GMS-Magazin REISEVORPROGRAMM 2017 EINLADUNG ZUR HERBSTTAGUNG - Informationen für Mitglieder
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GMS-Magazin Informationen für Mitglieder REISEVORPROGRAMM 2017 EINLADUNG ZUR HERBSTTAGUNG Juli 2016 | Nr. 87 www.gms-reisen.ch
IMPRESSUM 2 GMS-Magazin Mitteilungsblatt für die Mitglieder der Schweizerischen Gesellschaft für militärhistorische Studienreisen (GMS) gegründet 1979 | erscheint 3x jährlich Redaktion David Accola, Reisechef der GMS Junkern 325, 3537 Eggiwil E-Mail: david.accola@bluewin.ch Redaktionsschluss für Nr. 88 | November 2016 23. September 2016 Gestaltung, Typografie & Druck Feldner Druck AG, Esslingerstrasse 23, 8618 Oetwil a.S. Telefon 043 844 10 20, E-Mail info@feldnerdruck.ch Titelbild Collioure, GMS Reise 02-2016, © Alex Schilter Kreativ-Foto. GMS-Magazin Juli 2016 | Nr. 87
EDITORIAL 3 Eugen Hofmeister, Präsident der GMS Geschätzte GMS-Mitglieder menter der Kosaken-Kavallerie die als technisches Wunderwerk gefeiert. 3'800 Mann von General Gudin an, Am Festakt in Luzern nahmen am Mythos Gotthard? In diesen Tagen welche den Raum Gotthard besetzt 21. Mai 1882 über 600 Gäste teil. feierte die Schweiz die Eröffnung des hielten. Das heftigste Gefecht er- Die 360 italienischen Gäste, die um neuen 57 Kilometer langen Basis- eignete sich in der Schöllenen, mit 0830 Mailand in 20 Waggons ver- tunnels am Gotthard. Ohne Übertrei- grossen Verlusten auf beiden Seiten. liessen, kamen erst gegen 19.30 Uhr bung kann gesagt werden, dass die- Bereits am 26. September traf Suwo- in Luzern an, weil in den Steigungen ser Tunnel ein gigantisches Bauwerk row mit dem Gros seiner Armee in der Gotthard-Südrampe der Zug auf ist. Nach 17 Jahren Bauzeit und Ge- Altdorf ein. zwei Lokomotiven aufgeteilt werden samtkosten von rund 12 Milliarden musste und in Brunnen ein Waggon Franken ist der Tunnel nun eröffnet, Ab 1819 erfolgte der Bau der Gott- «verloren» ging. Eine Stunde später der vorwiegend der Kapazitätserwei- hardstrasse ab Flüelen und 1836 traf die deutsche Delegation in Lu- terung internationaler Güter, aber nahm die fahrplanmässige Dampf- zern ein. Unter Artilleriefeuer (!) und auch der Verkürzung der Fahrzeiten schifffahrt auf dem Vierwaldstätter- Fanfarenspiel wurden die fast ein- zwischen dem Norden und dem Sü- see ihren Betrieb auf. Der Bau eines wöchigen Feierlichkeiten eröffnet. den dienen wird. schweizerischen Eisenbahnnetzes war 1848 eine der ersten grossen Am 1. Juni 1882 fuhren erstmals Es lohnt sich einen Blick zurückzu- Aufgaben des jungen Bundesstaats. fahrplanmässige Züge aus beiden werfen, nicht zuletzt, um sich die Die Schweiz war zu diesem Zeitpunkt Richtungen durch den Tunnel. Pro neuen Dimensionen am Gotthard vor gegenüber den meisten europäischen Tag verkehrten damals 29 Züge, da- Augen zu führen. Im 16. Jahrhundert Staaten im Rückstand. Ursprünglich von zwei Drittel Güterzüge. Spätes- brauchte man von Luzern nach Rom wurden über 70 Projekte erarbeitet. tens mit der Eröffnung des Gott- einen guten Monat. Dabei mussten Im Jahr 1872 wurde ein Unterneh- hard-Eisenbahntunnels erhielt die die Wagen an exponierten Stellen, mer für den Bau des Gotthardtun- Nord-Süd-Achse strategische und z. B. in der Schöllenen, sogar zerlegt nels gesucht. Insgesamt reichten sie- wirtschaftliche Bedeutung. Im sel- werden. Eine grosse wirtschaftliche ben Gesellschaften Offerten ein. Den ben Jahr trat Italien dem österrei- Bedeutung hatte der Gotthard zu die- Zuschlag erhielt schlussendlich der chisch-deutschen Zweibund bei. In sem Zeitpunkt noch nicht, obwohl Genfer Bauunternehmer Louis Favre, Anbetracht der angespannten inter- über den Pass auch Güter transpor- da der von ihm offerierte Preis von nationalen Lage beschloss der Bun- tiert wurden. Legendär ist die Über- 15 Millionen Franken unter demjeni- desrat 1885, eine Landesbefestigung schreitung des Gotthardpasses des gen eines italienischen Konsortiums zu planen. 1889 machte der dama- russischen Generals Suworow im lag. Im Verlauf der Bauarbeiten tra- lige Generalstabschef deutlich, wel- Herbst 1799. Suworow befand sich ten verschiedentlich technische und chen Zweck mit den Festungsbau- mit seiner Armee in Asti, als er am finanzielle Probleme auf, die zum ten am Gotthard beabsichtigt wurde, 27. August vom österreichisch-rus- Rücktritt des Direktionspräsidenten nämlich die direkte und indirekte sischen Kommando den Auftrag er- der Gotthardbahn-Gesellschaft Alf- Deckung der Südfront gegen einen hielt, das Piemont in Richtung Zü- red Escher und Oberingenieur Ger- Einbruch von italienischen Truppen rich zu verlassen. Am 12. September wig führten. Dazu kam der Todes- sowie die Schaffung eines Reduits erreichte er mit seiner Armee von fall von Louis Favre anlässlich einer zur Behauptung des Hochgebirges über 20'000 Mann die Schweiz. In- Tunnelinspektion am 19. Juli 1879. durch die Schweizer Armee. Die Bau- folge Zeitdrucks führte seine Ar- Nach fast zehnjährigen Bauarbeiten arbeiten dauerten bis nach dem Ende mee nur leichte Waffen mit und der war es dann soweit, dass der Tunnel des Ersten Weltkriegs an und wurden Nachschub erfolgte nur spärlich. Am eröffnet werden konnte. Bereits da- dann zunehmend dem Verfall über- 24. September 1799 griffen 16'000 mals wurde die Eröffnung des «Gros- lassen bzw. waren schon wieder ver- Mann der Infanterie und acht Regi- sen Gotthardtunnels» in der Presse altet. Der weitere Ausbau der Gott- GMS-Magazin Juli 2016 | Nr. 87
EDITORIAL hardfestung wurde in der Folge erst Seit dem Ende des Zweiten Welt- Schiene realisieren lässt, kann noch wieder während des Zweiten Welt- kriegs hat der Gütertransport durch nicht mit Sicherheit gesagt werden. kriegs aufgenommen. Der «Mythos die Alpen eine unglaubliche Steige- Mit den wirtschaftlichen Realitäten Gotthard» ist ohne Zweifel auf den rung erfahren. 1950 wurden sieben der Globalisierung verblasst auch Rückzug in den Zentralraum im Ju- Millionen Tonnen Güter durch den der «Mythos Gotthard» zunehmend. li 1940 zurückzuführen. In diesem Gotthard transportiert. 1960 waren Kommt dazu, dass mit der Weiterent- Kampfdispositiv hätte die Armee den es bereits 20 Millionen Tonnen und wicklung der Armee die Gebirgstrup- Kampf am Erfolg versprechendsten mit der Inbetriebnahme des Basis- pen definitiv abgeschafft werden. 4 führen können, wohlwissend, dass tunnels soll die Transportkapazität das Gros der Bevölkerung und die In- mit geplanten 40 Millionen Tonnen Ihr GMS-Präsident dustrie im Mittelland mehr oder we- Güter nahezu verdoppelt werden. Die Eugen Hofmeister niger schutzlos einem gegnerischen Fahrzeit nach Chiasso wird sich fast Angriff ausgesetzt gewesen wäre. In- um eine Stunde verkürzen und nach teressanterweise hat die Wehrmacht der Inbetriebnahme des Ceneri Tun- auch keine Angriffspläne in den nels 2020 werden sich die Fahrzeiten Zentralraum erwogen, was eigentlich nochmals um gut 15 Minuten ver- für die Glaubwürdigkeit der Vertei- kürzen. Ob sich mit der Verdoppe- digungsanstrengungen unter General lung der Transportkapazität die Ver- Guisan spricht. lagerung des Schwerverkehrs auf die GMS-AGENDA 2016/2017 16. August 2016 Tag der offenen Türe im GMS-Antiquariat (10.00–12.30/13.30–18.00 Uhr) 18. August 2016 Tag der offenen Türe im GMS-Antiquariat (10.00–12.00/14.00–18.00 Uhr) 23. September 2016 Redaktionsschluss GMS-Magazin Nr. 88 5. November 2016 GMS-Herbsttagung an der Universität Zürich 12. November 2016 GMS-Reiseleitertagung in Luzern 15. November 2016 Tag der offenen Türe im GMS-Antiquariat (10.00–12.30/13.30–17.00 Uhr) 17. November 2016 Tag der offenen Türe im GMS-Antiquariat (10.00–12.30/14.00–17.00 Uhr) 7. Dezember 2016 128. GMS-Vorstandssitzung in Zürich 7. Februar 2017 129. GMS-Vorstandssitzung in Zürich Offen GMS-Frühjahrstagung in Zürich 25. März 2017 37. GMS-Generalversammlung in Basel GMS-Magazin Juli 2016 | Nr. 87
