Leben & Arbeit LIETZ LEBT - Das Magazin der Altbürger und Freunde der Hermann-Lietz-Schulen e.V.

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LIETZ LEBT

Leben & Arbeit
Das Magazin der Altbürger und Freunde der Hermann-Lietz-Schulen e.V.

                                                                       AUSGABE 1 | 2020
Leben & Arbeit LIETZ LEBT - Das Magazin der Altbürger und Freunde der Hermann-Lietz-Schulen e.V.
INHALTS
                             VERZEICHNIS
                               EDITORIAL
                               Georg Schweizer und Ernst-Friedrich Kellner          4
                               Zuwendungen für die Lietz-Internate                  4

                               LEITERBERICHTE
                               Neues aus den Schulen                                6

                               AKTUELLES
                       24
                               Schutzschirm Schule                                  8
                               Lernen in und aus der Krise                          9
                               Die Zeit nach der Krise                            10
                               Irgendwo im Nirgendwo                              11
                               Ralf Koerrenz: Die Normalität der Institution Schule 12
                               Hohenwehrda schärft weiter sein Profil             17
                               MINT – Talentförderung wächst weiter               18
                               Neuer Physikraum und „Waldhaus“ renoviert          20
                               Deutscher Klimapreis: 10.000 Euro Preisgeld        22
                               Neuer Abenteuerspielplatz                          24
                               Unterricht in Zeiten von Corona                    25
                       32
                              Digitaler Inselrundgang                             26

                               UNTERRICHTSPROJEKTE
                               Berufspraktikum mit den Klassen 8 und 9            27
                               Projektwoche 2020                                  28
                               Herbstprojekt                                      30
                               Noch nicht alle Tassen im Schrank?                 32
                               Chor in Hohenwehrda: Spaß, Arbeit und Erfolg       32
                               Soziales Projekt für Hochwasseropfer in England    33
                               Rennen und shoppen für die Kindertafel Suhl        34
                        30
                               Unterstützung für Deichbaugilde und Bootsbau       35
                               Lernen bei Wind und Wetter                         36
2
INHALTSVER ZEICHNIS
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41

39

REISEN
Berlin ist eine Reise wert!                 38   50

FEUILLETON
Konzertreihe „Blaue Kogge“                  39
                                                      IMPRESSUM
Hauen, Stechen, Mord und Totschlag          40
                                                      Juni 2020

VERSCHIEDENES
                                                      Herausgeber:
                                                      Stiftung Deutsche Landerziehungsheime
                                                      Hermann-Lietz-Schule,
                                                      Hermann Lietz-Schule Spiekeroog gGmbH,
Welch ein Reizwort: Schulkleidung!          41        Altbürger und Freunde der Hermann-Lietz-Schulen e.V.

Weihnachtsmarkt im Internatsdorf Haubinda   42        Redaktionsteam:
                                                      Georg Schweizer, Katharina Schlegel,
Wer löst das Altbürger - Kreuzworträtsel?   44        Mathilde Luxenburger, Stephanie Berg,
                                                      Martin Batzel, Christoph Winter

                                                      Redaktionsadresse/Bezugsnachweis:

ALTBÜRGER                                             Altbürger und Freunde
                                                      der Hermann-Lietz-Schulen e.V.
                                                      – Geschäftsstelle –
Sei offen und die Welt gehört dir!          46        Im Grund 2, D -36145 Hofbieber
                                                      Telefon: +49 (0) 6657 79 -38
                                                      Telefax: +49 (0) 6657 79 -39
Erinnerungen von und an Eduard Vormann      50        altbuerger-hl@t-online.de
                                                      www.lietz-schulen.de/altbuerger
Verstorbene Altbürger                       53        Einzelpreis 9,– €, Abo 15,– €/Jahr
                                                      Im Mitgliedsbeitrag des Vereins Altbürger und
                                                      Freunde der Hermann-Lietz-Schulen e.V. ist der Bezug

SONSTIGES
                                                      von Leben & Arbeit – Lietz lebt enthalten.
                                                      Außerhalb Europas erfolgt der
                                                      Versand auf Wunsch per Luftpost
                                                      (plus 20,– € pro Jahr).
HL Clubanschriften                          55        Verantwortlich für Anzeigen:
                                                      Christoph Winter
Adressen                                    56
                                                      Titelbild: Alexander Axmann
news Blog                                   60
                                                                                                    3
                                                            INHALTSVER ZEICHNIS
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 INHALTSVERZEICHNIS

                                     Liebe Altbürger
                                     und Freunde!

                             Covid-19 hat uns alle     versammlung in Hamburg, da an         entdecken, sondern auch Jobs/
                             fest im Griff, was soll   diesem Tag der Toppsegelschoner       Praktika, Unterkunft/Wohnen,
                             man da im Editorial       Johann Smidt im Rahmen des High       Angebote/Aktionen finden. Ich
                             schreiben. Die Welt       Seas High School Programms dort       würde mich sehr freuen, wenn
                             hat sich entschleunigt,   seinen Segeltörn beginnt und mit      möglichst viele von euch diese
                             und ich würde lügen,      etwa 30 Schülern ausläuft. Ich den-   Möglichkeit nutzen würden.
                             wenn ich nicht sagen      ke, das wäre ein schöner Rahmen
               würde, dass ich das ein Stück weit      für unsere Mitgliederversammlung.     Auf Facebook hat der ABV immer-
               genieße – wenn man nicht wüsste,                                              hin 746 Mitglieder und wird lau-
               dass das dicke Enden erst noch          An Arbeitsausschusssitzungen, HL      fend von Mitgliedern mit Bildern
               kommt. Was die Folgen für jeden         Club Treffen oder Jahrgangstreffen    und Informationen aus alten und
               einzelnen, aber auch für unsere         ist zurzeit leider auch nicht                  neuen Zeiten gefüttert.
               Schulen bedeuten, wird sich erst in     zu denken, umso wichtiger                      Ich freue mich immer sehr
               den nächsten Monaten herausstel-        ist es, dass wir uns virtuell                  über die Beiträge dort
               len. Es ist für alle eine neue Erfah-   auf dem Laufenden halten.                      und kann es jedem nur
               rung, und ich wünsche den Heim-         Ich möchte daher gerne                         empfehlen, Mitglied zu
               leitern mit ihren Teams sowie dem       noch mal an dieser Stelle                      werden. Auch wenn das
               Schulvorstand die nötige Kraft und      an unsere Datenbank erin-                      kein wirklicher Ersatz ist
               die richtigen Entscheidungen, um        nern, unter www.lietz-schulen.de/     für gemeinsame Treffen, so ist es
               die Schulen durch diese schwere         altbuerger/abvn-login/ können         doch eine schöne Abwechslung.
               Zeit zu bringen.                        sich alle Altbürger anmelden. Das     Von daher hoffe ich, dass wir uns
                                                       vereinfacht die Kommunikation         schon bald mal wieder sehen und
               Die Mitgliederversammlung, die          untereinander zur Kontaktpflege –     bleibt bitte alle bis dahin gesund!
               ursprünglich mal zum Rhododen-          ob privat oder geschäftlich – und
               dronfest im Juli in Hohenwehrda         eröffnet darüber hinaus neue Opti-    Mit besten Grüßen
               geplant war, müssen wir natürlich       onen der Kommunikation. Bis jetzt
               auch in den Herbst verschieben          haben wir leider erst ca. 350 An-
               und hoffen, dass es bis dahin wie-      meldungen, aber wenn es uns ge-
               der möglich ist, Versammlungen          lingt, diese Datenbank mit mehr Le-   Georg Schweizer
               abzuhalten. Angedacht ist zur Zeit      ben zu füllen, kann man dort nicht
               der 10.10.2020 für die Mitglieder-      nur „alte Freundschaften“ wieder

        Willkommene und notwendige Unterstützung für förderungswerte Projekte

        Zuwendungen – Wir sagen Danke!
                HAU – Kraftstation                      400,00 €
                HAU – Workshop Erstellung Leitbild 1.761,44 €
                HOH – Digitalmikroskop                  799,00 €
                HOH + BIE – Schulpferd                 5.000,00 €
                BIE – Weichbodenmatte                   845,00 €
                BIE – Ozobots                           993,55 €
                BIE – Drohne                            916,99 €

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   EDITORIAL
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Liebe Altbürger
                     und Freunde!

