Internes Rechnungswesen - Uni-DUE

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Prof. Dr. Volker Breithecker, StB: Internes Rechnungswesen, WS 2020/21            I

                         Internes Rechnungswesen

              Prof. Dr. rer. oec. Volker Breithecker, Steuerberater

Mit dem vorliegenden Text möchte ich Euer Interesse an der BWL wecken, klären
und zu sensibilisieren versuchen, was BWLer in der Praxis machen sollen und
dann überleiten zu dem u.U. notwendigen Datenmaterial, zum Internen Rech-
nungswesen – also zur Beschaffung bestimmter Informationen, die für unterneh-
merische Entscheidungen benötigt werden. Mit dem verfassten Text kann ich
Euch nur einige Vorschläge an die Hand geben, die Ihr u.U. zu gegebener Zeit in
der Praxis zur Lösung Eurer Herausforderungen verwenden könnt. Die Praxis ist
der Brückenschlag von Lösungsideen und einer konkreten Herausforderung. Die-
ser Text kann damit nicht den Inhalt der Veranstaltung wiedergeben, sondern nur
in wesentlichen Teilen praxisorientiert das wiederholen, was Ihr in den Erst-
/Zweitsemesterveranstaltungen Buchhaltung, Investition & Finanzierung, Jahres-
abschluss und Kosten- und Erlösrechnung gehört habt. Diese Veranstaltungen
sehe ich als Grundvoraussetzung für diese Vorlesung. Wir werden in der Vorle-
sung aufbauend auf diesen, aber auch auf Inhalten anderer BWL-Veranstaltungen
eine Verknüpfung zwischen den Teilgebieten des betriebswirtschaftlichen Rech-
nungswesens herstellen, die aktuelle Praxisrelevanz prüfen und die Anwendung
verstärkt an Fällen/Fallstudien üben.

Voraussetzungen für diese Vorlesung sind somit

→ Buchhaltungs- und Jahresabschlusskenntnisse
→ juristische Grundlagen, insb. im Bereich von Rechtsformen
→ betriebswirtschaftliches Interesse und Verständnis!

Aussagen nach (misslungenen) Prüfungen, "ich war doch gut vorbereitet, ich
konnte das Skript auswendig" zeigen mir, dass die Prüfungsvorbereitung eine un-
glaublich schlechte war! Nur wer die oben genannten Vorkenntnisse verinnerlicht
hat, deshalb den Inhalt dieses Textes (als Vorkenntnis) und die daraus abgeleiteten
Anwendungen versteht und aufzeigen kann, warum und wie z.B. eine Finanzpla-
nung oder eine Kosten- und Erlösrechnung in einer Unternehmung eingerichtet
werden oder warum (nicht wie) eine Lösung für Probleme funktioniert und warum
diese so und nicht anders sinnvoll ist, ist gut vorbereitet – für die Prüfung und
insbesondere für die Praxis (denn dafür studieren wir)! Wer auswendig lernt ver-
liert!
Prof. Dr. Volker Breithecker, StB: Internes Rechnungswesen, WS 2020/21                                                         II

Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ...........................................................................................................II

1 Grundlagen ................................................................................................................... 1
   1.1     Was ist BWL - was sollen BWLer können? ...................................................... 1
   1.2     Was unterscheidet den Unternehmer von Privatpersonen? ................................ 6
2 Einführung in betriebswirtschaftliche, rechtliche und buchhalterische Grundlagen ... 9
   2.1 (Rechtsformabhängige) Externe Rechnungslegung ......................................... 10
   2.2 Internes Rechnungswesen (ohne Kosten- und Erlösrechnung)........................ 21
            2.2.1 Finanzrechnung ...................................................................................... 22
            2.2.2 Investitionsrechnung ............................................................................... 25
                     Verständnisfragen zum handelsrechtlichen Jahresabschluss ................. 28
3 Kosten- und Erlösrechnung ....................................................................................... 31
   3.1      Wiederholungen zur Kosten- und Erlösrechnung (oder: das solltet Ihr
            alles schon wissen!) ......................................................................................... 33
   3.2      Ziel und Aufbau einer Kosten- und Erlösrechnung (oder: das solltet Ihr
            auch schon alles wissen!) ................................................................................ 43
            3.2.1 Vollkostenrechnung ............................................................................... 43
            3.2.2 Teilkostenrechnung ................................................................................ 51
            3.2.3 Plankostenrechnung ................................................................................ 63
Literaturverzeichnis ...................................................................................................... 69
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1     Grundlagen

1.1 Was ist BWL – was sollen BWLer können?

In 2016 erschien ein FAZ-Buch mit dem provokanten Titel „Betriebswirtschaftsleere –
Wem nützt die BWL noch?“1 Darin beklagt der Autor, Axel Gloger, die fehlende Pra-
xisnähe des BWL-Studiums. Und deshalb stelle ich mir/Euch die Frage: „Was ist BWL
– was sollen BWLer2 können“? Angesichts der Tatsache, dass die BWL nicht den Na-
turwissenschaften zuzuordnen ist, dass wir also keinen Naturgesetzen folgen oder solche
beachten müssen, klingt zumindest meine Antwort im ersten Anblick trivial: BWLer
sind Problemlöser!

Euer Studiumsziel kann nicht darin bestehen, Klausuren zu bestehen, Credits zu erlan-
gen – und das mit möglichst guten Noten. Das verschafft Euch vielleicht das erste Vor-
stellungsgespräch. Aber wenn Ihr dann keinerlei Fragen – und die beziehen sich nicht
auf irgendwelche auswendig gelernten Dinge, sondern auf Praxisprobleme, für die Ihr
einen Lösungsansatz bringen sollt – beantworten könnt, weil Ihr nicht zuhört, seid Ihr
raus! Wer Herausforderungen in Klausuren zu lösen versucht, (ohne nachzudenken,
ohne zu lesen und ohne zu verstehen) nur zu überlegen, auf welcher Seite im Skript die
Lösung stehen könnte, wird die Klausur nicht bestehen und wird kein BWLer, wird kein
Problemlöser!

Welche Probleme/Herausforderungen sind das? Der BWLer soll – beispielhaft –

 beraten, wie eine neue Geschäftsidee bewertet werden kann,
 Krisen als Chance für neue Geschäftsideen sehen,
 das Umfeld schaffen oder selbst daran mitwirken, dass innovative Produkte/Dienst-
  leistungen kreiert werden, dafür das richtige Umfeld im Unternehmen geschaffen
  und die Innovationen an den Markt gebracht wird (für die beiden ersten Punkte haben
  wir an der MSM sogar einen eigenen Master eingerichtet, den interdisziplinären
  Master Innopreneurship)3,
 dafür Sorge tragen, dass Produkte/Dienstleistungen in der richtigen Menge zur rich-
  tigen Zeit an den richtigen Ort gebracht werden,
 dafür Sorge tragen, dass Produkte/Dienstleistungen in der gewünschten Qualität
  möglichst preiswert erstellt werden (ökonomisches Prinzip – Minimalprinzip: „Eine

1
    Vgl. GLOGER (2016).
2
    Aus Gründen der verbesserten Lesbarkeit wird im Text verallgemeinernd das generische Maskuli-
    num verwendet. Diese Formulierungen umfassen gleichermaßen Angehörige aller Geschlechter, wo-
    mit selbstverständlich gleichberechtigt alle Personen angesprochen und mitgemeint sind.
3
    Vgl. https://www.uni-due.de/innovationhub/innopreneurship.php.
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    gegebene Gütermenge [Output; Ertrag] ist mit einem geringstmöglichen Faktorein-
    satz [Input; Aufwand] zu erwirtschaften“4),
 aus den finanziellen Mitteln unter Verwendung der übrigen Produktionsfaktoren, die
  dem Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, den größtmöglichen Output – die
  höchste Verzinsung – generieren (ökonomisches Prinzip – Maximumprinzip: „Bei
  einem gegebenen Faktoreinsatz [Input; Aufwand] ist eine größtmögliche Güter-
  menge [Output; Ertrag] zu erwirtschaften“5),
 die Wertschöpfungskette organisieren, begleiten und optimieren (Wirtschaftlich-
  keitsprinzip beachten),
 stets das finanzielle Gleichgewicht bewahren.

