FORSCHUNGSDATEN DIGITALE NUTZUNG IM LÄNDERVERGLEICH KRANKENHAUS-IT INNOVATIVES EINWILLIGUNGSMANAGEMENT INTERVIEW DEUTSCHLAND STEHT VOR EINER ...
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MAGAZIN FÜR HEALTH-IT, VERNETZTE MEDIZINTECHNIK UND TELEMEDIZIN www.e-health-com.de Nr. 5 | 2021 FORSCHUNGSDATEN DIGITALE NUTZUNG IM LÄNDERVERGLEICH KRANKENHAUS-IT INNOVATIVES EINWILLIGUNGSMANAGEMENT INTERVIEW DEUTSCHLAND STEHT VOR EINER NEUAUSRICHTUNG 5 / 21 EHEALTHCOM 5
COMPLEX | XXX Digitalisierung und Vernetzung im Gesundheitswesen dedalusgroup.de 6 EHEALTHCOM 0 / 00
EDITORIAL EIN HEFT ÜBER DATEN W enn Sie dieses Heft in der Hand halten, steht die Bundestags- wahl 2021 unmittelbar bevor. Ein Wahlkampf, der nicht im- mer besonders viel Freude gemacht hat, geht dem Ende zu. Wir hatten kurz überlegt, ob wir noch mal einen Überblick zu den E-Health- politischen Positionen der unterschiedlichen Parteien schreiben, haben uns dann aber dagegen entschieden. Die neue Bundesregierung wird Thema genug in den nächsten Heften. Stattdessen werden wir in diesem Heft an mehreren Stellen die Zukunft aus überparteilicher Perspektive the- matisieren. Und diese Zukunft steht im Gesundheitswe- sen unter dem Schlachtruf „Daten nutzen“. Wir lassen den Chef des Sachverständigenrats zu Wort kommen und über die elektronische Patientenakte reden. Wir sprechen RECHTS UNTEN: © DIRK HASSKARL, BERLIN; RECHTS OBEN: © JACKIE NIAM – STOCK.ADOBE.COM; TITEL: © JACKIE NIAM – STOCK.ADOBE.COM mit einer ausgewiesenen KI-Expertin über nationale und europäische Datenstrategien und Gesundheitsdatenräume. Wir wagen einen Wir brauchen eine Blick in die Datenraum-Projekte anderer europäischer Staaten und suchen Vor- bilder. datenbasierte Gesund- heitsversorgung, die den KOMMT EIN EIGENES DIGITALMINISTERIUM? Und wir widmen uns in Form eines E-HEALTH-COM Specials, das ich Ihnen Nutzen in den Vorder- besonders ans Herz legen möchte, einer speziellen medizinischen Disziplin, der Onkologie. Hier haben sich vorwärtsdenkende Expert:innen seit einiger Zeit in grund rückt, nicht das einer VISION ZERO genannten Initiative der Verbesserung der Krebsversor- Ego. gung verschrieben – und sie thematisieren in diesem Rahmen auch die Poten- ziale der Digitalisierung für die Krebsversorgung. Beim diesjährigen Symposium dieser Gruppe wurde eine Berliner Erklärung verabschiedet, die hier erstmals gedruckt wird und die besser als jede Zusam- menfassung von Wahlprogrammen deutlich macht, wohin im Gesundheitswe- sen die Reise gehen sollte: Egal wer als nächstes im Bundesgesundheitsministe- rium, vielleicht sogar in einem eigenen Digitalministerium sitzt: Wir brauchen eine datenbasierte Gesundheitsversorgung, die den Nutzen für Patient:innen in den Vordergrund rückt und nicht das Ego von Bedenkenträger:innen. Ich wünsche eine informative Lektüre! PHILIPP GRÄTZEL VON GRÄTZ Chefredakteur E-HEALTH-COM 5 / 21 EHEALTHCOM 3
INHALT 14 20 Die Gesundheitsdatennutzung durch die Forschung ist eines der Für eine trägerübergreifende digitale Vernetzung ist ein datenschutzkonformes, gleich- zentralen E-Health-Themen: Ein europäischer Ländervergleich zeitig möglichst alltagstaugliches Einwilligungsmanagement eine Conditio sine qua non. COMPACT COMPLEX Nachrichten und Fakten Ereignisse & Entwicklungen 6 Meldungen 14 FORSCHUNGSDATEN 30 E-Rezept Cybersecurity-Studie, Interview Europa: Gesundheitsdaten Das E-Rezept kommt! Wissens- mit Prof. Dr. Ferdinand Gerlach für die Forschung. Ein Blick wertes auf einen Blick zur Ein- (SVR), Reifegradmessung, IRIS in fünf europäische Nachbar- führung in Deutschland connect, Wissenschaftsticker etc. länder kann für Deutschland wichtige Orientierung bieten. 34 Diabetes-Cloud 7 Dierks antwortet Potenziale und Risiken von Die Rechts-Kolumne von Prof. 20 KRANKENHAUS-IT cloudbasierter Software in Arzt- Christian Dierks aus Berlin. Einwilligungsmanagement: praxen und Kliniken Diesmal: Die EU hat den Ent- In Berlin machen die Kran- wurf einer Verordnung über kenhausschwergewichte 39 TI-Messenger Künstliche Intelligenz vorge- Charité und Vivantes jetzt Das Digitale-Versorgung-und- legt. Wie schätzen Sie die vor, wie sich gemeinsame Pflege-Modernisierungs-Gesetz Auswirkungen ein? Lösungen finden lassen sieht ergänzend zu KIM einen können. Messenger für das Gesundheits- 10 Köpfe & Karrieren wesen vor – ein erster Einblick. Prof. Dr. Martin Dugas, 26 Trends Dr. Ariel Dora Stern, Prof. Dr. Trends der Gesundheits-IT: 42 Medical Software Security Toralf Kirsten, Thomas Dehne, Aktuelle Studien mit Kom- Licht im Normendschungel? Dr. Este Geraghty, Tammo Löff- mentaren von Bernhard Zum Stand der Technik in ler, Isabel Kröniger, Dr. Uwe Calmer, Viktoria Hasse und Sachen Security bei Medizin- Heckert, Katharina Wilson Andreas Kassner produkten 4 EHEALTHCOM 5 / 21
34 46 Cloud-Lösungen in Arztpraxen und Kliniken sind im Vormarsch, doch gerade im medizini- E-HEALTH-COM im Gespräch mit der Beraterin und Buchautorin schen Umfeld kann ihr Einsatz auch zu erheblichen Risiken und Folgekosten führen. Nicole Formica-Schiller im Vorfeld der Bundestagswahl. COMMUNITY COMPASS Menschen & Meinungen Markt & Service Standards 46 INTERVIEW 52 BVITG MONITOR 71 Aus den Unternehmen 03 Editorial „Deutschland steht vor einer Die aktuellen Sonderseiten des kompletten Neuausrichtung“: Bundesverbandes Gesundheits- 75 Firmenverzeichnis 80 Bücher E-HEALTH-COM im Gespräch IT – bvitg e. V. mit der Beraterin und Buchauto- 78 Termine 81 Findex/ Impressum rin Nicole Formica-Schiller im 60 Aus den Verbänden Vorfeld der Bundestagswahl. Beiträge der Partnerverbände 82 Kolumne Bitkom, BMC, BVMed, DGBMT, DGT, DGTelemed, FINSOZ, KH-IT, TMF, VdigG und ZVEI ANZEIGE ID Lösungen für eMedikation / AMTS Medikationsanamnese und Verordnungsunterstützung © Foto: grafikplusfoto - Fotolia.com Umfangreiche Prüfmöglichkeiten Entlassmanagement Medikation 0 / 00 EHEALTHCOM 5 www.id-berlin.de
