FORSCHUNGSDATEN DIGITALE NUTZUNG IM LÄNDERVERGLEICH KRANKENHAUS-IT INNOVATIVES EINWILLIGUNGSMANAGEMENT INTERVIEW DEUTSCHLAND STEHT VOR EINER ...

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FORSCHUNGSDATEN DIGITALE NUTZUNG IM LÄNDERVERGLEICH KRANKENHAUS-IT INNOVATIVES EINWILLIGUNGSMANAGEMENT INTERVIEW DEUTSCHLAND STEHT VOR EINER ...
MAGAZIN FÜR HEALTH-IT,
                                                          ­VERNETZTE MEDIZINTECHNIK
                                                           UND TELEMEDIZIN
www.e-health-com.de Nr. 5 | 2021

                                    FORSCHUNGSDATEN DIGITALE
                                    NUTZUNG IM LÄNDERVERGLEICH
                                    KRANKENHAUS-IT INNOVATIVES
                                    EINWILLIGUNGSMANAGEMENT
                                    INTERVIEW DEUTSCHLAND STEHT
                                    VOR EINER NEUAUSRICHTUNG
                                                         5 / 21 EHEALTHCOM 5
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COMPLEX |       XXX

                      Digitalisierung und Vernetzung
                      im Gesundheitswesen

                      dedalusgroup.de

6 EHEALTHCOM 0 / 00
FORSCHUNGSDATEN DIGITALE NUTZUNG IM LÄNDERVERGLEICH KRANKENHAUS-IT INNOVATIVES EINWILLIGUNGSMANAGEMENT INTERVIEW DEUTSCHLAND STEHT VOR EINER ...
EDITORIAL

                                                                                                                                                         EIN HEFT ÜBER DATEN

                                                                                                                                                         W
                                                                                                                                                                             enn Sie dieses Heft in der Hand halten, steht die Bundestags-
                                                                                                                                                                             wahl 2021 unmittelbar bevor. Ein Wahlkampf, der nicht im-
                                                                                                                                                                             mer besonders viel Freude gemacht hat, geht dem Ende zu.
                                                                                                                                                                             Wir hatten kurz überlegt, ob wir noch
                                                                                                                                                                             mal einen Überblick zu den E-Health-
                                                                                                                                                         politischen Positionen der unterschiedlichen Parteien
                                                                                                                                                         schreiben, haben uns dann aber dagegen entschieden.
                                                                                                                                                         Die neue Bundesregierung wird Thema genug in den
                                                                                                                                                         nächsten Heften.
                                                                                                                                                             Stattdessen werden wir in diesem Heft an mehreren
                                                                                                                                                         Stellen die Zukunft aus überparteilicher Perspektive the-
                                                                                                                                                         matisieren. Und diese Zukunft steht im Gesundheitswe-
                                                                                                                                                         sen unter dem Schlachtruf „Daten nutzen“. Wir lassen
                                                                                                                                                         den Chef des Sachverständigenrats zu Wort kommen und
                                                                                                                                                         über die elektronische Patientenakte reden. Wir sprechen
RECHTS UNTEN: © DIRK HASSKARL, BERLIN; RECHTS OBEN: © JACKIE NIAM – STOCK.ADOBE.COM; TITEL: © JACKIE NIAM – STOCK.ADOBE.COM

                                                                                                                                                         mit einer ausgewiesenen KI-Expertin über nationale und
                                                                                                                                                         europäische Datenstrategien und Gesundheitsdatenräume. Wir wagen einen
                                                                                                                                 Wir brauchen eine       Blick in die Datenraum-Projekte anderer europäischer Staaten und suchen Vor-
                                                                                                                                                         bilder.
                                                                                                                              datenbasierte Gesund-
                                                                                                                              heitsversorgung, die den   KOMMT EIN EIGENES DIGITALMINISTERIUM?
                                                                                                                                                         Und wir widmen uns in Form eines E-HEALTH-COM Specials, das ich Ihnen
                                                                                                                              Nutzen in den Vorder-      besonders ans Herz legen möchte, einer speziellen medizinischen Disziplin, der
                                                                                                                                                         Onkologie. Hier haben sich vorwärtsdenkende Expert:innen seit einiger Zeit in
                                                                                                                              grund rückt, nicht das     einer VISION ZERO genannten Initiative der Verbesserung der Krebsversor-
                                                                                                                              Ego.                       gung verschrieben – und sie thematisieren in diesem Rahmen auch die Poten-
                                                                                                                                                         ziale der Digitalisierung für die Krebsversorgung.
                                                                                                                                                             Beim diesjährigen Symposium dieser Gruppe wurde eine Berliner Erklärung
                                                                                                                                                         verabschiedet, die hier erstmals gedruckt wird und die besser als jede Zusam-
                                                                                                                                                         menfassung von Wahlprogrammen deutlich macht, wohin im Gesundheitswe-
                                                                                                                                                         sen die Reise gehen sollte: Egal wer als nächstes im Bundesgesundheitsministe-
                                                                                                                                                         rium, vielleicht sogar in einem eigenen Digitalministerium sitzt: Wir brauchen
                                                                                                                                                         eine datenbasierte Gesundheitsversorgung, die den Nutzen für Patient:innen in
                                                                                                                                                         den Vordergrund rückt und nicht das Ego von Bedenkenträger:innen.

                                                                                                                                                         Ich wünsche eine informative Lektüre!

                                                                                                                                                         PHILIPP GRÄTZEL VON GRÄTZ
                                                                                                                                                         Chefredakteur E-HEALTH-COM

                                                                                                                                                                                                                                5 / 21 EHEALTHCOM 3
FORSCHUNGSDATEN DIGITALE NUTZUNG IM LÄNDERVERGLEICH KRANKENHAUS-IT INNOVATIVES EINWILLIGUNGSMANAGEMENT INTERVIEW DEUTSCHLAND STEHT VOR EINER ...
INHALT

14                                                              20
Die Gesundheitsdatennutzung durch die Forschung ist eines der   Für eine trägerübergreifende digitale Vernetzung ist ein datenschutzkonformes, gleich-
zentralen E-Health-Themen: Ein europäischer Ländervergleich     zeitig möglichst alltagstaugliches Einwilligungsmanagement eine Conditio sine qua non.

                   COMPACT                                      COMPLEX
                   Nachrichten und Fakten                       Ereignisse & Entwicklungen

                   6     Meldungen                              14     FORSCHUNGSDATEN                     30    E-Rezept
                         Cybersecurity-Studie, Interview              Europa: Gesundheitsdaten                   Das E-Rezept kommt! Wissens-
                         mit Prof. Dr. Ferdinand Gerlach              für die Forschung. Ein Blick               wertes auf einen Blick zur Ein-
                         (SVR), Reifegradmessung, IRIS                in fünf europäische Nachbar-               führung in Deutschland
                         connect, Wissenschaftsticker etc.            länder kann für Deutschland
                                                                      wichtige Orientierung bieten.        34    Diabetes-Cloud
                   7      Dierks antwortet                                                                       Potenziale und Risiken von
                         Die Rechts-Kolumne von Prof.           20    KRANKENHAUS-IT                             cloudbasierter Software in Arzt-
                         Christian Dierks aus Berlin.                 Einwilligungsmanagement:                   praxen und Kliniken
                         Diesmal: Die EU hat den Ent-                 In Berlin machen die Kran-
                         wurf einer Verordnung über                   kenhausschwergewichte                39    TI-Messenger
                         Künstliche Intelligenz vorge-                Charité und Vivantes jetzt                 Das Digitale-Versorgung-und-
                         legt. Wie schätzen Sie die                   vor, wie sich gemeinsame                   Pflege-Modernisierungs-Gesetz
                         Auswirkungen ein?                            Lösungen finden lassen                     sieht ergänzend zu KIM einen
                                                                      können.                                    Messenger für das Gesundheits-
                   10     Köpfe & Karrieren                                                                      wesen vor – ein erster Einblick.
                         Prof. Dr. Martin Dugas,                26    Trends
                         Dr. Ariel Dora Stern, Prof. Dr.              Trends der Gesundheits-IT:           42    Medical Software Security
                         Toralf Kirsten, Thomas Dehne,                Aktuelle Studien mit Kom-                  Licht im Normendschungel?
                         Dr. Este Geraghty, Tammo Löff-               mentaren von Bernhard                      Zum Stand der Technik in
                         ler, Isabel Kröniger, Dr. Uwe                Calmer, Viktoria Hasse und                 Sachen Security bei Medizin-
                         Heckert, Katharina Wilson                    Andreas Kassner                            produkten

4 EHEALTHCOM 5 / 21
FORSCHUNGSDATEN DIGITALE NUTZUNG IM LÄNDERVERGLEICH KRANKENHAUS-IT INNOVATIVES EINWILLIGUNGSMANAGEMENT INTERVIEW DEUTSCHLAND STEHT VOR EINER ...
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Cloud-Lösungen in Arztpraxen und Kliniken sind im Vormarsch, doch gerade im medizini-   E-HEALTH-COM im Gespräch mit der Beraterin und Buchautorin
schen Umfeld kann ihr Einsatz auch zu erheblichen Risiken und Folgekosten führen.       Nicole Formica-Schiller im Vorfeld der Bundestagswahl.