Wie der BWLer das macht, wo er etwaige Daten und Informationen herbekommt, bleibt
grundsätzlich ihm selbst überlassen. Er soll die auftretenden Probleme zur Zufriedenheit
aller Beteiligter (Geldgeber, Kunden usw.) lösen. Das kann auch (z.B. zur Verbesserung
des eigenen Images oder der Zufriedenheit von Mitarbeitern) ohne ausschließlichen di-
rekten Bezug zum eigentlichen Geschäftszweck zur Verbesserung des unternehmeri-
schen Umfelds – zum Beispiel über Kunst – erreicht werden, wie das folgende Beispiel
der Unternehmensgruppe „Schrauben“ Würth (nahe an der TOP 10 der deutschen Fa-
milienunternehmen mit rund 70.000 Mitarbeitern in 80 Ländern) zeigt. Abgedruckt wird
ein Auszug aus einem Interview mit Robert Friedmann, Sprecher der Konzerngruppe
Würth im Handelsblatt vom 4.4.20176:

Herr Friedmann, ist Würth ein typischer Mittelständler?
Wir sind ein normales Familienunternehmen. Aber es gibt drei Punkte, die uns besonders
machen. Wir sind ein Stiftungsunternehmen, Reinhold Würth als Spiritus Rector des Un-
ternehmens begleitet die Entwicklung bis heute aktiv, und wir beschäftigen uns intensiv mit
Kunst, Kultur und sozialem Engagement. Das hat auf den ersten Blick mit dem Geschäft
nichts zu tun.
Stimmt, das klingt eher nach einem Privatvergnügen des Eigentümers …
Reinhold Würth ist seit den 60er-Jahren passionierter Kunstsammler, und die Sammlung
besteht inzwischen aus 17.000 Werken. Wir haben zum Beispiel die Max-Ernst-Sammlung

4
    WÖHE/DÖRING/BRÖSEL (2016), S. 34. Das Maximalprinzip lautet umgekehrt, dass aus einem
    gegebenen Faktoreinsatz der maximale Ertrag erzielt werden soll. Vgl. auch SIGLOCH/EGNER/
    WILDNER (2011), S. 20.
5
    WÖHE/DÖRING/BRÖSEL (2016), S. 34.
6
    Vgl. BUCHENAU/BROWER-RABINOWITSCH (2017). Auch im Duisburger Hidden-Champion
    „Krohne Messtechnik GmbH“ hängen Bilder an allen Wänden. Die aus der Familie Krohne stam-
    mende Jeannette zu Fürstenberg, Unternehmerin und Mitgründerin des Fonds La Familia – vgl.
    BRORS (2019) – mit Kapitalgebern wie Mohn, Siemens, Viessmann, Fürstenberg, Miele, Mittal,
    Solvay oder Swarovski, ist mit Kunst groß geworden, glaubt an die Kraft der Kunst und hat zum
    Thema „Die Wechselwirkung zwischen unternehmerischer Innovation und Kunst: Eine wissen-
    schaftliche Untersuchung in der Renaissance und am Beispiel der Medici“ promoviert. Vgl. FÜRS-
    TENBERG (2013). Der dritte Tag des zum WS 2017/18 erstmals gestarteten Masterstudiengangs
    Innopreneurship an der MSM, der 12.10.2017, war ein ausschließlicher „Kunstprojekttag“! Auch
    am dritten Tag des dritten MI-Batches wurde am 11.10.2019 Theater gespielt!
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der Lufthansa übernommen. Bei Christo ist Würth der größte Sammler in Europa. Wir ha-
ben 14 Museen in Europa, meist an unseren Landeszentralen. Der größte Teil der Werke
gehört zum Betriebsvermögen.
Wie hat sich denn der Wert der Kunst entwickelt?
Weite Teile der Sammlung werden jährlich bewertet, und der Wert der Sammlung steigt,
so viel kann ich sagen. Reinhold Würth ist eben nicht nur Kunstliebhaber, sondern auch
Kaufmann.
Schöne stille Reserven, die Sie da in Ihrer Bilanz haben …
Mit den stillen Reserven ist das so eine Sache. Wenn Sie die Kunstwerke verkaufen wollen,
geht das nicht auf einen Schlag, sonst verfallen die Preise. Aber die Sammlung ist ja breit
gestreut. Und unabhängig davon: Reinhold Würth hat bis heute kein einziges Kunstwerk
verkauft.
Und was hat es mit dem sozialen Engagement auf sich?
Reinhold und Carmen Würth haben neben den beiden Töchtern einen Sohn, der nach einer
Mehrfachimpfung als Kleinkind schwer behindert ist. Das ist der Ursprung der Affinität des
Unternehmens zum Thema Umgang mit Behinderung. Zum einen unterstützen wir Special
Olympics Deutschland und betreiben das Hotel Anne-Sophie, in dem Behinderte mit Nicht-
behinderten zusammenarbeiten. Es ist ein Herzensprojekt von Carmen Würth, das ihre
Handschrift trägt. Ich selbst bin jedes Mal aufs Neue emotional von der einmaligen Atmo-
sphäre dort berührt.
Und für die Kultur bauen Sie noch eine Konzerthalle.
Ja, das Carmen Würth Forum ist ein Veranstaltungszentrum, das am 18. Juli direkt neben
unserem Stammsitz eröffnet wird. Es wurde von David Chipperfield entworfen und bietet
im Großen Saal Platz für 2.000 Menschen für Konzerte, Aufführungen, Messen und Kon-
gresse. Darüber hinaus gibt es einen Kammerkonzertsaal mit 600 Plätzen, der nach Rein-
hold Würth benannt ist.
Und was hat das alles mit Schrauben zu tun?
Auf den ersten Blick nicht sehr viel. Natürlich ist das alles nicht unbedingt betriebsnotwen-
dig. Aber Sie müssen einmal vergleichen: Großunternehmen schütten im Durchschnitt 30
bis 40 Prozent des Gewinns als Dividende aus. Bei Würth sind es in den vergangenen 15
Jahren nur rund zehn Prozent gewesen, die laut Unternehmensstatuten ausgeschüttet wer-
den.
Bei einem vorläufigen Betriebsergebnis von rund 600 Millionen Euro kommt da eini-
ges zusammen.
Ein Eigentümer könnte ja auch sagen, ich will 50 Prozent ausgeschüttet haben, und kann
dann mit dem Geld machen, was er will. Aber bei uns bleiben 90 Prozent im Unternehmen,
was dazu geführt hat, dass wir heute über ein Eigenkapital von 4,47 Milliarden Euro verfü-
gen. Deshalb können wir auch 65 Millionen Euro auf mehrere Jahre verteilt für das Carmen
Würth Forum investieren. Von dieser Investition profitiert das Unternehmen.
Warum?
Weil wir 90 Prozent der Gewinne reinvestieren können. Wenn wir 50 Prozent ausschütten
würden, hätten wir eine ganz andere Situation. Und das ist das Verständnis von Reinhold
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Würth von sozialer Verantwortung. Mit dem Carmen Würth Forum setzt er für die Mitar-
beiter, aber auch für die gesamte Region Hohenlohe ein weiteres Zeichen der Verbunden-
heit zu unseren regionalen Wurzeln.

