Kinderheilkunde Monatsschrift

 
WEITER LESEN
Monatsschrift
       Kinderheilkunde
      Leitthema

     Monatsschr Kinderheilkd 2021 · 169:30–38     M. Stanulla1 · F. Erdmann2 · C. P. Kratz1
     https://doi.org/10.1007/s00112-020-01083-8   1
                                                      Pädiatrische Hämatologie und Onkologie, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
     Angenommen: 23. November 2020                2
                                                      Deutsches Kinderkrebsregister, Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik
     Online publiziert: 16. Dezember 2020
                                                      (IMBEI), Universitätsmedizin, Johannes Gutenberg-Universität, Mainz, Deutschland
     © Der/die Autor(en) 2020

     Redaktion
     G. Hansen, Hannover
                                                  Risikofaktoren für
                                                  Krebserkrankungen im Kindes-
                                                  und Jugendalter

     Während seit den 1970er-Jahren               licher zwischen der Geburt und dem                    Kindes- und Jugendalter erhöht [3–5].
     enorme Fortschritte bezüglich des            18. Lebensjahr an Krebs erkrankt, be-                 In der letzten Dekade wurden zudem
     Verständnisses der Biologie von Tu-          trägt etwa 1:330. Häufigste Diagnosen                  wiederholt auch moderater ausgeprägte
     morzellen und der Behandelbarkeit            sind Leukämien (ca. 30 %), Tumoren des                Zusammenhänge zwischen verhältnis-
     von Krebserkrankungen im Kin-                Zentralnervensystems (ZNS; ca. 24 %),                 mäßig geringen Strahlendosen in der
     des- und Jugendalter erzielt werden          Lymphome (ca. 15 %), Weichteilsarko-                  radiologischen Medizin (CT-Untersu-
     konnten, hat die Suche nach ihren            me und periphere Nervenzelltumoren (je                chungen) und Krebserkrankungen, v. a.
     Ursachen im selben Zeitraum wenig            ca. 6 %), Knochen-, Nieren- (je ca. 5 %)              Hirntumoren, im Kindes- und Jugend-
     klare Erkenntnisse zutage geför-             und Keimzelltumoren (ca. 4 %). Dank                   alter aufgezeigt [6, 7].
     dert – für die meisten Krebsarten bei        der Weiterentwicklung effizienter Diag-
     Kindern und Jugendlichen bleiben             nostik und Therapieansätze im Rahmen                  Vorausgegangene Chemotherapie
     die Auslöser und Risikofaktoren wei-         kooperativer, multizentrischer klinischer
     testgehend unbekannt. Eine aktuelle          Studien der Gesellschaft für Pädiatrische             Ein weiterer akzeptierter exogener Risi-
     Ausnahme stellt die Identifizierung           Onkologie und Hämatologie (GPOH)                      kofaktor für eine Krebserkrankung im
     von konstitutionellen Chromoso-              überleben heutzutage mehr als 85 %                    Kindes- und Jugendalter ist eine vorhe-
     menanomalien sowie pathogenen                der Patienten ihre Krebserkrankung [1,                rige Chemotherapie mit genotoxischen
     Keimbahnvarianten und Polymor-               2]. Den Eltern, Familien und Patienten                Substanzen, insbesondere die Exposition
     phismen meist in oder in der Nähe            kann die Frage nach den Ursachen der                  gegenüber Alkylanzien und Topoisome-
     von Krebsveranlagungsgenen dar,              Krebserkrankung in den allermeisten                   rase-II-Hemmern, die zu myelodyplas-
     die bei Kindern und Jugendlichen zu          Fällen noch immer nicht beantwortet                   tischen Syndromen und akuten myeloi-
     einem erhöhten Krebsrisiko führen.           werden. Es wird in der Pathogenese der                schen Leukämien führen kann [5, 8].
                                                  Krebserkrankungen bei Kindern und
     Hintergrund                                  Jugendlichen von einem Zusammen-                      Weitere Faktoren
                                                  spiel endogener und exogener Faktoren
     Bei einer zugrunde liegenden durch-          auf verschiedenen Ebenen ausgegangen                  Für viele andere exogene Risikofaktoren
     schnittlichen Bevölkerung von etwa           (. Abb. 1). In diesem Beitrag wird der                wie beispielsweise Luftverschmutzung,
     13,3 Mio. Kindern und Jugendlichen im        aktuelle wissenschaftliche Kenntnisstand              Pestizide, Lösungsmittel oder andere
     Alter unter 18 Jahren im Zeitraum von        hierzu zusammengefasst. Weiterhin wird                Chemikalien gibt es zwar vereinzel-
     2009 bis 2018 in Deutschland wurden          darlegt, wie stetig wachsendes Wissen in              te Hinweise auf Zusammenhänge mit
     dem Deutschen Kinderkrebsregister in         diesem Bereich zukünftige Präventions-,               entsprechender Exposition und Krebser-
     Mainz in den letzten Jahren ca. 2200         Diagnose- und Therapiestrategien be-                  krankungen im Kindes- und Jugendalter.
     inzidente Krebserkrankungen jährlich         einflussen könnte.                                     Die vermittelten Effektgrößen sind je-
     für diese Altersgruppe gemeldet [1].                                                               doch häufig eher schwach und/oder
     Krebs im Kindes- und Jugendalter ist         Exogene Risikofaktoren
     somit selten – die altersstandardisier-
     te Inzidenz beträgt ca. 170/1.000.000        Ionisierende Strahlung                                 Infobox Mehr Informationen
     und Jahr, was ungefähr einem von 6000                                                               zum Thema
     Kindern und Jugendlichen unter 18 Jah-       Es ist seit Jahrzehnten bekannt, dass
     ren entspricht [1]. Das Risiko, dass ein     ionisierende Strahlung in hoher Dosis                  4 https://www.kinderkrebsregister.de/
     einzelnes Kind bzw. einzelner Jugend-        das Risiko für Krebserkrankungen im                    4 http://www.krebs-praedisposition.de/

