, der fühlen. Alle Lehrkräfte haben ein Recht auf eine Arbeitsplatz- sich im Sommer bis auf 40 Grad aufheizt, weil es keinen umgebung, die nicht gesundheitsgefährdend ist!“
TITELTHEMA HLZ 10–11/2009 10 Ungesunde Kita-Arbeit Der Tarifvertrag zur betrieblichen Gesundheitsförderung Mit dem Abschluss eines Tarifvertrags zur betrieblichen Jeder und jede Beschäftigte kann ab Inkrafttreten des Tarif- Gesundheitsförderung wird im Sozial- und Erziehungsdienst vertrages einen Antrag auf Durchführung einer Gefährdungs- Neuland betreten. Zwar gibt es in vielen Bereichen des beurteilung stellen. Die Gefährdungsbeurteilung wird dann Arbeitslebens, auch im öffentlichen Dienst, bereits Erfahrun- nach den Regelungen des Arbeitsschutzgesetzes vorgenom- gen mit tarifvertraglichen Regelungen für den Arbeits- und men. Das bedeutet, dass die Beurteilung je nach Art der Gesundheitsschutz. Erstmals wurden jetzt aber Ansprüche Tätigkeiten vorgenommen wird. „Bei gleichartigen Arbeits- der Beschäftigten und betriebliche Verfahren im Bereich bedingungen ist“, so heißt es in § 5 Abs. 2 Arbeitsschutz- pädagogischer und sozialer Berufe erfasst. Vom Geltungsbe- gesetz, „die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer reich des Tarifvertrages nicht erfasst sind technische, haus- Tätigkeit ausreichend.“ Das Arbeitsschutzgesetz gibt in § 5 wirtschaftliche und Verwaltungsberufe, die in Einrichtungen Absatz 3 auch Hinweise darauf, welche Gefährdungsursachen des Sozial- und Erziehungsdienstes tätig sind. Man wird nicht besonders beachtet werden sollen: erwarten können, dass gesundheitliche Belastungen am Ar- Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch beitsplatz sehr schnell abgebaut werden. Der Zusammenhang 1. die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des von gesundheitlichen Beschwerden und spezifischen Arbeit- Arbeitsplatzes, bedingungen ist gerade in pädagogischen Berufen außeror- 2. physikalische, chemische und biologische Einwirkungen, dentlich komplex. Liegt die Kausalität etwa im Straßenbau 3. die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, zwischen dem Einatmen von Teerdunst und einer Lungen- insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anla- schädigung auf der Hand, so wird man für das Burn-out- gen sowie den Umgang damit, Syndrom ganze Ursachenbündel zu untersuchen haben. 4. die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsab- Die Tarifvertragsparteien waren sich bei Vertragsabschluss läufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken, darüber einig, dass sie im juristischen Sinne mit dem verein- 5. unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten. barten Text noch keine völlige Rechtssicherheit herstellen Es ist also nicht vorgesehen, dass jeder Arbeitsplatz im konnten. So wurde in einer Protokollerklärung die Verpflich- Einzelnen untersucht wird – das wären im Geltungsbereich tung aufgenommen, dass man zu weiteren Verhandlungen des Tarifvertrags rund 220.000 Arbeitsplätze. Es reicht aus, zusammenkommt, wenn sich durch Rechtsprechung zeigen signifikant bedeutsame Arbeitsplätze oder Tätigkeiten zu sollte, dass einzelne Passagen geltendem Recht widerspre- untersuchen. So würde man zum Beispiel zur Beurteilung des chen. Dies betrifft insbesondere die Zusammensetzung und Faktors Lärm für Gesundheitsgefahren in Kindertagesstätten die Befugnisse der betrieblichen Kommission. Vermutlich in einer Kommune eine Auswahl von Arbeitsplätzen mit wird es auch weiteren Klärungsbedarf hinsichtlich der Ab- spezifischen Ausstattungsmerkmalen in den Blick nehmen. grenzung von Rechten und Pflichten aus dem Tarifvertrag, Kriterien für die Auswahl der zu untersuchenden Arbeitsplät- dem Arbeitsschutzgesetz, dem Arbeitssicherheitsgesetz, den ze könnten sein: Baujahr, Bauweise, verwendete Baumateria- Hygienerichtlinien und der gesetzlichen Unfallversicherung lien (Fliesen, Holz, Teppichboden), Raumgröße, Zahl der geben. Der Tarifvertrag nennt drei Instrumente: gleichzeitig anwesenden Kinder. 