Geschäftsbericht 2016 2014 - Spital Thurgau AG

 
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Geschäftsbericht 2016 2014 - Spital Thurgau AG
Kantonsspital Frauenfeld
          Kantonsspital Münsterlingen
          Psychiatrische Dienste Thurgau
          Klinik St. Katharinental

          Geschäftsbericht
2014       2016
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Geschäftsbericht 2016 2014 - Spital Thurgau AG
E ditorial
Langfristig planen und umsichtig handeln                                                       1

S pi ta l T h u r gau
Organe der Spital Thurgau                                                                      2
Sehr erfolgreiches Jahr mit vielen Optimierungen                                               3
Vom Glück, einen entzündeten Blinddarm gehabt zu haben                                         7
Vielleicht wäre ich eine S­ childkröte: schnell, schlau und zäh                               11
Alle kochen mit Wasser. Wie ­daraus mehr wird, will gelernt sein – am Herd und im Leben.      15
Ein ungewöhnlicher Lebenslauf?                                                                19
Medizininformatiker vernetzen, was Medizinern und Kranken nützt                               23
Die Berufslehre ist auch eine L­ ebenslehre                                                   27

DA S JA H R 2 016 I N Z A H L E N
Lagebericht                                                                                   31
Bilanz                                                                                        33
Erfolgsrechnung                                                                               34
Geldflussrechnung                                                                             35
5-Jahres-Übersicht                                                                            36
Anhang zur Jahresrechnung                                                                     37
Antrag über die Verwendung des Bilanzgewinnes                                                 37
Erläuterungen zur Jahresrechnung                                                              38
Bericht der Revisionsstelle                                                                   44
Patientenstatistiken                                                                          46
Qualitätsbericht                                                                              51
Personalstatistiken                                                                           56
Ergänzende Informationen zur thurmed-Gruppe                                                   59

Fac hko mpetenzen de r S ta nd o r te
Kantonsspital Frauenfeld, Kantonsspital Münsterlingen                                         64
Klinik St. Katharinental, Psychiatrische Dienste Thurgau                                      65
Zentrale Medizinische Dienste, Zentrale Dienste und Eigenständige, nahestehende Unternehmen   66

Geschlechtsneutrale Bezeichnungen
Wenn auf diesen Seiten die weibliche Form nicht der männlichen
Form beigestellt ist, so ist der Grund dafür allein die bessere Lesbarkeit.
Wo sinnvoll, ist selbstverständlich immer auch die weibliche Form
gemeint.
Geschäftsbericht 2016 2014 - Spital Thurgau AG


Langfristig planen
und umsichtig handeln

von lic. iur. Robert Fürer, Verwaltungsratspräsident Spital Thurgau

I
    m Berichtsjahr 2016 wurde der Verwaltungs-             vom guten Geist, der in allen Häusern herrscht.
    rat der Spital Thurgau, der personell identisch        Nach den Sommerferien haben sie dann ihre
    ist mit dem Verwaltungsrat der thurmed AG,             Tätigkeit aufgenommen. Sie sind zwischenzeit-
verjüngt. Prof. Dr. med. Hans Wagner und dipl.             lich gut integriert und so in der Lage, mit ihrem
ing. Roland Eberle erklärten Ende 2015 im Hin-             Wissen und ihrer Erfahrung zu den Entscheidun-
blick auf die Generalversammlung vom 13. Ap-               gen massgeblich beizutragen. Ich bedanke
ril 2016 ihren Rücktritt. Die Herren wurden im             mich bei allen Mitgliedern des Verwaltungsrates
Rahmen der August-Klausur gebührend verab-                 für die wertvolle Mitarbeit.
schiedet. Ich möchte es aber nicht unterlassen,
Ihnen an dieser Stelle nochmals meinen herzli-             Neben den jährlich wiederkehrenden Geschäf-
chen Dank für die jahrelange und wertvolle Ar-             ten (Jahresrechnung, Geschäftsbericht, Rah-
beit auszusprechen.                                        menkontrakt, IKS-Bericht, Risikobericht, Tarife,
                                                           Budget) widmete sich der Verwaltungsrat neben
Der Regierungsrat des Kantons Thurgau hat in               diversen Projekten wie Kriseninterventionszent-
seiner Eigenschaft als Vertreter des Aktionariats          rum (KIZ) und Geriatrie vor allem auch baulichen
an ihrer Stelle drei markante Persönlichkeiten             Fragen. Für das grösste Projekt der Thurgauer
zugewählt: Prof. Dr. med. Markus von Flüh, Leiter          Spitalgeschichte, den Neubau in Frauenfeld
der Chirurgischen Klinik am St. Claraspital in Ba-         (Projekt Horizont), verabschiedete er ein Re-
sel, Dr. med. Bruno Haug, Hausarzt und als sol-            porting, das fortschreitend und stufengerecht
cher Verwaltungsratspräsident des Medizini-                Bericht erstattet, ob und wie das im Jahr 2011
schen Zentrums Arbon AG, und lic. iur. Carlo               festgelegte Kostendach von Fr. 277,8 Mio. ein-
Parolari, Rechtsanwalt und ehemaliger Stadt-               gehalten werden kann.
präsident von Frauenfeld.
                                                           Es ist mir ein Anliegen, allen unseren Mitarbeite-
Am 20. Juni erfolgte die Einführung der neuen              rinnen und Mitarbeitern herzlich für ihre wertvol-
Verwaltungsratsmitglieder mit Besuchen im Kan-             le Arbeit zu danken. Mein besonderer Dank
tonsspital Frauenfeld, im Kantonsspital Münster-           richtet sich an die Mitglieder der Geschäftslei-
lingen, bei den Psychiatrischen Diensten Thur-             tung. Sie sind die Zugpferde. Ihnen verdanken
gau, in der Klinik St. Katharinental und auf der           wir in erster Linie, dass sich unsere Unterneh-
Geschäftsstelle der Spital Thurgau in Frauenfeld.          mensgruppe qualitativ und ökonomisch zu den
Die neuen Verwaltungsräte zeigten sich beein-              führenden Einrichtungen unseres Landes zählen
druckt vom Zustand unserer Einrichtungen und               darf.                                           ❚

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Geschäftsbericht 2016 2014 - Spital Thurgau AG
SPITAL THURGAU, GESCHÄFTSBERICHT 2016

Organe der Spital Thurgau

                                        ➔ ➔V e r wa lt u ngs r at
                                           (von links nach rechts)
                                           Dr. med. Bruno Haug
                                           Prof. Dr. oec. Urs Brügger
                                           Prof. Dr. oec. Michèle Sutter-Rüdisser
                                           Prof. Dr. med. Markus von Flüe
                                           Christa Thorner-Dreher
                                           lic. iur. Robert Fürer, Präsident
                                           Dr. oec. Anna-Katharina Klöckner, Vizepräsidentin
                                           lic. iur. Carlo Parolari

                                        ➔ ➔G es c h ä fts l e i t u ng
                                           (von links nach rechts)
                                           Dr. med. Adrian Forster, Spitaldirektor Klinik St. Katharinental
                                           Dr. oec. publ. Peter Heri, MPH, CFO
                                           Agnes König, Pflegedirektorin Kantonsspital Münsterlingen
                                           PD Dr. med. Dipl. Psych. Dipl. Soz. Gerhard Dammann, MBA,
                                           Spital­d irektor Psychiatrische Dienste Thurgau
                                           Dr. sc. techn. Marc Kohler, CEO
                                           Dr. oec. publ. Christian Schatzmann, CIO
                                           Norbert Vetterli, Spitaldirektor Kantonsspital Frauenfeld/
                                           Verwaltungs­d irektor Klinik St. Katharinental
                                           PD Dr. med. Thomas Neff, Ärztlicher Direktor Kantonsspital Münsterlingen
                                           PD Dr. med. Stefan Duewell, Ärztlicher Direktor Kantonsspital Frauenfeld
                                           Stephan Kunz, MBA, Spitaldirektor Kantonsspital Münsterlingen/­
                                           Verwaltungsdirektor Psychiatrische Dienste Thurgau