COMPACT LASERGIRL – SCIENCE COMIC Batman und Iron Man müssen die Technologien, die ihnen Superkräfte verleihen, erst erfinden – und doch bleiben sie Science-Fiction. Bei Laser- girl ist es umgekehrt: Ihre Superkraft gibt es wirklich, denn ihre Geheim- waffe ist eine Methode, die ein For- schungsteam des Leibniz-Instituts für Photonische Technologien (Leibniz- IPHT) und des Universitätsklinikums Jena mit europäischen Partner:innen entwickelt hat, um eine lebensbe- drohliche Sepsis mithilfe von opti- schen Technologien und Künstlicher Intelligenz schnell zu erkennen. Für die Erforschung des lichtbasierten Diagnoseverfahrens sowie für die Idee, davon in einem Comic zu erzählen, hat das Forschungs- und Kommunikationsteam des Leibniz- IPHT 2019 den Ralf-Dahrendorf-Preis für den Europäischen Forschungsraum erhalten. www.lasergirl.de BILD LINKS: © SANDRUSCHKA & LEIBNIZ-IPHT ; ; RECHTS OBEN: © CHRISTIAN DIERKS; RECHTS UNTEN: © BEARINGPOINT PATIENT KLINIK DACH-Raum, nämlich vier von zehn, waren während der Pandemie auf Netzwerksegmentierung hinten. Nur 28% trennen kritische Systeme von Die Bedrohungslage im Gesundheitswesen wird Spear-Phishing zurückzuführen. Spy- der sonstigen digitalen Infrastruktur, in den DACH-Ländern weiterhin als hoch ein- ware-Angriffe folgten mit 35%. Im- gegenüber 37% bzw. 44% in Öster- merhin drei von zehn Einrichtungen reich bzw. der Schweiz. geschätzt. hatten seit Pandemiebeginn zumin- Auch was die finanzielle Ausstat- D ie Pandemie hat IT-Sicherheits- dest einmal mit Ransomware zu tung angeht, finden sich Unterschie- probleme im Gesundheitswe- kämpfen. de. Nur 44% der IT-Entscheider in sen nicht gerade reduziert. Wie sieht es angesichts dessen mit Österreich sagen, ihr Budget für IT-Si- Kaspersky hat jetzt 350 medizinische Notfallplänen aus? Ausbaufähig. cherheit sei für die Anforderungen IT-Entscheider in Deutschland, Öster- Sechs von zehn Entscheidern geben der nächsten zwei Jahre ausreichend. reich und der Schweiz um eine aktu- an, dass ihr Krankenhaus oder ihre In Deutschland sind es 63%, in der elle Einschätzung gebeten. 61% stufen Organisation einen Business Conti- Schweiz sogar 68%. Mehr als ein Drit- die Bedrohungslage in ihrer Organisa- nuity Plan bzw. Disaster Recovery tel der Befragten gab an, die eigene tion demnach als „hoch“ ein. Drei von Plan habe, der regelmäßig kontrolliert Organisation hole sich speziell beim zehn sagen, dass es während der Pan- werde. In Deutschland ist die Quote Thema Cloud-Sicherheit externe Un- demie mehr Angriffe gegeben habe. mit 67% höher als in der Schweiz und terstützung. Die meisten Cybersicherheitsproble- Österreich, wo es 63% bzw. nur 50% ht tp s: //go.k asp er s k y.c om / healthc ar e - me in Gesundheitseinrichtungen im sind. Dafür liegt Deutschland bei der report.html 6 EHEALTHCOM 5 / 21
DIERKS ANTWORTET VORSICHT, BLITZER! Mit Verzögerung wird PROF. DR. DR. es jetzt ernst mit dem DigitalRadar, der im Krankenhauszukunfts- CHRISTIAN DIERKS ist Rechtsanwalt und gesetz (KHZG) angelegten Reifegradmessung der Krankenhäuser. Facharzt für Allgemein- medizin in Berlin. E igentlich hätte sie schon im Juni KHZG-Fördertatbeständen und dem Kommentare & Fragen: stattfinden sollen, die erste von deutschen KIT-CON-Modell. Ziel ist, die christian.dierks@ zwei Reifegradmessungen in je- deutsche Krankenhauslandschaft ab- dierks.company nen deutschen Krankenhäusern, die zubilden und gleichzeitig eine interna- KHZG-Fördermittel erhalten. Die Ver- tionale Vergleichbarkeit herzustellen. Die EU hat den Entwurf einer Verordnung über gabe hat sich verzögert. Doch mittler- Das Modell arbeitet in der pilotier- Künstliche Intelligenz vorgelegt. Wie schätzen Sie weile ist das Konsortium DigitalRadar ten Version mit 230 Kriterien in den die Auswirkungen ein? mit Prof. Dr. Sylvia Thun, Berlin, Prof. sechs Hauptdimensionen „Klinische Ich bezweifle, dass der aktuelle Entwurf einer Dr. Alexander Geissler, St. Gallen, und Prozesse“ (25%), „Patientenpartizipa- Gesetzesfolgenabschätzung standhält. Zum ei- – neben weiteren Partnern – der reife- tion“ (4%), „Informationsaustausch“ nen ist der Bogen zu weit gespannt, in dem sogar graderfahrenen HIMSS am Start. Im (10%), „Telehealth“ (5%), „Organisato- softwarebasierte Entscheidungsbäume als KI- vierten Quartal gehe es los mit der rische Steuerung und Datenmanage- System eingestuft werden. Werden sie in einem ersten Datenerhebungsphase, und sie ment“ (10%) und „Resilienz-Manage- Medizinprodukt eingesetzt, etwa zur Steuerung solle bis Ende 2021 abgeschlossen ment und Performance“ (15%). Das eines Motors, gilt dieses schon als Hochrisikopro- sein, so Geissler. Der Ergebnisbericht übrige knappe Drittel der Kriterien dukt. Zum anderen leitet die Verordnung dann dieser ersten Erhebung dürfe dann im sind allgemeine Angaben. Auf Basis weiter ab, dass eine kontinuierliche menschliche ersten Quartal 2022 erwartet werden. der Antworten, die jede Einrichtung Überwachung dieses Systems erfolgen soll, was Die zweite Datenerhebungsphase ist in Eigenregie liefert, werden für die für Mitte 2023 anvisiert. unterschiedlichen Dimensionen Die Überregulierung droht uns nun Aktuell sei man intensiv mit Mo- Scores gebildet, außerdem ein Ge- den Wind aus den Segeln zu nehmen. dellentwicklung und Pilotierung in elf samt-Score auf einer Skala von 0 bis Krankenhäusern beschäftigt, sagte 100. Eine EMRAM-Stufe als Schätz- Jörg Studzinski von der HIMSS. Das wert dient der internationalen Ver- wiederum den Einsatz von KI ausschließt, wenn soll im September abgeschlossen wer- gleichbarkeit. DigitalRadar bildet aber eine menschliche Reaktion nicht schnell genug den. Das DigitalRadar-Modell wird nicht das komplette EMRAM-Modell erfolgen kann. An einigen Stellen schimmert eine Art Fusion-Gericht aus EMRAM, ab. Realitätsferne durch, z.B.: Schulungs- und Test- datensätze müssen fehlerfrei und vollständig sein und sollen den Marktüberwachungsbehör- TICKER + + + Fitnesstracker, Video- sprechstunden, elektronische Gesundheitsakte: Für den uneingeschränkt über Schnittstellen auch im Fernzugriff zugänglich gemacht werden. eine Mehrheit der Menschen in Deutschland ist die Insgesamt wird der Aufwand der Umset- Digitalisierung im Gesundheitswesen mittlerweile zung, der ja parallel zu dem Aufwand für die Alltag. Das ist das Ergebnis der dritten Befragung im Medizinprodukteverordnung zusätzlich entste- Rahmen der Studienreihe Smarte Gesundheit von BEARINGPOINT. Mehr als die Hälfte der Befragten hen wird, insbesondere für die Hersteller:innen (53 Prozent) hat keine Bedenken mehr, dass Gesund- von Software als Medizinprodukt so erheblich heitsdaten unzureichend vor Zugriffen Dritter ge- sein, dass Vermeidungsstrategien zu Forschungs- schützt sein könnten. Mehr zur Studie unter www.bearingpoint.com/de + + + Unter und Entwicklungsdefiziten führen werden. Da, dem Titel „Künstliche Intelligenz in Medizinprodukten – Verifizierung und Validierung von KI-basierten Medizinprodukten“ hat der TÜV SÜD ein neues Whitepaper veröffentlicht. wo wir noch glaubten, einen Vorsprung im Zum Download des englischsprachigen Whitepapers: www.tuvsud.com/en/resource- Markt erzielen zu können, droht uns die Über- centre/white-papers/artificial-intelligence-in-medical-devices + + + Auf dem Health-IT- regulierung nun den Wind aus den Segeln zu Markt hat sich diesen Sommer einiges bewegt: i-SOLUTIONS HEALTH und MEONA nehmen. Ich hoffe sehr, dass im Rahmen des wei- haben sich zusammengeschlossen und agieren künftig unter der gemeinsamen Dachfir- ma Mesalvo. + + + COMPUGROUP MEDICAL (CGM) übernimmt die KMS VER- teren Verfahrens die Kommission die zu vielen TRIEB UND SERVICES AG, einen Anbieter für Data-Warehouse-Lösungen im Gesund- Regelungsinhalten zu Recht geäußerte Kritik heitswesen. Bereits im Juni hat CGM mit der Übernahme der VISUS HEALTH IT GMBH aufnimmt und erkennt, dass Überregulierung sein Portfolio durch ein herstellerneutrales Archiv erweitert. + + + Die DEDALUS nicht nur Risiken, sondern auch die Innovation GROUP hat ebenfalls expandiert und sowohl den Labor-Informationssystemen-Anbieter OSM AG als auch mit der DOSING GMBH einen Anbieter von digitalisierten Software- minimieren kann. as-a-Service-Lösungen für die Medikationssicherheit übernommen. + + + 5 / 21 EHEALTHCOM 7