INHALTSVERZEICHNIS 4 Editorial Eugen Hofmeister, Präsident GMS 6 Aktuelles aus dem Vorstand 6 Generalversammlung 2016 in Interlaken David Accola 5 9 Jahresrechnungen 2014/2015 Hans-Peter Schaad 10 Gönner, Sponsoren und Neumitglieder Hans-Peter Schaad 11 Rückblick auf die Frühjahrstagung 2016 Dieter Kläy 12 Reiseberichte 2015 12 Berlin 1939-1945 | 22-2015 Marx C. Mamie 15 Istanbul-Gallipoli-Troja | 26-2015 Lorenz Degen 20 Reiseberichte 2016 20 Schwierige Zeiten in Südtirol | 01-2016 Paul Fischer 24 Mit Vauban durch die Pyrenäen | 02-2016 Andreas von Waldkirch 27 Vorschau und Einladung zur Herbsttagung 2016 Hans Rudolf Fuhrer 29 Jahresschrift 2017 Hans Rudolf Fuhrer 30 Reisevorprogramm 2017 David Accola 39 Reiseherbst 2016 GMS-Sekretariat GMS-Magazin Juli 2016 | Nr. 87
AKTUELLES AUS DEM VORSTAND GENERALVERSAMMLUNG 2016 IM BERNER OBERLAND Die GMS versteht sich nicht nur dem Namen nach als «schweizerische» Gesell- schaft. Wenn auch die Mitglieder aus dem Grossraum Zürich nach wie vor die grosse Mehrheit bilden, schätzen wir uns glücklich, dass in unseren Kreisen auch noch andere Dialekte gesprochen werden. Anlässlich seiner Begrüssung unter- 6 strich der Präsident der GMS – er ist bekanntlich Luzerner – diese Tatsache und freute sich umso mehr über die rege Teilnahme der Zürcher an der diesjährigen Generalversammlung in Interlaken. Ein Bericht von David Accola mit Bildern von Stefan Gubler Der Jugendstilsaal des Hotels Beau Rivage in Interlaken: würdiger Austragungsort der GV 2016. Vor 26 Jahren... 90iger Jahren entrichtete Friedensdi- Burkhard sein Interlaken in erhofft vidende politisch wohl unumgänglich bodenständiger Art vor. Rund 1,2 1990 fand letztmals eine Generalver- war, die Bereitschaft unsere Armee Mio. Logiernächte generiert das Zent- sammlung der GMS auf dem «Bödeli» aber in eine desolate Situation ge- rum der führenden Berner Oberländer statt. Die Berliner Mauer war wenige führt hat. Die begründete Forderung Tourismusdestination. Nach wie vor Wochen zuvor gefallen; die Hoffnung nach fünf Milliarden pro Jahr ist hin- seien die Schweizer die treusten Gäs- und Zuversicht nach dem nun aus- sichtlich des anstehenden Rüstungs- te, dicht gefolgt aber von den Chine- brechenden Dauerfrieden dominierte bedarfs eine Folge dieser Politik. sen und Reisenden aus den Golfstaa- fortan die sicherheitspolitischen Ent- ten. Burkhard unterstrich dann auch, scheide in Europa und der Schweiz. Grosszügiger Gastgeber ... dass sich die Abstimmungsresultate seiner Gemeinde hinsichtlich des Um- In seiner ausführlichen Lagebeurtei- In seiner Grussbotschaft stellte der gangs mit anderen Kulturen massiv lung kam der Präsident zur abschlies- Vizepräsident der Gemeinde «zwi- gegenüber anderen Berner Oberländer senden Feststellung, dass die seit den schen den Seen», Herr Hans-Rudolf Gemeinden unterschieden. GMS-Magazin Juli 2016 | Nr. 87
AKTUELLES AUS DEM VORSTAND Mit der Übergabe des «Goldenen Schlüs- WEA – eine Oberland aufschlug, war sicherlich al- sels von Interlaken» an den GMS-Präsi- Kompromisslösung len Anwesenden bekannt; dass die Füh- denten unterstrich der Vertreter der Ge- rungs- und Sperranlagen auch noch in meinde nochmals mehr als glaubhaft späterer Zeit von Bedeutung waren, die Gastfreundschaft seiner Region. konnte der Referent und ausgewiesene Kenner eindrücklich vermitteln. 7 Brigadier Sergio Stoller während seines Referats zur WEA. Hans Rudolf Burkhard überreicht den «Goldenen Schlüssel» seiner Gemeinde. Noch am Vortag der GV hatte Brigadi- Silvio Keller, ein ausgewiesener Kenner er Sergio Stoller zwei Präsentationen militärischer Anlagen in der Schweiz und in seiner Vortragsmappe. Die Schluss- auf «dem Bödeli» im Besonderen. Geschäftliches abstimmung der eidgenössischen Räte zur Weiterentwicklung der Armee wur- Ruhn, abtreten! Der gemäss Statuten verpflichtende de am Freitag vor unserer GV durch- Teil der GV verlief so geordnet wie un- geführt und die Erleichterung war dem Den Abschluss des Nachmittagspro- aufgeregt. Das Protokoll wird im über- Projektleiter anzusehen. «Es ist ei- gramms bestritt Major (a D) Richard nächsten Magazin publiziert werden. ne Kompromiss-Lösung, die politisch Schmid. 1121 Soldtage verzeichnet sein Zur Diskussion führten – wie immer – tragbar ist». So sein Fazit. «Jetzt wol- Dienstbüchlein. Von 1977 bis 2008 ver- die finanzrelevanten Traktanden. Die, len wir das Machbare umsetzen und sah er mehr als seine Pflicht zu Gunsten aufgrund eine durch die Mehrwertsteu- nicht dem auch noch Wünschbaren unseres Landes. In einem 200-seitigen er begründeten Regimewechsels ange- nachtrauern.» Der Präsident ermahnte Büchlein hat er seine Erinnerungen an passte Rechnungsführung, veranlasste die Anwesenden zu Beginn des Gast- diese gesamthaft drei Jahre in Uniform zu berechtigten Verständigungsfragen. referates nicht auf den Überbringer festgehalten. Viele der Zuhörer sahen (Siehe S. 9 dieses Magazins). «schlechter Nachrichten» zu schiessen. sich in ihrer eigenen militärischen Ver- Im Nachhinein eine überflüssige Bitte, gangenheit widerspiegelt. Aber: bei der Neue Revisoren ... da Insider wissen, dass Brigadier Stol- Einspielung des Thurgauer-Marsches ler schwer aus der Fassung zu bringen stand keiner auf. So ändern sich die Die langjährige Arbeit der Reviso- ist. Wesentlich erschien dem Präsiden- Zeiten, nicht nur in der Armee – auch ren Peter Engelhard und Rudolf Wicki ten jedoch, dass dieser Weg nun einge- in der GMS. wurden durch den Präsidenten in Wor- schlagen werden soll. Ein Referendum ten und durch die Versammlung mit- und viel mehr noch eine Niederlage vor tels Applaus verdankt. An deren Stelle dem Stimmvolk hätte schwerwiegends- wurden die Herren Peter Zbinden und te Folgen. Die Armee XXI würde mit all Andreas Blank mit der Rechnungsrevi- ihren Nachteilen weitergeführt werden sion betraut. müssen und die derzeit finanziell posi- tive Ausgangslage wäre erneut in Fra- Viel zu schreiben ... ge gestellt. Mit all seinen Sympathien gegenüber den WEA-Gegnern bemerkte Nach dem beruflich bedingten Rück- er abschliessend: «Da müssen wir jetzt tritt von Christoph Glaus als Redakteur dem Machbaren unsere Zustimmung unseres Magazins war die Suche nach erteilen. Das Wünschbare ist weder rea- einer schreibwilligen Person (noch) lisier- und finanzierbar.» nicht von Erfolg gekrönt. Diese Vakanz im Vorstand bleibt vorerst bestehen; Mit Keller durch die Keller ... die Redaktion der nächsten Magazine ist aber ungefährdet. Der Vorstand ist Nach Aperitif und Mittagessen führ- vom jetzigen Format des Vereinsorgans te Silvio Keller die Teilnehmer anhand überzeugt und gleichzeitig bestrebt, das eines fachlich äusserst versierten Refe- GMS-Magazin weiter zu optimieren. rats in die militärgeschichtliche Bedeu- tung des «Raumes Interlaken» ein. Dass General Guisan während geraumer Zeit Einband der von Richard Schmid festge- seine Armee-Hauptquartiere im Berner haltenen Erinnerungen. GMS-Magazin Juli 2016 | Nr. 87