1. den individuellen Anspruch auf die Durchführung einer Zur Untersuchung von Faktoren, die chronische Erschöp- Gefährdungsbeurteilung fungszustände auslösen, werden andere Kriterien, sogenann- 2. die Einrichtung einer betrieblichen Kommission te „Stressoren“, eine Rolle spielen wie Alter der Erzieherin, 3. die Einrichtung eines Gesundheitszirkels Anforderungsprofil, „schwierige“ Kinder, Betriebsklima, Vor- und Nachbereitungszeit und vieles mehr. Mit der Bildung von betrieblichen Kommissionen und der Einrichtung von Gesundheitszirkeln geht man über die bishe- rigen Regelungen des Arbeitsschutzgesetzes hinaus. Während es in § 3 lediglich heißt, dass der Arbeitgeber eine „Verbesse- rung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anstreben soll“, werden mit dem neuen Tarifvertrag Strukturen geschaffen, in denen Beschäftigte und Arbeitgeber gemeinsam „Belastungen am Arbeitsplatz und deren Ursachen analysieren und Lösungsansätze zur Verbesserung der Arbeitssituation erarbeiten“. Die Vertreterinnen und Vertreter in der betriebli- chen Kommission werden auf Vorschlag des Personalrates berufen. Sie müssen zwar Beschäftigte der jeweiligen Kommune sein, aber nicht selbst Personalratsmitglieder. Die Befugnisse der betrieblichen Kommission gehen nicht so weit, dass sie Beschlüsse fassen kann, die unmittelbar Maßnahmen zur Ver- besserung des Arbeitsschutzes und der Gesundheitsförderung in Gang setzen. Erst wenn die Vertreter der Beschäftigten mit der
11 HLZ 10–11/2009 TITELTHEMA Mehrheit der Arbeitgebervertreter Maßnahmen beschließt, nächsten Jahren wird es mit den neuen tarifvertraglichen müssen diese umgesetzt werden. Kommt ein Beschluss nur mit Instrumenten gelingen, das Problembewusstsein und das Wis- Stimmenmehrheit der Vertreter der Beschäftigten zustande und sen über den Zusammenhang von Arbeitsbedingungen und lehnt der Arbeitgeber die Umsetzung dieses Beschlusses ab, so gesundheitlichen Belastungen von Erzieherinnen und Erzie- hat er die Gründe, die zur Ablehnung führten, öffentlich hern zu erhöhen. Die GEW wird sich an diesem Prozess aktiv bekannt zu machen. Bei aller Einschränkung der Befugnisse beteiligen, indem sie ihre Mitglieder, die in den betrieblichen und damit der Wirksamkeit der betrieblichen Kommission ist Kommissionen und Gesundheitszirkeln mitwirken, umfassend der Tarifvertrag dennoch ein wichtiger Schritt zur Aufwertung fortbildet und begleitet. des Arbeitsschutzes und der Gesundheitsförderung. In den Bernhard Eibeck, GEW-Hauptvorstand Gefährliche Klassenräume Schadstoffe in der Raumluft gefährden die Gesundheit Ein langer Schultag! Acht Stunden in stickigen Räumen Richtwert II überschritten. Naphthalin führt nach dem On- gesessen, jetzt, auf dem Heimweg: Kopfschmerzen. Wer line-Lexikon Wikipedia „auf der Haut zu starken Reizungen kennt das nicht, wenn man im Unterricht mit aller Macht und zu Dermatitis, (...) kann die roten Blutzellen schädigen gegen den Drang kämpft, den Kopf auf den Tisch zu legen und (...) zu Schleimhautreizungen, Kopfschmerzen und Übel- und für einen Moment die Augen zu schließen. Jemand muss keit, Erbrechen und Verwirrtheitszuständen führen. (…) Eine wegen heftigem Nasenbluten eine Klausur abbrechen, ein krebserregende Wirkung des Naphthalins wird vermutet.“ anderer geht nach der vierten Stunde wegen Übelkeit nach Für die auf dem Schulgelände aufgestellten Container Hause. Der nächste sitzt mit brennenden Augen im Unter- liegen zwar keine konkreten Messergebnisse vor, doch richt, ein Sanitäter wird gerufen, weil jemandem schwindlig besteht der Verdacht, dass die dortige Schadstoffsituation ist. Lehrer haben mit unkonzentrierten Klassen zu „kämp- ähnlich ist. Sie stehen zwar nur noch bis nach dem Umbau im fen“, viele Schülerinnen und Schüler sind erkältet. Lange Jahr 2012, jedoch ergibt das insgesamt sieben Jahre Lernen Schultage, spätes Zubettgehen, Stress in Schule oder Frei- im Container. In der Arbeitsstättenverordnung von 1997 zeit, frühes Aufstehen gelten als mögliche Ursachen. Aber heißt es, dass „während der Arbeitszeit ausreichend gesund- sind es auch die einzigen? heitlich zuträgliche Atemluft vorhanden sein muss“. Im Sommer 2007 wurde in