COMPACT » ePA WEITERENTWICKELN « Der Allgemeinmediziner Prof. Dr. Ferdinand Gerlach, Universität Frankfurt, ist Vorsitzender des Sach- verständigenrats Gesundheit (SVR). Von der neuen Regierung wünscht er sich mehr Mut in Sachen ePA. Was wünschen Sie sich von der neu Das Recht auf unwiederbringliche Löschung von Daten bei- en Bundesregierung in Sachen elek spielsweise ist lebensfremd und basiert auf einem missver- tronische Patientenakte (ePA)? standenen Arzt-Patienten-Verhältnis. Wir empfehlen statt- Der neue Deutsche Bundestag sollte dessen ein „Verschatten“: Es verhindert, dass die ePA un- eine nüchterne Debatte über die gesetz- vollständig wird und gibt dem Arzt oder der Ärztin die lichen Regelungen zur ePA und deren Möglichkeit, gezielt um Einsicht zu bitten, wenn dies ein- Weiterentwicklung führen. Dabei soll- mal sinnvoll erscheint. Nur eine vollständige ePA wird ten Aspekte wie der konkrete Nutzen, letztlich zu einem zuverlässigen Versorgungs-Tool mit ein funktionierendes Arzt-Patienten- Mehrwert werden. Wenn Leistungserbringer:innen wegen Verhältnis und eine patientenwohl- fehlender automatischer Echtzeit-Synchronisation und se- PROF. DR. FERDINAND GERLACH dienliche Ausgestaltung Berücksichti- lektiver Löschung davon ausgehen müssen, dass eine ePA Direktor des Instituts für Allgemein- gung finden. Was uns vorschwebt, ist nicht vollständig oder nicht aktuell ist, können und dürfen medizin der Goethe-Universität Frankfurt/M. und Vorsitzender des eine Art „Gesundheitsdatennutzungs- sie sich nicht darauf verlassen. So werden etwa überflüssi- Sachverständigenrats Gesundheit gesetz“, das die Regelungen im SGB V ge Doppeluntersuchungen nicht vermieden, sondern mög- weiterentwickelt und auf der europäi- licherweise geradezu provoziert. schen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) aufsetzt. Der SVR plädiert im Zusammenhang mit der ePA für ein Was stört Sie am deutschen Konzept für die ePA? doppeltes Opt-out. Wie sähe das konkret aus? Wir befürchten, dass eine solch komplizierte ePA eine op- Jede/r Bürger:in bekommt bei Geburt oder Zuzug automa- timale Gesundheitsversorgung in vielen Fällen nicht för- tisch eine ePA, auf die – außer ihm/ihr selbst – nur die je- dert, in Einzelfällen vielleicht sogar gefährdet. Aufgrund weils behandelnden Leistungserbringer:innen zugreifen eines vom Patientenwohl abgekoppelten Verständnisses dürfen. Alle Einträge und Zugriffe werden unlöschbar pro- von Datenschutz wird eine umständliche und ineffektive tokolliert und bleiben damit nachvollziehbar. Der/die Pati- Lösung implementiert. Der Rat ist sehr für eine vollständi- ent:in kann der Einrichtung der ePA widersprechen. Wenn ge, in Echtzeit aktualisierte ePA, wie sie in vielen EU-Län- er/sie nicht pauschal widerspricht, hat er/sie die Möglich- dern bereits seit Langem etabliert ist. keit, einzelne Informationen zu verschatten, sodass nicht jede/r Leistungserbringer:in darauf zugreifen kann. Diese Was würden Sie konkret ändern? Verschattung wäre als solche erkennbar. Holpriger Herbst TELEMATIK Nicht nur um die elektronische Patientenakte, auch tieren können, um eine NFC-fähige eGK und die dazugehörige PIN über andere Telematikanwendungen wird diskutiert. Immerhin: zu bestellen, die für das E-Rezept nötig sind. Eine entsprechende Der Rollout der KIM-Dienste läuft, und bei der auf KIM angewie- Funktion wurde im Juli in der Pilotregion Berlin-Brandenburg in senen eAU wurde im August eine Übergangsfrist bis Ende 2021 die gematik-App eingefügt, allerdings wurden dabei teilweise FOTO: © STIFTUNG GESUNDHEITSWISSEN vereinbart, die den Arztpraxen etwas mehr Zeit beim Umstieg in Krankenkassen-E-Mail-Adressen hinterlegt, die ins Nirwana führ- die KIM-Kommunikationswelt verschafft. Eine Sommerlochposse ten. Großes Geschrei allerorten, und viel Zoff in der Gesellschaf- gibt es dagegen beim E-Rezept. Das Bundesgesundheitsministe- terversammlung. Ende vom Lied: „Es wurde vereinbart, dass ge- rium hat sich schon länger auf die E-Rezept-App der gematik als meinsam beraten wird, wie die Bestellung einer NFC-eGK von der standardmäßige Patientenanwendung festgelegt. Aus dieser App E-Rezept-App unterstützt werden kann. Bis dahin soll die Funktion heraus sollen die GKV-Versicherten ihre Krankenkassen kontak- aus der App entfernt werden“, so der GKV-SV auf Nachfrage. 8 EHEALTHCOM 5 / 21
EUROPA SOLL ZUSAMMENWACHSEN Der European Health Data Space soll Gesundheitsforschung und Public Health in Europa erleichtern. Doch die europäischen E-Health-Harmonisierungen gestalten sich zäh. M it den E-Health-Standards in Währenddessen schreitet die EU Europa ist das so eine Sache. tapfer voran. Sie hat im Rahmen brei- Seit rund 15 Jahren wird bei terer Bemühungen um einen digita- der grenzüberschreitenden Versor- len Binnenmarkt das Ziel eines „Eu- gung an mehr Einheitlichkeit gebas- ropean Health Data Space“ (EHDS) telt. Was einst als epSOS begann, ausgegeben, der eine grenzüber- Ioana-Maria Gligor, Head of Unit heißt heute MyHealth@EU, und es schreitende Analyse von Gesund- European Reference Networks and Di- gibt Fortschritte: Die EU-Bemühun- heitsdaten ermöglichen soll. „Wir gital Health der EU-Kommission, gab gen sickern mehr oder weniger lang- sind immer noch zu sehr auf Daten- bei einer Veranstaltung von Roche sam in die nationalen Standardisie- schutz fokussiert und zu wenig auf einen Überblick über den Stand der rungsrahmen ein. Der deutsche Natio- den Nutzen, den Gesundheitsdaten Dinge beim EHDS. Ziel sind demnach nale Kontaktpunkt (NCP), Voraus bringen können“, sagte Markus Kal- auch hier nationale Knoten, die als Zu- setzung für die Anbindung der liola vom Finnischen Innovations- gangspunkte für grenzüberschreiten- Telematikinfrastruktur an den Rest Fonds SITRA, der die Joint Action de Forschungsprojekte und Public- BILD: © ERRIN.EU der EU, wird dennoch erst 2023 sei- (TEHDAS) koordiniert, von der sich Health-Analytik dienen sollen. Ein nen regulären Betrieb aufnehmen. die EU-Kommission in Sachen EHDS erster europäischer Gesetzentwurf ist Gut Ding will Weile haben. beraten lässt. für 2022 anvisiert. ANZEIGE LAUFSTARK. IT-SPITZENLEISTUNG FÜR DIE GKV. Ihr System- und Softwarehaus für den Gesundheitsmarkt. www.aok-systems.de 5 / 21 EHEALTHCOM 9
