Innovationsstandort ländlicher Raum - Vorgestellt: BM Maria Patek Die Zukunft des Pflanzenschutzes Haftungsfragen: Von Kühen und Bäumen ...
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2.19 Innovationsstandort ländlicher Raum Vorgestellt: BM Maria Patek Seite 6 Die Zukunft des Pflanzenschutzes Seite 24 Haftungsfragen: Von Kühen und Bäumen Seite 33
PEFC heißt, Nachhaltigkeit über Generationen zu garantieren. Als weltweit größte Zertifizierungsorganisation für nachhaltige Waldbewirtschaftung ist PEFC der Garant für artenreiche und gesunde Wälder. Wälder und Unternehmen mit PEFC-Zertifikat leisten einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Leistungsfähigkeit unserer Wälder. www.pefc.at 2
Inhalt Inhaltsverzeichnis Editorial, Leitartikel BIOSA 4 Editorial 36 Bericht aus dem Fachbereich BIOSA 4 Impressum 5 Leitartikel Landesverbände 37 Vollversammlung Land&Forst Betriebe Kärnten Österreich & Europa 37 Vollversammlung Land&Forst Betriebe Burgenland 6 Vorgestellt: BM Maria Patek 38 LFBNÖ: Sommerempfang auf Schloss Rosenburg 7 Entschuldigung, wie spät ist es? 39 LFB Stmk: Mitgliederversammlung 8 Nachgefragt bei Günter Stummvoll und Grüner Abend 10 Interview mit Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer 12 Augustiner-Chorherrenstift Klosterneuburg FHP 40 Startworkshop Digitales Rohstoffmanagement Forst & Umwelt 40 Baumpflanzaktion in Nußdorf 14 Bericht aus dem Fachbereich Forst & Umwelt 41 Neuauflage der FHP-Broschüre 15 Borkenkäferfrüherkennung aus Luftbildern „Traktor-Krananhänger“ 16 Österreichische Forsttagung 2019 18 Baumartenwahl im Zeichen des Klimawandels PEFC 20 Austrofoma 2019 42 PEFC Austria mit neuem Auftritt: 21 4th World Congress on Agroforestry Das g’fallt dem Wald! Landwirtschaft Dies&Das 22 Bericht aus dem Fachbereich Landwirtschaft 43 Waldfest Graz 23 Nachhaltige Grünland- und Ackerbewirtschaftung 2030 44 NÖ Waldjugendspiele 24 Die Zukunft des Pflanzenschutzes 44 Gütesiegel für Betriebliche Gesundheitsförderung Kommunikation 44 Weltumwelttag 26 Bericht aus dem Fachbereich Kommunikation 45 Our Forests, Our Future 27 Barthold Stürgkh-Preis 45 Forstwirtschaft in Europa 28 Wirtschaftspressekonferenz 2019 46 Kurt Ramskogler neuer Präsident von BIOSA 30 Neues Kleid für aktuell und www.landforstbetriebe.at 46 Max von Elverfeldt - neuer Bundesvorsitzender der Familienbetriebe Land und Forst Recht 46 Führen mit Werten - Das rechte Maß finden 32 Bericht aus dem Fachbereich Recht 32 Judikatur aktuell Persönliches 33 Von Kühen und Bäumen – Haftungsfragen in 47 Persönliches der Land- und Forstwirtschaft 47 Termine 34 Eigentumsschutz aus technischer und rechtlicher Sicht 34 Familienunternehmertag im Stift Göttweig 35 ÖGAUR Frühjahrstagung 3
Editorial Editorial Impressum Der FBÖ ©L Offenlegung der Besitzverhältnisse gemäß § 25 des Mediengesetzes: dreibeinige Medieninhaber: Land&Forst Betriebe Österreich Schauflergasse 6/5, 1010 Wien Hund … Telefon: +43/1/533 02 27 Im Südosten Schwedens liegt die beliebte Urlaubsinsel Öland. Das für skandi- E-Mail: office@landforstbetriebe.at navische Verhältnisse milde Klima und die guten Bademöglichkeiten haben den www.landforstbetriebe.at Ort zu einem Mallorca Schwedens gedeihen lassen. Das wussten allerdings auch Verlagspostamt: 1010 Wien schon die Könige der Vergangenheit, die auch die Jagd im Augenmerk ihres Inte- Erscheinungsweise: 4x jährlich resses hatten. Einer dieser Herrscher wollte daher unterbinden, dass die gut aus- gebildeten Jagdhunde der heimischen Bauern in die aufoktroyierten Jagdrechte Herausgeber: des Königs eingriffen. Er erließ ein Gesetz, dass allen Hunden auf der Insel ein DI Bernhard Budil, Schauflergasse 6/5, 1010 Wien Bein abzuschneiden sei. Soweit, so wahr – auf Öland gab es in Folge viele Jahr- zehnte nur dreibeinige Hunde. Redaktion und Anzeigenverwaltung: Mag. Renate Magerl Als Urproduzent Anfang des 21. Jahrhunderts hat man mithin das Gefühl, dass die Geschichte sich im Laufe der Zeit nur unwesentlich ändert und viele Teile daraus Layout und Satz: KOMO Wien – Büro für immer wieder neu auftauchen. Der – durch den Menschen verursachte – Klima- visuelle Angelegenheiten wandel verlangt heute bereits seine ersten Opfer und die Anpassung daran bezie- Simone Leonhartsberger hungsweise seine Bekämpfung bringt große Herausforderungen für die Mensch- heit mit sich. Die Eigenversorgung eines Landes mit sicheren und hochqualitativen Hersteller: Druckerei Berger, 3580 Horn Lebensmitteln ist zunehmend ein Gebot der Stunde, der Umstieg auf erneuerbare Energien ist ein wesentlicher Lösungsansatz für den Klimawandel und eine geleb- te Bioökonomie – also die Abkehr von fossil-basierten Energieträgern und Pro- Das Österreichische Umweltzeichen dukten, hin zu Biomasse-Alternativen – ist bereits als Schwerpunkt in der Politik für Druckerzeugnisse, UZ 24, UW 686 Ferdinand Berger & Söhne GmbH. verankert. Diese Zeitung wurde auf PEFC-zertifiziertem Die heimischen Landbewirtschafter sind diesbezüglich gut aufgestellt. Jahrzehn- Papier gedruckt. telange Erfahrung, hohes Know-how und flächendeckende Infrastruktur sind Unbenannt-1 1 07.07.2009 13:28:58 grundsätzlich vorhanden. Alleine die Möglichkeit von seinem Grund und Boden zu leben, wird einem zunehmend abgedreht. Der Klimawandel schafft technische Herausforderungen, die schwer zu bewältigen sind. Umwelt- und Naturschutz- NGOs sehen die Land- und Forstwirtschaft als Spielbrett für zu guten Teilen über- zogene Forderungen – zumeist nicht berücksichtigend, dass nachhaltige Landbe- wirtschaftung alle drei Säulen – Ökologie, Ökonomie, Soziales/Kultur – zu erfüllen Die Gastkommentare müssen nicht die Meinung hat. Der nachwachsende Rohstoff Holz soll Heilsbringer für Bioökonomie und Er- des Medieninhabers ausdrücken. neuerbare werden, bei steuerlichen Notwendigkeiten, bei der Produktion und bei der Ernte/Vermarktung werden einem aber regelmäßig Prügel zwischen die Beine Genderhinweis: Geschlechtsspezifische geworfen (Baumartenwahl, Schutzgebiete, Marktversagen …). Regional und Bio Bezeichnungen im Verbandsmagazin stehen im wird bei Lebensmitteln eingefordert, aber das Billigste beim Griff ins Regal gekauft. Zweifelsfall gleichwertig für beide Geschlechter. Dies impliziert jedoch keine Diskriminierung in die eine oder andere Richtung, sondern soll im Man fühlt sich wie ein dreibeiniger Hund. Die Kompetenz, die Ressource und auch Sinne der leichteren Lesbarkeit als geschlechts- der Wille sind eindeutig vorhanden. Wenn uns allerdings Politik, NGOs und Ge- neutral zu verstehen sein. sellschaft ein Bein abschneiden, wird das Laufen schwierig. Ob vor diesem Hin- tergrund die Vielzahl an Erwartungen künftig erfüllt werden können, wird letztlich Titelbild: ©Alberto Masnovo - stock.adobe.com von denen abhängen, die die Gesetze dafür schreiben ... Ihr Bernhard Budil 4
