LANDENTWICKLUNG AKTUELL - Bundesverband der ...
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AUSGA BE 2016 LANDENTWICKLUNG AKTUELL Das Magazin des Bundesverbandes der gemeinnützigen Landgesellschaften Integriertes Flächenmanagement für nachhaltige Landentwicklung Landnutzungsansprüche und -konflikte Initiativen und Maßnahmen Regelungs- und Steuerungsinstrumente Flächenmanagement BLG
2 Landentwicklung aktuell | 2016 Gemeinnützige Landgesellschaften Partner für integrierte Landentwicklung Ländliche Entwicklung und die sie begleitenden Förderprogramme sind Aufgaben der Siedlungs- bzw. Landgesellschaften nur dann nachhaltig und effizient, wenn sie qualifiziert umgesetzt Umsetzung von Strukturförderprogrammen der EU (ELER, EFRE), werden. des Bundes und der Länder (GAK, GRW; Städtebauförderung): Bund, Ländern, Kommunen und privaten Akteuren stehen mit den Betreuung einzelbetrieblicher Investitionsmaßnahmen, gemeinnützigen Siedlungs- bzw. Landgesellschaften kompetente Ein- Planung, Standort- und Genehmigungsmanagement für Investi- richtungen zur Seite, die als Wirtschaftsunternehmen, mit öffentlicher tionsvorhaben, Beteiligung und unter öffentlicher Aufsicht förder- und ordnungspoli- Durchführung von Maßnahmen der Flurneuordnung, tische Aufgaben der ländlichen Entwicklung aktiv begleiten. Dienstleistungen im Rahmen des Vertragsnaturschutzes, Im Kontext eines sektorübergreifenden integrierten Förder- und Orts- und Regionalentwicklung; Erstellen und Umsetzen von Pla- Entwicklungsansatzes, fortschreitender Funktionalreformen in der Ver- nungen zur Land- und Gemeindeentwicklung inkl. integrierter re- waltung, zunehmender Bedeutung Öffentlich-Privater Partnerschaften gionaler Entwicklungskonzepte und integrierter Stadtentwicklung, in der Finanzierung, Umsetzung und Realisierung von Entwicklungs- Regionalmanagement, Begleitung von LEADER-Aktionsgruppen. vorhaben sowie der Moderation von Entwicklungsprozessen sind die Landgesellschaften kompetente Dienstleister und Partner für eine nach- Vorausschauendes und integriertes haltige, integrierte Entwicklung. Flächenmanagement In Deutschland gibt es neun gemeinnützige Siedlungs- bzw. Land- Zentrales Element der Entwicklungsaktivitäten der Landgesellschaf- gesellschaften, die in zehn Bundesländern und zwei Stadtstaaten als ten ist das umfassende Flächenmanagement, das in seiner Breite die Entwicklungsgesellschaften für die ländlichen Räume und die Verbes- Besonderheit der Unternehmen ausmacht. Zum Flächenmanagement serung der Agrarstruktur tätig sind. der Landgesellschaften gehören: Landerwerb und Bodenbevorratung für Agrar- und Infrastruktur, ökologische und andere öffentliche Zwecke, Die Siedlungs- bzw. Landgesellschaften Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts in Verbindung haben ihre Rechtsgrundlage im Reichssiedlungsgesetz (RSG). mit dem Grundstückverkehrsgesetz, sind Kapitalgesellschaften mit unmittelbarer bzw. mittelbarer Betreuung und Durchführung überbetrieblicher Maßnahmen, wie mehrheitlicher Beteiligung der jeweiligen Bundesländer und sons- Beschleunigte Zusammenlegung, tiger Körperschaften des öffentlichen Rechts. Freiwilliger Landtausch, sind Organe der Landespolitik zur Entwicklung ländlicher Räume, Bodenordnung und Zusammenführung von Gebäude- und Boden- sie unterstehen i. d. R. der Fachaufsicht des für Landwirtschaft eigentum, zuständigen Ressorts. In den Aufsichtsgremien sind weitere Lan- Verwaltung und Verwertung landeseigener Flächen und landwirt- desministerien vertreten. schaftlicher Immobilien, arbeiten als gemeinnützige Unternehmen in der Planung, Finan- Hofbörsen, zierung und Umsetzung strukturverbessernder Maßnahmen im Flächenagenturen für Ökopunkte. ländlichen Raum, die z. T. von der öffentlichen Hand gefördert Agrarstrukturelle Belange spielen beim Flächenmanagement der Land- werden. gesellschaften eine besondere Rolle. Als vor allem im öffentlichen sind von den Ländern als allgemeine Sanierungs- und Entwick- Interesse tätige Unternehmen ist die Arbeit der Landgesellschaften lungsträger nach dem Baugesetzbuch anerkannt. darauf ausgerichtet, die divergierenden Interessen verschiedener sind über ihren Bundesverband (BLG) deutschlandweit vernetzt Gruppen auszugleichen und Konflikte zu mindern. und eingebunden in den europäischen Verbund der Landentwick- lungseinrichtungen (AEIAR). Instrumenten-Mix für innovative Lösungen Ein Alleinstellungsmerkmal der Landgesellschaften ist der Instru- Die Unternehmensziele – Verbesserung der Agrarstruktur, Stärkung menten-Mix, den sie einsetzen können – ganz im Sinne einer inte- der Wirtschaftskraft sowie Verbesserung der Lebens-, Arbeits- sowie grierten und nachhaltigen Entwicklung. Dazu gehören die förder- Umweltverhältnisse in ländlichen Räumen – sind in den Satzungen politischen Instrumente und auch die Einbindung in den Vollzug der Landgesellschaften verankert und bestimmend für das breite Auf- der ordnungsrechtlichen Instrumente sowie eigenes wirtschaftliches gaben- und Tätigkeitsprofil der Unternehmen. Engagement.
