Kliniken in Krisenzeiten - stark, innovativ, agil und zuverlässig - PRAXISBERICHTE - MEDICA
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PRAXISBERICHTE 2020 Kliniken in Krisenzeiten stark, innovativ, agil und zuverlässig PROJEKTE | POSITIONEN | PERSPEKTIVEN
EDITORIAL Editorial KLINIKEN – DIE LEBENSVERSICHERUNG DER GESELLSCHAFT Was bewegt uns, wenn wir auf die vergangenen haben Behandlungen verschoben und ihre Inten- Monate zurückblicken? Welche Erkenntnisse haben sivplätze zum Teil erheblich aufgestockt. Sie be- wir gewonnen? Wie wird sich unsere Krankenhaus- schafften auf verschiedensten Wegen Schutzaus- landschaft nach den Erfahrungen mit der Bewäl- rüstungen, was oft nicht einfach war. Sie haben tigung der Pandemie künftig weiterentwickeln? ohne finanzielle Absicherung sofort zum Teil sehr Oder fällt die Gesundheitsbranche wieder in alte umfangreiche Testmöglichkeiten für die Bevölke- Rituale zurück? rung geschaffen und so einen umfassenden Sicher- stellungsauftrag erfüllt, den andere Gesundheits- In diesen Praxisberichten zeigen wir Ihnen die un- dienstleister zu Beginn der Krise und teilweise bis terschiedlichsten Facetten der heute nicht erfüllen können. Krisenbewältigung in den Kran- kenhäusern. Sie haben sich Dabei blieb immer die Sorge einmal mehr als Anker unserer bei den kaufmännischen Ge- Gesundheitsversorgung erwie- schäftsführern präsent, wie sen – innovativ, kooperativ und sich das alles wirtschaftlich MEDICA 2020 geht als `virtual.MEDICA´ an den Start zuverlässig. Stärker als je zuvor auf das eigene Haus auswir- - der VKD ist auch dabei! trat die Rolle der Pflege in den ken würde. Der Schutzschirm Vordergrund. Hierzu äußert sich der Bundesregierung war hier Staatssekretär Andreas Wester- eine große Hilfe, auch wenn fellhaus, der Pflegebevollmäch- wir bisher noch immer nicht Die MEDICA 2020 wird als die weltführende Informations- und tigte der Bundesregierung. Und wissen, wie dieses Jahr wirt- Kommunikationsplattform für die Medizintechnik-Branche aus der Universitätsklinik Essen schaftlich für uns ausgehen und den Zuliefererbereich der Medizintechnik-Industrie vom beschreiben zwei Autorinnen wird. Viele hilfreiche Regelun- 16. – 19. November 2020 komplett im virtuellen Format die Bedeutung der Digitali- gen sind inzwischen beendet stattfinden. Im Rahmen der `virtual.MEDICA´ erwartet die Ent- sierung im Pflegebereich, die worden. Künftig müssen Hil- scheider aus allen Bereichen der Gesundheitswirtschaft dann sich auch in der Bewältigung fen individuell ausgehandelt der Pandemie noch einmal werden. Als VKD erwarten wir auf eindrucksvoll gezeigt hat. Wie Dr. Josef Düllings hier aber eine sichere, verste- überhaupt digitale Instrumente tigte Lösung. Nicht zu verges- https://virtual.medica.de Präsident des Verbandes vielfach verstärkt zum Einsatz sen ist zudem, dass schon vor kamen und kommen. der Krankenhausdirektoren Ausbruch der Pandemie viele Deutschlands Krankenhäuser in roten Zah- ein umfangreiches Angebot bestehend aus den drei zentra- len Bereichen: `Conference Area´ (Konferenz- und Forenpro- Die Vorsitzenden unserer Fach- len steckten. Der aktuellen gruppen im VKD schildern die Lage in ihren Be- Krankenhausstudie der Unternehmensberatung gramm), `Exhibition Space´(Aussteller und Produktneuhei- reichen – in den psychiatrischen Krankenhäusern, Roland Berger zufolge rechnen rund 57 Prozent ten) sowie `Networking Plaza´(Netzwerken/ Matchmaking). den Rehabilitationskliniken und den Pflegeeinrich- der Häuser für dieses Jahr mit einem Defizit – tungen – die durchaus unterschiedlich war und ist. im vorigen Jahr waren es „nur“ 32 Prozent. Maß- Der VKD unterstützt die `virtual.MEDICA´ als Programmpart- Es gibt beeindruckende Berichte aus Klinikunter- geblicher Grund ist die fehlende Auslastung in den ner. Wir werden mit einem virtuellen Stand für Sie auf der nehmen aller Größen, aus Netzwerken, die zügig vergangenen Pandemiemonaten. Das abgesenkte MEDICA vertreten sein. Besuchen Sie uns gerne im `Exhibition gebildet wurden, von den gemeinsamen Anstren- Leistungsniveau jetzt wieder zu erreichen, dürfte gungen, die große Herausforderung zu bewältigen. schwierig werden, auch weil die Pandemie noch Space´. Wir freuen uns auf Sie! nicht vorbei ist. Wenn auch nach der politisch gewollten Transfor- Weitere Informationen erhalten Sie zeitnah über mation der Krankenhäuser zur Vorbereitung auf die Die Pandemie hat eindringlich gezeigt, wie wichtig www.vkd-online.de. Pandemie jetzt klar ist, dass nicht alle Krankenhäu- die Flächendeckung unserer stationären Versor- ser gleichermaßen damit konfrontiert waren, viele gungsstruktur ist. Die „Kleinen“ sind systemrelevant, Foto: VKD Corona-Patienten aufzunehmen, so haben sich auch wenn sie nicht immer wirtschaftlich arbeiten doch alle in kürzester Zeit darauf eingestellt. Sie können. Für die Bürger stellen sie einen wichti- medica.de | vkd-online.de | deutscher-krankenhaustag.de 3 VKD-PRAXISBERICHTE 2020 | KLINIKEN IN KRISENZEITEN
EDITORIAL INHALTSVERZEICHNIS gen Teil der Infrastruktur dar. Sie geben ihnen die Sicherheit, gerade in einer schwierigen gesundheit- Die Corona-Pandemie ist noch nicht vorbei, aber die Zukunftsfragen werden bereits gestellt. Da- Inhaltsverzeichnis lichen Situation Hilfe in ihrer Nähe zu finden, vor bei muss immer wieder betont werden, dass wir allem auch dann, und dies zunehmend, wenn der grundsätzlich und vor allem auch im internatio- ambulante vertragsärztliche Bereich sich abmeldet. nalen Vergleich eine sinnvoll gestaltete Kranken- Das haben inzwischen auch viele Politiker erkannt. hauslandschaft haben, die sich in ihrer dezentralen Wenn es nach wie vor Stimmen gibt, die das in Struktur und den unterschiedlichen, sich ergänzen- Frage stellen und auch nach den Erfahrungen der den Größen in der Krise bewährt hat. Das lassen wir vergangenen Monate weiter massive Schließungen uns auch von Gutachtern und interessengeleiteten BEWERTUNGEN UND POSITIONIERUNGEN befürworten, ist das kaum zu verstehen und noch Gutachten nicht ausreden. Krankenhäuser aller Trä- weniger zu verantworten. ger haben gemeinsam ihr Bestes zum Gemeinwohl und zur Daseinsvorsorge geleistet. Corona ist das große Thema – aber darunter schwelen die Brandherde weiter 08 Dass Strukturveränderungen notwendig und auch Das Konjunkturpaket ist angesichts der massiven Probleme, für die wir seit Jahren Lösungen möglich sind, ohne einen Kahlschlag zu provozie- Es ist aber zwingend notwendig, intensiv über die anmahnen, eher eine nötige Feuerwehraktion in der aktuellen Krise ren, hat die Pandemie ebenfalls gezeigt. Vernetzun- Zukunftsfähigkeit der Gesundheitsversorgung ins- Interview mit Dr. Josef Düllings gen von kleinen und