             Auch unsere Heime          Der Coronavirus stellt sich aber       Geplante und beschlossene Bau-
             stehen derzeit ganz im     auch als die effektivste, flächende-   maßnahmen, wie das Wehrda-
             Zeichen des Corona-        ckende Fortbildungsmaßnahme,           haus II, müssen leider wegen
             virus. Nicht nur die Po-   welche das Schulsystem je erlebt       dieser Sachzwänge erst einmal
             litik, sondern auch die    hat, dar. Er hat Energien in das       verschoben werden.
             beteiligten Schul- und     gesamte Schulsystem gebracht,
             Gesundheitsämter,          welche niemand für möglich ge-         Bei Eltern wie bei Mitarbeitern be-
Lehrer, Erzieher und gewerbliche        halten, geschweige denn vorher-        steht ein hoher Grad an Verständ-
Mitarbeiter sind, bei minimaler Ge-     gesehen hat.                           nis für die aktuellen, sicher auch oft
fährdung der Beteiligten, auf der                                              für alle unerwarteten Abläufe. Da-
Suche nach abgestimmten Lösun-          Da haben diejenigen Schulen            für und für ihren jeweiligen Einsatz
gen einer individuellen Beschulung      bzw. Lehrer, die sich bereits auf      kann ich Ihnen nur ausdrücklich
in den jeweiligen Einrichtungen.        dem Weg in die Digitalisierung         danken.
Dies unter erheblichem Zeitdruck        der Lernformen befanden, einige
und der Ungewissheit, wie lange         Vorteile, Erleichterungen und Be-      Es steht zu hoffen, dass dieses
dieser Virus die Entscheidungsfin-      stätigungen. Die übrigen die Er-       alles infrage stellende Ereignis
dung ganz erheblich beeinflussen        kenntnis, dass für eine Umstellung,    viele Erkenntnisse und Verhal-
wird und viel lieb gewonnene Ge-        für die früher Jahre prognostiziert,   tensweisen hervorbringt, die uns
wohnheiten ausschließt.                 aber auch gefordert wurden,            später in der Rückschau als recht
                                        nunmehr wenige Wochen zur              segensreich erscheinen.
Je nach Schulart, Alter der Schüler,    Verfügung stehen. Diesen Entschei-
Prüfungsstatus und Zusammenset-         dungsdruck kann man durchaus           Mein Wunsch an Sie alle: Bleiben
zung der Kollegien gilt es, in Ab-      als ein positives Moment der Pan-      Sie gesund und voller Zuversicht.
stimmung mit allen Beteiligten einen    demie sehen. Lernformen stehen
Weg zwischen Präsenz- und Digi-         auf dem Prüfstand. Hier dürften        In diesem Sinne grüßt
talunterricht zeitnah zu suchen, zu     sich sowohl das Curriculum als
finden und umzusetzen. Dabei gilt       auch die Lernformen nicht unerheb-
es, die vom Virus vorgegebenen          lich verändern.
Sicherheitsstandards einzuhalten.                                              Ernst-Friedrich Kellner

                                        WEITERE INFOS UND
                                        ZUWENDUNGEN
                                        DER LETZTEN JAHRE                                                               5
                                                                                                                 EDITORIAL
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 INHALTSVERZEICHNIS

                            Eine Chance                                                 Das Unmögliche
                            für die Zukunft                                             möglich machen

                                   Liebe Freunde der Hermann-Lietz-                            Fast versandet und vergessen
                                   Schulen, herzliche Grüße aus                                unter all den Pandemie-Sorgen:
                                   Haubinda, wo das Leben in der                               nach einer Odyssee durch die drei
                                   Natur weitergeht. Es fehlen im                              Jahre genehmigter FOS Sozial-
                                   Grund genommen nur die Schüle-                              wesen in Hohenwehrda ist nun
                                   rinnen und Schüler. Seit dem 13.                            die Anerkennung durch das Kul-
                                   März kämpft unsere Einrichtung                              tusministerium und das Staatliche
                                   im Online-Modus. Digitaler Unter-                           Schulamt ausgesprochen worden
              richt, Videokonferenzen, Homeschooling bestimmen             und per Urkunde überreicht worden. Die in den ers-
              unseren Alltag. Die Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer        ten Jahren notwendigen Externenprüfungen waren für
              ist noch herausfordernder geworden, und die Situati-         unsere ersten FOS-Schüler kein Zuckerschlecken, aber
              on bei vielen unserer Eltern ist mehr als anstrengend        drei mal haben sie sich den Herausforderung der vier
              und kaum leistbar. Eine der zentralen Erkenntnisse ist:      Klausuren und sieben mündlichen Prüfungen in der mit
              „Ja, man kann mit den modernen Medien Unterricht             Hohenwehrda befreundeten Konrad-Zuse-Schule in
              gestalten, aber für die ganzheitliche Entwicklung un-        Hünfeld mit Erfolg gestellt. Respekt! Respekt auch vor
              serer Kinder und Jugendlichen ist ein Präsenzunterricht      der Langmut, dem Einsatz und der Ausdauer unserer
              unerlässlich.“ Die besondere Situation eines Internates      FOS-Koordinatorin Frau Helga Vogel und ihrem FOS-
              bietet dabei einen außergewöhnlichen Schutz und              Lehrerteam! Es ist geschafft! Wir danken euch dafür!
              eine Form von Sicherheit, auch wenn diese manch-
              mal trügerisch zu sein scheint. Ich bin hoffnungsvoll,       Dass nun das erste hausinterne Fachabitur unter sol-
              dass ein vollständiger Präsenzunterricht in absehbarer       chen mehr als ungewöhnlichen Bedingungen auf
              Zeit wieder stattfinden wird.                                Hintergrund der Pandemie stattfindet, stellt alle vor
                                                                           eine ungeahnte zusätzliche Herausforderung. Aber
              Ich glaube bei all dem Leid, das diese Pandemie in-          alle Beteiligten streben tapfer den 14. bis 19. Mai
              nerhalb unserer Gesellschaft ausgelöst hat, bietet die-      an und wollen das Abi in Hohenwehrda erfolgreich
              se aber auch für das System Schule und Internat die          bewältigen.
              unglaubliche Chance, sich in großen Teilen neu zu
              erfinden, vieles zu reformieren, aber auch in vielem         Noch im Februar dachten wir an Abifeier, Tanzball,
              Bewährten einen noch größeren und unverzichtbare-            Rhodofest. Nun wird das Feiern im großen Stil nicht
              ren Wert zu erkennen.                                        traditionsgemäß möglich sein. Wir werden aber das
                                                                           Unmögliche möglich machen und Sie und euch alle
              Ich bin optimistisch, dass uns diese Transformation          digital per Wort und Bild an kleinen Festen in klei-
              gelingt, weil in dieser Krisensituation mein Lehrerkolle-    nen Kreisen beteiligen. Wir werden ein Motto haben
              gium über sich hinaus zu wachsen scheint und diese           bezogen auf die von Henning gestaltete Jahrestasse
              Anforderungen der jetzigen Zeit nicht nur mit einer          und wir werden Preise, Urkunden und Zeugnisse ver-
              hohen Kreativität, sondern auch mit einer sehr beson-        leihen. Wer hätte gedacht, dass die für ein Lietz Inter-
              deren Empathie versucht zu meistern. Dafür möchte            nat so wichtigen Höhepunkte solche Begrenzungen
              ich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Her-         erfahren.
              mann-Lietz-Schule Haubinda meinen größten Respekt
              zollen. Dadurch zeigen wir, dass unsere Schule eine          Aber wir lassen nichts aus, es wird nur anders. Und
              gewisse Systemrelevanz besitzt.                              deshalb: trotz allem Herzliche Einladung – auf wel-
                                                                           chem Weg auch immer!
              Ich hoffe, dass wir uns in nicht allzu ferner Zukunft wie-
              der persönlich begegnen und den unverzichtbaren              Mit herzlichen Wünschen für Gesundheit
              Dialog zwischen Ehemaligen und Heutigen weiter-              und Wohlergehen
              führen können.                                               Sabine Hasenjaeger

              Es grüßt Sie ganz herzlich
              Burkhard Werner

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   LEITERBERICHTE
Leben & Arbeit LIETZ LEBT - Das Magazin der Altbürger und Freunde der Hermann-Lietz-Schulen e.V.
Wir fahren                                                 Tradition und
             auf Sicht                                                  Veränderung