Leitartikel Leitartikel Zeit zum Umdenken! FBÖ ©L Zeit zu handeln! Kennen Sie den alten Spruch „Wer in der Jugend kein Revolutionär ist, hat kein Herz; Wer im Alter noch immer Revolutionär ist, hat kein Hirn“? Ja, es ist das Vorrecht der »Jetzt gilt es noch einmal für Jugend, Veränderung zu fordern, und es ist unsere Pflicht, Veränderung in der Wirtschaft, der Veränderungen einzuleiten und jetzt die Weichen zu stel- Verwaltung und im Sozialsystem len für die Zukunft. Wir dürfen nicht mehr länger auf die „Anderen“ oder die nächste technische Generation oder Stimmung zu machen und auch entsprechend zu wählen.« »Wer in der Jugend kein Revolutionär ist, hat kein Herz; einmal für Veränderung in der Wirtschaft, der Verwaltung Wer im Alter noch und im Sozialsystem Stimmung zu machen und auch ent- immer Revolutionär ist, sprechend zu wählen. hat kein Hirn?« Wenn die erneuerbaren Energiesysteme nicht ausgebaut werden, die Kreislaufwirtschaft und Bioökonomie nicht gar auf ein Wunder warten. Und schon gar nicht dürfen in Schwung gebracht werden, Energieeinsatz nicht radikal wir der Jugend vorwerfen, nach der Klimademonstration effizienter wird, im internationalen Handel und Verkehr mit dem Flugzeug in den Urlaub zu reisen. Die Jugend hat weiterhin keine Kostenwahrheit herrscht, die Sozialsyste- ein Recht auf Spaß und auf Urlaub und es ist schon lange me nicht gestrafft werden, die Staatsfinanzen nicht durch unsere Aufgabe, ihnen klimaverträgliche Mobilitätssyste- Einsparungen saniert werden, werden wir als Land- und me, Verbrauchsgüter aus nachwachsenden Rohstoffen, Forstbetriebe nicht nachhaltig wirtschaften können. klimafreundliche Häuser oder recyclingfähige technische Geräte anzubieten. Wir haben viel zu lange gezögert und uns vor radikalen Veränderungen gefürchtet – jetzt erinnert »Müssen wir Radikales fordern? Ja! uns die Jugend daran. Denn die Bremser sitzen überall. « Kreislaufwirtschaft, Bioökonomie und erneuerbare Ener- gie sind keine neuen Lösungsansätze, aber es hat bisher Wenn wir wollen, dass unsere zukünftigen Generationen der Mut dazu gefehlt. Echte Anreize und sicher auch regu- weiterhin nachhaltige Land- und Forstwirtschaft betreiben latorische Maßnahmen müssen jetzt die Weichen in Rich- können, müssen wir jetzt für radikale Veränderungen ein- tung Bioökonomie und Dekarbonisierung stellen. Jetzt treten. Müssen wir Radikales fordern? Ja! Denn die Brem- und nicht erst in der übernächsten Legislaturperiode. Die ser sitzen überall. Ergebnisse der europäischen Wahl und die Jugendbewe- gungen zeigen deutlich, was die nächste Generation von Unterstützen Sie unsere Forderungen und Lösungsvor- der Politik erwartet – im vollen Bewusstsein, dass diese schläge durch Ihre Mitgliedschaft und Ihre Stimme bei den notwendigen Veränderungen nicht immer bequem sein Wahlen! werden. Ihr Österreich hat schon bei der letzten Wahl 2017 für Verän- derung gestimmt. Die abgesetzte Regierung hat sehr viele fundierte Konzepte erarbeitet, sie ist aber leider nicht mehr zur Umsetzung gekommen. Die Gunst der Stunde haben Felix Montecuccoli jene genutzt, die sich schon seit Jahren gegen Veränderun- gen stemmen und mit uralten Ideologien Wählerstimmen der alten Generation gewinnen wollen. Jetzt gilt es noch 5
Österreich & Europa Aufgaben • Ziele • Herausforderungen Vorgestellt: © BMNT / Paul Gruber Bundesministerin Maria Patek Maria Patek wurde am 3. Juni von Bundespräsident Alexander Van der Bellen als Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tou- rismus der Übergangsregierung angelobt. STABILITÄT UND PLANUNGSSICHERHEIT Europäische Kommission einen neuen Ansatz. In jedem Die Land- und Forstwirtschaft zählt zu den zentralen Stüt- Mitgliedsstaat soll ein individueller Plan ausgearbeitet zen unseres Landes, sowohl aus wirtschaftlicher als auch werden, der sämtliche Bereiche abdeckt: Direktzahlungen, aus ökologischer Sicht. Mit dem Amt der Bundesministerin Sektorinterventionen und Ländliche Entwicklung. Auch für Nachhaltigkeit und Tourismus habe ich große Verant- wenn die EU-Rechtsgrundlagen noch verhandelt werden, wortung übernommen – die ich glücklicherweise nicht al- startet unser Ministerium bereits mit der Ausarbeitung des leine tragen muss. Seit 1983 bin ich in verschiedenen Berei- nationalen GAP-Strategieplans für 2021-2027. Mir ist wich- chen und Funktionen für unser Ministerium tätig, zuletzt als tig, dass wir optimal vorbereitet sind und verlässliche Rah- Leiterin der Sektion „Forstwirtschaft und Nachhaltigkeit“. menbedingungen für unsere Familienbetriebe schaffen – Ich kenne das Haus genau und weiß, dass ich mich auf die ganz im Sinne einer multifunktionalen, flächendeckenden fachkundige Unterstützung sämtlicher Mitarbeiter verlas- und nachhaltigen Landwirtschaft. sen kann. Als Mitglied der Übergangsregierung ist es meine Aufgabe, weiterhin Stabilität und Planungssicherheit für SCHUTZ UND PFLEGE DES WALDES unsere Familienbetriebe zu garantieren: vom Kampf gegen Nach dem Studium der Forst- und Holzwirtschaft in Wien den Klimawandel über die Zukunft der Gemeinsamen Ag- war ich viele Jahre lang in diesem Bereich für unser Mi- rarpolitik bis zum Schutz der heimischen Wälder. nisterium tätig. Ich weiß, was der Sektor leistet und wie wichtig es ist, dass heimische Wälder auch weiterhin zu- UMSETZUNG DER KLIMA- kunftsorientiert und nachhaltig bewirtschaftet werden. UND ENERGIESTRATEGIE Nur ein klimafitter Wald kann Holz bereitstellen, Trink- Starke Temperaturschwankungen und unberechenbare wasser aufbereiten, Luft filtern sowie Lebensraum bieten Wetterkapriolen stellen die Land- und Forstwirtschaft vor und schützen. Auch hier stehen zahlreiche Maßnahmen enorme Herausforderungen. Mit der #mission2030, der ös- auf dem Programm: Ein umfangreiches Paket hilft der terreichischen Klima- und Energiestrategie, haben wir das Land- und Forstwirtschaft seit 2018, klimabedingte Schä- Ende des fossilen Zeitalters eingeläutet. Bis zum Jahr 2030 den zu bewältigen – bis zu 35 Millionen Euro sind für den wollen wir bilanziell 100 Prozent des heimischen Stromver- Forstsektor vorgesehen. Des Weiteren fördern wir Schad- brauchs aus erneuerbaren Energiequellen bewerkstelligen. holzlagerung auf beihilfefähigen Flächen und die Errich- Daher müssen wir optimale Rahmenbedingungen für den tung von Nasslagern. Sie sind wichtig, um Schadholz rasch weiteren Ausbau von erneuerbaren Energien schaffen. Ak- aus dem Wald abzuführen, die Qualität zu sichern und tuell arbeiten wir unter anderen am Erneuerbaren-Ausbau Preisverfällen entgegenzuwirken. Das Aktionsprogramm Gesetz, stellen mit der Green-Finance-Initiative neue Wege „Unser Wald schützt uns!