größeren Häusern, telemedizi- gesamt nachzudenken und – die Bundestagswahl nische Beratung, die Expertise auch dorthin brachte, im kommenden Jahr im Blick – auch zu tragfähigen Moderne und zukunftsfeste Gesundheitsversorgung durch Aufgabenneuverteilung 14 wo sie in speziellen Fällen nicht vorhanden war – Ergebnissen zu kommen. Es hat sich für uns als VKD Corona hat es nochmals deutlich gezeigt: Wir brauchen interprofessionelles Teamwork das alles wurde zügig umgesetzt – durch Kranken- eindrucksvoll geklärt, dass die Krankenhäuser die auf Augenhöhe häuser, die stark, agil und zuverlässig die Patienten Anker dieser Versorgung sind. Der VKD hat schon Andreas Westerfellhaus in den Mittelpunkt ihres Handelns stellten. im Juli seine Positionen mit Sicht auf die neuen Er- kenntnisse und Erfordernisse weiterentwickelt. Ja, die Krankenhäuser waren und sind die Anker der Gesundheitsversorgung 17 Tatsache ist: Wir haben Großartiges geleistet, das Sie haben das in dieser turbulenten, schwierigen Pandemie-Zeit erneut bewiesen wir uns auch nicht kleinreden lassen. Das Gefühl der Politik und Verbände ebenso wie Krankenkassen Dr. Jens-Uwe Schreck Selbstwirksamkeit, auch bei vielen unserer Mitarbei- sollten sich bemühen, über die notwendigen Ent- terinnen und Mitarbeiter, die hier an einem Strang wicklungen und Entwicklungsschritte zielführend gezogen haben, ist gestärkt worden. Das müssen zu diskutieren, um zu guten Entscheidungen im In- wir uns für die Zukunft bewahren, denn wir stehen teresse der Patienten zu kommen. Verbandslobbyis- vor einem Berg an Aufgaben. Strukturveränderun- mus darf dabei nicht im Mittelpunkt stehen. KLINIKEN IM CORONA-MODUS gen, Digitalisierung, Veränderungen im Finanzie- rungssystem sind unausweichlich. Über allem steht Mein herzlichster Dank gilt an dieser Stelle allen Au- zudem die Aufgabe der Personalgewinnung und torinnen und Autoren, die in ihren Beiträgen ihre Kein Heldenepos – viele Beteiligte haben zur Bewältigung der Krise beigetragen 22 Personalentwicklung, denn ohne qualifizierte und Erfahrungen mit der Bewältigung der Pandemie- Das medizinische Outcome ist gut, die wirtschaftlichen Kerben sind aber tief und nachhaltend engagierte Mitarbeiter in allen Bereichen ist das Herausforderungen mit Ihnen teilen und mit ihren Dr. Matthias Geiser nicht zu leisten. Für uns Führungskräfte bedeutet Erkenntnissen nicht hinter dem Berg halten. Das das auch, noch mehr als bisher auf sie einzugehen, macht auch die diesjährigen Praxisberichte wieder Mobilmachung und Imagewandel 28 noch intensiver zu kommunizieren. Wie wichtig ge- spannend und lesenswert. Corona-Krise aus Sicht der Universitätsmedizin in Aachen rade Letzteres ist, haben viele von uns in der Pande- Die Krise zeigte massiv die Systemrelevanz der Unikliniken für das Gesundheitswesen mie gelernt. Peter Asché, Dr. Mathias Brandstädter Bismarck und Corona in M-V 32 Erfahrungen aus dem Bundesland mit der geringsten Inzidenz Dr. Falko Milski Ihr Kooperativ, unkompliziert und vertrauensvoll 36 Versorgungscluster Corona West-Brandenburg (VCC West) Christian Pellehn Dr. Josef Düllings Testen, testen, testen 39 Mühlenkreiskliniken waren Vorreiter bei der Testung von stationären Patienten Modernes Zentrallabor ermöglicht neben PCR-Nachweis des Virus und Antikörperbestimmung auch das T-Zellen-Monitoring Prof. Dr. Franz-Josef Schmitz, Christian Busse Voller Einsatz für die Patienten in allen Unternehmensbereichen 43 Trotz Corona eine gut belegte Geburtsstation in Eberswalde Andreas Gericke VKD-PRAXISBERICHTE 2020 | KLINIKEN IN KRISENZEITEN 4 5 VKD-PRAXISBERICHTE 2020 | KLINIKEN IN KRISENZEITEN
INHALTSVERZEICHNIS UNTERSCHIEDE UND ÄHNLICHKEITEN Spezielle Herausforderungen für die psychiatrischen Kliniken 46 Die Mitarbeitenden sind in der Pandemiewelle innerlich enger zusammengerückt Bewertungen Interview mit Holger Höhmann Es ist nicht das normale Vor-Corona-Arbeiten 51 In der Pandemie haben wir gesehen, dass auch die Reha-Kliniken systemrelevant sind Interview mit Achim Schäfer Unsere spezielle Situation wurde erst sehr spät erkannt Den Mitarbeitern muss immer bewusst sein, dass sie in einer sensiblen Einrichtung tätig sind Interview mit Franz Hartinger 55 und Positionierungen CORONA UND DER WERT VON DIGITALISIERUNG UND KI Mittler-Funktion der Pflege auch in digitalen Prozessen 60 Die Chancen der Digitalisierung nutzen – für eine innovative und kompetente pflegerische Versorgung Bewährungsprobe Andrea Schmidt-Rumposch, Bernadette Hosters 66 Konjunkturpakete KI – die dritte revolutionäre Umwälzung in der Pathologie Das Forschungsprojekt EMPAIA – Ecosystem for Pathology Diagnostics with AI Assistance Digitale Pathologie als Referenzfall für die künftige bildgebende Medizin Prof. Dr. Peter Hufnagl Aufgabenneuverteilung Teamwork FÜHRUNG UND ORGANISATION Verantwortungszuwachs (Agil) Führen in der Krise 72 Es ging nicht um Agilität oder Hierarchie, sondern darum, beides zu verbinden Paul Bomke Anker der Versorgung Agil dank Corona – was die Krankenhausorganisation 78 aus der Krisenzeit lernen kann Neue Organisations- und Arbeitsformen, die zuvor nicht möglich waren, wurden aktiv gelebt Brigitte Böhm LESSON LEARNED? Lehren aus einem heftigen Stresstest 82 Die Pandemie hat uns allen gezeigt, was künftig besser laufen sollte Angela Krug Impressum 86 VKD-PRAXISBERICHTE 2020 | KLINIKEN IN KRISENZEITEN 6 7 VKD-PRAXISBERICHTE 2020 | KLINIKEN IN KRISENZEITEN
BEWERTUNGEN UND POSITIONIERUNGEN BEWERTUNGEN UND POSITIONIERUNGEN Corona ist das große Thema – mie der Fall. Das Problem ist aber nun durch die Maßnahmen der vergangenen Wochen und Mona- aber darunter schwelen te weiter verschärft worden. Die Unsicherheit dar- über, wie dieses Jahr wirtschaftlich abgeschlossen die Brandherde weiter werden kann, ist groß, Prognosen kann man nicht wagen. Selbst Krankenhäuser, die noch auf gute Jahresabschlüsse 2019 verweisen können, wissen nicht, wie sie aus diesem Jahr herauskommen wer- den. Deshalb fordern wir u.a., die Abschlüsse die- DAS KONJUNKTURPAKET IST ANGESICHTS DER MASSIVEN PROBLEME, ses Jahres in den Budgetverhandlungen nicht zum FÜR DIE WIR SEIT JAHREN LÖSUNGEN ANMAHNEN, EHER EINE NÖTIGE Maßstab für 2021 zu nehmen. Basis muss das Jahr 2019 sein. FEUERWEHRAKTION IN DER AKTUELLEN KRISE Das Virus wird uns weiter begleiten. Das sagen alle Experten und wir sehen es ja aktuell auch. Das be- deutet, es können immer wieder entsprechende Si- tuationen, vielleicht regional abgegrenzt, auftreten. Die Erfahrungen der vergangenen Monate, lich auch die Tatsache, dass wir uns inzwischen gut Wir müssen für ein Wiederaufflammen Betten und die vielen neuen Ideen, die schnell gebildeten mit Schutzmaterialien bevorraten konnten, sind