30    Monatsschrift Kinderheilkunde 1 · 2021
mehreren unabhängigen Studien kön-
     Endogene Faktoren                                                                             nen die Bedeutung eines Risikofaktors
                                                                                                   unterstützen. Für diagnostische Enti-
                                                                                                   täten, in denen mehrere unabhängige
                                                Exogene Faktoren                                   Studien zu bestimmten Risikofaktoren
                                                                                                   durchgeführt wurden, kann die Zu-
                        präkonzeptionell           Schwangerschaft postnatal                       sammenführung der Daten in einer
                                                                                                   Metaanalyse für die Risikoabschätzung
                        paternal / maternal          - transplazentar          - direkte
                                                                                                   hilfreich sein. Solche Untersuchungen
                                                     - nicht plazentar           Exposition
                                                       vermittelt                                  wurden insbesondere bei der akuten
                                                                                                   lymphoblastischen Leukämie (ALL), der
                                                                                                   häufigsten Krebserkrankung bei Kin-
              Keimbahn                                                Somatische                   dern und Jugendlichen, durchgeführt
                                                                      Aberrationen                 und beschreiben z. B. Risikoerhöhun-
     Prädisposition         Mutation
                                                                                                   gen mit häuslicher oder mütterlicher
                                                                                                   Pestizidexposition oder Risikoerniedri-
                       Krebserkrankung im Kindes- und Jugendalter                                  gungen durch Stillen oder den Besuch
                                                                                                   von Betreuungseinrichtungen für Kinder
                                                                                                   [10–14]. Es bleibt bei der Beurteilung
Abb. 1 8 Multiple Faktoren interagieren auf verschiedenen Ebenen in der Pathogenese von Krebser-   der Metaanalysen zu bedenken, dass das
krankungen im Kindes- und Jugendalter. (Adaptiert nach Anderson et al. [30])                       Problem einer exakten Erfassung der der
                                                                                                   Erkrankung vorausgehenden Exposition
konnten vielfach nicht unabhängig und             bei der Interpretation von Ergebnissen           durch die Zusammenführung mehrerer
einheitlich in weiteren Studien bestätigt         berücksichtigt werden muss.                      retrospektiver Studien nicht adressiert
werden [9–11]. Aufgrund der inkonsis-                                                              wird.
tenten Evidenz gelten diese Risikofakto-
ren daher nicht als vollends akzeptiert.          »der Aktuell können
Zusammenfassung · Abstract

     bekommen Kinder, die mindestens ein             Monatsschr Kinderheilkd 2021 · 169:30–38      https://doi.org/10.1007/s00112-020-01083-8
     halbes Jahr gestillt wurden, mit gerin-         © Der/die Autor(en) 2020
     gerer Wahrscheinlichkeit eine ALL [11,
     13]. Aus den epidemiologischen Stu-             M. Stanulla · F. Erdmann · C. P. Kratz
     dien der vergangenen Jahrzehnte sind            Risikofaktoren für Krebserkrankungen im Kindes- und
     letztlich zwei prominente Hypothesen            Jugendalter
     hervorgegangen: 1) Kinlens Hypothese
     besagt, dass Leukämie im Kindesalter            Zusammenfassung
     durch eine oder mehrere Virusinfektio-          Die Ursachen von Krebs im Kindes- und              anten, die Krebsprädispositionsyndrome
                                                     Jugendalter sind weitestgehend unbekannt.          verursachen, mit einem erhöhten Risiko für
     nen verursacht wird, deren Übertragung          Beispiele für konsistent beobachtete               die Entwicklung von Krebs im Kindes- und
     durch Bevölkerungsmischung gefördert            Risikofaktoren, die in umfangreichen epide-        Jugendalter verbunden sind. Dieser Beitrag
     wird, da in einer solchen Konstella-            miologischen Untersuchungen identifiziert           fasst das aktuelle Wissen über die exogenen
     tion infizierte und anfällige Personen           wurden, sind Strahlenexposition, Chemothe-         und endogenen Ursachen von Krebser-
     einen erhöhten Kontaktgrad hätten [16].         rapie, niedriges und hohes Geburtsgewicht,         krankungen in den frühen Lebensjahren
                                                     höheres Alter der Mutter, Geschlecht und           zusammen und gibt einen Ausblick darauf,
     2) Greaves dagegen postuliert, dass             das Vorhandensein angeborener Anomalien.           wie stetig wachsendes Wissen in diesem
     eine verzögerte Exposition gegenüber            Diese Faktoren erklären jedoch nur einen           Bereich zukünftige präventive, diagnostische
     häufigen Infektionen in sehr frühen Le-          geringen Anteil aller inzidenten Fälle. Die        und therapeutische Strategien beeinflussen
     bensjahren zu einem erhöhten Risiko             derzeit vielversprechendsten Ansätze zur           könnte.
     für die Entwicklung einer Leukämie              Verbesserung des Verständnisses über die
                                                     Ursachen von Krebserkrankungen im Kindes-          Schlüsselwörter
     bei Kindern führt, insbesondere für die         und Jugendalter stammen von genetischen            Exogene Krebsursachen · Forschungsdesign ·
     B-Zell-Vorläufer-ALL zwischen 2 und             Analysen. Abgesehen von den durch ge-              Genetische Krankheitsprädisposition ·
     5 Jahren (Altersgipfel; [17, 18]). Beide        nomweite Assoziationsstudien identifizierten        Somatische Aberration · Genomweite
     Hypothesen stimmen mit der Annahme              Allelen mit geringem Krebsrisiko wurde             Assoziationsstudien
     überein, dass die ALL des Kindes- und           festgestellt, dass seltene Keimbahnvari-
     Jugendalters durch eine abnorme Im-
     munantwort auf Infektionen verursacht
     werden kann. Erhellend im Zusammen-
                                                     Risk factors for cancer in childhood and adolescence
     hang der auf epidemiologischen Daten            Abstract
     basierenden Infektionshypothesen sind           The causes of cancer in childhood and adole-       that cause cancer predisposition syndromes
     aktuelle Studienergebnisse von Kolle-           scence remain largely unknown. Examples of         have been found to be associated with an
     gen aus Düsseldorf und Salamanca. In            consistently observed risk factors identified       increased risk of cancer in childhood and
                                                     in extensive epidemiological studies include       adolescence. This article summarizes the
     aufwendigen Untersuchungen konnten
                                                     exposure to radiation, chemotherapy, low and       current knowledge about the exogenous and
     die Wissenschaftler zeigen, dass Mäuse          high birth weight, high maternal age, gender       endogenous causes of cancer in the early
     mit einer genetischen Prädisposition            and the presence of congenital abnormalities;      years of life and provides an outlook on how
     gegenüber ALL nur dann eine Leukämie            however, these factors explain only a small        ever-increasing knowledge in this area could
     entwickelten, wenn sie nach der Geburt          proportion of all incident cases. The currently    influence future preventive, diagnostic and
                                                     most promising approaches to improve the           therapeutic strategies.
     herkömmlichen Infektionserregern aus-
                                                     understanding of the etiology of cancer in
     gesetzt waren [19]. Im Gegensatz dazu           childhood and adolescence are derived from         Keywords
     blieben genetisch prädisponierte Tie-           genetic analyses. Apart from the low cancer        Exogenous causes of cancer · Research design ·
     re, die in einer keimfreien Umgebung            risk alleles identified through genome-wide         Genetic predisposition to disease · Somatic
     lebten, dauerhaft gesund. Die Studie            association studies, rare germline variants        aberration · Genome-wide association study
     demonstriert eindrücklich das Zusam-
     menspiel zwischen genetischer Prädis-
     position und exogenen Einflüssen. Für
     die Zukunft können sicher weitere Er-         für die Therapiestratifizierung genutzt              schwach ausgeprägte Assoziationen zum
     kenntnisse darüber erwartet werden, wie       wird, auch in epidemiologischen Stu-                Geburtsgewicht auf, die unabhängig
     exogene Risikofaktoren mit endogenen          dien differenzierter einbezogen würde                von möglicherweise verzerrenden Ein-
     Gegebenheiten interagieren. Für mehr          (s. Beitrag von Cario et al. in diesem              flussgrößen sind (z. B. Gestationsalter,
     Klarheit bezüglich der Bedeutung exo-         Heft)                                               Geburtsreihenfolge, Geschwisterzahl,
     gener Risikofaktoren für die Entstehung                                                           Alter der Mutter, [20]). Ein mit steigen-
     von Krebserkrankungen im Kindes- und          Endogene Risikofaktoren                             dem Geburtsgewicht steigendes Erkran-
     Jugendalter ist es notwendig, wie oben                                                            kungsrisiko ist z. B. für ALL, Lymphome,
     bereits angedeutet, dass die molekulare       Geburtsgewicht                                      Neuroblastome, Weichteilsarkome oder
     und biologische Heterogenität der ein-                                                            Keimzelltumoren beobachtet worden –
     zelnen diagnostischen Entitäten, die in       Krebserkrankungen im Kindes- und Ju-                für weitere Entitäten wie ZNS-Tumoren
     der Klinik bereits seit längerer Zeit z. B.   gendalter weisen konsistente, aber eher             oder AML wurden nichtlineare Bezie-