“ in der Höhe von 29 Millionen der Finanzierung sicher und forcieren die Bioökonomie- Euro pro Jahr dient dazu, die Schutzfunktionalität der Wäl- strategie. Gemeinsam mit dem Verkehrsministerium und der wiederherzustellen und auszubauen sowie ihre Resili- der Automobilbranche wurde noch vor dem Regierungs- enz zu erhöhen. wechsel ein Paket zur Förderung von Elektromobilität in Höhe von 72 Millionen Euro geschnürt. Sämtliche Maßnah- Wenn es darum geht, Österreich zukunftsorientiert weiter- men müssen wir ebenso effizient wie effektiv umsetzen. zuentwickeln, übernehmen unsere bäuerlichen Familien- betriebe eine Schlüsselrolle. In den vergangenen Jahren GESTALTUNG DER GEMEINSAMEN konnten wir große Herausforderungen meistern – nun AGRARPOLITIK NACH 2020 freue ich mich darauf, den erfolgreichen Kurs gemeinsam In der Landwirtschaft zählen die Vorbereitungen für die fortzusetzen. nächste Programmperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zu den bedeutsamsten Aufgaben der kommenden Maria Patek Monate. Mit den so genannten Strategieplänen verfolgt die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus 6
© Pixabay Eine gesamtheitliche Betrachtung „Entschuldigung, wie spät ist es?“ VOR ODER NACH ZWÖLF? unseres Landes dringend benötigt. Der Übergangsregie- Fragt man heute nach der Zeit, dann müsste die Antwort rung ist hoher Respekt und Anerkennung auszusprechen, ehrlicherweise lauten: „Das hängt vom Thema ab“. Denn denn es gehört schon einiges dazu, spontan so hohe Ver- stellt man das alles überschattende (schön wär´s) Thema antwortung zu übernehmen. Klimawandel in den Fokus, so liest man bereits in vielen Medien, dass es längst fünf Minuten nach Zwölf ist. Die URBANISIERUNG – Trumps und Co dieser Welt sehen das noch ganz anders EIN ZEITLOSES THEMA und haben in ihrer Zeitzone anscheinend noch mindestens Die Frage nach dem dritten großen Thema unserer Zeit ist eine Stunde, um zuerst einen kleinen „Powernap“ zu hal- wohl zeitlos, auch wenn sie uns bereits überholt hat. Es ist ten und dann gemütlich zu überlegen, wie man das Thema die Urbanisierung, die Grundlage für viele Entwicklungen denn angehen könnte. Die Wahrheit liegt wohl nicht in der in Gesellschaft und Politik ist. Auf die Landbewirtschaftung Mitte, aber wenn man Optimist ist, haben wir noch weni- bezogen sind die Auswirkungen enorm. Das Wissen und ge Minuten bis Zwölf. In diesen wird man ziemlich laufen das Verständnis um diesen so wichtigen Sektor sind in den müssen, will man seinen Zug noch erreichen. letzten Jahren zunehmend verloren gegangen. Politische Entscheidungen werden zumeist für Mehrheiten gestaltet, ES WIRD ZEIT! die heute in den städtischen Großräumen sitzen. Dass Er- Fragt man nach den politischen Verhältnissen, so lautet nährungssicherheit, biogene Ressourcen und erneuerba- die Antwort: „Es wird Zeit“ – Zeit für stabile Verhältnisse re Energien fast ausschließlich aus dem ländlichen Raum mit verantwortungsvollen Personen im Cockpit, die nicht kommen und entsprechende Rahmenbedingungen brau- Ideologie oder Parteipolitik als Fahrplan haben, sondern chen, ist in Vergessenheit geraten. Auch der Ausgleich für Sachpolitik im Sinne der Herausforderungen unserer Zeit. die vielen ballungsraumverbundenen Auswirkungen auf Will man dabei unser demokratisches Grundgerüst und die Klima, Umwelt und Natur wird am Land geleistet. Im Wett- Parteienstruktur nicht in Frage stellen, so sind es vor allem bewerb mit Fragen wie Parkräumen, Wohnraumgestaltung Persönlichkeiten, die heute quer über Europa in der Politik und vielerlei stadtgebundenen Themen wird dies aber oft fehlen. Als aufmerksamer Bürger hat man den Eindruck, außer Acht gelassen. Und dass man regionale, hochquali- dass es bis auf wenige Ausnahmen entweder „Zufallspoli- tative Lebensmittel verlangt, aber beim Griff ins Regal das tiker“ sind, die in entsprechende Funktion kommen, oder Billigste nimmt – in der Regel aus dem fernen Ausland, mit Menschen, die vor allem das Spiel mit der Macht im Fokus niedrigen Umwelt- und Produktionsstandards und dafür haben. Es braucht aber deutlich mehr, um die Geschicke großen Transportwegen – ist leider ein Zeichen der Zeit. eines Landes zu lenken. Neben der Fähigkeit zuhören zu können, die Notwendigkeiten der Zeit zu erkennen und Fasst man also die Lage zusammen, so wird ohne zu Jam- letztlich Entscheidungen zu treffen (manchmal auch unge- mern klar, dass große Herausforderungen für die Landbe- liebte), braucht es aber vor allem auch charakterliche Stär- wirtschafter bevorstehen. Klimawandel, die politischen ke. Denn der Umgang mit der Macht bedarf moralischer Verhältnisse und die Urbanisierung sind die drei großen Standfestigkeit, will man nicht auf Ibiza enden. Viele gute Meta-Themen, die sich diesbezüglich gegenseitig beein- und notwendige Ansätze sind dadurch hinfällig geworden flussen und bei denen uns die Zeit davonläuft. Da fragt es und ein weiteres Mal wurde der Abbruch einer laufenden sich natürlich: „Wie spät ist es denn jetzt eigentlich?“ Legislaturperiode verursacht. Es ist Nachhaltigkeit im bes- ten Sinne seiner langfristigen Intention, die auch die Politik budil@landforstbetriebe.at 7
Österreich & Europa Nachgefragt bei Günter Stummvoll Sprecher der Initiative Standort (ehemals Plattform für Leistung und Eigentum) Wir brauchen Stabilität und Reformdynamik aktuell: Sehr geehrter Herr Stummvoll, Österreich er- kann. Meine Erfahrung sagt, der Wähler ist meist klüger als lebt seit einigen Wochen eine innenpolitisch sehr turbu- viele Parteitaktiker glauben. Daher bin ich durchaus opti- lente Zeit. Dürfen wir um Ihre Einschätzung bitten: Was mistisch für die Zukunft unseres Landes. hat sich Ihrer Meinung nach in Österreich von vor 2017 bis jetzt geändert? Wo stand Österreich vor zwei Jahren aktuell: Die Initiative Standort will Österreich wieder und wo stehen wir heute? unter den Top Ten der Wirtschaftsstandorte sehen. Denn Wirtschaftsstandort heißt Arbeitsplätze, Einkommen Günter Stummvoll: Die ÖVP/FPÖ Bundesregierung hat und soziale Sicherheit. Wo muss der Hebel angesetzt den Wählerauftrag vom 15. Oktober 2017 ernst genommen werden, um Österreich wieder nach vorne zu bringen? und unserem Land wichtige Veränderungen gebracht. An erster Stelle nenne ich den neuen politischen Stil, weg vom Stummvoll: Hauptprobleme sind die überbordende Bü- ständigen Streit und den gegenseitigen Attacken in der Re- rokratie und der Regulierungswahn, die hohe Steuer- und gierung. Inhaltlich war die Abkehr von der Schuldenpolitik Abgabenbelastung sowie der Mangel an Fachkräften. Hier bei gleichzeitiger Senkung der Steuer- und Abgabenlast muss angesetzt werden. Sowohl beim Bürokratieabbau eine wichtige historische Weichenstellung. Die vorgestellte als auch bei der Senkung der Steuer- und Abgabenquote Steuerreform mit einer Entlastung der Bürger und der Be- wurden in der