COMPACT 1 2 3 4 5 6 7 8 9 KÖPFE & KARRIEREN land e. V. und vertritt dort die Interessen der Anwender:innen. 5 DR. ESTE GERAGHTY, Chief Medical Officer bei Esri, hat den „HIMSS21 Most Influential Women in Health IT Award“ der HIMSS 1 Seit 1. Mai leitet PROF. DR. MARTIN DUGAS das neu eingerich- erhalten. 6 Zum 1. Oktober 2021 wird TAMMO LÖFFLER neuer tete Institut für Medizinische Informatik am Universitätsklini- Geschäftsführer bei der BITMARCK Holding GmbH und die Be- kum Heidelberg. Der 53-Jährige war bisher in gleicher Position am reiche Controlling, Finanzen, Einkauf/Ausschreibung, Personal/ Universitätsklinikum Münster tätig. 2 DR. ARIEL DORA STERN, Organisation sowie Recht leiten. 7 ISABEL KRÖNIGER hat zum Havard Business School, ist neue HPI Visiting Professor for Digital 1. Juli die Geschäftsführung des Homecare-Unternehmens ResMed Health Economics and Policy am Hasso-Plattner-Institut. Parallel Healthcare übernommen. 8 Ebenfalls seit 1. Juli zeichnet DR. UWE leitet Stern das Team International Health Care Economics am HECKERT als Market Leader DACH sowie als Vorsitzender der Ge- health innovation hub des BMG. 3 Zum 1. August hat PROF. DR. schäftsführung der Philips GmbH verantwortlich. Heckert folgt TORALF KIRSTEN die an der Medizinischen Fakultät der Uni- damit auf Peter Vullinghs, der zukünftig die neue Europa-Organi- versität Leipzig und dem Universitätsklinikum Leipzig neu ge- sation von Philips leitet. 9 Die Gesundheitsökonomin KATHARINA schaffene Professur und Abteilung für Medical Data Science über- WILSON verantwortet seit Ende August bei Medgate Deutschland nommen. 4 THOMAS DEHNE, Leiter des Geschäftsbereiches IT der in der neu geschaffenen Position Partner Network Manager den Auf- Universitätsmedizin Rostock, ist neuer Vorstand bei IHE Deutsch- und Ausbau der Partnerschaften mit niedergelassenen Ärzt:innen. FOTOS: © UK HEIDELBERG; HIH; UK LEIPZIG; IHE DEUTSCHLAND; ESRI; PRIVAT; RESMED HEALTHCARE; PHILIPS; MEDGATE DEUTSCHLAND Arzt per Brille KI für die Koro TELEMEDIZIN Drei Jahre nachdem die Virtual-Reality-Brille BILDGEBUNG Das Unternehmen Abbott hat bei der FDA eine XpertEye des Unternehmens AMA den Ideenwettbewerb Zulassung für eine neue Künstliche Intelligenz (KI)-Software „Zukunftspraxis“ der KBV gewonnen hat, wird sie jetzt in der erhalten, die im Rahmen von Koronarangiographien zum Einsatz realen Versorgung getestet. Die Brille ermöglicht eine Art tele- kommt. Die Ultreon genannte Software analysiert die Daten- konsiliarischen Kontakt über Distanzen hinweg. Übertragen sätze optischer Kohärenztomographien (OCT) in Echtzeit, um werden kann die Stimme, aber auch das gesamte Sichtfeld. dem katheterführenden Arzt Hilfestellung bei der Entscheidung Damit kann ein Arzt auf Distanz einen Blick auf einen Patienten über das weitere Vorgehen zu geben. Die OCT ist ein Verfahren, werfen oder manuelle Vorgänge anleiten, wenn ein Assistent das Blutgefäß mit Nahinfrarot visualisiert. Es gewinnt in der oder eine Pflegekraft vor Ort ist. In einer ersten Testphase interventionellen Kardiologie zunehmend an Bedeutung. Die wird die Datenbrillen-Lösung beim Hausbesuch von Praxis- Software erkennt unter anderem Kalzium und kann so Aussagen assistent:innen eingesetzt, die bei Bedarf den Arzt zuschalten über den Schweregrad von atherosklerotischen Plaques treffen. können. Die Datenbrille soll außerdem in einer Hausarztpraxis Sie misst außerdem die Durchmesser der koronaren Blutgefäße, auf Baltrum getestet werden, um im Bedarfsfall bei einer Be- was bei der Entscheidung hilft, wo genau ein Stent zu platzieren handlung medizinische Fragestellungen mit Kolleg:innen auf ist. Die europäische CE-Kennzeichnung für die KI-Lösung hat dem Festland abzuklären. Als drittes Szenario ist der Einsatz im das Unternehmen bereits im Mai erhalten. Die FDA-Zulassung Pflegeheim geplant. ist aber schwieriger zu bekommen. 10 EHEALTHCOM 5 / 21
DER DRAHT INS AMT Open-Source-Schnittstelle IRIS connect will Bürger:innen besser ans Gesundheitsamt anbinden. Z usammen mit der Björn Steiger Stiftung (BSS) arbeitet der In- novationsverbund Öffentliche Gesundheit (InÖG) an der Open- Source-Schnittstelle „IRIS connect“ für den digitalen Kontakt zum Ge- sundheitsamt: „Unsere mittelfristige Vision ist eine breite Bürgerschnitt- stelle“, sagt Dr. Tobias Opialla vom InÖG. Ein Anwendungsfall sind die digitalen Kontaktnachverfolgungs- Apps, hier v. a. die Übermittlung von Einträgen in Kontakttagebüchern. Künftig sind aber auch Anwendungen im Zusammenhang mit sozialmedizi- nischen und umweltmedizinischen Aufgaben der Ämter denkbar. Technisch hat IRIS connect eine zentrale Komponente für Verzeichnis- Dienste, es gibt aber keine zentrale Speicherung personenbezogener Da- Die Data.Science.Factory ten. Innerhalb der Gesundheitsämter gibt es einen Client, der als eine Art Agile KI-Entwicklung für die gesetzliche Türsteher fungiert und Filterfunktio- nen übernehmen kann. Sowohl die Krankenversicherung App-Anbieter, die die Schnittstelle nut- zen, als auch die Gesundheitsämter werden über Zertifikate von Bundes- druckerei oder D-Trust verifiziert. Den Verfahrensbetrieb übernimmt die BSS. • Gemeinsame Entwicklung innovativer und Im Sommer ist das erste Gesund- datengetriebener Lösungen heitsamt in den Echtbetrieb gegangen. Der Rollout von IRIS connect in Nord- • Vernetzung von Krankenkassen, Partnern und rhein-Westfalen, Thüringen und Sach- BITMARCK in crossfunktionalen Teams sen läuft. Hessen hat den Betrieb aus- • Konkrete Kundenprobleme stehen im Mittelpunkt geschrieben, weitere sollen folgen. Opialla betont, dass IRIS connect keine • Priorisierung und Auswahl der Themen mit Kunden reine SORMAS-Schnittstelle sein soll. • Lernendes System: nachhaltig und ganzheitlich Es bietet auch andere Exportformate angelegt an, die bei der Installation in Abhän- gigkeit von der IT-Lösung des Gesund- heitsamts konfiguriert werden können. Noch Fragen? Dann wenden Sie sich gerne an Durch den Open-Source-Ansatz ist das vertrieb@bitmarck.de künftig beliebig erweiterbar. 5 / 21 EHEALTHCOM 11