COMMUNITY                                                                               COMPASS
Menschen & Meinungen                                                                    Markt & Service                 Standards

46    INTERVIEW                              52         BVITG MONITOR                   71    Aus den Unternehmen       03    Editorial
      „Deutschland steht vor einer                 Die aktuellen Sonderseiten des
      kompletten Neuausrichtung“:                  Bundesverbandes Gesundheits-         75    Firmenverzeichnis         80    Bücher
      E-HEALTH-COM im Gespräch                     IT – bvitg e. V.
      mit der Beraterin und Buchauto-                                                   78    Termine                   81    Findex/ Impressum
      rin Nicole Formica-Schiller im         60    Aus den Verbänden
      Vorfeld der Bundestagswahl.                  Beiträge der Partnerverbände                                         82    Kolumne
                                                   Bitkom, BMC, BVMed, DGBMT,
                                                   DGT, DGTelemed, FINSOZ,
                                                   KH-IT, TMF, VdigG und ZVEI
                                                                                                                                          ANZEIGE

                                                                                                                    
  ID Lösungen für eMedikation / AMTS                                                                                
                                                                                                                     

  Medikationsanamnese und Verordnungsunterstützung
                                                                                                                                                © Foto: grafikplusfoto - Fotolia.com

  Umfangreiche Prüfmöglichkeiten

  Entlassmanagement Medikation                                                                                        0 / 00 EHEALTHCOM 5
                                                                                                                             www.id-berlin.de
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COMPACT

                                                                                          LASERGIRL –
                                                                                          SCIENCE COMIC
                                                                                                 Batman und Iron Man müssen die
                                                                                                 Technologien, die ihnen Superkräfte
                                                                                                 verleihen, erst erfinden – und doch
                                                                                                 bleiben sie Science-Fiction. Bei Laser-
                                                                                                 girl ist es umgekehrt: Ihre Superkraft
                                                                                                 gibt es wirklich, denn ihre Geheim-
                                                                                                 waffe ist eine Methode, die ein For-
                                                                                                 schungsteam des Leibniz-Instituts für
                                                                                                 Photonische Technologien (Leibniz-
                                                                                                 IPHT) und des Universitätsklinikums
                                                                                                 Jena mit europäischen Partner:innen
                                                                                                 entwickelt hat, um eine lebensbe-
                                                                                                 drohliche Sepsis mithilfe von opti-
                                                                                                 schen Technologien und Künstlicher
                                                                                                 Intelligenz schnell zu erkennen. Für die
                                                                                                 Erforschung des lichtbasierten
                                                                                                 Diagnoseverfahrens sowie für
                                                                                                 die Idee, davon in einem Comic zu
                                                                                                 erzählen, hat das Forschungs- und
                                                                                                 Kommunikationsteam des Leibniz-
                                                                                                 IPHT 2019 den Ralf-Dahrendorf-Preis
                                                                                                 für den Europäischen Forschungsraum
                                                                                                 erhalten.
                                                                                                 www.lasergirl.de

                                                                                                                                                      BILD LINKS: © SANDRUSCHKA & LEIBNIZ-IPHT ; ; RECHTS OBEN: © CHRISTIAN DIERKS; RECHTS UNTEN: © BEARINGPOINT
PATIENT KLINIK                                          DACH-Raum, nämlich vier von zehn,
                                                        waren während der Pandemie auf
                                                                                                 Netzwerksegmentierung hinten. Nur
                                                                                                 28% trennen kritische Systeme von
Die Bedrohungslage im Gesundheitswesen wird             Spear-Phishing zurückzuführen. Spy-      der sonstigen digitalen Infrastruktur,
in den DACH-Ländern weiterhin als hoch ein-             ware-Angriffe folgten mit 35%. Im-       gegenüber 37% bzw. 44% in Öster-
                                                        merhin drei von zehn Einrichtungen       reich bzw. der Schweiz.
geschätzt.                                              hatten seit Pandemiebeginn zumin-            Auch was die finanzielle Ausstat-

            D
                      ie Pandemie hat IT-Sicherheits-   dest einmal mit Ransomware zu            tung angeht, finden sich Unterschie-
                      probleme im Gesundheitswe-        kämpfen.                                 de. Nur 44% der IT-Entscheider in
                      sen nicht gerade reduziert.          Wie sieht es angesichts dessen mit    Österreich sagen, ihr Budget für IT-Si-
             ­Kaspersky hat jetzt 350 medizinische      Notfallplänen aus? Ausbaufähig.          cherheit sei für die Anforderungen
              IT-Entscheider in Deutschland, Öster-     Sechs von zehn Entscheidern geben        der nächsten zwei Jahre ausreichend.
              reich und der Schweiz um eine aktu-       an, dass ihr Krankenhaus oder ihre       In Deutschland sind es 63%, in der
              elle Einschätzung gebeten. 61% stufen     Organisation einen Business Conti-       Schweiz sogar 68%. Mehr als ein Drit-
              die Bedrohungslage in ihrer Organisa-     nuity Plan bzw. Disaster Recovery        tel der Befragten gab an, die eigene
              tion demnach als „hoch“ ein. Drei von     Plan habe, der regelmäßig kontrolliert   Organisation hole sich speziell beim
              zehn sagen, dass es während der Pan-      werde. In Deutschland ist die Quote      Thema Cloud-Sicherheit externe Un-
              demie mehr Angriffe gegeben habe.         mit 67% höher als in der Schweiz und     terstützung.
              Die meisten Cybersicherheitsproble-       Österreich, wo es 63% bzw. nur 50%       ht tp s: //go.k asp er s k y.c om / healthc ar e -
              me in Gesundheitseinrichtungen im         sind. Dafür liegt Deutschland bei der    report.html

6 EHEALTHCOM 5 / 21
FORSCHUNGSDATEN DIGITALE NUTZUNG IM LÄNDERVERGLEICH KRANKENHAUS-IT INNOVATIVES EINWILLIGUNGSMANAGEMENT INTERVIEW DEUTSCHLAND STEHT VOR EINER ...
DIERKS ANTWORTET
VORSICHT, BLITZER! Mit Verzögerung wird                                                                                PROF. DR. DR.
es jetzt ernst mit dem DigitalRadar, der im Krankenhauszukunfts-                                                    ­CHRISTIAN DIERKS
                                                                                                                    ist Rechtsanwalt und
gesetz (KHZG) angelegten Reifegradmessung der Krankenhäuser.
                                                                                                                    Facharzt für Allgemein-
                                                                                                                    medizin in Berlin.