Intensivplätze als Reserve zur Verfügung halten. Netzwerke und Strukturen, auch die aufge- aber sehr wertvoll und werden uns helfen, in einem stockten Kapazitäten sind wertvoll für die Zu- nächsten Ernstfall noch besser zu reagieren. Wir Wie haben die Schutzmaßnahmen der Politik für kunft und für einen eventuell nächsten Ernst- sind in der Lage, die Intensivplätze schnell wieder die Kliniken aus Ihrer Sicht gewirkt? fall. In normalem Fahrwasser sind wir noch hochzufahren. Ob das aus der Erfahrung heraus tat- Unser Gesprächspartner längst nicht, sagt Dr. Josef Düllings im aktuel- sächlich überall notwendig sein muss, werden wir Dr. Josef Düllings: Sie haben ohne Frage vieles ab- Dr. Josef Düllings len Interview der VKD-Praxisberichte. Wie ist dann sehen und entsprechend reagieren. Dass auf gefedert. Doch es gibt in einigen Bundesländern Präsident des Verbandes die Situation der Krankenhäuser heute, nach die Krankenhäuser Verlass ist, haben wir gezeigt. eben auch Fälle, in denen Krankenhäuser zum Bei- der Krankenhausdirektoren Deutschlands, der Hochzeit der Corona-Pandemie? spiel noch Ende Juli auf die zugesagten Mittel für Hauptgeschäftsführer der St. Vincenz- Welche Probleme drücken am meisten? neu geschaffene Intensivplätze warteten. Einige werden diese wohl einklagen müssen. Die Anwür- Krankenhaus GmbH, Paderborn Sehr geehrter Herr Dr. Düllings, seit März dieses Dr. Josef Düllings: Wir haben bekanntlich nach Auf- fe, Krankenhäuser hätten hier manipuliert und Geld „ Jahres waren die Krankenhäuser, Rehakliniken forderung durch die Politik planbare Operationen für nicht geschaffene neue Intensivplätze erhalten, wir haben diese immer für kontraproduktiv gehal- und Pflegeheime in Deutschland im Krisenmo- und Behandlungen ausgesetzt. Das Ziel war, Kapa- haben sich dagegen als haltlos erwiesen. ten – ist klar. Die Sinnhaftigkeit der Wiedereinfüh- dus. Geht es langsam wieder in halbwegs norma- zitäten für die erwarteten Patienten freizuhalten, die rung sehen wir daher nicht. Es existiert inzwischen les Fahrwasser? an Corona erkranken würden. Das haben wir zügig ein deutlich besseres Instrument, das von der DKG Viele, inzwischen wohl die meisten getan. Doch die Patienten, deren Behandlungen zusammen mit der Gewerkschaft Ver.di und dem Kliniken, drücken große wirtschaftliche CORONA Dr. Josef Düllings: Die Pandemie und die sicher verschoben werden mussten, erwarten nun ver- Deutschen Pflegerat entwickelt und dem Bundes- gerechtfertigten harten Einschnitte, die der Lock- ständlicher Weise von uns, schnell aufgenommen Sorgen. Das war schon vor der gesundheitsministerium schon Ende 2019 vorge- down mit sich brachte, trafen auf Krankenhäuser, und versorgt zu werden. Doch das wird nicht auf legt wurde. Bisher gibt es von dort darauf nach mei- die vielfach bereits große wirtschaftliche Schwierig- einmal gehen. Sieht man sich die Zahlen an – die Pandemie der Fall. Das Problem ist ner Kenntnis keine Reaktion. Das befremdet schon. keiten hatten. Das hat ganz aktuell auch wieder das Deutsche Krebsgesellschaft schätzte, dass bis Mitte aber nun durch die Maßnahmen der Krankenhaus-Barometer deutlich gezeigt. Nein – in Juli etwa 50.000 Krebs-OPs, das waren 24 Prozent Mit dem COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz wirklich normalem Fahrwasser sind wir nicht. Damit aller Krebsoperationen, nicht zum geplanten Zeit- vergangenen Wochen und Monate wurde ein Expertenbeirat eingerichtet, der seit Ap- “ ist in diesem Jahr auch nicht zu rechnen. punkt stattfanden – wird schnell klar, dass Prioritä- weiter verschärft worden. ril die finanzielle Lage der Krankenhäuser und die ten gesetzt werden müssen. Eine ganze Reihe von Wirkungen der Maßnahmen begleiten sollte, um Allerdings sind die Herausforderungen von Region Krankenhäusern hat die OP-Zeiten aber deswegen Nachsteuerungen zu ermöglichen. Das ist auch zu Region, von Haus zu Haus, teils sehr unterschied- bereits verlängert. Das ist natürlich auch eine Frage Durchaus positiv aufgenommen wurde von unse- bereits passiert – die Freihaltepauschalen werden lich und verändern sich ja auch immer wieder. Ich der personellen Kapazitäten bei den Ärzten und in ren Mitgliedern, dass die Krankenkassen verpflichtet nicht mehr pauschal, sondern differenziert finan- würde also nicht behaupten, dass die Zeiten leich- der Pflege. wurden, Krankenhausrechnungen zügig zu bezah- ziert. Allerdings aus Sicht des VKD wiederum nicht ter geworden sind. Außerdem sehen wir gerade, len. Wir würden uns wünschen, dass dies so bliebe, differenziert genug, wie etwa unsere Fachgruppe dass die Gefahr einer zweiten Pandemiewelle nä- Gleichzeitig müssen wir trotz des Hochfahrens der denn es zeigte sich ja, dass es geht. Die Prüfpraxis Psychiatrische Einrichtungen in einer entsprechen- herkommt. Behandlungskapazitäten Platz für an COVID-19 er- wurde allerdings nicht verändert. Der MDK prüfte den Stellungnahme mit Blick auf die Kinder- und krankte Menschen weiterhin freihalten. Hygiene- teilweise weiter exzessiv. Das hat gerade die Ärzte Jugendpsychiatrie kritisierte. Die Erfahrungen, die wir in den vergangenen Mo- konzepte gelten natürlich ebenfalls weiter. Diese nach wie vor durch die damit verbundene Bürokra- naten gesammelt haben, die vielen neuen Ideen, Zweigleisigkeit erfordert zudem, viele Prozesse im tie stark – und unnötig – belastet. Angesichts der unterschiedlichen Maßnahmen in die es in den Kliniken gab, die Strukturen, die neu Krankenhaus anzupassen. Und viele, inzwischen Bund und Ländern, der Folgen für die Belegung, Foto: VKD aufgebaut wurden – auch in Kooperation mit an- wohl die meisten Kliniken, drücken große wirt- Dass die Regelung, die Pflegepersonaluntergren- die bis heute anhalten, der unterschiedlichen Be- deren – die Netzwerke, die sich bildeten und natür- schaftliche Sorgen. Das war schon vor der Pande- zen auszusetzen, vom VKD positiv gewertet wurde – lastungen, der Preisschwankungen bei Schutzaus- VKD-PRAXISBERICHTE 2020 | KLINIKEN IN KRISENZEITEN 8 9 VKD-PRAXISBERICHTE 2020 | KLINIKEN IN KRISENZEITEN