32    Monatsschrift Kinderheilkunde 1 · 2021
Tab. 1 Genetisch determinierte für Krebs im Kindes- und Jugendalter prädisponierende Syn-    hungen aufgezeigt. Auch wenn die in
drome                                                                                        Studien beobachten Risiken nicht mit
Tumorentität           Syndrom                                                               starken Effektgrößen verbunden waren,
Leukämien und Lymphome                                                                       legen sie doch eine Bedeutung der in-
Akute                  Ataxia teleangiectatica, Bloom-Syndrom, konstitutionelles             trauterinen Wachstumsregulation für
lymphoblastische       Mismatch-Repair-Defizienz-Syndrom, ETV6-Defizienz, IKZF1-Defizienz,      die Ätiologie der Krebserkrankungen
Leukämie               Li-Fraumeni-Syndrom, Nijmegen-Breakage-Syndrom,                       im Kindes- und Jugendalter nahe. Auch
                       Noonan-Syndrom, PAX5-Defizienz, Robertson-Translokation,
                                                                                             ein höheres Alter der Mutter findet
                       Ring-Chromosom 21, RUNX1-Defizienz, Trisomie 21 (Down-Syndrom)
                                                                                             mittlerweile Akzeptanz als Risikofaktor
Akute myeloische       ANKRD26-assoziierte Thrombozytopenie, CEBPA-assoziierte familiäre
Leukämie (AML)/        AML, Dyskeratosis congenita, Fanconi-Anämie, GATA2-Defizienz,          [11].
myelodysplastisches    konstitutionelles Mismatch-Repair-Defizienz-Syndrom,
Syndrom                Li-Fraumeni-Syndrom, familiäre Thrombozytenkrankheit mit              Geschlecht
                       Prädisposition zu AML, MIRAGE-Syndrom,
                       Ataxia-Panzytopenie-Syndrom, schwere kongenitale Neutropenie,
                                                                                             Ein weiterer bedeutender Faktor, der
                       Shwachman-Diamond-Syndrom, Trisomie 21 (Down-Syndrom)
                                                                                             konsistent mit dem Risiko einer Krebser-
Juvenile               RASopathien
myelomonozytäre                                                                              krankung im Kindes- und Jugendalter in
Leukämie                                                                                     Zusammenhang gebracht wurde, ist das
Lymphome               „Activated PI3K-delta syndrome“, ADA-Defizienz, Artemis-SCID, Ataxia   Geschlecht. Betrachtet man die Gesamt-
                       teleangiectatica, autoimmun-lymphoproliferatives Syndrom,             heit aller Krebserkrankungen bis zum
                       Knorpel-Haar-Hypoplasie, CD27-Defizienz, CD70-Defizienz,                18. Lebensjahr, findet sich das männ-
                       konstitutionelles Mismatch-Repair-Defizienz-Syndrom,                   liche Geschlecht in jeder Altersgruppe
                       CORO1A-Defizienz, CTPS1-Defizienz, DNA-Ligase IV-Defizienz,
                       IL10-R-Defizienz, ITK-Defizienz, MAGT1-Defizienz,
                                                                                             häufiger betroffen als das weibliche [1].
                       Nijmegen-Breakage-Syndrom, RAG1-Defizienz, RASGRP1-Defizienz,           Das Verhältnis männlich zu weiblich
                       „Schimke immunoosseous dysplasia“, subkutanes pannikulitisartiges     variiert jedoch erheblich je nach Alters-
                       T-Zell-Lymphom, Warzen-Hypogammaglobulinämie-Immundefizienz-           gruppe und spezifischer Tumorentität.
                       Myelokathexis-Syndrom, Wiskott-Aldrich-Syndrom, X-verbundenes         Es reicht z. B. bis annähernd 6,0 beim
                       lymphoproliferatives Syndrom, ZAP70-Defizienz
                                                                                             Burkitt-Lymphom, beträgt für die meis-
Solide Tumoren (ohne Hirntumoren)
                                                                                             ten Entitäten jedoch zwischen 1,0 und
Adrenokortikales       Li-Fraumeni-Syndrom, Beckwith-Wiedemann-Syndrom
                                                                                             1,5. Nur bei einigen wenigen Diagnosen
Karzinom
                                                                                             überwiegt das weibliche Geschlecht (z. B.
Chondrosarkom          Syndrom der multiplen kartilaginären Exostosen, Ollier-Krankheit,
                       Maffucci-Syndrom, Li-Fraumeni-Syndrom                                  Nephroblastom, Leberkarzinome, einige
Desmoidtumoren         APC-assoziierte Polyposis
                                                                                             Untergruppen der Keimzelltumoren).
Gastrointestinale      GIST-Prädispositionssyndrom
Stromatumoren (GIST) Hereditäres Paragangliom-Phäochromozytom-Syndrom,                       Alter
                       Neurofibromatose Typ 1
Gonadoblastom          Frasier-Syndrom, Turner-Syndrom                                       Neben dem Geschlecht ist auch das Alter
Keimzelltumoren        Klinefelter-Syndrom, Schinzel-Giedion-Syndrom, Currarino-Syndrom      mit dem Risiko von Krebserkrankungen
Maligne periphere Ner- Neurofibromatose Typ 1                                                 bei Kindern und Jugendlichen verbun-
venscheidentumoren                                                                           den [1]. Die Gesamtinzidenz ist im Säug-
                                                                                             lingsalter am höchsten (ca. 26/100.000
Maligner Sertoli-Ley-   DICER1-Syndrom                                                       und Jahr), sinkt dann mit fallender
dig-Zell-Tumor des                                                                           Inzidenz der embryonalen Tumoren
Ovars
                                                                                             (Neuro-, Nephro-, Hepato-, Retinoblas-
Myofibromatose           Infantile Myofibromatose
                                                                                             tom) langsam ab, ist im letzten Viertel
Nephroblastom           WT1-assoziierte Syndrome (Denys-Drash-Syndrom,                       der ersten Lebensdekade am niedrigsten,
                        Wilms-Tumor-Aniridia-Syndrom), familiäres Nephroblastom,
                        Beckwith-Wiedemann-Syndrom, DICER1-Syndrom, konstitutionelles        um im Pubertätsalter wieder anzustei-
                        Mismatch-Repair-Defizienz-Syndrom, Fanconi-Anämie,                    gen. Ein kontinuierlicher Anstieg erst
                        Perlman-Syndrom, Simpson-Golabi-Behmel-Syndrom,                      ab Beginn der Pubertät ist eindrucks-
                        Bloom-Syndrom, Bohring-Opitz-Syndrom,                                voll bei Betrachtung der Inzidenzen der
                        Hyperparathyreoidismus-Kiefertumor-Syndrom, Syndrom der              Knochensarkome nachzuvollziehen [1].
                        gemischten Mosaikaneuploidie
                                                                                             Bemerkenswert ist weiterhin der Alters-
Neuroblastom            ALK-Syndrom, Beckwith-Wiedemann-Syndrom, Undine-Syndrom,
                        Costello-Syndrom, Neurofibromatose Typ 1, Noonan-Syndrom,
                                                                                             gipfel der ALL zwischen dem 2. und
                        Li-Fraumeni-Syndrom                                                  5. Lebensjahr, der durch das Auftreten
                                                                                             der B-Zell-Vorläufer-ALL-Untergruppe
                                                                                             mit Positivität für das ETV6-RUNX1-
                                                                                             Fusionsgen bedingt und deutlich ausge-