                    Es lief: Schülerzahlen stabil, Ten-                        Plötzlich stehen die gewohnten
                    denz steigend. E-International mit                         Routinen still – in der Gesellschaft,
                    einer Verdoppelung auf 10 Teilneh-                         im Internatsalltag. Das Klassenzim-
                    mer etabliert. 10G Wiwi vom Sta-                           mer muss neu gedacht werden.
                    pel gelaufen; aber pädagogisch                             Die neuen Spielräume wurden
                    seetauglich? Immerhin hatten wir                           auf Spiekeroog für spannende
                    unterjährig leichten Rückenwind                            Ideen genutzt, die Sie im redakti-
                    und nunmehr sechs Schüler an                               onellen Teil kennen lernen. Durch
Bord. Überhaupt: Nur wenige von Bord gegangen.             die Integration digital unterstützter Methoden in den
Schüler- und Mitarbeiterschaft friedlich, Meuterei droht   Unterricht, welche u.a. in Schülerprojekten wie dem
keine. Untiefen durchschifft? Ja.                          „digitalen Inselrundgang“ bereits vor Beginn der Krise
                                                           erfolgreich eingesetzt wurden, waren wir vorbereitet.
Da tauchte das Virus auf: verharmlost, verteufelt, ver-    Und das Dank der Angela Kleimenhagen Stiftung mit
heerend. Es hat den Biebersteiner Alltag endgültig um-     Medientechnik ausgestattete Besprechungszimmer
gekrempelt, nachdem an einem Freitag, den 13., eine        kam zum Dauereinsatz.
Schülerin, positiv getestet, in Quarantäne musste. Zwei
Wochen „Schotten dicht“ für alle. Die Corona-Situation     Wie die Vernetzung in einer globalisierten Welt funk-
bestimmt bis heute deutlich spürbar unser Leben, Den-      tionieren kann, wurde zur Alltagsübung. Die neuen
ken, Fühlen. Covid-19 ist ein „gewaltsamer Lehrer“,        Impulse werden wir für unsere Schulentwicklung zu
der uns eine Fortsetzung der Pädagogik mit anderen         nutzen wissen. Und so luden wir im Mai auch euch
Mitteln, einen neuen Kurs aufnötigt.                       Altbürger per Videokonferenz zu einer Reise nach
                                                           Spiekeroog ein, auf der ihr Aktuelles über eure Schule
Auf Sicht fahren: keine Heimfahrwochenenden, Ferien-       erfahren konntet. Denn nur durch lebendige Netzwer-
betreuung der Gestrandeten an Ostern und Pfingsten,        ke kann diese Schule ihre Stärken weiterentwickeln,
die komplette Q4 im Nachabitur, unzählige Vorschrif-       in deren Zentrum die Gildenarbeit und das Erleben
ten, Updates und Krisentipps, zermürbende Abstim-          prägender persönlicher Beziehungen stehen.
mungsversuche mit den Ämtern zur Hygienesituation,
Beschulung, Unterbringung etc., stets im Boot die ban-     Herzlichen Dank an den Altbürgerverein für die Unter-
ge Sorge, dass jemand ernsthaft krank wird, weil unse-     stützung der Deich- und Bootsbaugilde. Und herz-
re Abschottung nicht ausreichend gewesen sein könnte.      lichen Dank an Hans für den tollen Spielplatz.

Auf Sicht fahren, bedeutet auch, aus der Ferne zu se-      Auch die Solidarität unserer Eltern ist ausgesprochen
hen, wie einige Schüler vom Kurs des elektronischen        hoch, sie wissen unser persönliches Betreuungskon-
Fernlernens abkommen und ziellos herumschlingern –         zept besonders in diesen Krisenzeiten sehr zu schät-
obwohl der digitale Kompass die Richtung vorgibt.          zen. So schöpfen wir Kraft für die Zukunft, in der Tra-
                                                           dition und Veränderung zusammenwirken.
Auf Sicht fahren war für mich persönlich: die bekannten
Rout(in)en ständiger Sitzungen zu verlassen, emporzu-      Ihr Florian Fock
tauchen aus den E-Mailfluten, sich sehen und sich be-
gegnen: am Kickertisch, in den heiteren Mittags- und
Abendrunden, Werwolf spielen, einen neuen Kurs fin-
den für E-International 20/21. Das habe ich genossen.
                                                              Liebe Leserinnen und Leser,
Ich danke Mitarbeitern, Eltern und Schülern für die Un-       das Coronavirus hält die Welt in
terstützung und all die guten Worte. Ich habe erfah-
                                                              Atem – das betrifft auch unsere
ren, dass diese Krise in vielen die bessere Seite zum
Vorschein gebracht hat. Sie sind Leuchttürme im Sturm.        Internate. Zu diesem aktuellen Thema
Es läuft gut.                                                 kommen auf den nächsten Seiten
                                                              verschiedene Stimmen zu Wort.
Michael Meister

                                                                                                                       7
                                                                                                        LEITERBERICHTE
Leben & Arbeit LIETZ LEBT - Das Magazin der Altbürger und Freunde der Hermann-Lietz-Schulen e.V.
 INHALTSVERZEICHNIS

         COVID-19: Damals wie heute bieten die Lietz - Internate Zuflucht und Schutz in Krisensituationen

        Schutzschirm Schule
                           Hohenwehrda 28. April 2020. Wir werfen mit unseren Schülerinnen
                           und Schülern einen Blick auf den 152. Geburtstag unseres Schulgründers
                           Hermann Lietz. 28. April: Immer an seinem Geburtstag werden
                           seine Schulen eröffnet. Ein nachhaltiges Geschenk bis in heutige Zeit.

               In diesem Jahr schweifen unse-          hier sein dürfen. Ein Vater: „Mein     einander, für das hohe Maß an
               re Gedanken in das Jahr 1941.           Sohn wollte noch nie mit so viel Ei-   Engagement für die Betreuung der
               Am 28. April öffnet das Lietz In-       fer und Elan in die Schule zurück!“    Kinder vor Ort und außerhalb und
               ternat Hohenwehrda seine Tore                                                  last but not least die gute Laune
               für Oberstufenmädchen. In der                                                  bedanken!
               Krise des 2. Weltkrieges sorgt
               Dr. Alfred Andreesen, nominierter                                              Die Pandemie wird die Welt ver-
               Nachfolger von Hermann Lietz,                                                  ändern und neue Wege provo-
               für eine Zuflucht für Jugendliche,                                             zieren. Auch in unserer kleinen
               in der sie in geschützter Lage ihr                                             Welt Hohenwehrda wird sich das
               Abitur absolvieren können.                                                     niederschlagen. Zum Beispiel ist
                                                                                              die Digitalisierung – aus der Not
               Heute, 28. April 2020, herrscht                                                geboren – große Schritte voran
               wiederum eine Weltkrise durch                                                  gegangen und wird den Unter-
               die Pandemie. Man kann sich                                                    richt vor Ort in Zukunft neu gestal-
               eines gewissen Déjà-vus nicht ent-                                             ten helfen.
               ziehen. Wieder werden Jugend-
               liche trotz der Schulschließungen                                              Und wer hätte gedacht, dass das
               in dieser relativ geschützten Lage      Die Pädagogen und alle anderen         Motto, das in diesem Schuljahr
               der Schule betreut und für ihre         Mitarbeiter haben die Ärmel hoch-      in Hohenwehrda schwingt, eine
               Abschlüsse trainiert. Kinder aus        gekrempelt, wild entschlossen, die     so große Herausforderung und
               aller Welt, die nicht nach Hause        Herausforderungen zu meistern.         Umstellung bedeuten würde: „Ge-
               reisen können, Kinder in Notsitua-      Und Herausforderungen sind es:         meinsam wirken“.
               tionen der Eltern, Kinder der Ab-       Digitales Training, neue Lernplatt-
               schlussklassen.                         form, Telefonseelsorge für die,        Wir schauen neugierig in die Zu-
                                                       die durch die Pandemie bedingt         kunft und erwarten, dass aus der
               Gäbe es nicht die vielen Sorgen         zu Hause sind. Begleitung und          Krise auch neues verantwortliches
               im Kopf rund um die Krise und           Betreuung der Schüler vor Ort,         Denken und sorgfältiges Handeln
               könnte man das alles ausblen-           die aus triftigen Gründen oder         in allen Bereichen der Weltpolitik
               den, lebten wir hier in einer Idylle.   weil die Heimat im Ausland ist,        erwachsen wird.
               Wir lachen, plaudern, lernen und        in Hohenwehrda verblieben
               planen miteinander und die Welt         sind. Gleichzeitig müssen strenge      Und die Lietz Internate? Sie er-
               scheint in Ordnung zu sein. Die         Hygienemaßnahmen organisiert           arbeiten sich eine neue aktuelle
               Sonne scheint, das Gelände blüht        und durchgeführt werden. Und           Bedeutung und Berechtigung auf
               und die Vögel zwitschern gute           Abstand halten fällt Schülern der      Basis der Gründergedanken.
               Laune von den Dächern.                  Unter- und Mittelstufe sehr schwer.
                                                                                              Herzlichen Glückwunsch,
               Erneut erweist sich die Insellage       Ich möchte mich ausdrücklich bei       Hermann Lietz!
               als gewisser Schutz vor der Welt-       allen Mitarbeitern für den Ein-          Text: Sabine Hasenjaeger
               krise. Und wir danken dem Grün-         fallsreichtum, die Bereitschaft zur
               der für seine Ideen und dass wir        Flexibilität, das konstruktive Mit-

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   AKTUELLES
Leben & Arbeit LIETZ LEBT - Das Magazin der Altbürger und Freunde der Hermann-Lietz-Schulen e.V.
COVID-19: Maßnahmen gegen die Flautestimmung an der Nordsee

Lernen in und aus der Krise
                Plötzlich war die Schule leer und es wurde ganz still in den Klassenräumen
                und auf dem Schulgelände der Hermann Lietz-Schule Spiekeroog.
                Ruhe sind wir auf Spiekeroog gewohnt: Aber so leise war es bei uns
                auf der Nordseeinsel schon lange nicht mehr.