COVID-19 BEWERTUNGEN UND POSITIONIERUNGEN rüstungen, ist es aber schwierig, hier jetzt schon ein Resümee zu ziehen. Im Mai wurden Behandlungskapazitäten langsam wieder hochgefahren, aber offenbar wagten sich viele Patienten dann noch immer nicht ins Kran- kenhaus. Hat sich das inzwischen normalisiert? Dr. Josef Düllings: Womit auch viele von uns sicher zu Anfang nicht gerechnet haben, war, dass trotz nicht. Ja, die Patienten erwarten individuell nutz- bare Apps, aber die Basis sind erst einmal überall die elektronischen Patientenakten. Vielleicht ist die Corona-Warn-App aber ein guter Einstieg und eine Übung, damit später die Krankenhäuser Informati- onen über ihre medizinischen und pflegerischen Leistungen, Service-Leistungen und Organisations- abläufe ebenfalls per App an den Patienten bringen können. des Hochfahrens der Behandlungskapazitäten für Wichtig – und das hat die Pandemie ebenfalls ge- den Normalbetrieb viele Patienten aus Angst, sich zeigt – ist die Vernetzung von Hochleistungsklini- anzustecken, noch immer Krankenhäuser gemie- ken mit kleinen Häusern, die in bestimmten Fach- Das Thema Notfallversorgung ist während der Pandemie aus dem Blick geraten. Die Notauf- nahmen waren deutlich weniger frequentiert als üblich. Wasser auf die Mühlen derjenigen, die die Zahl der Notaufnahmen ohnehin reduzieren möchten. Was meint der VKD? Dr. Josef Düllings: Die Pandemie hat definitiv gezeigt, wie wichtig eine flächendeckende Versorgung mit Notfallkapazitäten ist. Wir haben hierzu unsere Po- sitionen immer wieder sehr deutlich gemacht. Sie haben sich in den vergangenen Monaten bestätigt, auch wenn viele Menschen aus Furcht vor Anste- BEWERTUNGEN UND POSITIONIERUNGEN Ende bleiben – hat nicht nur der VKD energisch abgelehnt. Haben die Erfahrungen aus der Pan- demie aus Ihrer Sicht hier zu einem Umdenken geführt? Dr. Josef Düllings: Ich gehe davon aus, dass dies allgemein der Fall ist, wenngleich die Befürworter einer so radikalen Strukturreform sich augenschein- lich nicht überzeugen lassen. Ich denke, dass sich die Bedeutung vor allem auch der kleinen Häuser in der Coronakrise deutlich gezeigt hat. Gerade das Gefühl der Versorgungssicherheit in schwierigen Situationen ist für die Bürger ein Wert an sich. Na- „ den haben. Das waren nicht nur jene, deren Ein- disziplinen nicht auf hohe Expertise zurückgreifen ckung nicht in die Notaufnahmen gekommen sind. türlich – auch in diesen Kliniken blieben viele der griffe durchaus eine können, sie aber auf Was die Patienten mit Bagatellerkrankungen betraf, freigehaltenen Betten leer. Aber wir möchten uns Zeit aufgeschoben diesem Wege für war das definitiv begrüßenswert. Ob das so bleibt? doch nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn die werden konnten. Klar ist: Die Gesundheitsversorgung ihre Patienten nut- Ich bin da skeptisch, denn die Situation im nieder- Krise hier Dimensionen wie etwa in Italien erreicht „ Gefährlich war es zen können. Eben- gelassenen Bereich wird sich demnächst wieder hätte… für Patienten, die muss für die Zukunft sicher aufgestellt falls unverzichtbar ebenso darstellen, wie vor der Pandemie. schwer krank waren, werden. Dazu gehören auch in Zukunft ist die Patienten mit onko- Strukturveränderungen. Sie müssen aber digitale Ausstattung Die im Juli vorgestellte Ärztestatistik der Bundes- Womit auch viele von uns sicher zu Anfang logischen Erkrankun- der Pflege, aber auch ärztekammer hat erneut gezeigt, wie sich dort die gen, Herzkrankhei- sinnvoll sein und dürfen nicht auf die ein digitales Entlass Lage entwickelt. Danach gehen 20 Prozent der nicht gerechnet haben, war, dass trotz des ten etwa. Auch die kalte Tour durch finanzielles Austrocknen management. Praxisinhaber demnächst in Rente. Die ambulan- Hochfahrens der Behandlungskapazitäten Notaufnahmen wa- te Versorgung ist damit massiv gefährdet. Wie das für den Normalbetrieb viele Patienten aus von Krankenhäusern passieren. “ ren in der Hochzeit Die Pandemie hat Gesundheitssystem weiter funktionieren soll, sei der Pandemie so leer der Umsetzung di- erschreckend unklar, schreibt Arzt & Wirtschaft am Angst, sich anzustecken, noch immer wie seit Jahren nicht. gitaler Möglichkei- 8. Juli. Hinzu komme der Trend zur Teilzeitarbeit. Es Krankenhäuser gemieden haben. Es kamen deutlich weniger Patienten mit Verdacht ten einen Schub gegeben und hoffentlich auch auf Herzinfarkt oder Schlaganfall in die Krankenhäu- in der Politik die Erkenntnis verankert, dass hier ser als in Vergleichsmonaten der vergangenen Jah- sehr schnell etwas passieren muss. Als VKD haben re. Wir alle, auch Politik und Krankenkassen, hatten wir dies seit über zehn Jahren in der Entscheider würden mehr Ärzte benötigt um diejenigen zu er- setzen, die in den Ruhestand gingen. Zudem steige auch der Anteil der neu hinzukommenden Ärzte, die nicht in der Versorgung der Patienten tätig sei- Ich gehe davon aus, dass die Krankenhäuser ins- “ die Befürchtung, dass diese Patienten sich aus Angst fabrik immer wieder in die öffentliche Debatte en, um „überproportional sechs Prozent.“ Mit der gesamt zudem künftig noch mehr ambulante Be- hochgradig selbst gefährden. eingebracht. Seit dem Krankenhaustag 2014 ha- personellen Aufstockung der Gesundheitsämter handlungen übernehmen werden – übernehmen ben wir mehrfach eine Investitionsoffensive für die werden es wohl noch mehr werden, nehme ich an. müssen – als bisher bereits. Medizinisch und pfle- Nach und nach ändert sich das zum Glück wieder. Digitalisierung der Krankenhäuser gefordert. Dazu gerisch betrachtet gibt es dieses Potenzial ja auch. Die Krankenhäuser machen immer wieder über vie- gehört, alle Krankenhäuser zügig mit den Basics Angesichts dieser Entwicklung im KV-Bereich ist Innerhalb der KV-Strukturen wird das künftig immer le Kanäle deutlich, dass sie akribisch infizierte Pati- auszurüsten. Voraussetzung dafür ist nicht nur eine es allerdings völlig unverständlich, dass der Ver- weniger realisierbar sein. Nicht nur, weil die Ärzte enten von den anderen trennen und die Prozesse staatliche Finanzierung, sondern natürlich zunächst sorgungsauftrag für die Notfallversorgung von der jetzt schon kostenintensive Behandlungen in die entsprechend ausrichten. auch eine Transparenz darüber, wie der Stand der Bundespolitik immer noch bei den Kassenärztlichen Krankenhäuser verschieben, sondern weil im nie- Ausstattung flächendeckend in den Häusern ist. Vereinigungen belassen wird. Unsere Ablehnung dergelassenen Bereich immer weniger Ärzte tätig In der Pandemie konnte man sehr deutlich erken- Wir brauchen hier für die Zukunft einen möglichst von Notfallzentren an Krankenhäusern, geführt von sein werden. nen, welche Defizite wir im Gesundheitswesen gleich hohen Standard – auch weil Vernetzung zwi- den KVen, in denen dann hauptsächlich aber un- beim Thema Digitalisierung haben. Wie man hör- schen den Krankenhäusern, aber auch zu anderen sere Krankenhausmitarbeiter tätig sind, lehnen wir Bevor die Kliniken hier aber in größerem Umfang te, kommunizierten die Gesundheitsämter sogar Partnern der Gesundheitsversorgung, sonst nicht daher nach wie vor mit Vehemenz ab. einsteigen, müssen sie dafür auch die Gewissheit in Richtung RKI zum Teil noch per Fax … funktionieren kann. haben, dass sie für ambulant-fachärztliche Leistun- Ich hoffe sehr, dass wir, wenn das Thema wieder auf gen