Integriertes Flächenmanagement für nachhaltige Landentwicklung 3 Editorial Sehr geehrte Leserinnen, sehr geehrte Leser, Boden ist nicht vermehrbar – (Zeitraum 2003 bis 2015) auf 16 299 Hektar (Zeitraum 2016 bis eine Binsenweisheit, die eine tiefgrün 2030) bzw. 2,83 Hektar je Tag deutlich reduziert, allerdings bleibt dige und vor dem Hintergrund zuneh- das Thema Kompensation gänzlich unerwähnt. Nach dem öffentlichen mender Flächennutzungsansprüche Konsultationsverfahren wird darauf verwiesen, »die Ermittlung und immer größere Bedeutung erlangt. Planung von Vermeidungs-, Minderungs- und Kompensationsmaß- Siedlungs- und Verkehrswegeentwick- nahmen im Sinne der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung sei lung bewegt sich in einem Geflecht Gegenstand nachfolgender Verfahren«. Dann wird es zu spät sein zwischen Wirtschaftsentwicklung, Le- und die Chance einer Neuausrichtung bei der Kompensation wurde Foto: privat bensqualität, bezahlbarem Wohnraum vergeben. Sie wäre jetzt notwendig, denn gerade bei öffentlichen und Nachhaltigkeit. Die Flächenbedarfe Bundes- und Landesverkehrswegeträgern gibt es Vorbehalte gegen- für Wohnungsbau, Gewerbe, Infrastruk- über der Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen im Sinne des tur und Freizeit liegen im Schnitt der letzten drei Jahre bei rund § 15 Abs. 3 Bundesnaturschutzgesetz, sowohl bei der Einbeziehung 75 Hektar täglich, hinzu kommt noch der Ausgleich für die Eingriffe von Ökopools / Ökokonten als auch insbesondere bei der Nutzung von in Natur und Landschaft. Wegen des Zeitversatzes von Planung und produktionsintegrierten Kompensationsmaßnahmen. Für die Zukunft Realisierung entfaltet die mit der jüngsten BauGB-Novelle verordnete ist leider nicht ausgeschlossen, dass weiterhin nahezu ausschließlich Stärkung der Innenentwicklung noch nicht die erwartete Wirkung. klassische und flächenintensive Ausgleichsmaßnahmen geplant und Brachen-Revitalisierung und Flächenrecycling sind zeit- und kapital- umgesetzt werden. intensiv und zeigen nur langsam Ergebnisse. Die Richtung stimmt. Nun liegt es an den Abgeordneten des Deutschen Bundestages, in Dennoch, das vom Nachhaltigkeitsrat ausgegebene und bis 2020 zu den weiteren Beratungen ein Zeichen zu setzen. In den Bundesver- erreichende 30-Hektar-Ziel ist nicht zu schaffen, wenn es bei dem kehrswegeplan aufgenommen werden sollte eine freiwillige Selbst- momentanen Tempo der Entwicklung bleibt. Dabei stehen mit dem verpflichtung des Bundes als Eingreifer durch Verkehrsprojekte, die hohen Wohnungsbedarf, der weiteren Energiewende, dem dazuge- besagt, dass ein vorrangiger Teil des naturschutzfachlichen Ausgleichs hörenden Netzausbau sowie dem geplanten umfänglichen Hochwas- durch innovative und agrarstrukturschonende Maßnahmen realisiert serschutz neue Herausforderungen mit Nachfrage nach Fläche an. werden soll. Auch Beiträge zum Klimaschutz haben Flächenbezüge und i. d. R. Was tun die gemeinnützigen Landgesellschaften: Satzungs mindestens eine extensivere Nutzung zur Folge. auftrag ist die Verbesserung der Lebensverhältnisse in ländlichen Die Beiträge in dieser Ausgabe von Landentwicklung aktuell spie- Räumen. Landgesellschaften setzen auf ein umfassendes integ- geln wieder: Landnutzungsansprüche und -konflikte werden immer riertes Flächenmanagement für die Verbesserung der Agrarstruktur komplexer. Im Spannungsfeld der verschiedensten Landnutzungsan- und eine nachhaltige Landentwicklung. Sie arbeiten mit einem sich sprüche steht mehr denn je die Agrarstrukturentwicklung. Die verant- ständig weiterentwickelnden Instrumentenkasten an konsensualen, wortlichen politischen Akteure bemühen sich, weitere Flächeneinspar- agrarstrukturverträglichen Lösungen. Die zahlreichen Best-Practice- potenziale auszuschöpfen, springen aber hin und wieder zu kurz oder Beispiele in diesem Heft berichten von gegenwärtigen und perspek- vergeben Chancen: So ist es trotz Verankerung im Koalitionsvertrag tivischen Lösungsbeiträgen. Vergleichbare Entwicklungen gibt es in in dieser Legislaturperiode nicht gelungen, mit einer Kompensations- Belgien, wie ein Beitrag der flämischen Landentwicklungsgesellschaft verordnung bundeseinheitliche Standards zu setzen und agrarstruk- VLM zeigt. turschonenden innovativen Ausgleichsmaßnahmen weiter den Weg Wir bedanken uns bei den Autorinnen und Autoren dieses Heftes zu ebnen. Dies wäre gerade für den Ausgleich von länderübergrei- ganz herzlich für die Artikel bzw. Statements und wünschen Ihnen fenden Infrastrukturvorhaben durchaus hilfreich gewesen, zumal eine interessante anregende Lektüre. rein formal Strategien zur Vermeidung von Flächeninanspruchnahme kein Thema bei der Strategischen Umweltprüfung (SUV) sind. Bei der Ihr jüngsten Änderung auf EU-Ebene hat sich dafür auch kein Bundes- ressort starkgemacht. Dem Umweltbericht zum Bundesverkehrswegeplan vom März Volker Bruns diesen Jahres zufolge wird zwar die zusätzliche Flächeninanspruch- Vorsitzender des Vorstandes des BLG, Geschäftsführer nahme im Vergleich zum vorhergehenden Plan von 37 100 Hektar der Landgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern mbH
4 Landentwicklung aktuell | 2016 Integriertes Flächenmanagement für nachhaltige Landentwicklung Inhalt Editorial Volker Bruns 3 Landnutzungswandel: Herausforderungen und Zukunftsoptionen apl. Prof. Dr.-Ing. Thomas Weith 5 Siedlungs- und Verkehrsflächenentwicklung im Spannungsfeld von Wirtschaftsentwicklung und Nachhaltigkeit – Sicht der Landesplanung Werner Müller 9 Herausforderungen der Energiewende an das Flächenmanagement Clemens Neumann 12 STATEMENTS: Neue Anforderungen an das Wohnen – Bezahlbaren Wohnraum schaffen … Gunther Adler 15 BMEL Plattform »Schutz der natürlichen Ressource Boden« … Peter Bleser 16 Das 30-Hektar-Ziel: (nur noch) eine Vision? Prof. Dr. Günther Bachmann 17 Bundeskompensationsverordnung – Erfordernis Anne Schöps 18 Agrarstrukturentwicklung im Spannungsfeld von Landnutzungskonflikten Bernhard Krüsken 20 Geplante Änderungen des Bauplanungsrechts in der 18. Legislaturperiode Anke Brummer-Kohler 22 Regelungs- und Steuerungsinstrumente der Landnutzung auf dem Prüfstand Prof. Dr. Ulrike Grabski-Kieron 24 STATEMENT: Flächensparen durch Zertifikathandel? Lukas Schütz 28 Mit Integriertem Flächenmanagement zur ganzheitlichen Lösung … Prof. Dr. M. Klärle, Prof. Dr. H. Müller 29 BEST-PRACTISE-BEISPIELE | Werkstattbericht: Multiple Zielbedienung im Flächenmanagement in Sachsen-Anhalt Dr. Willy Boß 31 Lösung von Landnutzungskonflikten über größere Entfernungen Jacobus Penning 33 Umwandlung der Roselies-Kaserne in ein Wohn- und Mischgebiet Christopher Toben 34 Brachflächenrecycling in Mecklenburg-Vorpommern Frank Kleine 35 Landschaftseingriffe – effizient planen und interaktiv visualisieren Veneta Ivanova 36 Klimaschutz, Landnutzung, Landmanagement … Dr. J. Fick, Prof. Dr. P. Weingarten 38 BEST-PRACTISE-BEISPIEL: Flurbereinigung zur Umsetzung der EU-WRRL an der Tarnitz Jürgen Ahrens 41 Sachsen-Anhalt – mehr als nur ein Hochwassertransitland Dr. Wolfgang Milch 43 Chance.natur – Naturschutzgroßprojekte in Deutschland Dr. Annette Doerpinghaus, Jörg Bruker 45 BEST-PRACTISE-BEISPIEL: Konsensfindung und Akzeptanz vor Ort Catharina Druckenbrod 47 Innovative Kompensation als Beitrag für einen agrarstrukturverträglichen Umgang … Dr. Alexander Schmidtke 49 BEST-PRACTISE-BEISPIELE: Flächenmanagement zur gezielten Bevorratung von Ausgleichsflächen Sebastian Lange-Haffmans 51 Ökokontomaßnahme Naundorf: Renaturierung einer Stallanlage Jörg Voß 52 Flächenfinanzierungen mit der Rentenbank Dr. Christian Bock 54 Ländliche Entwicklung in EU-Mitgliedsstaaten: Lösung von Landnutzungskonflikten … Griet Celen 56 »Plattform Ländliche Räume«: Ländliche Räume 4.0: Chancen und Potenziale Marika Puskeppeleit 59 Beispiele aus der Tätigkeit der Landgesellschaften: Freizeitkarte für die Zukunftsregion Schwarzachtalplus Xenia Veeh 61 Neuer Lebensraum für Feldlerchen: Das Modell »Haftendes Grundstück« P. Steinmetz, Dr. Y. Binard-Kühnel 62 Raumordnung und Agrarstruktur in Vorpommern – Stärkung der Landwirtschaft … Dr. H. Brandt, T. Mehlhorn 63 Die neuen Schlossherren – agile Gemeinschaften durch gemeinsames Handeln Heike Winkelmann 65 Landgesellschaften diskutieren neue Wege im Vertragsnaturschutz Dietrich von Hobe 67 Neue Internet-Plattform der Höfe- und Waldbörse Rolf Hoffner 68 Um- und Neubau des Landwirtschaftlichen Bildungszentrums Echem … Andreas Lindenberg 70 Ländlicher Lebens(t)raum Westerzgebirge – Mit LEADER in die Zukunft Beate Bauer, Dr. Wolfgang Huhn 71 Hochwasserschutz und gewässerstrukturverbessernde Maßnahmen an der Weißen Elster … Marcel Möller, Kai Schröder 73