COMPACT Wissenschaftsticker DiGA-Spektrum wird bunter GESUNDHEITSANWENDUNGEN Die Zwanzig ist voll: Nach einer Atempause lässt + + + Die Zeiten, wo hier jeder einzelne Deep-Learning- das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wieder einen Algorithmus vorgestellt werden konnte, sind schon länger vorbei. Hier trotzdem mal wieder zwei: XIYEU WANG Schwung neuer digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA) zu und katapultiert von der Sichuan-Universität in China berichtet über einen die Liste der erstattungsfähigen DiGA damit aus der Teenager-Ära heraus. Unter CT-Algorithmus für die Diagnose intrakranieller Hämato- me (ICH), der es in einer RSNA Challenge mit deren Brain anderem Orthopäden und Diabetologen dürfen sich freuen. CT Hemorrhage Dataset bei 1 345 Teilnehmern auf Platz 1 geschafft hat (Neuroimage Clin 2021; 32:102785). Die fünf Das vorläufig gelistete Mawendo ist eine im orthopädischen Kosmos angesie- Subtypen des ICH konnten mit einer AUC von je über 98% delte DiGA, die das selbstständige Training von Patienten mit Erkrankungen der korrekt diagnostiziert werden. Bei zwei weiteren, externen Datensätzen wurden 96% und 95% erreicht. Damit sei Kol- Kniescheibe unterstützt. Das läuft so, dass der behandelnde Arzt das Krankheits- lege Algorithmus sehr geeignet als Zweitmeinungs-Tool, bild genau definiert und dann den von der App vorgeschlagenen Trainingsplan so die Chinesen. + + + Aus Japan kommt ein neuer Deep-Learning-Algorithmus, der Thorax-CTs im Hinblick entweder bestätigt oder individuell modifiziert. Das Trainingsprogramm läuft im auf idiopathische pulmonale Fibrose analysiert. TOMOHI- RO HANDA und Kollegen von der Kyoto-Universität be- Regelfall für 12 bis 16 Wochen. Die ärztlichen Leistungen im Zusammenhang mit richten darüber (Ann Thorac Soc 2021; doi: 10.1513/ der Verordnung der App werden bisher noch nicht vergütet. AnnalsATS.202101-044OC). Der Algorithmus wurde auf die Erkennung von zehn verschiedenen Parenchym-Pat- Ebenfalls vorläufig ins Verzeichnis aufgenommen wurde ESYSTA, die allererste terns trainiert und misst außerdem das Lungenvolumen. Diabetes-App im DiGA-Verzeichnis. Sie richtet sich an insulinpflichtige Diabe- + + + Themenwechsel. Die Osteopathie hat ihre Fans und Gegner. Tatsache ist: Sie kann auch telemedizinisch tiker. Es handelt sich um ein digitales Diabetestagebuch mit automatisiertem erbracht werden, wie JOANNA KRAMER vom Phoenix Children Hospital in Arizona berichtet (J Osteopath Med 2021; doi: 10.1515/jom-2021-0124). Es ging um Kinder, und der manuelle Part der Therapie wurde von den Eltern durchgeführt, angeleitet per Video vom Therapeuten. 18 Kinder wurden auf diese Weise versorgt, der Wong-Ba- ker Schmerz-Score sank von 6,77 auf 2,57. Ungewöhnlich, aber „feasible“. + + + Es ist nicht alles Gold, was digital glänzt. FRANÇOIS PANET von der McGill-Universität in Montreal berichtet über vier Fälle von pandemiebedingt telemedizinisch versorgten Krebspatienten, bei denen schwere medizinische Probleme übersehen wurden. Bei zweien handelte es sich um eine Therapiekomplikation, bei zweien wurde die Diagnose verzögert (Cancer Rep (Hoboken) 2021; e1531). Fazit: Qualitätssicherung ist wich- tig, auch in einer Pandemie. + + + Post aus Brasilien: MARA GIAVINA-BIANCHI vom Hospital Israelita Albert Einstein in São Paulo berichtet über eine retrospektive Analyse von über 30 000 (!) telemedizinischen Beratungen bei (Verdacht auf) Neurodermitis. Bei 5,3% der Verdachts- fälle wurde die Diagnose gestellt, wobei die Genauigkeit der Tele-Diagnose 84% betrug. 72% der Neurodermitis- Datenimport aus Blutzuckermessgeräten und Insulinpens. Als vorläufiger medi- Patienten konnten beim Hausarzt bleiben (JAAD Int 2020; 1(2):175-81). Insgesamt ein recht überzeugender Bericht zinischer Nutzennachweis wurde eine Studie mit der AOK Nordost eingereicht, über eine Blended-Care-Versorgung bei dieser Erkran- kung. + + + KIM SCHWAB vom Sharp Medical Center die zeigte, dass der HbA1c-Wert bei Nutzung der Anwendung sank. ESYSTA kann in Chula Vista, Kalifornien, berichtet über die retrospekti- mit Blutzuckermessgeräten kommunizieren, die das Glucose Profile Version 1.0 ve AIM-HIGHER-Studie, bei der die Lucia Atrial Fibrillation App genutzt wurde, um Aufnahme-EKGs abzufotografie- der Bluetooth Special Interest Group erfüllen, außerdem mit Insulinpens, die das ren, Vorhofflimmern (AF) zu detektieren und eine Antiko- © FOTOGRAFIKATERIA – STOCK.ADOBE.COM im Vesta-Verzeichnis veröffentlichte Bluetooth Low Energy Insulin Pen Profile agulations-Empfehlung zu geben. Ergebnis: Die App ent- deckte das AF in 98,3% der Fälle, war also fast so gut wie implementieren. die Ärzte (J Am Coll Emerg Physicians Open 2021; 2(4):e12534). Klar besser war sie bei der Therapie: Eine Die dritte neue App im Bunde ist NichtraucherHelden, auch sie vorläufig zugelas- leitlinienkonforme Antikoagulation wurde bei 98% jener sen. Der Name ist Programm: Die App unterstützt bei der Rauchentwöhnung. Es Patienten empfohlen, die dafür eine Indikation hatten. Die Ärzte empfahlen nur 78%. + + + handelt sich um ein digital umgesetztes, dreimonatiges Nichtraucher-Coaching, aufbauend auf den Prinzipien der kognitiven Verhaltenstherapie. 12 EHEALTHCOM 5 / 21
„WIR WOLLEN KEINE WARTELISTEN MEHR“ Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) werden Teil der psychotherapeutischen Versorgung. Der Be- kanntheitsgrad kann aber noch gesteigert werden. S chwierige Zeiten für die psy- besser ab als reine Selbsthilfe-Tools. dings mangelt chotherapeutische Versorgung: Bauer wies auch darauf hin, dass es es noch an der Im Schnitt warten Patient:in- zum Beispiel für die DiGA Deprexis B e k a n nt h e it nen in Deutschland bis zu 20 Wochen eine Analyse gebe, wonach die Be- der DiGA. Prof. auf einen Platz. DiGA könnten Versor- handlungskosten in der Interventi- Dr. Michael gungslücken schließen helfen, sagte onsgruppe um 4,4% fielen, während Landgrebe von PD Dr. Rita Bauer von der Universi- sie in der Kontrollgruppe um 11,5% den Lech- tätsklinik Dresden. Das BfArM-Ver- anstiegen. Mangfall-Kli- zeichnis sei hier eine große Orientie- Wichtig sei, nicht alle Apps über niken fragte rungshilfe. An der prinzipiellen Wirk- einen Kamm zu scheren: „Bezüglich die über 1 000 © BITS AND SPLITS – STOCK.ADOBE.COM samkeit gut gemachter E-Mental- Qualität, Sicherheit und Evidenzbasie- teilnehmenden Ärzt:innen und Psy- Health-Anwendungen hat sie keinen rung unterscheiden sich die Angebote chotherapeut:innen der von Servier Zweifel: „Die Studien zeigen fast alle, stark.“ Insgesamt gab es von Bauer unterstützten Online-Session, wer dass onlinebasierte Therapien ver- eine klar positive Bewertung von schon einmal eine DiGA verordnet ha- gleichbar wirksam sind wie Face-to- E-Mental-Health: „Ich denke, es muss be. Es waren 15%, und 45% sagten, Face-Therapien.“ Therapeutenunter- keine Wartezeit mehr geben. Wir wol- dass sie diesen Verordnungsweg noch stützte Programme schnitten dabei len keine Wartelisten mehr.“ Aller- gar nicht kennen würden. ANZEIGE Bessere Behandlungs- qualität dank digitaler Patientenversorgung 5 / 21 EHEALTHCOM 13 Erfahren Sie mehr unter: www.meierhofer.com/m-kis-next