    Wie im ganzen Land musste auch        Klassenunterricht online vorgenom-    die im Rahmen der Globalisierung
    unser Internatsgymnasium den          men, und auch die freizeitpäda-       einen immer höheren Stellenwert
    Schulbetrieb Mitte März einstellen.   gogische Arbeit virtualisierte sich   bekommen. Die Kraft der persön-
    Fast alle Schülerinnen und Schüler    durch Spiel- und Treffangebote,       lichen Beziehungen, die im Inter-
    fuhren nach Hause, nur ein paar       die sich bei den Heimgereisten als    natsalltag eine so hohe Bedeu-
    wenige sind gemeinsam mit dem         ausgesprochen populär erweisen.       tung erfahren, ist uns allen noch
    Kollegium auf der Insel verblieben.                                         bewusster geworden. Solidarität
                                          Je länger die Ausnahmesituation       – ein Wert, der in Gilden, Schul-
    Und nun? Das Kollegium setzte         andauert, desto mehr zeigt sich       familien, Patensystemen, prakti-
    sich sofort zusammen, um einen        das Bedürfnis nach persönlichen       schen Arbeiten usw. auf der Lietz
    Notfallplan zu konzipieren. Wie       Beziehungen und so treffen sich       Spiekeroog stark gelebt wird – ist
    gut, dass es „auf Lietz“ seit Jah-    mittlerweile sogar einzelne Schul-    auch gesellschaftlich wieder in
    ren Erfahrungen mit der Lernplatt-    familien in einer Videokonferenz-     den Vordergrund gerückt.
    form IServ, Tabletklassen, digita-    schaltung zum „digitalen Familien-
    ler Mappenführung und digitaler       abend“.                               Wie wichtig es ist, heute auf die
    Methodenvielfalt gibt. Eltern und                                           Gesellschaft von morgen vorzube-
    Schüler bekamen klassenweise gut      Krisen haben immer stärkende          reiten, zeigt sich also in der Krise
    abgestimmte Arbeitspläne. Tägli-      Momente, wenn sie gemeinsam           besonders deutlich. Vorausschau-
    che Telefon-Sprechstunden wurden      durchlebt und durchgestanden          end und nachhaltig, so arbeiten
    eingerichtet, um auch die Betreu-     werden, so auch diese: Wir ha-        Kollegium und Schülerschaft auf
    ung zu Hause zu gewährleisten.        ben uns eine neue Technologie         Spiekeroog zusammen!
    Dann begann eine sehr kreative        erschlossen, die wir zukünftig in       Text: Florian Fock
    Phase. Bereits in der zweiten Wo-     den Unterricht integrieren können.      Foto: Dagmar Richardt, Adobe Stock

    che wurde zunächst teilweise in       Die Schülerinnen und Schüler ler-
    „digitalen Klassenzimmern“ der        nen virtuelle Methoden kennen,

                                                                                                                              9
                                                                                                                       AKTUELLES
Leben & Arbeit LIETZ LEBT - Das Magazin der Altbürger und Freunde der Hermann-Lietz-Schulen e.V.
 INHALTSVERZEICHNIS

         COVID-19: Wie wird sich sich unser Schulalltag durch die Pandemie verändern?

        Die Zeit nach der Krise
                           Digitaler Unterricht, Videokonferenzen und Homeschooling bestimmen den
                           Internats-Alltag in den Zeiten der Krise. Die Situation ist eine Herausforderung
                           für Eltern und Lehrerinnen und Lehrer gleichermaßen. Die Bedeutung des
                           Präsenzunterrichts wird immer stärker erkennbar. Wie sieht die Zukunft aus?

               Wenn wir den Blick nach vorne          Spiegel vorgehalten, der nicht im-      Druck auf sogenannte individuel-
               wagen, könnte eine These lau-          mer angenehm war. Die weltwei-          le Lernbiographien. Die Fragen
               ten: Das Virus ist eingedämmt,         ten Einschränkungen können für          von Bewertung und Zensierungen
               wir haben einen Impfstoff und da-      einen noch bewussteren Umgang           werden sich neu stellen. Das, was
               mit gestalten wir die Schule nach      mit Ressourcen sorgen.                  uns von der Wirtschaft schon seit
               dem Modus 2019. Vieles spricht                                                 längerem gespiegelt wird, dass
               dagegen, dass diese These sich                                                 Noten nur noch eine untergeord-
               so bewahrheiten wird: Die                                                          nete Rolle bei der Auswahl des
               Erfahrungen dieser Pande-                                                             Nachwuchses spielen, wird
               mie, wie unsere Kinder                                                                  sich ganz anders in unse-
               lernen und aufwach-                                                                       rem Schulalltag durch-
               sen, werden zwangs-                                                                        setzen. Die Fragen von
               läufig zu Verände-                                                                         Inhalten, des jeweiligen
               rungen führen. Das                                                                         Könnens, der Persön-
               unbeschwerte Aufein­                                                                       lichkeitsentwicklung
               anderzugehen, den                                                                         und der sozialen Stärke
               selbstverständlichen Um-                                                                 werden deutlich an Ge-
               gang miteinander werden                                                               wicht zunehmen. Diese
               wir so nicht wieder erreichen.                                                     Qualifikationen lassen sich rela-
               Hygiene- und Schutzmaßnahmen                                                   tiv schlecht in einem Ziffernsystem
               werden für eine lange Zeit un-                                                 von 1 bis 6 darstellen.
               seren Schulalltag mitbestimmen.        Was heißt das für unsere Schule?
               Vielleicht werden die wiederge-        Unsere Abgeschiedenheit und der         Die Schule des 21. Jahrhunderts
               wonnenen Freiheiten wesentlich         Ansatz der Nachhaltigkeit können        muss sich in unserer Gesellschaft
               bewusster wahrgenommen. Die            dazu führen, dass noch mehr Eltern      neu legitimieren. Die Frage der
               wirtschaftlichen Sorgen vieler unse-   uns als eine Alternative für das nor-   Schulpflicht kann und wird neu
               rer Eltern werden zu einer anderen     male Schulsystem wahrnehmen.            beantwortet werden müssen. Für
               Ernsthaftigkeit führen.                Die Erfahrungen des digitalen Un-       uns als Internatsschulen wird diese
                                                      terrichtens werden es uns deutlich      Legitimation noch ganz andere
               Es ist davon auszugehen, dass          erleichtern, Kindern und Jugend-        Antworten bieten müssen.
               sich auch das Klima in der Gesell-     lichen, die sich vielleicht durch
               schaft nachhaltig verändern wird.      Krankheit oder Forschungsaufträ-        Die Zeit nach der Krise gibt den
               Dies muss, um nicht falsch verstan-    ge an anderen Orten befinden,           Systemen Schule und Internat die
               den zu werden, nicht unbedingt         an unserem Unterricht teilhaben         Gelegenheit, sich neu zu positi-
               negativ sein. Eine neue Beschei-       zu lassen. Die Balance zwischen         onieren und zu reformieren. Vor
               denheit, ein verändertes Konsum-       dem, ob ich mich direkt in Hau-         allem werden wir aber auch erken-
               verhalten und eine Verschiebung        binda befinde oder eben gerade          nen, dass der Wert in vielem Be-
               dessen, was uns wichtig ist, könn-     woanders, wird sich neu justieren.      währten größer und unverzichtba-
               ten folgen. Die junge Generation       Dies ermöglicht eine neue und voll-     rer ist, als wir das erwartet hätten.
               hatte mit ihrer „Friday for future“-   kommen andere Flexibilisierung            Text: Burkhard Werner
               Bewegung der Gesellschaft einen        des Schuljahres und erhöht den            Foto: 4Max, Adobe Stock

   10
   AKTUELLES
COVID-19: Ermutigendes Feedback einer Mutter

 Irgendwo im Nirgendwo
HAU   Das Lietz Internatsdorf Haubinda ist dankbar und stolz, diese persönlichen Zeilen
      veröffentlichen zu dürfen. Frau Kern-Ludwig ist Mutter von zwei Kindern, die bei uns
      zur Schule gehen. Ihr Statement ist ein ermutigendes Feedback und bestätigt uns
      und unser gesamtes Team in seiner Arbeit.