stärker geöffnet und diese Leistungen zumin- Dr. Josef Düllings: Kein Wunder, dass andere mit Was noch immer fehlt und von uns auch regelmä- die Tagesordnung der Politik kommt, aus den Erfah- dest kostendeckend auch finanziert werden. Dabei den aktuell veröffentlichten Zahlen schneller waren. ßig angemahnt wurde, ist eine Digitalstrategie für rungen der Pandemie heraus hier zu einem ande- gilt es, ihre hochwertige Infrastruktur mit zu bewer- Aber nicht nur die Gesundheitsämter müssen bes- die Krankenhäuser insgesamt. Auch der Sachver- ren als dem vorliegenden Konzept kommen. ten. Bisher ist es so, dass der MDK die kurzstationä- ser ausgerüstet werden. Wir haben hier im Kranken- ständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung ren Fälle streicht. Auch hier würde das aber bedeu- hausbereich einen Flickenteppich unterschiedlichs- im Gesundheitswesen hat im Übrigen angesichts Das betrifft auch die Krankenhausstrukturen. Es ten, dass den KVen, wie bei der Notfallversorgung ter Dimensionen in der IT-Ausstattung. Da gibt es der Erkenntnisse aus der Pandemie eine Digitalisie- wird sicher auch weiterhin, vielleicht sogar ver- von uns gefordert, der Sicherstellungsauftrag für zum einen bereits hoch ausgerüstete Häuser und rungsoffensive gefordert. Die beschlossene Förde- stärkt, Diskussionen zur Entwicklung der Kran- diese Leistungen entzogen würde. Es wäre sinnvoll, auf der anderen Seite Krankenhäuser in ländlichen rung von drei Milliarden Euro des Bundes, die sicher kenhausstrukturen geben. Die Vorschläge in der entsprechende Strukturen als Teil der Krankenhäu- Regionen, die nicht einmal über schnelles Internet in großen Teilen in die Digitalisierung fließen wird, Bertelsmann-Studie zur radikalen Schließung ser aufzubauen. verfügen. Telemedizin funktioniert dann natürlich kann nur ein Anfang sein. von Krankenhäusern – nur rund 600 sollten am VKD-PRAXISBERICHTE 2020 | KLINIKEN IN KRISENZEITEN 10 11 VKD-PRAXISBERICHTE 2020 | KLINIKEN IN KRISENZEITEN
BEWERTUNGEN UND POSITIONIERUNGEN BEWERTUNGEN UND POSITIONIERUNGEN Klar ist: Die Gesundheitsversorgung muss für die zurück und produziert nochmals erhebliche Büro- Einheitspreise, wie aktuell die Fallpauschalen, sind liegen – und sie müssen endlich fair für ihre Arbeit Zukunft sicher aufgestellt werden. Dazu gehören kratiekosten. Das hat der VKD kritisiert. Wenn man angesichts der unterschiedlichen Bedingungen bezahlt werden. auch Strukturveränderungen. Sie müssen aber sinn- schon feststellt, dass Veränderungen notwendig und landesspezifischen Regelungen kontraproduk- voll sein und dürfen nicht auf die kalte Tour durch sind, sollten diese nicht nur einen Teil betreffen. Das tiv. Wir reden nicht einer zwingenden Abschaffung Corona ist das große Thema dieses Jahres, aber finanzielles Austrocknen von Krankenhäusern pas- wäre wieder Stückwerk. das Wort, weil die DRGs auch positive Wirkungen darunter schwelen die Brandherde weiter. Sie sind sieren. Strukturveränderungen finden ja bereits seit hatten und haben. Unser Verband hat aber bereits nur aus dem Fokus der Öffentlichkeit geraten und langem auch statt. In der Praxis passiert hier deut- Die duale Finanzierung muss – auch eine Forderung vor einem Jahr dafür plädiert, Diskussionen über werden, wenn wir Bilanz ziehen, umso deutlicher lich mehr als sich mancher an seinem Schreibtisch des VKD – zwingend als Einheit und in der Wechsel- notwendige Modifikationen unter Einbeziehung sichtbar sein. in Berlin oder anderswo vorstellt. Inzwischen mehren sich die Stimmen, die eine Modifizierung, ja sogar Abschaffung des Finan- wirkung beider Elemente betrachtet werden. Ein großes Problem sind die unterschiedlichen Vor- haltekosten. Die erheblichen Kostensteigerungen durch gesundheitspolitische Entscheidungen und der Praktiker in den Krankenhäusern zü- gig zu beginnen, weil ein solcher Neustart „ Die Pandemie hat definitiv gezeigt, Unser Verband hat das „Zukunftspro- gramm Kranken- zierungssystems für die Krankenhäuser fordern. Vorgaben des G-BA treffen zunehmend auf verrin- nicht einfach wird. Er wie wichtig eine flächendeckende häuser“ begrüßt – Stimmt Sie das nicht auch etwas optimistisch? gerte stationäre Fallzahlen, vor allem in ländlichen ist aber unumgäng- als ersten Schritt in Versorgung mit Notfallkapazitäten ist. die richtige Rich- Regionen. Die Vorhaltekosten bleiben aber. Auch lich, wenn wir unse- Dr. Josef Düllings: Es ist jedenfalls ein Zeichen da- darauf muss das Finanzierungssystem reagieren, re noch immer gute, Wir haben hierzu unsere Positionen tung. Um die Klini- “ für, dass wir hier nicht mehr die einsamen Rufer wenn wir für den Bürger auch künftig eine flächen- flächendeckende Ge- immer wieder sehr deutlich gemacht. ken zukunftsfähig in der Wüste sind. Der VKD fordert ja seit etlichen deckende Gesundheitsversorgung garantieren sundheitsversorgung und krisensicher Jahren, das Finanzierungssystem der Krankenhäu- wollen. Einfach zu behaupten, Krankenhäuser, die erhalten wollen. Mit aufzustellen, sind PANDEMIE ser neu zu organisieren. Im DRG-System werden unter diesen harten Bedingungen nicht wirtschaft- den DRGs heutiger aber weit größere nachweislich vor allem kleine Kliniken – immerhin lich arbeiten können, seien offenbar überflüssig, ist Prägung gelingt das nicht, wie wir ja bereits seit ei- Investitionen notwendig. Die für das Programm in etwa die Hälfte aller Häuser – sowie die Maximal- hochgradig verantwortungslos. nigen Jahren sehen. Aussicht gestellten drei Milliarden Euro sind nicht versorger nicht leistungsgerecht vergütet. Es ist der „Wumms“, mit dem Bundesfinanzminister Olaf doch nicht als normal anzusehen, dass Leistungen – Wir sehen außerdem, dass sich die Strukturen der Nochmals möchte ich aber betonen, dass es dabei Scholz das Konjunkturpaket zur Abfederung der hochwertige Leistungen – schon systembedingt Gesundheitsversorgung schon seit längerer Zeit nicht nur um die Finanzierung der Betriebskosten Corona-Folgen für die Krankenhäuser vorgestellt niemals voll bezahlt werden, dass an allen Ecken wandeln – innerhalb der Häuser werden Prozesse gehen kann. Ohne Einbeziehung der Investitions- hat. Bei den drei Milliarden Euro handelt es sich und Enden gekürzt wird. Hinzu kommen die zahl- verändert, zwischen den Krankenhäusern unter- förderung wäre das nur Stückwerk. im Grunde nur um die Summe, die den Kranken- reichen aufgezwungenen Rabatte, die erheblich zu schiedlicher Größe und Ausrichtung entstehen häusern jedes Jahr an Investitionsmitteln von den Buche schlagen. Netzwerke, Kooperationen. Einzelne Klinikunter- Was erwarten Sie für den Herbst und für das kom- Ländern vorenthalten wird. Wir hatten zum Glück nehmen unterschiedlichster Träger