AKTUELLES AUS DEM VORSTAND 8 Ordnung muss sein, auch administrativ. (v.l.n.r.) Hans- Peter Schaad, Rolf Wittich und Martin Bundinsky, deren Arbeit von Christoph Baumann «inspiziert» wird. Gehört zur GV wie die Traktanden: Der Austausch von ge- meinsamen Reiseerinnerungen bei einem feinen Essen. Alte Bekannte unter sich. Die Auslage des GMS-Antiquariats stösst auf reges Interesse. GMS-Magazin Juli 2016 | Nr. 87
AKTUELLES AUS DEM VORSTAND SCHWER ZU VERGLEICHEN: DIE JAHRESRECHNUNGEN 2014 /2015 An der Generalversammlung 2016 ist der Jahresabschluss 2015 der GMS mit einem Verlust von CHF 5’306 (Budget: Gewinn von CHF 8’000) präsentiert worden. Der aus- gewiesene Verlust war auf die Verbuchung von Aufwandpositionen des Vorjahres von insgesamt CHF 9’026 zurückzuführen, ansonsten ein Gewinn von CHF 3’720 resul- tiert hätte. Die einzelnen Aktivitäten der GMS zeigen ein positives Bild. 9 Von Dr. Hans-Peter Schaad, Vizepräsident und Quästor Reisen Gewinn von CHF 4’893 (Vorjahr: CHF 24’008). Die Reiseeinahmen setzen sich aus CHF 48’626 zuzüglich CHF 32’000 entsprechend der in Abzug ge- brachten Kosten des Vereinssekreta riats zusammen und beliefen sich auf total CHF 80’626, während die Auf- wendungen inklusive der Kosten des Reisesekretariats CHF 75’733 betru- gen. Veranstaltungen Verlust von CHF 271 (Vorjahr: CHF 4’662) Schriftenreihe Aufwand brutto: CHF 25’885, davon Dr. Hans-Peter Schaad anlässlich der Rechnungspräsentation in Interlaken CHF 15’000 zulasten GMS und CHF 11’760 durch Sponsorenbeiträge ge- den Gewinne aus der Reisetätigkeit aus der Reisetätigkeit anfallenden deckt. nach Abzug der Reiseaufwendungen Gewinn geringer aus und trägt somit inklusive der Kosten des Reisesekreta- zur Verminderung des MWST-Risikos Bücherdienst riats auch um die Kosten des Vereins- bei der GMS bei. Dies liegt im Inte- sekretariats von rund CHF 32’000 ge- resse der GMS, ihrer Mitglieder und Gewinn von CHF 2’930 (Vorjahr: CHF kürzt. RBS überweist jeweils nur noch der Reiseteilnehmenden. Die Reise- 124). den definitiven Gewinnsaldo an die teilnehmenden sind zur Hauptsache GMS. Das Vereinssekretariat dient der Mitglieder der GMS und bezahlen mit Die Jahresrechnung 2015 weist im RBS auch zur Abwicklung der Rei- der Buchung von GMS-Inland-Reisen Vergleich zum Vorjahr Besonderhei- setätigkeit; seine Kosten sind jedoch bereits auf dem Reisepreis die MWST; ten auf, um die Umsätze bei GMS tief nicht von der Reisesparte zu tragen, sie sollen nicht nochmals durch Zah- zu halten. Schmid Reisen AG (RBS) sondern von der allgemeinen Rech- lung des jährlichen Mitgliederbeitrags führt neben dem Vereins- auch das nung der GMS. zu einer zusätzlichen MWST-Abgabe Reisesekretariat. Es ist RBS, welche verpflichtet werden. mit den Reiseteilnehmenden bezüg- Die ausgewiesenen Einnahmen aus lich der GMS-Reisen den Reisevertrag der Reisetätigkeit von CHF 48’626 abschliesst; sie belastet die Reiseteil- erhöhen sich somit um CHF 32’000 nehmenden bei Inlandreisen auch mit auf CHF 80’626. In den Vorjahren hat der Mehrwertsteuer (MWST) von der- RBS diesen Betrag an die GMS über- zeit 8%. wiesen und die GMS hat sodann die Vereinssekretariatskosten an RBS ver- Um das Risiko, dass auch die GMS gütet. Nunmehr fällt der durch die- MWST-pflichtig wird, sofern bei ihr sen Zahlungsverkehr hin und her ent- Umsätze von über CHF 100’000 ent- stehende Umsatz bei der GMS wegen stehen, minim zu halten, werden die Verrechnung der Kosten des Vereins- bei RBS zugunsten der GMS anfallen- sekretariats von CHF 32’000 mit dem GMS-Magazin Juli 2016 | Nr. 87
AKTUELLES AUS DEM VORSTAND Gönner und Spender NEUMITGLIEDER 2015 2015/16 – ein Dankeschön an unsere Mitglieder Der Vorstand der GMS freut sich über den Beitritt von 45 Neumitglieder wäh- rend des vergangenen Vereinsjahres. Die GMS ist auf Gönnerbeiträge und Spenden angewiesen, um militärhis- torisches Wissen nicht nur während Amrhein Hermann, Hagendorn; Andres Patrick, Zäziwil; Berchtold Ewald, attraktiven Reisen und Exkursionen Amsteg; Brodbeck Dölf, Münchenstein, Burgherr Peter, Aarau; Christen 10 zu vermitteln. Nur durch Sponsoring Hans Ulrich, Basel; Crameri Dario, Sulz; Feigel Ursula, Niederweningen; lassen sich Projekte wie die Heraus- Fischer Beatrice, Stans; Forrer Fritz, Zürich; Graf Alfred, Glarus; Gysin gabe der GMS-Jahresschrift sowie die Christoph, Sissach; Hauser Thomas, Oberengstringen; Hebeisen Matthias, Durchführung unserer Frühjahrs- und Oberentfelden; Huwiler Karl, Pfeffingen; Kaiser Walter, Thalwil; Kälin Herbsttagung finanzieren. Arthur, Einsiedeln; Kaufmann Jörg, Geuensee; Kern Fritz, Zürich; Kubacki Ernst, Dotzingen; Kühne Franz, Rüschlikon; Kuny Margrit, Uerikon; Lier Fritz, Horgen; Macina Daniele, Zürich; Martin Max, Bannwil; Moor Bibliothek am Guisanplatz, Bern Hansjörg, Dietlikon; Müller Thomas, Erlenbach; Oswald Hans, St. Gallen; René Henggeler, Zürich Ott Marianne, Kilchberg; Pfister Bruno, Egg; Reinhardt Christoph, Zürich; Hansruedi Hug, Zollikon Rothweiler Werner, Magden; Rüedi Peter, Hochdorf; Schlageter Lando, Hotel Storchen Zürich Olten; Schlatter Martin, Illnau; Schmid André, Scherz; Sperisen Rolf, Margrit Lehner, Appenzell Zollikon; Spycher Hans, Niederwangen; Stalder Roger, Granges-de-Vesin; Alfred Müller, Baar Steihauer Peter, Spiez; Stüssi Beat, Baar; Ullmann Thierry, Conches, André Ruegg, Wetzikon Waldburger Martin, Zürich; Walde Renata, Maur; Würsch Matthias, Thalwil. Hans-Peter Schaad, Hausen AG Friedrich von Sinner, Bulle CHARLES OTT, 10.3.1927 – 6.7.2016 weit mehr als ein Opernliebhaber al- Press Association) und sein Engage- so und ein Kenner dieser Welt – weit ment bei der Gründung der Gamin- mehr also, als ein weitgereister Mann. ger Gespräche ermöglichten ihm den Seine Fliegerleidenschaft machte er Aufbau eines sicherheitspolitischen zum Beruf. Nach der Militärpiloten- Beziehungsnetzes, das seinesgleichen schule wechselte er zur Swissair wo sucht. ihn eine steile Karriereleiter erwar- tete. Als Chefpilot Europa und Aus- Dr. Charles Ott war ein überaus akti- bildungschef dieser Airline schloss er ves Mitglied unserer Gesellschaft. 42 seine zivile Pilotentätigkeit ab. Mili- Reisen hat er in den Jahren von 1999- tärisch kommandierte der General- 2014 begleitet; während neun Jahren stabsoberst ein Fliegerregiment und präsidierte er die GMS. Was unter sei- diente zuletzt als Chef Operationen nem Vorgänger noch Chefsache war, im Stab der Flieger- und Flabtruppen. wurde im Rahmen einer strukturel- Charly war überzeugter Verfech- len Anpassung des GMS Vorstandes ter des Milizsystems. Er war Präsi- selbständigen Departementen zuge- dent der Verwaltungskommission der wiesen. Das heutige Bild der Gesell- ASMZ, deren Chefredaktion er später schaftsführung trägt unverkennbar während sieben Jahren ausübte. Auch Dr. Otts Handschrift. 