abrupt zu Ende gegangenen Legislaturpe- triebe ist durch den parteitaktisch bedingten Misstrauens- riode wichtige erste Schritte gesetzt. Beispiele dafür sind antrag von SPÖ/FPÖ gegen Bundeskanzler Kurz und sein etwa das Anti-Gold-Plating-Gesetz oder das Standortent- Team gestoppt worden. Insgesamt steht aber Österreich wicklungsgesetz. Diesen Reformprozess muss die künfti- besser da als noch vor zwei Jahren: Unternehmerische ge Regierung fortsetzen. Das Gleiche gilt für die Senkung Initiative hat wieder einen höheren Stellenwert und Refor- der Steuer- und Abgabenquote, denn die in der EU sechs- men, über die seit Jahrzehnten nur geredet wurde, wurden höchste Abgaben- und Steuerbelastung schwächt den eingeleitet, wie etwa in der Sozialversicherung oder gegen Wirtschaftsstandort massiv. Daher sollte sich der Etappen- die überbordende Bürokratie. plan einer Steuerentlastung in Richtung 40 Prozent auch in einem neuen Regierungsprogramm prominent wiederfin- aktuell: Viele Bürger sind verunsi- den. Auch als Maßnahmen gegen den Facharbeitermangel »Unternehmerische chert, fühlen sich von der Politik im gehören die eingeleiteten Schritte fortgesetzt. Dabei geht Initiative hat wieder Stich gelassen. Vieles vom letzten es unter anderem im Hinblick auf rasche Veränderungen in einen höheren Regierungsprogramm konnte nicht der Arbeitswelt um neue Berufsbilder und die Evaluierung mehr umgesetzt werden und man der bestehenden alle fünf Jahre. Das Modell „Lehre nach Stellenwert« hat das Gefühl Österreich ist im Matura“ soll ausgebaut werden. Die Aufgaben der Austrian Dauerwahlkampf. Wie schätzen Sie Business Agency sollen um die Anwerbung von Fachkräf- die Situation ein? Was braucht Österreich Ihrer Meinung ten aus dem EU-Raum erweitert werden. Die Rot-Weiss- nach, um nun wieder Stabilität zu bekommen und damit Rot-Card für Fachkräfte aus Drittstaaten muss attraktiver die Politik wieder inhaltlich weiterarbeiten kann? gestaltet werden. Stummvoll: Der Sturz der Regierung hat zweifellos viele aktuell: Die heimischen Land- und Forstwirte sind mit Bürger, die – wie viele Umfragen gezeigt haben – mit der ihrem Produktionsstandort – sprich Grund und Bo- Arbeit der Bundesregierung zufrieden waren, verunsichert, den – an Ort und Stelle gebunden und leisten somit für weil hier Parteitaktik vor der Verantwortung für die Zukunft den Wirtschaftsstandort Österreich einen wesentlichen unseres Landes stand. Der Wähler hat aber im Herbst die Beitrag. Welche Maßnahmen braucht es Ihrer Meinung Möglichkeit, hier korrigierend einzugreifen und für klare nach, um den ländlichen Raum und dort angesiedelte politische Mehrheitsverhältnisse zu sorgen, die wieder po- Betriebe zu stärken und welche Rolle sollte die Politik litische Stabilität bei gleichzeitiger Reformdynamik bringen bzw. einzelne Parteien hier einnehmen? 8
Österreich & Europa »Der Klimawandel hat in den letzten Jahren und Monaten eine hohe Priorität bekommen. Immer mehr wird bewusst, dass hier die Politik enorm gefordert ist« Stummvoll: Ohne das Potential des ländlichen Raumes aktuell: Die bereits ausgearbeitete Steuerreform war ei- zu heben, werden wir unser Ziel, Top Ten zu werden, nicht nes der wichtigsten Themen der letzten Regierung. Wie erreichen. Wir müssen den Regionen verbesserte Rahmen- es mit diesen Ansätzen nun weitergeht ist – so wie vieles bedingungen schaffen. Die Industriellenvereinigung hat andere auch – ungewiss. Die Grundsatzfrage dahinter ist hier mit ihrem Aktionsprogramm zur Stärkung aber: Wer finanziert eigentlich Österreich? des ländlichen Raumes wichtige Vorar- beit für die Politik geleistet. Die Ini- Stummvoll: Es wäre von der künfti- tiative Standort unterstützt dieses gen Regierung sehr klug, wenn sie Aktionsprogramm vollinhaltlich. das Steuersenkungskonzept der Präsident Montecuccoli und Regierung Kurz übernimmt und ich haben dies gemeinsam umsetzt. Denn die Entlastung mit dem Autor Peter Koren des Steuerzahlers ist letztlich entsdirek /Wilke auch medial kundgetan. Ein- auch deshalb notwendig, weil tion zelne Maßnahmen seien hier er alles finanziert, was der Staat nur beispielhaft erwähnt: Die bietet, egal ob in den Bereichen arlam Entwicklung einer Bundes- Gesundheit, Soziales, Bildung, ©P Raumordnungskompetenz mit Sicherheit usw. Es wäre fahrlässig, klaren Prioritäten, die Stärkung ihn zu überfordern. Die Leistungsträ- der regionalen Zusammenarbeit ger in unserer Gesellschaft und Wirt- und Schaffung neuer Zentren in pe- schaft dürfen steuerpolitisch nicht die ripheren Regionen, die Intensivierung Dummen sein. der beruflichen Bildungsangebote, um den Bildungsraum Land zu stärken sowie Zugang zur Regio- aktuell: Sie haben in einem Interview gesagt: „Regu- nalförderung für mittelständische Unternehmen. Auch die lierungswahn und Bürokratie killen Arbeitsplätze. Das Digitalisierung und die neuen bahnbrechenden Technolo- Prinzip gilt, unabhängig davon, welche Farbe die Regie- gien mit dem 5G-Netz sind von ungeheurer strategischer rung hat.“ Glauben Sie dennoch, dass es eine der kom- Bedeutung für die Zukunft des Landes. menden Regierungen schaffen wird, die detailverliebten Überregulierungen einzudämmen bzw. wem trauen Sie aktuell: Die Auswirkungen des Klimawandels werden diese Aufgabe am ehesten zu? täglich sichtbarer. Wir müssen handeln: Raus aus der fossilen Energie und rein in die Bioökonomie lautet ein Stummvoll: Ich bin durchaus optimistisch, dass diese Er- Lösungsansatz. Welche Rolle wird die Bioökonomie vor kenntnis „Regulierungswahn und Bürokratie killen Arbeits- allem für die Stärkung des ländlichen Raumes spielen? plätze“ immer stärker ins politische Bewusstsein rückt. Wem traue ich eine entsprechende Stummvoll: Der Klimawandel hat in den letzten Jahren Strategie am ehesten zu? Sehr einfach: »Regulierungswahn und Monaten eine hohe Priorität bekommen. Immer mehr Jenen politischen Führungspersönlich- und Bürokratie killen wird bewusst, dass hier die Politik enorm gefordert ist. Die keiten, die schon in den letzten einein- Bioökonomie, die darauf abzielt, Erdöl und Erdölprodukte halb Jahren wichtige Reformschritte ge- Arbeitsplätze« (Plastik!) durch biogene Rohstoffe zu ersetzen, bietet hier setzt haben und die zu Unrecht mit dem nachhaltige Lösungen an. Sie stellt auch einen wichtigen Misstrauensvotum gestürzt wurden. Sie sollen vom Wähler Beitrag zur Senkung der CO2–Emissionen dar. Ich bin zu- die Chance erhalten, diese Strategie für eine gute Zukunft tiefst überzeugt, dass sich damit eine historische Chance unseres Landes fortzusetzen. für die Stärkung des ländlichen Raums ergibt. Nützen wir diese Chance! aktuell: Sehr geehrter Herr Stummvoll, vielen Dank für das Gespräch! 9