Die grundsätzliche Freiheit des BWLers/des Unternehmers wird begrenzt

 durch rechtliche Regelungen, die in unserem Rechtsstaat zu beachten sind. Diese
  sind umfangreich und müssen entweder zur optimalen Entscheidung über zur Ver-
  fügung stehende Alternativen (z.B. bei der Rechtsformwahl – deshalb lernen wir
  Rechtsformen kennen!) oder zur Kenntnis rechtlicher Konsequenzen aus einem be-
  stimmten Handeln (z.B. bei einem Kaufvertrag – deshalb befassen wir uns mit dem
  BGB) oder zur Abgrenzung von rechtlich zulässigem bzw. unerlaubtem (z.B. „hem-
  mungslose“ Beschäftigung von Jugendlichen – deshalb beschäftigen wir uns mit ar-
  beitsrechtlichen Normen) zumindest rudimentär bekannt sein. Juristisches Experten-
  wissen ist nicht von jedem Betriebswirt gefragt, aber die Sensibilität, wann ein Ex-
  perte hinzuzuziehen ist. Auch sollte bekannt sein, ob und wenn ja welche Rech-
  nungslegungsnormen zu beachten sind und welche steuerlichen Konsequenzen aus-
  gelöst werden.
 durch moralische Fragestellungen (welche Mitarbeiter versuche ich zu akquirieren?
  Junge oder ältere? Männer oder Frauen? Gehandicapte oder Nichtgehandicapte? Zu-
  fällig [hire and fire] oder gezielt durch Stellenanzeigen + intensive Bewerbungsge-
  spräche oder durch sorgfältige vorherige Praktikantenbetreuungen?) (Wie behandele
  ich meine Mitarbeiter? Als Kollegen oder als Untergebene, die ausgequetscht wer-
  den dürfen? Durch billige und schlechte Arbeitsbedingungen?) (Wie gestalte ich als
  Unternehmer die Einkommensdifferenz zwischen dem Unternehmer, der regelmäßig
  finanzielle Risiken eingeht, und dem Arbeitnehmer? Sind Jahreseinkommen von vie-
  len Millionen € unmoralisch?7 Eine Frage, die nur bei DAX30-Vorständen, die eine
  Verantwortung gegenüber vielen Tausend Arbeitnehmern tragen, gestellt wird –
  nicht bei Bundesligafußballern!8) (Welche Produkte werden angeboten? Militäri-
  sche? Klonforschung? Genmanipulierte Lebensmittel? Bekleidung gefertigt in Re-
  gionen, die Menschenrechte missachten oder Arbeitnehmerschutz ignorieren?).

7
    Diese Frage wurde auch im abgelaufenen Bundestagswahlkampf thematisiert. Vgl. zur Quantifizie-
    rung der Gehaltsunterschiede z.B. FOCKENBROCK/SPECHT (2017).
8
    Ich erlaube mir, meine Begrüßung als Dekansvertreter auf der Examensfeier im Mai 2014 der MSM
    hier wörtlich abzudrucken: „Herzliche Begrüßung, liebe Absolventinnen und Absolventen, herzliche
    Begrüßung alle Angehörigen, Eltern, (Ehe-)Partner, Kinder und Freunde. Wir sind heute Abend hier
    zusammengekommen, um die Personen zu feiern, die ihr Examen – Bachelor-, Diplom- oder Mas-
    terexamen – geschafft haben und alle anderen, die einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet haben.
    Herzlichen Glückwunsch Euch allen!
    Ich liebe diese Examensfeiern, von denen ich in den letzten 25 Jahren keine einzige verpasst habe.
    Ich freue mich auch im Namen aller Kolleginnen und Kollegen, die ich natürlich schon vorab alle
    hier im Audimax begrüßt habe, dies aber noch einmal gerne wiederhole. Ich freue mich so viele
    strahlende Gesichter vor mir zu sehen. Gesichter, die ich vor kürzerer oder vielleicht auch längerer
    Zeit das erste Mal gesehen habe. Wir haben gemeinsam ein Ziel verfolgt, hier fertig zu werden – und
    dieses Ziel haben wir erreicht. Die einen waren bei der Zielerreichung schneller, die anderen waren
    dabei langsamer, aber alle verdienen meinen und Euren höchsten Respekt! So gesehen sehe ich Euch
    heute mit einem lachenden Auge – Ihr seid Bachelor of Science, Master of Science oder Education
    oder Ihr seid Diplomer. Das weinende Auge bezieht sich auf einige von Euch, die mir im Laufe der
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durch individuelle Unkenntnisse (nicht zuhören können, fehlende Kontakte – Netzwerke
[z.B. durch Praktika], fehlendes Engagement bei Angeboten, die Euch „auf dem Präsen-
tierteller“ geliefert werden [z.B. Semestereröffnungsparty PwC, FG-Besuche EY oder
die Jobmesse Eurer Fachschaft]! Fehlendes Gefühl für interkulturelle Besonderheiten,
Ignoranz gegenüber disruptiven Innovationen9).

Eines können wir für Unternehmen aber festhalten: Am Ende mündet alles in Geld, ist
alles quantifizierbar. Alles, was oben als Aufgabe des BWLers beschrieben wurde, ma-
chen wir nicht, um Dritte glücklich zu machen. Wir wirtschaften ausschließlich zur Ein-
kommenserzielung, um unseren Lebensstandard zu finanzieren, um essen und wohnen

    Zeit ans Herz gewachsen sind. Viele von Euch – Bachelorn – bleiben uns aber erhalten. Die Bitte:
    „Haltet Kontakt zu Eurer Alma Mater“ möchte ich aber noch einmal für alle unterstreichen!
    Ihr habt in Eurem Studium viel gelernt und viele Prüfungen gemacht. Natürlich seid Ihr noch keine
    vollendeten Praktiker! Das Handelsblatt schreibt heute – mit einem Foto aus dem Essener Uni-Kino
    – von den Universitätsabsolventen der „Generation Halbwissen“. Ich hoffe, dass wir Euch etwas
    besser als nur zu Halbwissenden ausgebildet haben. Natürlich braucht Ihr weitere Praxiserfahrung
    (die Ihr Euch teilweise in Praktika schon etwas angeeignet habt, die auch viele aus der Not heraus
    durch ihre parallele berufliche Tätigkeit erlangt haben). Ihr müsst allerdings auch – wollt Ihr nicht in
    der zweiten oder dritten Reihe bleiben – Verantwortung übernehmen wollen. Ich hoffe, dass Ihr hier
    an der MSM gesehen habt, dass die Professorinnen und Professoren, die wissenschaftlichen Mitar-
    beiterInnen, das Dekanat, das Prüfungsamt und alle anderen verantwortlich mit Euch umgegangen
    sind und deshalb als Beispiel/Vorbild für Eure baldige berufliche Tätigkeit dienen können.
    Menschen, die Verantwortung übernehmen, verdienen dafür zu Recht auch mehr Geld. Wie viel
    mehr Geld sie verdienen, liegt an dem Volumen der Verantwortung. Ich höre immer wieder Kritik
    an den Gehältern von Vorstandsvorsitzenden von DAX30-Unternehmen, die ich hier gar nicht kom-
    mentieren möchte. Deren Verantwortung möchte ich aber nicht haben – mir reicht die Verantwortung
    in dieser kleinen MSM. Allerdings kann ich andere Branchen deutlich kritisieren. Der FC Bayern
    München – kein kleiner Club, kein schlechter Club – hat einen Personaletat, der zu 70 % auf die
    Profiabteilung entfällt, in Höhe des Personaletats der zehntgrößten Universität Deutschlands – der
    Universität Duisburg-Essen. Philipp Lahm – kein schlechter Spieler, Kapitän der deutschen Fußball-
    nationalmannschaft – hat einen Personaletat – nämlich sein Gehalt – von 85 % des Vorstandsgehalts
    des gesamten 8köpfigen Siemens-Vorstands – inklusive Vorstandsvorsitzendem! Dieser Vorstand ist
    verantwortlich für mehr als 100.000 Arbeitnehmer! Und der Personaletat von Philipp Lahm umfasst
    das Dreifache des Personaletats der gesamten Mercator School of Management! Ich hoffe, Ihr gesteht
    uns zu, dass unsere Verantwortung Euch gegenüber größer ist als die Verantwortung eines Fußbal-
    lers!
    Also: Augen auf bei der Berufswahl!
    Bis dahin lasst Euch heute feiern, genießt diese Examensfeier, die Eure Fachschaft wieder phantas-
    tisch geplant und organisiert hat – und Euch Allen alles Gute!
9
    Katja Windt, seit 2018 neue Frau im Vorstand der Düsseldorfer SMS-Group, hat den „Auftrag Dis-
    ruption“, so titelte das Handelsblatt vom 10.10.2018; vgl. KNITTERSCHEIDT (2018). Wir stellen
    aktuell fest, dass derzeit über Jahrzehnte eingefahrene Geschäftsmodelle großer Unternehmen zu
    scheitern drohen, so bei Banken (die sich Crowdfunding-Plattformen oder Fintech-Unternehmen ge-
    genüber sehen), bei Energieerzeugern (die auf Atomstrom gesetzt haben), in der Automobilindustrie
    (wo alternative Energien – Strom oder Wasserstoff – ausgeblendet wurden, Dieselfahrzeuge in Ver-
    ruf kommen, fahrerloses Fahren diskutiert wird und plötzlich google (!) oder die deutsche Post (!)
    beachtet werden müssen) oder der Eisen- und Stahlindustrie (die Überkapazitäten aufgebaut hat, mit
    kreativen Komponentenlösungen hadert und „grün“ werden möchte – Letzteres bei der Thyssen-
    Krupp Steel AG). All diese Branchen suchen händeringend Innovationen – und uns beim IDE an der
    UDE geben sie sich die Türklinken in die Hand (und wir an der MSM reagieren und sind zum WS
    2017/18 mit einem innovativen, einmaligen Studiengang „Master Innopreneurship“ gestartet; vgl.
    oben Fn. 3)!
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zu können.10 Und dann sind wir im (Betriebswirtschaftlichen) Rechnungswesen, wobei
wir feststellen müssen, dass unser privates Rechnungswesen i.d.R. eine einfache Unter-
form des betrieblichen Rechnungswesens darstellt.11 „Machen was machbar ist“ wird
ersetzt durch „Machen was bezahlbar ist“. Wir müssen in der Lage sein, betriebswirt-
schaftliche Entscheidungen durch Zahlen zu untermauern. Deshalb können wir auch
feststellen, dass in den vergangenen Jahrzehnten die CEOs großer Unternehmen tenden-
ziell Ingenieure waren – heute sind es zunehmend Finanzfachleute.12