COMPLEX | FORSCHUNGSDATEN EUROPA: GESUNDHEITS- DATEN FÜR DIE FORSCHUNG Die Gesundheitsdatennutzung durch die Forschung wird eines der E-Health-Themen sein, mit denen sich eine neue Bundesregierung auseinanderset- zen muss. Ein Blick in fünf europäische Nachbar- länder kann für Deutschland wichtige Orientie- rungspunkte setzen. TEXT: RAINER THIEL, LUCAS DEIMEL, TOBIAS MANNER-ROMBERG D eutschland hinkt bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens hinterher. Zu diesem Ergebnis kam 2018 bereits die internationale Vergleichsstudie #SmartHealthSystems der Bertelsmann Stiftung1, aber auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwick- lung im Gesundheitswesen in seinem aktuellsten Gutachten aus 20212. Umso wichtiger ist es, dass dieser Missstand durch die derzeitige Bundes- regierung erkannt wurde und rechtliche Vorhaben angestoßen wurden, um ein Aufholen in den kommenden Jahren zu gewährleisten. Mit dem Digitale-Versor- gung-Gesetz (DVG), dem Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG) sowie dem Digi- tale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierung-Gesetz (DVPMG) gab es unter Bun- desgesundheitsminister Jens Spahn gleich drei große Digitalgesetze. In diesen Gesetzen wurde unter anderem die rechtliche Grundlage geschaffen, Gesund- heitsdaten zukünftig für die Forschung verfügbar zu machen und somit per spektivisch für eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung zu sorgen. Damit das gelingt, braucht es eine effiziente Datennutzung durch alle relevan- © INK DROP – STOCK.ADOBE.COM ten Akteur:innen bei gleichzeitiger Wahrung der Patientenrechte sowie der Ein- haltung ethischer Grundsätze. Die deutsche Diskussion wird dabei häufig durch 1 Thiel et al. (2018). #SmartHealthSystems: Digitalisierungsstrategien im internationalen Vergleich. > Verfügbar unter: https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/Projekte/Der_digitale_Patient/ VV_SHS-Gesamtstudie_dt.pdf 2 Gerlach et al. (2021). Digitalisierung für Gesundheit – Ziele und Rahmenbedingungen eines dynamisch lernenden Gesundheitssystems. Verfügbar unter: https://www.svr-gesundheit.de/fileadmin/Gutachten/ Gutachten_2021/SVR_Gutachten_2021_online_.pdf 14 EHEALTHCOM 5 / 21
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COMPLEX | FORSCHUNGSDATEN der Bereitstellung der Daten für ge- setzlich definierte Forschungszwecke die Aufgabe, die Qualität der Daten zu sichern, ein Antragsregister anzule- gen und Schulungsmöglichkeiten für Nutzungsberechtigte zu schaffen. Die Abbildung 1 illustriert das ge- setzlich vorgesehene Antragsverfah- ren zur Nutzung von Gesundheitsda- ten in Deutschland. Anzumerken ist, dass sich dieser Prozess zum aktuellen Zeitpunkt (August 2021) im Aufbau befindet. Gesammelte Daten werden ABBILDUNG 1: Beispielhafte generische Darstellung eines möglichen Antragssystems Nutzungsberechtigten (z. B. Kranken- gemäß aktueller Gesetzeslage in Deutschland4 kassen, Hochschulen, Landes- und Bundesbehörden, Kammern der Heil- mögliche Risiken dominiert (z. B. Da- land, Frankreich, den Niederlanden, berufe) für verschiedene gesetzlich tenmissbrauch), wohingegen zu selten Portugal und dem Vereinigten König- definierte Zwecke auf Antrag zugäng- auf die sich daraus ergebenden Chan- reich ab. Digital-Health-Expert:innen lich gemacht. Neben der Wahrneh- cen geachtet wird. Ein Blick ins euro- mit tiefem praktischem und theoreti- mung von Steuerungsaufgaben oder päische Umland – so war unsere Hoff- schem Wissen über Datennutzung der Gesundheitsberichterstattung ist nung – wird zeigen, dass es auch an- und einer hohen Vertrautheit mit dem „Forschung“ als Nutzungszweck aus- ders geht. Wir wollten herausfinden: Stand der öffentlichen Diskussion und drücklich erwähnt. Die privat finan- Wie weit sind andere europäische Län- Umsetzung digitaler Gesundheitspoli- zierte Forschung hat jedoch kein An- der bei der Diskussion um die soge- tiken beantworteten hierfür einen On- tragsrecht beim Forschungsdatenzen nannte Sekundärnutzung von Ge- line-Fragebogen. trum. Gesundheitsdaten sind daher sundheitsdaten? Welche Regeln und für die industrielle Forschung nur ein- technischen Voraussetzungen haben DEUTSCHLAND: ERSTE RAHMEN- geschränkt und nur innerhalb einer sie geschaffen? Was kann Deutsch- BEDINGUNGEN GESCHAFFEN – INDUS freiwilligen Kooperation mit originär land von seinen europäischen Nach- TRIE BISHER NICHT BERÜCKSICHTIGT Nutzungsberechtigten verwendbar. barn lernen? In den vergangenen Jahren wurden Dies kann im Rahmen sogenannter Um diese und weitere Fragen zu einige gesetzliche Änderungen und öffentlich-privater Partnerschaften ge- beantworten, hat empirica im Früh- Ergänzungen vorgenommen, die dem schehen, zum Beispiel über die Zusam- jahr 2021 im Auftrag des Verbandes Digitalisierungsprozess neue Dyna- menarbeit an einem Forschungspro- der forschenden Pharma-Unterneh- mik verliehen haben. So sieht das jekt einer Krankenkasse A mit einem men (vfa) eine Studie durchgeführt DVG vor, dass die bei den Kranken- Unternehmen B.5 Bis zur Gesetzesno- und für fünf ausgewählte Länder un- kassen vorliegenden Abrechnungsda- velle war dies der etablierte Weg, über tersucht, wie Gesundheitsdaten der ten zukünftig pseudonymisiert in ei- welchen die industrielle Forschung wissenschaftlichen Forschung, das nem Forschungsdatenzentrum zu- Gesundheitsdaten zu Forschungszwe- heißt, der öffentlichen und privat fi- sammengefasst und ab 2023 für die cken nutzen konnte. nanzierten Forschung3, verfügbar ge- Forschung nutzbar gemacht werden. Das DVG wird seit dem 3. Juli 2020 macht werden. Der Fokus wurde dabei Der Spitzenverband Bund der Kran- durch das PDSG komplementiert. Der insbesondere auf die private For- kenkassen fungiert hierbei als Daten- Gesetzgeber erweiterte hiermit das be- schung gelegt. Die Studie analysiert sammelstelle, von der die pseudony- stehende Recht um Datenschutz- und die aktuelle Situation in Deutschland misierten Daten an das Forschungs- Informationssicherheitsbelange von in und deckt die Rahmenbedingungen datenzentrum geliefert werden. Das elektronischer Form gespeicherten Ge- für Gesundheitsdatennutzung in Finn- Forschungsdatenzentrum hat neben sundheitsdaten, insbesondere solchen GRAFIK: © EMPIRICA 3 Vgl. Erwägungsgrund 159 DSGVO. Verfügbar unter: https://www.dsgvo-portal.de/dsgvo_erwaegungsgrund_159.php 4 Die maßgeblichen Normen diesbezüglich finden sich im SGB V. Die Paragraphen 303a ff. befassen sich mit den Voraussetzungen der Datenverarbeitung und -zurverfügung- stellung, § 363 regelt die Verarbeitung von Daten in der ePA zu Forschungszwecken. 5 § 75 SGB X. 6 Bundesministerium für Bildung und Forschung (2020). Daten helfen heilen - Innovationsinitiative „Daten für Gesundheit“: Roadmap für eine bessere Patientenversorgung durch Gesundheitsforschung und Digitalisierung. Verfügbar unter: https://www.bmbf.de/upload_filestore/pub/Daten_helfen_heilen.pdf 16 EHEALTHCOM 5 / 21