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Geschäftsbericht 2016 2014 - Spital Thurgau AG
Sehr erfolgreiches Jahr
mit vielen Optimierungen

von Dr. sc. techn. Marc Kohler, CEO Spital Thurgau

D
           er Hauptakzent der thurmed-Gruppe im       ambulant, sind in den letzten Jahren immer kon-
           Geschäftsjahr 2016 lag in der weiteren     stant geblieben oder sogar leicht gesunken,
           Konsolidierung und Optimierung des Er-     obwohl die Kosten im Gesundheitswesen durch
reichten – speziell nach der Übernahme der            den medizinischen Fortschritt und neue gesetz-
Immobilien vom Kanton und der Ausgliederung           liche Anforderungen deutlich überproportional
der Spitalpharmazie Thurgau ein Jahr zuvor.           steigen. Privatspitäler mit ihrem hohen Anteil an
Hohe Qualität, Patientensicherheit, Freundlich-       Zusatzversicherten und meist elektiven Eingrif-
keit unserer Mitarbeitenden im Umgang mit             fen, die dadurch mehrheitlich in der Normalar-
­Patientinnen, Patienten und Angehörigen sowie        beitszeit vorgenommen werden können, haben
 gezielte Prozess-Optimierungen und weitere           deshalb heute deutlich günstigere Rahmenbe-
 Effizienzsteigerungen in der Leistungserbringung     dingungen als die öffentlichen Spitäler. Umge-
 waren zwar keine besonders spektakulären             kehrt erbringt die Spital Thurgau ihre Leistungen
 ­Ziele – sie sind aber im heutigen Umfeld für die    mehr und mehr am Abend, in der Nacht und an
  Zukunfts-Positionierung und Chancen eines           den Wochenenden, und dies bei einem Anteil
  ­Spitals unumgänglich. So ist es gelungen, auch     an Allgemeinversicherten von ca. 85 %. Damit
   das Jahr 2016 in allen Bereichen qualitativ er-    wir richtig verstanden sind: Aus Sicht der Ge-
   freulich positiv und auch finanziell erfolgreich   samtversorgung ist es sicher besser, wenn die
   mit einem Jahresergebnis von Fr. 4,795 Mio. ab-    schwierigen, oft komplexen und weniger belieb-
   zuschliessen.                                      ten Aufgaben bei der Spital Thurgau erbracht
                                                      werden – und wir machen das gerne und gut,
Die Rahmenbedingungen im Schweizer Ge-                für alle Patientinnen und Pa­tienten, 24 Stunden
sundheitswesen werden – speziell für die öffent-      pro Tag und 365 Tage im Jahr.
lichen Spitäler – laufend anspruchsvoller. Die
Erwartungen an Spitzenqualität und optimalen          Diese Tendenzen im Schweizer Spitalwesen for-
Service steigen immer weiter an, das Verständ-        dern alle öffentlichen Spitäler sehr, einerseits
nis und die Toleranz nehmen umgekehrt auch            durch die Mixverschiebung hin zu finanziell we-
bei medizinisch und organisatorisch sehr an-           niger attraktiven Fällen, mehr aber noch durch
spruchsvollen Situationen weiter ab. Diese Her-        die heute immer schwieriger und teurer zu be-
ausforderungen sind bei Allgemeinversicherten         wältigenden Nacht- und Wochenenddienste,
besonders gross, weil da auch die finanziellen        die – gerade bei jüngeren Mitarbeitenden –
Rahmenbedingungen sehr stark unter Druck              ­wenig beliebt sind und die Personalrekrutierung
sind: Die entsprechenden Tarife, stationär wie         alles andere als erleichtern. Aber wir wollen

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Geschäftsbericht 2016 2014 - Spital Thurgau AG
SPITAL THURGAU, GESCHÄFTSBERICHT 2016

              nicht jammern: die Spital Thurgau ist und bleibt     der thurmed-Gruppe, die auch hier Vorbildcha-
              medizinisch fortschrittlich und sehr hochwertig,     rakter übernehmen soll, will und es auch tut. Es
              findet im Vergleich zu anderen Spitälern in der      ist im heutigen Umfeld des Schweizer Gesund-
              Region nach wie vor schon fast erstaunlich gut       heitswesens schon eine besondere Herausforde-
              die notwendigen, kompetenten und motivierten         rung, sämtliche Neubauten eigenständig zu
              Mitarbeitenden und die Fluktuationsrate bleibt       bauen, zu finanzieren (Kreditbeschaffung) und
              im Quervergleich zu anderen Spitälern eher tief.     auch aus dem laufenden Betrieb zu refinanzieren
              Ganz wichtig ist uns auch, dass die Spital Thur-     (Amortisation und nach­haltiger Unterhalt), i.e.
              gau – dank regelmässigen und nachhaltigen            das eigenständige Tragen des gesamten unter-
              Effizienzverbesserungen – auch finanziell erfolg-    nehmerischen Risikos – mit gleichzeitiger Erfül-
              reich und stabil bleibt. Dieses positive Image und   lung aller Auflagen und Verpflichtungen eines
              die damit verbundenen Entwicklungschancen            öffentlichen Spitals.
              sind bei potentiellen Mitarbeitenden in der Re-
              gion sehr wohl bekannt, geschätzt und bilden         Ein weiterer und ganz wesentlicher Grund für
              damit eine wesentliche Basis für eine positive       das Image und die Zukunftssicherung ist auch
              Weiterentwicklung der Spital Thurgau.                die Aus- und Weiterbildung in der Spital Thurgau.
                                                                   Wir bieten heute rund 400 Aus- und Weiterbil-
              Ein wesentlicher Grund zur positiven Gesamtein-      dungsstellen in verschiedensten Berufen an –
              schätzung ist auch, dass die Spital Thurgau wei-     von Assistenzärzten über zahlreiche Berufsbilder
              ter stark in die Zukunft investieren kann und dies   in der Pflege bis zu mannigfaltigen weiteren,
              auch gut sichtbar tut: Die aussergewöhnlich          schweizerisch anerkannten Berufsausbildungen
              wichtigen und sehr aufwändigen Bauprojekte           in der Hotellerie, im Technischen Dienst, in der
              (3i im KSM, Horizont im KSF) und die zahlreichen     Informatik und in vielen administrativen Berei-
              weiteren grösseren Bauvorhaben (Pathologie,          chen. Viele Absolventinnen und Absolventen
              OPI in der Psychiatrie, etc.) forderten und belas-   bleiben danach mindestens einige Jahre in der
              teten die Kaderpersonen der Spital Thurgau und       Spital Thurgau – andere gehen zu zahlreichen
              der thurmed Immobilien AG auch 2016 stark.           weiteren Gesundheitsinstitutionen in der Region,
              Zudem sind zahlreiche Auflagen zur Sicherheit,       die weniger Ausbildungsplätze anbieten. Auch
              Ökologie (Energieeffizienz), und Nachhaltigkeit      hier übernimmt die Spital Thurgau somit eine klar
              der Bauten, welche teilweise deutlich über die       überproportionale Rolle im Sinne der gesamten
              Anforderungen für andere Spitäler hinausgehen,       regionalen Versorgung. Weil diese Aus- und Wei-
              nicht nur Auflage, sondern auch explizit Strategie   terbildung intern einen so hohen Stellenwert

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Geschäftsbericht 2016 2014 - Spital Thurgau AG


