KRISE UND CHANCE Schwerpunkt - 04 | Dezember 2020 - Hochschulverbund TRIO
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Bild: Fotostudio Weichselbaumer Editorial Liebe Leserinnen und Leser, globale Krisen wie Klimawandel, Artensterben, Umweltzerstörung erleben wir zurzeit wahrlich genug. Und dann auch noch die Corona-Pandemie! Kann man in solchen Zeiten überhaupt von Chancen sprechen, wie es jetzt allenthalben geschieht? Nun, das hängt ganz wesentlich davon ab, wie wir uns Krisen gegenüber verhalten. Es reicht sicherlich nicht, die Existenz von Bedrohungen mit Krisenpotenzial einfach zu leugnen, wie es bei- spielsweise im Falle des Klimawandels weltweit oft geschieht. Und auch die Hoffnung, dass wir mit Hilfe von Überbrückungsmaßnahmen wieder in der bisherigen Normalität ankommen, kann trügerisch sein. Eine Krise kann dann eine Chance sein, wenn sie genutzt wird, um Neues zu denken und notwendige Veränderungen anzugehen. Das kann sich kurz- und mittelfristig in der Umsetzung längst überfälliger Digitalisierungsmaßnahmen in Wirtschaft, öffentlicher Verwaltung und im Bildungsbereich äußern. Es können eingeübte Verhaltensweisen in Frage gestellt werden, wie beispielsweise unsere überbordende (Dienst-)Reisetätigkeit. Wir können unseren persönlichen Lebensstil ändern. Aber reicht das? Um uns wirklich nachhaltige Chancen zu erarbeiten, müssen wir langfristig denken und handeln. Dazu brauchen wir einen breit gefächerten, auf Dauer angelegten Dialog zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft. Und wir müssen heraus aus den engen gedanklichen Bahnen, in denen wir uns allzu oft bewegen. Ideen für die Zukunft brauchen den Mut, Bekanntes in Frage zu stellen. Lösungen brauchen rationale wissen- schaftsbasierte Ansätze und können oft nur multidisziplinär erarbeitet werden, unter Beteiligung vieler wissenschaftlicher Disziplinen. Wenn wir dies berücksichtigen, können die gegenwärtigen Krisen den Anstoß für notwendige und richtige Veränderungen geben und sich so als Chancengeber erweisen. Diese Ausgabe des Magazins TRIOLOG zeigt Möglichkeiten und Voraussetzungen für die Nutzung von Krisen als Chance auf. Lassen Sie uns gemeinsam etwas daraus machen! Ihr Prof. Dr. Burkhard Freitag 3
Inhalt 16 Schwerpunkt Krise und Chance 3 16 F lexible Geschäftsmodelle Prof. Dr. Carolin Häussler über krisenfeste Unternehmen 18 G ekommen, um zu bleiben Vier Erfolgsfaktoren für Unternehmen in schwierigen Zeiten 20 nikat 4.0 U Editorial Werkzeug- und Formenbau: konkurrenzfähig dank durchgängig 3 Prof. Dr. Burkhard Freitag digitaler Prozessketten 22 omeoffice als neuer Standard? H 6 Die Arbeitswelt der Zukunft aus organisationspsychologischer Sicht giles Arbeiten 24 A Eine Studie der Hochschule Landshut zu den veränderten Arbeitsbedingungen in der Krise Meldungen Erfolgreich in einer Welt des Umbruchs 26 Ein Nutzenmodell zur Kundenbindung 6 aus den Hochschulen 28 Design Thinking in Zeiten des digitalen Wandels Wie Kreativ-Workshops auch virtuell gut funktionieren 12 Personal im Fokus 30 Eine Studie der OTH Regensburg zu Personalmanagement 32 isikomanagement – unverzichtbares Instrument in der Krise R Ein juristisches Plädoyer von Prof. Dr. Josef Scherer Forschung in Bildern Crashkurs in digitaler Bildung 34 Bildungseinrichtungen gehen neue Wege 12 Z wischen Faszination und Erkenntnis Forschung, festgehalten in 36 ergriffen, aber nicht vergessen V eindrucksvollen Bildern An der Universität Regensburg werden seltene Bücher digitalisiert 38 Hilfe für die Helfer 60 Projekte der OTH Regensburg zur Unterstützung von medizinischem Personal an Kliniken 40 Unternehmen unter Druck Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der IHK Niederbayern zur aktuellen Situation 43 rise konkre t K Projekte, Forschung und Einschätzungen aus den TRIO- Hochschulen zu Themen rund um die Corona-Pandemie
Inhalt 7 52 Nahaufnahme 46 52 Resilienz Was steckt dahinter? 54 Kluge Köpfe 46 P rof. Dr.-Ing. Otto Huber Leiter Kompetenzzentrum Leichtbau der Hochschule Landshut TRIO 47 r. Fritz Audebert D 54 albzeit bei TRIO – Rückblick und Ausblick H Vorstandsvorsitzender der ICUnet.AG Der bisherige und der zukünftige wissenschaftliche Leiter im Gespräch 48 57 RIOKON 2020 digital T Inhalte, Infos, Zahlen und Zitate 60 Im Gespräch mit 48 Digitalisierung ist mehr als ViKo und Co. Experten von SIEMENS Amberg und der OTH Amberg-Weiden zu digitaler Transformation Science Fiction 60 2 050: Schlüsselkompetenz KI 50 Prof. Dr. Patrick Glauner wirft einen Blick in die Zukunft 50 Standort Ostbayern Aus Steinen im Weg … Startups in Krisenzeiten 62 62 Impressum Impressum 5
Kostengünstige Stromspeicher für die Welt Rund eine Milliarde Menschen haben Stromspeicher auf Basis der All-Iron aktuell keinen Zugang zu elektri- Redox-Flow-Batterietechnologie schem Strom. Gleichzeitig bedeutet (IRFB). Die zwei Teams mit den bes- die Energiewende für viele Länder ten Konzepten werden dann für die eine große Herausforderung. Eine zweite Phase ausgewählt, in der das neue Generation von dezentralen, Konzept umgesetzt wird. Das BMBF erschwinglichen und umweltfreund- fördert die erste Phase mit insge- lichen Stromspeichern soll hier hel- samt 250.000 Euro. Die Projektlei- fen. Unter dem Titel „Weltspeicher“ tung übernimmt Prof. Dr. Karl-Heinz startete das Bundesministerium für Pettinger, wissenschaftlicher Leiter Bildung und Forschung (BMBF) ei- des Technologiezentrums Energie Abbildung des Alarmhub-Prototypen mit nen Innovationswettbewerb in zwei (TZE) der Hochschule Landshut. Anbindung an die Interkom-Anlage und den Helm. © GPP Communication GmbH & Co. KG Phasen. Dabei gewann die Hoch- schule Landshut in Kooperation mit dem Münchner Unternehmen VoltStorage als eines von fünf Teams Mehr Sicherheit für die erste Runde. Die Forschenden Patienten im Rettungs- erarbeiten nun ein technisch und wirtschaftlich zukunftsweisen- hubschrauber des Konzept für einen preiswerten Wenn nach einem Unfall Verletzte mit dem Rettungshubschrauber geborgen Die Initiatorinnen des Forschungsprojekts werden müssen, ist jede Sekunde kost- an der Hochschule Landshut: die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Saskia bar. Ein Problem bei solchen Einsätzen Dinter und Christina Zugschwert (v.l.). ist allerdings, dass die Rettungskräfte © Hochschule Landshut die Alarmsignale der Medizingeräte auf- grund des hohen Geräuschpegels im Hubschrauber nicht sofort hören und Neues Institut für Zukunftsthemen daher nur zeitverzögernd reagieren können. Im Rahmen des Projekts Safe- Mit dem Institute for Data and Process Internet der Dinge, Data Mining und AERIAL entwickelten die Projektpartner Science (IDP) entsteht an der Hoch- Predictive Statistics. So adressiert es unter Leitung von Prof. Dr. Guido Dietl schule Landshut eine neue interdis- viele Bereiche der digitalen Transfor- (Hochschule Landshut) ein Überwa- ziplinäre und fakultätsübergreifende mation und des agilen Arbeitens und chungssystem („Alarmhub“), das eine Forschungseinrichtung. Ihre Schwer- kann damit innovative Beiträge für drahtlose