Teilen unserer Schule ein Abschließend lässt sich sagen, dass man bei einer Beurtei- neuer Boden verlegt, der Synthese-Kautschuk-Boden ob- lung der Schadstoffgefährdung nicht nur die einzelnen Werte jectflor® - SaarFloor Diamant. Den meisten Schülerinnen sehen darf, sondern auch die Addition vieler Schadstoffe, die und Schülern fiel der „Gestank“ des neuen Bodens auf, der im Einzelnen vielleicht unter den Grenzwerten liegen, sich durch Lüften nur kurzfristig vermindert wurde, insgesamt aber im Körper akkumulieren (ausführlich: www.dugi-ev.de/ aber auch jetzt, zwei Jahre später, noch sehr stark ist. Im KrugWolfgang-KinderhirnInNot.pdf). April 2008 fanden Raumluftmessungen bezüglich flüchti- Maike Kaufmann ger organischer Substanzen, den VOCs (Volatile Organic Schülerin der Jahrgangsstufe 13 der Martin-Luther-Schule Rimbach Compound), statt. Beim Betrachten der Messergebnisse fällt neben anderen festgestellten chemischen Stoffen die Kon- zentration von Naphthalin (24,5 µg/m3) vor allem in einem Raum ins Auge. Für Naphthalin bestimmt das Umweltbun- desamt wie für viele andere Stoffe keine Grenzwerte für die Raumluftkonzentration, sondern Richtwerte. Dabei muss man zwischen Richtwert I (RW I) und Richtwert II (RW II) unterscheiden. Das Umweltbundesamt schreibt dazu: „Richtwert I (RW I) beschreibt die Konzentration eines Stoffes in der Innenraumluft, bei der bei einer Einzelstoffbetrachtung nach gegen- wärtigem Erkenntnisstand auch dann keine gesundheitliche Beein- trächtigung zu erwarten ist, wenn ein Mensch diesem Stoff lebens- lang ausgesetzt ist.“ Stoffkonzentrationen bis RW I werden also als unschädlich angesehen. Zu RW II heißt es auf der Homepage weiter: „Er stellt die Konzentration eines Stoffes dar, bei deren Erreichen beziehungsweise Überschreiten unverzüglich zu handeln ist. Diese höhere Konzentration kann, besonders für empfindliche Personen bei Daueraufenthalt in den Räumen, eine gesundheitliche Gefährdung sein.“ Bei Naphthalin liegen RW I bei 0,002 mg/m3 und RW II bei 0,02 mg/m3 = 20 µg/m3. Somit wurde in diesem Raum der
TITELTHEMA HLZ 10–11/2009 12 Projekte wirken Das Projekt Schule & Gesundheit des Hessischen Kultusminis- • Qualifizierung der dem Projekt „Schule & Gesundheit“ teriums (HKM) soll den Aufruf „Gesundheit für alle“ der zugeordneten Fachberaterinnen und Fachberater der staatli- Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die in den Erklä- chen Schulämter rungen von Ottawa (1986), Jakarta (1997) und Mexiko (2000) • jährliche Fachtagung des Projekts „Schule & Gesundheit“ formulierten WHO-Strategien umsetzen. Das betrifft Zur Förderung der Gesundheit von Lehrerinnen und Lehrern • die Verbesserung der gesundheitsorientierten Chancen- wurden in den vergangenen beiden Jahren Pilotvorhaben mit gleichheit für Schülerinnen und Schüler durch Minderung verschiedenen Kooperationspartnern durchgeführt mit dem individuellen Risikoverhaltens und Stärkung individueller Ziel, Informationen und Erfahrungen zu sammeln, um daraus Ressourcen und Schutzfaktoren (Lebensweisen-Ansatz), ein Regelangebot für die Unterstützung der Schulen in • die gezielte Verbesserung der gesundheitsorientierten Hessen zu entwickeln: Professionalität von Lehrerinnen und Lehrern durch Minde- • Das Pilotprojekt Lehrerinnen- und Lehrergesundheit im rung individueller Risikomuster und Stärkung individueller Bereich des Staatlichen Schulamtes Weilburg wurde durch Ressourcen und Schutzfaktoren (Lebensweisen-Ansatz) und Professor Uwe Schaarschmidt, Mitinitiator der Potsdamer • die Gestaltung gesundheitsfördernder Arbeitsplätze, Lern- Lehrerstudie, und Dr. Fischer (www.coping.at) begleitet. Mit und Lebensräume, die vor allem von einem guten Schulklima, Hilfe der Befragungssysteme AVEM (Persönliches Erlebens- einer gesundheitsförderlichen Schulorganisation im Kontext und Verhaltensmuster) und ABC-L (Arbeitsplatz-Bewertungs- der Schulentwicklung und gesundheitsverträglichen Schul- check für Lehrerinnen und Lehrer) wurde eine Bestandsauf- bauten getragen sind (Setting-Ansatz). nahme zur Erfassung der Lehrerinnen- und Lehrergesundheit