geniesst, möchten wir einige Betroffene, speziell       strategischen Stärkung und Weiterentwicklung
auch ganz junge Lehrlinge, in diesem Geschäfts-         des Unternehmens mit Blick auf die kommenden
bericht porträtieren und so auch diesen wichti-         Jahre. Da gibt es bereits einige Ideen und auch
gen Leistungsaspekt der Spital Thurgau in der           erste Ansätze, denn die gute Gesundheitsver-
Öffentlichkeit breiter bekannt machen.                  sorgung im Kanton Thurgau und darüber hinaus
Die Spital Thurgau hat diese grossen und wirklich       ist unser Kernanliegen – für alle Versicherten und
nicht einfachen Anforderungen im Jahr 2016 gut          rund um die Uhr. Dabei forderten die laufenden
gemeistert und steht insgesamt anerkannt als            Grossprojekte und zahlreichen weiteren Bauvor-
medizinisch hochwertig und sehr kompetent               haben an allen Standorten ganz besonders.
aufgestellt, finanziell solide, strategisch breit ab-   Aber: Wir wollen in die Zukunft der Spitalversor-
gestützt und mit positivem Image da. Die Immo-          gung in der Region investieren, und wir können
bilienübertragung per 1.1.2015 mit all ihren sehr       es auch aus eigener Kraft – inhaltlich, organisa-
anspruchsvollen Facetten in der Umsetzung ist           torisch und finanziell. Das hat sich nicht nur in
«verdaut» und im Routinebetrieb bereits ziemlich        der Branche herumgesprochen, aber da hören
gut eingespielt. Die starke Performance spiegelt        wir es besonders und immer deutlicher, und da-
sich auch in den Zahlen 2016: Die Zahl der be-          rauf sind wir auch ein wenig stolz.
handelten stationären Patientinnen und Patien-
ten stieg in den beiden Akuthäusern um 3,0 %,           Mit unserer kompetenten und erfahrenen Füh-
in der Rehabilitation um 8.4 % und in der Psych-        rungscrew nehmen wir die zukünftigen Heraus-
iatrie um 6,2 %. Ambulant wurde formell ein An-         forderungen gerne weiter an und sind über-
stieg von rund 7,6 % erzielt, allerdings nach Min-      zeugt, auch in den kommenden Jahren diese
derungen durch rechnungstechnisch neu ge-               hohe Qualität, Sicherheit und ähnlich gute fi-
forderte Umklassierungen in der Psychiatrie im          nanzielle Ergebnisse zu erzielen. Die Leistungen
Umfang von gut 2 %. Diese Leistungszahlen führ-         verdienen allen Respekt – denn nur mit so qua-
ten, zusammen mit dem bereits erwähnten und             lifizierten und überdurchschnittlich motivierten
seit Jahren in der Spital Thurgau gelebten Kos-         Mitarbeitenden waren diese erfreulichen Ergeb-
tenbewusstsein, zum sehr erfreulichen Jahreser-         nisse überhaupt erst möglich! Allen Mitarbeiten-
gebnis von Fr. 4,795 Mio.                               den der Spital Thurgau, wie auch den unterstüt-
                                                        zenden Behörden und allen Fachgremien, dan-
Ausblick                                                ken wir ganz herzlich für ihren enormen Einsatz
Das Geschäftsjahr 2016 stand erneut im Zeichen          und ihre kompetenten Leistungen im Geschäfts-
von Qualität, Sicherheit und Effizienz sowie der        jahr 2016.                                    ❚

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Geschäftsbericht 2016 2014 - Spital Thurgau AG
▲▲ Sabrina Mettler, Dipl. Pflegefachfrau HF
  in Ausbildung
Geschäftsbericht 2016 2014 - Spital Thurgau AG
Vom Glück, einen entzündeten
Blinddarm gehabt zu haben

S
       ie könnte in einem Werbefilm für Diplo-        nicht nur ihr weiterer Berufsweg gesetzt, sondern
       mierte Pflegefachfrauen HF auftreten,          auch der Ort ihrer Ausbildung: Völlig klar, das
       denn Sabrina Mettler, die im Spital Müns-      Spital Münsterlingen musste es sein. Im August
terlingen ihr drittes Studienjahr absolviert, glüht   2014 schloss sie ihre erste Lehre, jene als MPA,
vor Begeisterung, wenn sie von ihrem zukünfti-        ab; im folgenden Monat stieg sie gleich in die
gen Beruf erzählt. Nichts, gar nichts würde sie       nächste, die dreijährige Ausbildung zur Diplo-
am Ausbildungsaufbau ändern.                          mierten Pflegefachfrau HF ein. Mit ihrer medizi-
                                                      nischen Vorbildung waren die Voraussetzungen
Schon in der Sekundarschule in Erlen lernte sie       für die Aufnahme gegeben. Im neuen Umfeld
lieber für die naturwissenschaftlichen Fächer als     musste sie ihren Platz erst finden, musste sich im
für den Sprachunterricht. Nach der Schnupper-         Vergleich zu den Mitstudierenden einordnen. Es
lehre in einer Arztpraxis war klar, dass sie einen    fiel ihr nicht ganz leicht zu merken, dass ihre Mit-
medizin-nahen Beruf erlernen wird. Gedacht,           studierenden mit Ausweis für Fachangestellte
getan. 16 Jahre alt war Sabrina Mettler und im        Gesundheit (FaGe) ihr auf den Gebieten der
ersten Lehrjahr als Medizinische Praxisassistentin    kommunikativen Grundsätze und der Körper-
MPA, als sie mit einer Blinddarmentzündung ins        pflege überlegen waren. Seit ihrer Schulzeit war
Spital Münsterlingen eingeliefert wurde. Schmer-      sie sich gewohnt zur Spitze der Klasse zu gehö-
zen hin oder her, sie war fasziniert von der Arbeit   ren. «Daher verunsicherte mich dieses Defizit.
der Pflegenden, stellte ihnen 100 Fragen und          Zum Glück macht es mir nichts aus, mich zum
wollte immer noch mehr wissen. Sie staunte über       Lernen hinzusetzen. Das Ungleichgewicht war
deren Wissen, war angetan von ihrem Umgang            damit schnell aufgeholt.» In anderen Fachge-
mit den Patientinnen und Patienten und unter-         bieten wiederum hatte Sabrina Mettler die Nase
einander. Als sie nach zwei Tagen das Spital          vorne: Sie hatte Erfahrungen in der Triage, wuss-
wieder verlassen konnte, war sie gar etwas trau-      te besser, welche Symptome auf welches Krank-
rig. Das will ich auch lernen, so möchte ich auch     heitsbild hinweisen könnten. Röntgenaufnah-
arbeiten, entschied sie, als sie mit ihren Sieben-    men waren ihr vertraut, sie konnte mit Laborwer-
sachen nach Hause ging. «Mein Erstberuf war           ten etwas anfangen und hatte kaufmännische
kein Fehler auf dem Weg zu meinem jetzigen als        Erfahrungen sammeln können im Verkehr mit
Diplomierte Pflegefachfrau HF. Ich bin im Ge-         Kassen und Dienststellen.
genteil froh, dass ich dadurch wie durch ein
anderes Fenster aufs Gesundheitswesen schau-          Vor allem zu Beginn ihrer HF-Ausbildung spürte
en konnte.» Seit ihrer Blinddarmoperation war         sie den physischen und psychischen Druck, «an

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Geschäftsbericht 2016 2014 - Spital Thurgau AG
SPITAL THURGAU, GESCHÄFTSBERICHT 2016

              dem ich – zugegeben – manchmal selbst schuld          dreimonatige Praktikum auf der Intensivstation
              war». Dennoch hat sie nie, nicht einen Augen-         an. Eine Ehre, die ab dem zweiten Studienjahr
              blick, daran gedacht, wieder zurück in eine           bloss einer an­ge­henden Pflegefachperson HF
              Arztpraxis zu gehen. Der eine Grund ist sicher,       zukommt. «Die Intensivstation war bis jetzt der
              dass sie merkte, dass sie als MPA für den Rest        strengste Ausbildungsort, weil ich physisch und
              ihrer Tage in einer Arztpraxis arbeiten würde,        psychisch keine Sekunde nachlassen durfte. In
              ohne Möglichkeit für Weiterbildungen, die ihr so      der ersten Woche sank ich abends jeweils total
              wichtig sind. Sie wäre sich schnell wie auf ein       erschöpft ins Bett.» Trotzdem oder deshalb war
              Abstellgeleis geschoben vorgekommen. Ein wei-         die Zeit auf dieser Station lehrreich, nicht zuletzt,
              terer Grund ist, dass sie mit Inhalt und Aufbau       weil das Team immer für sie da war. Der letzte
              des Studiums äusserst zufrieden ist. Die eine Hälf-   praktische Ausbildungsort wird in der Urologie/
              te der Ausbildung findet in den verschiedenen         Gynäkologie sein.
              Praktikumsbetrieben auf unterschiedlichen Sta-
              tionen statt, die andere an der Höheren Fach-         Überall fühlte sie sich von ihren Vorgesetzten auf-
              schule Pflege. Davon sind zehn Prozent für Lern-      und angenommen, nicht nur als Studentin, son-
              stunden im Lernlabor vorgesehen. Für die fünf         dern auch als Mensch. «Sie helfen mir, mich nicht
              schulischen, theoretischen Module fährt Sabrina       zu überfordern, schauen stattdessen, dass ich
              Mettler jeweils nach Weinfelden ans «Bildungs-        mit mir selbst geduldig bin.» Auch eine Gipfel-
              zentrum für Gesundheit und Soziales. Tertiär­         stürmerin muss lernen, dass der Weg zum höchs-
              bildung. Höhere Fachschule Pflege» (so der            ten Punkt aus einzelnen Schritten besteht. Die
              vollständige Titel). Diese Wochen gehören nicht       21-jährige Frau meint keineswegs, sie könne
              zu den Höhepunkten ihrer Ausbildung. So not-          schon alles und erreiche das Ziel im abgekürzten
              wendig die Theorie, so klar bevorzugt sie die         Verfahren. Es ist der Zwang zur Perfektion, der
              Praxis. Wenn es nur mehr praktische Übungen           sie nicht ruhen lässt. Ehrgeizig wie sie ist – sie mag
              gäbe, seufzt sie, «die zusätzlichen Stunden könn-     dieses Wort zwar nicht, steht dann aber doch
              ten auch auf freiwilliger Basis angeboten wer-        dazu – saugt sie Neues auf wie ein Schwamm.
              den».                                                 «Meine Erwartungen an Förderung und Forde-
                                                                    rung wurden bis jetzt auf jeder Abteilung erfüllt.
              Im ersten Ausbildungsjahr arbeitete sie auf der       Mit den Berufsbildnerinnen auf den verschiede-
              Chirurgie, im zweiten war sie auf der Inneren         nen Stationen, die ich als Coachs verstehe, hat-
              Medizin. Und weil sie sich dort so geschickt an-      te ich durchwegs Glück. Ganz besonders gut
              stellte, bot man ihr im dritten Lehrjahr das          aufgehoben fühlte ich mich auf der Inneren