      Ob man den richtigen Partner an      einer kurzen Testphase vor den          Gemeinsam haben wir Neuland
      seiner Seite hat, sieht man erst,    Osterferien gab es den Unterricht       betreten und sind auf dem Weg.
      wenn es schwierig wird.              für unsere Kinder einfach online.       Eine Erfahrung, die insbesondere
                                           Die Lehrer lernen seitdem mit un-       für unsere Kinder wichtig ist. Aus-
      Ein Virus legt die ganze Welt lahm   seren Kindern gemeinsam, wie            probieren, scheitern, lernen, wie
      und bringt alles bisher so „Norma-   Schule online funktionieren kann.       es anders gehen kann und weiter-
      le“ aus dem Gleichgewicht. Vor       Für uns als Eltern ist das eine un-     machen … eine Zukunftsfähigkeit,
      nunmehr neun Jahren haben wir        sagbare Entlastung.                     die hier eher unbewusst trainiert
      uns entschieden, unsere Kinder                                               wurde.
      (Maximilian, 15 und Karoline, 13)    Natürlich passt am Anfang nicht
      in Haubinda zur Schule gehen zu      alles zu 100%, wenn man Neu-            „Irgendwo im Nirgendwo“ funk-
      lassen. Die Hermann-Lietz-Schule     land betritt. Mal streikt die Technik   tioniert es einfach. Offensichtlich
      Haubinda – irgendwo im Nir-          oder ein Lehrer ist in seinem Fach      liegt es am noch immer gelebten
      gendwo. Mitten in der Natur, be-     etwas überambitioniert in der           Geist des Schulgründers Hermann
      schützt, behütet und doch frei und   Aufgabenmenge. Das kam vor,             Lietz, Wege zu finden, wo es un-
      international. Das waren unsere      war aber nie dramatisch, denn in        wegsam wird.
      Hauptbeweggründe für unsere          Haubinda lebt man den „kurzen
      damalige Wahl.                       Weg“. Man redet einfach mitein-         Dafür wollen wir als Eltern und als
                                           ander, wenn etwas ansteht. Lehrer       Familie an dieser Stelle ein herzli-
      Doch nun kam „Corona“ und un-        und Eltern (die meisten zumindest)      ches DANKESCHÖN sagen!
      sere Kinder hatten plötzlich per     verstehen sich als Partner, die den       Text und Foto: Kathrin Kern-Ludwig
      Verordnung keine Schule mehr.        Weg der Kinder gemeinsam ein
      Unvorstellbar und eine echte He-     Stück begleiten. Wir vertrauen ein-
      rausforderung für uns als Familie.   ander und das macht einen gro-
      Zwei Erwachsene im Homeoffice        ßen Unterschied.
      und zwei Teenager ohne Schule –
      was sollte das nur werden?!          Wenn man dieser unsäglichen
                                           Corona-Krise etwas Positives ab-
      Glücklicherweise haben wir vor       gewinnen mag, dann Folgendes:
      neun Jahren die richtige Entschei-
      dung getroffen. Denn anders als      • unsere Kinder haben gelernt,
      die meisten anderen Schulen er-        dass Computer, Tablet & Co zu
      fand sich die Hermann-Lietz-Schu-      mehr als nur Unterhaltung tau-
      le in Haubinda in dieser schrägen      gen,
      Zeit einfach neu. Wenn die Kin-      • unsere Lehrer haben gelernt,
      der nicht in die Schule kommen         dass neue Medien kein Teufels-
      dürfen, kommt die Schule eben          zeug sind, sondern Möglichkei-
      zu den Kindern. Mit Aufgaben           ten eröffnen,
      überquellende E-Mailfächer, die      • wir Eltern haben gelernt, dass
      nicht einmal zeitnah kontrolliert      auch wenn wir gerne alles bes-
      werden – so etwas gab es in der        ser wissen, wir doch keine Lehrer
      Hermann-Lietz-Schule nicht. Nach       sind und Schule etwas Tolles ist!
                                                                                                                               11
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 INHALTSVERZEICHNIS

         COVID-19: Ralf Koerrenz hinterfragt die Normalität der Institution Schule

        Schule: Wer – Wie – Was –
        Wieso – Weshalb – Warum?
        Wer nicht fragt, bleibt stumm.
               Wozu eigentlich Schule? Die Frage wirkt seltsam und irritierend,
               ist die Institution Schule doch eine Selbstverständlichkeit unseres Alltags.

               Dass es Schule gibt, dass es Schu-     Wir leben in Zeiten, die uns eine     Offenbarung, dass Schule oftmals
               le geben soll, gehört zu unserer       solche Frage geradezu aufdrän-        auch ein Schutzraum für Kinder
               Normalität. Klar, wir sind alle mal    gen. Angesichts der Corona-Pan-       und Jugendliche ist (Schutz oftmals
               zur Schule gegangen, mal mehr,         demie geschehen die seltsamsten       vor der eigenen Familie), die Ein-
               mal weniger gerne. Manche von          Dinge. Da funktioniert plötzlich      sicht, dass die herkunftsbedingte
               uns haben Schule geliebt, andere       ein Alltag mehr oder weniger gut,     Chancenungleichheit durch ein
               gehasst, überlebt haben wir die In-    mehr oder weniger entspannt,          soziales Angebot wie Unterrichten
               stitution alle – irgendwie. Aber die   ohne dass Kinder und Jugendli-        und Abschlussqualifikation zwar
               Sache selbst, also dass es Schule      che jeden Tag in ein bestimmtes       nicht überwunden, aber doch kon-
               als Institution gibt und der Besuch    Gebäude gehen, sich in bestimm-       struktiv bearbeitet werden kann.
               dieser Einrichtung verpflichtend       ten Gruppen versammeln und in         Schule als sicherer Hafen und als
               ist, steht nicht zur Diskussion. Da-   einer bestimmten Taktung im An-       Chance auf mehr Gerechtigkeit?
               für haben wir in der Regel keinen      gesicht der leiblichen Gegenwart      Und um das Neue auf die Spitze
               Sprachraum. Schule: Wer – Wie          einer Lehrerin oder eines Lehrers     zu treiben, wird von vielen Schüle-
               – Was – Wieso – Weshalb –              mit diesem oder jenem Lehrstoff       rinnen und Schülern der Wunsch
               Warum? Niemand hindert uns             beschäftigen. Dies wirft ein be-      geäußert, endlich wieder zur
               daran, auch eine solche Frage          stimmtes Licht auf eine bisherige     Schule gehen zu dürfen. Schule
               zu stellen. Und dann gibt es Kon-      Normalität, die wir als scheinbar     als Sehnsuchtsort? Ein scheinbar
               texte, die in uns Zweifel wecken,      unabänderlich, geradezu gottge-       seltsamer Wunsch, der vor allem
               was das Ganze soll, wozu die           geben betrachtet haben. Einiges       ein Licht auf die insgesamt doch
               Institution da ist.                    wird nun möglich, was zuvor un-       privilegierte Situation des Heran-
                                                      denkbar schien. Vieles wird in die-   wachsens in entsprechend ökono-
                                                      sem Licht aber auch als Schatten      misch entwickelten Gesellschaften
                                                      sichtbar: so inmitten aller Chan-     wirft. Im Anschein des Ungewohn-
                                                      cen und Notwendigkeit auch die        ten der Krise werden die Stärken,
                                                      Grenzen digitalen Lernens, die        aber auch die Schwächen unse-
                                                                                            rer bisherigen Normalität sichtbar
                                                                                            und legen uns nahe, neu und an-
                                                                                            ders darüber nachzudenken, was
                                                                                            Schule eigentlich soll.

   12
   AKTUELLES
Traditionell wird über den Sinn der         Die der Selektionsfunktion eigene       packte. Mit dieser Art von Ziel-
Institution Schule durchaus kont-           Logik des Schulischen ist uns un-       vorstellung, idealistisch überhöht,
rovers diskutiert. So werden vor            mittelbar vor Augen: es geht um         materialistisch eher blind, können
allem die Funktionen der Qualifi-           Bewertung, Unterscheidung, um           wir heute in der Regel zumindest
kation, Integration, Enkulturation          Noten und anerkannte Abschlüsse,        nicht mehr ungebrochen etwas
und der Selektion unterschieden.            die etwas über unser Wissen und         anfangen. Mit seiner konstruktiven
Darüber erlangt die                                                                               Idee, dass Schule ein
Institution ihre Recht-                                                                           alternativer Ort des
fertigung und Bedeu-                                                                              Zusammen-Lebens
tung. Ok, so gut, so                Wieso, weshalb, warum – der Philosoph fragt,                  und Zusammen-Arbei-
schön. Schauen wir                 provoziert und irritiert. Sein Ziel: den Leser zum             tens mit Spielregeln
auf die Kernaussagen                Nachdenken anregen. Viele Fragen und wenig                    wechselseitiger An-
der genannten Funkti-             Antworten – Lösungen werden keine angeboten.                    erkennung sein soll,
onen etwas genauer.                Dinge in Frage stellen, hypothetische Aussagen,                sind aber wichtige Im-
In der Qualifikation                     gegensätzliche Argumente – Stilmittel,                   pulse auch für heute
geht es um die Pas-                 die dem Leser Spielräume für unterschiedliche                 verbunden. Diese Im-
sung von Schule und             Interpretationen offenlassen. Der Hauptzweck ist die              pulse werfen in Zeiten
Ökonomie, also um                intellektuelle Auseinandersetzung mit einem Thema                von Social Distancing
die Reproduktion und                   – ungeachtet eines konkreten Ergebnisses.                  vor allem ein anderes
Weiterentwicklung                                                                                 Licht auf den Wert
der wirtschaftlichen                    Wie können wir aus diesem Prozess des                     der persönlichen Be-
Verhältnisse über die             Philosophierens konkrete Handlungsanweisungen                   gegnung. Fragen
Vermittlung passen-                            für unsere Schule gewinnen?                        wir vor dem Hinter-
der, berufsrelevan-                                                                               grund dieser Impulse
ter Kompetenzen                        Diskutieren Sie mit uns und teilen Sie Ihre                danach, was denn
durch Unterricht und               Erkenntnisse, Sichtweisen, Visionen oder einfach               heute eine Normalität
schulische Sekun-                  Ihre Gedanken mit! Auch eine Diskussionsrunde                  von Schule auszeich-
därsozialisation (ge-           beim nächsten Altbürgertreffen wäre eine denkbare                 nen könnte, dann
sellschaftskonforme                    Plattform, die Gedanken weiterzuspinnen.                   gelangen wir eher zu
Verhaltensmuster wie                                                                              einem Set tastender
Zuverlässigkeit, Pünkt-                                                                           Fragen als zu bereits
lichkeit etc.). Bei der                                                                           klaren Antworten.
Integration rückt eben-
falls eine bestimmte Form der Pas-          Können, über unsere erworbenen          Wenn wir heute näher nach Kon-
sung, hier aber nicht zur ökono-            „Kompetenzen“ aussagen sollen.          turen von Normalität fragen, kom-
mischen, sondern zur politischen            Alles in allem geht es um Passung:      men uns in einem neuen Ausmaß
Dimension der Gesellschaft, in den          Passend-Machung durch Schule.           Zweifel, ob das, was ist, genauso
Mittelpunkt der Überlegungen. Es                                                    sein muss, wie wir es vorfinden.
geht in Schule dann um die Ver-             Hermann Lietz hatte mit seiner          Diese Fragerichtung ist nicht neu.
mittlung eines Werterahmens, die            Idee, dass eine Veränderung von         Sie begleitet die Pädagogik der
die von Gesellschaft markierten             Normalität des Aufwachsens ei-          Moderne spätestens seit dem 18.
Grenzen des Sprechens und Han-              gentlich nur durch die Gründung ei-     Jahrhundert, seitdem die Frage
delns vorgibt. Mit der Enkulturation        ner neuen, einer alternativen Form      nach der richtigen Form von Unter-
wird der Anschluss des Individuums          der Institution möglich ist, eine ra-   richt und Schule zu einem Gegen-
an die kulturellen Ordnungen der            dikale Antwort auf die Frage nach       stand permanenter Reformdebatten
Gesellschaft in den Blick genom-            dem Wozu von Schule gegeben.            geworden ist. Zugespitzt formuliert:
men. Schreib- und Lesefähigkeit,            Ja, Schule hat etwas mit Passung        Seit der Aufklärung befinden wir
Sprach-, Deutungs- und Urteilskom-          zu tun. Für ihn ging es aber um         uns im Modus permanenter Re-
petenz werden als notwendige                eine Passung zu einem idealen           formdebatten. Es ist insofern nicht
Bausteine dafür verstanden, in der          Lebensentwurf – eine Idee, die er       ungewöhnlich, dass die konkrete
Gesellschaft als kulturelles Wesen          in die Formel der „religiös-sittlichen  Gestalt von Schule in einem vor-
anzukommen. Und schließlich:                Persönlichkeit“ als Ziel von Schule     gegebenen Aushandlungsrahmen