                                                                                                     Monatsschrift Kinderheilkunde 1 · 2021   33
Leitthema

     Tab. 1 (Fortsetzung)                                                                                   logische Funktionen wie etwa DNA-Re-
     Tumorentität               Syndrom                                                                     paratur, Transkription, Telomerbiologie,
     Osteosarkom                Li-Fraumeni-Syndrom, Retinoblastomprädispositionssyndrom,                   Mitochondrienaktivität und vieles mehr.
                                Rothmund-Thomson-Syndrom, Bloom-Syndrom, Werner-Syndrom,                    Bei wenigen der zu Krebs prädisponie-
                                ATR-X-Syndrom                                                               renden Genen handelt es sich um domi-
     Phäochromozytom/           Hereditäres Paragangliom-Phäochromozytom-Syndrom, Von                       nant vererbte Onkogene, bei denen nur
     Paragangliom               Hippel-Lindau-Syndrom, Neurofibromatose Typ 1, MEN2-Syndrom
                                                                                                            ein Allel betroffen ist (z. B. Keimbahn-
     Pleuropulmonales           DICER1-Syndrom
                                                                                                            varianten in ALK, KIT, PDGFRA, MET,
     Blastom
                                                                                                            RET, HRAS, PTPN11). Die meisten der
     Rhabdomyosarkom            Li-Fraumeni-Syndrom, DICER1-Syndrom,
                                Beckwith-Wiedemann-Syndrom, Nijmegen-Breakage-Syndrom,                      zu Krebs prädisponierenden Gene agie-
                                Syndrom der gemischten Mosaikaneuploidie, Costello-Syndrom,                 renals Tumorsuppressorgene, und es liegt
                                Neurofibromatose Typ 1, Noonan-Syndrom                                       in den Neoplasien meist eine biallelische
     Rhabdoidtumoren            Rhabdoidtumorprädispositionssyndrom, Typen 1 und 2                          Inaktivierung der jeweiligen Gene vor.
     Schilddrüsenkarzinom       MEN2-Syndrom, DICER1-Syndrom, Cowden-Syndrom
     (medullär)
     Hirntumoren                                                                                            »syndromen
                                                                                                                Bei Krebsprädispositions-
                                                                                                                        liegt meist eine
     Atypische teratoide        Rhabdoidtumorprädispositionssyndrom, Typen 1 und 2
     rhabdoide Tumoren                                                                                      biallelische Inaktivierung von
     Choroid-Plexus-            Li-Fraumeni-Syndrom                                                         Tumorsuppressorgenen vor
     Karzinom
     Embryonale Tumo-           DICER1-Syndrom
     ren mit
                                                                                                            Diese Syndrome können entweder do-
     mehrschichtigen
     Rosetten                                                                                               minant, rezessiv oder X-chromosomal
     Höhergradige Gliome        Li-Fraumeni-Syndrom, konstitutionelles                                      vererbt werden. Bei den dominanten
                                Mismatch-Repair-Defizienz-Syndrom,                                           Syndromen wird häufig das verblei-
                                Polymerase-Exonuklease-Defizienz                                             bende Wildtypallel in den Tumoren
     Medulloblastom             Gorlin-Syndrom, GPR161-Defizienz, ELP1-Defizienz,                             somatisch inaktiviert (z. B. bei der Neu-
                                Li-Fraumeni-Syndrom, APC-assoziierte Polyposis, Fanconi-Anämie,             rofibromatose Typ 1). In seltenen Fällen
                                konstitutionelles Mismatch-Repair-Defizienz-Syndrom,                         reicht die Inaktivierung eines Allels zur
                                Polymerase-Exonuklease-Defizienz
                                                                                                            Tumorentwickung aus (sog. Haploinsuf-
     Meningeom                  Neurofibromatose Typ 2, familiäres Meningeom-Syndrom, familiäres
                                Klarzell-Meningeom-Syndrom
                                                                                                            fizienz, z. B. DICER1-Syndrom). Bei den
                                                                                                            rezessiven Syndromen sind beide Allele
     Pilozytisches              Neurofibromatose Typ 1
     Astrozytom                                                                                             in der Keimbahn mutiert (z. B. bei der
     Pineales Blastom          DICER1-Syndrom, Retinoblastomprädispositionssyndrom                          Fanconi-Anämie). Einige Gene agieren
     Retinoblastom             Retinoblastomprädispositionssyndrom                                          sowohl in dominanter als auch rezessiver
     Spinales Ependymom        Neurofibromatose Typ 2
                                                                                                            Art und Weise, wie z. B. BRCA1 (rezes-
                                                                                                            siv: Fanconi-Anämie, dominant: here-
     MIRAGE „myelodysplasia, infection, restriction of growth, adrenal hypoplasia“, SCID „severe combined
     immunodeficiency“                                                                                      ditäre Mamma- und Ovarialkarzinome)
                                                                                                            oder PMS2 (rezessiv: konstitutioneller
                                                                                                            Mismatch-Reparatur-Defekt, dominant:
     prägter in hochentwickelten Ländern zu               Krebsprädispositionssyndrome                      Lynch-Syndrom). Daneben können auch
     beobachten ist [21].                                                                                   konstitutionelle Chromosomenanoma-
                                                          Monogene Krebsprädispositionssyndro-              lien (z. B. Trisomie 21) und epigene-
     Ethnizität                                           me (. Tab. 1) liegen bei etwa 10 % al-            tische Veränderungen (z. B. Beckwith-
                                                          ler Kinder mit Krebserkrankungen vor              Wiedemann-Syndrom) zu einer Tumor-
     Letztlich spielt auch die Ethnizität eine            [23–25]. Das Krebsspektrum und -risi-             prädisposition führen. Eine weitere ge-
     Rolle in der Ausprägung von Krebser-                 ko in verschiedenen Lebensphasen bei              netisch verstandene Erkrankungsgruppe
     krankungen bei Kindern und Jugendli-                 Patienten mit Krebsprädispositionssyn-            mit einem häufig erhöhten Krebsrisiko
     chen. Hier gibt es eindrückliche Beispiele           dromen ist für viele Erkrankungen noch            stellen Syndrome mit Mosaikvarianten
     aus den USA: Dort treten Ewing-Sarko-                unklar. Daher sind Beobachtungsstudi-             in Krebsprädispositionsgenen dar [24].
     me in der afroamerikanischen und asiati-             en, die den Verlauf und die Genotyp-              Die Gewebe, die diese Varianten tragen,
     schen Bevölkerungsgruppe im Vergleich                Phänotyp-Korrelation der diversen Syn-            können sich durch überschießendes
     zu Weißen deutlich seltener auf [22].                drome über einen langen Zeitraum hin-             Wachstum auszeichnen.
                                                          weg untersuchen, von großer Bedeutung.                Wenngleich es natürlich Ausnahmen
                                                          Gegenüber Krebs prädisponierende Va-              gibt, weisen viele Patienten mit klassi-
                                                          rianten im Erbgut stören vielfältige bio-         schenKrebsprädispositionerkrankungen