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Medizin, so sehr, dass ich nach meinem Ab-            Sie strahlt, wenn sie von ihrem künftigen Berufs-
schluss im Sommer 2017 wieder dorthin zurück-         alltag erzählt. Wie schön, innerbetrieblich mehr
kehren möchte. Gäbe es eine Fee, von der ich          Verantwortung übernehmen zu können und
einen Wunsch frei hätte, dann müsste sie mir          Lernende anzuleiten. Welche Freude, wenn ihre
diesen Traum erfüllen.» Ihre Begeisterung ist mitt-   Meinung im Team bei einem Fachgespräch ein
lerweile auf ihre jüngere Schwester überge-           Gewicht hat und sie für die Ärzte eine unver-
sprungen. Auch sie will diplomierte Pflegefach-       zichtbare Fachfrau sein kann. Wenn’s nur mor-
frau HF werden – im Spital Münsterlingen. Wo          gen schon so weit wäre. Andere denken nach
denn sonst? Sie ist im ersten Studienjahr.            einer Abschlussprüfung an eine grosse Reise.
                                                      Nicht so Sabrina Mettler. Schon eher kommt ihr
Wenn sie in ihrem Kollegenkreis von ihrem Beruf       eine nächste Weiterbildung in den Sinn, zum
erzählt, begegnet sie oftmals Vorurteilen. Sie        Beispiel ein Nachdiplomstudium Intensivpflege
hört Sätze wie: «Da machst du doch nichts an-         oder eines in Notfallpflege. Auch einen Ausland-
deres, als den Alten und Kranken das Füdli put-       einsatz könnte sie sich vorstellen. In einem Kri-
zen.» Oder dann wird ihr kopfschüttelnd entgeg-       sengebiet oder in einem gewöhnlichen Akutspi-
net, dass ein Beruf mit Nacht- und Sonntags-          tal? Sie zuckt mit der Schulter. Das steht noch in
dienst unmöglich toll sein könne. Sabrina Mettler     den Sternen.
lächelt auch jetzt, so als ob sie sagen wollte:
«Wenn diese Leute wüssten …» In einer Mischung        Sabrina Mettler, Jahrgang 1995, ist in Erlen auf-
aus Aufklärung über die Fakten und aus Lobes-         gewachsen, wo sie alle Schulen durchlaufen hat
hymne stellt sie jeweils klar: «Ich kann mir keinen   und heute noch bei den Eltern lebt. Die Lehre
Beruf vorstellen, in dem ich mehr Wertschätzung       als Medizinische Praxisassistentin MPA hat sie in
erfahren würde. Patientinnen und Patienten wie        Weinfelden gemacht. Gleich nach diesem Ab-
auch die Angehörigen sagen uns immer wieder:          schluss kam sie 2014 für die Ausbildung zur dip-
Wie gut, dass ihr diese Arbeit macht; wie froh        lomierten Pflegefachfrau HF ans Spital Münster-
sind wir, dass es euch gibt.» Die Frage, ob sie       lingen. – Zur Erholung macht sie Aerobic oder
anderen zu diesem Beruf raten würde, braucht          leitet die Jugend­r iege in Erlen.             ❚
man ihr gar nicht mehr zu stellen. «Uns braucht
es. Das ist das Schönste und Wichtigste. Mehr
muss ich nicht sagen.» Und ungefragt fügt sie
an: «Eine Lehre in der Spital Thurgau kann ich
vorbehaltlos empfehlen.»

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▲▲ Leandra Kretz, Kauffrau in Ausbildung


Vielleicht wäre ich eine
­Schildkröte: schnell, schlau
 und zäh

Z
        wölf verschiedene Bereiche in drei Jahren:     Leandra Kretz sorg-, aber auch ahnungslos an
        Das bietet eine KV-Lehre in der Spital Thur-   die Prüfung und bestand. Was es nämlich mit
        gau. Gestartet ist Leandra Kretz in der        der Berufsmaturität auf sich hat, die ein eidge-
­Telefonzentrale, die letzte Abteilung, die Cont-      nössisch anerkannter Abschluss ist, der berufli-
 rolling-Stelle, kennt sie noch nicht. Schon fast      che Kenntnisse mit vertieftem Allgemeinwissen
 am Ende ihrer Ausbildung weiss sie: Das Kan-          verbindet, war ihr damals keineswegs klar. Heu-
 tonsspital Frauenfeld würde sie wieder als Lehr-      te, wo sie weiss, dass sie damit nicht nur einen
 stelle wählen.                                        besonderen Berufsabschluss erlangt, sondern
                                                       sich auch die Qualifikation für den Zugang zu
Ursprünglich liebäugelte Leandra Kretz mit einer       jeder Fachhochschule holt, ist sie froh, den Rat
Lehre als Medizinische Praxisassistentin. Aber         befolgt und die Chance gepackt zu haben. «Ob
welche Aufstiegschancen habe ich danach?,              ich die Leistungen bis zum Schluss bringen wer-
fragte sie sich. Obwohl damals erst vierzehn,          de, ist für mich keine Frage des Könnens, sondern
kannte sie sich schon gut genug, um zu wissen,         eine des Fleisses. Und diesen Fleiss bringe ich
dass sie sich fordern wollte. Wie sonst konnte sie     auf.»
herausfinden, was in ihr steckt? Der Hinweis ihrer
Mutter, dass sie mit einer kaufmännischen Lehre        Ihren ersten Arbeitstag als KV-Lehrling hatte sie
im Kantonsspital Frauenfeld ganz nah am Medi-          auf der Reception, wo nebst dem Empfangs-
zinischen wäre und am Schluss eine Grundaus-           schalter auch die Telefonzentrale ist. Seither hat
bildung hätte, mit der ihr nachher 100 Türen           sie das Spital mit all seinen administrativen Ab-
offen stünden, überzeugte sie. Leandra Kretz           teilungen und Unterabteilungen kennengelernt.
schnupperte an verschiedenen Orten Büroluft,           Die Liste der Bereiche, in denen sie bisher gear-
aber nirgends gefiel es ihr so gut wie am Kan-         beitet hat, liest sich wie ein What-is-what in der
tonsspital Frauenfeld. Scheu, zurückhaltend und        Verwaltung. Tätigkeiten, die in einer Klinik – oft
abwartend startete sie im August 2014.                 im Schatten des Medizinischen – zuverlässig und
                                                       speditiv besorgt werden wollen. Sie reichen von
Ihre Berufsbildnerin hatte ihr geraten, neben der      der Reception bis zur Hotellerie, von der Patien-
ordentlichen KV-Lehre auch den Besuch der Be-          tenaufnahme zum Personaldienst, von der zen-
rufsmittelschule BMS in Betracht zu ziehen. Da         tralen Beschaffung zum Finanz- und Rechnungs-
das Wort Schule bei ihr noch nie einen Abwehr-         wesen, Bereiche im Hintergrund, aber im Vor-
reflex hervorgerufen hatte und sie schon in der        dergrund entscheidend. Ganz kurz bloss bereu-
Sekundarschule eine gute Schülerin war, ging           te es die junge Frau aus Müllheim, dass sie,