                                                                                                                           13
                                                                                                                   AKTUELLES
 INHALTSVERZEICHNIS

               von Normalität immer wieder neu
               überprüft wird. Das Problem: Der
               Aushandlungsrahmen selbst steht
               heute auf dem Prüfstand.

               Die Auseinandersetzung mit der
               Normalität, und das heißt auch
               der normgebenden Kraft und Funk-
               tion von Schule, hat in der zweiten
               Hälfte des 20. Jahrhunderts und
               zu Beginn des 21. Jahrhunderts
               eine neue Dynamik erhalten. Auch       ten stehen für Herausforderungen,       te vor allem lernen sollte, will er
               wenn gewiss noch ganz andere           die ein Individuum im Aufbau eines      sein Mensch-Sein entfalten. Beide
               Perspektiven als besonders wich-       Selbstbildes, des sozialen Ichs, zu     Rahmungen stellen „Normalität“
               tig betrachtet werden könnten, so      bewältigen hat. Schule aber ist         auf den Prüfstand und damit auch
               scheinen es doch vor allem drei        ein wesentlicher Kontext hierfür.       die Funktionalität eines Systems
               Aspekte zu sein, die heute mit         Die Integration der verschiedenen       wie Schule.
               Blick auf das System Schule das        Perspektiven gelingt mit Blick allein
               Nachdenken bestimmen: das              nur auf eine Seite nur unter größter    Die eine Infragestellung von Nor-
               Globale, das Postkoloniale und         Anstrengung. Zusammengenom-             malität kann mit dem Stichwort
               das Digitale. Die weitreichenden,      men jedoch sind beide Herausfor-        „global“ bezeichnet werden.
               unbeantworteten Fragen lauten:         derungen kaum zu ordnen in un-          Dahinter verbirgt sich die grund-
               Sind es nicht diese Stichworte         serem Kopf, in unserem Verstehen        legende Einsicht, dass wir heute
               des Globalen, Postkolonialen           und damit auch in der Aufgabe,          nach den grundsätzlichen Rech-
               und Digitalen, die unsere heutige      die Funktion von Schule angemes-        ten für alle Menschen in einer
               Normalität ganz wesentlich prä-        sen zu bestimmen. Wir stehen vor        neuen Qualität fragen müssen.
               gen (sollten)? Was bedeutet dies       der Aufgabe, uns mit Blick auf das      Es geht um die Frage einer uni-
               für die Funktionsbestimmung von        Verhältnis von Selbst und Anderen       versalen Gleichheit des Mensch-
               Schule als solche? Kann Schule         gleichzeitig als eins und als ver-      seins. Im Umkehrschluss geht es
               unter Ausblendung der Stichworte       schieden zu verstehen, zumindest        um die Auseinandersetzung mit
               heute noch angemessen gedacht          sollten wir dies. Dies klingt in der    jenen Defiziten (z. B. der Teilhabe-
               werden? Kann Schule unter Aus-         sprachlichen Skizze banal und ein-      Chancen), die genau in diesem
               blendung der Stichworte heute          fach, führt uns jedoch bei näherer      Bereich universaler und elementa-
               noch funktionieren? Und vor allem:     Betrachtung schnell vor die Gren-       rer Menschenrechte beschrieben
               Was bedeutet dies konkret?             zen des Denk- und Fühlbaren.            werden. Hier wird Verschieden-
                                                                                              heit beispielsweise mit Blick auf
               Ins Zentrum des Nachdenkens            In kulturwissenschaftlicher Betrach-    Zugangsvoraussetzungen zu Er-
               über die Funktion von Schule           tung wurden die Bedeutung und           ziehung und Bildungschancen zu
               rückt zunächst die Erfahrung ei-       Eigenheit von Universalität und         einem zentralen Problem. Es geht
               nes grundlegenden Paradoxes. Es        Heterogenität zumindest implizit        in dieser Perspektive fundamental
               geht um das Paradox, was heute         in zwei scheinbar gegensätzli-          um Fragen der Gerechtigkeit und
               als normal für das Verständnis von     chen, in Wirklichkeit jedoch sich       einer uneingelösten Gleichheit.
               Mensch-Sein empfunden werden           ergänzenden Infragestellungen           Das UNESCO-Programm „Edu-
               soll. Es geht um die Normen, die       der Normalität entwickelt. Dafür        cation for all“ steht stellvertretend
               von „der“ Realität aus auf das Sys-    wurden zwei theoretische Rah-           für diese Perspektive der Teilha-
               tem Schule drängen. Normal sind        mungen geschaffen, die je ein           be über Inklusion. Letztlich sind
               auf der einen Seite die absolute       eigenes Konzept der zentralen           die elementare Rechte des Men-
               Wertschätzung und Verbindlichkeit      Lernherausforderungen und damit         schen nur global zu diskutieren
               von Universalität und Inklusion, auf   auch der Funktion alles organisier-     und zu begründen. Dies gilt vor
               der anderen Seite jedoch zugleich      ten und nicht organisierten Leh-        allem deshalb, weil es ansonsten
               die absolute Wertschätzung und         rens enthalten. Beide theoretische      wieder Einfallstore dafür geben
               Verbindlichkeit von Verschieden-       Rahmungen führen eine Perspekti-        könnte, bestimmten Personengrup-
               heit und Heterogenität. Beide Sei-     ve mit sich, was ein Mensch heu-        pen das Menschsein an sich ab-