34    Monatsschrift Kinderheilkunde 1 · 2021
Tab. 2 Chromosomale Lokalisation häu-         dig-Zell-Tumor); f) ungewöhnlich starke      ger Anteil der existierenden Risikoallele
figer genetischer Varianten, die mit dem       Therapietoxizität im Rahmen der Stan-        bekannt. Um mit ausreichender statisti-
Krebsrisiko im Kindes- und Jugendalter im     dardbehandlung einer Krebserkrankung.        scher Aussagekraft weiter voranzuschrei-
Rahmen von genomweiten Assoziationsstu-
                                              Kongenitale Anomalien wurden auch in         ten, sind zukünftig größere Studien so-
dien beschrieben wurden
                                              epidemiologischenStudienverlässlichals       wie Metaanalysen unter Einbezug meh-
Chromo-           Assozi- Erkrankung-
somale Loka- iertes          sentität         Risikofaktor für eine Krebserkrankung        rerer internationaler Kohorten erforder-
lisation          Gen                         im Kindes- und Jugendalter identifiziert      lich. Über GWAS identifizierte Risiko-
1q23.3            DUSP12 Neuroblastom         [12, 24].                                    allele finden sich in den verschiedenen
1q36.22           –          Ewing-Sarkom                                                  ethnischen Gruppen teilweise mit unter-
2p24              –          Nephroblastom    Zusammenwirken multipler                     schiedlicher Häufigkeit. So wurde z. B.
2p25.2            –          Osteosarkom      Risikoallele                                 das mit der ALL verbundene niedrig-pe-
2q22.3            –          ALL
                                                                                           netrante häufige Risikoallel des ARID5B-
                                              Wenngleich vererbte Krebsrisikoallele ei-    Gens bei 47 % der hispanischen Bevölke-
2q35              BARD1      Neuroblastom
                                              ne bedeutende Rolle spielen, liegen den      rungsgruppe aufgefunden, aber nur bei
3q28              TP63       ALL
                                              meisten Krebserkrankungen im Kindes-         33 % der Weißen und 18 % der Afro-
5q11.2            DDX4       Neuroblastom
                                              und Jugendalter keine monogenen Prä-         amerikaner [28]. Ebenso findet sich ei-
5q11.2            IL31RA     Neuroblastom
                                              dispositionen zugrunde. Gewöhnlicher         ne Variante auf dem langen Arm von
6p21.31           GRM4       Osteosarkom
                                              ist das Zusammenwirken multipler häu-        Chromosom 10, die mit der Pathoge-
6p22.3            CASC15 Neuroblastom
                                              figerer und schwächerer Risikoallele in       nese des Ewing-Sarkoms verbunden ist,
6p22.3            NBAT1      Neuroblastom     einer Art polygenem System. Erst seit        im Vergleich zu Asiaten und Afroame-
6p25.1            –          Ewing-Sarkom     etwas mehr als 10 Jahren ist die Wissen-     rikanern deutlich häufiger bei Weißen
6q16.3            HACE1      Neuroblastom     schaft in der Lage, unter vertretbaren       [29]. Diese Beobachtungen liefern so-
6q16.3-q21        LIN28B     Neuroblastom     Kosten im Rahmen von sog. genomwei-          mit einen Erklärungsansatz, warum eini-
7p12.2            IKZF1      ALL              ten Assoziationsstudien (GWAS) häufige        ge Krebserkrankungen bei Kindern und
8q24.21           –          ALL              niedrigpenetrante Risikoallele sicher zu     Jugendlichen in den unterschiedlichen
9p21.3            CDKN2A ALL                  identifizieren [26, 27]. In diesen Unter-     ethnischen Gruppen mit unterschiedli-
10p12.2           PIP4K2A ALL                 suchungen wird die Ausprägung einer          cher Häufigkeit auftreten.
10p12.2           BMI1       ALL              großen Zahl von über das gesamte Erb-
10p14             GATA3      ALL              gut verteilten Einzelnukleotidvarianten      Ausblick
10q21.2           ARID5B ALL                  („single-nucleotide variants“, SNV) zwi-
10q21.3           –          Ewing-Sarkom     schen mehreren Hundert Patienten mit         In den kommenden Jahren werden, ge-
11p11.2           HSD17      Neuroblastom     entsprechend vielen Kontrollpersonen         trieben durch wachsende internationale
                  B12                         verglichen. Aufgrund der multiplen           Kooperationen, gepaart mit ständig leis-
11p15.4           LMO1       Neuroblastom     Testungen werden nur solche SNV als          tungsfähiger und kostengünstiger wer-
11q14             –          Nephroblastom    erkrankungsrelevant angesehen, die ins-      denden Analysetechniken, immer tiefe-
14q11.2           CEBPE      ALL              gesamt die sog. genomweite Signifi-           re Einblicke in die Genetik von Krebser-
15q15.1           –          Ewing-Sarkom     kanzgrenze unterschreiten (p < 5 ● 10–8).    krankungen im Kindes- und Jugendalter
20p11.22          –          Ewing-Sarkom     Bisher wurden GWAS für verschiede-           gewonnen werden. Das Arbeitsfeld gene-
20p11.23          –          Ewing-Sarkom     ne Krebserkrankungen im Kindes- und          tische Prädisposition wird somit weiter in
15q22.31          SMAD6 Langerhans-Zell-      Jugendalter durchgeführt. Mit Abstand        den Vordergrund rücken und erfordert
                             Histiozytose     die meisten davon bei der ALL, aber          zunehmende thematische Auseinander-
ALL akute lymphoblastische Leukämie           z. B. auch für das Neuroblastom, das         setzung. Technische und medizinische