Österreich & Europa Interview mit Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer Der ländliche Raum muss Innovationsstandort sein aktuell: Sehr geehrter Herr Präsident, seit mehr als ei- aktuell: Der Wirtschaftsstandort Österreich befindet nem Jahr stehen Sie der Wirtschaftskammer Österreich sich im Wettbewerb mit einem globalen Markt. Was sind vor. Welches Resümee ziehen Sie nach Ihrem ersten die Erfolgsfaktoren für die heimische Wirtschaft in die- Jahr in dieser Funktion? sem Wettbewerb und wo sind die großen Hemmnisse? Mahrer: Wir haben mit der Bildungsoffensive und der In- Mahrer: Hohes Wachstum, sinkende Arbeitslosigkeit, Re- novationsstrategie der WKÖ zwei Masterpläne für den hei- kordexporte und die gute globale Konjunktur haben für mischen Standort auf den Weg gebracht. Die Stimmung sehr erfreuliche Wirtschaftsdaten gesorgt. Mit Blick auf bei unseren Unternehmen ist sehr gut – das das jüngste Ergebnis des „World Competitiveness zieht sich quer durch alle Unternehmens- Scoreboard 2018“ konnte sich der heimische größen. Wir haben eine immense Dy- Wirtschaftsstandort mit einem Plus von namik am Wirtschaftsstandort. Der sieben Rängen über den höchsten 5G Ausbau, die Digitalisierung Zuwachs unter allen im Ranking be- und der technologische Wandel rücksichtigten 63 Ländern freuen. sind Treiber. Wir sind generell Wir punkten bei „Economic Per- DW/Marek Knopp in einer sehr guten Position formance“, „Business Efficiency“ innerhalb der EU. Das bedeu- und „Government Efficiency“. tet aber nicht, dass wir unsere Positiv sehe ich auch das neue Hausaufgaben vernachlässi- Arbeitszeitgesetz, das den Un- © BM gen dürfen. Denn nur, wenn ternehmen mehr Gestaltungs- wir als Standort unsere vollen möglichkeiten bei der Abdeckung Möglichkeiten ausschöpfen, von Produktionsspitzen gibt und können wir innerhalb Europas das – entgegen der Kritik – zu keiner Taktgeber sein. Ausweitung der Arbeitszeit insgesamt geführt hat! aktuell: Was sind aktuell die dringendsten Aufgaben und Themen der WKÖ? aktuell: Als land- und forstwirtschaftliche Grundbesit- zer sind wir mit unserer Produktionsgrundlage an den Mahrer: Das Thema, das uns unter den Nägeln brennt, ist Standort gebunden und tragen große Verantwortung der Fachkräftemangel. Wir haben 2018 erhoben, dass rund für den ländlichen Raum. Welche Maßnahmen setzen 162.000 Fachkräfte in Österreich fehlen – eine immense Sie als gesetzliche Interessenvertretung, um den Wirt- Zahl. Und da die Konjunktur weiterhin gut läuft, bin ich si- schaftsstandort Österreich – und hier vor allem den cher, dass diese Zahl 2019 bereits nochmals angewachsen ländlichen Raum – zu stärken? ist. Gleichzeitig sehen wir, dass trotz der guten wirtschaft- lichen Entwicklung konstant mehr als 300.000 Personen Mahrer: Der ländliche Raum darf in seiner Wohlstandsent- auf Jobsuche sind. Das heißt, ein zentraler Fokus wird auf wicklung nicht von Ballungsräumen abgekoppelt werden. die Qualifizierung und die Aus- und Weiterbildung gelegt. Unser Hauptaugenmerk richtet sich daher auf bestmögli- Berufliche Bildung endet nicht mit dem Lehrabschluss, wir che Rahmenbedingungen, um Unternehmen abzusichern wollen den Meister stärken, die berufliche Höherqualifizie- oder sogar neue anzusiedeln. Das heißt, der ländliche rung forcieren. Denn Fachkräftemangel kostet Geld. Gelän- Raum muss Innovationsstandort sein und flächendecken- ge es, den Bedarf an Fachkräften zu decken, brächte das de Breitbandversorgung, aber auch attraktive Lebensbe- einen zusätzlichen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) dingungen für die Menschen Vorort mit Angeboten von von 2,5 Milliarden Euro im Jahr. Kinderbetreuung bis zu Mobilitätslösungen bieten. Im Rah- 10
Österreich & Europa men unserer Innovationsstrategie – und hierin vor allem Ohne Gold Plating könnte das Bruttoinlandsprodukt um mit der Maßnahme „Daten-Kompetenz stärken“ – bieten rund 0,2 Prozent, also knapp 800 Millionen Euro, höher wir vor allem auch Menschen am Land große Chancen. Mo- ausfallen. mentan laufen Gespräche mit dem Land Salzburg, um dort eine Innovationszone im Bereich Tourismus aufzubauen. In aktuell: Absolute Zukunftsthemen für den ländlichen Summe stehen wir in Österreich mit unseren Initiativen für Raum sind etwa die Nutzung nachwachsender Rohstoffe den ländlichen Raum nicht so schlecht da. In Deutschland und die Entwicklung einer nachhaltigen Bioökonomie. Der ländliche Raum kann mit Bioökonomie an Bedeu- »Im Rahmen unserer tung, Wertschöpfung und Arbeitsplätzen dazugewin- Innovationsstrategie bieten wir nen. Für die Betriebe ergeben sich neue Märkte. Welche Schritte zur Unterstützung werden hier von Seiten der vor allem auch Menschen am Land WKÖ gesetzt? große Chancen.« Mahrer: Nachwachsende Rohstoffe sind seit jeher ein besteht ein Unterschied von bis zu 93 Prozent in Bezug auf wichtiger Bestandteil der österreichischen Volkswirtschaft. Wohlstand und Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse Angesichts des Klimawandels wird ihre Nutzung natürlich zwischen den Regionen, in Österreich beträgt der maxima- immer wichtiger. Biobasierte Prozesse und Technologien le Unterschied nur 23 Prozent. eröffnen der heimischen Land- und Forstwirtschaft sowie auch vielen Unternehmen neue Chancen. Diese gilt es ge- aktuell: Was bedeutet für Sie persönlich Eigentum? rade in ländlichen Gebieten, in denen zwei Drittel der Be- völkerung Österreichs leben, zu nutzen. Die Regierung hat Mahrer: In der aktuell in Deutschland angestoßenen De- mit der vor Kurzem veröffentlichten österreichischen Bio- batte über Enteignung, Vergesellschaftung oder Verstaat- ökonomiestrategie bereits begonnen, einen Transformati- lichung wird die Kapitalismuskeule angewandt. Und dem onsprozess in eine biobasierte Wirtschaft zu unterstützen kann ich nicht entsprechen. Denn das Gros der Menschen und die Entwicklung der Biotechnologie als Schlüsseltech- – egal ob Privatperson oder Unternehmer – hat über einen nologie zu fördern. Ziel der Wirtschaft ist der bestmögliche längeren Zeitraum entsprechende Leistung eingesetzt, um Einsatz aller nachwachsenden Rohstoffe unter Berücksich- Eigentum zu erwerben. Der Streit ums Eigentum wird also tigung der Bereiche Ressourcenschonung und Kreislauf- in meinen Augen unter den falschen Prämissen geführt, wirtschaft. denn Eigentum bedeutet Freiheit, Unabhängigkeit und Übernahme von Verantwortung. aktuell: Sehr geehrter Herr Präsident, vielen Dank für das Gespräch! aktuell: Zum Thema Bürokratisierung: Hier braucht es schon seit vielen Jahren eine deutliche Entlastung für die heimischen Betriebe. Wann wird es dazu aus Ihrer Harald Mahrer Sicht Erleichterungen geben? Mahrer: Überbordende Regulierungen bergen natürlich immer die Gefahr eines engen Bürokratiekorsetts, das die Der gebürtige Wiener (geb. 1973) und promovierte Luft zum Atmen nimmt. Aus Sicht der Wirtschaft ist weni- Sozial- und Wirtschaftswissenschafter war in der ger Bürokratie immer besser als mehr. Und es macht daher Unternehmensberatung tätig ehe er in die Politik natürlich Sinn, Regelungen auf ihre Sinnhaftigkeit zu prü- ging. Von 2014 bis 2017 war er Staatssekretär für fen, das gilt für Österreich wie für die Europäische Union. Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, nach Wichtig ist, jene Verordnungen zu identifizieren, die für den dem Rücktritt von Vizekanzler Mitterlehner Wirt- Binnenmarkt hinderlich sind. Österreich hat sich ja bereits schaftsminister. Seit Dezember 2017 ist er Präsi- selbst dazu bekannt, Gold Plating – also die Übererfüllung dent des Wirtschaftsbundes der ÖVP, seit Mai 2018 von europäischen Regelungen durch nationales Recht – zu Präsident der Wirtschaftskammer Österreich, seit reduzieren und bereits erste Schritte gesetzt. Das Bürokra- Juni 2018 bekleidet er die Funktion des Präsiden- tiekorsett aufzuschnüren geht aber nur in Etappen. Wichtig ten des Wirtschaftsforschungsinstituts und seit ist es, die Kosten zu sehen, die Bürokratie und vor allem September 2018 ist er zudem Präsident der Öster- Gold Plating verursachen: Denn Österreichs Wirtschaft reichischen Nationalbank. Mahrer ist verheiratet wird durch die Übererfüllung von EU-Regelungen mit rund und lebt in Wien und Spittal an der Drau. 500 Millionen Euro pro Jahr belastet. Hinzu kommen über 100 Millionen Euro pro Jahr in der öffentlichen Verwaltung. 11
Österreich & Europa Augustiner-Chorherrenstift Klosterneuburg Verantwortung für Mensch und Umwelt © Michael Zechany Stift Klosterneuburg – das Augustiner-Chorherrenstift vor den Toren Wiens. Vorausblickendes Handeln, nachhaltiges Wirtschaften sowie familiengerechte Arbeitsplätze zu schaffen sind die Grundprinzipien der Wirtschaftsbetriebe des Stiftes Klosterneuburg. Die naturnahe und schonende Bewirtschaftung der Wälder und Ackerflächen zählen ebenso dazu wie die Gewinnung von Energie aus Bio- masse zur CO2-Reduktion. Als erstes klimaneutrales Weingut wurde 2009 das Stiftsweingut Klosterneuburg – das älteste Österreichs – zertifiziert. Im Jahr 1114 gründete der Babenberger Markgraf Leopold Hauses“, so Prälat Bernhard Backovsky, Propst des Stiftes. III. das Stift Klosterneuburg. Er wurde 1485 heilig gespro- Mit rund 200 Mitarbeitern werden an die 30 Millionen Euro chen und 1663 zum Landespatron von Österreich erhoben. Gesamtumsatz pro Jahr erwirtschaftet. Im Speziellen auch zum Landespatron von Wien, Nieder- österreich und (gemeinsam mit dem Hl. Florian) von Ober- Der Auftrag, Wertvolles für künftige Generationen zu be- österreich. Um ein religiöses, soziales und kulturelles Zent- wahren, schließt den schonenden Umgang mit natürlichen rum zu bilden, übergab Leopold III. im Jahre 1133 das Stift Lebensgrundlagen mit ein. „Ethische, soziale und ökologi- den Augustiner-Chorherren. sche Kriterien stehen für uns daher gleichberechtigt neben wirtschaftlichen Zielen“, beschreibt Direktor Andreas Gah- Aurelius Augustinus (354-430) wirkte als Bischof von Hip- leitner die Arbeitsweise der Wirtschaftsbetriebe des Stiftes po Regius in Nordafrika und gründete mit den Priestern an Klosterneuburg. seiner Bischofskirche eine Priestergemeinschaft nach dem Vorbild der Mönchsklöster. Während die Mönche aber da- LEBENSRAUM FÜR MENSCHEN, TIERE UND PFLANZEN mals keine kirchlichen Weihen hatten und sich im Kloster Im Herbst 2001 stellte das Stift Klosterneuburg seine 380 von der Welt möglichst abschirmten, waren die Priester der Hektar Ackerflächen auf biologische Bewirtschaftung um, Gemeinschaft des Augustinus in der Seelsorge tätig – also verzichtet seither auf Mineraldünger und Pflanzenschutz- für die Menschen da. Bis heute ist das Leben und Wirken im mittel und sichert damit langfristig die Erzeugung hochwer- Stift Klosterneuburg durch die von Augustinus aufgestell- tiger Lebensmittel. Mit der schonenden Bewirtschaftung ten Regeln bestimmt. von rund 8.000 Hektar Forstflächen und umfangreichen Aufforstungen erhält das Stift seine Wälder als Erholungs- Zu den Tätigkeiten der Augustiner-Chorherren gehören die raum für Menschen und Rückzugsgebiet für zahlreiche Seelsorge in ihren 27 Pfarren, die Kranken- und Gefäng- Tier- und Pflanzenarten. Durch die naturnahe Verjüngung nisseelsorge aber auch der Religionsunterricht und vieles der Althölzer wird die Artenvielfalt von Flora und Fauna er- mehr. Die Betreuung von Pfarren beinhaltet aber nicht höht und die Vitalität des Ökosystems gestärkt. Besonders nur die Entsendung von Seelsorgern, sondern auch einen sensible Flächen wurden zu Sonderschutzgebieten, in de- nicht unerheblichen finanziellen Beitrag zur Erhaltung der nen heimische Orchideen blühen und Smaragdeidechsen Kirchen und sonstiger Gebäude. Allein der Beitrag zu den leben. Im März 2010 wurde dem Stift von BIOSA für sein Renovierungskosten der Kirchen beträgt pro Jahr rund vorbildliches Handeln ein Preis für die Erhaltung der biolo- eine Million Euro. gischen Vielfalt verliehen. DIE WIRTSCHAFTSBETRIEBE DES STIFTES UMWELTFREUNDLICHE WÄRME „Die Wirtschaftsbetriebe bilden mit ihren vier Hauptge- Die 2003 errichtete unterirdische Biomasse-Fernwärmean- schäftsfeldern, Land- & Forstwirtschaft, Immobilienverwal- lage reduzierte den CO2-Ausstoß im Vergleich zu den zuvor tung, Kultur & Tourismus sowie Betrieb & Erhaltung, die eingesetzten Heizsystemen um mehr als 3.000 Tonnen pro erforderliche Basis für die vielfältigen Aufgaben unseres Jahr. Da die dafür benötigten Hackschnitzel nach Möglich- 12
Österreich & Europa © im Auftrag von Newman & Co KG © Stift Klosterneuburg/Latusek © Jakob Gsöllpointner Der Konvent des Stiftes Klosterneuburg Die Weingärten befinden sich in den besten Das älteste Weingut Österreichs ist auch besteht aus 48 Mitbrüdern. Lagen von Klosterneuburg, Wien, Österreichs erstes klimaneutrales Weingut. Gumpoldskirchen und Tattendorf. keit aus den stiftseigenen Wäldern der Umgebung kommen, flugs- und Reiseziel. Auch die Gärten bilden touristische fallen überdies keine langen Transportwege an. Mit der Anziehungspunkte für Gäste aus aller Welt. So findet alle Anlage wird das Stift mit all seinen Nebengebäuden sowie zwei Jahre die größte Orchideenausstellung Österreichs kommunale Einrichtungen in Klosterneuburg (Krankenhaus, mit rund 30.000 Besuchern statt. Die den Forschern zu- Rathaus, Happyland, . . .) umweltfreundlich beheizt. gängliche Stiftsbibliothek, sie ist die größte wissenschaft- liche Privatbibliothek Österreichs, und das Stiftsarchiv ERSTES KLIMANEUTRALES WEINGUT verwalten umfangreiches historisch wichtiges Material. Die UND ZERTIFIZIERT NACHHALTIG Wirtschaftsbetriebe vermieten außerdem Räumlichkeiten Das Weingut Stift Klosterneuburg ist als besonders nach- für Veranstaltungen. haltig