   14
   AKTUELLES
zusprechen oder zumindest von         vorhandene Machtstrukturen und        marginalisierter Positionen schnell
höherwertigen und minderwerti-        Unterdrückungsmechanismen zu          an Grenzen des Vereinbaren, zu-
gen Formen des Menschseins zu         verdecken und zu tarnen. Gera-        mindest bei mir.
sprechen. Verschiedenheit ist vor     de mit Blick auf Formen der Aus-
diesem Hintergrund das Problem,       grenzung und Ausbeutung wird in       Mit Blick auf die Funktionsbe-
zumindest jedoch sekundär. Es         postkolonialer Perspektive neben      schreibung von Schule könnte
geht um die Orientierung an und       einer Sensibilität für heterogene     dementsprechend eine Folgerung
Einlösung von gleichen Rechten für    Lebenswelten eine nicht selbst        lauten: Wenn wir heute mit Blick
Alle. Es geht um die Suche nach       wieder kolonialisierende Partei-      auf das System Schule von Nor-
einer praktischen Umsetzung der       lichkeit für bestimmte Personen-      malität reden, so ist in diese das
egalisierenden Menschenrechte         gruppen eingefordert. Empathie,       Spannungsverhältnis von globa-
als Teilhaberechte und Entwick-       Zuhören und die Einsicht in die       len und postkolonialen Anliegen
lungschancen insbesondere auch        Bindungen und Bedingtheiten des       einzutragen. Ob dies gedacht,
im Bereich Erziehung, Bildung         eigenen Verstehens sind mögliche      geschweige denn in Handeln
und Schule.                           Eckpfeiler eines entsprechenden       umgesetzt werden kann, ist eine
                                      Lernverständnisses. Das Bewusst-      große Herausforderung. Ob und
Diese Seite trifft nun auf berech-    werden (und zumindest gelegent-       wie sie gelingen kann, ist eine
tigte Einwände. Auch wenn dies        lich auch Aussprechen) der eige-      Frage der Achtsamkeit und Sen-
eine, von Manchen als proble-         nen Position und Perspektive wird     sibilität mit Blick sowohl auf die
matisch empfundene Systemati-         dann zum Vor-Satz allen Redens,       Umgangsformen als auch auf die
sierung darstellen mag, bietet es     Denkens und Handelns. Dass dies       Lerninhalte in der Schule. In jedem
sich dennoch an, das Stichwort        nicht zwingend im Widerspruch         Fall müsste Uneindeutigkeit und
„postkolonial“ für den grundsätz-
lichen Einspruch gegen universal-
egalisierende Tendenzen zu ver-
wenden. Aus dieser Perspektive
ist die Betonung von Verschie-
denheit nicht ein Problem, son-
dern die Einlösung einer neuen,
notwendigen (Un-)Ordnung des
Denkens. Kritisches Denken resul-
tiert hier auf der Sensibilisierung
für die ungerechten, problema-
tischen Unterschiede, die aus
Macht- und Gewaltprozessen
der Ausgrenzung und Margi-
nalisierung folgen. Die damit
verbundenen Formen der Nicht-
Anerkennung erstrecken sich über
ein weites Feld von kulturellen
Zuschreibungen im Modus der
Verallgemeinerung (in Satz 1: alle
X sind Y; oder auch in Satz 2:        zu Kernanliegen globalen Lernens      das Aushalten von Uneindeutigkeit
Z gehört zu Y, deswegen ist auch      geraten muss, ist theoretisch recht   beziehungsweise Widersprüchen
Z so wie alle X in Y bzw. hat so zu   leicht zu denken (als Verschieden-    in den Fokus rücken. Genau dies
sein) bis hin zu konkreten Formen     heit in Gleichheit oder umgekehrt     aber scheint mit der gesellschaft-
der materiellen Unterdrückung         als Gleichheit in Verschiedenheit).   lichen Reproduktion (vor allem in
und Ausbeutung. Der Verdacht          In der Praxis kommt die Gleich-       ökonomischer und politischer Hin-
gegenüber allen universalen und       zeitigkeit der unterschiedlichen      sicht) kaum vereinbar, weil diese
damit auch globalen Zuschrei-         Arten des Respekts, des Reden-        nicht mit einer Steigerung von Kon-
bungen des Menschseins besteht        Könnens und Schweigen-Sollens,        tingenz und Ungewissheit operie-
darin, dass universale Aussagen       des Partei-Ergreifens und des ge-     ren kann, sondern gerade auf de-
vor allem dazu dienen können,         rade nicht Übernehmen-Könnens         ren Minimierung angewiesen ist.

                                                                                                                  15
                                                                                                          AKTUELLES
 INHALTSVERZEICHNIS

                                                                                              Wenn wir somit heute nach der
                                                                                              Normalität im pädagogischen
                                                                                              Bereich fragen, so drängen uns
                                                                                              die drei Aspekte des Globalen,
                                                                                              des Postkolonialen und des Digi-
                                                                                              talen Perspektiven auf, von denen
                                                                                              aus das System Schule auf den
                                                                                              Prüfstand gestellt werden muss.
                                                                                              Mehr Fragen, weniger Antworten
                                                                                              – so scheint es mir. Im Hintergrund
                                                                                              stehen als die entscheidenden
                                                                                              Herausforderungen, wer wie die
                                                                                              Regeln von Normalität definiert
                                                                                              und wer im gesellschaftlichen
                                                                                              Verständigungsspiel mit welchen
                                                                                              Mitteln und auf welchen Wegen
               Ein dritter Aspekt, der die beiden      Erziehung und vor allem Bildung?       was durchsetzt. Dabei geht es
               inhaltlich kulturbezogenen Dimen-       Es geht damit nicht nur um techni-     ganz entscheidend auch um die
               sionen von Globalem und Post-           sche Möglichkeiten und deren Um-       Ordnung beziehungsweise Neu-
               kolonialem verschränkt, wird mit        setzung, sondern vielmehr um die       ordnung von semantischen Fel-
               dem Stichwort Digital angezeigt.        Frage, inwieweit das Digitale be-      dern, also dessen, was im päda-
               Es ist eine Sache, in instrumenteller   ziehungsweise die Digitalisierung      gogischen Bereich als normal und
               Hinsicht nach den Chancen und           das Lernen von Menschen kultu-         selbstverständlich betrachtet wird
               technischen Möglichkeiten von           rell prägt und verändert. Und die      und was nicht. Schule: Wer –
               Digitalisierung zu fragen. In dieser    Funktion von Schule? Das Digitale      Wie – Was – Wieso – Weshalb
               technischen Hinsicht sind zweifels-     als Aufhebung von Wirklichkeits-       – Warum? Wenn wir nicht (immer
               ohne große Entwicklungspotenzia-        grenzen, die neue Bedeutung von        wieder neu) danach fragen, wozu
               le enthalten, die mit Blick auf „die“   Marketing, Emphase oder Wahr-          Schule als eine Institution eigentlich
               Digitalisierung von Schule munter       nehmungskonjunkturen führen            da ist, was sie ausmacht, wo ihre
               gefordert und auch etabliert wer-       doch auch einen grundsätzlichen        unverzichtbaren Leistungen aber
               den. Pädagogisch relevant wird          Wandel im Verhältnis von System        auch ihre Grenzen liegen, werden
               die Auseinandersetzung mit Digi-        Schule und Umwelt mit sich. Die        wir den Kindern und Jugendlichen,
               talisierung in einem tieferen Sinne     Frage stellt sich dann, was eigent-    den Eltern und „der“ Gesellschaft,
               jedoch erst, wenn diese nicht nur       lich an Wirklichkeit übrigbleibt       letztlich aber vor allem uns selbst
               instrumentell-technisch als etwas       und wie dieses Bild von Wirklich-      nicht gerecht. Auch wenn es keine
               betrachtet wird, das alles Lernen       keit die Funktion von Schule verän-    einfachen, schlichten und eindeu-
               heute von der Form und den Vo-          dert, aufhebt, negiert oder neu jus-   tigen Antworten geben mag, ist
               raussetzungen aus mitbestimmt.          tiert? Und wie verbindet sich dies     die von Zeit zu Zeit immer wieder
               Vielmehr geht es darum, dass das        mit den Motiven des Globalen           einmal aufzurufende Überprüfung
               Selbstverhältnis und das Selbstver-     und des Postkolonialen? Inwieweit      „Schule wozu?“ notwendig. Sonst
               ständnis des Menschen als eines         spielen sich Universalität und He-     bleiben wir nicht nur dumm (das
               Lernenden an sich kulturell neu         terogenität im Digitalen ab? Oder      könnten wir verstecken), sondern
               definiert werden. Was bedeutet          anders zugespitzt: Haben Univer-       vor allem auch stumm (und falsche
               es, dass Lernen heute digital (mit)     salität und Heterogenität im Digita-   Stille kann ziemlich laut in den Oh-
               bestimmt wird, dass Welten der          len nicht eine neue Qualität? Was      ren dröhnen).
               Wirklichkeit im Horizont des Di-        bedeutet Mensch-Sein im Digitalen        Der vorliegende Text nimmt, in überarbeiteter
               gitalen auseinanderdriften und          und wie verändert das Digitale           Form Passagen aus dem wesentlich umfang-
                                                                                                reicheren Text „System Schule in der Kritik“ in
               eine Rede von „der“ Wirklichkeit        unsere Auffassung vom Menschli-          dem von Ralf Koerrenz und Nils Berkemeyer
                                                                                                herausgegebenen Band „System Schule auf
               geradezu konturenlos wird? Was          chen? Inwieweit ist digitales Leben      dem Prüfstand“ (Weinheim 2020, Beltz-Ver-
               macht also das Digitale mit dem         – Leben? Was entsteht aus der            lag) auf. Dort finden sich auch Verweise auf
                                                                                                weiterführende Literatur.
               Grundverständnis des Menschen           Vermischung der digitalen und „re-
               als eines Lernwesens, was macht         alen“ Welt? Wie wird das System          Illustrationen: Irina Yuzh, Adobe Stock

               das Digitale dementsprechend mit        Schule dadurch neu formiert?

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   AKTUELLES
Ab jetzt Prüfungen zum Fachabitur im Lietz Internat Hohenwehrda

 Hohenwehrda schärft
 weiter sein Profil
HOH   „Wir freuen uns sehr, dass der Weg erfolgreich war“, sagt Sabine Hasenjaeger,
      Internats- und Schulleiterin im Lietz Internat Hohenwehrda.