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SPITAL THURGAU, GESCHÄFTSBERICHT 2016

              ausser an der Reception und bei der Patienten-          schätzung: Was gefällt mir warum, wo liegen
              aufnahme, während ihrer Lehre kaum Kontakt              meine Stärken, was bereitet mir weshalb Mühe
              mit fremden Menschen, insbesondere mit Pati-            und was interessiert mich weniger. Dies heraus-
              enten und Patientinnen, hat. «Vielleicht hätte          zufinden finde ich nicht nur spannend, sondern
              mich der Kontakt mit ihnen emotional überfor-           wichtig, auch im Hinblick auf meinen künftigen
              dert; denn viele bringen ja eine traurige Ge-           Berufsweg.» Dass bei zwölf verschiedenen Ar-
              schichte mit. Ich bin mir nicht sicher, ob ich da-      beitsbereichen das Eine oder Andere bloss in
              mit zurechtgekommen wäre.»                              groben Zügen vermittelt und nur der Spur nach
                                                                      verstanden werden kann, ist eine Tatsache.
              Wenn sich die 18-Jährige in der Schule mit ihren        Selbstbewusst sagt sie: «Ich weiss ja, was ich kann
              Kolleginnen und Kollegen vergleicht, wird ihr klar,     und wo ich Lücken habe.»
              welch anregende Lehrstelle sie hat:
                                                                      Zur Ausbildung gehören nicht nur die Arbeit im
              «Wir lernen innerhalb von drei Jahren zwölf             Betrieb, sondern auch die Unterrichtsstunden
              ganz unterschiedliche Abteilungen kennen.»              am Bildungszentrum Weinfelden. In den ersten
                                                   Leandra Kretz      zwei Lehrjahren sind es zwei Tage pro Woche,
                                                                      im dritten noch einer. In der Schule ist sie mit
              Alle Lehrlinge durchlaufen alle administrativen         allen anderen KV-Lehrlingen zusammen, die,
              Bereiche des Betriebs, begegnen Dutzenden               verteilt über den Kanton und die Unternehmen,
              von Mitarbeitenden und Vorgesetzten, erfassen           alle das gleiche Ziel haben: die Lehrabschluss-
              das Spezifische jeder Abteilung und sehen im-           prüfung im Sommer 2017. Da Leandra Kretz die
              mer klarer, was womit zusammenhängt. Sie fin-           Variante mit Berufsmittelschule BMS gewählt hat,
              det es richtig, dass alle Lehrlinge über den glei-      bleiben es für sie bis zum Schluss wöchentlich
              chen Kamm geschert werden, dass es weder                zwei Unterrichtstage. Ausser den Stunden in
              Wunschbereiche noch eine Wunschaufenthalts-             Weinfelden kommen über die drei Jahre verteilt
              dauer gibt. Länger als vier Monate sind die Azu-        noch acht überbetriebliche Kurse hinzu, die in
              bi nirgends eingeteilt. Freilich gefällt es ihr nicht   Zürich stattfinden.
              überall gleich gut, aber auch das will gelernt
              sein: ausharren. Bei manchen Arbeiten und Ab-           Nicht nur in der Schule hat sie immer wieder
              teilungen weiss sie ja auch erst im Nachhinein,         Prüfungen abzulegen. Über die drei Lehrjahre
              was dahintersteckt. «Es geht nicht nur ums An-          verteilt werden die Lehrlinge sechsmal in soge-
              häufen von Wissen, sondern auch um Selbstein-           nannten Arbeits- und Lernsituationen geprüft,

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ob sie Abläufe richtig verstanden und Zusam-        berin sei? «Manchmal wäre ich froh, ich wäre
menhänge erkannt haben. Auch die soziale            eine …», pariert sie die Frage. Von den Lehrlings-
Kompetenz wird beurteilt: Wie verhalten sie sich    betreuenden erwartet sie zuerst und vor allem
im Kontakt mit Kunden, Patienten, Mitarbeiten-      Loyalität und Verständnis dafür, dass es für junge
den und Vorgesetzten. Die Praxisbildnerinnen        Menschen auch ein Leben ausserhalb des Be-
testen das Auffassungsvermögen und beurteilen       triebes gibt. «Das hat mit Wohlwollen zu tun, das
die Motivation der jungen Menschen. Daran           bei Bedarf tatkräftige Hilfe einschliesst.» Die letz-
liegt es bei Leandra Kretz nicht. «Meine Motiva-    te Abteilung, auf der sie noch nicht gearbeitet
tion wird vor allem angestachelt durch den In-      hat, ist das Controlling. Mehr, als dass es mit Kos-
halt einer Arbeit, dann aber auch durch die         tenstellen zu tun hat, weiss sie nicht. «Ein weisses
Menschen um mich.» Nachdem sie fast am              Blatt halt», sagt sie und zuckt mit der Schulter.
Schluss ihres Ausbildungsparcours angelangt ist,    Kein Zweifel, sie wird sich auch dort, wo es um
scheint ihr die Patientenaufnahme eine der bes-     Themen wie Wirtschaftlichkeit, Rentabilität und
ten Abteilungen, obwohl sie sich lieber nicht mit   Budgetverwaltung geht, zurechtfinden. Wäre
traurigen Lebensgeschichten auseinandersetzt.       sie ein Tier, sie wäre eine Schildkröte: schlau, zäh
Auch die Abteilung Zentrale Beschaffung mit         und schnell. Und einen Panzer hat die Schildkrö-
dem intensiven Kundenkontakt gefiel ihr, «ob-       te auch. Nicht nur zum Schutz, sondern auch,
wohl ich im Grund lieber in Ruhe und für mich       um ihre Ruhe zu haben. Was Leandra Kretz nicht
einer Arbeit nachgehe». Sie macht eine Pause        braucht, ist ein Rudel, um sich wohl zu fühlen.
und sagt wie zu sich selbst: «Vielleicht habe ich
mich verändert oder falsch eingeschätzt.»           Leandra Kretz, Jahrgang 1998, wuchs in Müll-
                                                    heim auf, besuchte dort die Schulen, zuletzt die
Dass sie ihre KV-Lehre wieder am Kantonsspital      Sekundarschule Niveau E (= erweiterte Anfor­
Frauenfeld machen würde, steht für sie fest.        derung). Ins Kantonsspital Frauenfeld ist sie im
Müsste sie für angehende Lehrlinge Ratschläge       August 2014 als KV-Lehrling mit Berufsmaturität
aufschreiben, stünde auf dem Blatt: Hausauf­        eingetreten und wird im Sommer 2017 ihre Lehr-
gaben machen, zuhören, mitdenken und ver-           abschlussprüfung ablegen. – Leandra Kretz
stehen wollen. «Man tut sich selbst den grössten    wohnt bei ihren Eltern in Müllheim-Dorf. In ihrer
Dienst, wenn man sich eigenverantwortlich, das      Freizeit liest sie Fiction-Bücher. Gut möglich, dass
heisst erwachsen, benimmt. Das kann schon           neben ihr ein echter English Tea steht, für den
heissen, dass man auch mal über seinen eige-        sie immer zu haben ist.                           ❚
nen Schatten springen muss.» Ob sie eine Stre-

13
▲▲ Moritz Berges, Koch in Ausbildung


Alle kochen mit Wasser.
Wie ­daraus mehr wird, will gelernt
sein – am Herd und im Leben.