Integriertes Flächenmanagement für nachhaltige Landentwicklung 5 Landnutzungswandel: Herausforderungen und Zukunftsoptionen Autor: apl. Prof. Dr.-Ing. Thomas Weith Veränderungen der Landbedeckung und von Landnutzungen sind ein altes Phänomen. Seit der Sesshaftwerdung des Menschen sind sie Alltag. Mit der agrarischen und industriellen Revolution hat der Landnutzungswandel insbesondere auch in Europa neue Geschwindigkeiten und Dimensionen angenommen. Heute beschäftigen Foto: Weith wir uns mit einer Vielzahl unterschiedlicher Landnutzungsansprüche und den sich daran anschließenden Landnutzungskonflikten. Landnutzungswandel in Europa Die Folgen von Nutzungsansprüchen Als generelle Einflussfaktoren des Landnutzungswandels in Für ganz Europa lässt sich inzwischen eine kontinuierliche Zunahme E uropa können die Migration von Bevölkerung und deren Veränderung sogenannter »künstlicher« Flächen nachweisen (artificial areas; EEA (demografischer Wandel), die Konzentration ökonomischer Tätigkeiten 2015). Für Deutschland wird auch zukünftig, trotz eines hohen An- mit der Entwicklung der dafür notwendigen Infrastrukturen und der teils innerörtlicher Brachflächen, mit einer anhaltenden Inanspruch- Wandel von Umweltbedingungen (zukünftig v. a. direkt und indirekt nahme landwirtschaftlicher Flächen für Siedlung und Verkehr und durch den Klimawandel) angesehen werden. mit einer zunehmenden Zerschneidung von Landschaftsräumen (z. B. In den letzten Jahrzehnten haben sich die menschlichen An- durch Energietrassen) zu rechnen sein. Damit nimmt auch der Verlust sprüche an Land in Europa stark verändert. Mit größerer Nachfrage von fruchtbaren Böden und somit auch von Wasserrückhalteräumen nach Wohnflächen (Leitbild Einfamilienhaus) und veränderten Haus- weiter zu. Biodiversitätsverluste sind weiterhin zu beklagen, auch haltsstrukturen (kleinere Haushalte) sowie zunehmend verbesserter bedingt durch die intensive Landbewirtschaftung bei Nährstoffüber- Erreichbarkeit wuchsen suburbane und periurbane Räume in allen schüssen und fehlenden Stoffkreisläufen. Regionen. So lässt sich für Deutschland aktuell immer noch ein Zu den skizzierten Entwicklungen kommen weitere, auf den ersten Wachstum der Siedlungs- und Verkehrsfläche von täglich ca. 70 Hek- Blick nicht erkennbare raumstrukturelle Veränderungen hinzu. Zu nen- tar nachweisen. Dies führt auch zu zunehmender Zerschneidung von nen ist nicht allein der seit Langem beobachtbare agrarstrukturelle Landschaftsräumen (vgl. Hoymann, Goetzke 2014). Wandel. In Europa insgesamt lässt sich beobachten, dass sich in be- Zugleich treiben jedoch auch politische Entscheidungen den Land- stimmten Metropolregionen ökonomische und kulturelle Faktoren nutzungswandel voran. So hat die Energiewende nicht nur zu einem verstärkten Anbau von Energiepflanzen mit den zu deren Verwertung notwendigen Anlagen geführt. Auch Windenergie- und Fotovoltaik- apl. Prof. Dr.-Ing. Thomas Weith anlagen sowie neue Trassen verändern die Landschaften und treiben, außerplanmäßiger Professor für zusammen mit Faktoren wie Kapitalanlageinteresse und Intensivland- Raumplanung und Umweltentwicklung wirtschaft, die Bodenpreise nach oben (Langenberg, Theuvsen 2016). an der Universität Potsdam (Institut In vom Bevölkerungsrückgang oder von wirtschaftlichen Umbrü- für Geographie) sowie Sprecher des chen besonders betroffenen Gebieten versuchen zudem Lokalpolitiker Arbeitsgebietes »Co-Design of Change durch große Neuausweisungen von Gewerbe- und Wohnbauflächen and Innovation« am Leibniz-Zentrum eine (aussichtslose) Trendumkehr. Zugleich lassen die Kompensation für Agrarlandschaftsforschung Foto: privat von baulichen Eingriffen sowie die Renaturierung devastierter Abbau- Müncheberg (ZALF), Institut für flächen die Wald- und Wasserflächen wachsen. Auf einem Großteil der Sozioökonomie. landwirtschaftlichen Flächen hält eine intensive Bewirtschaftung an.
6 Landentwicklung aktuell | 2016 immer stärker bündeln und somit Landnutzungskonflikte verstärken. den h ohen, wenngleich nicht immer mobilisierbaren, Bestand an Hingegen werden andere Regionen immer stärker peripherisiert. Im um- und nachnutzbaren Flächen, auch in Kleinstädten und Dörfern. Laufe der Zeit haben die regionalen Disparitäten ein solches Maß Aktuell diskutierte Trends wie die Reurbanisierung bzw. der stärkere angenommen, dass ernsthaft infrage steht, ob solche Regionen noch Rückzug von Personen in die Zentralen Orte sind bislang noch nicht dauerhaft »mithalten«, insbesondere noch wichtige Infrastrukturen in ihren Wirkungen abschätzbar. aufrechterhalten können. Landnutzungskonflikte sind in solchen Die derzeit praktisch einsetzbaren Instrumentarien sind vielfach Regionen gleichwohl weiterhin zu erwarten, da – wie durch die Tank- zu schwach, um wirkliche Änderungen in der Landnutzung herbei- Trog-Teller-Diskussion bereits bekannt – gerade in solchen Gebieten zuführen oder zu verhindern. Weder das Planungs- und Baurecht die Landnutzungsansprüche weiterhin vielfältig bleiben (Hoffmann (v. a. Raumplanung und Bauleitplanung) noch ländliche bzw. land- et al. 2015). Insgesamt ist zu erwarten, dass auch in Zukunft mit wirtschaftliche oder stadtbezogene Förderpolitiken haben bislang einem hohen Maß an Landnutzungskonflikten zu rechnen sein wird. zum Umschwung geführt, eher zur leichten Abpufferung. Neue Entwicklungen wie z. B. die Energiewende werden vielfach ohne Aktuelle Antworten frühzeitige explizite Diskussion um die Wirkung auf die Raum- und Siedlungsstrukturen und die Folgen für die Landnutzung umgesetzt. Der Großteil der skizzierten Probleme und Herausforderungen mit Zugleich fördern andere Regularien, wie z. B. die Finanzierungslogik Blick auf den Landnutzungswandel ist seit Langem bekannt. Die der Kommunalhaushalte, das Siedlungswachstum, wenn Folgekosten Thematik des Flächensparens wird seit den 1960er Jahren in der vernachlässigt werden. Eine stärkere Abstimmung der Instrumentarien, alten Bundesrepublik thematisiert. Seit Jahren zeigen Erhebungen auch über die räumlichen Ebenen hinweg, ist nicht erkennbar. Anstieg der Siedlungs- und Verkehrsfläche in Hektar pro Tag1 Gebäude- und Freifläche, Betriebsfläche (ohne Abbauland) Erholungsfläche, Friedhof Verkehrsfläche Trend (gleitender Vierjahresdurchschnitt) Zwischenziele des UBA für 2010 und 2015 Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie Quelle: Umweltbundesamt 2016 nach Statistisches Bundesamt 2015, Umweltökonomische Gesamtrechnungen. 2 140 129 Nachhaltige Entwicklung in Deutschland. Indikatoren zu Umwelt und Ökonomie (Stand 11/2015) 120 115 120 113 100 87 80 Ziel 80 74 73 69 60 Ziel 55 40 Ziel 30 20 0 1992 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2020 bis ‘96 1 Die Flächenerhebung beruht auf der Auswertung der Liegenschaftskataster der Länder. Aufgrund von Umstellungsarbeiten in den amtlichen Katastern (Umschlüsselung der Nutzungsarten im Zuge der Digitalisierung) ist die Darstellung der Flächenzunahme ab den Jahr 2004 verzerrt. 2 Das UBA hat Zwischenziele für das Ziel der Bundesregierung für das Jahr 2020 (30 ha/Tag) vorgeschlagen: 80 ha/Tag im Jahr 2010 und 55 ha/Tag im Jahr 2015.