arbeitender Betrieb ausgezeichnet. Das älteste Weingut Österreichs war im schonenden Umgang mit Res- DIE SOZIALE VERANTWORTUNG sourcen immer schon ein Leitbetrieb, der Zertifizierung als Mindestens 10 Prozent des Ertrages werden für soziale erstes klimaneutrales Weingut Österreichs im Jahr 2009 Aufgaben (Geldspenden) aufgewendet. Inklusive der Zu- folgte 2016 die Zertifizierung im strengen Nachhaltigkeits- satzleistungen für Mitarbeiter und Pensionisten sowie von programm des Weinbauverbandes. Nachlässen für sozial schwache Mieter und Pächter liegen die Sozialausgaben bereits über 1 Million Euro pro Jahr. Für Weingutsleiter Wolfgang Hamm ist die Zertifizierung ein sehr wesentliches Anliegen: „Große Weine können nur im FAMILIENGERECHTE ARBEITSWELT VERWIRKLICHEN Einklang mit der Natur entstehen. Die Nachhaltigkeitszer- Im Herbst 2011 starteten die Wirtschaftsbetriebe des Stiftes tifizierung bestätigt unseren Weg in allen Bereichen so zu Klosterneuburg das „audit berufundfamilie“. Es geht dabei arbeiten, dass es allen gut geht: den Böden, Pflanzen und um betriebliche Flexibilität im Bereich Arbeitszeit, um Ver- Lebewesen in unseren Weingärten, unseren Mitarbeitern, besserungen in der Informations- und Kommunikations- unseren Kunden und letztlich der Gesellschaft insgesamt!“ politik, Personalentwicklung, Karenz und Rückkehr in den So schaffte es das Stiftweingut als einziger österreichischer Beruf. Das Stift versucht so, auf die Bedürfnisse seiner Mit- Betrieb im Jahr 2011 unter die weltweit 15 Nominierten für arbeiterinnen und Mitarbeiter zu achten, damit diese Beruf den „Energy Global Award“. und Familie in Einklang bringen können. KULTUR UND TOURISMUS Stift Klosterneuburg Für rund 100.000 Besucher pro Jahr ist das Stift mit seinem Andreas Gahleitner, Wirtschaftsdirektor kulturellen und touristischen Angebot ein gefragtes Aus- direktion@stift-klosterneuburg.at Walter Hanzmann, Pressesprecher presse@stift-klosterneuburg.at © Jakob Gsöllpointner 13
FORST UND UMWELT BERICHT AUS DEM FACHBEREICH von Sandro Gaugg BIODIVERSITÄTSKONFERENZ Pomme Langue, Generalsekretärin von CEPF, war Teil des Die Europäische Kommission und der Ausschuss der Re- dritten Panels, bei dem es um das 3. Ziel der Strategie ging, gionen organisierten am 23. und 24. Mai dieses Jahres die der Erhöhung des Beitrages von Land- und Forstwirtschaft „Conference on Biodiversity and Ecosystem Services – A zur Biodiversität. Sie hielt fest, dass Waldbesitzer per se da- Common Agenda to 2020 and Beyond“. Es wurde dabei ran interessiert sind Biodiversität zu schützen, da eine star- über die bisher erreichten Fortschritte gesprochen, welche ke Umwelt eine der Säulen nachhaltiger Forstwirtschaft ist. Erfahrungen man dabei gesammelt hat und was man dar- Die Land- und Forstwirtschaft repräsentiert immerhin rund aus für die Zukunft lernen kann. 95 Prozent der europäischen Fläche und ist somit jener Ort, an dem Biodiversität lebt und geschützt wird. Waldbesitzer Umweltkommissar Karmenu Vella und Roby Biwer, stellv. seien daher der Schlüssel für die erfolgreiche Umsetzung, Vorsitzender der Fachkommission ENVE, betonten in ihrer was die vielen erfolgreichen Projekte auch eindrucksvoll Keynote-Speech, dass es noch nicht zu spät ist, um die zeigen. Problematik der zurückgehenden Biodiversität in den Griff zu bekommen. Man wisse, wo die Probleme liegen, müsse AARHUS KONVENTION & INVASIVE ARTEN aber jetzt mit konsequenter Arbeit beginnen. Zur Umsetzung der Aarhus Konvention wurde seitens der Kommission eine Konsultation gestartet, an der auch die Der kürzlich fertig gestellte IPBES-Report zeigte dazu einen LFBÖ teilgenommen haben. Es wurde dabei festgehalten, ersten Einblick in die Biodiversitätsbewertung auf globaler dass mit der Erweiterung der Beteiligungsmöglichkeiten Ebene. 500 Beteiligte haben einen Bericht erarbeitet, der ein – für die positive Entwicklung des ländlichen Raums aufzeigt, wie es um die Tier- und Pflanzenwelt steht und und der nachhaltigen Landbewirtschaftung – folgenschwe- warum mittlerweile 1 Million Arten gefährdet sind. Neben rer Schritt gesetzt wurde, der weder der Rechtssicherheit der Biodiversitätsentwicklung wurde auch über den Bei- noch der Verfahrensbeschleunigung dienen wird. Bei der trag der Natur auf europäischer und globaler Ebene dis- österreichischen Umsetzung wird jedenfalls darauf zu ach- kutiert und welche Herausforderungen hier zukünftig zu ten sein, dass die Auswirkungen in den Bundesländern bewältigen sein werden. nicht durch „Gold Plating“ unnötig verschlimmert werden. Im Anschluss an die Diskussionen wurde das 40-jährige Im Zuge eines geplanten Updates der Liste gebietsfremder Bestehen der Vogelschutzrichtlinie zelebriert und es hatten invasiver Arten mit unionsweiter Bedeutung hat die Euro- verschiedene Institutionen die Möglichkeit, Erfolgsmodelle päische Kommission zu einem Feedback eingeladen. Die vorzustellen, die den bestmöglichen Beitrag zur Biodiversi- LFBÖ haben sich dabei klar gegen die Aufnahme des Göt- tät aufzeigen. FACE, die europäische Vertretung von rund terbaums (Ailanthus altissima) ausgesprochen. Die Kom- 7 Millionen Jägern, stellte dabei das Manifest für die Bio- mission sollte hier die einzelnen Interessen der Mitglied- diversität vor und zeigte in unzähligen Projekten auf, dass staaten berücksichtigen und von einer Aufnahme in die Jäger und Landbewirtschafter einen wertvollen Beitrag zur EU-Liste absehen. Einige Forschungsprojekte sehen den Aufrechterhaltung der Flora und Fauna beitragen. Götterbaum durch seine physikalische und mechanische Ähnlichkeit zur (sterbenden) Esche in vielen Bereichen als Am zweiten Tag wurde die Möglichkeit geboten, an der Eva- eine geeignete Alternative, weshalb die Entscheidung über luierung und Gestaltung der neuen Biodiversitätsstrategie den Umgang mit dieser Baumart jedenfalls auf Mitglied- post 2020 mitzuwirken. Die teilnehmenden Stakeholder staatenebene bleiben muss. und Entscheidungsträger diskutierten über die Erfolgsfak- toren und Umsetzungshürden der letzten Jahre. Fanny- gaugg@landforstbetriebe.at 14