                                              Nephroblastom, das Osteosarkom oder          Fortschritte müssen hierbei immer von
                                              das Ewing-Sarkom (. Tab. 2; [23, 26,         einer Diskussion auf ethischer, kulturel-
typischerweise Merkmale auf, die auch         27]).                                        ler und psychosozialer Ebene begleitet
für den allgemein betreuenden Kinder-             Die in den GWAS identifizierten Ri-       werden, um tragfähige Konzepte für die
arzt bedeutsam sind: a) allgemeine Hin-       sikogene kodieren in aller Regel für Pro-    Herangehensweise im klinischen Alltag
weise auf eine Erberkrankung (z. B. Café-     teine, die ihre Funktion in biologisch       zu entwickeln, die bei den unterschiedli-
au-lait-Flecken, kardiale Vitien); b) fami-   plausiblen Signalwegen besitzen – so bei-    chen möglichweise betroffenen Patienten
liäre Krebshäufung; c) ein ungewöhnlich       spielsweise Regulatoren der Hämatopoe-       und ihren Familien positive Annahme
frühes Auftreten von adulten Krebsarten       se im Fall der ALL. Obwohl jedes einzel-     finden.
(z. B. Karzinome); d) multiple Neoplasien     ne Risikoallel das Krebsrisiko vergleichs-       Nach Diagnose eines Krebsprädis-
in einer Person oder multifokales Auf-        weise gering erhöht, können mehrere Al-      positionssyndroms kann es je nach Art
treten einer Neoplasie; e) ungewöhnli-        lele gemeinsam eine stärkere für Krebs       der Erkrankung und bei einem deutlich
che/seltene histologische Merkmale (z. B.     prädisponierende Wirkung haben. Mo-          erhöhten Krebsrisiko sinnvoll sein, pri-
pleuropulmonales Blastom, Sertoli-Ley-        mentan ist wahrscheinlich nur ein gerin-     märpräventive Maßnahmen und Krebs-

                                                                                                Monatsschrift Kinderheilkunde 1 · 2021   35
Leitthema

     früherkennungsuntersuchungen zu in-              re unterstreichen die Bedeutung                      Open Access. Dieser Artikel wird unter der Creative
                                                                                                           Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz
     itiieren. Bei Vorliegen einer manifesten         hereditärer Komponenten in der                       veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung,
     Krebserkrankung ist zu prüfen, ob die            Entstehung von Krebserkrankungen                     Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jegli-
     Therapie aufgrund der zugrunde liegen-           im Kindes- und Jugendalter.                          chem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die
                                                                                                           ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsge-
     den prädisponierenden Erkrankung mo-           4 Viele Patienten mit Krebsprädispo-                   mäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz
     difiziert werden sollte. Inzwischen gibt          sitionerkrankungen weisen für die                    beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenom-
     es in Einzelfällen sogar spezielle Proto-        Diagnosefindung hilfreiche Merkma-                   men wurden.
     kolle, wie etwa für Leukämiepatienten            le auf: a) allgemeine Hinweise auf                   Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges
     mit Down-Syndrom. Eine weitergehende             eine Erberkrankung (z. B. Café-au-                   Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten
     stärkere Individualisierung der Krebs-           lait-Flecken, kardiale Vitien); b) fa-               Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbil-
                                                                                                           dungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das be-
     therapie abhängig von der zugrunde               miliäre Krebshäufung; c) ein frühes                  treffende Material nicht unter der genannten Creative
     liegenden Krebsprädispositionserkran-            Auftreten von adulten Krebsarten                     Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung
     kung ist für die Zukunft zu erwarten.            (z. B. Karzinome); d) multiple Neo-                  nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für
                                                                                                           die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Ma-
     Bei Übersehen der Grunderkrankung ei-            plasien in einer Person oder deren                   terials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers
     nes Krebsprädispositionssyndroms kann            multifokales Auftreten; e) ungewöhn-                 einzuholen.
     dem Patienten durch Fehltherapie bzw.            liche/seltene Histologien; f) starke
                                                                                                           Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der
     Übertherapie evtl. Schaden zugefügt              Toxizität bei Standardtherapie einer                 Lizenzinformation auf http://creativecommons.org/
     werden.                                          Krebserkrankung.                                     licenses/by/4.0/deed.de.
                                                    4 Nach Diagnose eines Krebsprädispo-