M
          oritz Berges ist im ersten Lehrjahr zum      in der Spitalküche in Münsterlingen einsteigen.
          Koch mit eidgenössischem Fähigkeits-         Das war kein Zurück-auf-Feld-1 wegen schlech-
          zeugnis. In der Grossküche in Müns-          ter Arbeitshaltung. Es fühlte sich im Gegenteil an
terlingen ist er am richtigen Ort. Diese Einsicht      wie eine Befreiung. Das kam so: Kurz nach dem
hat auch mit seinem gebrochenen Fuss zu tun.           Beginn der Lehre brach sich Moritz Berges beim
                                                       Sport den Fuss und durfte in der Folge drei Mo-
Am Schluss des Gesprächs sagt Moritz Berges: «Im       nate nicht arbeiten. Wenn er von jenen Tagen,
Leben gibt es keine Abkürzungen.» Ob der Satz          Wochen und Monaten erzählt, die er zumeist
von ihm stammt oder ob er ihn irgendwo gelesen         tagträumend zu Hause verbrachte und unge-
oder gehört hat, ist nicht entscheidend. Entschei-     nutzt an sich vorbeistreichen liess, scheint ihn
dend ist, dass der knapp 17-Jährige offenbar he-       heute ein unangenehmes Gefühl oder so etwas
rausgefunden hat – hat herausfinden müssen? –,         wie Reue zu beschleichen. «Ich hätte mit dieser
dass Abkürzungen bisweilen in eine Sackgasse           vielen freien Zeit etwas anfangen sollen, zum
führen und dann erst recht zu einer Zickzackfahrt      Beispiel für die Schule lernen. Aber ich war taub
werden. Jetzt, so scheint es, ist Moritz Berges auf    für alle guten Ratschläge von links und rechts.
dem richtigen Weg. Ein aufgestellter junger Mann       So bin ich: Was ich nicht selbst will, dazu überre-
in weisser Jacke, weisser Hose, um den Hals ein        det mich niemand.» Vielleicht kann man aus der
hellgrünes, geknotetes Tuch, auf dem Kopf sitzt        Rückschau sagen, dass ihm das Faulenzen letzt-
schräg-keck eine Haube aus Vlies. Seinen Klei-         lich sogar zur Einsicht verholfen hat, dass aus
dern nach zu schliessen, war er eben noch in           dem Nichts-Tun nichts werden kann, dass ein Brei
einer Küche zugange. Moritz Berges ist Lernender       nie besser sein kann als der Koch.
im 1. Lehrjahr mit dem Ziel, im Sommer 2019 die
Lehrabschlussprüfung als Koch mit eidgenössi-          In jenen Wochen war Moritz Berges froh, dass
schem Fähigkeitsausweis (EFZ) abzulegen.               sein Chef Christoph Lisser, Leiter Küchenbetriebe
                                                       Kantonsspital und Psychiatrische Klinik, und die
So klar dieses Ziel heute vor ihm liegt, so ungewiss   Lehrlingsbetreuerin nicht dauernd auf ihm her-
und konturlos, wie hinter einer Wand von Unsi-         um hackten, dass sie ihm im Gegenteil Verständ-
cherheiten verborgen, kam ihm nicht nur seine          nis entgegenbrachten. Möglicherweise sahen
Kochlehre, sondern auch seine Zukunft vor. Im          seine Vorgesetzten, dass da ausser dem gebro-
Mai letzten Jahres hob sich dieser graue Schlei-       chenen Fuss auch noch etwas anderes erstarken
er: Nach den Sommerferien, so entschied er sich,       musste. Doch nach den drei Monaten mit dem
werde ich ein zweites Mal in mein erstes Lehrjahr      unfallbedingten Arbeitsausfall konnten sie trotz

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SPITAL THURGAU, GESCHÄFTSBERICHT 2016

              Rücksichtnahme nicht einfach zur Tagesordnung        sein als in einem kleinen Restaurant mit bloss
              übergehen. Sie stellten Berges vor die Wahl, ob      wenigen Personen. Es ist ihm nach wie vor wich-
              er «mit Vollgas, aber auch mit Plackerei» (Berges)   tig, dass er bei einer Meinungsverschiedenheit
              das Verpasste aufarbeiten will oder ob er es vor-    jemanden hat, der ihn versteht, der sich mit ihm
              zieht, mit der dreijährigen Grundausbildung          solidarisiert, weil diese Person nachvollziehen
              nochmals neu zu starten. «Ich wusste, dass mei-      kann, was da schiefgelaufen sein könnte. Seine
              ne Vorgesetzten hinter mir stehen werden, egal       Rechnung ging auf:
              wie mein Entscheid ausfallen wird. Jeder ande-
              re Betrieb hätte ziemlich sicher über mich be-        «Hier weisst du, was du hast: menschlich und
              stimmt. Hier aber liess man mir die Wahl. Eine       fachlich gute Vorgesetzte. Sie fordern dich
              grosszügige Haltung», sagt er anerkennend. Am        zwar zünftig, wissen aber auch, wie man eine
              Leistungswillen, am Interesse und an der Aus-        Sache vermittelt und was sie verlangen kön-
              dauer, wie sie von Lernenden gefordert werden,       nen und müssen. So nimmt man Kritik auch
              zweifelten die Ausbildner offenbar nicht. Sie wur-   einfacher an.»
              den nicht enttäuscht. Mit vollen Segeln stieg                                             Moritz Berges
              Moritz Berges letzten Sommer wieder ins erste
              Lehrjahr ein. Das spricht sowohl für die Lehrstel-   Abends, wenn er nach langen Arbeitsstunden
              le wie für den jungen Mann.                          nach Hause fährt, durchströmt ihn oft ein Gefühl
                                                                   von satter Zufriedenheit, «weil ich sehe, dass ich
              Dass Moritz Berges heute in der Ausbildung zum       etwas erreicht habe».
              Koch EFZ ist, geht nicht auf seinen Herzens-
              wunsch zurück. Schon eher: Ja, warum eigent-         Begeistert erzählt er von seinem Berufsalltag. Er
              lich nicht Koch? Die geografische Nähe zu sei-       habe schon an allen drei Stationen – kalte Kü-
              nen beiden Wohnorten, beim Vater in Illighau-        che, Produktion warme Küche und Patisserie –
              sen und bei der Mutter in Klarsreuti, sprach für     gearbeitet. Auf die Fleisch- und Fischgerichte,
              die Lehrstelle in der grössten Küche der Spital      die im nächsten Jahr auf dem Lehrplan stehen,
              Thurgau, jener auf dem Gelände der Psychiatrie       freut er sich. «Bis jetzt gefiel es mir am besten bei
              in Münsterlingen. Dass seine Mutter als Leiterin     der Produktion fürs Personalrestaurant, weil ich
              Medizinische Diagnostik am selben Spital tätig       dort sofort mitbekomme, ob geschätzt wird, was
              ist, mag seinen Entscheid mit beeinflusst haben.     ich gekocht habe.» Ganz besonders geniesst er
              In einem Grossbetrieb, so rechnete sich Moritz       es, wenn er zwischen zwölf und ein Uhr mittags
              Berges aus, werde er wohl besser aufgehoben          allein in der Küche ist. Nicht dass es dann aus-

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gesprochen gemächlich zu und her ginge, im           Das Tagträumerische hat Moritz Berges nicht
Gegenteil; aber in dieser Stunde spürt er so rich-   ganz abgelegt. Früher war es oft eine (Abwehr-)
tig: Jetzt kommt es auf mich an.                     Reaktion auf die Realität, mit der er nicht zu­
                                                     rande kam. Älter geworden, kann er heute mit
Sein Lieblingsgericht zum Zubereiten ist die Och-    ­Unabänderlichem besser umgehen. Sein Rück-
senschwanzsuppe. Moritz Berges lächelt gnädig,        zugsort ist die Musik. Ganz allein sitzt er vor sei-
als sein Gegenüber zusammenfasst, wie diese           nem PC und sampelt Klänge, Rhythmen, Songs.
Suppe zu kochen ist. Er weiss es besser. Er be-       «Keine bestimmte Stilrichtung. Einfach das, was
schreibt, wie von der anfänglich rötlich-schwar-      mich herunterholt und beruhigt oder wegträgt.
zen Brühe alles abgeschöpft und die Flüssigkeit       Es gibt Tage, da bin ich am liebsten mit mir al-
danach sorgfältig geseiht wird, «damit eine           lein.»
goldgelbe, klare Suppe bleibt, in der gar nichts
mehr schwimmen darf». Sein kritisch kontrollie-      Moritz Berges, Jahrgang 2000, wuchs im Kem-
render Blick zur Gesprächspartnerin kann bloss       mental auf, wo er auch die Schulen besuchte.
eines heissen, was er aber nicht laut zu sagen       2015 begann er in der Grossküche des Kantons-
wagt: Das würden Sie nie hinkriegen.                 spitals Münsterlingen eine Lehre als Koch. Nach
                                                     einem längeren durch einen Unfall bedingten
Von der Schulverdrossenheit nach der dritten         Unterbruch entschied er sich, im August noch
Sekundarklasse ist nichts mehr geblieben. Auf        einmal ins erste Lehrjahr einzusteigen. – Moritz
den wöchentlichen Unterrichtstag am Gewerb-          Berges wohnt je hälftig bei seiner Mutter in Klars-
lichen Bildungszentrum in Weinfelden freut er        reuti und bei seinem Vater in Illighausen. Zieht
sich sogar. Am liebsten ist ihm die Berufskunde;     es ihn in seiner Freizeit weder zu den Kollegen
auch der allgemein bildende Unterricht (ABU)         noch nach draussen, überlässt er sich selbstver-
gefalle ihm. Moritz Berges redet sogar davon,        gessen der Musik, die er an seinem PC sampelt.
dass er nach der Lehrabschlussprüfung die Be-                                                         ❚
rufsmittelschule besuchen will, um anschliessend
an einer Fachhochschule studieren zu können.
Doch schön der Reihe nach: erst das zweite und
das dritte Lehrjahr und dann die Lehrabschluss-
prüfung. Ob der Eindruck täuscht, dass dieser
junge Mann in seinen Träumen manchmal
schneller marschiert, als die Musik spielt?