E
       igentlich hätte sie schon im Juni      KHZG-Fördertatbeständen und dem
                                                                                                                    Kommentare & Fragen:
       stattfinden sollen, die erste von      deutschen KIT-CON-Modell. Ziel ist, die                               christian.dierks@
       zwei Reifegradmessungen in je-         deutsche Krankenhauslandschaft ab-                                    dierks.company
nen deutschen Krankenhäusern, die             zubilden und gleichzeitig eine interna-
KHZG-Fördermittel erhalten. Die Ver-          tionale Vergleichbarkeit herzustellen.        Die EU hat den Entwurf einer Verordnung über
gabe hat sich verzögert. Doch mittler-            Das Modell arbeitet in der pilotier-      Künstliche Intelligenz vorgelegt. Wie schätzen Sie
weile ist das Konsortium DigitalRadar         ten Version mit 230 Kriterien in den          die Auswirkungen ein?
mit Prof. Dr. Sylvia Thun, Berlin, Prof.      sechs Hauptdimensionen „Klinische             Ich bezweifle, dass der aktuelle Entwurf einer
Dr. Alexander Geissler, St. Gallen, und       Prozesse“ (25%), „Patientenpartizipa-         Gesetzesfolgenabschätzung standhält. Zum ei-
– neben weiteren Partnern – der reife-        tion“ (4%), „Informationsaustausch“           nen ist der Bogen zu weit gespannt, in dem sogar
graderfahrenen HIMSS am Start. Im             (10%), „Telehealth“ (5%), „Organisato-        softwarebasierte Entscheidungsbäume als KI-
vierten Quartal gehe es los mit der           rische Steuerung und Datenmanage-             System eingestuft werden. Werden sie in einem
ersten Datenerhebungsphase, und sie           ment“ (10%) und „Resilienz-Manage-            Medizinprodukt eingesetzt, etwa zur Steuerung
solle bis Ende 2021 abgeschlossen             ment und Performance“ (15%). Das              eines Motors, gilt dieses schon als Hochrisikopro-
sein, so Geissler. Der Ergebnisbericht        übrige knappe Drittel der Kriterien           dukt. Zum anderen leitet die Verordnung dann
dieser ersten Erhebung dürfe dann im          sind allgemeine Angaben. Auf Basis            weiter ab, dass eine kontinuierliche menschliche
ersten Quartal 2022 erwartet werden.          der Antworten, die jede Einrichtung           Überwachung dieses Systems erfolgen soll, was
Die zweite Datenerhebungsphase ist            in Eigenregie liefert, werden für die
für Mitte 2023 anvisiert.                     unterschiedlichen Dimensionen                   Die Überregulierung droht uns nun
    Aktuell sei man intensiv mit Mo-          Scores gebildet, außerdem ein Ge-             den Wind aus den Segeln zu nehmen.
dellentwicklung und Pilotierung in elf        samt-Score auf einer Skala von 0 bis
Krankenhäusern beschäftigt, sagte             100. Eine EMRAM-Stufe als Schätz-
Jörg Studzinski von der HIMSS. Das            wert dient der internationalen Ver-           wiederum den Einsatz von KI ausschließt, wenn
soll im September abgeschlossen wer-          gleichbarkeit. DigitalRadar bildet aber       eine menschliche Reaktion nicht schnell genug
den. Das DigitalRadar-Modell wird             nicht das komplette EMRAM-Modell              erfolgen kann. An einigen Stellen schimmert
eine Art Fusion-Gericht aus EMRAM,            ab.                                           Realitätsferne durch, z.B.: Schulungs- und Test-
                                                                                            datensätze müssen fehlerfrei und vollständig
                                                                                            sein und sollen den Marktüberwachungsbehör-
TICKER + + +                  Fitnesstracker, Video-
sprechstunden, elektronische Gesundheitsakte: Für
                                                                                            den uneingeschränkt über Schnittstellen auch
                                                                                            im Fernzugriff zugänglich gemacht werden.
eine Mehrheit der Menschen in Deutschland ist die                                               Insgesamt wird der Aufwand der Umset-
Digitalisierung im Gesundheitswesen mittlerweile                                            zung, der ja parallel zu dem Aufwand für die
Alltag. Das ist das Ergebnis der dritten Befragung im                                       Medizinprodukteverordnung zusätzlich entste-
Rahmen der Studienreihe Smarte Gesundheit von
BEARINGPOINT. Mehr als die Hälfte der Befragten
                                                                                            hen wird, insbesondere für die Hersteller:innen
(53 Prozent) hat keine Bedenken mehr, dass Gesund-                                          von Software als Medizinprodukt so erheblich
heitsdaten unzureichend vor Zugriffen Dritter ge-                                           sein, dass Vermeidungsstrategien zu Forschungs-
schützt sein könnten. Mehr zur Studie unter www.bearingpoint.com/de + + + Unter             und Entwicklungsdefiziten führen werden. Da,
dem Titel „Künstliche Intelligenz in Medizinprodukten – Verifizierung und Validierung von
KI-basierten Medizinprodukten“ hat der TÜV SÜD ein neues Whitepaper veröffentlicht.
                                                                                            wo wir noch glaubten, einen Vorsprung im
Zum Download des englischsprachigen Whitepapers: www.tuvsud.com/en/resource-                Markt erzielen zu können, droht uns die Über-
centre/white-papers/artificial-intelligence-in-medical-devices + + + Auf dem Health-IT-     regulierung nun den Wind aus den Segeln zu
Markt hat sich diesen Sommer einiges bewegt: i-SOLUTIONS HEALTH und MEONA                   nehmen. Ich hoffe sehr, dass im Rahmen des wei-
haben sich zusammengeschlossen und agieren künftig unter der gemeinsamen Dachfir-
ma Mesalvo. + + + COMPUGROUP MEDICAL (CGM) übernimmt die KMS VER-
                                                                                            teren Verfahrens die Kommission die zu vielen
TRIEB UND SERVICES AG, einen Anbieter für Data-Warehouse-Lösungen im Gesund-                Regelungsinhalten zu Recht geäußerte Kritik
heitswesen. Bereits im Juni hat CGM mit der Übernahme der VISUS HEALTH IT GMBH              aufnimmt und erkennt, dass Überregulierung
sein Portfolio durch ein herstellerneutrales Archiv erweitert. + + + Die DEDALUS            nicht nur Risiken, sondern auch die Innovation
GROUP hat ebenfalls expandiert und sowohl den Labor-Informationssystemen-Anbieter
OSM AG als auch mit der DOSING GMBH einen Anbieter von digitalisierten Software-
                                                                                            minimieren kann.
as-a-Service-Lösungen für die Medikationssicherheit übernommen. + + +

                                                                                                                    5 / 21 EHEALTHCOM 7
FORSCHUNGSDATEN DIGITALE NUTZUNG IM LÄNDERVERGLEICH KRANKENHAUS-IT INNOVATIVES EINWILLIGUNGSMANAGEMENT INTERVIEW DEUTSCHLAND STEHT VOR EINER ...
COMPACT

                » ePA WEITERENTWICKELN «
                Der Allgemeinmediziner Prof. Dr. Ferdinand Gerlach, Universität Frankfurt, ist Vorsitzender des Sach-
                verständigenrats Gesundheit (SVR). Von der neuen Regierung wünscht er sich mehr Mut in Sachen ePA.

                                      Was wünschen Sie sich von der neu­          Das Recht auf unwiederbringliche Löschung von Daten bei-
                                      en Bundesregierung in Sachen elek­          spielsweise ist lebensfremd und basiert auf einem missver-
                                      tronische Patientenakte (ePA)?              standenen Arzt-Patienten-Verhältnis. Wir empfehlen statt-
                                       Der neue Deutsche Bundestag sollte         dessen ein „Verschatten“: Es verhindert, dass die ePA un-
                                       eine nüchterne Debatte über die gesetz-    vollständig wird und gibt dem Arzt oder der Ärztin die
                                       lichen Regelungen zur ePA und deren        Möglichkeit, gezielt um Einsicht zu bitten, wenn dies ein-
                                       Weiterentwicklung führen. Dabei soll-      mal sinnvoll erscheint. Nur eine vollständige ePA wird
                                       ten Aspekte wie der konkrete Nutzen,       letztlich zu einem zuverlässigen Versorgungs-Tool mit
                                       ein funktionierendes Arzt-Patienten-       Mehrwert werden. Wenn Leistungserbringer:innen wegen
                                       Verhältnis und eine patientenwohl-         fehlender automatischer Echtzeit-Synchronisation und se-
 PROF. DR. FERDINAND GERLACH
                                       dienliche Ausgestaltung Berücksichti-      lektiver Löschung davon ausgehen müssen, dass eine ePA
 Direktor des Instituts für Allgemein-
                                       gung finden. Was uns vorschwebt, ist       nicht vollständig oder nicht aktuell ist, können und dürfen
 medizin der Goethe-Universität
 Frankfurt/M. und Vorsitzender des     eine Art „Gesundheitsdatennutzungs-        sie sich nicht darauf verlassen. So werden etwa überflüssi-
 Sachverständigenrats Gesundheit       gesetz“, das die Regelungen im SGB V       ge Doppeluntersuchungen nicht vermieden, sondern mög-
                                       weiterentwickelt und auf der europäi-      licherweise geradezu provoziert.
                    schen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) aufsetzt.
                                                                                  Der SVR plädiert im Zusammenhang mit der ePA für ein
                Was stört Sie am deutschen Konzept für die ePA?                   doppeltes Opt-out. Wie sähe das konkret aus?
                Wir befürchten, dass eine solch komplizierte ePA eine op-         Jede/r Bürger:in bekommt bei Geburt oder Zuzug automa-
                timale Gesundheitsversorgung in vielen Fällen nicht för-          tisch eine ePA, auf die – außer ihm/ihr selbst – nur die je-
                dert, in Einzelfällen vielleicht sogar gefährdet. Aufgrund        weils behandelnden Leistungserbringer:innen zugreifen
                eines vom Patientenwohl abgekoppelten Verständnisses              dürfen. Alle Einträge und Zugriffe werden unlöschbar pro-
                von Datenschutz wird eine umständliche und ineffektive            tokolliert und bleiben damit nachvollziehbar. Der/die Pati-
                Lösung implementiert. Der Rat ist sehr für eine vollständi-       ent:in kann der Einrichtung der ePA widersprechen. Wenn
                ge, in Echtzeit aktualisierte ePA, wie sie in vielen EU-Län-      er/sie nicht pauschal widerspricht, hat er/sie die Möglich-
                dern bereits seit Langem etabliert ist.                           keit, einzelne Informationen zu verschatten, sodass nicht
                                                                                  jede/r Leistungserbringer:in darauf zugreifen kann. Diese
                Was würden Sie konkret ändern?                                    Verschattung wäre als solche erkennbar.

                Holpriger Herbst
                TELEMATIK Nicht nur um die elektronische Patientenakte, auch      tieren können, um eine NFC-fähige eGK und die dazugehörige PIN
                über andere Telematikanwendungen wird diskutiert. Immerhin:       zu bestellen, die für das E-Rezept nötig sind. Eine entsprechende
                Der Rollout der KIM-Dienste läuft, und bei der auf KIM angewie-   Funktion wurde im Juli in der Pilotregion Berlin-Brandenburg in
                senen eAU wurde im August eine Übergangsfrist bis Ende 2021       die gematik-App eingefügt, allerdings wurden dabei teilweise
                                                                                                                                                       FOTO: © STIFTUNG GESUNDHEITSWISSEN

                vereinbart, die den Arztpraxen etwas mehr Zeit beim Umstieg in    Krankenkassen-E-Mail-Adressen hinterlegt, die ins Nirwana führ-
                die KIM-Kommunikationswelt verschafft. Eine Sommerlochposse       ten. Großes Geschrei allerorten, und viel Zoff in der Gesellschaf-
                gibt es dagegen beim E-Rezept. Das Bundesgesundheitsministe-      terversammlung. Ende vom Lied: „Es wurde vereinbart, dass ge-
                rium hat sich schon länger auf die E-Rezept-App der gematik als   meinsam beraten wird, wie die Bestellung einer NFC-eGK von der
                standardmäßige Patientenanwendung festgelegt. Aus dieser App      E-Rezept-App unterstützt werden kann. Bis dahin soll die Funktion
                heraus sollen die GKV-Versicherten ihre Krankenkassen kontak-     aus der App entfernt werden“, so der GKV-SV auf Nachfrage.