     »rungEinederstärkere Individualisie-
                  Krebstherapie ist für die
                                                      sitionssyndroms kann es bei einem
                                                      deutlich erhöhten Krebsrisiko sinn-                  Literatur
                                                      voll sein, präventive Maßnahmen
     Zukunft zu erwarten                              und Krebsfrüherkennungsuntersu-                       1. Erdmann F, Kaatsch P, Grabow D, Spix C (2020)
                                                                                                               German childhood cancer registry—anual report
                                                      chungen zu initiieren.                                   2019 (1980–2018). Institute of Medical Biosta-
     Es ist zu erwarten, dass Patienten mit eini-   4 Krebsprädispositionsregister be-                         tistics, Epidemiology and Informatics (IMBEI) at
     gen der bekannten Krebsprädispositions-          sitzen das Potenzial, die Qualität                       the University Medical Center of the Johannes
                                                                                                               Gutenberg University, Mainz
     syndrome zeitnah auch von den aktuellen          der Krankenversorgung und das                         2. Creutzig U, Henze G, Bielak S et al (2003)
     Forschungsaktivitäten im Bereich der hä-         langfristige Überleben mit einer                         Krebserkrankungen bei Kindern: Erfolg durch
     matopoetischen Stammzelltransplantati-           Krebserkrankung weiter zu verbes-                        einheitliche Therapiekonzepte seit 25 Jahren.
                                                                                                               Dtsch Arztebl 100:A-842/B-712/C-665
     on, der Immuntherapie, der Gentherapie           sern.                                                 3. PierceDA, Shimizu Y, PrestonDLetal(1996)Studies
     sowie der Entwicklung neuer Medika-                                                                       of the mortality of atomic bomb survivors. Report
     mente profitieren werden. Ferner ist es                                                                    12.1. Cancer: 1950–1990. Radiat Res 146:1–27
                                                    Korrespondenzadresse                                    4. Wakeford R, Little MP (2003) Risk coefficients for
     eine positive Entwicklung, dass Patien-                                                                   childhood cancer after intrauterine irradiation:
     ten mit seltenen Syndromen zunehmend                               Prof. Dr. M. Stanulla                  a review. Int J Radiat Biol 79:293–309
     in speziellen Studien registriert werden.                          Pädiatrische Hämatologie            5. Schmiegelow K, Levinsen MF, Attarbaschi A
                                                                        und Onkologie, Medizinische            et al (2013) Second malignant neoplasms after
     Das Bündeln der Erfahrung, das durch                                                                      treatment of childhood acute lymphoblastic
                                                                        Hochschule Hannover
     solche Aktivitäten gefördert wird, hebt                                                                   leukemia. J Clin Oncol 31:2469–2476
                                                                        Carl-Neuberg Str. 1,                6. Pui CH, Relling MV (2000) Topoisomerase II
     – ganz nach dem Vorbild der Behand-                                30625 Hannover,                        inhibitor-related acute myeloid leukaemia. Br J
     lung der Krebserkrankungen bei Kindern                             Deutschland                            Haematol 109:13–23
     und Jugendlichen seit den 1970er-Jah-                              stanulla.martin@mh-                 7. Pearce MS, Salotti JA, Little MP et al (2012)
     ren – die Qualität der Krankenversor-                              hannover.de                            RadiationexposurefromCTscansinchildhoodand
                                                                                                               subsequent risk of leukaemia and brain tumours:
     gung und die Verbesserung der Überle-                                                                     a retrospective cohort study. Lancet 380:499–505
     benswahrscheinlichkeit.                        Danksagung. Wir bedanken uns bei allen Förde-           8. Meulepas JM, Ronckers CM, Smets AMJB et al
                                                    rern unserer Arbeit, insbesondere beim Verein für          (2019) Radiation exposure from pediatric CT scans
                                                    krebskranke Kinder Hannover e. V., der Madeleine           and subsequent cancer risk in the Netherlands.
     Fazit für die Praxis                           Schickedanz-Kinderkrebsstiftung und der Deutschen          J Natl Cancer Inst 111:256–263
                                                    Kinderkrebsstiftung.                                    9. Johnson KJ, Carozza SE, Chow EJ et al (2009)
     4 Krebsursachen im Kindes- und Ju-                                                                        Parental age and risk of childhood cancer: a pooled
                                                                                                               analysis. Epidemiology 20:475–483
       gendalter sind weitestgehend un-             Einhaltung ethischer Richtlinien                       10. Chen M, Chang CH, Tao L et al (2015) Residential
       bekannt. Akzeptierte Risikofaktoren                                                                     exposure to pesticide during childhood and
       sind Strahlenexposition, Chemo-                                                                         childhood cancers: a meta-analysis. Pediatrics
                                                    Interessenkonflikt. M. Stanulla, F. Erdmann und             136:719–729
       therapie, höheres Geburtsgewicht,            C.P. Kratz geben an, dass kein Interessenkonflikt be-   11. Erdmann F, Ghantous A, Schüz J (2019) Environ-
       höheres Alter der Mutter, Geschlecht         steht.                                                     mental agents and childhood cancer. In: Nriagu J
       und Vorhandensein angeborener                                                                           (Hrsg) Encyclopedia of environmental health, Bd.
                                                    Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine            2. Elsevier, Burlington, MA S 347–359
       Anomalien.                                   Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt.          12. Wigle DT, Turner MC, Krewski D (2009) A systematic
     4 Ergebnisse genetischer Forschung             Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort       review and meta-analysis of childhood leukemia
                                                    angegebenen ethischen Richtlinien.
       insbesondere der letzten 10 Jah-