Foto: ZALF Landnutzungswandel: Herausforderungen und Zukunftsoptionen 7 Intensive Diskussion bei einem Workshop um Instrumente für ein nachhaltiges Landmanagement Neben einer stärkeren Koordination der Strategien und Instrumente wird in der wissenschaftlichen Diskussion eine Vielzahl von neu- Das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsfor- en ökonomischen und informationsbezogenen Ansätzen diskutiert. schung Müncheberg (ZALF) e. V. erklärt Wirkungs Flächenzertifikate sind ebenso in der im Gespräch wie neue Grund- zusammenhänge in Agrarlandschaften wissenschaft- steuermodelle. Zum Teil haben diese Konzepte auch schon den Weg lich und stellt der Gesellschaft die Wissensgrundlage in den politischen Diskurs gefunden. Neu entwickelte informations- für eine nachhaltige Nutzung von Agrarlandschaften bezogene Ansätze setzen darauf, die veränderten Möglichkeiten von bereit. Die Forschung am ZALF umfasst daher auch die Planungsinformationen und Wissensmanagement stärker miteinander gesellschaftlichen Ansprüche an Agrarlandschaften zu verknüpfen (Kaiser, Köhler, Weith 2015). Damit sollen insbeson und die Wirkung ihrer Nutzung, wie auch wesentliche dere Erkenntnisdefizite bei einzelnen Akteursgruppen abgebaut und gesellschaftliche Herausforderungen im Kontext von Folgeeffekte vor getroffenen Entscheidungen besser abgeschätzt Agrarlandschaften. Am ZALF im Institut für Sozio werden können. ökonomie wird derzeit das Wissenschaftliche Begleit- vorhaben zur BMBF-Fördermaßnahme »Innovative Zukunftsoptionen Systemlösungen für ein Nachhaltiges Landmanage- ment« bearbeitet. Die in diesem Projekt vielfältig Welche Möglichkeiten bestehen für die Zukunft? Unbestritten bleibt zusammengestellten Ergebnisse können online unter die weitere Verringerung der Inanspruchnahme insbesondere wertvoller www.nachhaltiges-landmanagement.de/de/wis- Böden für die Entwicklung von Siedlungs- und Verkehrsflächen weiter- sensthek/dokumente/ abgerufen und in einem Forum hin als oberste Priorität. Hier sind insbesondere regionale Lösungen auch diskutiert werden. gefragt, die auch bereits bestehende Instrumente wie Flächenpools mit neuen Ansätzen (Intelligentes Greening) verbinden und auch neuen Herausforderungen wie die verstärkte Ausweisung von Über- schwemmungsflächen zum Hochwasserschutz mit integrieren. Gefragt sind Synergien unterschiedlicher Nutzungsansprüche. Zugleich darf nicht vergessen werden, dass trotz der Vielfalt von Akteuren und
8 Landentwicklung aktuell | 2016 Fotos: Weith, ZALF Neue Landnutzungsansprüche und Konflikte durch Windkraftanlagen Neue Wege des Wissensmanagements im Land Brandenburg deren Interessenlagen ein Verzicht auf Partizipation und Wissensinte- Einen neuen Schwung in die Diskussion können zum einen sicherlich gration insbesondere auf mittlere bis lange Sicht immer zu Blockaden die Auseinandersetzungen um die neuen Nachhaltigkeitsziele der Ver- und Akzeptanzproblemen führen wird. Entscheidend ist hier das an- einten Nationen (Sustainable Development Goals 2015) bringen. Hier gemessene Wie, und nicht das Ob. Die hier in vielen Projekten bereits hat sich inzwischen eine breite fachliche Diskussion, z. B. um Ziele eingeübten Praktiken in der ländlichen Entwicklung können hier nur wie etwa die nachhaltige Stadtentwicklung oder eine nachhaltige hilfreich sein. Auch die fachlichen Experten müssen sich hierbei Landwirtschaft und Ernährungssicherung entwickelt. Zum anderen die Frage gefallen lassen, inwieweit ihre Vorstellungen transparent entspinnt sich um die aktuell erkennbare Wertsteigerung von Land- kommuniziert und allgemein nachvollziehbar sind. Und, inwieweit sie wirtschaftsflächen und dem Wandel von Grundeigentumsstrukturen, passförmig mit weiteren Politikansätzen sind. Das schlichte Festhal- insbesondere in Ostdeutschland, ein intensiver Meinungsaustausch, ten an bestehenden Sektoralpolitiken, auf allen politischen Ebenen, bislang ohne eindeutiges Urteil. Die Diskussion um eine nachhaltige wird nur zu weiteren Konflikten führen. Landnutzung hält also an. Literatur · EEA European Environmental Agency 2015: Landsystems. www.eea.europa.eu/soer-2015/europe/land. Zugriff am 12.7.2016. · Hoffmann, J.; Dehne, P.; Weith, Th.; Strauß, Ch.; Gaasch, N. 2015: Landnutzungswandel durch demographischen Wandel? – Evidenzen und Schlussfolgerungen. In: Raumforschung und Raumordnung, Heft 7, S. 79–90; DOI 10.1007/s13147-015-0335-x. · Hoymann, J.; Goetzke, R. 2014: Die Zukunft der Landnutzung in Deutschland – Darstellung eines methodischen F rameworks. In: Raumforschung und Raumordnung, Heft 72, S. 211–225. DOI 10.1007/s13147-014-0290-y. · Kaiser, D.; Köhler, Th. ; Weith, Th. 2016: Knowledge Management in Sustainability Research Projects – Con- cepts, e ffective models and examples in a multi-stakeholder environment. In: Applied Environmental Education & C ommunication (Taylor & Francis), 16:1, S. 4–17, DOI: 10.1080/1533015X.2016.1141720. · L angenberg, J.; Theuvsen, L. 2016: Zentralisation des Flächenmanagements: Ein Beitrag zu einer effizienteren F lächennutzung? In: Berichte über Landwirtschaft. Zeitschrift für Agrarpolitik und Landwirtschaft, Band 94, Ausgabe 1. · Umweltbundesamt 2016: Anstieg der Siedlungs- und Verkehrsfläche. www.umweltbundesamt.de/daten/flaechennutzung/Siedlungs-Verkehrsflaechen. Zugriff am 22.7.2016.