8 EHEALTHCOM 5 / 21
FORSCHUNGSDATEN DIGITALE NUTZUNG IM LÄNDERVERGLEICH KRANKENHAUS-IT INNOVATIVES EINWILLIGUNGSMANAGEMENT INTERVIEW DEUTSCHLAND STEHT VOR EINER ...
EUROPA SOLL ZUSAMMENWACHSEN Der
                   European Health Data Space soll Gesundheitsforschung und Public Health in Europa
                   erleichtern. Doch die europäischen E-Health-Harmonisierungen gestalten sich zäh.

                   M
                            it den E-Health-Standards in        Währenddessen schreitet die EU
                            Europa ist das so eine Sache.   tapfer voran. Sie hat im Rahmen brei-
                            Seit rund 15 Jahren wird bei    terer Bemühungen um einen digita-
                   der grenzüberschreitenden Versor-        len Binnenmarkt das Ziel eines „Eu-
                   gung an mehr Einheitlichkeit gebas-      ropean Health Data Space“ (EHDS)
                   telt. Was einst als epSOS begann,        ausgegeben, der eine grenzüber-             Ioana-Maria Gligor, Head of Unit
                   heißt heute MyHealth@EU, und es          schreitende Analyse von Gesund-         European Reference Networks and Di-
                   gibt Fortschritte: Die EU-Bemühun-       heitsdaten ermöglichen soll. „Wir       gital Health der EU-Kommission, gab
                   gen sickern mehr oder weniger lang-      sind immer noch zu sehr auf Daten-      bei einer Veranstaltung von Roche
                   sam in die nationalen Standardisie-      schutz fokussiert und zu wenig auf      einen Überblick über den Stand der
                   rungsrahmen ein. Der deutsche Natio-     den Nutzen, den Gesundheitsdaten        Dinge beim EHDS. Ziel sind demnach
                   nale Kontaktpunkt (NCP), Voraus­         bringen können“, sagte Markus Kal-      auch hier nationale Knoten, die als Zu-
                   setzung für die Anbindung der            liola vom Finnischen Innovations-       gangspunkte für grenzüberschreiten-
                   Telematikinfrastruktur an den Rest       Fonds SITRA, der die Joint Action       de Forschungsprojekte und Public-
BILD: © ERRIN.EU

                   der EU, wird dennoch erst 2023 sei-      (TEHDAS) koordiniert, von der sich      Health-Analytik dienen sollen. Ein
                   nen regulären Betrieb aufnehmen.         die EU-Kommission in Sachen EHDS        erster europäischer Gesetzentwurf ist
                   Gut Ding will Weile haben.               beraten lässt.                          für 2022 anvisiert.

                                                                                                                                              ANZEIGE

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FORSCHUNGSDATEN DIGITALE NUTZUNG IM LÄNDERVERGLEICH KRANKENHAUS-IT INNOVATIVES EINWILLIGUNGSMANAGEMENT INTERVIEW DEUTSCHLAND STEHT VOR EINER ...
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  KÖPFE & KARRIEREN
                                                                               land e. V. und vertritt dort die Interessen der Anwender:innen.
                                                                               5   DR. ESTE GERAGHTY, Chief Medical Officer bei Esri, hat den
                                                                               „HIMSS21 Most Influential Women in Health IT Award“ der HIMSS
  1 Seit 1. Mai leitet PROF. DR. MARTIN DUGAS das neu eingerich-               erhalten. 6 Zum 1. Oktober 2021 wird TAMMO LÖFFLER neuer
  tete Institut für Medizinische Informatik am Universitätsklini-              Geschäftsführer bei der BITMARCK Holding GmbH und die Be-
  kum Heidelberg. Der 53-Jährige war bisher in gleicher Position am            reiche Controlling, Finanzen, Einkauf/Ausschreibung, Personal/
  Universitätsklinikum Münster tätig. 2 DR. ARIEL DORA STERN,                  Organisation sowie Recht leiten. 7 ISABEL KRÖNIGER hat zum
  Havard Business School, ist neue HPI Visiting Professor for Digital          1. Juli die Geschäftsführung des Homecare-Unternehmens ResMed
  Health Economics and Policy am Hasso-Plattner-Institut. Parallel             Healthcare übernommen. 8 Ebenfalls seit 1. Juli zeichnet DR. UWE
  leitet Stern das Team International Health Care Economics am                 HECKERT als Market Leader DACH sowie als Vorsitzender der Ge-
  health innovation hub des BMG. 3 Zum 1. August hat PROF. DR.                 schäftsführung der Philips GmbH verantwortlich. Heckert folgt
  TORALF KIRSTEN die an der Medizinischen Fakultät der Uni-                    damit auf Peter Vullinghs, der zukünftig die neue Europa-Organi-
  versität Leipzig und dem Universitätsklinikum Leipzig neu ge-                sation von Philips leitet. 9 Die Gesundheitsökonomin KATHARINA
  schaffene Professur und Abteilung für Medical Data Science über-             WILSON verantwortet seit Ende August bei Medgate Deutschland
  nommen. 4 THOMAS DEHNE, Leiter des Geschäftsbereiches IT der                 in der neu geschaffenen Position Partner Network Manager den Auf-
  Universitätsmedizin Rostock, ist neuer Vorstand bei IHE Deutsch-             und Ausbau der Partnerschaften mit niedergelassenen Ärzt:innen.

                                                                                                                                                         FOTOS: © UK HEIDELBERG; HIH; UK LEIPZIG; IHE DEUTSCHLAND; ESRI; PRIVAT; RESMED HEALTHCARE; PHILIPS; MEDGATE DEUTSCHLAND
                Arzt per Brille                                                       KI für die Koro
                TELEMEDIZIN Drei Jahre nachdem die Virtual-Reality-Brille             BILDGEBUNG Das Unternehmen Abbott hat bei der FDA eine
                XpertEye des Unternehmens AMA den Ideenwettbewerb                     Zulassung für eine neue Künstliche Intelligenz (KI)-Software
                „Zukunftspraxis“ der KBV gewonnen hat, wird sie jetzt in der          erhalten, die im Rahmen von Koronarangiographien zum Einsatz
                realen Versorgung getestet. Die Brille ermöglicht eine Art tele-      kommt. Die Ultreon genannte Software analysiert die Daten-
                konsiliarischen Kontakt über Distanzen hinweg. Übertragen             sätze optischer Kohärenztomographien (OCT) in Echtzeit, um
                werden kann die Stimme, aber auch das gesamte Sichtfeld.              dem katheterführenden Arzt Hilfestellung bei der Entscheidung
                Damit kann ein Arzt auf Distanz einen Blick auf einen Patienten       über das weitere Vorgehen zu geben. Die OCT ist ein Verfahren,
                werfen oder manuelle Vorgänge anleiten, wenn ein Assistent            das Blutgefäß mit Nahinfrarot visualisiert. Es gewinnt in der
                oder eine Pflegekraft vor Ort ist. In einer ersten Testphase          interventionellen Kardiologie zunehmend an Bedeutung. Die
                wird die Datenbrillen-Lösung beim Hausbesuch von Praxis-              Software erkennt unter anderem Kalzium und kann so Aussagen
                assistent:innen eingesetzt, die bei Bedarf den Arzt zuschalten        über den Schweregrad von atherosklerotischen Plaques treffen.
                können. Die Datenbrille soll außerdem in einer Hausarztpraxis         Sie misst außerdem die Durchmesser der koronaren Blutgefäße,
                auf Baltrum getestet werden, um im Bedarfsfall bei einer Be-          was bei der Entscheidung hilft, wo genau ein Stent zu platzieren
                handlung medizinische Fragestellungen mit Kolleg:innen auf            ist. Die europäische CE-Kennzeichnung für die KI-Lösung hat
                dem Festland abzuklären. Als drittes Szenario ist der Einsatz im      das Unternehmen bereits im Mai erhalten. Die FDA-Zulassung
                Pflegeheim geplant.                                                   ist aber schwieriger zu bekommen.

10 EHEALTHCOM 5 / 21
DER DRAHT
INS AMT
Open-Source-Schnittstelle IRIS
connect will Bürger:innen besser
ans Gesundheitsamt anbinden.