Kommunikation zwischen den punkte liegen in Zukunftsthemen die Gestaltung der Zukunft liefern. Im medizinischen Geräten und den Head- aus den Bereichen der Digitalisierung Bereich des Transfers engagiert sich sets der Besatzung herstellt und so die und der Zukunft der Arbeit inklusive das Institut stark im ostbayerischen Alarmfunktionen ohne Zeitverzögerung des Projekt- und Entwicklungsma- Verbund „Transfer und Innovation hörbar macht. Dabei arbeitete die Hoch- nagements. Dabei setzt das Institut Ostbayern“ (TRIO) und veranstaltet schule Landshut mit den Unternehmen wichtige Impulse bei Künstlicher jedes Semester das Netzwerkforum GPP Communication, GS Elektromedi- Intelligenz, Maschinellem Lernen, Projektmanagement. zinische Geräte G. Stemple und YOUSE zusammen, die ADAC Luftrettung war als assoziierte Partnerin beteiligt. Das Pro- jekt wurde vom Bayerischen Wirtschafts- ministerium gefördert. Die gesamte Pro- jektsumme liegt bei ca. 700.000 Euro. Die Gründerinnen und Gründer des Instituts: Institutsleiter Prof. Dr. Holger Timinger, Prof. Dr. Mona 6 Riemenschneider, Prof. Dr. Abdelmajid Khelil und Prof. Dr. Maren Martens (v.l.). © Hochschule Landshut
Meldungen Illustration: Kathrin Haimerl Mobilität im ländlichen Raum Mobilität auf dem Land sieht anders aus als in der Stadt. Wie lässt sie sich mit Die Innovationskraft der Gründer Hilfe Künstlicher Intelligenz verbessern? Diese Frage steht im Mittelpunkt des Forscherinnen und Forscher der lehre mit Schwerpunkt Organisa- Pilotprojekts KIMoNo (KI-basierte, typ Universität Passau, des ZEW – Leib- tion, Technologiemanagement und übergreifende Mobilitätsoptimierung in niz-Zentrum für Europäische Wirt- Entrepreneurship an der Universität non-urbanen Regionen) der Universität schaftsforschung in Mannheim und Passau. In der Studie "The Influence Passau mit dem IT-Unternehmen One der IÉSEG School of Management in of Entrepreneurial Teams‘ Ownership Logic GmbH. Pilotregion ist der Land- Paris haben herausgefunden, dass Distribution and Recombinatory No- kreis Passau / Bayerischer Wald. Um ein Teams innovativer sind, wenn die velty" kommt das Forschungsteam möglichst ganzheitliches Bild von Mo- Eigentumsanteile ungleich verteilt zu dem Schluss, dass Entwicklungs- bilität im ländlichen Raum zeichnen zu sind. Das ist ganz besonders dann teams besonders innovativ sind, können, beleuchtet das Projekt verschie- der Fall, wenn jenes Gründungsmit- wenn Unternehmensgründer miter- dene Mobilitätsformen, ob Einzelperson glied mit dem höchsten Eigentums- finden. Ganz besonders innovativ sei- auf dem Fahrrad, autonom fahrende anteil auch an den Forschungs- und en jene Unternehmen, bei denen die Autos oder miteinander vernetzte Lkw- Entwicklungsaktivitäten beteiligt ist. forschungsaktiven Gründenden über Konvois. Am Verbundprojekt beteiligt „Wir wissen, dass Gründerinnen und den größten Eigentumsanteil verfü- sind: der Lehrstuhl für Data Science (Prof. Gründer eine besondere Fähigkeit ha- gen. Denn diese Personen sind damit Dr. Michael Granitzer), das Centrum für ben, Neues zu erschaffen“, sagt Prof. bevollmächtigt, über experimentel- Marktforschung (Dr. Stefan Mang) und Dr. Carolin Häussler, Inhaberin des le Strategien und den Umgang mit das Institut FORWISS. Dessen Leiter Prof. Lehrstuhls für Betriebswirtschafts- Rückschlägen zu entscheiden. Dr. Tomas Sauer koordiniert das Projekt gemeinsam mit Prof. Dr. Harald Kosch, Vizepräsident der Universität Passau für Die Universität Passau wird Akademische Infrastruktur und IT. Zu- sätzliche Kooperationspartner sind das „Entrepreneurial Campus“ Fraunhofer Entwicklungszentrum Rönt- gentechnik (EZRT) und das Anwendungs- Eine echte Grün- aus allen Fakultäten beteiligt. Ge- zentrum CT in der Messtechnik (CTMT) dungsuni werden – meinsam wird man Studierende und an der Technischen Hochschule Deggen- das ist ein Ziel der wissenschaftliche Mitarbeiterinnen dorf. Das Vorhaben wird vom Bundesver- Universität Passau. und Mitarbeiter insbesondere in den kehrsministerium mit rund einer Million Mit dem zum 1. Sep- Bereichen der nachhaltigen, interkul- Euro unterstützt. tember 2020 bewil- turellen und digitalen Existenzgrün- © Universität Passau ligten Projekt „Pas- dung sensibilisieren, qualifizieren sau – The Entrepreneurial Campus“ und schließlich bei der Umsetzung (PATEC) ist sie diesem Vorhaben ihrer Gründungsvorhaben beraten einen großen Schritt näher gekom- und betreuen. Dafür werden u.a. men. PATEC ist Teil des BMWi-Pro- neue Netzwerkveranstaltungen, spe- gramms „EXIST-Potentiale“, das die zielle Ideations-Workshops, Startup- Förderung der Gründungskultur an Hubs und Lehrveranstaltungen ent- Hochschulen sowie die Schaffung wickelt. Das existierende regionale notwendiger Rahmenbedingungen Gründungsnetzwerk soll dafür um für innovative und wachstumsstar- weitere Coaches, Mentoren, Alumni, ke Startups aus der Wissenschaft die selber Unternehmen gegründet zum Ziel hat. Mittelfristig sollen so haben, sowie Investoren stetig aus- in der Region neue, zukunftssichere gebaut werden. Mit dabei sind bereits Arbeitsplätze geschaffen werden. u.a. der INN.KUBATOR Passau, die An PATEC sind neben dem Trans- BayStartUp GmbH, die Hans Lindner ferzentrum Lehrstühle und Institute Stiftung und die IHK Niederbayern. 7
Meldungen Zusammenarbeit für mehr individuelle Therapien Mehr Infos gibt es hier Was ist eine Biobank und welchen Medizin, die mit rasanter Entwick- Stellenwert hat sie in der Forschung, lung neue diagnostische und thera- der Präzisionsmedizin und in der klini- peutische Strategien beschleunigen schen Diagnostik? Diese Fragen blei- können. Dabei spielen so genannte ben in der medizinischen Ausbildung Biomarker eine entscheidende Rolle, bisher meist unbeantwortet. Mit dem um auf die jeweiligen Patientinnen Probentransport im Robotiksystem der Kurs „Precision Medicine Internatio- und Patienten zugeschnittene, indi- Biobank. © Klaus Völcker / UKR nal“ (eduBRoTHER), der im Winterse- viduelle Therapieschemata entwi- mester 2020/21 als gemeinsames ckeln zu können. Die Identifizierung Lehrprogramm an den Universitäten neuer Krankheitssubtypen-spezi- Regensburg und Pilsen startet, erhal- fischer Gene und Biomarker erfolgt ten Studierende der Humanmedizin mittels moderner Technologien der erstmals dezidiert Einblick in diese Molekularbiologie und bildgebender Thematik. Mit der Beteiligung der Bio- Verfahren. Biobanken sind in diesem Park Regensburg GmbH schlägt der Bereich ein entscheidendes Instru- Kurs die Brücke zwischen Akademie ment, mit dem sich Proben und Da- und Industrie mit Verbindung zur Bio- ten zur Erforschung neuer Biomarker technologie. Das neue EU-geförderte archivieren lassen. Prof. Dr. Christoph Kursprogramm verfolgt einen ganz- Brochhausen vom Institut für Patho- heitlichen Bildungsansatz, der digita- logie der Universität Regensburg, le Lehre mit praktischen Übungen im der das geförderte Programm initi- Labor kombiniert. iert hat, koordiniert auch das Projekt BRoTHER, ein von der Bayerisch- Biobanking und Präzisionsmedi- Tschechischen Hochschulagentur zin beinhalten heute komplexe und gefördertes, grenzüberschreitendes multidisziplinäre Fachgebiete der Netzwerk von Biobanken. © Julia Dragan / UR Corona und Kultur Im Kulturbereich hat sich in Zeiten der Corona-Pandemie beachtliche Kreativität entwickelt. Viele Kultur- schaffende engagierten und enga- gieren sich, um ihr Publikum digital zu erreichen und zur „kulturellen Grundversorgung“ beizutragen. Das Institut für Geschichte der Universität Regensburg (UR), an dem der inter- disziplinäre Masterstudiengang „Pu- blic History und Kulturvermittlung“ angesiedelt ist, hat bei kulturvermit- telnden Institutionen in Regensburg nachgefragt, wie die Corona-Krise ihr Wirken und ihr Leben beeinflusst. Entstanden ist so eine Podcast- Interview-Reihe, die Einblick gibt in die aktuelle Situation. 8