      Das Lietz Internat Hohenwehrda         zuständig. Sie ist überzeugt von
      schärft weiter sein Profil und darf    dieser Alternative zum Allgemein-
      nun Prüfungen zum Fachabitur mit       bildenden Abitur: „Ich sehe hier
      dem Schwerpunkt Sozialwesen            eine sehr gute Möglichkeit für
      abnehmen. Somit kann in Hohen-         Schüler, ein Abitur zu erlangen
      wehrda – neben dem Abschluss           und dabei den Schwerpunkt auf
      der mittleren Reife – mit dem          den praktischen Teil zu legen.“ Seit
      Fachabitur ein weiterer staatlicher    vier Jahren bietet das Lietz Internat
      Abschluss abgelegt werden. Sa-         Hohenwehrda diesen Ausbil-
      bine Hasenjaeger dankte Harald         dungsgang und reagierte mit der
      Persch, Amtsleiter des Staatlichen     Einführung auf den Fachkräfteman-
      Schulamtes in Fulda, für die sehr      gel im Bereich der sozialen Berufe.
      gute Unterstützung und Zusammen-
      arbeit.                                In der Jahrgangsstufe 11 erhal-         Praxiserfahrungen in sozialen Ein-
                                             ten die Schülerinnen und Schüler        richtungen, Sozialstation als viel-
      „Mit dem Fachabitur sind Studium       Unterricht in schwerpunktüber-          schichtiges Spannungsfeld, Jugend
      an Hochschulen und Universitäten       greifenden Fächern wie Deutsch,         und Gesellschaft, Kommunikations-
      und auch Promotion in verschie-        Englisch, Mathematik, Naturwis-         und Gruppenprozesse und Soziale
      denen Fächern möglich“, erklärt        senschaften, Politik und Wirtschaft.    Arbeit. Drei Tage in der Woche
      Helga Vogel, in Hohenwehrda für        Im Schwerpunktfach Sozialwesen          verbringen die FOS-Schüler im
      die Betreuung der Fachoberschule       gibt es die Themenschwerpunkte          Klinikum Bad Hersfeld und/oder
                                                                                     in verschiedenen Kindertagesstät-
                                                                                     ten in Bad Hersfeld.

                                                                                     Im zweiten Ausbildungsjahr, der
                                                                                     Klasse 12, werden die Schüler auf
                                                                                     die Abiturprüfungen vorbereitet.
                                                                                     Hier erhalten sie in kleinen Grup-
                                                                                     pen vertieft, individuell und gezielt
                                                                                     Unterstützung, lernen verschiedene
                                                                                     Arbeitstechniken, selbstständiges
                                                                                     Lernen und Studierfähigkeit. Mit
                                                                                     der staatlichen Anerkennung wird
                                                                                     das Angebot, im Lietz Internat
                                                                                     Hohenwehrda das Fachabitur ab-
                                                                                     legen zu können, auch für Schüler
                                                                                     interessant, die sich erst zur Klasse
      Von links: FOS-Koordinatorin Helga Vogel, Amtsleiter des Staatlichen           11 für einen Wechsel ins Internat
      Schulamtes in Fulda, Harald Persch und Internats- und Schulleiterin Sabine     entscheiden.
      Hasenjaeger während der Übergabe der Urkunde in Hohenwehrda.                     Text: Martin Batzel
                                                                                       Fotos: Jens Terlinden

                                                                                                                             17
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 INHALTSVERZEICHNIS

        Lietz Internatsdorf Haubinda baut MINT-Bereich aus

        Talentförderung wächst weiter
     HAU       Mit dem Schuljahr 2020/2021 wird das MINT-Programm im Lietz Internatsdorf
               Haubinda ausgebaut. Interessierte und talentierte SchülerInnen finden hier
               insbesondere für die Schwerpunkte Naturwissenschaften und Technik optimale
               Möglichkeiten der Aus- und Weiterbildung.

               Auf dem 90 ha großen Internats-        Im Lietz Internatsdorf Haubinda       der und Jugendlichen sowohl von
               gelände werden in der eigenen          leben und arbeiten SchülerInnen       Handwerkern, technischen Mitar-
               Landwirtschaft und in den Hand-        und Pädagogen mit und für die         beitern und Pädagogen begleitet,
               werks-Bereichen viele verschiede-      Natur sowie für eine bessere Zu-      gefordert und gefördert. Das Zu-
               ne Gilden angeboten sowie nach-        kunft. Sie sind Energiesparmeister,   sammenleben in Internatsfamilien
               haltige Schulprojekte durchgeführt.    Umweltschützer, Bäcker, Filme-        im Internatsdorf stärkt zudem die
                                                      macher, Handwerker, Artisten,         sozialen Kompetenzen. Die Glie-
               Die zahlreichen Projekte und Aktivi-   Köche, Imker, Artenschützer und       derung in einzelne Schulbereiche
               täten haben dem traditionsreichen      Weltverbesserer. Sie fungieren mit    mit festen Teams sorgt für einen
               Internatsdorf in Thüringen bereits     15 Jahren bereits als Geschäftsfüh-   persönlichen Umgang in über-
               viele Auszeichnungen, Preise und       rer eines Dorfladens und vermark-     schaubaren Klassen von 10-18
               Ehrungen auf Landes,- Bundes- und      ten ihre eigenen Produkte. Sie nut-   Schülerinnen und Schülern.
               internationaler Ebene beschert.        zen die Sonne als Tankstelle und
               Unter anderem in den letzten Jah-      achten auf Nachhaltigkeit.            MEHR BILDER UND INFOS
               ren jeweils erste und zweite Plat-                                           AUF DER WEBSEITE
               zierungen bei dem Thüringer Zu-        Von der Grundschule über Haupt,-
               kunftspreis sowie Platz 2 bei dem      und Realschule bis hin zum Be-
               Wettbewerb „Echt Kuhl!“ des Land-      ruflichen Gymnasium und der
               wirtschaftsministeriums in 2016.       Fachoberschule werden die Kin-

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   AKTUELLES
Technische Fertigkeiten               Für das Leben lernen                     Thüringer Nachhaltigkeitsschule –
und Basiswissen                       mit Kopf, Herz und Hand                  Umweltschule in Europa

Für den MINT-Bereich werden be-       Getreu dem Motto: „Mit Kopf,             Seit fast 20 Jahren trägt die Schu-
reits in der Mittelstufe die Grund-   Herz und Hand“ wird die sozia-           le den Titel „Thüringer Nachhal-
lagen für zukünftige wissenschaft-    le Kompetenz im Team, der Um-            tigkeitsschule – Umweltschule in
liche und technische Arbeiten         gang mit natürlichen Ressourcen,         Europa“, hat sich jedoch im Laufe
gelegt: In der Schreinerei, Schlos-   Arten- und Landschaftsschutz und         der Jahre mit zahlreichen Projek-
serei, Hauswirtschaft, Nähstube,      Aspekte der Nachhaltigkeit im            ten auch über die Landesgrenze
Töpferei, genauso wie in der Land-    Internatsdorf nicht nur theoretisch      hinaus Anerkennung erarbeitet.
wirtschaft und Tierhaltung sowie      gelernt, sondern im Einklang mit
der Gärtnerei.                        Menschen, Tieren und der Natur           In Unterricht und Gilden sind die
                                      gelebt und bewusst erfahren.             Schüler an konkreten praktischen
Ab der Klassenstufe 7 wird das                                                 und somit lebensnahen Prozes-
Basiswissen im Bereich Technik        Neben Herz und Hand ist auch             sen und Aktivitäten beteiligt. Die
und Naturwissenschaften vertieft      das Gehirn gefordert bei Berech-         großzügige Anlage im Lietz Inter-
und ausgebaut.                        nungen, Kalkulationen, Wasser-           natsdorf Haubinda ermöglicht es
                                      und Bodenproben, chemischen              immer wieder aufs Neue, eine
Drei Wahlpflichtfächer stehen zur     Untersuchungen und biologischen          Symbiose aus Handwerk und mo-
Auswahl:                              Experimenten.                            derner Technik zu kreieren. Die
• Mathematisch-naturwissen-                                                    Schüler werden dadurch in die
  schaftliche Ausrichtung             Hinzu kommt der Bereich Medi-            Lage versetzt, im Alltag zu beste-
• Wirtschaft – Umwelt – Europa        enkompetenz, allem voran qualifi-        hen und zugleich für die Zukunft
• Darstellen und Gestalten            zierte Recherchen in der umfang-         gewappnet zu sein.
                                      reichen Bibliothek und im Internet.
                                      Die Einführung in wissenschaftli-        Die Hermann-Lietz-Schule Hau-
                                      ches Arbeiten sowie formale Stan-        binda ist Mitglied im Verein zur
                                      dards bei schriftlichen Ausarbeitun-     MINT-Talentförderung e.V.
                                      gen, Vorträgen und Präsentationen          Fotos: Volker Kilgus,
                                      beginnt bereits mit den Jahresar-          Lietz Internatsdorf Haubinda

                                      beiten in der 7. Klasse und wird
                                      zusätzlich in einer jährlich stattfin-
                                      denden Projektwoche vertieft.

                                                                                                                     19
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