36    Monatsschrift Kinderheilkunde 1 · 2021
Hier steht eine Anzeige.

K
Fachnachrichten

           and parental occupational pesticide exposure.
           Environ Health Perspect 117:1505–1513
     13.   Martin RM, Gunnell D, Owen CG, Davey Smith G
           (2007) Breastfeeding and childhood cancer:
           a systematic review with meta-analysis. Int J
           Cancer 117:1020–1031                                      PAED TO GO
     14.   Urayama KY, Buffler PA, Gallagher ER et al (2010) A
           meta-analysis of the association between day-care
           attendance and childhood acute lymphoblastic              Online-Kurse, Webinare, zoom-Meetings
           leukaemia. Int J Epidemiol 39:718–732                     sind in die Welt des medizinischen Infor-
     15.   Ward G (1917) The infective theory of acute
                                                                     mationsausstauch eingedrungen. Kleine
           leukaemia. Br J Child Dis 14:10–20
     16.   Kinlen L (1988) Evidence for an infective cause of        tägliche Zusammenkünfte wie auch große
           childhood leukaemia: comparison of a Scottish             jährliche Kongresse brauchten eine „anste-
           newtownwithnuclearreprocessingsitesinBritain.
                                                                     ckungsfreie“ Alternative. Seit dem Frühjahr
           Lancet 332:1323–1327
     17.   Greaves MF (1988) Speculations on the cause               dieses Jahrs ist unser Austausch von Wissen
           of childhood acute lymphoblastic leukemia.                in der digitalen Welt zu Hause.
           Leukemia 2:120–125
     18.   Greaves M (2018) A causal mechanism for
           childhood acute lymphoblastic leukemia. Nat Rev           Aber auch wir haben uns weiterentwickelt.
           Cancer 18:471–484                                         Der Idee, das gesamte medizinische Spek-
     19.   Martín-Lorenzo A, Hauer J, Vicente-Dueñas C et
                                                                     trum in diesem Tool abzubilden sind wir ein
           al (2015) Infection exposure is a causal factor in
           B-cell precursor acute lymphoblastic leukemia as          wenig nähergekommen. Mit der Gründung
           a result of pax5-inherited susceptibility. Cancer         von MEDIZIN TO GO als Dachverband,
           Discov 5:1328–1343
                                                                     etabliert sich ab September eine unserer
     20.   Paltiel O, Tikellis G, Linet M et al (2015) Birthweight
           and childhood cancer: preliminary findings                 jüngsten Fachbereiche Pädiatrie, PAED TO
           from the international childhood cancer cohort            GO. Durch eine komplette Umgestaltung
           consortium (I4C). Paediatr Perinat Epidemiol
                                                                     unserer Internetseite können, über die Re-
           29:335–345
     21.   Hrusak O, Trka J, Zuna J et al (2002) Acute lympho-       gistrierung in einem Fachbereich, Kurse aus
           blastic leukemia incidence during socioeconomic           allen Fachbereichen gebucht und besucht
           transition: selective increase in children from 1 to
                                                                     werden. Die Anerkennung als CME-Punkte
           4 years. Leukemia 16:720–725
     22.   Worch J, Matthay KK, Neuhaus J et al (2010)               für Ärzte über die Ärztekammer Berlin und
           Ethnic and racial differences in patients with Ewing       der Hebammen über die Gesundheitsäm-
           sarcoma. Cancer 116:983–988
                                                                     ter sowie Fortbildungszertifikate für alle
     23.   Plon SE, Lupo PJ (2019) Genetic predisposition to
           childhood cancer in the genomic era. Annu Rev             anderen, besteht natürlich weiterhin.
           Genomics Hum Genet 20:241–263
     24.   Ripperger T, Bielack SS, Borkhardt A et al (2017)
                                                                     Die Kursangebote von PAED TO GO sind
           Childhood cancer predisposition syndromes-A
           concise review and recommendations by the                 ihrem Klinik-Alltag entsprechend nur am
           Cancer Predisposition Working Group of the                Abend. Daneben werden von allen Fachbe-
           Society for Pediatric Oncology and Hematology.
                                                                     reichen intensivierte mehrstündige Kurs-
           Am J Med Genet A 173:1017–1037
     25.   Sylvester DE, Chen Y, Jamieson RV et al (2018)            Angebote für spezielle Themenbereiche
           Investigation of clinically relevant germline             am Wochenende angeboten. Diese sind
           variants detected by next-generation sequencing
                                                                     teilweise so aktuell, dass immer ein Blick
           in patients with childhood cancer: a review of the
           literature. J Med Genet 55:785–793                        auf die Internetseite unter News lohnens-
     26.   Papaemmanuil E, Hosking FJ, Vijayakrishnan J              wert ist.
           et al (2009) Loci on 7p12.2, 10q21.2 and 14q11.2
           are associated with risk of childhood acute
           lymphoblastic leukemia. Nat Genet 41:1006–1010            Wir freuen uns über die erfolgreiche Ver-
     27.   Ellinghaus E, Stanulla M, Richter G et al (2012)          breitung unserer Idee, Fortbildung um-
           Identification of germline susceptibility loci
                                                                     sonst für alle zugänglich, hochqualitativ
           in ETV6-RUNX1-rearranged childhood acute
           lymphoblastic leukemia. Leukemia 26(5):902–909            anbieten zu können. Auf ein Wiederse-
     28.   Xu H, Cheng C, Devidas M et al (2012) ARID5B              hen auf https://paed.medizintogo.de
           genetic polymorphisms contribute to racial
                                                                     oder www.MEDIZINTOGO.de um Ihnen
           disparitiesintheincidenceandtreatmentoutcome
           of childhood acute lymphoblastic leukemia. J Clin         unsere gewachsene Familie noch besser
           Oncol 30:751–757                                          vorzustellen.
     29.   Grünewald T, Bernard V, Gilardi-Hebenstreit P et al
           (2015) Chimeric EWSR1-FLI1 regulates the Ewing
           sarcoma susceptibility gene EGR2 via a GGAA                             Quelle: MEDIZINTOGO.de
           microsatellite. Nat Genet 47:1073–1078
     30.   Anderson LM, Diwan BA, Fear LT et al (2000) Critical
           windows of exposure for children’s health: cancer
           in human epidemiological studies and neoplasms
           in experimental animal models. Environ Health
           Perspect 108(suppl 3):573–594

38    Monatsschrift Kinderheilkunde 1 · 2021
Sie können auch lesen