Forst und Umwelt Künstliche Intelligenz im Einsatz Borkenkäferfrüh- Alle Fotos: © Festmeter Wöls GmbH erkennung aus Luftbildern Zunächst aus Eigenbedarf ging Kurt Wöls der Frage nach, ob eine automatisierte Früherkennung von Bor- kenkäferbefall möglich sei und wie daraus ein modernes Werkzeug für Förster und Waldbesitzer zu gestalten wäre. Fünf Jahre wurde geforscht und am „Zentrum für angewandte Technologie“ in Leoben ein Verfahren entwickelt, das mittlerweile als Dienstleistung der „Festmeter Wöls GmbH“ angeboten wird. „Festmeter“ hat die für Agrarflächen bereits etablierte einige Wochen später ein zweiter Flug statt, bei Auswertung von Infrarot-Luftaufnahmen für Forstflächen welchem die Daten analog zum ersten Flug ausge- adaptiert und 2019 durch die Erweiterung der Bilddaten- wertet werden. analyse mit künstlicher Intelligenz den technologischen • Danach werden die Flüge in Relation zueinander Durchbruch geschafft. gesetzt und eine „Change Detection“ durchgeführt – jeder einzelne Baum wird somit über die Zeit mit Damit liefert „Festmeter“ ein Präzisionswerkzeug, doch trotz sich selbst verglichen. Dadurch werden Veränderun- aller High-Tech bleibt der Förster mit seinem Fachwissen gen in der Vitalität erkennbar. und seiner Erfahrung unersetzbar. Der Zeitpunkt der Beflie- • Zusätzlich wird eine Nachbarschaftsanalyse durch- gungen kann nur in enger Abstimmung mit dem Experten geführt, bei der jeder einzelne Baum mit seinen vor Ort, der über den genauen Überblick zu Temperatur, unmittelbaren 20 Nachbarn verglichen wird. Daraus Niederschlägen und Borkenkäferentwicklung verfügt, statt- lässt sich insgesamt eine Vitalitätseinschränkung finden. Ebenso braucht es die professionelle Organisation ablesen, die mit einer Trefferquote von meist über vor Ort, um die ausgegebenen GPS-Punkte im Bestand zu 75 Prozent dem Borkenkäfer zuzuordnen ist – das verorten, auszuzeigen und eine schnelle Ernte zu realisieren. zeigen Rückmeldungen aus terrestrischen Validie- rungen der Kunden. PILOTPROJEKT MIT DER LK OBERÖSTERREICH Den innovationsfreudigen Kunden und ihrem Selbstver- Typisch für technologiebasierte ständnis als kritische Entwicklungspartner des Unterneh- Start-ups stand auch Festme- mens ist es zu verdanken, dass die inzwischen sieben Mit- ter anfangs immer wieder vor arbeiter das Verfahren über die Jahre laufend verbessern Herausforderungen. Zu den konnten. Inzwischen wird es weit über Österreich hinaus technischen Stolpersteinen angeboten. Bei einem Pilotprojekt mit der oberösterreichi- wie etwa unzureichende schen Landwirtschaftskammer auf rund 1.300 Hektar mit Übertragungs- oder Rech- etwa 140 Waldeigentümern, führt das Bundesforschungs- nerleistung gesellten sich zentrum für Wald (BFW) eine kritische terrestrische Validie- naturbedingte wie zum Bei- rung durch. spiel der Einfluss sich ändern- ew der Lichtverhältnisse, die Re- eets N Eco n omy m r ung • Zunächst werden durch Befliegung mit Drohnen (bis generationsfähigkeit „gestresster“ „Old – D ig italisie y“ 500 ha) oder einem Flugzeug Luftaufnahmen der Bäume oder kurzfristige witterungs- Econom schaft o rstwirt Waldfläche erstellt. Ergänzend arbeitet „Festmeter“ bedingte Planänderungen hinzu. Un- in der F mit hochauflösenden Satellitenbildern. ermüdlicher Einsatz, Forscherdrang, • Dann wird der Bestand mittels Algorithmen analy- die Verwendung neuester Datenverarbeitungstechnologie siert. Dabei wird ein CIR-Orthophoto erzeugt, die in Verbindung mit forstlichem Know-how und aktiver Kun- relevanten einzelnen Nadelbäume mittels künstli- denbeteiligung im Entwicklungsprozess führten schluss- cher Intelligenz (Deep Learning) weitgehend auto- endlich jedoch zum Erfolg. matisch ermittelt und mit einer individuellen Num- mer sowie GPS-Koordinaten versehen. • Zur Erhebung der Veränderungen im Wald findet www.festmeter.at 15
Forst und Umwelt Forstvereins-Präsident Johannes Wohlmacher BM (a.D.) Elisabeth Köstinger präsentierte das neue Schutzwaldprogramm Österreichische Forsttagung 2019 Wälder im Klimastress – Klimawandel setzt auch dem Schutzwald zu Sowohl die Österreichische Forsttagung am 23. Mai in Seckau, als auch das Aktionsprogramm Schutzwald der österreichischen Bundesregierung greifen das Thema des Klimawandels auf und geben Antworten auf die gesellschaftliche Herausforderung des sich schnell verändernden Klimas. Die Schutzwaldstrategie wur- de von zahlreichen Experten interdisziplinär ausgearbeitet und den über 400 Besuchern der Forsttagung präsentiert. EIN WALD DER SCHÜTZT nachwachsende Rohstoffe und Energieträger umstellen In Österreich erfüllen rund 1,2 Millionen Hektar Wald oder und den hemmungslosen Verbrauch von fossilem Erdöl, 30 Prozent der Waldfläche eine primäre Schutzfunktion Kohle und Erdgas stoppen. Das ist nämlich die Ursache und jeder vierte Österreicher profitiert von dieser nachhal- des Klimawandels. Sollte uns das nicht gelingen, wird bei tig wirkenden Schutzinfrastruktur. „Der Schutzwald ist ein anhaltend schlechter werdenden Klimabedingungen gar wahres Multitalent. Er ermöglicht vielerorts erst die dauer- kein Baum mehr wachsen“, meint Johannes Wohlmacher, hafte Besiedlung indem er vor Lawinen, Steinschlag und Präsident des Österreichischen Forstvereins. Muren schützt. Außerdem sichert er die Wasserqualität und bindet CO2. Die Auswirkungen des Klimawandels, neue DER WALD MIT UNTERSCHIEDLICHEN FUNKTIONEN Freizeitnutzungen und fehlende Attraktivität der Waldbe- Sowohl Österreicher als auch unsere Gäste erholen sich wirtschaftung stellen den Schutzwald allerdings vor neue gerne im Wald. Die Freizeitaktivitäten haben sich aber Herausforderungen. Das Aktionsprogramm liefert darauf in den vergangenen Jahren dramatisch verändert. Heu- starke Antworten“, so BM (a.D.) Köstinger bei der Präsen- te düsen Mountainbiker auf die Berge, fliegen Paragleiter tation des neuen „Aktionsprogramms Schutzwald“. Dieses über die Gipfel und ziehen Variantenschifahrer ihre Spur zielt darauf ab, durch Investitionen in den Schutzwald von durch verschneite Wälder. Das erzeugt Stress bei Tier und 29 Millionen Euro pro Jahr die Schutzfunktionalität der Mensch. Hirsche, Rehe, Auerhahn und Co finden kaum Wälder wiederherzustellen beziehungsweise auszubauen. noch Rückzugsgebiete und brauchen zum Flüchten viel Durch gezielte Forschung und Ausbildung soll außerdem Energie. Sie fressen daher vermehrt junge Bäume und na- die Wissensbasis für notwendige Anpassungen im Schutz- gen die Rinde von den Bäumen ab. „Die natürliche Rege- wald erweitert und somit zukünftig ein resilienter und kli- nerationskraft des Waldes muss voll genutzt werden. Dazu mafitter Schutzwald ermöglicht werden. braucht es aber die aktive Unterstützung der Jäger, die vie- lerorts überhegte Wildbestände so anpassen müssen, dass DER WALD IM ZEICHEN DES KLIMAWANDELS die Naturverjüngung auch wachsen und gedeihen kann. Der Wald steht seit mehreren Jahrzehnten vor Verände- Gerade im Schutzwald ist dies von größter Bedeutung. rungen und die Waldbewirtschaftung wird immer wieder Müsste man den Wald durch technische Verbauungen er- danach ausgerichtet. Der steigende Anteil an Laubholz, setzen, würde das mehr als das Hundertfache an Kosten für mehr natürliche Verjüngung und das Auspflanzen klima- die Gesellschaft verursachen“, so Wohlmacher. resistenterer Baumarten sind deutliche Signale. „Wenn wir gemeinsam den Wald retten wollen, dann müssen wir auf www.forstverein.at 16
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