Um diese Ziele zu erreichen, sind alle Einrichtungen der erhoben. Auf der Grundlage der Ergebnisse wurden Maßnah- Bildungsverwaltung aufgefordert, Maßnahmen der Gesund- men zur Gesundheitsförderung in den Schulen verabredet. heitsförderung einzuleiten und schrittweise ein Gesundheits- Das Befragungsinstrument wurde weiterentwickelt und steht management aufzubauen. Hierbei soll der gesetzlich gefor- allen hessischen Schulen gegen einen geringen Kosten- derte Arbeits- und Gesundheitsschutz realisiert werden. beitrag zur Verfügung. Zur Unterstützung des Gesamtprozesses wurde die opera- • Das Vorhaben „Gemeinsam gute Schule entwickeln“ tive Geschäftseinheit Servicestelle Schule & Gesundheit beim wurde mit Unterstützung der Deutschen-Angestellten-Kran- Amt für Lehrerbildung (AfL) etabliert. Sie bietet Beratungen kenkasse DAK durch die Universität Lüneburg an einigen in den folgenden Teilgebieten: hessischen Modellschulen durchgeführt. Im ersten Schritt • Sucht- und Gewaltprävention wird eine umfassende Diagnose durchgeführt, in der zentrale • Ernährungs- und Verbraucherbildung einschließlich Dimensionen der Schulqualität und des Gesundheitsstatus Schulverpflegung der Mitglieder sowie Einflussfaktoren und Rahmenbedin- • Bewegung und Wahrnehmung einschließlich täglicher gungen erhoben werden. Auf Grundlage der Problemanalyse Bewegungszeiten bestimmte jede Schule selbst, welche Aspekte der Gesund- • Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung heitsförderung ihr wichtig sind und wo es Handlungsbedarf • Verkehrserziehung und Mobilitätsbildung gibt. In Projektgruppen entwickelten Schülerinnen und Schü- • Sexualerziehung und HIV-Aidsprävention ler, Lehrkräfte, Schulleitung, nichtunterrichtendes Personal • Schulsanitätsdienste und Erste-Hilfe-Kurse und Eltern Maßnahmen zur Gesundheitsförderung, die den • Informationen zur Organspende, für chronisch kranke Handlungsbedarf aufnehmen und die Schulen auf ihrem Weg Kinder und über Fragen der seelischen Gesundheit • Gesundheit der Lehrkräfte zur guten gesunden Organisation positiv bestärken. Am Ende • Arbeitsplatz Gesunde Schule und Gesundes Studien- der dreijährigen Begleitung durch das Projektzentrum an der seminar (Arbeitsschutz, Gesundheitsmanagement) Leuphana-Universität Lüneburg wird über eine abschließen- Zielgruppen der Beratungen sind Lehrerkollegien, einzelne de Befragung der Projektverlauf evaluiert. Jede Schule erhält Lehrkräfte, die Fachberaterinnen und Fachberater der Staat- einen abschließenden Projektbericht. lichen Schulämter, die Vertreterinnen und Vertreter der • Unter dem Titel „Gesundheitsmanagement konkret“ fand Studienseminare, Führungskräfte in der Bildungsverwaltung, im Juni 2009 die Auftaktveranstaltung eines weiteren Pro- Eltern und Schülerinnen und Schüler. Dabei werden zur Zeit jektes statt, an dem 22 Schulen unterschiedlicher Schul- folgende Leistungen erbracht: formen und zwei Studienseminare teilnehmen. Dabei konn- • Hotline zur persönlichen Beratung ten auch schon erste Ergebnisse aus den Projekten zur • www.schuleundgesundheit.hessen.de: Themenportal mit Lehrergesundheit berücksichtigt und Schritte zum Aufbau Hintergrundinformationen, Materialien und aktuellen Infos eines Gesundheitsmanagements in Schule und Bildungs- • Vermittlung von Expertinnen und Experten und Referen- verwaltung entwickelt werden. Die Servicestelle beim AfL tinnen und Referenten koordiniert und steuert den Gesamtprozess unter anderem • Unterstützung bei der Durchführung von Online-Befra- auch durch Fortbildungsmaßnahmen für die beteiligten gungen zur Gesundheit der Lehrkräfte sowie zur Gesundheit Projektteams. der Schülerinnen und Schüler Margit Büchler-Stumpf und Reiner Mathar, AfL • direkte Beratung bei der Planung und Umsetzung von Kontakt: Servicestelle Schule & Gesundheit im AfL, Margit Büchler- schuleigenen Projekten und Konzepten, zum Beispiel zur Stumpf, E-Mail: Margit.Buechler-Stumpf@afl.hessen.de, und Reiner Schulentwicklung durch Gesundheitsförderung Mathar, E-Mail: Reiner.Mathar@afl.hessen.de
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