2009 wurde er sein Engagement als Schweizer De- anlässlich seiner letzten Generalver- Ein Nachruf legationsleiter bei der CIOR (Vereini- sammlung als Präsident mit grossem gung der NATO-Reserveoffiziere) und Applaus zum Ehrenmitglied der Ge- Betroffen hat der Vorstand der GMS Präsident der AVIA-Flieger, Sektion sellschaft ernannt. kurz vor Redaktionsschluss vom Ein- Zürich zeugen eindrücklich davon. zug unseres ehemaligen Präsidenten Den damals seitens des Vorstands und Ehrenmitglieds in die Grosse Ar- Der promovierte Jurist verschrieb sich ausgesprochene Dank erneuern wir mee Kenntnis nehmen müssen. der Sicherheit unseres Landes. Ein- heute in Trauer und entbieten den sätze als Militärattaché in Tokio und Hinterbliebenen unser herzliches Bei- Der Verstorbene war ein ausserge- Wien, seine Mitgliedschaft im IISS leid. Wir werden Charles Ott ehrend wöhnlich vielseitiger, überaus akti- (International Institute for Strategic gedenken. ver und scharfsinniger Mensch. Er Studies), seine Mitgliedschaft im Vor- war ein ausgewiesener Opernkenner – stand der EMPA (European Military Charly, R.I.P. GMS-Magazin Juli 2016 | Nr. 87
FRÜHJAHRSTAGUNG 2016 UMBRÜCHE IN DER SCHWEIZER ARMEE Die Schweizer Armee steht vor einem neuen Umbruch, nicht das erste Mal seit 1803. Rund 100 Zuhörerinnen und Zuhörer folgten den Ausführungen der Militärhistoriker Rudolf Jaun, Hans Rudolf Fuhrer und Peter Braun anlässlich des Frühjahrssympo siums der Gesellschaft im vergangenen Februar. 11 Dr. Dieter Kläy, Tagungsleiter 2016 – erneut ein entscheiden- 1989–200X der Fall. 1817 gab es erst- des Jahr für die Armee mals eine eidgenössische Militärauf- sichtsbehörde mit einem eidgenös- 2016 stehen mit der Weiterentwick- sischen Stab. Mit der Gründung der lung der Armee (WEA) entscheiden- Zentralschulen in Thun wurden auch de Veränderungen an. Die GMS nahm neue Grundlagen für die Ausbildung dies zum Anlass, einen Blick auf die gelegt. Zum ersten Mal wurden sys- Armeereformen in der Vergangenheit tematische Überlegungen angestellt, und der Gegenwart zu werfen. wie die Armee eingesetzt werden könnte. Auslöser für die Umbrüche in Notwendigkeit der WEA den 60-er und 90-er Jahren des 19. Jahrhunderts und nach dem Zweiten Dr. phil. Peter Braun zeichnete die Weltkrieg waren Entwicklungen in Notwendigkeit der neusten Armeere- der Militärtechnik. Nach dem Zwei- form auf. Bestände, Finanzen und Be- ten Weltkriege bahnte sich ein Rich- drohungslage stecken den Rahmen tungsstreit an, der in der Konzepti- der WEA ab. Zwar soll der Sollbe- on vom 6.6.66 endete. Diese hatte bis stand von heute 200’000 auf künftig Mitte der neunziger Jahre Bestand. 100’000 Mann reduziert werden, doch Der Pillenknick, die zunehmende Di- wird der Effektivbestand wesentlich gitalisierung und Neuerungen in der höher als heute zu liegen kommen. Waffentechnologie sowie eine sinken- «Damit ist das Argument der Kriti- de Akzeptanz der Armee in der Be- ker, die WEA sei eine Halbierung der völkerung (Armeeabschaffungsinitia- Armee, entkräftet. Mit der Reduktion tive) läuteten gemäss Jaun das Ende der Truppenkörper kann ein Ausblu- der Armee 61 ein. Auf die Armee 95 ten der Armee verhindert werden», so folgte 2004 die Armee XXI. Braun. Trotz der Verkleinerung wer- den jährlich fünf Milliarden Fran- Wert der Mobilmachung ken notwendig sein, will man die in den kommenden Jahren notwendi- PD Dr. Hans Rudolf Fuhrer zeichnete gen Neuinvestitionen vornehmen. die Vor- und Nachteile der Mobilisie- Derzeit werden drei Milliarden für rung auf. «Die grosse Herausforderung den Betrieb der Armee verwendet. In ist die Frage, wann die Vorwarnzeit den nächsten Jahren steht die Ablö- beginnt, wenn verbal gedroht wird, sung wichtiger Systeme in der Artil- die internationalen Spannungen zu- lerie, bei den Panzertruppen und der nehmen oder der Gegner bereits an- Infanterie oder die Beschaffung eines griffsbereit an der Grenze ist?» Fuh- Kampfflugzeuges zur Debatte. rer kommt zum Schluss, dass in der Geschichte die Schweiz ihre Truppen Die Umbruchsphasen seit 1804 nie rechtzeitig mobilisiert hatte. Man wollte keine falschen Signale aussen- Die Schweizer Armee verzeichne- den. te einige Umbruchsphasen, wie Prof. Dr. Rudolf Jaun aufzeigte. «Umbrüche sind daran zu erkennen, wenn das Verhältnis von Mitteln, Zielen und Verfahren zur Diskussion steht». Das Die Referenten der Frühjahrstagung 2016. war in verschiedenen Phasen 1804- v. o. n. u: Dr. Peter Braun, Prof. Rudolf 1815, 1890-1907, 1945–1966 und Jaun, PD Dr. Hans Rudolf Fuhrer GMS-Magazin Juli 2016 | Nr. 87
REISBERICHTE 2015 22-2015 | BERLIN 1933-1945 Unter bewährter Führung von Kurt Steinegger besuchten 24 GMS-Reisende vom 8.–13. September 2015 die Bundeshauptstadt unseres nördlichen Nachbarlandes. Das Thema war nicht wirklich erbauend, stand doch das Unwesen der nazionalsozia- listisch geprägten Zeit im Fokus. 12 Marx C. Mamie's Reisebericht vermittelt seine Eindrücke in Wort und Bild. Plötzensee und Tempelhof durch Hitler geplanten grössenwahn- schlossene war. Die Luftbrücke der sinnigen Welthauptstadt Germania. Alliierten versorgte die 2,2 Millionen Früh am Morgen fanden sich die Teil- Unter einem freitragenden, giganti- West-Berliner ab Juni 1948 bis Mai nehmenden der Reise «Berlin 1933– schen, 40m herausragenden und 12m 1949 pausenlos mit Versorgungsflü- 1945» im Flughafen Kloten ein. Gegen- hohen Dach konnten die Flugzeuge gen. Nahrungsmittel, Kohle und alles seitiges Begrüssen mit der Nachfrage, direkt anrollen und anschliessend von weitere, für das Leben notwendigs- wann man die letzte gemeinsame Rei- den Passagieren vom Wetter unabhän- te Material wurde eingeflogen. Damit se gemacht habe. Der geschätzte Ex- gig bestiegen und beladen werden. die schwer beladenen Flugzeuge über- kursionsplaner und Reiseleiter, Oberst haupt landen konnten, wurden kurz- (a D) Kurt Steinegger stellte nach kur- Einmalig waren die angelegten Start- fristig zwei befestigte Pisten angelegt. zem Apell fest: alle da, los geht es! und Landeflächen. Anfänglich bestan- Landung in Berlin Tegel um 10.15 Uhr. den keine Pisten, sondern ein kreis- Das Gesamtbauwerk wurde hinge- Auf dem Weg zum Mittagessen in der rundes Feld, auf dem je nach Wind in gen nie fertig gestellt. Der allgemeine Kantine des Abgeordnetenhauses von jeder Richtung optimal gestartet und Flugbetrieb wurde Ende Oktober 2008 Berlin, dem ehemaligen Preussischen gelandet werden konnte. Während des eingestellt. Zum Abschied flog ich Landtag, besuchten wir die Hinrich- Zweiten Weltkriegs wurde im Flugha- noch mit meiner PA32 persönlich am tungsstätte Plötzensee, in welcher die fengebäude ein Endmontagewerk für 18. Oktober 2008 nach Tempelhof. Das vom nationalsozialistischen Volksge- die Junkers Flugzeugtypen 87 und 88 Flughafen-Personal war damals dem richtshof zum Tode Verurteilten hin- betrieben. Produziert wurde im We- Weinen nahe. Als letztes Flugzeug gerichtet wurden. sentlichen in den unterirdischen An- startete ich am Montag, den 20. Okto- lagen sowie in einem Fracht- und Ei- ber 2008 um 10.20 Uhr in Tempelhof, Unter der Führung von Frau Elke Dit- senbahntunnel. um nach Basel zurückzukehren. trich wurde am Nachmittag ausführ- lich der ehemalige Flughafen Tem- Berühmtheit erlangte der Flugha- pelhof besichtigt. Dieses gigantische fen insbesondere während jener Zeit, Bauwerk gehörte in das Konzept der als die Stadt von den Sowjets einge- Der Flughafen zu seiner Blütezeit. Bild: Internet Nach der Besichtigung erfolgte die Fahrt ins Hotel und ein Referat von Kurt Steinegger zum Thema «Die Reichshauptstadt Germania». Mit Apéro und gemeinsamen Abendessen endete der erste Reisetag. Belastungskörper und Bendlerblock Fahrt zum unterirdischen, mehrstö- ckigen Umsteigebahnhof Moritzplatz, Hinrichtungsstätte Plötzensee mit einem Gedenkkranz des Landes Berlin. konzipiert für die in Planung befind- GMS-Magazin Juli 2016 | Nr. 87