organisieren mende Wahljahr für die Krankenhäuser? nicht die gleiche Inanspruchnahme wie Kliniken in Und zum Finanzierungssystem gehört ja auch ein ihre eigenen Bereiche neu, schaffen Portalkliniken, Italien oder Spanien. Sonst wären die Defizite in der wesentliches Problem, das Bund, Länder, Kranken- Gesundheitszentren entstehen um Kliniken herum, Dr. Josef Düllings: Wir können sicher davon ausge- apparativen Ausstattung und der Digitalisierung kassen allesamt ebenfalls sehen und thematisieren, sektorenübergreifende Strukturen entstehen. Das hen, dass angesichts der staatlichen Hilfs- und Kon- deutlich stärker zutage getreten. seit Jahren aber dennoch nicht lösen. Man ist es alles aber muss sich, um zu funktionieren, auch in junkturpakete das Geld insgesamt knapp sein wird, schon fast leid, immer und immer wieder Gesetzes- ein Finanzierungssystem einbinden lassen. selbst wenn 2021 noch ein Jahr der staatlichen Was der VKD seit Jahren fordert, ist dagegen ein treue bei den Ländern bezüglich der Investitions- Unterstützung sein dürfte. Auch die Krankenkassen Masterplan für die Krankenhausbranche. Darin fördermittel anzumahnen. Dass darauf nie oder nur Also DRGs ja, aber …? dürften ab 2021 nicht mehr auf ihr gewohnt sattes muss es um ein geplantes, gesteuertes, solide fi- halbherzig reagiert wurde, hat ja zu vielen schweren Plus zurückgreifen können. Wir werden voraus- nanziertes, abgestimmtes Vorgehen und eine Pri- Verwerfungen geführt, weil die Krankenhäuser aus Dr. Josef Düllings: So einfach wird es nicht sein. Die sichtlich eine höhere Arbeitslosigkeit haben. Damit orisierung von Maßnahmen in zeitlich getakteten den Betriebskosten notwendige Investitionen mitfi- Bundesländer haben hier im Grunde die Aufgabe, kommen weniger Beiträge auf die Konten der Kas- Etappen gehen. Das Konjunkturpaket ist angesichts nanzieren müssen. Der sicher vorhandene gute Wil- zunächst einmal gemeinsam mit den Beteiligten sen. Dem Gesundheitsfonds sind ebenfalls etliche der massiven Probleme, für die wir – und nicht nur le bei einigen Ländern, die Investitionsmittel auch an der Gesundheitsversorgung die notwendigen Milliarden Euro entnommen worden. wir – seit Jahren Lösungen anmahnen und Vor- hier und da etwas aufzustocken, ändert nichts an Strukturen festzulegen. Das geht über die derzeiti- schläge machen, eher eine, wenn auch nötige, Feu- der grundsätzlichen Misere. ge Krankenhausplanung sicher hinaus und schließt Außerdem starten wir in ein Wahljahr, in dem wir erwehraktion in der aktuellen Krise. Wir alle müssen notwendige Prognosen zur Entwicklung der jewei- vermutlich auch für die Gesundheitsversorgung mit aber weiter in die Zukunft denken. Die Daseinsvor- Wie könnte aus Sicht des VKD eine modifizierte ligen Region und den dort notwendigen Versor- Reformvorschlägen aus allen Parteien rechnen kön- sorge der Krankenhäuser ist nicht nur die Gesund- Krankenhausfinanzierung aussehen? gungsbedarf sowie weitere wichtige Parameter mit nen. Die Erfahrungen dieses Jahres werden dabei heits- und Lebensversicherung für die Bevölkerung, ein. Dass dabei auch temporär notwendige Reser- hoffentlich auch eine Rolle spielen. Die Reform der sondern – wie die Pandemie gezeigt hat – auch ein Dr. Josef Düllings: Ein modifiziertes oder anderes vekapazitäten einzubeziehen sind, versteht sich in- Notfallversorgung, wie sie durch Corona gestoppt zentraler Wirtschafts- und Gesellschaftsfaktor, der System ist natürlich nicht einfach aus dem Hut zu zwischen von selbst. Diese Strukturen müssen dann wurde, kann in der vorgesehenen Form, auch ange- bei einer vernünftigen Ausgestaltung in Zukunft zaubern. Die Entwicklung der DRGs hat etliche aber – differenziert nach ihren unterschiedlichen sichts der stetig abnehmenden Kapazitäten bei den dazu beitragen kann, dass unsere Gesellschaft und Jahre gedauert. Eine Rückkehr zum Selbstkosten- Vorhaltekosten – eine sichere Basisfinanzierung niedergelassenen Ärzten, nicht umgesetzt werden. unsere Wirtschaft in einem sicheren Schutzrahmen deckungsprinzip wäre ebenfalls aus unserer Sicht erhalten und dürfen nicht ständig wieder in Frage Die Richtigkeit unserer Forderungen hat sich in der so funktionieren können, dass unser aller Wohl- keine Lösung. Die Ausgliederung der Pflegeperso- gestellt werden. Dass auch kleine Häuser system- Pandemie bestätigt. Anker der Gesundheitsversor- stand erhalten bleibt – trotz globaler gesundheit nalkosten – die Krankenkassen argwöhnen hier die- relevant und für die Versorgung sehr wichtig sind, gung – auch der Notfallversorgung – sind die Kran- licher Bedrohungen. se Entwicklung bereits – ist aus unserer Sicht auch haben wir ja nun erlebt. kenhäuser. Bei ihnen muss der Versorgungsauftrag nicht der Weg. Er lässt das DRG-System als Torso VKD-PRAXISBERICHTE 2020 | KLINIKEN IN KRISENZEITEN 12 13 VKD-PRAXISBERICHTE 2020 | KLINIKEN IN KRISENZEITEN
BEWERTUNGEN UND POSITIONIERUNGEN BEWERTUNGEN UND POSITIONIERUNGEN Moderne und zukunftsfeste zielter und sinnvoller zu verteilen – damit jeder das macht, was er am besten kann. Dafür brauchen wir gefachpersonen könnten in der Primärversorgung mehr Verantwortung übernehmen. Vor allem in Gesundheitsversorgung durch ein interprofessionelles Teamwork auf Augenhöhe – nicht nur in der Theorie, sondern tatsächlich im All- der häuslichen Versorgung könnten sie stärker als bisher Versorgungsprozesse koordinieren und bei- Aufgabenneuverteilung tag gelebt. Und das muss schon in der Ausbildung spielsweise Assistenzkräfte und ehrenamtliche Hel- beginnen, denn dort wird der Grundstein für das fer anleiten, auf die Gewährung von Sicherheit und berufliche Selbstverständnis gelegt. Gesundheits- Qualität achten, präventiv tätig werden, beraten fachberufe können weit mehr als ärztliche Anord- und lotsen. nungen ausführen. CORONA HAT ES NOCHMALS DEUTLICH GEZEIGT: WIR BRAUCHEN WIR BRAUCHEN ENTSPRECHENDE INTERPROFESSIONELLES TEAMWORK AUF AUGENHÖHE FÜR NOTLAGEN ÜBERTRAGENE VERANTWOR- RAHMENBEDINGUNGEN TUNG IN DEN REGELBETRIEB ÜBERNEHMEN Aber für mehr Berufsautonomie und Verantwor- Bei allen Einschränkungen und Ängsten, die das tungsübernahme der nichtärztlichen Gesund- Coronavirus der Bevölkerung gebracht hat, hat die- heitsfachberufe bedarf es konkreter Rahmenbe- se Situation auch dazu geführt, dass viele Innovati- dingungen. Dazu gehört zum einen die Klärung Die effektive Auseinandersetzung mit der Co- onen entstanden sind bzw. Maßnahmen ergriffen der Budgetverantwortung. Wer Kosten verursacht, rona–Pandemie und deren Folgen wird das wurden, von denen wir bisher noch weit entfernt muss diese auch verantworten. Zum anderen muss Hauptthema in den nächsten Monaten sein. waren. So wurde unter anderem mit dem „Gesetz aber auch