Integriertes Flächenmanagement für nachhaltige Landentwicklung 9 Siedlungs- und Verkehrsflächenentwicklung im Spannungsfeld von Wirtschaftsentwicklung und Nachhaltigkeit – Sicht der Landesplanung Autor: Werner Müller Die Raumordnung ist dem Ausgleich unterschiedlicher, auch wirtschaftlicher Foto: shutterstock / stocksolutions und ökologischer Belange an den Raum verpflichtet. Zum Schutz des Freiraums und zur Förderung kompakter Siedlungsstrukturen verfolgt die Raumordnung inzwischen den Anspruch, quantitative Ziele zur Begrenzung der Flächeninanspruchnahme im Rahmen der Landes- und Regionalplanung zu berücksichtigen. Das Bundesland Hessen beab- sichtigt, im Rahmen der Neuaufstellung des Landesentwicklungsplans, die Flächeninan- spruchnahme ab 2020 auf maximal 2,5 Hektar/Tag zu begrenzen. Leitvorstellung und Grundsätze Quantitative Ziele zur Reduzierung der Raumordnung der Flächeninanspruchnahme Gemäß Raumordnungsgesetz (ROG) hat die Raumordnung den Boden erscheint heute häufig als unbegrenzte Ressource. »Fläche« Auftrag, »unterschiedliche Anforderungen an den Raum aufeinander wird oftmals unter ökonomischem Blickwinkel mit »Preisen und Ver- abzustimmen und die auf der jeweiligen Planungsebene auftretenden mögenswerten«, unter sozialen Gesichtspunkten mit »Zugänglichkeit, Konflikte auszugleichen« (§ 1 Abs. 1 ROG). Dabei ist die Raumord- Nutzbarkeit und Eigentum« und unter ökologischen Gesichtspunkten nung der Leitvorstellung verpflichtet, im Rahmen einer »nachhaltigen mit »Standort für Landespflege und Naturschutz« assoziiert. Diese Raumentwicklung die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Betrachtungsweise ist zwar richtig, aber längst nicht mehr ausrei- Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang zu bringen« chend. Vielmehr muss ergänzend die Endlichkeit und die Wertigkeit (§ 1 Abs. 2 ROG). Die Leitvorstellung der Raumordnung einer nach- der Ressource »Boden« mit Lebens- und Stoffkreisläufen beachtet haltigen Raumentwicklung ist durch Festlegungen in Raumordnungs- werden. Die unbebaute, unzerschnittene und unzersiedelte Fläche ist plänen unter Berücksichtigung der Grundsätze der Raumordnung zu eine begrenzte und begehrte Ressource. Um ihre Nutzung konkurrie- konkretisieren (§ 2 ROG). Das Spannungsfeld zwischen Wirtschafts- ren beispielsweise Land- und Forstwirtschaft, Siedlung und Verkehr, entwicklung und Ressourcenschutz spiegelt sich auch in den Grund- Naturschutz, Rohstoffabbau und Energieerzeugung. Das Verständnis sätzen der Raumordnung wider. So ist der Raum »im Hinblick auf eine hierfür ist essenziell zur Verminderung der Flächeninanspruchnahme, langfristig wettbewerbsfähige, räumlich ausgewogene Wirtschafts- denn durch die Nutzung von immer neuen Flächen für Wirtschaft, struktur und wirtschaftsnahe Infrastruktur sowie ein ausreichendes Verkehr und Wohnen haben sich bereits erhebliche, zum Teil uner- und vielfältiges Angebot an Arbeits- und Ausbildungsplätzen zu ent- wünschte ökologische, soziale, städtebauliche, landwirtschaftliche wickeln« (§ 2 Abs. 2 Satz 4 ROG). Darüber hinaus ist »der Freiraum und ökonomische Folgewirkungen ergeben.1 durch übergreifende Freiraum-, Siedlungs- und Fachplanungen zu Um diesen Entwicklungen Rechnung zu tragen, hat die Bundes schützen« sowie »die Flächeninanspruchnahme im Freiraum zu be- regierung im Rahmen der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie das grenzen« (§ 2 Abs. 2 Satz 2 ROG). Dieser Grundsatz der Raumordnung Ziel formuliert, die Inanspruchnahme von Boden für neue Siedlungs- wird inzwischen durch quantitative Einsparziele zur Reduzierung der und Verkehrsflächen auf 30 Hektar pro Tag bis zum Jahr 2020 zu Flächeninanspruchnahme konkretisiert. reduzieren. Als langfristiges Ziel wird die Reduzierung der Siedlungs- flächeninanspruchnahme auf null Hektar pro Tag angestrebt. Beide 1 Statistisches Bundesamt, Nachhaltige Entwicklung in Deutschland, Ziele sind Maßstäbe für die Nachhaltigkeit bei der Entwicklung von Indikatorenbericht 2014. Stadt und Land und stehen für eine Trendwende im Umgang mit
10 Landentwicklung aktuell | 2016 gleichzeitiger Nachfrage nach zusätzlichen Siedlungsflächen.2 Der Landesentwicklungsplan Hessen 2000 (im November des Jahres 2000 aufgestellt) strebt eine kompakte Siedlungsentwicklung orientiert an dem Leitbild der dezentralen Konzentration entlang der Siedlungs- achsen an. Ziel des Landesentwicklungsplanes ist es, Vorsorge für die ausreichende Bereitstellung von Siedlungsflächen zu treffen. In den Regionalplänen wird der voraussichtliche Bedarf an Wohnsiedlungs- flächen gemeindeweise ermittelt und dargestellt. Der Landesentwicklungsplan Hessen 2000 sieht die vorrangige Inanspruchnahme regionalplanerisch bereits ausgewiesener Sied- lungsbereiche vor der Ausweisung zusätzlicher Siedlungsflächen vor. Foto: shutterstock / stripped Pixel Vorrang der Innenentwicklung und Sicherung der Standort- und Versorgungsqualität Der Grundsatz der Innenentwicklung vor der Außenentwicklung wurde bei den in den Jahren 2009–2011 aufgestellten Regional- plänen für Nord-, Mittel- und Südhessen weiter konkretisiert. Die Ermittlung des gemeindeweisen Bedarfs an Wohnsiedlungsflächen in den Regionalplänen führt bereits bei einigen Kommunen zu einem rechnerisch negativen Bedarf; in Hinblick auf notwendige Leerstand und Baulücken bieten Potenziale für Innenentwicklung. Entwicklungsmöglichkeiten wurden diesen Kommunen noch in einem geringen Umfang Siedlungsflächen für die weitere Siedlungsflächen- entwicklung zugestanden. Bei der Ausweisung von zusätzlichen Sied- Flächenressourcen. Es geht hierbei um eine intelligentere und vor lungsflächen ist die zukünftige Bevölkerungszahl, die innere Struktur allem nachhaltigere Nutzung der endlichen Flächen. Es ist davon der Gemeinde sowie die langfristige Tragfähigkeit der Infrastruktur auszugehen, dass ein sparsamer Umgang mit der Ressource Fläche zu berücksichtigen. mit