Z
        usammen mit der Björn Steiger
        Stiftung (BSS) arbeitet der In-
        novationsverbund Öffentliche
 Gesundheit (InÖG) an der Open-
 Source-Schnittstelle „IRIS connect“
 für den digitalen Kontakt zum Ge-
 sundheitsamt: „Unsere mittelfristige
 Vision ist eine breite Bürgerschnitt-
 stelle“, sagt Dr. Tobias Opialla vom
 InÖG. Ein Anwendungsfall sind die
 digitalen Kontaktnachverfolgungs-
 Apps, hier v. a. die Übermittlung von
 Einträgen in Kontakttagebüchern.
 Künftig sind aber auch Anwendungen
 im Zusammenhang mit sozialmedizi-
 nischen und umweltmedizinischen
 Aufgaben der Ämter denkbar.
     Technisch hat IRIS connect eine
 zentrale Komponente für Verzeichnis-
 Dienste, es gibt aber keine zentrale
 Speicherung personenbezogener Da-
                                            Die Data.Science.Factory
 ten. Innerhalb der Gesundheitsämter
 gibt es einen Client, der als eine Art     Agile KI-Entwicklung
                                            für die gesetzliche
 Türsteher fungiert und Filterfunktio-
 nen übernehmen kann. Sowohl die

                                            Krankenversicherung
 App-Anbieter, die die Schnittstelle nut-
 zen, als auch die Gesundheitsämter
 werden über Zertifikate von Bundes-
 druckerei oder D-Trust verifiziert. Den
 Verfahrensbetrieb übernimmt die BSS.       • Gemeinsame Entwicklung innovativer und
     Im Sommer ist das erste Gesund-
                                              datengetriebener Lösungen
heitsamt in den Echtbetrieb gegangen.
Der Rollout von IRIS connect in Nord-       • Vernetzung von Krankenkassen, Partnern und
rhein-Westfalen, Thüringen und Sach-          BITMARCK in crossfunktionalen Teams
sen läuft. Hessen hat den Betrieb aus-      • Konkrete Kundenprobleme stehen im Mittelpunkt
geschrieben, weitere sollen folgen.
­Opialla betont, dass IRIS connect keine    • Priorisierung und Auswahl der Themen mit Kunden
 reine SORMAS-Schnittstelle sein soll.      • Lernendes System: nachhaltig und ganzheitlich
 Es bietet auch andere Exportformate          angelegt
 an, die bei der Installation in Abhän-
 gigkeit von der IT-Lösung des Gesund-
 heitsamts konfiguriert werden können.      Noch Fragen? Dann wenden Sie sich gerne an
 Durch den Open-Source-Ansatz ist das       vertrieb@bitmarck.de
 künftig beliebig erweiterbar.

                                                                                   5 / 21 EHEALTHCOM 11
COMPACT

  Wissenschaftsticker                                            DiGA-Spektrum wird bunter
                                                                 GESUNDHEITSANWENDUNGEN Die Zwanzig ist voll: Nach einer Atempause lässt
  + + + Die Zeiten, wo hier jeder einzelne Deep-Learning-        das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wieder einen
  Algorithmus vorgestellt werden konnte, sind schon länger
  vorbei. Hier trotzdem mal wieder zwei: XIYEU WANG              Schwung neuer digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA) zu und katapultiert
  von der Sichuan-Universität in China berichtet über einen
                                                                 die Liste der erstattungsfähigen DiGA damit aus der Teenager-Ära heraus. Unter
  CT-Algorithmus für die Diagnose intrakranieller Hämato-
  me (ICH), der es in einer RSNA Challenge mit deren Brain       anderem Orthopäden und Diabetologen dürfen sich freuen.
  CT Hemorrhage Dataset bei 1 345 Teilnehmern auf Platz 1
  geschafft hat (Neuroimage Clin 2021; 32:102785). Die fünf      Das vorläufig gelistete Mawendo ist eine im orthopädischen Kosmos angesie-
  Subtypen des ICH konnten mit einer AUC von je über 98%         delte DiGA, die das selbstständige Training von Patienten mit Erkrankungen der
  korrekt diagnostiziert werden. Bei zwei weiteren, externen
  Datensätzen wurden 96% und 95% erreicht. Damit sei Kol-        Kniescheibe unterstützt. Das läuft so, dass der behandelnde Arzt das Krankheits-
  lege Algorithmus sehr geeignet als Zweitmeinungs-Tool,
                                                                 bild genau definiert und dann den von der App vorgeschlagenen Trainingsplan
  so die Chinesen. + + + Aus Japan kommt ein neuer
  Deep-Learning-Algorithmus, der Thorax-CTs im Hinblick          entweder bestätigt oder individuell modifiziert. Das Trainingsprogramm läuft im
  auf idiopathische pulmonale Fibrose analysiert. TOMOHI-
  RO HANDA und Kollegen von der Kyoto-Universität be-            Regelfall für 12 bis 16 Wochen. Die ärztlichen Leistungen im Zusammenhang mit
  richten darüber (Ann Thorac Soc 2021; doi: 10.1513/            der Verordnung der App werden bisher noch nicht vergütet.
  Annals­ATS.202101-044OC). Der Algorithmus wurde auf
  die Erkennung von zehn verschiedenen Parenchym-Pat-            Ebenfalls vorläufig ins Verzeichnis aufgenommen wurde ESYSTA, die allererste
  terns trainiert und misst außerdem das Lungenvolumen.
                                                                 Diabetes-App im DiGA-Verzeichnis. Sie richtet sich an insulinpflichtige Diabe-
  + + + Themenwechsel. Die Osteopathie hat ihre Fans
  und Gegner. Tatsache ist: Sie kann auch telemedizinisch        tiker. Es handelt sich um ein digitales Diabetestagebuch mit automatisiertem
  erbracht werden, wie JOANNA KRAMER vom Phoenix
  Children Hospital in Arizona berichtet (J Osteopath Med
  2021; doi: 10.1515/jom-2021-0124). Es ging um Kinder, und
  der manuelle Part der Therapie wurde von den Eltern
  durchgeführt, angeleitet per Video vom Therapeuten.
  18 Kinder wurden auf diese Weise versorgt, der Wong-Ba-
  ker Schmerz-Score sank von 6,77 auf 2,57. Ungewöhnlich,
  aber „feasible“. + + + Es ist nicht alles Gold, was digital
  glänzt. FRANÇOIS PANET von der McGill-Universität in
  Montreal berichtet über vier Fälle von pandemiebedingt
  telemedizinisch versorgten Krebspatienten, bei denen
  schwere medizinische Probleme übersehen wurden. Bei
  zweien handelte es sich um eine Therapiekomplikation,
  bei zweien wurde die Diagnose verzögert (Cancer Rep
  (Hoboken) 2021; e1531). Fazit: Qualitätssicherung ist wich-
  tig, auch in einer Pandemie. + + + Post aus Brasilien:
  MARA GIAVINA-BIANCHI vom Hospital Israelita Albert
  Einstein in São Paulo berichtet über eine retrospektive
  Analyse von über 30 000 (!) telemedizinischen Beratungen
  bei (Verdacht auf) Neurodermitis. Bei 5,3% der Verdachts-
  fälle wurde die Diagnose gestellt, wobei die Genauigkeit
  der Tele-Diagnose 84% betrug. 72% der Neurodermitis-
                                                                 Datenimport aus Blutzuckermessgeräten und Insulinpens. Als vorläufiger medi-
  Patienten konnten beim Hausarzt bleiben (JAAD Int 2020;
  1(2):175-81). Insgesamt ein recht überzeugender Bericht        zinischer Nutzennachweis wurde eine Studie mit der AOK Nordost eingereicht,
  über eine Blended-Care-Versorgung bei dieser Erkran-
  kung. + + + KIM SCHWAB vom Sharp Medical Center                die zeigte, dass der HbA1c-Wert bei Nutzung der Anwendung sank. ESYSTA kann
  in Chula Vista, Kalifornien, berichtet über die retrospekti-   mit Blutzuckermessgeräten kommunizieren, die das Glucose Profile Version 1.0
  ve AIM-HIGHER-Studie, bei der die Lucia Atrial Fibrillation
  App genutzt wurde, um Aufnahme-EKGs abzufotografie-            der Bluetooth Special Interest Group erfüllen, außerdem mit Insulinpens, die das
  ren, Vorhofflimmern (AF) zu detektieren und eine Antiko-
                                                                                                                                                    © FOTOGRAFIKATERIA – STOCK.ADOBE.COM

                                                                 im Vesta-Verzeichnis veröffentlichte Bluetooth Low Energy Insulin Pen Profile
  agulations-Empfehlung zu geben. Ergebnis: Die App ent-
  deckte das AF in 98,3% der Fälle, war also fast so gut wie     implementieren.
  die Ärzte (J Am Coll Emerg Physicians Open 2021;
  2(4):e12534). Klar besser war sie bei der Therapie: Eine       Die dritte neue App im Bunde ist NichtraucherHelden, auch sie vorläufig zugelas-
  leitlinienkonforme Antikoagulation wurde bei 98% jener         sen. Der Name ist Programm: Die App unterstützt bei der Rauchentwöhnung. Es
  Patienten empfohlen, die dafür eine Indikation hatten. Die
  Ärzte empfahlen nur 78%. + + +                                 handelt sich um ein digital umgesetztes, dreimonatiges Nichtraucher-Coaching,
                                                                 aufbauend auf den Prinzipien der kognitiven Verhaltenstherapie.

12 EHEALTHCOM 5 / 21
„WIR WOLLEN KEINE WARTELISTEN MEHR“
                                       Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) werden Teil der psychotherapeutischen Versorgung. Der Be-
                                       kanntheitsgrad kann aber noch gesteigert werden.