geklärt sein, welche Qualifikationen Wir müssen weiterhin einen Umgang mit die- zum Schutz der Bevölkerung in einer epidemischen Heilmittelerbringer und Pflegefachkräfte benöti- sem Virus finden und das bisher aus dieser Pan- Lage von nationaler Tragweite“ ermöglicht, dass gen, um Qualitätsstandards einzuhalten und so die demie Gelernte identifizieren und reflektieren, Pflegekräfte und andere Gesundheitsfachberufe Patientensicherheit zu gewährleisten. In anderen um für künftige Krisen dieser Art gewappnet mehr Verantwortung durch die Befugnis zur Aus- Ländern gibt es einen „Scope of Practice“ – einen zu sein. Die Pandemie hat sehr eindrücklich übung von heilkundlichen Tätigkeiten bekommen klaren Aufgaben- und Verantwortungsrahmen, der gezeigt, dass die Gesundheitsberufe „system- haben. Dieser Schritt war schon längst überfällig geordnet, standardisiert und transparent ist und für relevant“ sind: Sie sichern die gesundheitliche und ist sinnvoll, da diese Berufe hochqualifiziert alle Beteiligten Sicherheit bietet. Versorgung der Patienten und Pflegebedürfti- sind. Nun gilt es, die für Notlagen übertragene Ver- gen tagtäglich und rund um die Uhr, oft unter antwortung in den Regelbetrieb zu übernehmen. INNOVATIVE KONZEPTE MÜSSEN schwierigen Bedingungen. Eine optimal auf- EINSATZ UND BEZAHLUNG WIDERSPIEGELN einander abgestimmte Zusammenarbeit aller Dazu müssen wir uns insbesondere anschauen, beteiligten Berufsgruppen ist dabei zwingend welche bisher ärztlich vorbehaltenen Aufgaben ver- Ebenso bedarf es innovativer Konzepte, die den notwendig, um die komplexen Versorgungs- stärkt auf Gesundheitsfachberufe übertragen oder Einsatz und die Bezahlung der Fachkräfte wider- anforderungen bewältigen zu können. delegiert werden könnten. Pflegekräfte könnten spiegeln. Eine zielgruppenspezifische Zuordnung beispielsweise mehr Verantwortung bei der Versor- der Aufgabenfelder entsprechend den Qualifikati- gung chronischer Wunden oder Diabetes mellitus onsniveaus (Helfer, Fachkraft, Bachelor und Master) Auch nach der Pandemie muss der stetigen Verbes- sowie spezifische Infusionstherapien übernehmen. ist dafür zwingend. Da im Pflegeberufegesetz die serung der Zusammenarbeit der Berufsgruppen im Für die Verordnung von Heilmitteln wurde bereits Strukturen für den Bachelorabschluss in der Pflege Gesundheitswesen eine wachsende Bedeutung zu- Autor 2017 mit dem Heil- und Hilfsmittelgesetz (HHVG) geschaffen wurden, müssen für diese Qualifikation kommen, da nur so die großen Herausforderungen die Möglichkeit der „Blankoverordnung“ geschaffen. nun auch die Aufgabenfelder definiert werden. Dies der Zukunft bewältigt werden können. Denn die Staatssekretär Andreas Westerfellhaus Allerdings muss der Patient weiterhin zuerst den ist notwendig, um die akademisch qualifizierten demografische Entwicklung und der medizinisch- Der Bevollmächtigte der Bundesregierung für Arzt konsultieren, bevor er einen Heilmittelerbrin- Pflegekräfte im Beruf zu halten. Denn der Wunsch technische Fortschritt werden unsere Gesellschaft Pflege ger aufsuchen kann oder ein Hilfsmittel erhält. Die nach einer sinnvollen, fachlich anspruchsvollen und weiterhin prägen und verändern. Fragen der Delegation von Maßnahmen müssen an dem zu pflegenden Menschen ausgerichteten beteiligt sind, einen Fachkräftemangel. Das betrifft weitergedacht werden. Tätigkeit mit Handlungsautonomie ist nicht nur als NOTWENDIG: INTERPROFESSIONELLES Pflegekräfte und Physio-, Ergotherapeuten oder Berufswahlmotiv, sondern auch für die Berufsbin- TEAMWORK AUF AUGENHÖHE Logopäden genauso wie Ärzte – in allen diesen Be- Der in anderen Ländern erfolgreich eingeführte Di- dung bedeutsam. rufsgruppen gibt es schon heute in vielen Regionen rektzugang sollte auch in Deutschland erprobt wer- Die Versorgungsstrukturen und die Anforderungen zu wenige Berufsangehörige, die die wachsende den. Insbesondere auf dem Land, wo eine Unter- Eine von diesen Vorstellungen abweichend erlebte werden zunehmend komplexer. Die gegenwär- Arbeitslast bewältigen müssen. versorgung mit Ärzten längst Realität ist, kann die Berufsrealität kann bereits während der Ausbildung tige Krise hat dies noch einmal sichtbar gemacht. Übernahme bestimmter, bisher dem Arzt vorbehal- zum Berufsausstieg führen. Dies wäre fatal. Deshalb In Pflegeeinrichtungen werden immer mehr chro- Somit wird eine gute, flächendeckende Versorgung tener Tätigkeiten durch Gesundheitsfachberufe die müssen neue Tätigkeitsfelder und Verantwortungs- nisch und mehrfach erkrankte Menschen versorgt. künftig nur gelingen, wenn wir Versorgungspro- Patientenversorgung sichern. Denn wenn der Pati- bereiche für die nichtärztlichen Gesundheitsberufe Und im Krankenhaus benötigen alle Behandler zesse, Abläufe und die Zusammenarbeit zwischen ent ohne Verordnung direkt zum Physiotherapeu- definiert werden. Nur so kann auch realisiert wer- Foto: Holger Groß zunehmend Kenntnisse im Umgang mit pflegebe- den verschiedenen Berufen und Bereichen neu ten, Ergotherapeuten oder Logopäden gehen kann, den, dass zum Beispiel die akademisch ausgebilde- dürftigen und demenziell erkrankten Menschen. strukturieren. Es geht darum, die Aufgaben bei der oder die Pflegefachkraft die Versorgung von Men- ten Pflegerinnen und Pfleger ihren erlernten Kom- Des Weiteren gibt es in vielen Berufen, die an der Versorgung von Menschen mit unterschiedlichen schen mit bestimmten Erkrankungen übernimmt, petenzen entsprechend eingesetzt werden. Denn gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung Bedarfen zwischen den Gesundheitsberufen ge- ist das effektiver für alle Beteiligten. Besonders Pfle- gerade in sehr komplexen Arbeitsfeldern bedarf VKD-PRAXISBERICHTE 2020 | KLINIKEN IN KRISENZEITEN 14 15 VKD-PRAXISBERICHTE 2020 | KLINIKEN IN KRISENZEITEN