in elektronischen Patientenakten zentralen Antragstelle transpa- SECHS HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN FÜR DIE (ePA). Zukünftig soll es auch möglich rent veröffentlicht. Dies schafft KOMMENDE BUNDESREGIERUNG sein, dass Patient:innen ihre elektroni- Vertrauen und DSGVO-konforme 1. Aufnahme der forschenden Industrie in den schen Gesundheitsdaten freiwillig Opt-out-Verfahren begünstigen Kreis der beim Forschungsdatenzentrum über eine Datenspende wissenschaft- größere Datenmengen. antragsberechtigten Organisationen; lichen Forschungszwecken zur Verfü- • Gesundheitsdaten werden in 2. Wissenschaftliche und ethische Überprüfung gung stellen können. Dies geschieht Finnland, Frankreich und dem von Anträgen als vertrauensfördernden über ein Opt-in-Verfahren, bei dem ab Vereinigten Königreich in digita- Standard definieren; 2023 die Daten aus der ePA an das For- len Forschungsumgebungen ver- 3. Digitale, sichere Forschungsumgebungen mit schungsdatenzentrum freigegeben fügbar gemacht. Antragsverfah- personalisiertem Zugang für Forschende; und übermittelt werden.6 Die Daten- ren unterscheiden sich nach dem 4. Differenzierte Antragsverfahren für aggregierte spende soll auch direkt für einzelne Niveau der Unkenntlichmachung und pseudonymisierte Gesundheitsdaten; Forschungsvorhaben möglich sein. von identifizierenden Merkmalen Hiervon würde zukünftig auch die in- in den Daten: anonyme aggregier- 5. Transparenzregister über Forschungsvorhaben dustrielle Forschung profitieren. Kon- te Daten oder lediglich pseudony- auf der Webseite des Forschungsdatenzentrums; krete Prozeduren sind jedoch gesetz- misierte Daten. 6. Opt-out-Verfahren als sinnvoller Weg für lich bisher nicht festgelegt. • Je höher der Digitalisierungsgrad, E-Health-Dienste und Gesundheitsdatennutzung. desto größer der potenzielle Nut- STAND DER DATENNUTZUNG IM zen von Gesundheitsdaten. Dieser AUSLAND: ONE-STOP-SHOP, wird durch einheitliche Stan- In Zusammenarbeit mit der Ver- TRANSPARENZREGISTER UND OPT-OUT dards, hohe Datenqualität und trauensstelle7 wird das Forschungsda- Während die deutsche Gesetzgebung technisch wie semantisch inter- tenzentrum in Deutschland eine zen vergleichsweise jung ist und sich das operable Infrastrukturen be- trale Rolle für die Forschung im Ge- Forschungsdatenzentrum noch im stimmt. sundheitsbereich einnehmen. Das Aufbau befindet, haben einige euro- Forschungsdatenzentrum sollte For- päische Nachbarn bereits Erfahrung HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN FÜR schungsanträge ethisch und for- im Bereich der Datennutzung vorzu- EINE VERBESSERTE GESUNDHEITS schungsbezogen prüfen – zusätzlich weisen. Wesentliche Ergebnisse der VERSORGUNG DURCH INNOVATIONS zu der nötigen Überprüfung einer durchgeführten Online-Befragung so- FÖRDERNDE DATENNUTZUNG rechtlichen Grundlage. Ein damit be- wie einer ergänzenden Literaturanaly- Aus dem Blick ins europäische Aus- auftragtes wissenschaftliches Komitee se sind in Abbildung 2 (Seite 18) zu- land lassen sich wichtige Impulse für kann sämtliche Anträge nach einem sammengefasst. eine Weiterentwicklung der Datennut- einheitlichen Muster prüfen. Mit die- Aus den Ergebnissen der Online- zung in Deutschland ableiten. Diese sem Schritt würde der Gesetzgeber Umfrage ergaben sich die folgenden Impulse beziehen sich größtenteils auf gleiche Möglichkeiten für die öffentli- Themenblöcke mit wiederkehrenden die Rolle des Forschungsdatenzen che und die industrielle Forschung Elementen: trums und versuchen, europäische Er- schaffen, Vertrauen rechtfertigen und • Das Modell eines One-Stop-Shops folgsvorhaben auf die vorhandene Si- die Etablierung einer ungleichen For- wird in Finnland und Frankreich tuation in Deutschland zu übertragen. schungslandschaft in Deutschland erfolgreich angewandt, um For- Die industrielle Forschung sollte umgehen. schenden zentralisiert Zugang zu auch in Deutschland als relevante Ak- Damit Gesundheitsdaten ange- verschiedensten Datensätzen zu teurin bei der Datennutzung mitge- messen zur Verfügung gestellt wer- geben. dacht werden. Aus den Erfahrungen den können und die Einhaltung des • Die industrielle Forschung wird der anderen Länder zeigt sich, dass Datenschutzes zuverlässig gewähr- in allen Studienländern bei der Forschung und Innovation einen be- leistet und jederzeit überprüft wer- Datennutzung mitgedacht. Eine rechtigten Verwendungszweck dar- den kann, könnte das Forschungsda- starke staatliche Kontrolle und stellen und ein Monopol der öffentli- tenzentrum in Benehmen mit den die gleichberechtigte Einbezie- chen Forschung auf die Nutzung von Behörden einen Cloud-Dienst entwi- hung aller Akteur:innen ist ge- Gesundheitsdaten in anderen Ländern ckeln, eine Art digitale Forschungs- meinsames Ziel aller Länder. nicht vorzufinden ist. Schlussendlich umgebung. Forschenden könnte dar- • Forschungsanträge zu Zwecken können einige Praxistipps für eine über personalisierter Zugriff auf die mit einem berechtigten öffentli- Weiterentwicklung der Datennutzung nötigen Daten gegeben werden und chen Interesse werden von der in Deutschland gegeben werden. sämtliche Interaktionen mit der 5 / 21 EHEALTHCOM 17