REISBERICHTE 2015 liche Reichshauptstadt Germania. Ein tentat gegen das Nazi-Regime näher. Humboldthain und Zossen riesiger Bahnhof mit einem Labyrinth Sehr viel - uns auch weniger Bekann- von Gängen und Treppen, welche in- tes - war hier ausführlich zu erfahren. Nach dem Frühstück ging’s im Hotel folge des Kriegsausbruchs nie für ih- Danach ging’s zum Reichsbahn-Hoch- weiter mit einem hervorragenden Vor- ren ursprünglichen Zweck genutzt bunker beim Bahnhof Friedrichstrasse, trag von Kurt Steinegger, zum Thema werden konnten. Während des Krieges einem Betonwürfel mit ganz wenigen «Kampf um Berlin». diente die Anlage dann zumindest als und sehr kleinen Fensteröffnungen. Schutzraum für die Zivilbevölkerung. Darauf folgte die Fahrt zum FLAK- Sachsenhausen und die Bunker Humboldthain, erneut so ein 13 Anschliessend ging’s zum Schwer- «riesiger Betonklotz», welcher von belastungskörper, einem sonderba- Topographie des Terrors Oktober 1941 bis April 1942 zusam- ren Unikum. An der Stelle, wo der- men mit dem Leitbunker gegen die al- einst der gigantische Triumphbogen Fahrt nach Oranienburg mit an- liierten Luftangriffe errichtet wurde. zu stehen kommen sollte, wollte die schliessender Führung und Besichti- Beide Bunker wurden 1948 von den Tragfähigkeit des Baugrundes geprüft gung des Konzentrationslagers Sach- französischen Truppen mehrfach ge- werden. Dazu wurde 1941 - durch senhausen. Ich möchte hier auf eine sprengt und mit Trümmern überdeckt. französische Zwangsarbeiter - ein weitergehende Schilderung verzich- Da die am Trümmerberg vorbeifüh- 12'650 Tonnen schwerer, zylindri- ten. Nur das: Es ist einfach unglaub- rende Bahnstrecke der Ringbahn aber scher Betonklotz erstellt. lich, wozu Menschen fähig sind. nicht beschädigt werden durfte, ist der nördliche Teil des FLAK-Bunkers noch Danach Fahrt zum Holocaust-Denkmal heute vorhanden und begehbar. in Berlin, welches im ehemaligen Re- gierungsviertel errichtet wurde. Hier Nach dem Mittagessen ging es wei- erfolgte ein Rundgang zu den ehema- ter zum Truppenübungsplatz Zossen/ ligen Standorten wie Führerbunker, Wünsdorf. Bereits Kaiser Wilhelm II. Propaganda- und Luftfahrtministe- nutzte dieses Gelände zur Ausbildung rium, Fahrerbunker der Reichskanz- seiner Truppen während des Ersten lei sowie der «Topographie des Ter- Weltkriegs. rors», dem Standort des ehemaligen Reichssicherheitshauptamtes bzw. der Im August 1939 bezog das Oberkom- geheimen Staatspolizei und Sitz von mando des Heeres die neu erstellten Reichsführer SS Heinrich Himmler. Bunkeranlagen Maybach 1 und 2 so- Unser Reiseleiter orientierte uns an wie den Nachrichtenbunker Zeppelin. den Standorten mit entsprechenden Diese, zum grössten Teil unterirdi- Hintergrundinformationen. schen Anlagen, waren damals baulich Der Schwerbelastungskörper, von den Berlinern als der «Naziklotz» bezeichnet in Berlin-Tempelhof. Nach dem Mittagessen in einem ele- ganten Restaurant erfolgte der Besuch des Bendlerblocks. In diesem Gebäude befehligte zur Zeit des Zweiten Welt- kriegs der Befehlshaber des Ersatz- heeres seine Truppe. Auch befand sich das Zentrum der Widerstandsgruppe (Attentat vom 20. Juli 1944) rund um Generaloberst a. D. Ludwig Beck und Oberst i. G. Claus Schenk Graf von Stauffenberg in diesem Gebäude. An die Widerstandskämpfer erinnert in einigen ehemaligen Diensträumen die Dauerausstellung «Gedenkstätte Deut- scher Widerstand» und im Hof ein Eh- renmal für die dort hingerichteten Of- Auch in Sachsenhause war die Toraufschrift eine zynische Umschreibung für den angeb- fiziere. Eine hervorragende Führung lichen Erziehungszweck der Lager, deren tatsächlicher Zweck oft die «Vernichtung durch brachte uns die Vorgänge um das At- Arbeit» war. GMS-Magazin Juli 2016 | Nr. 87
REISBERICHTE 2015 und technisch auf einem sehr hohen Stand und hervorragend in die Land- schaft eingegliedert. Nach der Eroberung durch die sowje- tischen Truppen wurden die einzelnen oberirdischen Bunkerhäuser gesprengt. 14 Nach Kriegsende richtete sich das russische Oberkommando in Zossen/ Wünsdorf ein und betrieb den Nach- richtenbunker Zeppelin weiter für die eigenen Streitkräfte. Ab 1992 demon- tierten die Russen die laufend mo- dernisierte Nachrichtenzentrale und verlegten die Technik zurück in die Sowjetunion. Seit dem Abzug der letzten Truppen 1994 verlottern die Anlagen zusehends. Seelower Höhen und der End- kampf um Berlin Kurt Steinegger und Gerd-Ulrich Herrmann (l.) anlässlich ihrer Ausführungen im Oder- bruch, unweit der Seelower Höhen. Fahrt zur Gedenkstätte Seelower Hö- hen. Nach einer Kaffee-Pause erfolg- in Berlin-Karlshorst. In diesem Haus te eine Einführung zu den dortigen wurde am 9. Mai 1945, kurz nach Mit- Kämpfen durch den Leiter der Ge- ternacht, die auf den 8. Mai datier- denkstätte und ehemaligen Oberst te, bedingungslose Kapitulation der der Nationalen Volksarmee, Gerd-Ul- Wehrmacht unterzeichnet. Mit dem rich Herrmann. Vom 31. Januar bis Akt der Ratifizierung der Kapitula 21. April 1945 war das Territorium tionsurkunde in Karlshorst endete der des heutigen Landkreises Märkisch- Zweite Weltkrieg in Europa. Nachdem Oderland Schauplatz heftiger Kämp- ab Mai 1945 zunächst der Chef der fe zwischen der Roten Armee und der Sowjetischen Militäradministration Wehrmacht. Die Kämpfe forderten auf in Deutschland das Haus als Amts- beiden Seiten Zehntausende von to- sitz nutzte, erhielt die Regierung der ten und verwundeten Soldaten und Deutschen Demokratischen Repub- führten schlussendlich zum Endkampf lik (DDR) nach ihrer Gründung am um und in Berlin. Auf unserer Fahrt 7. Oktober 1949 hier die staatliche durch das Kampfgelände besichtigten Vollmacht. Die DDR richtete später wir den Brückenkopf von Küstrin so- in Zusammenarbeit mit der Regie- wie weitere Frontabschnitte in diesem rung der Sowjetunion das «Museum Kampfgelände. Anschliessend erfolg- der bedingungslosen Kapitulation des te die Rückfahrt zu den Seelower Hö- faschistischen Deutschlands im Gros- hen mit Schlussbetrachtungen durch sen Vaterländischen Krieg» ein. Beim Oberst Herrmann. Rundgang durch das Museum orien- tierte der deutsche Guide etwas ein- seitig über die glorreichen Kriegsleis- Karlshorst tungen der sowjetischen Armeen. Das Museum vermittelt aber eindrücklich Nach dem Frühstück präsentierte Kurt die harten Kämpfe an der Ostfront mit Steinegger seinen letzten Vortrag zum all ihren Gräueln und dem Leiden der Thema «Kapitulation, Verhaftung und Zivilbevölkerung. Verurteilung der NS-Kriegsverbre- cher.». Alle seine Vorträge waren her- Nach der Besichtigung des Museums vorragend recherchiert! erfolgte die Fahrt zum Flughafen Te- gel und der Rückflug in die Schweiz, Für den letzten Besuch fuhren wir womit eine weitere, interessante GMS- zum Deutsch-Russischen Museum Reise ihren Abschluss fand. GMS-Magazin Juli 2016 | Nr. 87