BEWERTUNGEN UND POSITIONIERUNGEN BEWERTUNGEN UND POSITIONIERUNGEN es spezialisierter Fachkräfte in der Patientenversor- Professionen oberste Priorität, um so gemeinsam gung, um den hohen Anforderungen gerecht zu die bestmögliche Versorgung der Patienten zu werden und Arbeitsabläufe weiterzuentwickeln. erreichen – ganz ohne tradiertes Standesdenken. Die Ergebnisse zeigen, dass die Organisation der Ja, die Krankenhäuser waren und sind die Anker Das akademische Angebot muss sich künftig stär- Krankenhäuser nach dem Beispiel der Magnetein- ker diesen hochkomplexen Feldern widmen und richtungen auch dabei hilft, als Arbeitgeber noch hierfür eine Spezialisierung mit einem Bachelor-, attraktiver zu werden und besser Fachkräfte finden bzw. Masterabschluss ermöglichen, damit z. B. neuste wissenschaftliche Erkenntnisse auch in die und binden zu können. der Gesundheitsversorgung Pflegepraxis stärker einfließen können. PROZESSSTEUERUNG STÄRKER SEKTORENÜBERGREIFEND BETRACHTEN SIE HABEN DAS IN DIESER TURBULENTEN, Symbolfoto Grundsätzlich müssen sich die Aufgabenbereiche an den Versorgungsbedarfen der Patienten orien- Der Vorteil einer multiprofessionell abgestimmten SCHWIERIGEN PANDEMIE-ZEIT ERNEUT BEWIESEN tieren. Dazu müssen sie mit den passenden Qualifi- Bedarfserhebung und Versorgungsplanung liegt kationen besetzt werden. Aber nicht nur die Quali- darin, dass die individuellen Bedarfe der Patienten fikation (Grade) ist entscheidend im Arbeitsprozess, und Pflegebedürftigen mehrdimensional wahr- sondern auch die vorhandenen Fähigkeiten und genommen werden. Denn in einer sektoralen Ver- Fertigkeiten (Skills) der einzelnen Beteiligten sind sorgung verlieren die jeweils beteiligten Fachkräfte Die deutschen Krankenhäuser haben im März Die Folge war allerdings, dass rund 150.000 Kran- es. Hier ist die Führungsebene stark gefragt, die Fä- oft aus dem Blick, dass Krankheit bzw. Gesundheit dieses Jahres in einer erheblichen Geschwin- kenhausbetten quasi auf einen Schlag leer standen. higkeiten ihrer Mitarbeiter unabhängig von deren nur ein Teilaspekt der Lebenswelt von Personen digkeit auf die gesundheitspolitisch angewie- Freie Kapazitäten hatten damit auch die Intensivsta- Qualifikation zu erkennen und diese dann in ent- darstellt und sich die Interventionen viel stärker senen, gravierenden Maßnahmen gegen die tionen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft ging sprechende Aufgabenbereiche einzubinden. Durch an den individuellen Lebenszielen der Betroffenen Corona-Pandemie reagiert. Konsens ist inzwi- von bundesweit 10.000 freien Intensivbetten aus. eine Optimierung des Grades and Skills-Mixes orientieren müssten. Nur so kann Gesundheits- schen, dass Deutschland wegen seiner guten, können Abläufe effizient organisiert und Prozes- versorgung nachhaltig sein. Deshalb muss die flächendeckenden Gesundheitsversorgung Viele Patienten und schwerkranke Menschen mieden se besser strukturiert werden. Wenn dies gelingt, Prozesssteuerung noch stärker sektorenübergrei- sowie der im Vergleich überdurchschnittlich in der Folge das Krankenhaus aus Angst vor einer An- steigt die Arbeitszufriedenheit und Unternehmen fend betrachtet werden. Die jeweiligen Verantwort- hohen Dichte an Intensivbetten und Beat- steckung. Auch viele wichtige Vorsorgeuntersuchun- können auch in Zeiten des Fachkräftemangels ihre lichkeiten während der einzelnen Phasen müssen mungsplätzen so gut durch die Pandemie ge- gen wurden nicht wahrgenommen. Wichtige Krebs- Mitarbeiter halten. festgelegt, Schnittstellen reflektiert und Überga- kommen ist. Nirgends in der Bundesrepublik und Herztherapien wurden nicht durchgeführt. be- und Evaluationsstandards gemeinsam ver- musste ein infizierter und schwer erkrankter Ein gutes Beispiel für interprofessionelle Zusam- einbart werden. Ein Strategieprozess der Gesund- Patient befürchten, nicht mehr die Intensiv- Ab Mai sah man dann bereits einen erheblichen menarbeit sind die sogenannten Magnetkranken- heits- und Pflegeberufe, der Schnittmengen und pflege zu bekommen, die er benötigte. Rückstau an Operationen und Behandlungen. häuser in Amerika. Dort hat die Zusammenarbeit Schnittstellen des gemeinsamen Handels definiert Dr. Gerald Gaß, Präsident der Deutschen Kranken auf Augenhöhe zwischen den verschiedenen und das konkrete Handeln und die Zuständigkei- hausgesellschaft, warnte, das verheiße nichts Gutes. ten abstimmt und vereinbart, ist sehr zu begrüßen. Wir alle haben den Verlauf der Corona-Pandemie Selbst wenn es zu Lockerungen käme und die Kran- Pflegekräfte, Therapeuten, Ärzte und Sozialarbeiter bis heute hautnah miterlebt. Es ist aber nicht ver- kenhäuser wieder Schritt für Schritt in den Normal- können nur gemeinsam die Herausforderungen ei- kehrt, sich noch einmal in Erinnerung zu rufen, wie betrieb gehen würden, werde es schwer werden, in ner effizienten, qualitätsgesicherten und am Bedarf diese turbulenten ersten Monate verlaufen sind überschaubarer Zeit auf den klinischen Normalbe- der Patienten und Pflegebedürftigen orientierten und was die Krankenhäuser geleistet haben – jene, trieb umzustellen. Er verwies auf den erheblichen Versorgung meistern. die viele Covid-19 Patienten zu versorgen hatten, organisatorischen Aufwand für die Umstellung. aber auch alle anderen, weil sie sofort und schnell NUR GEMEINSAM IST DIE BESTE VERSORGUNG reagiert haben. All das war nicht einfach, zumal sie UNSICHERHEITEN UND IRRITATIONEN DER PATIENTEN NACHHALTIG GESICHERT zunächst nur die politischen Anforderungen um- setzten, ohne zu wissen, wie sie das wirtschaftlich Der Rückblick auf diese ersten Wochen zeigt ein Um die Zusammenarbeit der Berufe voranzutrei- schaffen würden. häufig planlos erscheinendes Vorgehen der Politik, ben bedarf es sowohl im Studium als auch in der das fehlende Vorbereitung auf einen solchen Ernst- Ausbildung innovativer Lernkonzepte, die den Fo- RADIKALE MASSNAHMEN – LEERE BETTEN fall dokumentierte und erhebliche Versäumnisse of- kus auf die Interprofessionalität legen. Berufsüber- fenbarte, die sich u.a. in den fehlenden Schutzaus- Teamwork sichert greifende Module oder gemeinsame Lernorte soll- Durch die dann radikalen Maßnahmen sollte eine rüstungen, Hygienematerialien und Tests zeigten, nachhaltig ten fester Bestandteil der Curricula sein. Ziel aller extreme Überbeanspruchung des Gesundheitssys- aber auch in der fehlenden personellen und tech- die Versorgung Foto: ipopba - stock.adobe.com Neuausrichtungen muss sein, dass alle an der Ver- tems – vor allem der Krankenhäuser – vermieden nischen Ausstattung der Gesundheitsämter und Foto: ASDF - stock.adobe.com der Patienten sorgung Beteiligten sich noch stärker als Teil eines werden. Angesichts der Prognosen des Robert- deren uneinheitlichem Vorgehen sowie fehlender (Symbolfoto) interprofessionellen Teams verstehen und über Sek- Koch-Instituts sowie von Virologen, die von Hun- Abstimmung des Prozederes untereinander. toren- und Professionsgrenzen hinweg auf Augen- derttausenden Infizierten und intensivmedizinisch höhe kommunizieren und zusammenarbeiten. Nur zu versorgenden Patienten ausgingen, schien es Auch die irritierende Zählweise des Robert-Koch- gemeinsam kann die bestmögliche Versorgung der politisch geboten zu sein, die Infektionskurve radi- Instituts, die mehrfach geänderten Hinweise zum Patientinnen und Patienten auch langfristig und kal abzuflachen. Tragen von Mund-Nase-Schutzmasken – das alles nachhaltig gesichert werden. ist bekannt. VKD-PRAXISBERICHTE 2020 | KLINIKEN IN KRISENZEITEN 16 17 VKD-PRAXISBERICHTE 2020 | KLINIKEN IN KRISENZEITEN
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