positiven Effekten für den Umweltschutz, die Stadtentwicklung Die absehbaren Veränderungen des Bevölkerungsbestandes und sowie die Wohnungs- und Sozialwirtschaft verbunden ist. Um diese der Altersstruktur in den Städten und Gemeinden machen einen sehr Ziele zu erreichen, sieht die Bundesregierung in erster Linie Länder sorgsamen Umgang für eine dauerhafte Sicherung der Standort- und und Kommunen gefordert, da sie im Rahmen der Raumordnungs- und Versorgungsqualitäten immer dringlicher. Bauleitpläne Festlegungen über die Flächenwidmung treffen. Nachweis von Innenentwicklungspotenzialen Beitrag der Landes- und Regionalplanung und Flächenmanagement zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme Im Zuge der Neuaufstellung des Landesentwicklungsplans Hessen ist beabsichtigt, mit landesweit einheitlichen Vorgaben einen Nachweis Minderungsziele des Landes Hessen von Innenentwicklungspotenzialen eine transparente Grundlage für Hessen hat sich im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie sukzessive die Beurteilung von Planungen im Rahmen von Zielabweichungs- Minderungsziele gesetzt, wonach der tägliche Zuwachs seiner Sied- verfahren oder Genehmigungsverfahren von Bauleitplänen einzu- lungs- und Verkehrsfläche bis 2011 auf 3,5 Hektar, ab 2012 auf führen. Daher sollte es langfristig Ziel sein, dass durch die Träger 3,1 Hektar, ab 2016 auf 2,8 Hektar und schließlich ab 2020 auf 2,5 Hek- der Regionalplanung auf ein regionales Flächenmanagement unter tar zu begrenzen ist. Die nachstehende Grafik stellt die die Entwick- Einbeziehung der Kommunen zur Steuerung einer Flächen sparenden lungen in Hessen dar. Siedlungsentwicklung hingewirkt wird. Vorausschauendes Flächen management bildet also eine Zukunftsaufgabe für die Kommunen, Demografische und wirtschaftliche um attraktive Siedlungsstrukturen und eine bezahlbare Infrastruktur Entwicklung berücksichtigen für alle zu erhalten. Der in den hessischen Landesteilen unterschiedlich verlaufende de- Nachhaltig bedeutet dabei, der Innenentwicklung den Vorzug vor mografische und wirtschaftsstrukturelle Wandel führt zu räumlich der Außenentwicklung zu geben. Hierbei kommt den Kommunen im stark differenzierten Bedarfen bezüglich der Ausweisung zusätzlicher Siedlungsflächen. In Wachstumsräumen wie dem Rhein-Main-Gebiet 2 Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwick- besteht nach wie vor Flächenbedarf und Siedlungsdruck auf die Frei- lung (2016): Bevölkerungsvorausschätzung für Hessen und seine Regionen als räume. In Stagnationsräumen oder Räumen mit rückläufiger Bevöl- Grundlage der Landesentwicklungsplanung – Wichtige Ergebnisse im Überblick. kerung kommt es zu einer vermehrten Zunahme von Leerständen bei (Auftragnehmer: HA Hessen Agentur, Wiesbaden).
Siedlungs- und Verkehrsflächenentwicklung im Spannungsfeld von Wirtschaftsentwicklung und Nachhaltigkeit 11 Anstieg der Siedlungs- und Verkehrsfläche (SuV) in Hessen in Hektar pro Tag Datenquelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Wiesbaden; Grafik: HMWEVL, Ref. I 3, Juni 2016 Gebäude- und Freifläche, Betriebsfläche (ohne Abbauland), Erholungsfläche, Friedhof, Verkehrsfläche Gebäude- und Freifläche, Betriebsfläche (ohne Abbauland), Erholungsfläche, Friedhof Verkehrsfläche SuV insgesamt Minderungsziele im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie 6,0 5,0 4,0 3,0 2,0 1,0 0 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 Daten konnten im Jahr 1999 / 2000 durch die Umstellung von FOLIKA auf ALB nicht ausgewertet werden. Flächenänderungen im Jahr 2010 bedingt durch neue Struktur im Nachweis der tatsächlichen Nutzung im Liegenschaftskataster nach Einführung des Amtlichen Liegenschafts kataster-Informationssystems (ALKIS) Rahmen ihrer kommunalen Planungshoheit eine besondere Verant- managementdatenbank verfügen. Der Managementansatz umfasst wortung zu. Durch Umbau, Modernisierung und Neubau im Siedlungs- dabei auch Strategien und Maßnahmen zur Flächenaktivierung. bestand kann die vorhandene Infrastruktur effizienter ausgelastet Im Sinne einer nachhaltigen Siedlungsflächenentwicklung ist es werden. Wertvoller Naturraum am Siedlungsrand bleibt erhalten. wichtig, räumlich differenzierte Entwicklungsstrategien anzuwenden, Innenentwicklung von Kommunen hilft Kosten zu sparen und Im- die den unterschiedlichen Bedarfen Rechnung tragen. Daher wird im mobilienwerte zu erhalten. Kurze Wege zu Geschäften und sozialen Rahmen der Neuaufstellung des Landesentwicklungsplans Hessen auch Einrichtungen bieten Vorteile für alle Generationen. Lebendige Zen- auf landesweite Bedarfsprognosen zurückgegriffen, die neben der tren und Ortskerne bedeuten mehr Lebensqualität. Ermittlung von Siedlungsflächen- und Innenentwicklungspotenzialen eine Grundlage für die Träger der Regionalplanung bilden zur Fest Räume nutzen – Lebensqualität schaffen legung evtl. weiterer Vorranggebiete für die Siedlungsentwicklung. Ausgangspunkt für alle baulichen Maßnahmen in den Gemeinden ist ein kommunales Baulücken- oder Leerstandskataster und ein ent- sprechendes Flächenmanagement. Das Land Hessen hat daher im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie Hessen eine Flächenmanage- mentdatenbank als ein leicht handhabbares Instrument zur Erfas- sung und Aktivierung von Brachflächen, leerstehenden Gebäuden, Baulücken u. a. entwickelt, das allen Kommunen lizenzkostenfrei zur Werner Müller Verfügung gestellt wird.3 Ministerialdirigent, Leiter der Die Flächenmanagementdatenbank richtet sich vor allem an kleine Abteilung Landesentwicklung, und mittlere Kommunen, die bisher noch nicht über eine Flächen Energie im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr Foto: privat 3 Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und und Landesentwicklung, Verb raucherschutz (2016): Wohnungsbedarfsprognose für die hessischen Wiesbaden L andkreise und kreisfreien Städte (Auftragnehmer: IWU, Darmstadt).