REISBERICHTE 2015 26-2015 | ISTANBUL – TROJA – GALLIPOLI Die Türkei – ein Land in der Schwebe zwischen Ost und West, zwischen gestern, heute und morgen Der Reisebericht von Lorenz Degen mit Bildern von Bruno Vattioni Vorbemerkung: Dieser Reisebericht entstand Ende Oktober 2015, vor den türkischen 15 Parlamentswahlen. Die dramatischen Ereignisse zwischen der Niederschrift und dem Abdruck im GMS-Magazin konnten nicht berücksichtigt werden. Goldene Abendstimmung am Bosporus Kulturstätten der Menschheit Istanbul – die unbekannte Murat. Mit diesem Team hatte Ruedi Weltstadt Brühwiler eine solide Wahl getroffen. Mit dem Themenkreis «Istanbul – Erol brachte der schweizer Gruppe die Troja – Gallipoli» hatte Reiseorga- Manch einer der Teilnehmenden war türkische Küche näher, Murat steuerte nisator Ruedi Brühlwiler einen wei- nicht wenig überrascht, als er Ruedi sein Gefährt auch an den kritischsten ten Bogen aufgespannt. Über mehr Brühwiler am Zürcher Flughafen die Stellen sicher über den Asphalt. Be- als 3000 Jahre erstreckt sich die Ge- Hand schüttelte. Der Oberst (a D) und sonders in seiner Heimatstadt Istan- schichte entlang des Bosporus und Reiseleiter ging an zwei Krücken, eine bul konnte Erol mit seinem profunden der Dardanellen. Mit dem vormaligen Hüftoperation würde ihm unmittel- Wissen aus dem Vollen schöpfen. Das Byzanz, Hauptstadt Ost-Roms, und bar nach der Reise bevorstehen. Rue- Duo begleiteten die GMSl-er bis zum dem versunkenen Troja standen gros- di Brühlwiler hatte sich entschlossen, Ende der Reise. se Kulturstätten der Menschheit auf trotz eingeschränkter Mobilität die Rei- dem Programm. Weniger bekannt ist se zu leiten und durchzuführen – eine Gleich nach dem Hotelbezug in Istan- für Europäer die Halbinsel Gallipoli. enorme Leistung, wie sich zeigen sollte. bul erwartete uns ein Boot zu einer 22 GMS-Mitglieder interessierten sich Rundfahrt über den Bosporus. Gros- für diese besondere Region zwischen In Istanbul warteten bereits der loka- se Hochseefrachter, Ausflugsboote den zwei Weltteilen Europa und Asien. le Reiseführer Erol und der Busfahrer und Fähren teilen sich die schmale GMS-Magazin Juli 2016 | Nr. 87
REISBERICHTE 2015 Wasserstrasse, die die zwei Konti- Deren Versuch, Istanbul auf dem See- tragstaktik liessen die erste Invasion nente trennt. Die untergehende Son- weg einzunehmen und damit den der neueren Geschichte zum Desaster ne liess eine goldene Abendstimmung Durchbruch ins Schwarze Meer zu werden. Auf Seite der Entente war es entstehen, die nicht nur die Fotogra- schaffen, scheiterte im März 1915 an vor allem auch die in der Militärtra- fen der Gruppe sehr faszinierte. Der den von den Osmanen geschickt ein- dition nicht vorhandene Initiative, anschliessende Besuch einer Dach gangs der Meerenge bei Canakkale die auch einige grosse Chancen, die terrassen-Bar mit Blick über ganz Is- platzierten Seeminen. Vierzig Prozent misslichen Startbedingungen in einen tanbul liess die Stadt nochmals aus der Kriegsschiffe fielen aus, der Ka- Vorteil umzumünzen, ungenutzt ver- 16 einer ganz anderen Perspektive erle- nonier Seyit, der eine 275 Kilogramm streichen liess. ben. Selten sieht man so viel Schönes schwere Granate zu einem Kanonen- innert wenigen Stunden. turm getragen haben soll und der Lieblich präsentieren sich heute die Legende nach ein britisches Schiff Stände, an denen eine ganze Genera- Istanbul sollte am Ende der Reise ge- versenkte, wurde zum türkischen My- tion den Tod fand. Das «Australian- nauer betrachtet werden. Der nächs- thos. Im April 1915 versuchte die En- New Zealand-Army-Corps» (ANZAC) te Tag führte die Gruppe bereits nach tente, Istanbul auf dem Landweg zu hatte schwerste Verluste zu verkraf- Canakkale, der Stadt gegenüber der erreichen und griff daher am 25. April ten. Bei der nächtlichen Landung ab- Halbinsel Gallipoli. 1915 die Halbinsel Gallipoli an zwei getrieben und statt an einem flachen Landeabschnitten an. Sandstrand an einer felsigen Steil- Gallipoli – das australisch- küste gelandet, deren Höhen von neuseeländische Trauma Geplant war, die Truppen auf kleinen den rasch anrückenden Reserven der Booten an die Küste heranzubringen, Osmanen besetzt waren, wurde der In der eurozentrierten Geschichts- von wo aus diese schrittweise die kämpfenden Truppe rasch klar, dass schreibung zum Ersten Weltkrieg Halbinsel in Besitz nehmen sollten. dieser Gegner keineswegs so leicht kommt die Halbinsel Gallipoli selten Das britische Empire schickte seine zu bezwingen wäre, wie man in den oder nie vor. Andere Schlagworte wie Untertanen los: Australier, Neusee- Führungsrängen glaubte. Ein halbes Verdun, Marne, Somme oder Dolomi- länder, Iren und Inder mussten bluten Jahr wurde verbissen um jeden Me- ten und Isonzo lenken den Blick kaum an einem Ort, der so gar nicht in ih- ter gekämpft. Auch hier mutierte der über den Kontinent hinaus. Dass das rem eigenen Interessengebiet lag. Die Bewegungs- zu einem Stellungskrieg. Osmanische Reich auch in den Ersten beteiligten Franzosen rekrutierten Der Preis war für beide Seiten hoch: Weltkrieg verwickelt war, wird höchs- Senegalesen und Marokkaner. Auf Insgesamt fielen von den 469’000 tens am Rande erwähnt. der osmanischen Seite war das Deut- beteiligten Entente-Kräften 44’000 sche Reich unterstützend tätig. Liman Mann, rund 97’000 wurden verwun- Ganz anders ist die Bedeutung dieses von Sanders, besser bekannt als «Li- det. Nicht wenige starben an Erfrie- Ortes auf der anderen Seite der Erde. man-Pascha», kommandierte die 5. rungen im Eisregen des Novembers In Australien füllen sich heute noch Armee, von der die Briten glaubten, 1915. Von den Gefallenen gehörte ganz Regale in Buchhandlungen nur es handle sich um eine Ansammlung rund ein Viertel dem ANZAC-Korps mit Abhandlungen zu Gallipoli. Der von Krummschwert-Trägern. Die an. Rund 8700 Australier fielen, rund Schriftzug «ANZAC» (Australian-New Operation erwies sich als gewaltiges 20’000 wurden verwundet. 2700 Neu- Zealand-Army-Corps) prangt da und Fiasko. Fehlende Aufklärung, veral- seeländer kehrten nicht mehr in ihre dort. Der erstaunte Europäer beginnt tetes Kartenmaterial und eine veral- Heimat zurück, 4800 wurden verwun- zu begreifen, dass dieses Wort für die tete Befehlstaktik anstelle der Auf- det. Der 25. April ist als ANZAC-Day Leute in «Downunder» mehr bedeutet als einfach ein Schlachtfeld. Es ist Sy- nonym für ein nationales Trauma. Bis Anfang November 1914 war das Osmanische Reich nicht in den Ende Juli ausgebrochenen Ersten Weltkrieg verwickelt. Es behielt seine Neutralität aufrecht, bis es auf deutsche Empfeh- lung hin die Dardanellen für russische Schiffe sperrte und damit Russland seinen Hauptversorgungsweg ab- schnitt. Die deutschen Schiffe Goeben und Breslau, die Anfang August Istan- bul erreichten, wurden zum Rückgrat der türkischen Flotte. Deren Komman- do wurde dem deutschen Konteradmi- ral Souchon übertragen. Bald darauf befand sich das Osmanische Reich im Kriegszustand mit der Entente. ANZAC-Landungsküste und osmanische Verteidigungsstellungen GMS-Magazin Juli 2016 | Nr. 87