1.2 Was unterscheidet den Unternehmer von Privatpersonen?

Die BWL wird regelmäßig mit dem Gedankengut von erwerbswirtschaftlichen, gewinn-
oder shareholder-Value13 maximierenden Institutionen gleichgesetzt. Immer stärker,
immer präsenter werden öffentliche Unternehmen, gemeinnützige Institutionen oder er-
werbswirtschaftliche Unternehmen im Social Entrepreneurship.14 Aber auch wir privat
sind nicht so weit weg von unternehmerischem Denken, wenngleich der problema-
tischste Part unternehmerischer Aktivitäten, die Einnahmenseite, im Privatbereich ver-
gleichsweise planbar ist.

Privatpersonen haben regelmäßig das Ziel, ein bestimmtes dauerhaftes Einkommen zur
Bestreitung ihres persönlichen Unterhalts zu realisieren. Gelingt ihnen der Eintritt in
eine nichtselbständige Tätigkeit, verzichten sie auf unternehmerisches Engagement und
bekommen dafür ein (i.d.R.) stetiges konstantes Einkommen. Sie laufen – mit Aus-
nahme von ökonomischen Schieflagen des Arbeitgebers (die gibt es allerdings
coronabedingt zuhauf!) – kaum Gefahr, dass dieses Einkommen zeitweilig nicht so kon-
stant generiert wird, wie erhofft. Sie müssen aber auch erkennen, dass sie nur einge-
schränkte Möglichkeiten haben, auf den Erfolg des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen
10
     Ich verkenne nicht, dass ehrenamtliches Engagement in unserem Land ständig steigt. Ich behaupte
     aber, dass solche Aufgaben nur von Personen übernommen werden, die ihren Lebensstandard finan-
     ziert haben.
11
     Wir haben privat – zumindest wenn wir ein festes monatliches Einkommen haben – einen guten
     ökonomischen Überblick. Die Ausgaben kann man in großen Teilen selbst steuern – bei den Einnah-
     men hat es da ein Unternehmer deutlich schwerer.
12
     „CFOs drängen nach vorne – Jeder vierte DAX-Chef stammt aus dem Finanz-Ressort“ (PWC
     [2013]); „Jetzt übernehmen Finanzexperten die Macht“ (DIE WELT [2010]). „Eine Studie von
     KPMG in Zusammenarbeit mit dem US-Magazin Forbes ergab: Zwei Drittel der befragten CEOs
     glauben, dass die Rolle des Finanzchefs immer wichtiger wird. Jeder Zweite sieht in seinem CFO
     einen künftigen CEO.“ THORBORG (2017), Heiner: Taugen CFOs wirklich als CEO?,
     http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/karriere-kann-ein-cfo-auch-als-ceo-glaenzen-
     a-1156481.html) vom 10.7.2017. Jüngst (Anfang Oktober 2018) ist der ehemalige CFO bei der Thys-
     senKrupp AG, Guido Kerkhoff, für fünf Jahre zum CEO bestellt worden. Allerdings musste er ein
     Jahr später bereits wieder seinen Platz räumen.
13
     Der Shareholder Value soll zukünftig nicht mehr die Dominanz in der Zielhierarchie von Unterneh-
     men haben. „US-Manager wie Jamie Dimon wollen nicht länger nur ihren Aktionären, sondern auch
     der Gesellschaft verpflichtet sein. Doch in Deutschland sei das nichts Neues, sagen Firmenlenker.“
     (KORT/KNITTERSCHEIDT/TERPITZ/WEISHAUPT [2019]).
14
     Um den Gemeinwohlaspekt unternehmerischer Aktivitäten positiv zu begleiten wird aktuell sogar
     eine neue Rechtsform, eine GmbH-Variante, unter dem Schlagwort „Verantwortungseigentum“ ge-
     fordert; vgl. das Handelsblatt vom 2.10.2020 (AFHÜPPE [2020]) und generell STIFTUNG VER-
     ANTWORTUNGSEIGENTUM (2020).
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und ein erfolgsabhängiges Entgelt zu generieren. Wollen sie mehr Einfluss auf das Un-
ternehmensgeschehens nehmen, müssen sie mehr Risiken nehmen, die regelmäßig auch
mehr Chancen beinhalten. Sie werden tendenziell zu Unternehmern – und sollten sich
dann über ihr Zahlenwerk Gedanken machen!
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2       Einführung in betriebswirtschaftliche, rechtliche und
        buchhalterische Grundlagen

Das interne Rechnungswesen zählt zum (Betriebswirtschaftlichen) Rechnungswesen ei-
ner Unternehmung.