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▲▲ Dr. med. Maria Schröder, Assistenzärztin
▲▲ Dies ist der Beispieltext für eine Bildlegende.
   Sie läuft immer nur über zwei Zeilen.


Ein ungewöhnlicher Lebenslauf?

M
           an könnte ihr bisheriges Leben als im        klinik St. Katharinental in Diessenhofen tätig ist.
           Wortsinn ausserordentlich bezeich-           Um den Facharzttitel «Allgemeine Innere Medizin
           nen: Mit 19 Jahren wurde sie Mutter,         FMH» zu erlangen, wie sie es vorhat, ist nach dem
mit 40 Jahren ist sie Assistenzärztin in der Reha-      Staatsexamen eine fünfjährige Weiterbildung
bilitationsklinik St. Katharinental, Diessenhofen.      vorgeschrieben. Dabei müssen drei auf dem
Maria Schröder hat gelernt, dass es für Wichtiges       ­angestrebten Fachgebiet, in ihrem Fall auf der
keinen falschen, bloss einen unüblichen Zeit-            Inneren Medizin, absolviert werden. Als Fremd-
punkt gibt – sofern man ihn nicht verpasst.              jahre bezeichnet man dann jene Ausbildungs-
                                                         jahre, die als Ergänzung aus verschiedenen Spe-
Vielleicht hängt in einigen Jahren, wenn sie in          zialgebieten ausgewählt werden können.
den Berufsverband der Schweizer Ärztinnen und
Ärzte aufgenommen worden ist und den Titel              Dass Maria Schröder, die in Freiburg im Breisgau
FMH erhalten hat, an der Türe zu ihrer Praxis ein       studiert hat, für ihre Weiterbildung in den Thur-
Schild «Fachärztin für Rheumatologie». Eine             gau gekommen ist, hat gute Gründe.
Fachfrau also für Arthritis, Arthrose und Erkran-
kungen des Rückens. Gibt es ausserhalb der Me-          «Die Kliniken der Spital Thurgau bieten ein
dizin etwas, das sich mit einem menschlichen            breites Spektrum an medizinischen Fachbe-
Gelenk vergleichen lässt? Maria Schröder stutzt         reichen, die zum Teil als A-Spital zugelassen
über die eigenartige Frage, findet dann eine            sind – also die idealen Voraussetzungen für
überraschende Parallele: «Menschliche Bezie-            eine Facharzt-Weiterbildung.»
hungen sind vergleichbar mit einem Gelenk: So                                             Maria Schröder
wie im Körper zwei Knochen aufeinander treffen,
um die sich eine Kapsel bildet, treffen auch beim       Hierdurch besteht für die Assistenzärzte zum ei-
Kontakt von zwei Personen, in der Liebe, der            nen die Möglichkeit, gleich mehrere Jahre der
Freundschaft oder am Arbeitsplatz, zwei Cha-            Weiterbildungszeit zu absolvieren, und zum an-
raktere aufeinander. Diese beiden Menschen              deren in andere Fachbereiche rotieren zu kön-
definieren ihr Verhältnis, sie unterstützen und er-     nen. Hierbei kommt das Klinik-Informations­
gänzen sich, reiben sich, was manchmal weh tut.         system KISIM als weiterer Vorteil hinzu. Als die
Ab und an gibt es Abnützungserscheinungen.»             Spital Thurgau 2011 das KISIM einführte, war sie
                                                        schweizweit bei den ersten, die damit eine elek-
Zurück zu den Fakten, zu Maria Schröder, der            tronikbasierte, interdisziplinäre Zusammenarbeit
­Assistenzärztin, die derzeit an der Rehabilitations-   ermöglichten.

19
SPITAL THURGAU, GESCHÄFTSBERICHT 2016

              Konkret heisst das, dass von überall her, sei es     Als Erstes hat die Assistenzärztin ihre obligato­
              vom Kantonsspital Frauenfeld oder Münsterlin-        rischen zwei Jahre A-Spital am Kantonsspital
              gen, sei es von der Rehaklinik Diessenhofen oder     Frauen­feld auf der Inneren Medizin absolviert.
              von den Psychiatrischen Diensten, auf sämtliche      Danach hat sie sich für ein Jahr die Rehabilita-
              elektronische Daten eines Patientendossiers zu-      tionsklinik am Rhein ausgesucht, die unter an-
              gegriffen werden kann. Dieser Zugang rund um         derem auch Patienten mit rheumatologischen
              die Uhr und rund ums Jahr ist selbstredend pass-     Erkrankungen behandelt, wo sie seit Juni 2016
              wortgeschützt und ist nur jenen Fachpersonen         tätig ist. Sowohl in Frauenfeld wie in Diessen-
              möglich, die an der aktuellen Behandlung direkt      hofen fühlte beziehungsweise fühlt sie sich gut
              beteiligt sind. Während früher bei Fragen, Un-       betreut.
              klarheiten oder zur Nachforschung ein Wust an
              Akten hin und her geschickt werden musste und        «Ich weiss, dass mir meine Vorgesetzten je-
              damit möglicherweise wertvolle Zeit verloren         derzeit mit Rat und Tat zur Seite stehen. Es ist
              ging, findet man im KISIM nach wenigen Maus-         natürlich das Ziel, dass wir in unseren Ent-
              klicks alles Wesentliche: heutige und frühere        scheiden immer sattelfester werden. Wir müs-
              Diagnosen und Differentialdiagnosen, die Liste       sen lernen, uns und den Fall richtig einzu-
              der verabreichten Medikamente, neue und alte         schätzen, müssen abwägen, wann wir den
              Laborresultate, Röntgen- und anderen Bilder,         Oberarzt dazu bitten oder eine konsiliarische
              alle aktuellen und abgeschlossenen Therapien         Zweitmeinung einholen sollten.»
              und nicht zuletzt auch administrativ Relevantes.                                     Maria Schröder

              Der Informationsaustausch ist das eine. Nicht        Ob die Rheumatologie tatsächlich ihr berufli-
              weniger wichtig ist, dass Entscheidungsprozesse      cher Schwerpunkt wird, weiss sie noch nicht. Den
              erleichtert beziehungsweise unterstützt werden.      schnurgeraden Weg gab es in ihrem Leben
              Somit sind auch die Patientinnen und Patienten       nicht. Das zu akzeptieren, war nicht immer ein-
              direkte Nutzniesser von KISIM. Kaum verwunder-       fach. Mit 19 Jahren bekam sie eine Tochter. Mit
              lich, dass sich daher auch die Arztvisiten verän-    Mut und Kreativität stellte sie sich der Aufgabe
              dert haben: Was einst die papierene Kranken-         und machte zunächst eine Ausbildung als Phy-
              geschichte war, ist heute ein Laptop. Effektiv und   siotherapeutin und war einige Jahre in diesem
              effizient. Auch Maria Schröder betont, dass sie      Beruf tätig. Danach packte Sie das Medizinstu-
              bei ihrer Arbeit von den Vorteilen des KISIM täg-    dium an. Heute, mehr als 20 Jahre später, mit
              lich profitiert.                                     knapp 40, ist sie vergleichsweise alt, wenn man

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ihren beruflichen Werdegang anschaut. Eine zu         dizinischen Fachbereichen Ärztinnen gibt, dass
alte Assistenzärztin? «Mitnichten», wehrt sie sich,   nicht nur Männer das medizinische Umfeld und
«mein Alter hat auch Vorteile: Ich bringe Lebens-     unser Berufsbild definieren und dominieren.»
erfahrung mit, die sowohl im Kontakt mit Patien-
tinnen und Patienten als auch bei der Teamar-         Maria Schröder, Jahrgang 1977, ist in Villingen-
beit geschätzt wird.» Das mag stimmen. Den-           Schwenningen (D) aufgewachsen. Sie ist gelern-
noch ist unschwer anzunehmen, dass sie für ihr        te Physiotherapeutin. Nach fünf Jahren Tätigkeit
Medizinstudium noch einmal tief Luft holen            in diesem Beruf nahm sie in Freiburg im Breisgau
musste, bevor sie sich zu den um teils zehn Jah-      das Studium der Humanmedizin auf und legte
re jüngeren Mitstudenten in den Hörsaal setzte.       2013 die ärztliche Prüfung (entspricht dem
«Ungeplante Dinge können Kräfte freisetzen,           Schweizer Staatsexamen) ab. Am Ende des Stu-
damit wir mit einer unerwarteten Situation trotz      diums arbeitete sie als Unterassistentin am Spital
erschwerender Umstände klug umgehen.» Was             Münsterlingen. Ihre erste Assistenzarzt-Stelle
sie nicht sagt, aber spürbar ist: Ob etwas zu spät    nach der ärztlichen Approbation hatte sie im
ist, entscheiden in vielen Fällen wir, weniger oft    Spital Frauen­feld auf der Inneren Medizin. Aktu-
die Fakten. Heute sieht sie in ihrem ungewöhn-        ell arbeitet sie als Assistenzärztin in der Rehabi-
lichen Lebensweg sogar Vorteile: «Die Frage           litationsklinik St. Katharinental in Diessenhofen.
‹Wie vereinbare ich Familie und Beruf?› muss ich      Maria Schröder lebt mit ihrem Partner im Zürcher
mir nicht stellen.» Maria Schröder kann, ohne         Unterland und hat eine 20-jährige Tochter.  ❚
zwischen Kinderkrippe und Spital hin und her zu
hetzen, 100 Prozent arbeiten.