REISBERICHTE 2015 Troja – Urmythos der Menschheit Nur eine halbe Stunde von Canakka- le entfernt liegt die Ausgrabungsstät- te von Troja. Der lokale Führer Hakan lotste die GMS-Gruppe durch die alten Gemäuer. Hakan erklärte in perfektem Deutsch die verschiedenen Zeitab- 17 schnitte der Stadt, die in neun Schich- ten übereinander liegen. Für Archäo- logen ist die Arbeit besonders heikel, zerstören sie beim Graben in der Tiefe doch unweigerlich die Schichten der jüngeren Städte. Schliemanns «Schatz des Priamos» stellte sich zwar später als falsche Zuordnung heraus, was der Popularität dieses Fundes aber keinen Abbruch hat. Bis 1939 in Berlin aus- gestellt, wurde er 1945 von den So- wjets nach Moskau verbracht, wo er bis Ende der 1980er-Jahre geheim ge- halten wurde. Heute wird der Fund im Die Reisegruppe auf der eindrücklichen Treppe des Gallipoli-Besucherzentrums bei Puschkin-Museum gezeigt. Kabatepe. Für manchen GMSler war es ein be- einer der wichtigsten Tage der zwei Der Gallipoli-Feldzug war für die En- sonderes Ereignis, durch die Ruinen Länder, der jedes Jahr mit einer gros- tente zwar ein Fiasko, nach dem Krieg dieses sagenumwobenen Trojas zu sen Feier am «ANZAC-Beach» began- aber holte sie sich ihre Beute. Paläs- schreiten. In Canakkale hatte ein gros- gen wird. Von den 315’000 Mann auf tina wurde Mandatsgebiet des Völ- ses Pferd am Hafen bereits auf dessen osmanischer Seite (darunter bis 3'000 kerbundes unter britischer Führung, Untergang hingewiesen, nun stand deutsche Soldaten) starben 57’000 Syrien und Libanon wurden den man selbst da, wo Achilles den Tod Mann, schätzungsweise 157’000 wur- Franzosen zugesprochen. Die heutige fand und Hektor triumphierte. Rue- den verwundet. Türkei entstand als Restgebiet unter di Brühwiler liess es sich auch nicht Führung von Mustafa Kemal Attürk, nehmen, an geweihter Stelle eine Pas- Die GMS-Gruppe besuchte auf der der sich gerade im Rechtsbereich sehr sage aus Homers «Ilias» vorzutragen. Halbinsel die Landeabschnitte am Kap an die Schweiz anlehnte. Präsent sind Gerne hätte man noch länger als eine Helles und an der Anzac Cove, Lone bis heute auch die von Gottlieb Dutt- gute Stunde an diesem Ort verweilt, Pine, die entscheidenden Höhen Achi weiler 1954 eingeführten Migros- doch Rückfahrt nach Istanbul setzte Baba und Chunuk Bair sowie Sol- Läden. dem Flanieren ein Ende. datenfriedhöfe beider Seiten. Schön gepflegte Anlagen halten die Erin- nerung an die tragischen Ereignisse wach. Eine besondere Stellung nimmt diesbezüglich das Besucherzentrum bei Kabatepe ein. Der neue Bau zeigt im Untergeschoss eine sehenswerte Ausstellung mit Uniformen und Arte- fakten aus dem Ersten Weltkrieg. Ei- ne spektakuläre Show, teilweise mit 3D-Brillen, führt die Besucher durch das Schlachtgeschehen aus türkischer Sicht. Gewohnt an schweizerische Zu- rückhaltung, war diese Show für die Reisegruppe ein eindrückliches Bei- spiel, wie man Geschichte vermarkten kann, um die eigene Nation zu legiti- mieren. Elegant wird der Verlust des Osmanischen Reiches bei Kriegsende übergangen und die Stärken der heu- tigen Türkei hervorgehoben. Auf den Spuren Priamos', Hektors, Achilles und Heinrich Schliemanns. GMS-Magazin Juli 2016 | Nr. 87
REISBERICHTE 2015 18 Farbenfroh und geruchsintensiv: Marktauslage in Istanbul. Istanbul – die Zukunft der Obschon bereits die Autokennzei- das neue Buch von Professor Gieler Türkei chen nach EU-Norm gestaltet sind, mit dem Titel «Die neue Türkei». nimmt Erdogans Interesse an Brüs- Ein absolutes Highlight gelang Ruedi sel rapide ab, erklärte Gieler. In Pu- Brühwiler, Professor Wolfgang Gie- tin fand er einen neuen, starken Ver- ler für einen Vortrag zu gewinnen. bündeten. Erdogan ist sich bewusst, Der Politikwissenschaftler lehrt an wie sehr sein Land eine Schlüssel- der Istanbul University internationa- stellung inne hat, die für Europa von le und interkulturelle Zusammenar- grosser Bedeutung ist. Gerade im beit, daneben ist er Gastprofessur in Bereich der Flüchtlinge kann Erdo- Jena und arbeitet auf Mandatsbasis gan mit seiner Ventilfunktion einen für die deutsche Regierung. In sei- Trumpf ausspielen, der ihm aussen- nem packenden Referat mit dem Titel politische Macht weit über seine Re- «Die neue Türkei» umriss er die aktuel- gion hinaus verleiht. Gieler befürch- Die ruhmreiche, militärische Tradition der le politische Situation. Gieler achtete tet, dass nach einem Sieg Erdogans heutigen Türkei wird durch Vorführungen darauf, dass die Türen gut verschlos- an den Parlamentswahlen Anfang einer Janitscharen-Gruppe im Militärmu- sen waren, als er begann, Tacheles zu November die Formung der Türkei seum manifestiert. reden. Unter Premierminister Erdo- hin zu einem Präsidialsystem wei- gan driftet die einstmals sehr säkula- ter voranschreitet. Die konservative Sehr sehenswert ist das Militärmu re Türkei rasant in Richtung Islam ab. Stimmung des Islam weiss Erdogan seum in Istanbul. Wenige Stunden Das Kopftuchverbot, eingeführt unter für sich zu nutzen, so dass er grosse blieben für die Anlage, von der ein Kemal Attatürk, wurde aufgehoben, Wählersegmente erreicht. Der Westen Reiseteilnehmer meinte, darin könnte das freie Wort stark eingeschränkt. täte gut daran, so Professor Gieler, er eine ganze Woche verbringen. Ein Dass er vom Geheimdienst beschattet dieses geografische Randgebiet nicht wunder Punkt der neueren türkischen wird, erachtet er als wahrscheinlich. stiefmütterlich zu behandeln und die Geschichte ist bis heute der Armenier- Und tatsächlich tauchten in der Pause Werte einer freien Gesellschaft der Genozid. Reiseführer Erol wich mehr- merkwürdige Herren in schwarzen Le- zunehmenden Intoleranz entgegen zu maligen Anfragen aus der Gruppe im- dermänteln auf, die vorgaben, Räume setzen. Die GMS-Gruppe erhielt als mer wieder aus. Im Militärmu seum für eine Konferenz anzusehen… erweiternden Teil der Dokumentation von Istanbul wird die Geschichte un- GMS-Magazin Juli 2016 | Nr. 87