Meldungen Schlau von A nach B Im ländlichen Raum steht man im- mer wieder vor Mobilitätsheraus- forderungen: Busse fahren selten, die Infrastruktur ist lückenhaft, viele wohnen auf dem Land, aber müssen zum Arbeiten in die Stadt pendeln. Das Projekt „Flashmob KI“ (Laufzeit 01.10.2020 bis 30.09.2023) an der OTH Regensburg unter Leitung von Prof. Dr. Jan Dünnweber möchte hier Lö- Sensoren im Labor für Straßeneinsatz testen sungen erarbeiten. Durch Künstliche Intelligenz soll den Reisenden die ef- In aktuellen Automodellen werden Leitung von Prof. Dr. Rudolf Bierl wird fizienteste Transportmöglichkeit an- durch Assistenzsysteme, hochauto- untersucht, ob ein solcher Testplatz geboten werden. Ziel des Projekts ist matisiertes Fahren und autonomes verschiedensten Anforderungen ge- es, einen Demonstrator einer Mobili- Fahren immer mehr Sensoren ver- recht wird. Damit soll die Testzeit tätsplattform zu erstellen. Dieser soll baut. Deren Funktion und Zuverläs- im Fahrzeug verringert werden und auf einfache und intuitive Weise den sigkeit muss unter Laborbedingun- gewährleistet werden, dass ein rei- Transport flexibel buchbar machen. gen verlässlich für die Realsituation bungsloses und fehlerfreies Zusam- Zur Auswahl stehen eine Fahrt zu auf der Straße getestet werden. Im menspiel der Sensoren funktioniert. einem festgelegten Termin oder eine Projekt ADLABSENS an der OTH Der Testplatz soll flexibel und zu- Abholung in einem bestimmten Zeit- Regensburg, das vom Bayerischen kunftssicher auf die Anforderungen fenster. Im Vorfeld steht eine Anforde- Staatsministerium für Wirtschaft mit an die Sensorik in Assistenzsystemen rungsanalyse und Erhebung der Ver- 950.000 Euro gefördert wird, entsteht und beim autonomen Fahren ange- kehrs- und Nutzerdaten des ÖPNV. deshalb ein Labortestplatz. Unter wendet werden können. Künstliche Intelligenz kann man studieren Das Forschungsfeld der Künstlichen In- der Art und Weise, wie wir kommu- steine herunter, erklärt komplexe telligenz, ein Teilgebiet der Informatik, nizieren. Wie kaum ein anderer For- Statistik und zeigt, wie Maschinen birgt Potenzial, unsere Welt grundlegend schungszweig inspiriert die KI und lernen können. zu verändern: von Produktionsabläufen regt zu Visionen einer vernetzten und digitalen Dienstleistungen bis zu Zukunft an. „Das Interesse der Wirtschaft an Hochschulabsolventeninnen und Zum Wintersemester 2020/21 star- -absolventen mit Kenntnissen in tet der neue Bachelorstudiengang Datenwissenschaft und Künstlicher „Künstliche Intelligenz und Data Intelligenz steigt seit Jahren stark Science“ der Fakultät Informatik und an“, betont der Dekan der Fakultät Mathematik an der OTH Regensburg. Informatik und Mathematik, Prof. Dr. Das praxisbezogene Studium baut Christoph Skornia. „Manche neuen auf Grundlagen der Informatik auf Entwicklungen sind nur Trends, bei und taucht tief in die Spezialgebiete anderen sind wir überzeugt, dass der Datenverarbeitung ein. Es bricht sie langfristig ein Feld verändern neuronale Netze in ihre Grundbau- können.“ © Barbara Uhl / OTH Regensburg 9
Meldungen ADACORSA entwickelt Drohnen weiter Der Einsatz von Drohnen als fliegen- de Kameras erfreut sich im zivilen Bereich wachsender Beliebtheit. So werden sie zum Beispiel an Wind- energieanlagen für die Überprüfung von Schäden immer häufiger ein- und den nationalen Behörden geför- gesetzt, helfen bei der Suche nach derte Forschungsprojekt „Airborne Vermissten und besitzen eine große data collection on resilient system Anzahl an weiteren vielversprechen- architectures“ (ADACORSA) an. Die den Einsatzmöglichkeiten. Dieses OTH Amberg-Weiden trägt dazu im große Potenzial wird aber gegenwär- Bereich zuverlässige und sichere tig dadurch limitiert, dass Drohnen Kommunikation bei: Sie entwickelt noch nicht zuverlässig (teil-)auto- Modelle zur Vorhersage von Quality- nom außerhalb der Sichtweite ope- of-Service-Parametern für die Droh- rieren können und dies auch nicht nenkommunikation über das Mobil- Aus der Fakultät Betriebswirtschaft der OTH dürfen. Hier setzt das von der EU funknetz. Amberg-Weiden wird die Weiden Business School. © OTH Amberg-Weiden Weiden Business School Am 01.10.1995 startete am Weide- ner Campus der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) Am- berg-Weiden die Fakultät Betriebs- wirtschaft den Lehrbetrieb. Über Forschungsprojekt hat den Einsatz von Drohnen außerhalb der Sichtverbindung im Fokus. © Alexey Yuzhakov – stock.adobe.com die Jahre wurden beständig weitere Bachelor- und Masterstudiengän- ge eingeführt, zuletzt „International Management & Sustainability“ – als ein zweites englischsprachiges An- gebot. Entsprechend benannte sich OTH Amberg-Weiden und Stadtwerke die alte Fakultät zum Wintersemes- Haßfurt gründen EnergyLab ter 2020/21 in die Weiden Business School um. Dekan Prof. Dr. Bernt Im Jahr 2019 gewannen sie gemein- zukünftig neben der Kraft-Wärme- Mayer ist insbesondere stolz auf den sam die begehrte Auszeichnung Kopplung vier weitere Energieaspek- internationalen Erfahrungsschatz „BHKW des Jahres 2019“. Jetzt krö- te im Fokus stehen: der Einsatz von des Lehrpersonals. Auch liegt der An- nen die Stadtwerke Haßfurt und die Batteriespeichern, Smart Micro Grids, teil internationaler Studierender bei OTH Amberg-Weiden ihre jahrelange digitale Planungswerkzeuge sowie mittlerweile 15 Prozent. Statt einer Zusammenarbeit im Energiesektor Smart-Meter-Infrastrukturen. Prof. feierlichen Umbenennung, die coro- mit der Gründung eines EnergyLabs. Dr. Andrea Klug, Präsidentin der OTH nabedingt nicht umsetzbar ist, feiert Mittel- und langfristiges Ziel ist es, Amberg-Weiden betont, dass dieses die Fakultät ihren neuen Namen mit die Stadt Haßfurt als Modellstadt für Leuchtturmprojekt für alle Beteilig- einer virtuellen Vortragsreihe. Bei Re- die Energiewende zu entwickeln und ten große Vorteile mit sich bringt: search@WEIDEN BUSINESS SCHOOL dies über alle Sektoren hinweg, also Hochschule und Stadtwerke profi- stellen Masterstudierende ab Dezem- Strom, Wärme, Gas und Mobilität. tieren vom Austausch, Studierende ber einmal im Monat ihre Abschluss- Am neuen EnergyLab werden daher wiederum von Arbeiten in der Praxis. arbeiten vor. 10
Ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft – AddWaste2Parts Der Kunststoffabfall nimmt von Jahr zu Jahr stetig zu. Laut Umweltbun- Angestrebt wird ein stabiler Herstel- lungsprozess, mithilfe dessen die Next Generation desamt betrug dieser im Jahr 2017 in Produktion z.B. von Ersatzteilen für Gebäudedämmung – Deutschland rund 6,15 Tonnen. Mit 5,2 Tonnen war dabei der Post-Consumer- Haushalts- und Elektrogeräte oder Modellen für den Bereich Prototyping Baustoffe mit Mikro- Abfall der größte Verursacher. An die- umsetzbar ist. Hierfür ist die Zusam- hohlglaskugeln sem Punkt setzt das Technologie- und menarbeit mit Firmen aus verschie- Studienzentrum (TSZ) Weißenburg der denen Branchen (3D-Druck-Dienst- Energieeffizienz und Nachhaltigkeit – das THD (kunststoffcampus bayern) mit leister, Abfallverbände, Händler, etc.) sind brennende Themen. Die Dämmung seiner Konzeptidee AddWaste2Parts gewünscht und erforderlich. An dieser von Gebäuden ist eine wichtige Baustel- an: Ziel ist es, werkstoffliche Wieder- Stelle unterstützt TRIO als Vermittler le, um CO2-Emissionen effektiv zu redu- verwertung von Kunststoffabfällen zwischen Wirtschaft und Wissen- zieren. anhand eines eigens entwickelten schaft: So konnte durch die Kontakt- Kreislaufsystems zu fördern und aus- herstellung zu Ansprechpartnern mit Glas spielt – oft unsichtbar – in vielen An- zubauen. Dabei soll zunächst ein eige- der gesuchten fachlichen Expertise wendungen für die Leistungsfähigkeit von ner 3D-Granulat-Drucker entwickelt bzw. den erforderlichen themenspe- Produkten eine entscheidende Rolle, so und anschließend mit diesem das aus zifischen Fähigkeiten die Konzeptidee auch in der Architektur, z. B. als Bestand- dem Gelben Sack gesammelte, aufbe- validiert werden. Sie soll nun mit För- teil von Kompositwerkstoffen, die als Bau- reitete und zerkleinerte Recyclingma- dermitteln umgesetzt und zu Markt- material dienen. Auch in Form von mikro- terial verarbeitet werden. reife weiterentwickelt werden. metergroßen, hohlen Glaspartikeln, so genannten Mikrohohlglaskugeln (MHGK) ist Glas in Baustoffen im Einsatz. Bei der Energiebilanz im Herstellungsprozess von MHGK ist allerdings noch Luft nach oben. Im Technologie Anwender Zentrum (TAZ) Spiegelau der Technischen Hochschule Deggendorf (THD) wird daher im Projekt MicroBubble an einem neuen, effizienten Vom Abfall aus dem Gelben Sack zum recyceltem Kunststoffmaterial zum 3D-gedruckten Bauteil. Prozess geforscht, um MHGK mit gerin- © Bild 2 und 3: kunststoffcampus bayern / TSZ Weißenburg gerem Energieaufwand produzieren zu können. So soll ein breiterer Markt für die- Neues Forschungszentrum se ökologischen Dämm- und Leichtbau- stoffe erschlossen werden. Mit im Boot der THD in Plattling sind auch die Projektpartner 3M/Dyneon GmbH sowie die Franken Maxi Mauermör- Am 6. Oktober eröffnete das For- Die Forschungsgemeinschaft, beste- tel GmbH & Co. Die Reduktion der Grauen schungszentrum Moderne Mobili- hend aus mit Prof. Dr.-Ing. Berthold Energie, d.h. des Energieverbrauchs bei tät Plattling als zehnter Technologie Bäuml, Prof. Dr.-Ing. Otto Kreutzer, der Herstellung von Baustoffen, ist eine Campus der Technischen Hoch- Prof. Dr. techn. Michael Sternad, Prof. wesentliche Klimaschutzmaßnahme. schule Deggendorf. Der interdiszipli- Thomas Limbrunner sowie Prof. Dr.- näre Ansatz des Campus beinhaltet Ing. Jochen Hiller, ist thematisch Betreut wird das Projekt von Prof. Dr. die Forschungsfelder Energiespei- sehr gut aufeinander abgestimmt Thorsten Gerdes vom KeyLab Glastech- chersysteme, Leistungselektronik, und stellt mit den wissenschaftlichen nologie der Universität Bayreuth, einer autonomes Fahren / Fahrerassistenz- Kompetenzen an der THD im Bereich der Wissenschaftlichen Leiter am TAZ systeme, Robotik sowie die roboter- Smart Grid, Erneuerbare Energien Spiegelau. Zusammen mit den Industrie- basierte Computertomographie und und Flottenmanagement ein Allein- partnern ist er für ein neuartiges, umwelt- führt diese zusammen. stellungsmerkmal im Bereich der Mo- freundliches System einer spritzbaren dernen Mobilität dar. Dämmung mit MHGK in diesem Jahr für den Deutschen Zukunftspreis des Bun- Weitere Informationen despräsidenten nominiert (Verleihung nach Redaktionsschluss am 25.11.2020).
Forschung in Bildern TRAINING AM EI Nadel und Faden sind mit bloßem Auge nur als flüchtiger Schimmer wahrnehmbar. Erst unter dem Mikroskop nehmen sie Gestalt an und lassen erahnen, wie ruhig die Hände sein müssen, wenn sie Gefäße mit einem Durchmesser von einem halben Millimeter zusammennähen wollen. Die Arbeit mit hauchzarten Materialen braucht teuerstes Mikroinstrumentarium aus Stahl, absolute Konzentration, Ausdauer und viel Übung. Dr. Silke Härteis, Professorin für Molekulare und Zelluläre Anatomie an der Universität Regensburg (UR), und Dr. Thiha Aung, plastischer Chirurg am Universitätsklinikum Regensburg, haben für das Trainieren von mikrochirurgischen Eingriffen ein zukunftsweisendes, von der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie ausgezeichnetes Modell entwickelt: Sie trainieren die angehenden Chirurginnen und Chirurgen an der Membran von Bio-Eiern. © Julia Dragan / UR
Forschung in Bildern Die Erkennung von Wasserstoffgas im Fahrzeuginnenraum ist für Brennstoffzellenautos essenziell. Da dieses Gas hochgradig flüchtig und brennbar ist, müssen die Messmethoden aus Sicherheitsgründen sehr zuverlässig und präzise sein. An der OTH Regensburg wurde im Forschungscluster Elektronenoptische und Optoelektronische Systeme (LEOS) in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Rupert Schreiner dafür ein Wärmeleitfähigkeitssensor zur Wasserstoffgasdetektion entwickelt. Die Abbildung zeigt, wie das Sensorelement durch Mikrofertigungstechniken auf Siliziumwafern hergestellt wird. Weitere Informationen zum Verfahren und den Ergebnissen: HOCHPRÄZISE SENSOREN © OTH Regensburg 13
Forschung in Bildern MODERNE MIKROBEARBEITUNG MIT LICHT Am Technologie Campus Teisnach Sensorik der Technischen Hochschule Deggendorf (THD) wird an innovativen Sensoren aus Glas geforscht. Im Projekt PUltraB werden moderne Sensorgehäuse für Ultraschallwandler entwickelt. Glas bietet neben Umweltaspekten viele Vorteile wie Temperatur- und Chemikalienbeständigkeit. Die Bearbeitung der feinen, oftmals nur wenige Mikrometer kleinen Strukturen erfolgt mit einem Ultrakurzpulslaser. Das Bild zeigt die Strukturierung eines Glaswafers in der Anlage. Bei der Laserbearbeitung werden mit kurzen Lichtpulsen, oftmals nur einige Milliardstel Sekunden lang, mikroskopisch kleine Mengen an Material verdampft und dadurch die Mikrostrukturen erzeugt. Die so erzeugten „Gehäuse“ werden anschließend zu funktionsfähigen Glassensoren für die Medizintechnik oder den Automotive-Bereich weiterverarbeitet. Derartige Sensoren werden künftig z. B. in der Spirometrie eingesetzt (Messung von Atemvolumen / Luftflussgeschwindigkeit), also etwa bei der Beatmung in der Intensivmedizin. Der Vorteil gegenüber bisherigen Sensoren liegt a) in der berührungslosen und damit genaueren Messung, und b) wird der Sensor durch Einkapseln in Glas widerstandsfähiger und kann beispielsweise sterilisiert werden. 14 © TC Teisnach Sensorik