COMPLEX | FORSCHUNGSDATEN reitschaft der Bevölkerung abhängen. Die DSGVO-konforme Möglichkeit des Opt-out-Verfahrens wird in Syste- men wie dem NHS England bereits seit Jahren praktiziert. Gemäß der Idee der späteren Widerspruchsmög- lichkeit wird für jede Person eine ePA angelegt und damit zugleich der Zu- griff auf darin enthaltene Daten für Leistungserbringer ermöglicht. Auch der Sachverständigenrat fordert zu prüfen, ob ein Opt-out-Verfahren in Deutschland im Bereich der Datennut- zung zum Tragen kommen kann. AUSBLICK DVG, PDSG und DVPMG sind wichtige Schritte auf dem Weg zur Verfügbar- machung und effizienten Nutzung von Gesundheitsdaten für die Forschung in Deutschland. Es fehlen jedoch weitere Schritte, um Gesundheitsdaten für ei- ABBILDUNG 2: Länderkarte mit zusammenfassenden Infoboxen der Studienergebnisse ne verbesserte Gesundheitsversorgung vollständig nutzen zu können. Mit Plattform würden für mögliche Über- tragsverfahren informieren und rele- dem Forschungsdatenzentrum ver- prüfungen dokumentiert. Die Platt- vante Dokumente publik machen. gleichbare Einrichtungen in den hier form könnte derartig aufgebaut sein, Für eine transparente Darstellung untersuchten Studienländern ermögli- dass eine Reihe einfacher und fortge- aller Informationen zu Antragsverfah- chen auch der Industrie einen geregel- schrittener analytischer Operationen ren und -berechtigten könnte das For- ten und datenschutzkonformen Zu- direkt online durchgeführt werden schungsdatenzentrum gegenüber den gang zu digitalen Gesundheitsdaten. können. Bürger:innen Näheres zu den einzel- Die skizzierten Impulse für eine Ähnlich wie in Finnland wäre nen Forschungsvorhaben berichten. Weiterentwicklung deutscher Gesund- auch in Deutschland ein differenzier- Im Geiste des französischen Transpa- heitsdatennutzung für die gesamte tes Antragsverfahren denkbar. Dort renzregisters könnten interessierte Forschungslandschaft können dazu wird unterschieden zwischen aggre- Personen nachvollziehen, welcher An- beitragen, das wohl wichtigste Krite- gierten Daten für statistische Zwecke tragsteller zu welchen Themen forscht, rium für eine gesellschaftlich akzep- und pseudonymisierten Daten. Das was der genaue Status des Vorhabens tierte Gesundheitsdatenindustrie zu zukünftige Antragssystem für aggre- ist und eventuell auch eine Zusam- erfüllen: Vertrauen. Der Gesetzgeber gierte Daten könnte schlanker gestal- menfassung der Ergebnisse erhalten. hat die Möglichkeiten an der Hand, tet und mit weniger Anforderungen Das aktuell in Deutschland vorge- Gleichberechtigung unter wissen- für Angaben im Antragsformular ver- sehene mehrfache Opt-in-Verfahren schaftlich Forschenden herzustellen sehen werden, da entsprechend auch birgt das Risiko, dass digitale Gesund- und diese mit ethischen und rechtli- die Risiken eines Datenmissbrauchs heitsleistungen zu wenig genutzt wer- chen Prinzipien zu untermauern. Drei sehr gering ausfallen. Insbesondere den. Die ePA und damit verbundene weitere Erfolgskriterien sind für den für kleinere Vorhaben wäre ein Infrastrukturen werden auch in zukünftigen Erfolg entscheidend: ho- schlankeres Verfahren auch im Sinne Deutschland zukünftig eine zentrale he Datenqualität, Interoperabilität und aller Forschenden. Gemäß der aktuel- Rolle im Gesundheitswesen einneh- datengetriebene Innovation. Die er- len Gesetzeslage müsste das For- men. Der Erfolg der ePA wird dabei folgreiche Umsetzung der Telematik- schungsdatenzentrum über die An- zum größten Teil von der Nutzungsbe- infrastruktur 2.0 und das Entwickeln GRAFIK: © EMPIRICA 7 Auch wenn nicht explizit erwähnt, wird die Vertrauensstelle in weiteren Überlegungen mit dem Forschungsdatenzentrum mitgedacht. 8 Siehe auch: Gerlach et al. (2021). Digitalisierung für Gesundheit – Ziele und Rahmenbedingungen eines dynamisch lernenden Gesundheitssystems. Verfügbar unter: https:// www.svr-gesundheit.de/fileadmin/Gutachten/Gutachten_2021/SVR_Gutachten_2021_online_.pdf 18 EHEALTHCOM 5 / 21
DR. RAINER THIEL geeigneter Standards und Spezifikatio- Geschäftsführer und nen durch die entsprechenden Stake- Bereichsleiter ICT holder werden eine hohe Datenqualität Innovation in Health und Interoperabilität aller Systeme empirica Gesellschaft schlussendlich ermöglichen. Datenge- für Kommunikations- und Stand und Perspektiven Technologieforschung mbH triebene Innovation jedoch bedingt der Gesundheitsdaten- nutzung in der Forschung Kontakt: Rainer.Thiel@ das Mitdenken der industriellen For- Eine europäische Übersicht empirica.com schung und die Schaffung geeigneter Maßnahmen und Mechanismen, in- LUCAS DEIMEL nerhalb derer auch sie einen geregelten Junior Research Consultant empirica Zugang zu Gesundheitsdaten erhält. Gesellschaft für Eine solch innovationsorientierte Kommunikations- und Diskussion zwischen allen relevanten Gesellschaft für Kommunikations- und Technologieforschung mbH www.empirica.com Technologieforschung Akteur:innen wird maßgeblich darü- Kontakt: lucas.deimel@ empirica.com ber entscheiden, welche Zukunft die Gesundheitsversorgung in Deutsch- land hat. TOBIAS MANNER- ROMBERG Die vollständige Studie gibt es hier zum Referent Digital Health Download: Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) https://www.vfa.de/download/studie- Kontakt: T-Manner-Romberg gesundheitsdatennutzung-in-der-forschung @vfa.de ANZEIGE online WEIL ICH FÜR MEINE PATIENTEN FLEXIBEL UND MOBIL SEIN MÖCHTE. ORGA 930 M ONLINE. Erfassung der Versichertenstammdaten sicher und mobil. Das mobile eHealth Kartenterminal ORGA 930 M online ist hierfür bestens ausgestattet und ein unentbehrlicher Begleiter bei Hausbesuchen, im Notfalleinsatz, im Krankenhaus und in der Praxis. Wir beraten Sie persönlich: kontakt.ihc@ingenico.de www.ingenico.de/healthcare a Worldline brand 5 / 21 EHEALTHCOM 19
COMPLEX | KRANKENHAUS-IT EINWILLIGUNGS- MANAGEMENT Für eine digitale Vernetzung über Einrichtungen und Träger hinweg ist ein datenschutzkonformes, gleichzeitig möglichst schlankes und alltagstaug- liches Einwilligungsmanagement eine Conditio sine qua non. In Berlin machen die digital zuneh- mend enger kooperierenden Krankenhausschwer- gewichte Charité und Vivantes jetzt vor, wie sich Träger-Egoismen überwinden und gemeinsame Lösungen finden lassen können. I nnovative digitale Lösungen in den Klinikalltag zu eta- blieren, bedeutet immer auch die Koordination techni- TEXT: GUNTHER NOLTE, MARTIN PEUKER, NINA SODOGÉ UND MARCUS BECK scher, organisatorischer sowie rechtlicher Rahmenbe- dingungen. Die technische Umsetzung von neuen orga- nisatorischen Abläufen an den Arbeitsplätzen muss unter der Berücksichtigung der (datenschutz-)rechtlichen Anforderungen erfolgen. Beim digitalen Austausch medizi- nischer Daten über digitale Plattformen sollen Patient:innen die entscheidende Instanz sein und selbst darüber bestim- © EHEALTH.BUSINESS GMBH men, wer ihre Gesundheitsinformationen digital abrufen kann. In der IT-Kooperation von Charité und Vivantes ma- chen beide Kliniken vor, wie ein datenschutzkonformes Ein- willigungsmanagement in der digitalen Vernetzung aussehen kann. > 20 EHEALTHCOM 5 / 21
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