REISBERICHTE 2015 ter anderen Vorzeichen dargestellt. Dort sind es die Armenier, die Türken umgebracht haben sollen. Fotos von türkischen Skeletten sollen die Grau- samkeit der Armenier dokumentieren. Man fragt sich als Aussenstehender: Welche Version stimmt nun? Ein ein- drückliches Konzert der Janitscharen gab Einblick in eine untergegangene 19 Kriegerkultur. Draussen vor dem Mu- seum blieben noch ein paar Minuten für einen Schwatz mit einem gebürti- gen Türken, der seit seiner Kindheit in Fribourg lebt und als Wächter seinen Militärdienst absolviert. Ein Stadtrundgang durch Istanbul, wo Reiseführer Erol zur Hochform auflief, rundete den Besuch in der ehemali- gen Weltmetropole ab. Die mächtige Hagia Sophia und die unterirdischen Ein zufriedener GMS Reiseleiter: Ruedi Brühwiler. Zisternen sind steinerne Zeugen einer langen Vergangenheit. ter im Fokus der GMS-Reisen zu be- halten. Auch wenn etliche ehemalige Dank und Ausblick Gebiete an der Levante sich momen- tan nicht gefahrlos bereisen lassen, so Reiseleiter Ruedi Brühwiler hat es stellen doch die Türkei und die Mit- verstanden, eine hoch interessante telmeer-Länder mit ihrer langen Ge- Reise zu gestalten, die in ihrer Viel- schichte sehr lohnenswerte Reisezie- falt der Eindrücke jedem Teilnehmen- le dar. Dass sich Kemal Attatürk der den noch lange in Erinnerung bleiben besonderen Bedeutung von Geschich- wird. Seine Auswahl von Hotels und te bewusst war, zeigte ein Leitspruch, Restaurants zeugte von einer seriö- der im Militärmuseum über der gros- sen Vorbereitung. Die schmackhafte sen Vorführungsfläche angebracht ist: türkische Küche mit ihren herrlichen «Nationen, die sich ihrer Geschichte Vorspeisen erfreute den Gaumen der nicht bewusst sind, werden ausster- GMSler, auch das lokal gebraute Bier ben.» In dieser Beziehung könnte die «Efes» wurde gerne getrunken. Schweiz von der Türkei sehr viel ler- nen, um nicht Gefahr zu laufen, die Die Reisegruppe erlebte ein Land an Prophezeiung zu erfüllen. der Schwelle. Starker Nationalismus hält die verschiedenen unterschied- lichen Landesteile zusammen, was sich sichtbar an den allgegenwärti- gen Fahnen manifestierte. Augenfäl- lig war auch das seltsame Nebenein- ander zwischen westlicher Moderne und islamischem Konservativismus. Auf den Trottoirs trafen Miniröcke und Burkas aufeinander. Wie lange dieser Schwebezustand noch anhal- ten wird, ist offen. Auch ist unklar, wer am Ende die Oberhand gewinnen wird. Die Türkei steht ohne Zweifel an einem Scheideweg. Welchen Weg sie auch einschlägt, ihre Wahl wird auch für Europa von weitreichender Be- deutung sein. Wünschenswert wäre, das Osmani- sche Reich und seine Geschichte wei- GMS-Magazin Juli 2016 | Nr. 87
REISBERICHTE 2016 01-2016 | SCHWIERIGE ZEITEN IN SÜDTIROL Freiheitskämpfer oder Terroristen? Eine heute wie damals aktuelle Frage begleitete 20 GMS-Reisende während dreier Tage auf ihrer Reise vom 12.–14. Mai 2016 durch die jüngste Geschichte Südtirols. Petrus mischte mit: vom Schneefall auf dem Flüe- lapass bis zu Sonnenschein in Meran bot er alles von seiner vielfältigen Palette. 20 Der Reisebericht von Paul Fischer mit Bildern von Stefan Gubler Bei bedecktem Himmel und bei Regen, hätte gleichgestellt werden sollen. gründung der Zuteilung Südtirols an der auch in den kommenden zwei Ta- Diese Forderungen blieben grössten- Italien 1919 im Staatsvertrag von St- gen nie ganz verschwinden sollte, teils unerfüllt. Germain. Unter dem Faschismus ab fuhren die Teilnehmenden mit David 1922 betrieb Italien im Südtirol eine Accola als Reiseleiter am Donnerstag- Die Feuernacht unverhohlene Italianisierungspolitik: morgen von Zürich Richtung Meran im Verhältnis zum übrigen Staatsge- ab. Schon bis zum Mittagessen hätten Der BAS plante also die «Feuer- biet völlig überproportionale Indust- wir genügend Material für ein Kreuz- nacht», die, kurzfristig angeordnet, rialisierung um Bozen, damit Einwan- worträtsel zusammengehabt: Warum am 11./12. Juni 1961 in Form von derung von Italienischsprachigen: gibt es einen Davosersee? – Wegen Sprengstoffanschlägen auf um die Zwischen 1910 und 1955 nahmen in der Stauung durch einen Bergsturz 40 Strommasten und Hochdrucklei- Südtirol die Deutschprachigen von von der Totalp vor 8000 Jahren. Wel- tungen um Bozen und Meran statt- 224’000 auf 216’000 leicht ab, die ches alemannische Volk kam auf wel- fand. Die Mitglieder aus Nordtirol wie Italienischsprachigen hingegen von chem Weg nach Davos? – Die Walser, Kurt Welser oder Heinrich Klier wa- 6’000 auf 120’000 zu, davon die Hälf- über das Albulatal. Warum schätzten ren eher Ideologen aus Schriftsteller- te nach 1945. Staatliche Stellen wur- die Bündner General Wille nicht wirk- und Journalistenkreisen, die Südtiro- den bevorzugt Italienischsprachigen lich? – Weil er sich über die «gänzli- ler Aktivisten um Sepp Kerschbaumer vergeben. Schliesslich kam nach dem che Unerzogenheit» des Bündner Re- eher die emotional getriebenen «Ma- Stahlpakt zwischen Hitlerdeutschland gimentes mokiert hatte, das bei einem cher». Nach Capuns zum Mittages- und Italien im Mai 1939 die «Option» Manöver 1913 bei allerdings misera- sen ging’s weiter, durch einen Teil für Deutschsprachige für eine Aus- blem Wetter ohne Befehl vom Flüela- des 1914 gegründeten Nationalparks, wanderung ins Deutsche Reich, die pass nach Davos abgezogen war. über den Ofenpass ins Val Müstair, zwar 212’000 von 246’000 optionsbe- mit Erinnerungen des Reiseführers rechtigten Südtirolern ausübten, doch Der Plan von Zernez an den Zusammenschluss der früher nur etwa 75’000 tatsächlich vollzo- sechs Gemeinden in eine, 2009, und gen, die meisten ins heutige Öster- Wir gehen hier vom Frage-Antwort- der unerwarteten konfessionellen Zu- reich – dem Deutschen Reich fehlten Spiel auf den Vortrag im Hotel Bär sammensetzung: Nur Müstair ist ka- nach Kriegsbeginn am 3. September und Post in Zernez vor dem Mittag- tholisch, alle übrigen früheren Ge- 1939 konkrete Möglichkeiten. essen über: Hier trafen sich an Fron- meinden, auch der Hauptort mit dem leichnam 1. Juni 1961 die beiden Sek- katholischen Namen Sta. Maria, sind Wir schieben hier einstweilen die wei- tionen Nord- und Südtirol des damals mehrheitlich protestantisch! Hier be- tere Südtiroler Geschichte auf später etwa fünf Jahre alten «Befreiungsaus- suchten wir das «Museum 14/18», auf und berichten von der Weiter- schusses Südtirol» (BAS) zur Planung das sich mit der Grenzbesetzung des fahrt das Münstertal hinunter, vorbei eines «grossen Schlages», der Zerstö- Umbrailpasses südlich des Dorfes be- an der Calven, wo die Bündner und rung des Starkstromnetzes um Bozen fasst; mit einem Durchbruch über eidgenössische Zuzüger am 22. Mai und damit Erkaltung der Aluminium- den Umbrail hätte die italienisch- 1499 den Schwäbischen Bund ge- öfen zum Erzwingen von Verhand- österreichische Front am Stilfser Joch schlagen hatten. In Glurns erreich- lungen über eine tatsächliche Auto- umgangen werden können. Während ten wir die Etsch und den Vinschgau nomie oder sogar Selbständigkeit des des Vortrags in «seinem» Museum be- mit seinen riesigen Apfel- und Apri- Südtirols. 1946 war am Rande der Pa- leuchtete David Accola die Vorge- kosen (Marillen)-Plantagen. In Meran riser Friedenverträge der «Pariser Ver- schichte des Südtirolkonfliktes, die im Hotel Therme nahmen wir für zwei trag» oder das sog. «Gruber-De-Gas- schon vor dem Ersten Weltkrieg be- Übernachtungen Quartier. peri-Abkommen» (nach den Namen gonnen hatte. So forderte der italie- der Aussenminister von Italien und nische Nationalist Ettore Tolomei eine Österreich) abgeschlossen worden, Verlegung der italienischen Grenzen gemäss dem die beiden Provinzen Bo- bis zum Alpenkamm und begann um zen und Trient eine gesetzgeberische 1901 mit dem Übersetzen von deut- Autonomie erhalten und die deutsche schen geografischen Namen ins Ita- Sprache weitgehend der italienischen lienische. Das diente zur bessern Be- GMS-Magazin Juli 2016 | Nr. 87
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