Forschung in Bildern Das hygienische Design von Medizinprodukten und die antimikrobielle Wirkung von Oberflächen stehen im Diagnostik- und Mikrobiologielabor des Instituts für Medizintechnik an der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) Amberg-Weiden nicht nur zu Corona- Zeiten im Mittelpunkt des Interesses. Insbesondere werden dort Beschichtungen und Reinigungsmethoden getestet, die pathogene Erreger abtöten sollen. Um entsprechende Nachweise zu erbringen, werden Proben und Abstriche von kontaminierten Flächen untersucht. Was auf dem Bild wie Ketchup anmutet, sind in Wirklichkeit Bakterien, welche den Schutz, der auf eine Oberfläche aufgetragen wurde, überwinden und sich KEINE ABSTRICHE BEI DER HYGIENE infolgedessen vermehren konnten. © Sebastian Buhl / OTH Amberg-Weiden 15
Krisen „Unternehmen brauchen agile, flexible Geschäftsmodelle“ „Deutschland hat wirtschaftlich ein blaues Auge kassiert“, sagt die Passauer Ökonomin Prof. Dr. Carolin Häussler. Die Corona- Krise zeigt, wie verwundbar auch eine starke Volkswirtschaft wie die der Bundesrepublik ist. Sie macht Schwachstellen sichtbar und gibt Hinweise, wo Unternehmen ansetzen können, um krisenfester zu werden. Welche Problemstellen hat strategisch betrachten. Auch in den können nicht mehr anderweitig im die aktuelle Krise besonders Wertschöpfungsketten von Unter- Unternehmen investiert werden. deutlich aufscheinen lassen? nehmen haben sich diese Schwach- Das führt zu einem Spannungsfeld: Prof. Dr. Carolin Häussler Die zwei stellen gezeigt, wenn sich etwa ein Ressourcen für Krisenvorsorge oder wichtigsten Aspekte meiner Meinung Zulieferer als weniger zuverlässig als für Wachstum einzusetzen. nach sind Digitalisierung und Sou- gedacht erwiesen hat. veränität. Die Krise hat gezeigt, dass Welche Voraussetzungen die Digitalisierung uns Möglichkeiten Welche Lehren können Unter- braucht ein Unternehmen eröffnet, mit der Pandemie und da- nehmen kurz- und länger- grundsätzlich, um dauerhaft mit verbundenem social distancing fristig aus der Krise ziehen, einigermaßen krisenfest zu besser umgehen zu können. Jedoch um für eine mögliche weitere sein? ist in Deutschland die Verfügbarkeit Krise besser gewappnet zu Häussler Unternehmen bewältigen von flächendeckendem schnellem sein? eine Krise meist dann ganz gut, wenn Internet und digitaler Infrastruktur Häussler Wie stark ein Unterneh- sie ein agiles und flexibles Geschäfts noch nicht da, wo sie sein sollte. Da men von der Krise betroffen ist, modell aufweisen. Oft wird in diesem muss unbedingt aufgerüstet werden. hängt sehr stark von der Branche Zusammenhang von zwei P hasen Wir haben einen Crashkurs in Sachen ab. Aber auch in betroffenen Bran- bzw. Aspekten gesprochen, der Digitalisierung hinter uns und die chen haben es einige Unternehmen Creation-Phase und der Capture- Offenheit für Homeoffice, Home- besser geschafft, durch die Krise Phase. In der ersten geht es um schooling und digitale Meetings ist zu kommen als andere. Von hoher das Produkt, das ein Unternehmen enorm gestiegen. Bedeutung sind dabei vor allem die aufbaut. Ziel ist es, etwas Innovatives Sicherung der Liquidität und die zu entwickeln, das einen Mehrwert Der zweite Punkt sind Abhängig- Resilienz. Das heißt, ein finanzielles für Kundinnen und Kunden hat. In der keiten in der kritischen Infrastruktur, Polster für Krisenzeiten zu haben zweiten Phase muss es dem Unter- zum Beispiel bei der Herstellung von und krisenfest zu sein. Krisenfestig- nehmen gelingen, den geschaffenen Medikamenten oder medizinischer keit, also Resilienz, lässt sich einer- Wert auch für sich abzuschöpfen. Ausrüstung. Hier kommt es immer seits durch Digitalisierung aufbauen, Indem es beispielsweise das Neue wieder zu Engpässen. Natürlich kann die ein orts- und zeitunabhängiges schützt und somit Nachahmer in einer globalen Wirtschaft nicht Arbeiten möglich macht, aber auch ausschließen kann oder indem es alles hier in Deutschland produziert durch sichere Bezugsquellen oder gelingt, findige Mitarbeiterinnen und werden, aber es sollte eine gewisse eine Ersatzquelle für den Krisenfall. Mitarbeiter ans Unternehmen zu Souveränität bestehen. Gerade ein Allerdings muss immer abgewogen binden. Gerade in Krisenzeiten ist es Exportland wie Deutschland muss werden, denn Ressourcen, die für außerdem wichtig, dass sich das Ge- deshalb das Thema Technologie- ein Polster zurückgehalten oder schäftsmodell flexibel an veränderte souveränität differenziert und geo- für Backups ausgegeben werden, Umstände anpassen lässt. 16
fest? LIQUIDITÄT UND Schwerpunkt Krise und Chance RESILIENZ RESILIENZ SIND VON HOHER BEDEUTUNG. Prof. Dr. Carolin Häussler ist Inhaberin des Lehrstuhls für Organisation, Technologiemanagement und Entrepreneur- ship und ist außerdem Mitglied der Exper- tenkommission Forschung und Innovation der Bundesregierung. Mit dem International Center for Economics and Business Studies lockt sie Forscherinnen und Forscher aus aller Welt nach Passau. Prof. Dr. Carolin Häussler lehrt an der Universität Passau und berät als Mitglied der Expertenkommission Forschung und Innovation die Bundesregierung. © Universität Passau Als Mitglied der Experten- vor allem darum, Innovationen und als bisher ihre Erkenntnisse und kommission Forschung und Technologien zu fördern, die zu einer ihr Wissen allgemein verständlich Innovation beraten Sie die nachhaltigen Entwicklung beitragen. aufbereiten und in die Gesellschaft Politik. Welche Maßnahmen Und es geht darum, Maßnahmen zu tragen. Für den Mittelstand ist sind Ihrer Meinung nach sinn- ergreifen, die neben dem Klimawan- die Nähe zu Hochschulen sicher voll und zukunftswirksam? del das zweite aktuelle Strukturpro- von Vorteil, wenn es zum Beispiel Häussler Für Branchen und Unter- blem, die weltweit steigende soziale darum geht, ein passendes agiles nehmen, die unverschuldet hart von Ungleichheit, angehen. Geschäftsmodell zu finden oder der Krise getroffen wurden und ohne neue Technologien einzusetzen. Wo Hilfe nicht überleben könnten, sind Welche Rolle spielt die wir an der Uni Passau viel schaffen kurzfristige Hilfen zur Liquiditätssi- Wissenschaft beim Thema können, ist der Bereich Künstliche cherung sinnvoll. Für junge, innova- Krisenbewältigung? Intelligenz, um Geschäftsmodelle zu tive Unternehmen denke ich da zum Häussler Die Krise hat gezeigt, wie analysieren und neu aufzustellen. Beispiel an Venture Debt, Wag- wichtig die Wissenschaft ist, nicht Gerade im B2B-Sektor sehe ich da nis(fremd)kapital, wie es in anderen nur die Epidemiologie und Medi- viele Möglichkeiten. Ländern schon viel häufiger ver- zin. Meiner Meinung nach muss geben wird. Langfristig aber geht es die Wissenschaft noch viel mehr Das Interview führte Nicola Jacobi 17