                                      S
                                              chwierige Zeiten für die psy-      besser ab als reine Selbsthilfe-Tools.   dings mangelt
                                              chotherapeutische Versorgung:      Bauer wies auch darauf hin, dass es      es noch an der
                                              Im Schnitt warten Patient:in-      zum Beispiel für die DiGA Deprexis       B e k a n nt h e it
                                       nen in Deutschland bis zu 20 Wochen       eine Analyse gebe, wonach die Be-        der DiGA. Prof.
                                       auf einen Platz. DiGA könnten Versor-     handlungskosten in der Interventi-       Dr. Michael
                                       gungslücken schließen helfen, sagte       onsgruppe um 4,4% fielen, während        Landgrebe von
                                       PD Dr. Rita Bauer von der Universi-       sie in der Kontrollgruppe um 11,5%       den       Lech-
                                       tätsklinik Dresden. Das BfArM-Ver-        anstiegen.                               Mangfall-Kli-
                                       zeichnis sei hier eine große Orientie-        Wichtig sei, nicht alle Apps über    niken fragte
                                       rungshilfe. An der prinzipiellen Wirk-    einen Kamm zu scheren: „Bezüglich        die über 1 000
© BITS AND SPLITS – STOCK.ADOBE.COM

                                       samkeit gut gemachter E-Mental-           Qualität, Sicherheit und Evidenzbasie-   teilnehmenden Ärzt:innen und Psy-
                                       Health-Anwendungen hat sie keinen         rung unterscheiden sich die Angebote     chotherapeut:innen der von Servier
                                       Zweifel: „Die Studien zeigen fast alle,   stark.“ Insgesamt gab es von Bauer       unterstützten Online-Session, wer
                                       dass onlinebasierte Therapien ver-        eine klar positive Bewertung von         schon einmal eine DiGA verordnet ha-
                                       gleichbar wirksam sind wie Face-to-       ­E-Mental-Health: „Ich denke, es muss    be. Es waren 15%, und 45% sagten,
                                       Face-Therapien.“ Therapeutenunter-         keine Wartezeit mehr geben. Wir wol-    dass sie diesen Verordnungsweg noch
                                       stützte Programme schnitten dabei          len keine Wartelisten mehr.“ Aller-     gar nicht kennen würden.

                                                                                                                                                                 ANZEIGE

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                                      Erfahren Sie mehr unter: www.meierhofer.com/m-kis-next
COMPLEX |             FORSCHUNGSDATEN

EUROPA: GESUNDHEITS-
DATEN FÜR DIE FORSCHUNG
Die Gesundheitsdatennutzung durch die Forschung
wird eines der E-Health-Themen sein, mit denen
sich eine neue Bundesregierung auseinanderset-
zen muss. Ein Blick in fünf europäische Nachbar-
länder kann für Deutschland wichtige Orientie-
rungspunkte setzen.
TEXT: RAINER THIEL, LUCAS DEIMEL, TOBIAS MANNER-ROMBERG

                                                      D
                                                                       eutschland hinkt bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens
                                                                       hinterher. Zu diesem Ergebnis kam 2018 bereits die internationale
                                                                       Vergleichsstudie #SmartHealthSystems der Bertelsmann Stiftung1,
                                                                       aber auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwick-
                                                                       lung im Gesundheitswesen in seinem aktuellsten Gutachten aus
                                                          20212. Umso wichtiger ist es, dass dieser Missstand durch die derzeitige Bundes-
                                                          regierung erkannt wurde und rechtliche Vorhaben angestoßen wurden, um ein
                                                          Aufholen in den kommenden Jahren zu gewährleisten. Mit dem Digitale-Versor-
                                                          gung-Gesetz (DVG), dem Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG) sowie dem Digi-
                                                          tale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierung-Gesetz (DVPMG) gab es unter Bun-
                                                          desgesundheitsminister Jens Spahn gleich drei große Digitalgesetze. In diesen
                                                          Gesetzen wurde unter anderem die rechtliche Grundlage geschaffen, Gesund-
                                                          heitsdaten zukünftig für die Forschung verfügbar zu machen und somit per­
                                                          spektivisch für eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung zu sorgen.
                                                              Damit das gelingt, braucht es eine effiziente Datennutzung durch alle relevan-
                                                                                                                                                                       © INK DROP – STOCK.ADOBE.COM

                                                          ten Akteur:innen bei gleichzeitiger Wahrung der Patientenrechte sowie der Ein-
                                                          haltung ethischer Grundsätze. Die deutsche Diskussion wird dabei häufig durch
                                                          1
                                                              Thiel et al. (2018). #SmartHealthSystems: Digitalisierungsstrategien im internationalen Vergleich.

                                                                                                                                                                   >
                                                          Verfügbar unter: https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/Projekte/Der_digitale_Patient/
                                                          VV_SHS-Gesamtstudie_dt.pdf
                                                          2
                                                             Gerlach et al. (2021). Digitalisierung für Gesundheit – Ziele und Rahmenbedingungen eines dynamisch
                                                          lernenden Gesundheitssystems. Verfügbar unter: https://www.svr-gesundheit.de/fileadmin/Gutachten/
                                                          Gutachten_2021/SVR_Gutachten_2021_online_.pdf

14 EHEALTHCOM 5 / 21
5 / 21 EHEALTHCOM 15
COMPLEX |                 FORSCHUNGSDATEN

                                                                                                                                     der Bereitstellung der Daten für ge-
                                                                                                                                     setzlich definierte Forschungszwecke
                                                                                                                                     die Aufgabe, die Qualität der Daten zu
                                                                                                                                     sichern, ein Antragsregister anzule-
                                                                                                                                     gen und Schulungsmöglichkeiten für
                                                                                                                                     Nutzungsberechtigte zu schaffen.
                                                                                                                                          Die Abbildung 1 illustriert das ge-
                                                                                                                                     setzlich vorgesehene Antragsverfah-
                                                                                                                                     ren zur Nutzung von Gesundheitsda-
                                                                                                                                     ten in Deutschland. Anzumerken ist,
                                                                                                                                     dass sich dieser Prozess zum aktuellen
                                                                                                                                     Zeitpunkt (August 2021) im Aufbau
                                                                                                                                     befindet. Gesammelte Daten werden
ABBILDUNG 1: Beispielhafte generische Darstellung eines möglichen Antragssystems
                                                                                                                                     Nutzungsberechtigten (z. B. Kranken-
gemäß aktueller Gesetzeslage in Deutschland4
                                                                                                                                     kassen, Hochschulen, Landes- und
                                                                                                                                     Bundesbehörden, Kammern der Heil-
                  mögliche Risiken dominiert (z. B. Da-                    land, Frankreich, den Niederlanden,                       berufe) für verschiedene gesetzlich
                  tenmissbrauch), wohingegen zu selten                     Portugal und dem Vereinigten König-                       definierte Zwecke auf Antrag zugäng-
                  auf die sich daraus ergebenden Chan-                     reich ab. Digital-Health-Expert:innen                     lich gemacht. Neben der Wahrneh-
                  cen geachtet wird. Ein Blick ins euro-                   mit tiefem praktischem und theoreti-                      mung von Steuerungsaufgaben oder
                  päische Umland – so war unsere Hoff-                     schem Wissen über Datennutzung                            der Gesundheitsberichterstattung ist
                  nung – wird zeigen, dass es auch an-                     und einer hohen Vertrautheit mit dem                      „Forschung“ als Nutzungszweck aus-
                  ders geht. Wir wollten herausfinden:                     Stand der öffentlichen Diskussion und                     drücklich erwähnt. Die privat finan-
                  Wie weit sind andere europäische Län-                    Umsetzung digitaler Gesundheitspoli-                      zierte Forschung hat jedoch kein An-
                  der bei der Diskussion um die soge-                      tiken beantworteten hierfür einen On-                     tragsrecht beim Forschungsdatenzen­
                  nannte Sekundärnutzung von Ge-                           line-Fragebogen.                                          trum. Gesundheitsdaten sind daher
                  sundheitsdaten? Welche Regeln und                                                                                  für die industrielle Forschung nur ein-
                  technischen Voraussetzungen haben                        DEUTSCHLAND: ERSTE RAHMEN-                                geschränkt und nur innerhalb einer
                  sie geschaffen? Was kann Deutsch-                        BEDINGUNGEN GESCHAFFEN – INDUS­                           freiwilligen Kooperation mit originär
                  land von seinen europäischen Nach-                       TRIE BISHER NICHT BERÜCKSICHTIGT                          Nutzungsberechtigten verwendbar.
                  barn lernen?                                             In den vergangenen Jahren wurden                          Dies kann im Rahmen sogenannter
                      Um diese und weitere Fragen zu                       einige gesetzliche Änderungen und                         öffentlich-privater Partnerschaften ge-
                  beantworten, hat empirica im Früh-                       Ergänzungen vorgenommen, die dem                          schehen, zum Beispiel über die Zusam-
                  jahr 2021 im Auftrag des Verbandes                       Digitalisierungsprozess neue Dyna-                        menarbeit an einem Forschungspro-
                  der forschenden Pharma-Unterneh-                         mik verliehen haben. So sieht das                         jekt einer Krankenkasse A mit einem
                  men (vfa) eine Studie durchgeführt                       DVG vor, dass die bei den Kranken-                        Unternehmen B.5 Bis zur Gesetzesno-
                  und für fünf ausgewählte Länder un-                      kassen vorliegenden Abrechnungsda-                        velle war dies der etablierte Weg, über
                  tersucht, wie Gesundheitsdaten der                       ten zukünftig pseudonymisiert in ei-                      welchen die industrielle Forschung
                  wissenschaftlichen Forschung, das                        nem Forschungsdatenzentrum zu-                            Gesundheitsdaten zu Forschungszwe-
                  heißt, der öffentlichen und privat fi-                   sammengefasst und ab 2023 für die                         cken nutzen konnte.
                  nanzierten Forschung3, verfügbar ge-                     Forschung nutzbar gemacht werden.                             Das DVG wird seit dem 3. Juli 2020
                  macht werden. Der Fokus wurde dabei                      Der Spitzenverband Bund der Kran-                         durch das PDSG komplementiert. Der
                  insbesondere auf die private For-                        kenkassen fungiert hierbei als Daten-                     Gesetzgeber erweiterte hiermit das be-
                  schung gelegt. Die Studie analysiert                     sammelstelle, von der die pseudony-                       stehende Recht um Datenschutz- und
                  die aktuelle Situation in Deutschland                    misierten Daten an das Forschungs-                        Informationssicherheitsbelange von in
                  und deckt die Rahmenbedingungen                          datenzentrum geliefert werden. Das                        elektronischer Form gespeicherten Ge-
                  für Gesundheitsdatennutzung in Finn-                     Forschungsdatenzentrum hat neben                          sundheitsdaten, insbesondere solchen
                                                                                                                                                                                           GRAFIK: © EMPIRICA