Das (Betriebswirtschaftliche) Rechnungswesen ist das Informationssystem der Unter-
nehmung.15 In ihm werden – im Pflichtumfang sowie im gewählten Wahlumfang – wirt-
schaftlich relevante Informationen über angefallene oder geplante Geschäftsvorgänge
und -ergebnisse erfasst, gespeichert und entsprechend dem zugrundeliegenden Rech-
nungszweck verarbeitet und an die Informationsadressaten weitergegeben.16

          Teilgebiete         Bilanzrechnung             Kosten- und        Investitions-   Finanzrech-
                                                        Erlösrechnung        rechnung          nung

                           Bilanz        Gewinn- und
Rechnungsmerk-                           Verlustrech-
male                                        nung
                                                         Stückerfolg;       mehrperiodi-
     Rechnungsziel      Periodenerfolg    Periodener-                                        Liquidität
                                                        Periodenerfolg       ger Erfolg
                                              folg
                                           Erträge
Rechnungsgröße            Vermögen                          Erlöse          Einzahlungen Einzahlungen
                                         Aufwendun-
                          Schulden                          Kosten          Auszahlungen Auszahlun-
                                            gen                                              gen

      gesetzliche       Handels- und     Handels- und   grds. keine, aber      keine           keine
      Fixierung          Steuerrecht      Steuerrecht     Ausnahmen

       Adressat             extern          extern           Intern            intern          intern

                                                                            mehrere Zeit-
       Zeitbezug          Zeitpunkt        Zeitraum        Zeitraum                          Zeitraum
                                                                               räume

Abbildung 1: Merkmalsausprägungen des betriebswirtschaftlichen Rechnungswesens17

15
      So auch z.B. SCHIERENBECK/WÖHLE (2016), S. 597; COENENBERG/FISCHER/GÜNTHER
      (2012), S. 7; HOITSCH/LINGNAU (2007), S. 2; KLOOCK/SIEBEN/SCHILDBACH/HOMBURG
      (2005), S. 9; EISELE (2001), S. 450 ff., oder SCHWEITZER/KÜPPER (2011), S. 2.
16
      Siehe auch HUMMEL/MÄNNEL (1986), S. 4, oder BREID (1996), S. 5.
17
      Entnommen aus HABERSTOCK, Philipp (2020), S. 18/19.
Prof. Dr. Volker Breithecker, StB: Internes Rechnungswesen, WS 2020/21                           10

Werfen wir einen Blick auf Abbildung 1 auf der Vorseite: Das Rechnungswesen setzt
sich aus dem externen und dem internen Rechnungswesen zusammen. Die Terminolo-
gien „intern“ und „extern“ zeigen schon die Richtung auf, in die die Informationen aus
den einzelnen Teilbereichen gehen sollen. Wir sehen unterschiedliche Rechnungsziele,
-größen, gesetzliche Fixierungen, Adressaten und Zeitbezüge.

Und wir können jetzt schon festhalten, dass nicht jede Unternehmung alle Bestandteile
des betriebswirtschaftlichen Rechnungswesens benötigt und implementiert und die In-
halte immer dann, wenn keine gesetzliche Notwendigkeit vorgeschrieben ist so ausge-
staltet, dass mit den Ergebnissen der Rechnungen zielorientiert gearbeitet werden kann,
dass diese entscheidungsrelevant sind. Informationen unter Einsatz finanzieller Res-
sourcen zu generieren, die nicht benötigt werden, ist unökonomisch!

       2.1 (Rechtsformabhängige) Externe Rechnungslegung
Die (partiell zwingende) Ausgangs-/Informationsgrundlage bei vielen Unternehmen
stellt das externe Rechnungswesen – i.d.R. „externe Rechnungslegung“ genannt – dar.
Dieses bedient die Stakeholder, die außerhalb der eigentlichen Unternehmensleitung
stehen (Gesellschafter, potentielle Investoren, Fiskus, Sozialversicherungsträger, Ar-
beitnehmer, Gewerkschaften, interessierte Öffentlichkeit usw.). Die Bilanzrechnung ist
Bestandteil der externen Rechnungslegung und hat die Besonderheit, dass hier gesetz-
lich verpflichtende Regelungen – zumindest für alle Kaufleute i.S.v. §§ 1-7 HGB – exis-
tieren (bekanntlich müssen alle Kaufleute in Deutschland nach den Vorschriften des
HGB – hier speziell § 242 Abs. 1: „Der Kaufmann hat zu Beginn seines Handelsgewer-
bes und für den Schluß eines jeden Geschäftsjahres einen das Verhältnis seines Vermö-
gens und seiner Schulden darstellenden Abschluß [Eröffnungsbilanz, Bilanz {V.B.}]
aufzustellen“18 – einen handelsrechtlichen Jahresabschluss aufstellen). Die Kette der
hier zu klärenden Aufgaben lautet:

1. Klärung der Buchführungspflicht.
2. Erfassung sämtlicher Geschäftsvorfälle in der Finanzbuchhaltung.
3. Jahresabschlussbuchungen; Aufstellung von Bilanz, GuV, Anhang sowie u.U. Lage-
   bericht.
4. Interpretation von Bilanz und GuV, z.B. über Kennzahlen.

Bevor wir uns ansehen, wer bilanzierungspflichtig ist und welche Ergebnisse wir nach
Ablauf eines Geschäftsjahres erhalten, stellen wir fest, dass es für alle Betriebswirte eine
wichtige Erkenntnis ist, dass ein wesentlicher Zweck der (handels-)bilanziellen Rech-
nungslegung – neben einer Informationsfunktion – die Zahlungsbemessungsfunktion ist.

18
     Befreit von dieser auf der Buchführungspflicht beruhenden Bilanzierungsverpflichtung sind gem.
     § 241a HGB „Einzelkaufleute, die an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgenden Ge-
     schäftsjahren nicht mehr als jeweils 600.000 Euro Umsatzerlöse und jeweils 60.000 Euro Jahres-
     überschuss aufweisen“. Diese brauchen die §§ 238 bis 241 nicht anzuwenden. Im Fall der Neugrün-
     dung treten die Rechtsfolgen schon ein, wenn die Werte des Satzes 1 am ersten Abschlussstichtag
     nach der Neugründung nicht überschritten werden.“
Prof. Dr. Volker Breithecker, StB: Internes Rechnungswesen, WS 2020/21                                11

Die Eigenkapitalgeber haben zum einen Anspruch auf das handelsrechtliche Jahreser-
gebnis (als Dividende bei Kapitalgesellschaften oder als Entnahmerecht bei Personen-
gesellschaften). Zum anderen leitet der Fiskus aus der Handelsbilanz über eine Steuer-
bilanz seine Ertragsteueransprüche ebenfalls aus der Bilanzrechnung ab.19 Zum anderen
leiten wir aus dieser Kenntnis ab, dass die externe Rechnungslegung dem Grundsatz der
Pagatorik folgt. Dies bedeutet, dass – mit Ausnahmen der Eigen- und der Fremdfinan-
zierung –20 alle Einzahlungen (und im Saldo nur diese!) irgendwann Ertrag und alle
Auszahlungen (und im Saldo nur diese!) irgendwann einmal Aufwand werden. Die ein-
zige Frage, die in der jeweiligen Rechnungslegung beantwortet werden muss, ist wann?

Zu 1.: Klärung der Buchführungspflicht

Die Frage, wer buchführungspflichtig ist, ist primär rechtsformabhängig. Als Rechts-
formen kennen wir (a) Einzelunternehmer, (b) Personengesellschaften und (c) Kapital-
gesellschaften. Da wir festgestellt haben, dass alle Kaufleute i.S.d. HGB buchführungs-
pflichtig sind, müssen wir prüfen, welche der unter (a), (b) und (c) genannten Rechts-
formen die Kaufmannseigenschaft erfüllen. Hierzu schauen wir uns dem Grundsatz
„von einfach nach schwieriger werdend“ zunächst die unter (c) genannten Kapitalge-
sellschaften an.