Gekommen, um zu bleiben Vier Erfolgsfaktoren für Unternehmen in schwierigen Zeiten D er 11. September 2001, die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008, die COVID-19- Pandemie. Ereignisse, die aus dem Nichts das Wirtschaften veränderten und verändern. Und die wie Beschleuniger Die Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pan- demie bzw. deren Auswirkungen auf das gesellschaftliche wie wirtschaftliche Leben rücken diesen Bereich nun für Unternehmen aller Größen und Branchen in den Fokus. wirken, Märkte durcheinanderwirbeln, die die einen Firmen Sie müssen die grundlegenden Voraussetzungen für Resili- in den Olymp, die anderen in den Orkus schicken. Welche enz schaffen und widerstandsfähige Strukturen aufbauen. Kriterien sind die entscheidenden? Wie schaffen es vor al- Organisationen müssen in der Lage sein, sich zu erholen lem kleine und mittlere (Familien-)Unternehmen, die Her- und zur Normalität zurückzukehren, aber auch, Anpassun- ausforderungen zu bestehen? Diesen Fragen widmet sich gen an externe, zufällige Veränderungen vorzunehmen. Alexander Herzner, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Insti- tut für Nachhaltigkeit in Technik und Wirtschaft der Ostbay- Vier Faktoren der Widerstandsfähigkeit erischen Technischen Hochschule (OTH) Amberg-Weiden. Was also sind die grundlegenden Wurzeln einer wider- standsfähigen Organisation? Welche Rolle spielen finanzi- Das Management der Geschäftskontinuität ist für gro- elle und soziale Ressourcen, um einen Schock abzufedern? ße, weltweit agierende und somit auch störungsanfällige Wir wollen in diesem Beitrag vier hypothetische Faktoren Unternehmen seit langem eine zentrale Aufgabe. Betriebs- zur Diskussion stellen, aber vor allem im Austausch mit prozesse wie beispielsweise automatisierte Produktions- den Partnerunternehmen der OTH Amberg-Weiden wei- prozesse der Industrie 4.0 oder auch Finanzdienstleis- terentwickeln. Gerade in einer Krise, für deren Bewältigung tungen sind anfällig für Beeinträchtigungen, die durch kein „Drehbuch“ einer Managementtheorie bereitliegt, ist Naturkatastrophen oder auch gezielte Angriffe ausgelöst dieser bidirektionale Transfer von enormer Bedeutung. werden können. Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter und Unter- nehmen müssen geschützt, Kommunikation und IT auf- rechterhalten, Werte gesichert werden. 18
Schwerpunkt Krise und Chance RESILIENZ Prof. Dr. Christiane Hellbach, Vizepräsidentin der OTH Amberg-Weiden und stv. Sprecherin des Netzwerks Die Qualität des Stakeholder-Managements ent- Hochschule & Nachhaltigkeit Bayern. scheidet darüber, ob die Anforderungen und Interessen © OTH Amberg-Weiden der verschiedenen Gruppen wie Kundinnen und Kunden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, usw. so ausgeglichen Impuls und integriert werden können, dass Krisen partnerschaft- „Eine starke, eine krisenrobuste Gesellschaft ist die lich bewältigt werden können. Vertrauen und Wertschät- Voraussetzung für eine stark bleibende Wirtschaft. Die zung sind dabei besonders wichtig. Deswegen gehört zum ostbayerischen Hochschulen und Universitäten stärken Stakeholder-Management eine effektive Kommunikation. die Wirtschaft direkt – durch sehr gut ausgebildete Absolventinnen und Absolventen und durch Forschungs- und Technologietransfer, Kooperationen, Netzwerke, Kultur und Werte werden nach der Pandemie eine Startups aus den Hochschulen. Sie stärken zudem die noch größere Rolle spielen. Die Pandemie wird die Wert- Gesellschaft, indem sie junge Menschen mit Wissen aus- statten. Die Wissenschaft ist für komplexe Bewältigungs- gerüste der Gesellschaften verändern. Das betrifft nicht strategien in komplexen Krisen unverzichtbar, das hat die nur die Frage, in welcher Relation Freiheit und Sicherheit öffentliche Diskussion und die politische Entscheidungs- stehen müssen. Homeoffice ist auch eine Frage des Ver- findung gerade in der Pandemie deutlich gemacht. Eine trauens. Rücksichtnahme auf Schwächere stellt sich dem starke Gesellschaft wird von Persönlichkeiten gebildet, die neugierig und lernbegierig sind. Persönlichkeiten, im Konsum traditionell eher gepflegten Hedonismus ent- die sich verändern können – egal ob wegen äußerlichen gegen. Organisationen müssen ihre Ziele diskutieren und Drucks oder aus innerem Antrieb zur Verbesserung. Wir gegebenenfalls auch Strukturen anpassen. Unternehmen als Hochschullehrerinnen und -lehrer können dabei Vorbild sein für die Bereitschaft, Neues zu wagen und mit einer stark wertebasierten Kultur, die authentisch ist, Hindernisse zu überwinden.“ können andere Resilienzfaktoren leichter nutzen. Hinsichtlich der Unternehmensführung ist Entrepre- neurship statt Managertum gefragt. In einer Krise muss im Wie nach anderen Krisen auch, entstehen jetzt neue Zustand der Unsicherheit gearbeitet und geführt werden. Geschäftsmodelle, welche die kommenden Jahre prägen Klassisches Management nach Zielen kann hier kaum wei- werden. Um in diesem Umfeld bestehen zu können, wird terhelfen. Auch patriarchalische Strukturen stoßen an ihre sich auch die Unternehmenslandschaft Ostbayerns verän- Grenzen. Erfolgreiche Führung in der Krise bedeutet zuzu- dern müssen. Es ist gut, dass das Resilienz- und Kontinui- hören, viele Themen gleichzeitig aufgreifen zu können und tätsmanagement stärker im Fokus der Wissenschaft steht klare Entscheidungen zu treffen. Auch hier bietet das Ho- und auch neue Konzepte zur Verfügung stehen. meoffice gutes Anschauungsmaterial: Vertrauen ersetzt Kontrolle, Qualität ersetzt Zeit / Anwesenheit. Und wieder Eines zeigt sich in der Corona-Pandemie deutlich: Es ist die effektive Kommunikation der Schlüssel. kommt aufs Handeln an. Tatsächlich gab es ja durchaus Studien und Handlungsanweisungen für die Vorbereitung Veränderung der Unternehmenslandschaft auf und für das Agieren im Falle einer Pandemie. Konkret Die aktuelle Krise zeigt, welche Geschäftsmodel- vorbereitet haben sich allerdings wenige. Selbst als die le nicht nachhaltig sind. Statt um den Erhalt von Werten Lage klar war, zögerten die Akteure aus Politik und Wirt- muss es um das Schöpfen von Werten gehen. Nachhaltige schaft. In dem Moment, als die Härte der zu treffenden Geschäftsmodelle hängen stark davon ab, wie ein Unter- Maßnahmen für alle sichtbar zu Tage trat, scheuten die © lassedesignen – stock.adobe.com nehmen seine Rolle in der Gesellschaft definiert. Verein- Verantwortlichen nochmals kurz zurück. Aber ein Unter- facht gesagt: Wer stets um jeden Preis Steuern vermeiden nehmen schafft es nur dann zu bleiben, wenn es sich an will, aber in der Krise umgehend nach staatlicher Stützung den Werten orientiert, die es tragen. Ein bisschen werte- ruft, muss sich neu justieren. bewusst funktioniert nicht. Alexander Herzner / Dr. Matthias Schöberl 19