Noch immer wird angenommen, dass eine Frau
am Krankenbett zum Pflege-, nicht aber zum
Ärzte­team gehört. Junge Ärztinnen werden da-
her ab und an gefragt, wann denn der «Herr
Doktor» komme. Maria Schröder empfindet die-
se Frage nicht als Beleidigung, «auch wenn es
irritierend ist, dass man jungen Frauen gewisse
Berufsfelder und Kompetenzen nicht zutraut. Es
ist jedoch nicht konsequent; denn es wird ge-
sellschaftlich ja gewünscht, dass es in allen me-

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▲▲ Marlon Höppner,
                                 Informatiker in Ausbildung

▲▲ Dies ist der Beispieltext für eine Bildlegende.
   Sie läuft immer nur über zwei Zeilen.


Medizininformatiker vernetzen,
was Medizinern und Kranken
nützt

M
          arlon Höppners Werbespot für seinen       startete er seine vierjährige Lehre. Tag für Tag
          zukünftigen Beruf des Medizininforma-     staunte er aufs Neue, wie umfassend und wich-
          tikers lautet: «Für Leute, die wissen     tig die Medizininformatik insbesondere für die
wollen, was hinter den Kulissen eines Spitals       Radiologie, aber auch für alle übrigen Abteilun-
auch noch klappen muss.» Dass er sich als           gen im Spital ist.
1.-Lehrjahr-Stift am richtigen Ort fühlt, hat mit
der Vielseitigkeit seines Berufsalltags und den     Mittlerweile weiss er Bescheid, was zum Pflich-
verständnisvollen Vorgesetzten zu tun.              tenheft eines Medizininformatikers gehört: Dieser
                                                    sorgt dafür, dass die elektronischen Systeme und
An sieben Orten und bei vier verschiedenen Be-      Geräte tadellos funktionieren, damit die richtige
rufsgattungen ging Marlon Höppner schnup-           Information zur richtigen Zeit am richtigen Ort
pern. Den einen Lehrbetrieb verliess er am          der richtigen Person im richtigen Kontext zur Ver-
Abend mit einem Kopfschütteln, den anderen          fügung steht. Das dient zum einen der Qualitäts-
mit einem Schulterzucken. Immer weniger wuss-       sicherung, zum andern steigert die Medizinin-
te er, was er denn eigentlich suchte und wollte.    formatik auch die Effizienz und Effektivität. Na-
Bis zu jenem glücklichen Tag, wie er sagt, an       hezu alle Geräte im Spital, die unterschiedlicher
dem er im Sprechzimmer von seinem Arzt ganz         nicht sein könnten, übertragen ihre Daten elek-
beiläufig den Rat bekam, er solle sich doch im      tronisch zum hauseigenen Rechner. Vom Blut-
Kantonsspital Frauenfeld bei der ICT-Abteilung,     zuckerresultat übers Röntgenbild bis zu den ver-
Spezialgebiet Medizininformatik, melden. Mar-       arbeiteten Videoaufnahmen während der Ope-
lon Höppner hatte keine Ahnung, was es mit          ration – alles, was in den Akten der Patientinnen
diesem Beruf auf sich haben könnte. Da er nichts    und Patienten festgehalten soll und für die jetzi-
zu verlieren hatte, ging er hin.                    ge oder eine spätere Behandlung nützlich sein
                                                    könnte, wird im KISIM, dem Klinik-Informations-
«Ich spürte sofort: Hier stimmt für mich alles,     system, abgespeichert, vernetzt und archiviert.
die Arbeit, die Umgebung, das Team.»                Informatiker sind sozusagen die fleissigen Amei-
                               Marlon Höppner       sen, zuständig für die spitalinterne Datenauto-
                                                    bahn. In der Spital Thurgau gibt es sechs hoch-
Dass er erst mit dem Beginn seiner Lehre erfassen   qualifizierte Medizininformatik-Spezialisten, die
wird, was ein Medizininformatiker tut, beunruhig­   sich ums einwandfreie Funktionieren der gesam-
te ihn nicht. Sein Gefühl sagte ihm, dass das die   ten medizinischen Elektronik an allen vier Stand-
richtige Lehrstelle ist. Im letzten August dann     orten der Spital Thurgau kümmern.

23
SPITAL THURGAU, GESCHÄFTSBERICHT 2016

              Im Team, dem Marlon Höppner zugeteilt ist, hat         Obwohl Marlon Höppner kein Schulmuffel ist,
              er sich schnell eingelebt. Von seinem direkten         hält sich seine Begeisterung für den Unterricht
              Vorgesetzten, dem IT-Techniker Thomas Heinzler,        am Mittwoch, dem Tag mit den allgemeinbil-
              ist er begeistert. Leicht vornüber geneigt sitzt der   denden Fächern, in Grenzen. «Wenn es doch
              16-Jährige da, seine Arme fest um den Oberkör-         nur ein Mittel gäbe, mit dem ich meine Motiva-
              per gelegt, als ob er so besser nachdenken             tion auch an diesem Tag ankurbeln könnte»,
              könnte. Nach einer Pause sagt er: «Im Vergleich        seufzt er. Wie viel lieber sind ihm die Donnersta-
              mit anderen Lernenden bin ich vielleicht schu-         ge und Freitage, wenn es hauptsächlich um den
              lisch schwächer, da gibt’s nichts schönzureden.        berufsspezifischen Unterricht geht. Ein Schmun-
              Ich habe nicht die besten Noten, stattdessen bin       zeln huscht über sein sonst ernstes Gesicht. Noch
              ich ausgesprochen teamfähig und integra­               kann er das in der Schule Gelernte nur bedingt
              tionswillig, was an einem Arbeitsplatz entschei-       in seinem Berufsalltag anwenden, einiges ist
              dend sein kann. Ich gebe im Rahmen meiner              noch graue Theorie. Das wird sich schon noch
              Möglichkeiten das Beste.»                              ändern, sagt er sich.

              Am Bildungszentrum für Technik in Frauenfeld,          Die meiste Zeit sitzt Marlon Höppner vor dem
              wo Marlon Höppner drei Tage die Woche zur              Computer. Langweilig? «Nein! Im Gegenteil.
              Schule geht, ist er in seiner Klasse der einzige       Da immer mal wieder irgendwo ein Problem
              Medizininformatiker. Kein Problem. Alles, was          auftaucht, ist meine Tätigkeit sogar ausseror-
              mit Bits und Bytes zu tun hat und ihm in der ­Schule   dentlich abwechslungsreich. Ich weiss am
              beigebracht wird, bleibt sich für alle Informatiker    Morgen nie, wo und woran ich arbeiten werde.»
              gleich, egal wo sie ihre Lehre machen. Das             Mal muss eine Videokonferenz vorbereitet wer-
              ­medizinische Spezialwissen wird ihm in seinem         den fürs Kolloquium der Ärzte in Frauenfeld mit
               Lehrbetrieb vermittelt. Bis er seinen Platz bei       jenen in Münsterlingen. Dann wieder baut
               den Informatikerkollegen in der Schule gefun-         er eine Festplatte ein oder aus; er konfiguriert
               den hatte, dauerte es ein Weilchen – anders           eine Workstation für einen Arzt, richtet Monitore
               als an seiner Lehrstelle im Spital. «Das liegt auch   und Diktiergeräte ein. Manchmal kauert er unter
               an mir; ich bin eher scheu und abwartend              einem Pult und kontrolliert, ob die Datenströme
               und brauche Zeit, um Vertrauen zu fassen. Ist         vom Sender auch tatsächlich zum richtigen
               das Eis gebrochen, bin ich danach eine treue          Empfänger gelangen. Der Wichtigkeit seiner
               Seele.»                                               Arbeit ist er sich sichtlich bewusst:

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