                  3
                    Vgl. Erwägungsgrund 159 DSGVO. Verfügbar unter: https://www.dsgvo-portal.de/dsgvo_erwaegungsgrund_159.php
                  4
                    Die maßgeblichen Normen diesbezüglich finden sich im SGB V. Die Paragraphen 303a ff. befassen sich mit den Voraussetzungen der Datenverarbeitung und -zurverfügung-
                  stellung, § 363 regelt die Verarbeitung von Daten in der ePA zu Forschungszwecken.
                  5
                    § 75 SGB X.
                  6
                    Bundesministerium für Bildung und Forschung (2020). Daten helfen heilen - Innovationsinitiative „Daten für Gesundheit“: Roadmap für eine bessere Patientenversorgung
                  durch Gesundheitsforschung und Digitalisierung. Verfügbar unter: https://www.bmbf.de/upload_filestore/pub/Daten_helfen_heilen.pdf

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in elektronischen Patientenakten             zentralen Antragstelle transpa-          SECHS HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN FÜR DIE
(ePA). Zukünftig soll es auch möglich        rent veröffentlicht. Dies schafft        KOMMENDE BUNDESREGIERUNG
sein, dass Patient:innen ihre elektroni-     Vertrauen und DSGVO-konforme             1.	Aufnahme der forschenden Industrie in den
schen Gesundheitsdaten freiwillig            Opt-out-Verfahren begünstigen                Kreis der beim Forschungsdatenzentrum
über eine Datenspende wissenschaft-          größere Datenmengen.                         antragsberechtigten Organisationen;
lichen Forschungszwecken zur Verfü-        • Gesundheitsdaten werden in               2.	Wissenschaftliche und ethische Überprüfung
gung stellen können. Dies geschieht          Finnland, Frankreich und dem                 von Anträgen als vertrauensfördernden
über ein Opt-in-Verfahren, bei dem ab        Vereinigten Königreich in digita-            Standard definieren;
2023 die Daten aus der ePA an das For-       len Forschungsumgebungen ver-
                                                                                      3.	Digitale, sichere Forschungsumgebungen mit
schungsdatenzentrum freigegeben              fügbar gemacht. Antragsverfah-
                                                                                          personalisiertem Zugang für Forschende;
und übermittelt werden.6 Die Daten-          ren unterscheiden sich nach dem
                                                                                      4.	Differenzierte Antragsverfahren für aggregierte
spende soll auch direkt für einzelne         Niveau der Unkenntlichmachung
                                                                                          und pseudonymisierte Gesundheitsdaten;
Forschungsvorhaben möglich sein.             von identifizierenden Merkmalen
Hiervon würde zukünftig auch die in-         in den Daten: anonyme aggregier-         5.	Transparenzregister über Forschungsvorhaben
dustrielle Forschung profitieren. Kon-       te Daten oder lediglich pseudony-            auf der Webseite des Forschungsdatenzentrums;
krete Prozeduren sind jedoch gesetz-         misierte Daten.                          6.	Opt-out-Verfahren als sinnvoller Weg für
lich bisher nicht festgelegt.              • Je höher der Digitalisierungsgrad,           E-Health-Dienste und Gesundheitsdatennutzung.
                                             desto größer der potenzielle Nut-
STAND DER DATENNUTZUNG IM                    zen von Gesundheitsdaten. Dieser
AUSLAND: ONE-STOP-SHOP,                      wird durch einheitliche Stan-              In Zusammenarbeit mit der Ver-
TRANSPARENZREGISTER UND OPT-OUT              dards, hohe Datenqualität und          trauensstelle7 wird das Forschungsda-
Während die deutsche Gesetzgebung            technisch wie semantisch inter-        tenzentrum in Deutschland eine zen­
vergleichsweise jung ist und sich das        operable Infrastrukturen be-           trale Rolle für die Forschung im Ge-
Forschungsdatenzentrum noch im               stimmt.                                sundheitsbereich einnehmen. Das
Aufbau befindet, haben einige euro-                                                 Forschungsdatenzentrum sollte For-
päische Nachbarn bereits Erfahrung         HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN FÜR                schungsanträge ethisch und for-
im Bereich der Datennutzung vorzu-         EINE VERBESSERTE GESUNDHEITS­            schungsbezogen prüfen – zusätzlich
weisen. Wesentliche Ergebnisse der         VERSORGUNG DURCH INNOVATIONS­            zu der nötigen Überprüfung einer
durchgeführten Online-Befragung so-        FÖRDERNDE DATENNUTZUNG                   rechtlichen Grundlage. Ein damit be-
wie einer ergänzenden Literaturanaly-      Aus dem Blick ins europäische Aus-       auftragtes wissenschaftliches Komitee
se sind in Abbildung 2 (Seite 18) zu-      land lassen sich wichtige Impulse für    kann sämtliche Anträge nach einem
sammengefasst.                             eine Weiterentwicklung der Datennut-     einheitlichen Muster prüfen. Mit die-
    Aus den Ergebnissen der Online-        zung in Deutschland ableiten. Diese      sem Schritt würde der Gesetzgeber
Umfrage ergaben sich die folgenden         Impulse beziehen sich größtenteils auf   gleiche Möglichkeiten für die öffentli-
Themenblöcke mit wiederkehrenden           die Rolle des Forschungsdatenzen­        che und die industrielle Forschung
Elementen:                                 trums und versuchen, europäische Er-     schaffen, Vertrauen rechtfertigen und
 • Das Modell eines One-Stop-Shops         folgsvorhaben auf die vorhandene Si-     die Etablierung einer ungleichen For-
    wird in Finnland und Frankreich        tuation in Deutschland zu übertragen.    schungslandschaft in Deutschland
    erfolgreich angewandt, um For-             Die industrielle Forschung sollte    umgehen.
    schenden zentralisiert Zugang zu       auch in Deutschland als relevante Ak-        Damit Gesundheitsdaten ange-
    verschiedensten Datensätzen zu         teurin bei der Datennutzung mitge-       messen zur Verfügung gestellt wer-
    geben.                                 dacht werden. Aus den Erfahrungen        den können und die Einhaltung des
 • Die industrielle Forschung wird         der anderen Länder zeigt sich, dass      Datenschutzes zuverlässig gewähr-
    in allen Studienländern bei der        Forschung und Innovation einen be-       leistet und jederzeit überprüft wer-
    Datennutzung mitgedacht. Eine          rechtigten Verwendungszweck dar-         den kann, könnte das Forschungsda-
    starke staatliche Kontrolle und        stellen und ein Monopol der öffentli-    tenzentrum in Benehmen mit den
    die gleichberechtigte Einbezie-        chen Forschung auf die Nutzung von       Behörden einen Cloud-Dienst entwi-
    hung aller Akteur:innen ist ge-        Gesundheitsdaten in anderen Ländern      ckeln, eine Art digitale Forschungs-
    meinsames Ziel aller Länder.           nicht vorzufinden ist. Schlussendlich    umgebung. Forschenden könnte dar-
 • Forschungsanträge zu Zwecken            können einige Praxistipps für eine       über personalisierter Zugriff auf die
    mit einem berechtigten öffentli-       Weiterentwicklung der Datennutzung       nötigen Daten gegeben werden und
    chen Interesse werden von der          in Deutschland gegeben werden.           sämtliche Interaktionen mit der

                                                                                                               5 / 21 EHEALTHCOM 17
COMPLEX |                FORSCHUNGSDATEN

                                                                                                                                     reitschaft der Bevölkerung abhängen.
                                                                                                                                     Die DSGVO-konforme Möglichkeit
                                                                                                                                     des Opt-out-Verfahrens wird in Syste-
                                                                                                                                     men wie dem NHS England bereits
                                                                                                                                     seit Jahren praktiziert. Gemäß der
                                                                                                                                     Idee der späteren Widerspruchsmög-
                                                                                                                                     lichkeit wird für jede Person eine ePA
                                                                                                                                     angelegt und damit zugleich der Zu-
                                                                                                                                     griff auf darin enthaltene Daten für
                                                                                                                                     Leistungserbringer ermöglicht. Auch
                                                                                                                                     der Sachverständigenrat fordert zu
                                                                                                                                     prüfen, ob ein Opt-out-Verfahren in
                                                                                                                                     Deutschland im Bereich der Datennut-
                                                                                                                                     zung zum Tragen kommen kann.