Unikat 4.0 Um die deutsche Industrie speziell im Werkzeug- und Formenbau dabei zu unterstützen, ihre Position im weltweiten Wettbewerb auszubauen und zu sichern, wird im Anwendungslabor Industrie 4.0 (I4.0) der Technischen Hochschule Deggendorf (THD) an einer allgemeingültigen, durchgängig digitalen und vollvernetzten Hochautomatisierungslösung geforscht. M it einer Zahnbürste die Zähne put- zen, mit dem Auto fahren – die Nut- zung alltäglicher Produkte ist selbstverständlich. Über den Entstehungsprozess und die Herkunft der einzelnen Ele- Das Gebot der Stunde ist, Knowhow zu sichern, tech- nologische Souveränität zu behalten und die Innovations- kraft zu steigern. Dabei ist die durchgängige Digitalisierung der Wertschöpfungsketten eine essenzielle Chance und mente wird selten nachgedacht. Ein Auto besteht aus ca. von großer strategischer Bedeutung. Die Bündelung von 15.000 Einzelteilen. Diese in Massen gefertigten Kompo- Knowhow, interdisziplinäre Zusammenarbeit, die enge nenten entstehen in Serienproduktion (z. B. durch Kunst- Einbindung der am Prozess beteiligten Mitarbeiterinnen stoffspritzgussverfahren oder Blechumformtechnik). Um und Mitarbeiter sowie die damit verbundene erfolgreiche in Serie produzieren zu können, werden Werkzeuge und Entwicklung und Integration digitaler Technologien ent- Formen benötigt, die für jedes einzelne Teil individuell mit lang der gesamten Prozesskette sind fundamental. der Losgröße 1 hergestellt werden. Die Fertigung solcher Unikate stellt weltweit eine Schlüsselindustrie zur Serien- Agile regionale Fertigung fertigung dar. Deutsche Firmen, auch in Ostbayern, sind Die Gesellschaft steht vor neuen, schwierigen Heraus- dank langjähriger Tradition weltweite Kompetenzführer – forderungen: Fachkräftemangel, demographischer Wan- noch. Die Konkurrenz in Asien ist stark. Vor allem in China del, Abverkauf von Kern-Knowhow und globale Krisen wie hat man bereits sehr früh die Bedeutung dieses Industrie- die Corona-Pandemie. Mit Beginn der ersten Pandemie- zweigs erkannt. Schon vor mehr als 60 Jahren wurde damit Welle war festzustellen, dass einfachste, aber essenzielle begonnen, mould cities aufzubauen, also ganze Städte als Produkte wie Masken, Faceshields oder Maskenzugent- Fertigungszentren von Formen und Werkzeugen. Mittler- lastungen nicht erhältlich waren. Die Fähigkeit, benötigte weile sind insbesondere die chinesischen Top-Werkzeug- Artikel agil und schnell regional zu fertigen, ging Schritt für bau-Unternehmen in Punkto Leistungsfähigkeit den deut- Schritt verloren. schen dicht auf den Fersen. Gerade im Werkzeug- und Formenbau erfordern die globalen Megatrends – Individualisierung, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Konnektivität – einen immensen Wandel des Status quo. Mit dieser Mission wurde mit Absolventen des Masterstudiengangs „Technologiemanagement“ das Startup ti4f gegründet. Dr.-Ing. Ludwig Gansauge, Profes- sor an der THD und Mentor des jungen Startups, erzählt: „In diesem Studiengang wird viel über die Zukunft der Industrie gelehrt und debattiert. In den praxisorientier- ten Vorlesungen und Praktika in unserem Labor, das dem Verband Deutscher Werkzeug- und Formenbauer (VDWF) angegliedert ist, wird auf die Problematik der Einzelteil- fertigung besonders eingegangen. Denn die Herstellung der Werkzeuge und Formen ist auf der Prozessebene zur durchgängig digitalisierten Fertigung noch optimierbar. In meiner Lehre vermittle ich den Masterstudierenden die entsprechenden Methoden.“ Dieses Werkzeug entstand während des Corona-Lockdowns im Frühjahr 2020 im Anwendungslabor I4.0. Es dient zur Herstellung der Faceshield- 20 Bügel und der Maskenentlastungen im Spritzgussverfahren.
Schwerpunkt Krise und Chance RESILIENZ 5-Achs-Simultanfräsmaschine DMC 65 neu gedacht werden. Nur mit einer durchgängigen Pro- zesskette und der damit einhergehenden Digitalisierung können Betriebe die internationale Wettbewerbsfähigkeit wahren. Der Lockdown hat vor Augen geführt, wie fragil glo- bale Lieferketten sein können. Die Corona-Krise befeuert momentan einen Trend hin zur Re-Regionalisierung von Deutscher Erfindergeist plus US-amerikanisches Wertschöpfungsketten, um nicht von Produzenten am an- Marktmanagement deren Ende der Welt abhängig zu sein. Deshalb entstand Im Rahmen des Silicon Valley Programms, das das im Frühjahr im Anwendungslabor innerhalb kürzester Zeit Weiterbildungszentrum der THD unter der Leitung von ein Werkzeug zur industriellen Herstellung von dringend Prof. Peter Schmieder in Kooperation mit der Santa Clara benötigten Faceshields. Um medizinische Einrichtungen, University (SCU) berufsbegleitend für alle Gründungsin- Apotheken und Unternehmen zu versorgen, wurde mit teressierten anbietet, entstand ein digitales Geschäfts- dem Kunststoffspritzguss-Werkzeug eine Serienfertigung modell. Prof. Gansauge: „Die Teilnahme am Silicon Valley eingerichtet. Nachdem alle Lieferketten aus USA und Chi- Programm hat zur Fokussierung beigetragen und ein Netz- na abgerissen waren, konnten in kürzest möglicher Zeit werk von unterstützenden Personen des Vorhabens an der (binnen vier Wochen) mit Werkzeugfertigstellung 1.000 THD und in der Industrie entstehen lassen.“ Produkte am Tag auf der hochschuleigenen Spritzguss- Produktionsmaschine hergestellt werden. Eine im Som- In enger Zusammenarbeit mit dem Kollegen mer / Herbst 2020 konzipierte Maskenzugentlastung soll Schmieder und den Experten im Silicon Valley entstand Tragekomfort und Allergieprobleme deutlich verbessern ein systematischer Weg zur Umsetzung einer Geschäfts- und kann derzeit vielen Menschen helfen, das Tragen der idee bzw. Innovation mit skalierbaren Produkten zur inter- Masken zu erleichtern. nationalen Revolutionierung des Werkzeug- und Formen- baus, basierend auf digitalen Säulen. Die Denkweise der International konkurrenzfähig, regional und ethisch Produktentwicklung im Silicon Valley unterscheidet sich korrekt wesentlich von der deutschen Mentalität. Ein sehr schnell Diese einfachen, aber intelligent konzipierten Pro- entwickeltes Testprodukt (Minimum Viable Product) wird dukte können auf Basis der Forschungsaktivitäten der beispielsweise schon in einem frühen Stadium ausge- THD für den Werkzeug- und Formenbau mit Preisen unter wählten Kunden präsentiert und anhand ihrer Rückmel- chinesischem und osteuropäischem Niveau hergestellt dung versucht, ein optimales Produkt zu entwickeln, das werden. Die COVID-19-Produkte – mithilfe digitaler Mit- in der breiten Masse Anklang findet. Die übliche deutsche tel hergestellte, einfache Seriengüter – bieten also auf Herangehensweise ist die vollkommene Fertigstellung des mehreren Ebenen einen Mehrwert für die Gesellschaft, Produkts im Labor, ohne Berücksichtigung spezifischer da sie die Pandemie eindämmen, zukünftig in den Deg- Kundenwünsche und Tests beim Kunden. Die Produkte gendorfer Werkstätten der Lebenshilfe Deggendorf e.V. sind somit häufig over-engineered, oder zielen nicht auf hergestellt und aus umweltfreundlichen Materialien pro- den Nucleus des Problems ab. duziert werden. Vorsprung durch smarte I4.0-Lösungen Im Mittelpunkt der Werkzeugherstellung steht ak- Wie also können bestehende Wettbewerbsvorteile in tuell die brandneue 5-Achs-Simultanfräsmaschine, die der Unikatfertigung gegenüber der asiatischen Konkurrenz dem Deggendorfer Forschungsteam mit größtem Auto- weiter ausgebaut und gesichert werden? Gansauge resü- mationsgrad und höchster Genauigkeit eine präzise Werk- miert: „Entscheidend sind kurze Time-to-Market-Interval- zeugfertigung ermöglicht. So können Labormitarbeiterin- le, Automatisierung und Kostenoptimierungen, die meist nen und -mitarbeiter, Studierende und das ti4f-Team auf auf durchgängigen Prozessen und Digitalisierungspoten- Augenhöhe mit den industriellen Werkzeug- und Formen- zialen basieren.“ Um der wachsenden Produktvielfalt und bau-Kunden technologische und prozessuale Effizienz- der steigenden Komponentenvielfalt der Werkzeuge und steigerungen realisieren. Fertigungshilfsmittel gewachsen zu sein, muss der gesam- te Wertschöpfungsprozess im Werkzeug- und Formenbau Prof. Dr.-Ing. Ludwig Gansauge © Alle Bilder: Lukas Haselberger / THD Anwendungslabor Industrie 4.0 21