(c): Kapitalgesellschaften sind sämtlich Handelsgesellschaften i.S.d. HGB21 mit der
     Folge, dass alle für Kaufleute vorgeschriebenen Regeln zu erfüllen sind (vgl. § 6
     Abs. 1 HGB).
(b): Die Kaufmannseigenschaft von Personengesellschaften ist abhängig von der
     Rechtsform, in der die Personengesellschaft geführt wird. Hierbei können wir zwi-
     schen Personenhandelsgesellschaften (OHG und KG) einerseits und Nicht-Perso-
     nenhandelsgesellschaften unterscheiden. Zu letzteren zählen die GbR (auch BGB-

19
     Da finanzielle Mittel, die z.B. an den Fiskus gehen, nicht erneut an die Eigenkapitalgeber in Form
     einer Dividende gelangen können, wird auch deutlich, dass es in der handelsrechtlichen Rechnungs-
     legung keine „nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben“ geben kann. Ein Euro kann nur einmal ausge-
     geben werden! „Nicht abzugsfähige Betriebsausgaben“ gibt es somit lediglich im Steuerrecht, weil
     der Steuergesetzgeber selber bestimmen darf, wie sich eine ertragsteuerliche Bemessungsgrundlage
     zusammensetzt. Hier hat er das Recht zu sagen, dass z.B. die Ertragsteuern selbst (also die ESt, die
     KSt, der Solz oder die GewSt) oder andere Betriebsausgaben (wie z.B. Strafgelder aber auch die
     Hälfte der Aufsichtsratsvergütungen) die steuerliche Bemessungsgrundlage gem. § 4 Abs. 5 EStG
     oder § 10 KStG nicht mindern dürfen.
20
     Eigenfinanzierungen werden – ohne konkrete Kontenzuordnungen – gebucht über „Bank an Eigen-
     kapital“. Fremdfinanzierungen werden – ebenso erfolgsneutral – gebucht über „Bank an Verbind-
     lichkeit“ und die Tilgung über „Verbindlichkeit an Bank“. Dies sind folglich die einzigen Zahlungen
     in einer Unternehmung, die erfolgsneutral sind und somit nicht dem oben definierten Grundsatz der
     Pagatorik folgen.
21
     Konkret finden sich die Qualifikationen als Handelsgesellschaft für die GmbH und die UG in § 13
     Abs. 3 GmbHG: „Die Gesellschaft gilt als Handelsgesellschaft im Sinne des Handelsgesetzbuchs“,
     für die AG, SE und REIT in § 3 AktG: „Die Aktiengesellschaft gilt als Handelsgesellschaft, auch
     wenn der Gegenstand des Unternehmens nicht im Betrieb eines Handelsgewerbes besteht“ und für
     die KGaA in § 278 Abs. 2 und 3 AktG (i.V.m. §§ 161, 162 HGB und § 3 AktG): „Das Rechtsver-
     hältnis … bestimmt sich nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs über die Kommanditgesell-
     schaft. … Im Übrigen gelten für die Kommanditgesellschaft auf Aktien, …, die Vorschriften des
     Ersten Buchs über die Aktiengesellschaft sinngemäß.“
Prof. Dr. Volker Breithecker, StB: Internes Rechnungswesen, WS 2020/21                                 12

      Gesellschaft genannt), die Partnerschaftsgesellschaft (PartG) und die Stille Gesell-
      schaft. Personenhandelsgesellschaften sind Handelsgesellschaften, somit Kaufleute
      und buchführungspflichtig.22 Eine Stille Gesellschaft ist zwar auch im HGB
      (§§ 230-236) geregelt – sie gilt jedoch selbst nicht als Handelsgesellschaft, da sie
      eine reine Innengesellschaft ist.23 Die PartG ist ein Zusammenschluss von Freibe-
      ruflern i.S.v. § 1 Abs. 2 PartGG. „Sie übt kein Handelsgewerbe aus“ heißt es in § 1
      Abs. 1 PartGG – und sie ist damit keine Handelsgesellschaft, kein Kaufmann und
      nicht buchführungspflichtig. BGB-Gesellschaften nach §§ 705-740 BGB sind ein
      Zusammenschluss von Personen zur „Erreichung eines gemeinsamen Zweckes“
      (§ 705 Abs. 1 BGB). Sollte dieser Zweck in der Ausübung eines Handelsgewerbes
      bestehen, wären sofort die Vorschriften der §§ 105-160 zur OHG anwendbar. Somit
      ist auch die GbR – solange kein Handelsgewerbe ausgeübt wird – keine Handels-
      gesellschaft.
(a): Bei einem Einzelunternehmer ist die klassische Prüfung durchzuführen, ob diese
     natürliche Person Kaufmann i.S.d. HGB ist. Gemäß § 1 Abs. 1 HGB ist jeder „Kauf-
     mann im Sinne dieses Gesetzbuchs …, wer ein Handelsgewerbe betreibt.“ Nach
     Abs. 2 ist „Handelsgewerbe … jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, daß das Unter-
     nehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Ge-
     schäftsbetrieb nicht erfordert.“ In einer Negativabgrenzung sind keine Kaufleute
     solche Unternehmer, die freiberuflich tätig sind, einen land- und forstwirtschaftli-
     chen Betrieb oder Vermögensverwaltung betreiben.

Zu 2. Erfassung sämtlicher Geschäftsvorfälle in der Finanzbuchhaltung

Wird die Kaufmannseigenschaft in einem Unternehmen, das gegründet werden soll oder
mit dem Kontakt als Lieferant, Kunde, Investor oder Arbeitnehmer aufgenommen wird,
bejaht, dann wird in diesem Unternehmen gem. § 238 HGB eine „doppelte Buchfüh-
rung“24 erstellt – also sämtliche Geschäftsvorfälle werden zeitnah auf Bestands- (= Bi-
lanz-) und Bewegungskonten (= GuV-Konten) erfasst. Zu Beginn der kaufmännischen
Tätigkeit und zum Ende eines jeden Geschäftsjahres hat der Kaufmann eine Bilanz
(§ 242 Abs. 1 HGB) und eine Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) gem. § 242. Abs. 2
HGB aufzustellen. Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung sind zu beachten.

Fehlt die Kaufmannseigenschaft hat der Unternehmer seinen Gewinn jährlich mittels
einer Einnahmen-Überschussrechnung (Betriebseinnahmen abzgl. Betriebsausgaben)

22
     Die anzuwendenden Rechtsvorschriften sind § 105 Abs. 1 HGB (für die OHG): „Eine Gesellschaft,
     deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist,
     ist eine offene Handelsgesellschaft, wenn bei keinem der Gesellschafter die Haftung gegenüber den
     Gesellschaftsgläubigern beschränkt ist“ bzw. § 161 Abs. 2 HGB (KG): „Soweit nicht in diesem Ab-
     schnitt ein anderes vorgeschrieben ist, finden auf die Kommanditgesellschaft die für die offene Han-
     delsgesellschaft geltenden Vorschriften Anwendung.“
23
     Vgl. § 230 Abs. 1 HGB. Hier wird deutlich, dass die Einlage des Stillen in das Vermögen eines
     Handelsgewerbetreibenden übergeht: „Wer sich als stiller Gesellschafter an dem Handelsgewerbe,
     das ein anderer betreibt, mit einer Vermögenseinlage beteiligt, hat die Einlage so zu leisten, daß sie
     in das Vermögen des Inhabers des Handelsgeschäfts übergeht.“
24
     „Doppik“ – doppelte Buchführung in Konten.
Prof. Dr. Volker Breithecker, StB: Internes Rechnungswesen, WS 2020/21               13

bestimmen. Diese ist sehr liquiditätsnah und wird – für steuerliche Zwecke – konkreter
in § 4 Abs. 3 EStG bestimmt.

Ein Ergebnis eines handelsrechtlichen Jahresabschlusses sehen wir auf den folgenden
Seiten. Dieses wollen wir uns näher anschauen und die einzelnen Abschnitte von Bilanz
und GuV interpretieren.

Wer zu jedem Bilanzposten, zu jeder GuV-Position etwas sagen kann, weiß, welche
Informationen in der (zur externen Rechnungslegung zu zählenden) Finanzbuchhaltung
vorhanden sind und damit gleichzeitig, welche Informationen nicht aus der Finanzbuch-
haltung gezogen werden können. Werden letztere Informationen in einem Unternehmen
benötigt, muss darüber nachgedacht werden, wie oft und in welcher Qualität diese In-
formationen gebraucht werden und auf welchem Weg diese (institutionalisiert oder fall-
weise) beschafft werden können.