                                                                                                                                     AUSBLICK
                                                                                                                                     DVG, PDSG und DVPMG sind wichtige
                                                                                                                                     Schritte auf dem Weg zur Verfügbar-
                                                                                                                                     machung und effizienten Nutzung von
                                                                                                                                     Gesundheitsdaten für die Forschung in
                                                                                                                                     Deutschland. Es fehlen jedoch weitere
                                                                                                                                     Schritte, um Gesundheitsdaten für ei-
ABBILDUNG 2: Länderkarte mit zusammenfassenden Infoboxen der Studienergebnisse                                                       ne verbesserte Gesundheitsversorgung
                                                                                                                                     vollständig nutzen zu können. Mit
                 Plattform würden für mögliche Über-                       tragsverfahren informieren und rele-                      dem Forschungsdatenzentrum ver-
                 prüfungen dokumentiert. Die Platt-                        vante Dokumente publik machen.                            gleichbare Einrichtungen in den hier
                 form könnte derartig aufgebaut sein,                          Für eine transparente Darstellung                     untersuchten Studienländern ermögli-
                 dass eine Reihe einfacher und fortge-                     aller Informationen zu Antragsverfah-                     chen auch der Industrie einen geregel-
                 schrittener analytischer Operationen                      ren und -berechtigten könnte das For-                     ten und datenschutzkonformen Zu-
                 direkt online durchgeführt werden                         schungsdatenzentrum gegenüber den                         gang zu digitalen Gesundheitsdaten.
                 können.                                                   Bürger:innen Näheres zu den einzel-                           Die skizzierten Impulse für eine
                     Ähnlich wie in Finnland wäre                          nen Forschungsvorhaben berichten.                         Weiterentwicklung deutscher Gesund-
                 auch in Deutschland ein differenzier-                     Im Geiste des französischen Transpa-                      heitsdatennutzung für die gesamte
                 tes Antragsverfahren denkbar. Dort                        renzregisters könnten interessierte                       Forschungslandschaft können dazu
                 wird unterschieden zwischen aggre-                        Personen nachvollziehen, welcher An-                      beitragen, das wohl wichtigste Krite-
                 gierten Daten für statistische Zwecke                     tragsteller zu welchen Themen forscht,                    rium für eine gesellschaftlich akzep-
                 und pseudonymisierten Daten. Das                          was der genaue Status des Vorhabens                       tierte Gesundheitsdatenindustrie zu
                 zukünftige Antragssystem für aggre-                       ist und eventuell auch eine Zusam-                        erfüllen: Vertrauen. Der Gesetzgeber
                 gierte Daten könnte schlanker gestal-                     menfassung der Ergebnisse erhalten.                       hat die Möglichkeiten an der Hand,
                 tet und mit weniger Anforderungen                             Das aktuell in Deutschland vorge-                     Gleichberechtigung unter wissen-
                 für Angaben im Antragsformular ver-                       sehene mehrfache Opt-in-Verfahren                         schaftlich Forschenden herzustellen
                 sehen werden, da entsprechend auch                        birgt das Risiko, dass digitale Gesund-                   und diese mit ethischen und rechtli-
                 die Risiken eines Datenmissbrauchs                        heitsleistungen zu wenig genutzt wer-                     chen Prinzipien zu untermauern. Drei
                 sehr gering ausfallen. Insbesondere                       den. Die ePA und damit verbundene                         weitere Erfolgskriterien sind für den
                 für kleinere Vorhaben wäre ein                            Infrastrukturen werden auch in                            zukünftigen Erfolg entscheidend: ho-
                 schlankeres Verfahren auch im Sinne                       Deutschland zukünftig eine zentrale                       he Datenqualität, Interoperabilität und
                 aller Forschenden. Gemäß der aktuel-                      Rolle im Gesundheitswesen einneh-                         datengetriebene Innovation. Die er-
                 len Gesetzeslage müsste das For-                          men. Der Erfolg der ePA wird dabei                        folgreiche Umsetzung der Telematik-
                 schungsdatenzentrum über die An-                          zum größten Teil von der Nutzungsbe-                      infrastruktur 2.0 und das Entwickeln
                                                                                                                                                                                            GRAFIK: © EMPIRICA

                 7
                  Auch wenn nicht explizit erwähnt, wird die Vertrauensstelle in weiteren Überlegungen mit dem Forschungsdatenzentrum mitgedacht.
                 8
                  Siehe auch: Gerlach et al. (2021). Digitalisierung für Gesundheit – Ziele und Rahmenbedingungen eines dynamisch lernenden Gesundheitssystems. Verfügbar unter: https://
                 www.svr-gesundheit.de/fileadmin/Gutachten/Gutachten_2021/SVR_Gutachten_2021_online_.pdf

18 EHEALTHCOM 5 / 21
DR. RAINER THIEL
 geeigneter Standards und Spezifikatio-
                                                                                                                  Geschäftsführer und
 nen durch die entsprechenden Stake-
                                                                                                                  Bereichsleiter ICT
 holder werden eine hohe Datenqualität                                                                            Innovation in Health
 und Interoperabilität aller Systeme                                                                              empirica Gesellschaft
 schlussendlich ermöglichen. Datenge-                                                                             für Kommunikations- und
                                                 Stand und Perspektiven
                                                                                                                  Technologieforschung mbH
 triebene Innovation jedoch bedingt              der Gesundheitsdaten-
                                                 nutzung in der Forschung                                         Kontakt: Rainer.Thiel@
 das Mitdenken der industriellen For-            Eine europäische Übersicht
                                                                                                                  empirica.com
 schung und die Schaffung geeigneter
 Maßnahmen und Mechanismen, in-                                                                                     LUCAS DEIMEL

 nerhalb derer auch sie einen geregelten                                                                          Junior Research
                                                                                                                  Consultant empirica
 Zugang zu Gesundheitsdaten erhält.
                                                                                                                  Gesellschaft für
     Eine solch innovationsorientierte                                                                            Kommunikations- und
 Diskussion zwischen allen relevanten             Gesellschaft für Kommunikations- und Technologieforschung mbH
                                                                       www.empirica.com
                                                                                                                  Technologieforschung
 Akteur:innen wird maßgeblich darü-                                                                               Kontakt: lucas.deimel@
                                                                                                                  empirica.com
 ber entscheiden, welche Zukunft die
 Gesundheitsversorgung in Deutsch-
 land hat.                                                                                                          TOBIAS MANNER-
                                                                                                                  ROMBERG
 Die vollständige Studie gibt es hier zum                                                                         Referent Digital Health
 Download:                                                                                                        Verband der forschenden
                                                                                                                  Pharma-Unternehmen (vfa)
 https://www.vfa.de/download/studie-
                                                                                                                  Kontakt: T-Manner-Romberg
 gesundheitsdatennutzung-in-der-forschung
                                                                                                                  @vfa.de

                                                                                                                                              ANZEIGE

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COMPLEX |            KRANKENHAUS-IT

EINWILLIGUNGS-
MANAGEMENT
Für eine digitale Vernetzung über Einrichtungen
und Träger hinweg ist ein datenschutzkonformes,
gleichzeitig möglichst schlankes und alltagstaug-
liches Einwilligungsmanagement eine Conditio
sine qua non. In Berlin machen die digital zuneh-
mend enger kooperierenden Krankenhausschwer-
gewichte Charité und Vivantes jetzt vor, wie sich
Träger-Egoismen überwinden und gemeinsame
Lösungen finden lassen können.

                                                                  I
                                                                       nnovative digitale Lösungen in den Klinikalltag zu eta-
                                                                       blieren, bedeutet immer auch die Koordination techni-
TEXT: GUNTHER NOLTE, MARTIN PEUKER, NINA SODOGÉ UND MARCUS BECK        scher, organisatorischer sowie rechtlicher Rahmenbe-
                                                                       dingungen. Die technische Umsetzung von neuen orga-
                                                                       nisatorischen Abläufen an den Arbeitsplätzen muss
                                                                  unter der Berücksichtigung der (datenschutz-)rechtlichen
                                                                  Anforderungen erfolgen. Beim digitalen Austausch medizi-
                                                                  nischer Daten über digitale Plattformen sollen Patient:innen
                                                                  die entscheidende Instanz sein und selbst darüber bestim-
                                                                                                                                 © EHEALTH.BUSINESS GMBH

                                                                  men, wer ihre Gesundheitsinformationen digital abrufen
                                                                  kann. In der IT-Kooperation von Charité und Vivantes ma-
                                                                  chen beide Kliniken vor, wie ein datenschutzkonformes Ein-
                                                                  willigungsmanagement in der digitalen Vernetzung
                                                                  aussehen kann.                                         >
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