HOME ALS NEUER OFFICE STANDARD? Homeoffice, virtuelle Meetings, neue Unternehmenskultur – durch die aktuelle Krise läuft in vielen Büros vieles anders als bisher. Dabei wird es noch wichtiger, den Menschen in den Fokus zu rücken. Prof. Dr. Peter Fischer und Prof. Dr. Matthias Hudecek vom Lehrstuhl für Sozial-, Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Universität Regensburg befassen sich daher aus einer arbeits- und organisationspsychologischen Perspektive mit wichtigen Voraussetzungen für die Arbeitswelt der Zukunft. Prof. Dr. Matthias Hudecek Prof. Dr. Peter Fischer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter ist seit 2011 Inhaber des am Lehrstuhl von Prof. Fischer. Lehrstuhls für Sozial-, Sein Fokus liegt besonders auf Arbeits-, Organisations- und den Menschen in den Unter- Wirtschaftspsychologie an nehmen. Bei seiner Forschung der Universität Regensburg befasst er sich mit den Themen und beschäftigt sich in seiner Motivation, Persönlichkeitsent- Forschung mit evidenzbasierter wicklung sowie Psychologie der Führung, Digitalisierung sowie Digitalisierung. © Tom Schulte / Informationsverarbeitung bei FOM Hochschule Entscheidungen. © privat 22
Schwerpunkt Krise und Chance ARBEITSWELT D ie Corona-Pan- demie hat die Arbeitswelt nachhaltig verändert. Und das bereits nach wenigen Mo- reichen Unternehmen die Kapazi- täten der Büros reduziert. Zukünftig wird es keinen eigenen bzw. festen Arbeitsplätze mehr geben, sondern Strukturen und Prozessen – also z. B. der unternehmensweiten Einführung von Homeoffice als Standard – reicht für sich genommen nicht aus. Die naten. COVID-19 wirkt wie ein großer je nach Bedarf muss ein Schreibtisch digitale Arbeitswelt erfordert mehr Katalysator und treibt als „Change im Büro im Vorfeld gebucht werden. denn je eine menschenorientierte Agent“ Veränderungen im Eiltempo und vertrauensbasierte Unterneh- voran. Am stärksten wirkt sich dies Voraussetzungen für digitales menskultur. Denn die Kultur fungiert auf die Digitalisierung des Arbeitsall- Arbeiten wie eine Leitplanke für das Verhalten tags aus. Virtuelle Meetings und das Für eine funktionierende digitale der Menschen in Organisationen. Ist Arbeiten im Homeoffice werden zur Arbeitswelt sind daher verschiedene beispielsweise bei der Mehrheit der Normalität. Voraussetzungen auf drei Ebenen Beschäftigten noch eine Präsenz- erforderlich: (1) Auf der individuellen kultur in den Köpfen verankert, wird Krise als Antrieb für Veränderung Ebene des Beschäftigten braucht ein Wettlauf um die verbliebenen Als erstes haben große Tech- es die nötigen Fähigkeiten für ein Schreibtische beginnen, nur damit Konzerne reagiert und Homeoffice erfolgreiches Navigieren durch die man von der Führungskraft im Büro zum neuen Standard erklärt – bei digitale Welt. Denn die hohe Auto- gesehen wird. Hier gilt es ein Ver- Google vorerst bis Juli 2021, bei nomie der neuen Arbeitswelt kann ständnis zu etablieren, dass Arbeit Twitter gleich dauerhaft. Aber auch nur funktionieren, wenn die erfor- im virtuellen Raum gleich viel wert ist eher traditionelle Unternehmen derlichen Kompetenzen vorhanden wie Arbeit vor Ort und vielmehr die wie beispielsweise die Deutsche sind. Ansonsten kann aus Autonomie tatsächliche Leistung bewertet wird. Telekom gehen neue Wege und schnell Überforderung werden. „werden nicht in den Zustand vor der Gerade da die Veränderungen bisher Menschen im Mittelpunkt Krise zurückkehren, sondern in eine sehr schnell vorangeschritten sind, Abschließend soll darauf hin- hybride (Arbeits-)Welt“ (so CEO Ti- sollte in jedem Unternehmen die Fra- gewiesen werden, dass trotz aller motheus Höttges bei der Vorstellung ge gestellt werden: Wo fehlen noch Veränderungen bestimmte Dinge der Quartalsergebnisse im Mai 2020). Kompetenzen bei unseren Mitarbei- und Mechanismen gleich geblie- Telefónica geht sogar noch einen terinnen und Mitarbeitern? Denn ben sind. Die Unternehmen setzen Schritt weiter und ermöglicht den schon vor Corona hat Forschung sich weiterhin aus den Menschen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gezeigt und Erfahrung gelehrt, dass zusammen, die dort arbeiten – und zukünftig zu arbeiten wann und wo eine gelingende und funktionale die Grundprinzipien menschlichen sie möchten. Denn die Corona-Krise Nutzung von modernen Kommuni- Verhaltens haben sich durch Corona hat gezeigt, dass die Arbeitsergeb- kationstechnologien wie beispiels- nicht geändert. Weiterhin spielen nisse (im Büroalltag) nicht von der weise Slack nicht automatisch und Bedürfnisse ebenso wie Ängste (physischen) Präsenz der Mitarbeiter von alleine funktioniert (Stray et oder Befürchtungen im Kontext abhängen. Die ortsungebundene al., 2019). (2) Eine weitere Ebene von Veränderungen eine zentrale Form des Arbeitens bringt große Vor- betrifft das Verhältnis zwischen Rolle. Umso wichtiger ist es daher, teile mit sich. Nicht nur aufgrund der Führungskräften und Beschäftigten. insbesondere die Führungskräfte Zeitersparnis, da Arbeitswege und Führungskräfte müssen in der Lage für die relevanten psychologischen Reisezeiten wegfallen, sondern auch, sein, auch im virtuellen Raum in Mechanismen zu sensibilisieren. weil Arbeitszeiten freier eingeteilt Kontakt mit ihrem Team zu bleiben. und beispielsweise nach familiären Sie müssen wissen, wie es ihren Mit- Prof. Dr. Matthias Hudecek / Erfordernissen ausgerichtet werden arbeiterinnen und Mitarbeitern geht Prof. Dr. Peter Fischer können. Arbeiten kann also bezüg- und auch erkennen können, wenn lich Zeit und Ort selbstbestimmter bei Beschäftigten droht, dass aus erfolgen. Gleichzeitig gehen mit der Work-Life-Balance ein Work-Li- Literatur © kruraphoto – stock.adobe.com diesen Möglichkeiten auch erhöh- fe-Conflict wird. (3) Die dritte Ebene Stray, Viktoria.; Moe, Nils B.; Noroozi, Mehdi: Slack Me If You Can! Using Enterprise Social te Flexibilitätserfordernisse oder bezieht sich auf die Unternehmens- Networking Tools in Virtual Agile Teams. -erwartungen an die Beschäftigten kultur und betrifft somit die Organi- In: 2019 ACM/IEEE 14th International einher. Schon jetzt werden in zahl- sation als Ganzes. Das Verändern von Conference on Global Software Engineering (ICGSE). Montreal, S. 111–121.
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