Wir erkennen, dass es sich auf den Seiten 12-15 um den Jahresabschluss der C. Bech-
stein Pianofortefabrik Aktiengesellschaft zum 31. Dezember 2016 handelt. Wir haben
oben festgehalten, dass alle Aktiengesellschaften Handelsgesellschaften und damit
Kaufleute i.S.d. HGB sind. Folglich ist die AG verpflichtet zur doppelten Buchführung
(= Finanzbuchhaltung) und zur Erstellung des vorliegenden Jahresabschlusses. Zur all-
gemeinen Information der Pianofortefabrik kommen hier noch kurze Ausführungen aus
dem Lagebericht der AG:

„Die Bechstein AG ist der renommierte Hersteller von Pianos und Flügeln in Europa.
Unter seinem Dach wird die Kunst des Klavierbaus der bekannten Marke C. Bechstein
fortgeführt und weiterentwickelt. Dabei fühlt sich Bechstein vor allem der Qualität sei-
ner Instrumente verpflichtet und baut deshalb mit seinem wichtigsten Produktionsstand-
ort in Seifhennersdorf, Manufaktur für die Instrumente C. Bechstein – Meisterstücke –
und Bechstein – Premiumlinie – auf die langjährige Erfahrung des Klavierbaus in
Deutschland. Mit der Tochtergesellschaft C. Bechstein Europe s.r.o., in Hradec Krälove,
Tschechien, Herstellung der Instrumentenlinien W. Hoffmann, hat Bechstein darüber
hinaus einen weiteren europäischen Produktionsstandort, der es durch seine logistisch
günstige Lage zu Seifhennersdorf ermöglicht, erhebliche Synergie- und Kosteneinspa-
rungseffekte zu erzielen, ohne Abstriche beim Qualitätsanspruch zu machen.
Alle durch die Bechstein AG vertriebenen Instrumente, außer den Klavieren und Flügeln
der bechsteineigenen Marke Zimmermann (Herstellung unter der Kontrolle von Bech-
stein in China), kommen aus deutscher bzw. europäischer Produktion.“
Prof. Dr. Volker Breithecker, StB: Internes Rechnungswesen, WS 2020/21      12

                                 C. Bechstein Pianofortefabrik Aktiengesellschaft, Berlin
                         Jahresabschluss zum Geschäftsjahr vom 01.01.2016 bis zum 31.12.2016
                                               Bilanz zum 31. Dezember 2016
AKTIVA
                                                                                                                Vorjahr
                                                                   EUR             EUR             EUR            EUR
A. Anlagevermögen
I. Immaterielle Vermögensgegenstände
1. Entgeltlich erworbene Konzessionen, gewerbliche
    Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte sowie Li-      225.618,74                                      76.233,96
    zenzen an solchen Rechten und Werten
2. Geleistete Anzahlungen                                           0,00     225.618,74                     275.080,00
II. Sachanlagen
1. Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten ein-
                                                            3.686.671,72                                   3.997.751,73
    schließlich der Bauten auf fremden Grundstücken
2. Technische Anlagen und Maschinen                           922.832,25                                   1.021.227,56
3. Andere Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung         567.920,77                                     932.061,65
4. Geleistete Anzahlungen und Anlagen im Bau                  687.568,86   5.864.993,60                       64.206,13
III. Finanzanlagen
1. Anteile an verbundenen Unternehmen                       2.345.607,84                                   2.252.233,84
2. Beteiligungen                                               20.020,00   2.365.627,84    8.456.240,18       20.020,00
Prof. Dr. Volker Breithecker, StB: Internes Rechnungswesen, WS 2020/21      13

                                                                                                               Vorjahr
                                                                  EUR             EUR             EUR            EUR
B. Umlaufvermögen
I. Vorräte
1. Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe                         1.857.623,71                                   1.508.985,10
2. Unfertige Leistungen                                    2.040.471,90                                   2.710.149,53
3. Fertige Erzeugnisse und Waren                           1.696.555,53    5.594.651,14                   4.941.291,91
II. Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände
1. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen              2.711.602,80                                   2.606.485,77
2. Forderungen gegen verbundene Unternehmen               10.872.220,74                                   9.913.959,05
3. Sonstige Vermögensgegenstände                           5.405.645,39 18.989.468,93                        80.272,21
III. Kassenbestand, Bundesbankguthaben, Guthaben bei
                                                                           1.564.732,63 26.148.852,70     3.020.433,28
     Kreditinstituten und Schecks
C. Rechnungsabgrenzungsposten                                                                  5.834,29     14.334,00
D. Aktive latente Steuern                                                                     75.761,00     87.680,00
                                                                                          34.686.688,17 33.522.405,72
PASSIVA
                                                                                                               Vorjahr
                                                                                  EUR             EUR            EUR
A. Eigenkapital
I. Gezeichnetes Kapital                                                    8.037.633,00                   8.037.633,00
II. Kapitalrücklage                                                        7.717.193,11                   7.717.193,11
III. Gewinnrücklagen
Andere Gewinnrücklagen                                                    14.720.730,18                  13.507.282,16
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                                                                     EUR            EUR           EUR               EUR
IV. Jahresüberschuss                                                        1.673.650,99 32.149.207,28      1.213.448,02
B. Rückstellungen
1. Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtun-
                                                                              289.882,80                     307.374,51
   gen
2. Steuerrückstellungen                                                             0,00                      32.216,31
3. Sonstige Rückstellungen                                                    918.366,98    1.208.249,78     884.055,85
C. Verbindlichkeiten
1. Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten                                     0,00                    800.000,00
2. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen                           383.933,72                    363.438,77
3. Sonstige Verbindlichkeiten                                                 945.297,39    1.329.231,11    659.763,99
                                                                                           34.686.688,17 33.522.405,72

                    Gewinn- und Verlustrechnung für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2016

                                                                                                               Vorjahr
                                                                                    EUR            EUR            EUR
1. Umsatzerlöse                                                                            27.227.126,49 22.184.494,87
2. Verminderung / Erhöhung des Bestands an fertigen und unfertigen Er-
                                                                                           -2.871.540,40     618.989,52
   zeugnissen
3. Gesamtleistung                                                                          24.355.586,09   22.803.484,39
4. Sonstige betriebliche Erträge                                                              974.291,18      392.487,64
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                                                                                                                Vorjahr
                                                                                   EUR             EUR            EUR
5. Materialaufwand
a) Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und für bezogene Wa-              -                               -
   ren                                                                     8.499.770,87                    7.835.756,24
                                                                                                      -
b) Aufwendungen für bezogene Leistungen                                      850.126,90                    - 842.184,62
                                                                                           9.349.897,77
6. Personalaufwand
                                                                                      -                               -
a) Löhne und Gehälter
                                                                           6.979.066,24                    6.796.794,23
b) Soziale Abgaben und Aufwendungen für Altersversorgung und für Unter-               -               -               -
   stützung                                                                1.183.700,45    8.162.766,69    1.213.949,94
7. Abschreibungen auf immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagever-
                                                                                           - 939.550,51    - 981.766,82
   mögens und Sachanlagen
                                                                                                       -               -
8. Sonstige betriebliche Aufwendungen
                                                                                           4.925.997,47    3.800.472,49
9. Erträge aus Beteiligungen                                                                   20.730,82          600,60
10. Sonstige Zinsen und ähnliche Erträge                                                       94.938,94       78.004,30
11. Zinsen und ähnliche Aufwendungen                                                         - 49.699,10     - 99.602,45
12. Steuern vom Einkommen und vom Ertrag                                                   - 325.927,29    - 470.228,76
13. Ergebnis nach Steuern                                                                  1.691.708,20    1.233.821,38
14. Sonstige Steuern                                                                         - 18.057,21     - 20.373,36
15. Jahresüberschuss                                                                       1.673.650,99    1.213.448,02
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In Anhang (zum Jahresabschluss) finden wir bezüglich der Vorräte folgende Beschrei-
bung:

„Die unfertigen und fertigen Erzeugnisse sind auf der Basis von Einzelkalkulationen auf
Basis der aktuellen Betriebsabrechnung zu Herstellungskosten bewertet. Hierbei werden
neben den direkt zurechenbaren Materialeinzelkosten und Fertigungslöhnen auch ange-
messene Teile der notwendigen Fertigungs- und Materialgemeinkosten sowie der durch
die Fertigung veranlasste Werteverzehr des Anlagevermögens berücksichtigt.“

Gehen wir weiter ins HGB, um die Regelungen zur Bilanzierung und Bewertung von
selbsterstellten Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens zu finden. Hier schreibt
§ 253 Abs. 1 HGB vor, dass „Vermögensgegenstände ... höchstens mit den Anschaf-
fungs- oder Herstellungskosten, vermindert um Abschreibungen … anzusetzen“ sind.

Die Herstellungskosten (als der Bewertungsmaßstab für selbst erstellte Vermögensge-
genstände25) sind dabei in § 255 Abs. 2 HGB wie folgt definiert:

„Herstellungskosten sind die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und
die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstands,
seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende we-
sentliche Verbesserung entstehen. Dazu gehören die Materialkosten, die Fertigungskos-
ten und die Sonderkosten der Fertigung sowie angemessene Teile der Materialgemein-
kosten, der Fertigungsgemeinkosten und des Werteverzehrs des Anlagevermögens, so-
weit dieser durch die Fertigung veranlasst ist. Bei der Berechnung der Herstellungskos-
ten dürfen angemessene Teile der Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie angemes-
sene Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leis-
tungen und für die betriebliche Altersversorgung einbezogen werden, soweit diese auf
den Zeitraum der Herstellung entfallen. Forschungs- und Vertriebskosten dürfen nicht
einbezogen werden.“

Es stellt sich nun die Frage, wie die einzelnen Bestandteile der Herstellungskosten in
der Finanzbuchhaltung – denn die ist bislang unsere einzige Informationsplattform (bei
unserer AG) – festgehalten wurden? Hier müssen wir rekapitulieren, dass in der Finanz-
buchhaltung die einzelnen Geschäftsvorfälle festgehalten werden, die regelmäßig zu
Geldabflüssen führen. Die Gehälter an die Mitarbeiter z.B. werden monatlich gezahlt

25
     Im Anlage- oder Umlaufvermögen dürfen nur (und müssen) Vermögensgegenstände aktiviert wer-
     den. Ein Vermögensgegenstand kann mit folgenden Merkmalen charakterisiert werden: (1) Selbstän-
     dige Verkehrsfähigkeit (= konkrete oder abstrakte Einzelveräußerbarkeit; entgeltlicher Erwerb von
     Dritten; Einzelverwertbarkeit; Einzelbeschaffbarkeit); (2) Sicherer zukünftiger wirtschaftlicher Wert
     (= wirtschaftlich nutzbares Potenzial); (3) Selbständige Bewertbarkeit (~ Einzelbewertbarkeit). Liegt
     ein Vermögensgegenstand vor, erfolgt die Sollbuchung auf einem (bilanziellen) Bestandskonto – und
     wird (bei der Habenbuchung gegen die Bank) erfolgsneutral bleiben. Wird ein Vermögensgegen-
     stand verneint, erfolgt die Sollbuchung in der GuV und ist damit aufwandswirksam = sofort gewinn-
     mindernd!
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und als Aufwand erfasst. Angesichts umfangreicher Immobilien (siehe oben im Sach-
anlagevermögen unter II.1) wird kaum Mietaufwand anfallen.26 Allerdings sind die Ma-
terialien für die zu fertigenden Klaviere und E-Pianos anzuschaffen und werden in den
Instrumenten verbaut (Verbrauch im Jahr 2016: ca. 8,5 Mio. €; Bestand zum 31.12.2016:
ca. 1,85 Mio. €). Wie die Anschaffung und der Verbrauch der Materialen gebucht wer-
den, ist abhängig von einer vorhandenen oder nicht vorhandenen Lagerbuchführung.
Maschinen werden genutzt – hier fallen Betriebskosten ebenso an wie die Maschinen-
abnutzung, die über Abschreibungen erfasst wird.

Die Finanzbuchhaltung wird somit kaum in der Lage sein, die Herstellungskosten für
jedes einzelne fertige und unfertige Erzeugnis zu bestimmen. Wir kennen zwar die Auf-
wendungen der gesamten C. Bechstein Pianofortefabrik AG im Jahre 2016 (vielleicht
auch für einzelne Monate des Jahres) – nicht jedoch die für ein einzelnes Musikinstru-
ment angefallenen Herstellungskosten. Hier bedarf es erster kostenrechnerischer An-
sätze, die Aufwendungen/Kosten kostenträgerbezogen/instrumentbezogen zu quantifi-
zieren versuchen. Dazu versucht man z.B. den internen und externen Personaleinsatz
bestimmten Produktionsschritten zuzuordnen, festzuhalten, welches Instrument an wel-
chen Maschinen zu welchen Zeiten gebaut und welches Material vom Lager entnommen
und in die Produktion eines bestimmen Auftrags gegeben wurden, um dann die in der
Herstellungskostendefinition genannten Material(einzel)-, Fertigungs(einzel)- sowie die
zugehörigen -gemeinkosten sowie die anderen Kostenartenkomponenten zu erfassen.

Die Frage, die sich der Unternehmer für diesen Zweck stellen muss, ist die nach der
notwendigen Qualität einer solchen Kostenrechnung, um den bilanziellen Dokumenta-
tionszwecken nachzukommen. Wir wollen die Aufgabe, den Herstellungskosten nach
§ 255 Abs. 2 HGB Genüge zu tun, nicht kleinreden (hier können nennenswerte Beträge
aktiviert sein! – im obigen Jahresabschluss sind dies über 3,7 Mio. €), dennoch sind die
betriebswirtschaftlichen Konsequenzen von „falschen“ Herstellungskosten i.d.R. ver-
gleichsweise „gering“. Drei Dinge sollten wir als Betriebswirte hierzu wissen:

 Alle Regularien zu einer externen Rechnungslegung (und hier geht es um die Be-
  wertung fertiger und unfertiger Erzeugnisse in der Handelsbilanz) fußen auf dem
  bereits oben erläuterten Grundsatz der Pagatorik. In den Herstellungskosten werden
  (in § 255 Abs. 2 HGB definierte) Auszahlungen der Periode aktiviert und damit – in
  dieser Periode – erfolgsneutral behandelt.
 Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens sind solche, die nur kurzfristig im
  Vermögen der Unternehmung verbleiben, also möglichst schnell veräußert werden
  sollen. Bei der Veräußerung der Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens wird
  der (in der Vorperiode erfolgsneutral erfasste Auszahlungen =) Buchwert des Um-
  laufvermögens ausgebucht, also aufwandswirksam erfasst. Folglich geht es bei der
  Frage der Aktivierung von Herstellungskosten um die Frage, ob bestimmte Auszah-
  lungen im Wirtschaftsjahr der Auszahlung Aufwand werden, oder im Folgejahr. Ent-
  weder man trifft das „richtige“ Jahr oder man trifft mit einem Zeitversatz von einem
  Jahr das „falsche“ Jahr.

26
     Stattdessen verursachen die eigenen Immobilien u.a. Abschreibungen, Zinsaufwand bei Fremdfinan-
     zierung, Reparaturaufwendungen, Versicherungsaufwand und Grundsteuern.
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