12 Landentwicklung aktuell | 2016 Herausforderungen der Energiewende an das Flächenmanagement Autor: Clemens Neumann Im Zuge der Energiewende hat sich Deutschland das Ziel gesetzt, bis 2050 den Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch auf 80 Prozent zu steigern, den Primärenergieverbrauch im selben Zeitraum gegenüber 2008 um 50 Prozent zu senken und die Treibhausgas-Emissionen um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Vor dem Hintergrund einer nachhaltigen, zukunftssicheren Energiepolitik sind diese Maßnahmen notwendig; gleichwohl bringen sie erhebliche Herausforderungen mit sich. Ausbau der erneuerbaren Energien Restriktive Flächenkulisse für Wind- führt zu Flächenkonkurrenzen und Solarenergie anstreben Die genannten Ziele können nur durch einen forcierten Ausbau Besonders schwierig ist insofern die Situation bei Wind- und Solar- Foto: shutterstock / franco lucato der erneuerbaren Energien erreicht werden. Bis 2025 soll deren Anteil energie, da hier die Agrarfläche in der Regel dauerhaft der landwirt- zwischen 40 und 45 Prozent und bis 2035 zwischen 55 und 60 Pro- schaftlichen Nutzung entzogen wird. Zum Jahresende 2014 waren in zent betragen. Dies wird sich ohne zusätzliche Inanspruchnahme Deutschland Fotovoltaik-Freiflächenanlagen auf einer Fläche von ins- von Flächen für die Energieerzeugung nicht bewerkstelligen lassen. gesamt rund 24 750 Hektar installiert, wovon 7 050 Hektar auf Acker- Windräder benötigen schon mit Blick auf die erforderlichen Abstands- flächen entfallen. Wie viel zusätzliche landwirtschaftliche Fläche sich flächen viel Platz. Wenn die Solarenergie einen angemessenen Beitrag hinter der Kategorien »Seitenrandstreifen« verbergen, ist statistisch zur Energiewende leisten soll, können die Fotovoltaikanlagen nicht nicht erfasst. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2017 sieht für ausschließlich auf Dächern installiert werden. Die Erzeugung von Solarenergie ein Mengenziel (sog. Ausbaukorridor) für den jährlichen Bioenergie schließlich beruht weiterhin zum größten Teil auf der Zubau von 2,5 Gigawatt (brutto) vor, in den Jahren 2017–2019 wei- energetischen Verwertung von Energiepflanzen, die auf landwirt- tere 2,8 GW und ab 2020 2,9 GW. Unterstellt, dass 50 Prozent des schaftlichen Flächen angebaut werden müssen. Zubaus der Solarenergie auf Freiflächen erfolgen, werden zusätzlich Die Inanspruchnahme von Flächen für die Energieerzeugung führt mindestens 2 000 Hektar pro Jahr benötigt. Für Windenergie an Land zwangsläufig zu einer Konkurrenzsituation mit Flächennutzung für ist ein Ausbauziel von 2,5 Gigawatt (netto) p. a. vorgesehen. Für die andere Zwecke, wie beispielsweise den Siedlungsbau und die Errich- Windenergie und den erforderlichen Netzausbau an Land zusammen tung von Infrastrukturen etwa für Gewerbeansiedlungen und den dürften etwa 500 Hektar beansprucht werden. Jahr für Jahr werden Verkehrsbereich. Häufig werden gerade landwirtschaftliche Flächen somit rund 2 500 Hektar für den Ausbau der Erneuerbaren benötigt. für die Energieerzeugung in Anspruch genommen. Dies kann nicht nur Zusätzlich sind Ausgleichs- und Ersatzflächen einzubeziehen. Es kann eine unmittelbare Folge der Errichtung der Anlage selbst sein, son- durchaus bezweifelt werden, dass die Intention des EEG darin besteht, dern auch im Wege von Kompensationsmaßnahmen eintreten, wenn eine Flächenumwandlung in diesem Ausmaß in Gang zu setzen und die Errichtung der Anlage zu ausgleichspflichtigen Eingriffen in Natur bis zum Jahr 2050 beizubehalten. und Landschaft nach § 15 BNatSchG führt. Die Inanspruchnahme land- Ziel muss es vor diesem Hintergrund sein, die Inanspruchnahme wirtschaftlicher Fläche erscheint insofern besonders problematisch, von Agrarflächen insbesondere für die Errichtung von F otovoltaik als diese seit 1995 ohnehin bereits um 614 000 Hektar zurückge auf das Unerlässliche zu begrenzen. Auf einer ersten Stufe erfolgt gangen ist – was einem durchschnittlichen Verlust von 83 Hektar pro dies bereits im Rahmen der Gesetzgebung. So hat sich das Bundes- Tag entspricht. Mit Blick auf die Struktur des ländlichen Raums wie ministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2014 beim Erlass der auch die wirtschaftliche Existenz der Landwirte erscheint dies nicht Freiflächenverordnung für eine streng limitierte und konditionierte akzeptabel. Ein sparsamerer Umgang mit den Agrarflächen ist also Einbeziehung von Agrarflächen in die Flächenkulisse für PV-Anlagen dringend geboten. eingesetzt. Soweit sie nicht in den 110-Meter-Randstreifen entlang
Herausforderungen der Energiewende an das Flächenmanagement 13 von Autobahnen und Schienenwegen liegen, dürfen lediglich Acker- grundgesetzlich verankerte Träger der Planungshoheit einzugreifen. flächen in benachteiligten Gebieten genutzt werden, und auch hier Bestehende Gesetze verfügen jedoch bereits über Instrumente zum nur für maximal zehn Anlagen pro Jahr. Bei der derzeit anstehenden Schutz des Bodens und zur Reduzierung der außerlandwirtschaftlichen Novellierung des EEG bedarf es erheblicher Anstrengungen, diese Flächeninanspruchnahme. So enthält das Bundesnaturschutzgesetz restriktive Flächenkulisse weiter einzugrenzen. in § 15 Abs. 3 eine Abwägungspflicht, die die Bedeutung der Land- wirtschaft durch stärkere Berücksichtigung agrarstruktureller Belange Innovative Anwendung des Planungsrechts unterstreicht. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe »Bodenmarktpolitik« ist erforderlich lehnt die Einführung eines gesonderten Flächenschutzgesetzes des Bundes zum Schutz landwirtschaftlicher Flächen aus guten Gründen Weitere Möglichkeiten des Schutzes von Agrarflächen vor Inanspruch ab. Dagegen empfiehlt sie die Aufnahme gegebenfalls notwendig nahme durch Fotovoltaikanlagen ergeben sich im Bereich des Pla- werdender weitergehender Flächenschutzklauseln in bestehende nungsrechts. Es wird Aufgabe der Kommunen und kommunalen Rechtsvorschriften. Die Länder sind nun am Zuge, festgestellte Defi- Planungsverbände sein, im Bereich der Bauleitplanung geeignete zite beim Vollzug und der Transparenz bestehender bodenrechtlicher Flächen für Fotovoltaikanlagen jenseits der Agrarfläche zu identifi- Regelungen zu beheben. zieren. Einen wichtigen Beitrag können insofern Flächenmanagement- Bezüglich der Weiterentwicklung des bodenrechtlichen Instru- Systeme leisten, über die die Planungsträger Informationen über mentariums haben die Länder in Abhängigkeit von der jeweiligen mögliche Alternativstandorte gewinnen können. agrarstrukturellen Situation zu entscheiden, ob sie eine stärkere Re- Hinzuweisen ist aber darauf, dass es keine rechtliche Möglichkeit gulierung anstreben und welche Maßnahmen dabei gegebenfalls zur des Bundes gibt, in die konkrete Planungstätigkeit der Kommunen als Anwendung kommen sollen. Abb. 1: Standorte der in Betrieb befindlichen Biogasanlagen und Abb. 2: Regionale Verteilung der Biomasseheizkraftwerke und Satelliten-BHKWs in Deutschland, Bezugsebene: Postleitzahl Holzvergaseranlagen in Deutschland (© Deutsches Biomasseforschungs- (Betreiberbefragung DBFZ 2015, Deutsches Biomasseforschungs zentrum gGmbH, 04/2015) zentrum gGmbH DBFZ 2015)
14 Landentwicklung aktuell | 2016 Foto: shutterstock / Bogdan Wankowicz Die Festlegung der Flächenkulisse für Fotovoltaikanlagen obliegt ab 2017 den Ländern. Bioenergieerzeugung bietet Flächenspareffekte könnte diese erneuerbare Kapazität nur durch Errichtung eines Viel- fachen an fluktuierender Windkraft oder Fotovoltaik ersetzt werden. Weitgehend unproblematisch erscheint in Bezug auf den Erhalt der Insbesondere der erforderliche (Mehr-)Zubau an Windkraft an den Agrarfläche dagegen die Produktion von Biomasse, da insofern allen- windhöffigen Standorten im Norden würde voraussichtlich sowohl falls die anzubauenden Kulturen ausgetauscht werden. Fläche wird die derzeitigen Flächenprobleme als auch die Netzengpässe weiter langfristig lediglich durch die Errichtung der baulichen Anlagen und verschärfen. Verwertungseinrichtungen (Biogasanlagen, Blockheizkraftwerke etc.) benötigt. Das EEG 2017 Ende 2015 waren in Deutschland rund 8 000 Biogasanlagen mit einer installierten Leistung von über 4 100 Megawatt sowie etwa Mit der am 8. Juli 2016 beschlossenen Novelle des Erneuerbare- 720 Biomasseblockheizkraftwerke mit einer installierten Leistung von Energien-Gesetzes (EEG 2017) ist es gelungen, eine Anschlussförde- rund 1 600 Megawatt in Betrieb. Die Abbildungen 1 und 21 zeigen die rung für effiziente Biomasseanlagen zu etablieren und zugleich die räumliche Verteilung des jeweiligen Anlagenbestandes zur Mitte des Flächenproblematik zu entschärfen. Zum einen wird ein Schwerpunkt Jahres 2013 an. Deutlich erkennbar ist die für Bioenergie typische auf die stärkere Verwertung von Rest- und Abfallstoffen gelegt. Zum Dezentralität, da die Anlagen vor allem in den ländlichen Regionen anderen wird für den Anteil von Mais im Rohstoffmix eine Obergrenze betrieben werden. Der Schwerpunkt der Biogaserzeugung konzentriert von 50 Prozent festgelegt, die schrittweise auf maximal 44 Prozent sich in den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg sowie im verschärft wird. westlichen Niedersachsen. Beachtlich ist dabei, dass sich ein wesent- Die Festlegung der Flächenkulisse für Fotovoltaikanlagen obliegt licher Anteil der Biogaserzeugung südlich der vermehrt auftretenden ab 2017 den Ländern. Sie können landwirtschaftliche Flächen nur Netzengpässe befindet. dann zusätzlich in Anspruch nehmen, sofern sie dafür eine Verord- Bei den Biomasseblockheizkraftwerken, die feste Biomasse (vor nung erlassen. allem Holz) als Brennstoff zur Strom und Wärmeerzeugung einsetzen, liegt der Schwerpunkt sogar deutlich im Süden Deutschlands, wie Abb. 2 zeigt. Der Großteil dieser Biomasseanlagen arbeitet in Kraft- Wärme-Kopplung (KWK) und verfügt demnach über eine dementspre- chende Wärmeabnahme vor Ort. Dies erhöht die Energieeffizienz, die Clemens Neumann Klimaschutzwirkung und somit den »Wert« der erzeugten Energie in Ministerialdirektor, Leiter der erheblichem Maß. Abteilung Biobasierte Wirtschaft, In der Gesamtbewertung bleibt festzuhalten: Würde dieser Bestand Nachhaltige Land- und Forst an speicherbarer und flexibler Bioenergieerzeugung wegfallen, so wirtschaft im Bundesministerium Foto: privat für Ernährung und Landwirt- schaft (BMEL), Berlin 1 DBFZ 2013, Zwischenbericht »Stromerzeugung aus Biomasse 03MAP250«.
Statements 15 STATEMENT Gunther Adler Neue Anforderungen an das Wohnen – Bezahlbaren Wohnraum schaffen und Lebensqualität kleinerer Städte in ländlichen Räumen sichern Unsere Städte und Gemeinden stehen vor großen Herausforderungen. Im Gegen- satz zu vielen wachsenden Großstädten, die aktuell von Zuzug, Wohnraummangel und steigenden Immobilienpreisen geprägt sind, geht in vielen kleineren Kommunen in ländlichen Regionen die Wohnraumnachfrage weiter zurück und die Leerstände nehmen zu. Gleichzeitig wachsen auch in kleineren Städten die Anforderungen an ein qualitäts- Foto: Plan und Praxis volles Wohnen und ein lebendiges Umfeld. Wir brauchen attraktive und lebendige Städte in Deutschland – sowohl in den Ballungsräumen als auch in den ländlichen Regionen. Mit ihrer Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik leistet die Bundesregierung einen wesentlichen Beitrag, um die Lebensqualität in Stadt und Land zu stärken. Herausforderungen der Wohnungs- und Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit die Bevölkerung in ländlichen Räumen lebt in Stadtentwicklungspolitik Die ge- Kräfte zur Bewältigung aktueller wohnungs- Klein- und Mittelstädten. Als Wohn- und stiegene Nachfrage nach Wohnraum und politischer Herausforderungen gebündelt. Mit Arbeitsstandorte übernehmen sie wichtige der notwendige Wohnungsneubau stehen dem 10-Punkte-Programm der Wohnungsbau- Funktionen für ihr Umland. Um die Kommu- in dieser Legislaturperiode im Zentrum der Offensive setzen Bund, Länder und Kommu- nen in ihrer Entwicklung zu unterstützen, hat wohnungspolitischen Diskussion. In den nen die umfangreichen Empfehlungen aus die Bundesregierung die Städtebauförderung nächsten Jahren benötigen wir mindestens dem Bündnis um. Mit einem Maßnahmen- in der aktuellen Legislaturperiode deutlich 350 000 neue Wohnungen pro Jahr, um der paket aus Baulandbereitstellung, Überprü- gestärkt. Der Bundeshaushalt 2017 sieht wachsenden Nachfrage ein entsprechendes fung von Bau- und Planungsvorschriften auf erstmals knapp eine Milliarde Euro für die Angebot gegenüberzustellen. Es sind vor Vereinfachungspotenzial, steigenden Mitteln Stadtentwicklung vor. allem die Großstädte und Metropolen, aber für den sozialen Wohnungsbau und Wohngeld auch zahlreiche Städte mittlerer Größe, die setzt der Bund den Rahmen, um den drin- Funktionsvielfalt und Attraktivität der an Bevölkerung gewinnen. Dem stehen in gend benötigten Wohnraum zu realisieren. Es Kommunen gemeinsam sichern vielen Regionen Abwanderung und Schrump- gilt, die Handlungsempfehlungen konsequent Die Städtebauförderung ist ein bewährtes fung gegenüber, vor allem in ländlichen und umzusetzen. Daran arbeiten wir – gemeinsam strukturschwachen Gebieten. Es ist zu erwar- mit allen Akteuren. ten, dass die Wohnungsleerstände in diesen Regionen weiter zunehmen werden. Erklärtes Kleinere Kommunen als Ankerpunkte in Ziel der Bundesregierung ist es, die Attrakti- ländlichen Räumen stärken Darü- vität ländlicher Räume zu erhalten und ein ber hinaus haben wir die Zukunft von Klein- Foto: Milena Schlösser Gleichgewicht zwischen Stadt und Land zu städten stärker in den Fokus der Stadtent- schaffen. Daher ist es wichtig, sich nicht al- wicklungspolitik gerückt. Ganz wesentlich lein auf die Metropolregionen und Schwarm- für die Zukunftsfähigkeit ländlicher Räume städte zu konzentrieren, sondern insbeson- sind die Erhaltung lebendiger Zentren und dere Klein- und Mittelstädte in ländlichen die S icherstellung einer wohnortnahen Ver- Räumen als attraktive Wohn-, Arbeits- und sorgung. Wie lebenswert und zukunftsfähig Versorgungsstandorte zu stärken. kleinere Städte und Gemeinden sind, hängt Gunther Adler nicht zuletzt von ihren Infrastrukturange- Staatssekretär im Bundes Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bau- boten und attraktivem Wohnraum für alle ministerium für Umwelt, en gemeinsam umsetzen Mit dem Altersgruppen ab. Klein- und Mittelstädten Naturschutz, Bau und Reak- »Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bau- kommt in diesem Zusammenhang eine be- torsicherheit (BMUB), Berlin en« hat das Bundesministerium für Umwelt, sondere Bedeutung zu: Fast drei Viertel der
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